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«Do things that make your heart beat faster». («Mach Sachen, die dein Herz höher schlagen lassen.»). Wer sich diese Devise zu Herzen nimmt, ist im San- gihe-Talaud-Archipel goldrichtig und wird mit Erinnerungen zurückkehren, die kaum mehr zu schlagen sind. Fernab des Tourismus und inmitten des artenreichen Korallendreiecks in Südostasien, liegt ein kleines Fleckchen Paradies, dessen Namen vielen noch fremd sein dürfte: Sangihe-Talaud Archipel. Hier schlagen nicht nur Abenteurer- und Entdeckerherzen höher, sondern auch die von Naturliebhabern und Tauchern. Wer die Gelegenheit hatte, die Schönheit der Inseln und der hiesigen Unterwasserwelt zu er- kunden ist hin- und hergerissen, entweder allen Bekannten davon erzäh- len zu wollen oder das wohl schönste Tauchergeheimnis doch lieber für sich zu behalten. Denn ein üppiges Inselparadies gekoppelt mit aktivem Unterwasservulkan und Tauchplätzen, die mit ihren riesigen Korallen und zahlreichen Fischschwärmen alles bisher Gesehene in den Schatten stel- len, ist sehr schwer zu schlagen. Organisation Nach Sangihe zu kommen ist recht einfach, jedoch ist die Insel noch nicht auf Tauchtourismus eingestellt. Es hat vor Ort zwar eine kleine Basis, die jedoch nicht nach einem Standard einer Organisation wie z.B. PADI organi- siert ist. Auf eigene Faust ist das Tauchen in Sangihe aktuell noch nicht zu empfehlen, da es angefangen von einem für Taucher ausgestatteten Boot bis zur sauberen Füllstation in der Basis noch viel Arbeit bedarf. Die bisher einzige Garantie einer reibungslosen und gut organisierten Tauchreise ist eine Buchung über Celebes Divers (einziger professioneller Anbieter), die in Nord Sulawesi bereits seit vielen Jahren zwei Tauchresorts betreiben und über die entsprechenden Kontakte auch auf Sangihe («San- gir» ausgesprochen) verfügen. So steht von einem geeigneten Boot bis zu sauberer Luft alles zur Verfügung. Celebes Divers biete das viertägige Modul «Sangihe» im Rahmen ihres Angebots «Create your perfect diving holiday» an, mit dem man seinen Urlaub nach Mass und aus unterschiedli- chen Modulen selber zusammenstellen kann. Bei Buchung des Moduls or- ganisieren Celebes Divers auch den Flug und alle Transfers und man kann bereits mit entspannter Vorfreude der Reise entgegen sehen. Anreise Ab Europa erreicht man Sangihe, Indonesien, das in Naha einen eigenen kleinen Flughafen besitzt, am einfachsten via Singapur und dann Manado (Sulawesi, Indonesien). Von Manado aus fliegt meist täglich eine Maschine der Airline Wings Abadi (Tochtergesellschaft von Lion Air) in einem kurzwei- ligen Flug von ca. 50 Minuten direkt nach Naha auf Sangihe. Unterkunft Das kleine aber feine Hotel Bintang Utara wird von einer lokalen Familie geführt, die herzlich ihre Gäste umsorgt. Das Bintang Utara ist vor Ort das Hotel, dessen Standard dem europäischen am nächsten kommt. Trotzdem sollte man sich bei der Buchung bewusst sein, dass Tauchen in Sangihe eher noch eine Abenteuer- und keine Luxusreise ist. Die Zimmer sind eher spartanisch eingerichtet, jedoch verfügt jedes über eine Klimaanlage, eige- nes Bad, ein komfortables Bett, ein Nachttischchen, einen kleinen weiteren Tisch und alle Zimmer sind immer sauber. Das kleine, einfache Frühstücks- buffet besteht aus einem Mix aus indonesischen, westlichen Speisen und schmackhaften, lokalen Früchten. Tauchen Tauchen im Sangihe Archipel bietet viel Abwechslung: Intakte Riffe, grosse Fischschwärme, ein japanisches Wrack aus dem zweiten Weltkrieg, Anker aus dem 16. Jahrhundert, ein aktiver Unterwasservulkan, überwachsene Felsen, abfallende Hänge, Steilwände, Seegraswiesen und Muck Diving auf sandigem Grund (ohne dem vielen Plastik aus der Lembeh Strasse). Was wirklich nicht genug hervorgehoben werden kann, sind die intakten Riffe. Hier findet man Korallen in schier unendlicher Grösse und keinerlei Schäden, nicht mal Kratzer. Erfahrene Taucher werden nicht nur an den intakten Korallen die Unbe- rührtheit Sangihe’s erkennen, sondern auch am Fischverhalten. An einigen Fischarten erkennt man, dass sie Taucher noch überhaupt nicht als unge- fährlich (also nicht als Raubfische) einstufen können, während wieder an- dere, normalerweise weniger scheue Exemplare offensichtlich noch kei- ne schlechten Erfahrungen gemacht haben. Der umwerfend gute Zustand der Korallen zeigt auch, dass das Fischen mit Bomben in Sangihe nie gross praktiziert worden sein kann, ungleich anderen Regionen Südostasiens. Diese Grösse erreichen Korallen ansonsten nicht in wenigen Jahren. Die Einzigartigkeit wurde auch von der Regierung erkannt und sie prüfen aktuell Massnahmen, um die Unterwasserwelt entsprechend durch Re- geln oder sogar Marine Nationalparks nachhaltig zu schützen, bevor der Für Abenteurerherzen und Neuzeitentdecker: Tauchen im Sangihe Archipel Im nördlichsten Teil Indonesiens und schon sehr nah an den Philippinen findet man noch unberührte Riffe, verlassene Strände und Natur pur. Von einer Reise mit Celebes Divers in eines der letzten Paradiese, wo es noch etwas zu entde- cken gibt. © Text & Bilder: Angela Loetscher / aekai.ch

Für Abenteurerherzen und Neuzeitentdecker · Tauchtourismus angekommen ist. Aufgrund der Lage und der topografischen Gegebenheiten, sollten jedoch nur Taucher nach Sangihe gehen,

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Page 1: Für Abenteurerherzen und Neuzeitentdecker · Tauchtourismus angekommen ist. Aufgrund der Lage und der topografischen Gegebenheiten, sollten jedoch nur Taucher nach Sangihe gehen,

«Do things that make your heart beat faster». («Mach Sachen, die dein Herz höher schlagen lassen.»). Wer sich diese Devise zu Herzen nimmt, ist im San-gihe-Talaud-Archipel goldrichtig und wird mit Erinnerungen zurückkehren, die kaum mehr zu schlagen sind. Fernab des Tourismus und inmitten des artenreichen Korallendreiecks in Südostasien, liegt ein kleines Fleckchen Paradies, dessen Namen vielen noch fremd sein dürfte: Sangihe-Talaud Archipel. Hier schlagen nicht nur Abenteurer- und Entdeckerherzen höher, sondern auch die von Naturliebhabern und Tauchern. Wer die Gelegenheit hatte, die Schönheit der Inseln und der hiesigen Unterwasserwelt zu er-kunden ist hin- und hergerissen, entweder allen Bekannten davon erzäh-len zu wollen oder das wohl schönste Tauchergeheimnis doch lieber für sich zu behalten. Denn ein üppiges Inselparadies gekoppelt mit aktivem Unterwasservulkan und Tauchplätzen, die mit ihren riesigen Korallen und zahlreichen Fischschwärmen alles bisher Gesehene in den Schatten stel-len, ist sehr schwer zu schlagen.

OrganisationNach Sangihe zu kommen ist recht einfach, jedoch ist die Insel noch nicht auf Tauchtourismus eingestellt. Es hat vor Ort zwar eine kleine Basis, die jedoch nicht nach einem Standard einer Organisation wie z.B. PADI organi-siert ist. Auf eigene Faust ist das Tauchen in Sangihe aktuell noch nicht zu empfehlen, da es angefangen von einem für Taucher ausgestatteten Boot bis zur sauberen Füllstation in der Basis noch viel Arbeit bedarf.Die bisher einzige Garantie einer reibungslosen und gut organisierten Tauchreise ist eine Buchung über Celebes Divers (einziger professioneller Anbieter), die in Nord Sulawesi bereits seit vielen Jahren zwei Tauchresorts betreiben und über die entsprechenden Kontakte auch auf Sangihe («San-gir» ausgesprochen) verfügen. So steht von einem geeigneten Boot bis zu sauberer Luft alles zur Verfügung. Celebes Divers biete das viertägige Modul «Sangihe» im Rahmen ihres Angebots «Create your perfect diving holiday» an, mit dem man seinen Urlaub nach Mass und aus unterschiedli-chen Modulen selber zusammenstellen kann. Bei Buchung des Moduls or-ganisieren Celebes Divers auch den Flug und alle Transfers und man kann bereits mit entspannter Vorfreude der Reise entgegen sehen.

AnreiseAb Europa erreicht man Sangihe, Indonesien, das in Naha einen eigenen kleinen Flughafen besitzt, am einfachsten via Singapur und dann Manado (Sulawesi, Indonesien). Von Manado aus fliegt meist täglich eine Maschine der Airline Wings Abadi (Tochtergesellschaft von Lion Air) in einem kurzwei-ligen Flug von ca. 50 Minuten direkt nach Naha auf Sangihe.

UnterkunftDas kleine aber feine Hotel Bintang Utara wird von einer lokalen Familie geführt, die herzlich ihre Gäste umsorgt. Das Bintang Utara ist vor Ort das Hotel, dessen Standard dem europäischen am nächsten kommt. Trotzdem sollte man sich bei der Buchung bewusst sein, dass Tauchen in Sangihe eher noch eine Abenteuer- und keine Luxusreise ist. Die Zimmer sind eher spartanisch eingerichtet, jedoch verfügt jedes über eine Klimaanlage, eige-

nes Bad, ein komfortables Bett, ein Nachttischchen, einen kleinen weiteren Tisch und alle Zimmer sind immer sauber. Das kleine, einfache Frühstücks-buffet besteht aus einem Mix aus indonesischen, westlichen Speisen und schmackhaften, lokalen Früchten.

TauchenTauchen im Sangihe Archipel bietet viel Abwechslung: Intakte Riffe, grosse Fischschwärme, ein japanisches Wrack aus dem zweiten Weltkrieg, Anker aus dem 16. Jahrhundert, ein aktiver Unterwasservulkan, überwachsene Felsen, abfallende Hänge, Steilwände, Seegraswiesen und Muck Diving auf sandigem Grund (ohne dem vielen Plastik aus der Lembeh Strasse). Was wirklich nicht genug hervorgehoben werden kann, sind die intakten Riffe. Hier findet man Korallen in schier unendlicher Grösse und keinerlei Schäden, nicht mal Kratzer.

Erfahrene Taucher werden nicht nur an den intakten Korallen die Unbe-rührtheit Sangihe’s erkennen, sondern auch am Fischverhalten. An einigen Fischarten erkennt man, dass sie Taucher noch überhaupt nicht als unge-fährlich (also nicht als Raubfische) einstufen können, während wieder an-dere, normalerweise weniger scheue Exemplare offensichtlich noch kei-ne schlechten Erfahrungen gemacht haben. Der umwerfend gute Zustand der Korallen zeigt auch, dass das Fischen mit Bomben in Sangihe nie gross praktiziert worden sein kann, ungleich anderen Regionen Südostasiens. Diese Grösse erreichen Korallen ansonsten nicht in wenigen Jahren. Die Einzigartigkeit wurde auch von der Regierung erkannt und sie prüfen aktuell Massnahmen, um die Unterwasserwelt entsprechend durch Re-geln oder sogar Marine Nationalparks nachhaltig zu schützen, bevor der

Für Abenteurerherzen und Neuzeitentdecker:

Tauchen im Sangihe Archipel

Im nördlichsten Teil Indonesiens und schon sehr nah an den Philippinen findet man noch unberührte Riffe, verlassene Strände und Natur pur. Von einer Reise mit Celebes Divers in eines der letzten Paradiese, wo es noch etwas zu entde-cken gibt.

© Text & Bilder: Angela Loetscher / aekai.ch

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Tauchtourismus angekommen ist.Aufgrund der Lage und der topografischen Gegebenheiten, sollten jedoch nur Taucher nach Sangihe gehen, die über eine gewisse Mindesterfahrung verfügen. Starke Strömungen können schnell auftauchen und genauso schnell die Richtung wechseln. Da Celebes Divers die Sicherheit ihrer Taucher unter anderem aufgrund ei-ner fehlenden Druckkammer in Sangihe ernst nimmt, werden unerfahrene Taucher gerne zum Schnorcheln, jedoch nicht als Taucher beim Tauchgang mitgenommen. Sauerstoff ist auf dem Boot zwar stets mit dabei, erübrigt aber nicht in jedem Fall die Druckkammer. Wird man zum Schnorchler «verdonnert», gibt es allerdings viel ungeeig-netere Ort als die hübschen Riffe Sangihes, denn auch im flachen Wasser finden sich wunderschöne und bunte Korallen, Anemonen und viele Fische. Das Wasser ist so kristallklar, dass auf dem Boot gerne mal Witze darüber gemacht werden: Wieso hier noch tauchen, wenn man schon vom Boot aus alles gesehen hat?

Getaucht wird drei Mal pro Tag an drei Tagen, am tauchfreien vierten Tag wird die Insel erkundet.

TauchspotsWer eine sauber kartographierte Tauchspot-Liste für seinen Urlaub braucht, sollte bei Club Med buchen und nach Ägypten oder Bali reisen, die auf eine lange Tauchgeschichte zurückschauen und bereits alle Tauchplätze doku-mentieren konnten. Wer aber lieber in Cousteaus Stapfen treten möchte, der kann hier noch aktiv bei der Erkundung neuer Tauchspots mitmachen. Das Abenteuerherz wird hier höher schlagen, wenn man ohne Briefing und ohne Ahnung, was einen erwartet, in die Unterwasser-Wundertüte Sangi-he’s springt. Walhai, Manta, andere Grossfische, Fischschwärme oder sel-tene Nacktkiemer, alles ist möglich. Das Meer wird schnell zu einer span-nenden Spielwiese und am liebsten würde man überall so tauchen können.

4 Tage, 1 ½ Wrack, 1 Unterwasservulkanund 1‘001 ErinnerungenAufgrund der aktuellen Wetterbedingungen variiert jede Reise nach San-gihe bezüglich der angefahrenen Inseln. Es kann keine Garantie gegeben werden, was die Anfahrt der ferneren Tauchplätze angeht, wie z.B. dem aktiven Unterwasservulkan. Deshalb sollte das Reiseglück nicht an einem einzigen Erlebnis aufgehängt werden. Vielmehr sollte man sich auf das Abenteuer einlassen und schauen, was Mutter Natur einem zeigen will. Je nach Wetter, Wellengang und aktuell vorherrschender Strömung werden geeignete Plätze angefahren. Nachfolgend ein Bericht der im Juni 2016 durchgeführten Reise (Modul Sangihe).

Tag 1 –Maselihe und der Prinz von Mindanao05:30 Uhr und das Transfer-Auto Richtung Flughafen beim Mapia Resort in Kalasey (Manado) steht bereits beladen und abfahrbereit. Während die Sonne noch ihren Weg aus der Dämmerung findet, fährt das Auto durch das erwachende Manado. 40 Minuten später steht man schon am Check-in Schalter der Wings Abadi Airline und nach einem 50 minütigen Flug in der kleinen Maschine erreicht man um ca. 07:50 Uhr den noch kleineren Flughafen in Naha auf Sangihe.

Nach den ersten Selfies mit den Einheimischen (Weisshäutige und Blon-de sind noch eine Sensation auf Sangihe), fährt Chiind («Tschinn» ausge-sprochen) die kleine Gruppe quer über die vegetationsreiche Insel in das Hafenstädtchen Tahuna ins Hotel zum Einchecken. Bereits auf der Fahrt möchte man am liebsten alle paar hundert Meter anhalten und fotogra-fieren, denn die Vegetation ist nicht nur sehr üppig, sondern sorgt für ein kontrastreiches, buntes Farbspektakel. Mit den ersten Eindrücken beginnt auch das Luxusproblem, das einem während dem gesamten Aufenthalt auf Sangihe verfolgen wird: sich lieber an Land sattsehen und keine Aus-sicht verpassen, die alle Kodak-Fotomomente in den Schatten stellen wür-de, oder doch lieber Tauchen und sich darüber wundern, wie unglaublich schön die Unterwasserwelt wirklich sein kann?

Etwa eine Stunde später: Die Zimmer sind bezogen, das Tauchgepäck aus-gepackt, die Unterwasserkamera zusammengeschraubt und schon geht es los zum ersten Tauchgang. Unterwegs zum Hafen von Tahuna sieht man schon recht viel des ebenfalls bunten und quirligen Städtchens und als sich die Aussicht auf den Hafen und das Meer eröffnet, erlebt man weitere Fotomomente. Die Farben sind einfach überwältigend, egal wo man hin-sieht. Auf der Strasse sieht man immer Blachen, auf denen Gewürznelken oder Muskatnüsse getrocknet werden.

Die Fahrt mit dem Boot führt nach Norden entlang der Küste, vorbei an winzigen Fischerdörfchen, kom-plett überwachsenen Hügeln und verlassenen Stränden. Ab und zu kreuzt man den Weg eines kleinen Fischerbootes. Die Einwohner Sangihes haben in ih-rer Kultur viele Überlieferungen und Legenden, delikat miteinander ver-woben, welche sie gerne auch mit

ihren Besuchern teilen. So erzählt ein Crewmitglied, dass auch Maselihe, Ort des ersten Tauchgangs, ein geschichtsträchtiger Ort ist. In der grün-tür-kisenen Bucht soll mal auf einem Felsen das Dorf Maselihe über dem Meer geragt haben. Der ansässige Raja (Königs) hatte eine Tochter, welche das Auge des philippinischen Prinzen von Mindanao auf sich gezogen hatte. Sämtliche Avancen des Prinzen wurden aber liebevoll ignoriert, was wahr-scheinlich mehr den Stolz als die Gefühle des jungen Mannes verletzten und ihn dazu bewegte, einen Fluch über Maselihe zu legen. Mittels eines Erdbebens liess er das Dorf mitsamt seiner Einwohner ins Meer stürzen. Heute wissen die Einheimischen den Ort tunlichst zu meiden und gehen daher nie nach Maselihe zum Fischen oder Schwimmen.Der erste Tauchgang wird am nördlichen Ende von Maselihe durchgeführt, wo riesige, bewachsene Felsen die Fantasie des versunkenen Dorfes schü-ren. Da dieser Platz bereits bekannt ist, findet ein kurzes Briefing statt als Akklimatisierung. Eine Vielzahl an Korallen-, Schwammarten und die vielen Fische erfreuen die Taucher. Der Tauchplatz bietet mit unzähligen Nischen, Felsspalten und kleine Höhlen viel Gelegenheit zur Erkundung. Die riesi-gen Felsen scheinen vulkanischen Ursprungs zu sein und sorgen für eine spannende Abwechslung zu den üblichen Korallenriffen. Weiter unten sind die Felsen wieder so stark mit Hart- und Weichkorallen bewachsen, dass man sie fast nicht mehr wahrnimmt. Eine Tauchlampe ist hier empfehlens-wert, damit man das Erkundungspotenzial auch richtig ausschöpfen kann.

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Mittlerweile ist es Mittag und alle Taucher haben nach dem ersten begeis-terten Redeschwall Hunger. Der malerische kleine Strand bei Maselihe mit einem Flüsschen, das seinen Weg aus dem Dschungel zum Meer bahnt, bietet sich als Picknick-Ort geradezu an. Chiind packt das vorbereitete, aromatisch duftende indonesische Essen aus und dieses wird mit weite-rer Begeisterung schnell verschlungen. Ein abkühlendes Bad im Fluss, et-was planschen im Wasser und viele Fotos später ist die Oberflächenpause schnell vorüber und der zweite Tauchplatz wird diskutiert.

Maselihe hat so begeistert, dass die Gruppe entscheidet, den südlichen Teil auch noch zu betauchen. Diesmal ohne Briefing, da unbekannt. Aber nachdem, was im ersten Tauchgang gesehen wurde, kann jeder auch ohne Briefing leben. Die Abenteuerherzen sind in ihrem Element, die Auslösefin-ger jucken schon. Maselihe 2, wie es benannt wurde, oder der südliche Teil von Maselihe, sieht erstaunlich anders aus als das Nordende. Hier sind nicht mehr riesi-ge Felsblöcke die Hauptattraktion, sondern eine komplett überwachsene Steilwand mit Ritzen und richtigen kleinen Höhlen. Ein Nacktkiemer nach dem anderen sorgt für Aufregung und ein grosser Schwarm dunkler Drü-ckerfische patrouilliert das flachere Gewässer.

Nach der Rückfahrt und einer kurzen Pause im Hotel geht es zurück zum Hafen von Tahuna zum Nachttauchgang, wo ein Wrack aus dem zweiten Weltkrieg nur etwa hundert Meter vom Pier entfernt liegt. Überlieferungen nach, wurde das japanische Kriegsschiff vor etwa 70 Jah-ren von Bomben eines amerikanischen U-Bootes versenkt. Recherchen der Autorin haben ergeben, dass es sich beim Wrack um den japanischen Zerstörer Hokaze («Leichter Wind») handeln könnte, der am 6. Juli 1944 bei Sangihe durch das U-Boot USS Paddle verheerend getroffen wurde. Die Hokaze war als Abwehr von Torpedobooten auf einer Begleitmission und sollte von Tahuna zur Insel Halmahera in den Molukken fahren. Die Koordinaten, wo die Hokaze versenkt worden sein soll, scheinen ein klein wenig falsch zu liegen. Da es aber keinerlei anderer Berichte gibt, die ein Wrack in Tahuna platzieren, kann davon ausgegangen werden, dass es sich tatsächlich um das Wrack der Hokaze handelt. Die Angaben zum erlittenen Schaden scheinen auch übereinzustimmen. Wer mehr über die Geschichte der Hokaze nachlesen will, findet im englischen Wikipedia wei-tere Infos: https://en.wikipedia.org/wiki/Japanese_destroyer_Hokaze

Die gut siebzig Jahre Unterwasser haben den Korallen und Schwämmen mehr als genug Zeit gegeben, das Wrack komplett zu übernehmen und der Bewuchs ist sehr schön. Entsprechend finden auch viele verschiedene Fische, Krebse, Garnelen und Nacktkiemer darauf ein Zuhause. Das Wrack ist offen genug, dass man in sein Inneres eintauchen kann, ohne in Räumen verloren zu gehen. Der tiefste Punkt des Wracks liegt bei ca. 22 Metern. Es gibt so viel zu sehen, dass ein Tauchgang alleine schon fast zu wenig wäre.

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In der zweiten Hälfte der Tauchzeit trennt sich die Gruppe schweren Herzens vom Wrack, um das Gebiet um das Pier im flacheren Wasser zu erkunden. Hier erwartet die Taucher Muck Diving vom Feinsten, einfach ohne den ganzen Müll und der schlechten Sicht, die man sich von der Lembeh Stras-se gewohnt ist. Zahlreiche Ader-Oktopusse (Coconut Octopus / Amphioc-topus marginatus) sorgen für lustige Unterhaltung mit ihren Muschel- und Kokosnusshälften, während verschiedene spezielle Drachenköpfe, Angler-fische, Nacktkiemer und ungewöhnliche Nachtanemonen die Seegraswie-se zu einer kleinen Schatzsuche machen. Auch dieser Platz wäre mehr als geeignet für einen eigenen Tauchgang.

Nach dem Duschen im Hotel geht es in nur ein paar Schritten in das schö-ne, grosse Haus einer ansässigen Familie zum Dinner. Jeden Abend kocht die Hausherrin schmackhafte, indonesische Speisen für ihre Gäste, die ein Restaurant locker vor Neid erblassen lassen würden.

Tag 2 – Der Fisch-Kindergarten von BukideAm nächsten Tag stellt die Regierung ihr Boot zur Verfügung. Das Schnell-boot ermöglicht durch seine Ge-schwindigkeit das Erreichen weiter entfernter Inseln im Nu. Das Wetter und das Meer sind freundlich ge-stimmt und nach etwas mehr als ei-ner Stunde erreichen wir die Insel Bukide im Norden Sangihe’s. Hier erwartet uns ein malerischer kleiner Strand mit unzähligen grün-blau-türkis Schattierungen und die Vor-freude auf den Tauchgang ist sehr gross.

Das Wasser ist so klar und fischreich, dass der Tauchplatz «Bukide« einem überdimensionalen Aquarium gleicht. Riesige (wirklich riesige!) Korallen lenken von den Fischen ab und erst nach einigen Minuten sattsehen, kann man seine Aufmerksamkeit mal wieder einem der zahl- und artenreichen Fischen, Schnecken und Garnelen zuwenden. Der Grund ist bis auf einige sandigen Stellen nur noch von kleinen geröllhaldigen Stellen unterbrochen, die jedoch natürlichen Ursprungs zu sein scheinen. Grosse Blaupunkt-Ro-chen und der gelegentlich vorbeiziehende Adlerrochen untermalen den

Tauchplatz. Dieser Ort scheint auch ein Fisch-Kindergarten zu sein, denn unzählige Jungfische sorgen für einen lustigen Kontrast zu den sonst so grossen Korallen, Schwämmen und anderen Tieren. Während der Oberflächenpause kommt Aufregung auf: Eine Gruppe Del-fine (auf Indonesisch «Lumba-Lumba» genannt) kommt in die Bucht und verweilt unweit des Bootes. Eine kleine Felsinsel, die in der Bucht aus dem Wasser ragt, zieht immer wieder das Auge der Taucher auf sich und so ist der zweite Tauchplatz schnell erkoren. Ein neuer, undokumentierter Tauch-platz braucht natürlich auch einen Namen und so wird aus dem Inselna-men Bukide und dem indonesischen Namen für Fels (Batu) der Tauchplatz «Bukide Batu» getauft.

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Zum fünften Mal in Folge ist auch dieser Tauchplatz wieder eine Abwechs-lung zu den vorangehenden. Im unteren Bereich findet man bis in grosse Tiefen einen tollen Bewuchs aus Korallen, Schwämmen, Gorgonien, viele Federsterne in allen Farben des Regenbogens und zahlreiches Kleingetier. Weiter oben verläuft der Korallenbewuchs in eine üppige Seegraswiese über, die die Taucher ständig nach Dugongs Ausschau halten lässt. Dies-mal leider kein Glück, aber alle sind sich sicher, dass hier die Chancen auf Dugong besonders gut stehen. Lässt man das Kleingetier Revue passieren, fällt auf, dass zwar keine kom-plett unerwarteten Schnecken & Co gesichtet wurden, jedoch eine erstaun-liche Anzahl des hübschen Meeresstrudelwurms Pseudoceros lindae. Bei den Nacktkiemern entdeckt man eine Häufung von eher selteneren Exem-plaren wie z.B. die Roboastra gracilis und die Halgerda tesselata.

Auch Bukide hat seine Geschichte, deren Hintergrund leider nicht ganz klar ist: Menschen, die von der Insel Siang ganz im Süden des Archipels ab-stammen, sollten das Baden bei Bukide tunlichst vermeiden, da sie sonst instant sterben. Wahrscheinlich hätte man dies unserer netten indonesi-schen Begleitung sagen sollen, da sie mit ihren Siang-Wurzeln nach dem Tauchgang putzmunter auf dem Boot rumturnte, fröhlich singend und de-finitiv quicklebendig.

Auch auf der Rückfahrt nach Tahuna auf Sangihe kann man den Blick von der kitschig-schönen, traumhaften Szenerie kaum abwenden und irgend-wie findet die Kamera immer wieder seinen Weg in die Hände. Hier entste-hen Erinnerungen, die man gerne für immer festhalten und nie mehr los-lassen möchte.

Der letzte Tauchgang des Tages wird bei Lesa südlich von Tahuna durch-geführt. Dieser eher flache Tauchplatz verfügt nebst den mittlerweile für die Taucher üblichen Korallenpracht auch über kleine verwinkelte Felsfor-mationen, die spannenden Tieren wie dem Echten Mirakelbarsch (Callo-plesiops altivelis) Unterschlupf geben. Die Hauptattraktion sind diesmal aber ganz klar die beiden riesigen und komplett überwachsenen Anker des Schiffes Santa Maria del Parral, wel-ches 1526 hier gesunken ist. Die Santa Maria war unter der Leitung von Kapitän García Jofre de Loaísa unter spanischer Flagge auf der sogenannten Loaísa-Expedition. Diese Ex-pedition war auf der Suche nach einem Seeweg zu den Gewürzinseln via Atlantik und Pazifik durch Umrundung der Südspitze Südamerikas. Nach vielen Problemen, die aufgrund der unterschiedlichen Bauarten und Alter der Schiffe des Geschwaders entstanden, schafften lediglich zwei der ur-sprünglich sieben Schiffe die Pazifiküberquerung. Eines davon war die Santa Maria del Parral, die bei Lesa jedoch Schiffbruch erlitt. Die überlebenden Crewmitglieder wurden gefangengenommen und versklavt. Vier der Überlebenden hatten Glück und konnten von einer spä-teren spanischen Expedition gerettet werden. Das Flaggschiff Santa Maria de la Victoria erreichte derweil als einzige das Expeditionsziel.

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Tag 3 – „Wooohooooo“ im Reich der RiesenkorallenEin weiterer Tag freundlichen Zurverfügungstellen des Regierungsbootes ermöglicht das Erkunden der südlicher gelegenen Inseln des Archipels. Die Bootsfahrt führt wieder entlang wunderschöner Inseln, schneeweis-ser und grauer verlassener Strände, üppiger Vegetation in allen Grüntönen und als zusätzlichen Kontrast dazu, leuchten die unterschiedlichen Blautö-ne des Meeres. So unglaublich schön ist die Aussicht, dass man sein Glück kaum fassen kann. Das Taucherherz erkennt auch eine schier unendliche Zahl an potenziellen Tauchplätzen und am liebsten wäre man im Auftrag von National Geographic unterwegs, so zwei, drei Monate puren Glücks bei der Erkundung dieses kleinen Paradieses.

Viele Fotos später erreicht man dann die Insel Mahengetang. Es ist ein wahres Geschenk, hierhin kommen zu können. Je nach Wellen- und Wit-terungslage kann der Süden nicht gut angefahren werden oder es kann zu starken Strömungen in dieser Gegend kommen. Die Anfahrt ist nicht ga-rantiert und darum ist man umso dankbarer, wenn es klappt.

Der Tauchplatz heisst «Banua Wuhu», was dem Namen des aktiven Unter-wasservulkans entspricht. Schon auf der Oberfläche sieht man feine Luft-blasen auftauchen und die Vorfreude wird weiter geschürt. In einer Tiefe von lediglich 5-8 Metern erwartet die Taucher ein Spektakel, das man wohl kaum noch woanders so einfach zu sehen bekommt. Hier wird im Sprudel-bad getaucht, das aber ungleich anderer Orte nicht durch die vielen Tau-cher verursacht wird, sondern durch den aktiven Unterwasservulkan.

Die riesigen vulkanischen Felsblöcke, die sich aus dem Meer erheben, ha-ben winzige Ritzen und Spalten, aus denen es ganz fein bis sehr stark raus-sprudelt. Irgendwie erinnert das Schauspiel etwas an einen Kochtopf, in dem das Wasser zu sprudeln beginnt, ganz leicht vom Fels aus in kleinen perligen Reihen im kristallklaren Wasser. Und es zischt. Obwohl es nicht dem feuerwerkartigen Spektakel eines lavaspeienden Vulkans entspricht, ist die ganze Erfahrung atemberaubend und der Gedanke, gerade über einem aktiven Vulkan in den Luftbläschen zu planschen, einfach überwäl-tigend. Mit grossen Augen, innerlich die ganze Zeit ein Ruf von «wooo-hooooooooo»!

Obwohl die Felsen lediglich mit einer Art Algen überwachsen sind, trennt man sich nur schweren Herzens und taucht ab, um die tiefergelegenen Be-reiche der Felsen zu erkunden. Mindestens so spektakulär wie der Vulkan ist aber auch der restliche Tauchplatz, wo die algenbewachsenen Felsen in einen lückenlos mit riesigen Korallen bewachsenen Steilhang übergehen. Bereits an die Riesenkorallen Sangihe’s gewohnt, ist man hier trotzdem ab den noch grösseren Korallen, Schwämmen und Gorgonien erstaunt und seinesgleichen wird sehr schwer zu finden sein. Der Hang ist komplett mit einer riesigen Kolonie von ca. 20 Quadratmetern Salatkorallen überwach-sen und gleich daneben findet man Tischkorallen, die locker im Durchmes-ser die Länge der Taucher übersteigen.

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Fächerkorallen sind hier gerne so gross, dass man mit allen Vieren gespreizt nicht so gross wie die Gorgonie ist, Flossen inklusive. Eigentlich weiss man gar nicht wo hinsehen und bleibt vom Anblick auch sehr lange zu abge-lenkt, um nach Kleingetier zu suchen. Ein weiteres Highlight sind an die-sem Spot auch die Gipfel, die sich aus dem Meeresboden erheben und mit ihrem Bewuchs, Spalten und Nischen auch viele Möglichkeiten zur Erkun-dung bieten.

Noch etwas weiter taucht man dann in einer einzigen Fischsuppe aus zahl-reichen Schwärmen von Falterfischen, schwarzen Schnappern, Drückerfi-schen, Füsilieren und Riffbarschen. Der Blick ins Blauwasser lohnt sich auch, denn hier hat man hervorragende Chancen auf Grossfische und der erste grosse Makrelenschwarm lässt nicht lange auf sich warten. Als die Taucher sich dann auf einem fast Fussballfeld-grossem Bereich von Geweihkorallen (Acropora sp.) wiederfinden, bleibt allen fast die Spucke weg, zumal darin wiederum ein fast 10 Quadratmeter grosses Anemonenfeld eingebettet ist.Aufgrund der geringen Tiefe, kann zumindest Banua Wuhu’s vulkanische Aktivität auch schnorchelnd bewundert werden.

Für den zweiten Tauchgang folgen wir dem Rat eines lokalen Fischers und fahren zur kleinen, nahegelegenen Insel Kahakitang, denn hier werden re-gelmässig Walhaie gesichtet. Auch diese Insel ist sehr malerisch und das Meer aufgrund der variierenden Tiefen im Flachwasser und den teils san-digen Flächen ein bunter Mix von grün-türkis, himmelblau bis azur. Wer hier fotografiert, muss sich garantiert Bemerkungen wie «Farbsättigung im Photoshop etwas übertrieben» anhören.

Das Wasser ist so klar, dass nach einem prüfenden Blick vom Boot aus der erste Taucher scherzt, alles gesehen zu haben, und dass man nun weiter-fahren kann. Doch der Walhai ruft und der Tauchgang startet.

Im flachen Wasser ist schon alles sehr bunt, denn hier finden sich beson-ders viele farbenreiche Federsterne nebst den vielen Hart-, Weichkorallen und Schwämmen und den zahlreichen Fischen in allen Farben des Regen-bogens. Der Grund fällt auf der einen Seite, etwas besser von möglichen Strömun-gen geschützt, sanft ab. Auf der anderen Seite scheint das Wasser tief ge-nug und planktonreich genug zu sein, dass man sich den Walhai schon plastisch vorstellen kann. Dass kein Walhai gesichtet wird, fällt allerdings erst auf dem Boot bei der Eintragung ins Logbuch auf. Unterwasser waren alle durch die Vielzahl an Nacktkiemern, Garnelen und anderen spannen-den Tierchen abgelenkt.

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Nach einem Picknick am dritten der gefühlten 5‘000 Bilderbuch-Stränden des Archipels geht es zu einem Manta Point.

Hier bei der Insel Lapango am Tauchspot Batu Celana ist an der Oberfläche eine sehr schöne Reihe kleiner bewachsener Felsen fast dekorativ platziert. Noch immer vermisst niemand das Briefing-Tauchen, denn schliesslich sind mittlerweile alle zu zertifizierten Indiana Jones geworden. Wenn denn Indi überhaupt tauchen würde.

Runter geht’s auf ca. 35 Metern und als da keine Mantas in Sicht sind, wie vorbesprochen wieder in die Gegend um die 15-20 Metern Tiefe, denn alle möchten lieber einen ausgiebig langen letzten Tauchgang in diesem Meer der grossen Wunder geniessen, als einen kurzen in der Tiefe, ohne Mantas, die eigene Pläne haben. Von der Unterwasserlandschaft her befindet sich hier eine Ecke in der Tiefe, an der zwei Strömungen zusammentreffen. Das Wasser ist so planktonreich, dass die Sicht merklich schlechter ist.

Die Vorzeichen stehen gut, Mantas tauchen aber nicht auf. Morgens wäre hier sicher besser für Manta-Sichtungen. Ehrlicherweise sind aber die Man-tas auch schnell wieder vergessen, als zwei riesige Sepien auftauchen und mit ihrem Wechselbad der Farben und dem Fuchteln ihrer Arme für lustige Unterhaltung sorgen. Wie bei einer Schnitzeljagd geht die Suche nach Ma-kro-Tierchen los und bald weiss man nicht mehr, wo man zuerst schauen soll.

Viel zu schnell ist der Tauchgang vorbei, aber der pittoreske Sonnenunter-gang auf der Rückfahrt tröstet etwas über den Trennungsschmerz von der Unterwasserwelt hinweg.

Tag 4 – In den Fussstapfen Indiana Jones‘Etwas länger schlafen, gemütlich frühstücken und los geht die Entde-ckungstour, diesmal, aufgrund des 24 Stunden Höhenverbots für Taucher vor dem Flug, auf der Landroute. Zuerst geht es zum südöstlichen Teil der Insel.

Die Fahrt entlang der Küste ist sehr schön und der arme Fahrer muss im-mer wieder anhalten, damit an schönen Spots entsprechend auch neidaus-lösende Fotos für die Zuhausegebliebenen geschossen werden können. Meist muss man sich zusammenreissen, damit man nicht alle paar Minuten ruft «Bitte anhalten, Foto Spot!». Die Landschaft ändert langsam von Pal-men- und Strauchhainen zu Mangroven-Wäldern, wo sich eine Kanufahrt eigentlich auch anbieten würde. Hügelig schön ist es und teils säumt ei-senhaltige rote Erde die Kurvenstrasse, eingerahmt von sattem Grün.

Nach einem Weilchen kommt man dann bei einer Hütte am Strassenrand an. Ab hier kommt das normale Auto nicht mehr weiter und alle steigen auf die Ladefläche des Trucks. Steil bergauf und mit Holter und Gepolter – was heissen soll mit viel Spass und Gelächter – führt eine erdige Strasse, falls man das noch Strasse nennen kann, in den Dschungel, bis auch mit dem Truck Schluss ist.

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Hier, gleich neben einem idyllischen Flüsschen ist eine Sitzbank, wo die Einheimischen gerne mal sitzen, plaudern und sich ausruhen. So auch an diesem Tag und mit viel Hand und Fuss beginnt ein internationales Ge-spräch. Trotz sprachlicher Barriere ist viel herzliches Lachen und Winken involviert und man versteht sich trotzdem.

Weiter geht es zu Fuss auf dem Trampelpfad, durch den dichten Dschun-gel, Bäche überquerend, wieder ganz im Indiana Jones Modus, einfach mit Flip-Flops. Es rauscht zuerst ganz leise und dann etwas lauter. Der erste Blick fällt auf einen ca. 8-10 Meter hohen breiteren Wasserfall, an dessen oberen Ende ein klitze-kleines, natürliches Wasserbecken zum Baden einlädt. Ganz verschwitzt von den hohen Temperaturen und der

rund 85 prozentigen Luftfeuchtigkeit ist man schnell zu einem Bad überre-det. Das nasse Kühl ist einfach wundervoll und während dem gemütlichen Planschen und dem Ausschau nach Flusskrebsen halten, kann man nicht anders als den zweiten grösseren Wasserfall weiter oben zu bewundern, der von dichtem Dschungel umsäumt ist.

Zwischen den beiden natürlichen Becken ist eine lediglich 50 cm hohe Wasserfall-Stufe, die zum Posieren für Fotos einlädt. Fahrer Chiind und Dive Guide Hendra sorgen für ausgelassenes Gelächter und viel zu schnell ist es Zeit, zurück zum Auto zu kehren.

Aufgrund eines Regenschauers geht es statt an einen der vielen Strände kurzerhand zu einer lokalen Familie, die der Gruppe für das Picknick Unter-schlupf bietet. Auch hier ist wieder die Herzlichkeit der Einwohner zu spü-ren und die Sprachbarriere wird zur Nebensache.

Während wir unterwegs zum Mount Pusung für eine Panorama-Aussicht zum Sonnenuntergang sind, kommt ein Anruf mit der Einladung zu einem Kennenlernen der Regierung. Der Termin wird zwischen Sonnenuntergang und Dinner gelegt.

Der Berg Pusung bietet eine 360° Sicht über Sangihe und umliegende In-seln und ist sicher einer der besten Aussichtspunkte für den Sonnenun-tergang. Im schönen goldenen Licht kann die Aussicht noch fotografiert werden, bevor dann später der Fokus auf den Sonnenuntergang fällt. Um die Wartezeit zu verkürzen, tischt Chiind der Gruppe Pi-sang Goreng und Kopi auf, was zu Deutsch gebratene Bananen und Kaffee sind. Diese werden frisch vor Ort von einem Einheimischen zubereitet und schmecken einfach köstlich. Traditionellerweise werden Pisang Goreng mit einer Mischung aus Sambal und Sojasauce gegessen.

Bald sollen hier auch lokale Paraglider den Pusung als Startpunkt für ihre Flüge nutzen. Aktuell erlernen sie aber noch auf Sulawesi die Kunst des Gleitens.

Und dann geht sie, die Sonne, in einem Kaleidoskop an warmen Farben. Im-mer wenn es gerade der schönste Sonnenuntergang sein muss, den man je gesehen hat, dreht sich das Kaleidoskop ein bisschen, die Töne verschie-ben und intensivieren sich und es wird noch besser. Ruhe kehrt mit dem Verschwinden der Sonne ein und eine tiefe Zufriedenheit über den vierten perfekten Tag im Paradies legt sich über die Gruppe.

«Bagus» bedeutet auf Indonesisch «schön». Für Sangihe sah sich die Auto-rin jedoch gezwungen, ein neues Wort zu erfinden: Superbagus! Vier Tage Sangihe und das höher schlagende Herz schreit nach mehr. Hier ist man sicher nicht das letzte Mal gewesen.

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Anmerkung der Autorin: Von Vorbildern und BegabungenWir sind beim Haus der Regierung angekommen und werden freundlich begrüsst und hereingebeten. Wir sind sehr angenehm überrascht ab der Zu-gänglichkeit der hiesigen Regierung und, wie sich im Laufe des Gesprächs herausstellt, ab dem grossen Interesse für Belange wie Natur und Kultur. Oft sind Regierungen nicht sehr zugänglich und hören nett zu, aber echtes Gehör findet man nicht. Die Zufriedenheit der Insel-Bewohner und der Empfang, der uns überall erwartete waren bereits Hinweise, dass hier die Regierung einen guten Draht zu ihrem Volk hat und dass sie mit ihrem Volk gehen, nicht fernab der täglichen Realität ihrer Einwohner. Um eine solche Zufriedenheit und Einheit selbst zwischen sehr unterschiedlichen Kulturen und Religionen zu ermöglichen, gekoppelt mit einer fast nicht existierenden Kriminalitätsrate, muss die Regierung stimmen und Grundvoraussetzungen schaffen und als Vorbild vorangehen. In Sangihe ist das, was woanders gar nicht möglich wäre, an der Tagesord-nung. Nach unserem Gespräch verstehen wir auch warum.

Mr. Jabes Ezar Gaghana (SE, ME, Wakil Bupati) ist nicht nur das Wohler-gehen seiner Schützlinge wichtig, sondern auch die Nachhaltigkeit im Be-zug zur Natur und die Erhaltung der lokalen, traditionsreichen Kultur. Man möchte Tourismus, jedoch im gesunden Rahmen, damit die Inseln noch lange so paradiesisch bleiben. Es wird die Möglichkeit eines marinen Nationalparks diskutiert und der Bau zweier Tauchboote, eines im nördlichen Teil des Archipels, eines im südlichen. Auch eine Druckkammer wird geprüft, was für Taucher in punk-to Sicherheit ein wichtiger Schritt wäre. Aktuell ist zwar Sauerstoff an Bord vorhanden, aber die nächste Druckkammer ist eine Bootsfahrt von 8 Stun-den weit entfernt. Das Gespräch mit Mr. Jabes Ezar Gaghana und Mr. Jeffry Gaghana (Ex Kadis Pariwisata), erfreut und beeindruckt tief.

Um die Kultur zu erhalten und zu fördern, werden immer wieder neue Massnahmen ergriffen und so wurde für den Monat Juli 2016 erstmalig ein jährlicher Wettbewerb für traditionelle Bambus Musik ins Leben gerufen. Damit wir uns das anschauen können, ruft Mr. Jabes Ezar Gaghana die San-gihe Gruppe an, die am Wettbewerb teilnehmen wird, und ausserdem an diesem Abend Probe hat. Nach einer kurzen Fahrt ins Dorf Enempahemba haben wir das Privileg, der Probe beizuwohnen. Sehr unerwartet und eine einmalige Gelegenheit, die uns wiederum tief beeindruckt, denn die ca. 30 Mann starke Band kann nicht nur sehr gut spielen, sondern jeder hat sein Instrument auch selber gebaut. Die traditionellen Bambus Instrumente werden ausschliesslich aus in feine Scheiben geschnittenen Bambus erstellt und zusammengeklebt, lackiert und dekoriert. Trotzdem glaubt an diesem Abend keiner der inter-nationalen Zuschauer, dass man irgendwo in Europa oder Amerika oder sonst wo auf der Welt so viele Leute auf so kleinem Raum finden würde, die nicht nur sehr gut ein Instrument spielen, sondern es auch noch selber bauen können. Ganze vier Mal fordern wir eine Zugabe, denn die Musik wird sehr gefühlvoll, mal zart und lieblich, mal sehr temperamentvoll, gespielt. Sie sind wirklich gut und am Ende des Abends verlassen wir die Probe und hoffen alle, dass diese Band am Wettbewerb gewinnen wird. Verdient hätten sie es allemal.

Was wir wirklich nicht für möglich gehalten hätten, ist dass nach der ganzen Schönheit an Land und Unterwasser, uns etwas noch tiefer beeindrucken könnte. Dies hat die Regierung, die grosszügigerweise sogar das Schnell-boot zur Verfügung gestellt hatte, und die Bambus Band geschafft.

Wir sind mit 1‘001 Erinnerungen und etwas verliebt aus diesem Paradies namens Sangihe zurückgekehrt.