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wiener ig. 9 nr. 4 fur sucht- forschung Ludwig Boltzmann Anton Proksch Institut für Institut Suchtforschung Kalksburg winter 1986

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wiener ig. 9 nr. 4

fur

sucht- forschung

Ludwig Boltzmann Anton Proksch Institut für Institut

Suchtforschung Kalksburg

winter 1986

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OFFENLEGUNG

GemaB dem Bundesgesetz vom 12. 6. 1981 über die Presse und andere publizistische Medien,

BGB1. 314 (Mediengesetz)13

IMPRESSUM

Herausgeber: Alfred Springer, Ludwig Boltzmann-Institut für Suchtforschung Rudolf Mader, Anton Proksch-lnstitut/Stiftung Genesungsheim Kalksburg, A-1237 Wien, Mackgasse 7-9

Medieninhaber (Verleger): Ludwig Boltzmann-Institut für Suchtforschung und Anton Proksch-Institut/Stiftung Genesungsheim Kalksburg, A-I237 Wien, Mackgasse 7-9

Hersteller: Satz: Ludwig Boltzmann-Institut für Suchtforschung und Anton Proksch-Institut/Stiftung Genesungsheim Kalksburg, A-1237 Wien, Mackgasse 7-9

Druck: Findruck, A-I080 Wien, Albertgasse 43 Umschlag: Josef Kemminger, A-1150 Wien, Zinckgasse 2/2

Redaktion - Redaktionskollektiv: Alfred Springer, Wilhelm Burian, Irmgard Eisenbach-Stangl, Senta Feselmayer, Susanne Lentner-Jedlicka, Hedy Köcher, Rudolf Mader, Christa Schönthaler, Hans Zimmerl, Rudolf Marx.

Verlags- und Herstellungsort: Wien

MEDIENINHABER

Ludwig Boltzmann-Institut für Suchtforschung, Leiter: Univ.-Doz. Dr. Alfred Springer Anton Proksch-Institut/Stiftung Genesungsheim Kalksburg, Leiter: Prim. Dr. Rudolf Mader

A-1237 Wien, Mackgasse 7-9

GRUNDLEGENDE RICHTUNG

Es handelt sich um eine wissenschaftliche, in vierteljährlichen Abständen erscheinende Publikation. Zur Darstellung gebracht werden Ergebnisse zur interdisziplinären Forschung über Gebrauch und Abhängigkeit von psychotropen Substanzen sowie über Theorie und Praxis der Behandlung der Suchtkrankheit.

Preise: Einzelheft öS 80,— (DM I2,—/sFr. 12,—) Jahresabonnement öS 280,— (DM 40,—/sFr. 40,—)

Bankverbindung: Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien, Zweiganstalt Mauer, Konto-Nr. 638 022 103

Druck und Satz gefödert durch das Bundesministerium far Wissenschaft und Forschung

Copyright C) Mr alle Beiträge 1986 by Wiener Zeitschrift fill- Suchtforschung

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Editorielle Vorbemerkung

Mit dieser Ausgabe unserer Zeitschrift wollen wir, nachdem wir uns in letzter Zeit mehr der schwerpunkt-haften Darstellung und Diskussion aktueller Themata zugewendet hatten, wieder einmal in einem "offenen Heft" die Vielschichtigkeit der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Phänomenen und Pro-blemen der stoffgebundenen Abhängigkeiten doku-mentieren. Es freut uns, daß unsere Ausgabe, die sich schwer-punkthaft mit der "Ersatzdrogen"-Problematik ausein-andergesetzt hat, auf äußerst reges Interesse gestoßen ist und heute vielerorts als wichtiger Diskussionsbei-trag zu dieser Thematik angesehen wird. Ebenso freut es uns, daß dieses Thema imstande war, das Schweigen der Leserschaft zu durchbrechen. Sie finden in dieser Ausgabe eine weitere Stellungnahme, die uns als Art erweiterter Leserbrief zuging. Wir hoffen, daß dieser Diskurs noch weiter geführt werden wird; das Thema verliert schließlich gerade heute nicht an Aktualität. In diesen Bereich fällt auch Quensels Beitrag zum Thema des Faktors AIDS im Umgang mit IV-Drogen-abhängigen. Erneut bringen wir damit einen Beitrag eines kritischen und kontroversiellen Autors zu einem unbequemen, kontroversiellen aber zweifellos wesent-lichen Problembereich. Die Diskussion um Ersatzdrogen und um den fatalen Zusammenhang zwischen IV-Drogenabhängigkeit und AIDS darf uns aber nicht vergessen lassen, &II immer noch unser vornehmstes Ziel darin besteht, suchtkran-

ken Menschen unter Einsatz möglichst humaner Mittel zu helfen, — wenn sie selbst danach begehren —, ein Leben führen zu lernen, das sich nicht unter dem mächtigen Einfluß psychoaktiver Substanzen gestal-tet. Einen Beitrag zu diesem Auftrag liefert der Ansatz der integrativen prozeßorientierten Sozialtherapie, die wir diesmal als aus dem Therapiebereich veröffent-lichen können. Als Bericht über die Forschungsaktivitäten des Ludwig Boltzmann-Instituts für Suchtforschung veröffentlichen wir eine sozialhistorische Aufarbeitung der Entwick-lung des Behandlungsgedankens und der (medizini-schen) Kontrolle im Umgang mit den Folgeerschei-nungen der österreichischen Trinksitten. Diese Arbeit erfüllt einen Auftrag, der gerade jetzt in der Sucht-forschung hohe Priorität besitzt. Man hat erkannt, daß die Aufarbeitung der Geschichte notwendig ist, um nicht immer wieder in die selben Fehler bezüglich der kontrollierenden und betreuenden Maßnahmen zu verfallen und um realistische Konze_pte für die zukünftige Arbeit zu entwickeln. In diesem Sinne sollte auch der Reprint, den wir diesmal veröffent-lichen, gesehen werden. Er dokumentiert die Art und den Stil der präventiven Bemühungen, die in den Zwanziger-Jahren in Wien im Kampf gegen den Alko-holismus zum Einsatz kamen und damit auch die im Bereich der Pädagogik bekannte österreichische Schul-reform.

A. Springer

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 Nr. 4, Originalarbeit, S. 3-18

Von der Trunksucht zur Alkoholkrankheit ZUR GESCHICHTE DER

MEDIZINISCH-PSYCHIATRISCHEN BEHANDLUNG VON ALKOHOLPROBLEMEN IN OSTERREICH

L EISENBACH-STANGL (Ludwig Boltzmann-Institut für Suchtforschung, Wien)

Zusammenfassung Der Aufbau eines speziellen Behandlungsnetzes fiir Alkoholkranke wurde in Österreich in den 50er-Jahren in Angriff genommen. Dieses Behandlungsnetz unter-scheidet sich deutlich von jenem der Ersten Republik: Betreuten zu dieser Zeit noch vorwiegend private, cari-tativ-fiirsorgerische Organisationen die Alkoholkran-ken, sind die heutigen Einrichtungen Teil der psychia-trischen Versorgung und werden sie mit öffentlichen Mitteln finanziert. Doch auch als Teil der psychiatri-schen Versorgung weist das spezielle Behandlungs-system Besonderheiten auf: Es basiert ausschließlich auf Freiwilligkeit der Behandlung und auf eine inte-grierte — ambulante wie stationäre — Betreuung wurde geachtet, lange bevor die allgemeine Psychiatrie refor-miert wurde. Das spezielle Behandlungsnetz Pr Alko-holkranke kann daher auch als "Vorhut der Psychia-triereform" in Österreich bezeichnet werden.

1. Reorganisation

Die Abstinenzverbände reorganisierten sich nach Zu-sammenbruch des Dritten Reiches sehr rasch, wie am Beispiel des Arbeiter-Abstinentenbundes demonstriert werden kann. Im Mai 1945 kapitulierte das national-sozialistische Deutschland und mit ihm offiziell die "Ostmark". Im Juli 1945 schuf der kommunistische Staatssekretär des Inneren, der der bereits am 27.April 1945 gebildeteten provisorischen Österreichischen Staatsregierung angehörte (Andics, 1968, S. 121), die entsprechenden Voraussetzungen für die Wiederbe-tätigung der Abstinenzvereine. Am 3. Nov. 1946 fand die erste Generalversammlung des Arbeiter-Absti-nentenbundes statt, die von den obersten Parteispitzen der sozialistischen Partei begrüßt wurde. Und ani Parteitag der SPO im Jahre 1948 wurde der Arbeiter-Abstinentenbund als Organisation der Partei, ihr be-reits wiedererscheinendes Organ, "Der Abstinent", als Parteiblatt anerkannt. Die reorganisierten Abstinenz-verbände schlossen sich neuerlich in einer "Zen-tralstelle zur Bekämpfung des Alkoholismus" unter dem Vorsitz von Dr. Johann Neubauer vom Arbeiter-Abstinentenbund zusammen (Bundesvorstand 1970, S.2). Die Abstinenzvereine hatten nach dem Zusammen-bruch versucht, Betreuungsstellen für Alkoholiker auf-zubauen, gaben diesen Plan bis auf eine Ausnahme jedoch auf. Es mangelte an Geld und an geeigneten Personen: Ärzte, bzw. Psychiater, waren mit dem Wiederaufbau der allgemeinen gesundheitlichen Ver-sorgung beschäftigt und auch Fürsorger gab es zu wenige (Rot, 1984). Im Gegensatz zu den Abstinenzvereinen hatte die Caritas geringere Bedenken, die Arbeit an Alkoholikern

ohne ärztlich-professionelle Unterstützung wieder auf-zunehmen. Im Gegensatz zu diesen konnte sie freilich auch auf eine eigene Tradition konkreter fürsorgeri-scher Tätigkeit für Trinkende zurückblicken. Vor allem in westlichen Bundesländern nahm sie diese Arbeit auch bald nach Kriegsende wieder auf: 1948 eröffnete die Caritas in Innsbruck wieder offiziell eine "Trinker-fiirsorge" (Caritas Innsbruck, o.J.), die ab 1952 das Land Vorarlberg mitbetreute. 1954 gründete die Caritas in Vorarlberg eine eigene Beratungsstelle mit einer Fürsorgerin und einer Bürokraft (Bitschnau, u.a., 1969), 1955 nahm die Caritas in Linz die Beratungs-und Betreuungstätigkeit in einer eigenen Stelle wieder auf. In Kärnten dauerte es allerdings bis zum Jahr 1975 bis sich die Alkoholikerfürsorge wieder von der allge-meinen Fürsorge der Caritas differenzierte. Freilich bemühten sich auch einzelne Caritasstellen um Zusammenarbeit mit Professionellen. Die Caritas in Vorarlberg zum Beispiel suchte den Kontakt zu Ärzten in der Schweiz, die Caritas in Linz stützte sich auf den Leiter der neurologischen Abteilung eines privaten, konfessionell geführten Spitals. In einem einzigen Bundesland, nämlich Salzburg, spielte ein Abstinenzverein — der nur lokal tätige Alkoholgegnerbund — eine Rolle bei der Errichtung der Trinkerfiirsorge. Anfang der 50er-Jahre, für Oster-reich außerordentlich früh, wurde im Rahmen des öffentlichen Wohlfahrtswesens ein sozial-medizinischer Dienst errichtet, der sich der Gesundheit und Wohl-fahrt jener annehmen sollte, die nicht für sich sorgen konnten. Darunter waren Personen zu verstehen, die in psychiatrischen Heil- und Pflegeanstalten betreut und deshalb der Landesregierung gemeldet worden waxen (Geisteskrankenkartei). Diesem Dienst ge-hörte ein Landes-Trinkerfürsorger an, der eng mit der "Landesstelle gegen Alkohol- und Tabakgefahren" des Alkoholgegnerbundes zusammenarbeitete. Erfaßt wur-den durch diesen speziellen Alkoholdienst des weiteren alle Alkoholkranken, die Behörden (der Gendarmerie und Polizei, den Bezirksgesundheitsbehörden und Gemeindeverwaltungen) bekannt geworden waren, da diese in Salzburg die Pflicht haben, alle Alkoholiker an die Landesregierung zu melden.*) Darüber hinaus wurden Alkoholkranke dem Trinkerfürsorger durch Betriebe und Angehörige (je nach Region und Ge-schlecht zwischen 0 und mindestens 40% aller Be-kanntgewordenen) und durch Selbstmeldung (je nach Region und Geschlecht zwischen 18 und 30% aller Bekanntgewordenen) zugeführt. Wurden Alkoholkran-ke rein ambulant behandelt, geschah dies in enger Zu-sammenarbeit mit dem Arzt des sozialmedizinischen Dienstes, den Amtsärzten oder den niedergelassenen Ärzten: Antabus spielte dabei eine hervorragende Rolle. Die Trinkerfürsorge selbst bot soziale Dienste für den Trinker und seine Familie an, wie materielle Hilfe, Beratung, Berufsvermittlung und schritt — in Zusammenarbeit mit Behörden — durch Heimunter-bringung der Kinder, zwangsweise Einweisung des Trinkers in die Psychiatrie und/oder Entmündigung derselben, ein (Spring, 1960). *) Dieses Meldesystem stammt aus der Zeit des National-

sozialismus, den im übrigen der Alkoholgegnerbund ohne Auflösung Überstand: die "Landesstelle gegen Alkohol-und Tabakgefahren" war in die "Gaustelle gegen Alkohol-und Tabakgefahren" umbenannt worden (Jenner und Wolfer, 1984).

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Der Aufbau einer stationären Behandlungseinrichtung wurde jedoch nicht in Angriff genommen. Selbst das in den 20er-Jahren gegründete Alkoholikerheim, das vorwiegend fürsorgerische Aufgaben wahrgenommen hatte, und das mit Kriegsausbruch seine Arbeit einge-stellt hatte, wurde nicht wieder als solches verwendet, sondern diente als Obdachlosen-Asyl. Nach der Gründung der professionellen Alkoholiker-fürsorge verlor der Alkoholgegnerbund zunehmend an Bedeutung, und gewann erst wieder in den 70er-Jahren (nun allerdings unter neuem Namen und teilweise neuen Vereinsmitgliedern) ein neues Betätigungsfeld in der Arbeit mit Konsumenten illegaler Drogen. Im Rahmen der allgemeinen ambulanten Wohlfahrts-pflege für behördlich wegen einer stationären Behand-lung bekannt gewordene psychisch Kranke wurde zum Beispiel auch das Wohlfahrtsamt in Linz für Alkohol-kranke tätig, ohne daß sich jedoch daraus eine spezielle Alkoholikerfürsorge entwickelt hätte. Nur in den zwei östlichsten Bundesländern — in Wien und im Burgenland — entstanden vor 1961 spezielle ambulante Einrichtungen für Alkoholkranke, die un-mittelbar professioneller ärztlicher Leitung unter-standen. In beiden Fällen war ein mehr oder minder unmittelbarer Zusammenhang mit der siegreichen professionellen Initiative gegeben, die von der Psychia-trisch-Neurologischen Klinik der Universität Wien aus-ging und 1961 in der Errichtung der ersten stationären Einrichtungen für Alkoholkranke nach dem Zweiten Weltkrieg in Wien resultierte.

2. Die Initiative der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik der Universität Wien

Die Psychiater Schiller und Solms setzten sich bereits Ende der 40er-Jahre für die Wiedererrichtung einer Trinkerheilstätte aus der Oberzeugung ein, daß die Trunksucht eine erfolgreich behandelbare Krankheit sei (Schiller und Sohns, 1949). 1950 übernahm dann Hans Hoff die Leitung der Klinik. Hoff verstand sich als Schüler so gegensätzlicher Lehrer wie Wagner-Jauregg und Sigmund Freud und war in der interna-tionalen wie nationalen Bewegung für Psychohygiene führend tätig (Meng, 1956; Tuchmann, 1965). Zwi-schen 1938 und 1947 hatte sich Hoff, zuerst im Iran, im Mittleren Osten und dann in den USA (zuletzt als Lehrender) aufgehalten und nicht zuletzt von dort das Verständnis von Trunksucht als Krankheit übernom-men. Die Wiedererrichtung einer Trinkerheilstatte wur-de zu einem seiner hervorragenden Anliegen. Aus der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik erschienen dann in den 50er-Jahren zahlreiche Arbeiten, die sich mit dem Krankheitscharakter der Trunksucht ausein-andersetzten und zumeist Forderungen nach der Wiedererrichtung einer Trinkerheilstätte enthielten (z.B. Berner und Solms, 1953; Solms, 1954 und 1956; Rotter, 1955). 1951 eröffnete die Klinik unter der Führung von Solms eine Alkoholiker-Ambulanz, die Trunksüchtige anziehen und sie zur freiwilligen Auf-nahme in die Klinik motivieren sollte. Der stationäre Aufenthalt diente der Einleitung einer Antabus-Kur, die dann unter ärztlich-ambulanter Nachbehandlung fortgesetzt wurde. Darüber hinaus wurde 1953 ein

Club ehemaliger Patienten gegründet ("Anta-Klub"), der, wie die bestehenden Abstinenz-Vereine, Aufgaben in der Nachbehandlung übernehmen sollte (Rotter, 1955). Hoff selbst wies immer wieder auf die Relevanz der Anonymen Alkoholiker hin, die er in den USA kennengelernt hatte. 1954 wurde auf Veranlassung von Hoff ein "Verein Trinkerheilstätte" gegründet, dem neben Ärzten der Klinik, Politiker aller Lager und Vertreter der katholi-schen Kirche angehörten. Wie schon der Name sagt, war das Ziel des Vereins die Gründung einer Trinker-heilstätte, für freiwillig zur Entwöhnung bereite Trin-ker, obwohl in Osterreich damals noch kaum jemand an das Funktionieren einer solchen Anstalt glaubte, wie sich Rotter erinnert. Aus den Vereinsgeldern, die großteils von der Gewerkschaft kamen, wurden vorerst dezentrale ambulante Beratungsstellen gegründet, die später als Außenstellen der zu errichtenden Trinker-heilstätte dienen sollten. Finanzielle oder sonstige Unterstützung (Räume) für die Beratungsstellen leiste-ten außerdem die Wiener Gesundheitsbehörde und der private Verein "Settlement", der sich die Organisation von Nachbarschaftshilfe zum Ziel gesetzt hatte. Die Klinik-Ambulanz verlor durch diese neugegründeten, dezentralisierten Beratungsstellen, in der auch ehe-malige Alkoholiker als Laienhelfer arbeiteten, an Be-deutung. Auf Betreiben der "Zentralstelle zur Bekämpfung des Alkoholismus", von Hoff und dem Chefarzt der Wiener Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte, Tuchmann, wurde 1955 im Sozialministerium, dem die oberste Gesundheitsbehörde zu dieser Zeit angehörte, ein Beirat für Alkoholfragen etabliert. Vorsitzender des Beirates wurde Neubauer, der Leiter der Zentral-stelle. "Damit war", so begrüßte der Bundesvorstand des Arbeiter-Abstinentenbund diese Gründung, " die Bekämpfung des Alkoholismus in stärkerem Ausmaß zu einer Angelegenheit der Gesundheitsbehörden ge-worden und durch den Beirat eine Plattform geschaf-fen, auf der die Gesundheitsbehörden mit den alkohol-gegnerischen Organisationen zusammenarbeiten konn-ten" (Bundesvorstand 1970, S. 3). 1956 wurde der "Verein Trinkerheilstätte" aufgelöst und das "Kuratorium Stiftung Genesungsheim", un-ter dem Vorsitz des sozialistischen Sozialministers Proksch, von Hoff und von Neubauer gegründet. Außer dem Erzbischof, Franz König, waren sämtliche weitere Mitglieder — im Gegensatz zum "Verein Trinkerheil-stätte" — Sozialisten. Rotter konnte einige der ambu-lanten Beratungsstellen des Vereins bis 1960 erhalten, als er die Stelle eines Amtsarztes der Wiener Gesund-heitsbehörde (Abt. für Psychohygiene) annahm. Die ambulanten Betreuungsstellen wurden jedoch nach Gründung des Genesungsheimes direkt von diesem, wie ursprünglich 'geplant, und nicht von der öffentlichen Gesundheitsverwaltung organisiert. Unter gesundheitsbehördlicher Hoheit wurden jedoch ambulante Beratungsstellen im Burgenland errichtet. Ein Schüler Hoffs, Harald Demel, der sich 1954 als (einziger) Arzt für Neurologie und Psychiatrie im Bun-desland Burgenland niederlief3, setzte sich hier erfolg-reich für den Aufbau einer ambulanten Versorgung Alkoholkranker ein. Nach ersten Verhandlungen mit dem Landessanitätsdirektor Braun, dem obersten

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Leiter der Gesundheitsverwaltung des Burgenlandes und gleichzeitigem Chefarzt des Roten Kruezes im Burgenland im Jahr 1956, wurde 1959 ein privater Verein, der "Burgenländische Verband zur Fürsorge für Suchtkranke" gegründet. Die wesentlichsten finan-ziellen Mittel stellte die Landesregierung zur Ver-fügung, die Räumlichkeiten das Rote Kreuz, das als politisch und weltanschaulich neutraler Hauptträger des Vereins fungierte (im Kuratorium war allerdings auch die Caritas vertreten), die ärztliche Leitung über-nahm Demel. Der Verband stellt vorerst eine Fürsorge-rin ein, zehn Jahre später waren es bereits drei. Ahn-lich wie in Salzburg und Linz, wurden durch den Ver-band ursprünglich Personen, die sich mit einer Alko-holdiagnose in stationärer, psychiatrischer Pflege be-funden hatten und daher den Gesundheitsbehörden gemeldet worden waren, erfaßt, darüber hinaus Perso-nen mit Alkoholproblemen, die sich in der Praxis von Demel eingefunden hatten (Amt der Burgenländischen Landesregierung, 1969).

3. Das psychiatrische Modell der Alkoholkrankheit und der Trinkerbehandlung der Nachkriegszeit

Den Schriften Hoffs und anderen Ärzten der Klinik läßt sich als Begründung ihrer Initiative entnehmen: — Die Trunksucht wird fast ausschließlich als Symp-

tom verstanden, der "eine Grundkrankheit zugrunde liegt, die oft gar nicht leicht zu erfassen ist" (Hoff, 1956, S. 351).

— Die Zahl der Personen mit Alkoholproblemen, die in psychiatrischen Krankenanstalten und Universi-tätskliniken eingewiesen werden, ist sehr hoch und im Steigen begriffen. Die "Größe und Dringlichkeit des Problems des Alkoholismus geht schon aus der Tatsache hervor, daß 57% aller Aufnahmen auf der Psychiatrisch-Neurologischen Klinik in Wien im Jahr 1952 Alkoholiker waren" (Hoff, 1954, S. 1425). Auch bei den Frauen wird eine gegenüber den Männern überproportionale Steigerung von Alkohol-problemen erwartet (Berner und So1ms, 1953).

— Wie sich an den Patienten der Universitätsklinik ablesen läßt, sind nun neue Gruppen, die bisher "vom Alkoholismus fast vollständig frei" waren (Hoff, 1954), "befallen", so vor allem Facharbeiter. Dies wird als Indiz dafür begriffen, wie weit der Alkoholismus bereits die ganze Gesellschaft erfaßt hat und wie sehr die Allgemeinheit (auf der Straße, in der Produktion) durch Alkoholiker in ihrer Sicherheit gefährdet ist (siehe auch Solms, 1956).

— Die Psychiatrie verfügt nun über "moderne" Be-handlungsmethoden (psycho-) pharmakologischer Art (z.B. Antabus) und psychotherapeutischer Art (Gruppentherapie wie Einzelpsychotherapie — Schil-ler und So1ms, 1949).

Aus dem Verständnis der Trunksucht als einem Sekun-därphänomen, dem eine — psychische — Krankheit zugrunde liegt, folgt mit gewisser Konsequenz, daß die Behandler nicht dem Abstinenzgedanken ver-pflichtet sein müssen, eine Meinung, die die meisten, wenn auch nicht alle Angehörigen der Klinik (so z.B. Rotter, 1961) teilten. Hoff selbst meinte darüber

hinaus, es sei auch nicht Aufgabe des Psychiaters, für die Prohibition einzutreten. Dazu wisse man zu wenig darüber, wie pathologische Entwicklungen entstünden: "Ob ein Erwachsener ein Glas Bier oder ein Glas Wein trinken soll oder nicht, muß ihm selbst überlassen bleiben" (Hoff, 1954, S. 1466). Geschehen jedoch müsse etwas, nämlich wirkungsvollere professionelle Behandlung. Wie dies auszusehen habe, ist einer von Hoff und So1ms (1956) gemeinsam verfaßten Arbeit zu entnehmen: So sollte eine spezielle Trinkerheilanstalt in Wien, unter psychiatrischer Leitung, ausgestattet mit Psychologen und Fürsorgern gegründet werden, in der medikamentö-se und psychotherapeutische Behandlung durchgeführt wird und die als Zentrum einer nachsorgenden, ambu-lanten Trinkerfiirsorge (durch die anstaltseigenen For-sorger, Beratungsstellen der Behörden, Vereine ehema-liger abstinenter Alkoholiker nach dem Muster der Anonymen Alkoholiker) fungiert. Als Patienten einer solchen Anstalt kämen jene in Frage, die sich freiwillig zu einer Entziehungskur entschließen, so wie jene, die nach einer Zwangseinweisung in psychiatrische An-stalten motiviert werden könnten, vorausgesetzt keine oder nur leichte Dauerschäden durch Alkohol liegen vor. Um den Pool der letzteren zu erhöhen, schlagen Hoff und Solms auch vor, die Zwangsanhaltemöglich-keiten für Alkoholiker auszuweiten, um Behandlungs-druck ausüben zu können: Ein zwangsweise eingewiese-ner Alkoholiker wird üblicherweise nach wenigen Wochen gerichtlich entlassen und nicht zwangsweise angehalten, da er dann ja ausgenüchtert ist und nicht geisteskrank oder selbst- oder fremdgefährlich er-scheint. Des weiteren schlug Hoff vor, Polizei und Gerichte zur Erzeugung von Behandlungsdruck bei unter Alkohol-einfluß straffällig gewordenen Trinkern heranzuziehen: Begeben sich solche Delinquenten in eine Trinkerheil-stätte, sollte die Möglichkeit bestehen, von einer Strafe abzusehen. (Als mündliche Oberlieferung kursiert jedenfalls, daß Hoff in Wien ein informelles Abkom-men mit der Polizei hatte, solche Personen auf die Psychiatrie der Universitätsklinik zu bringen, statt sie in Haft zu nehmen.) Bei Uneinsichtigkeit in die Be-handlung wäre allerdings die Strafe auszusprechen. Für uneinsichtige Trinker und/oder jene mit Dauer-schäden vom Alkohol genügten nach Hoff und Sohns die bestehenden psychiatrischen Anstalten, in die bei Bedarf ja zwangseingewiesen und -angehalten werden kann, und die Entwmiindigungsordnung. Um freiwillige Patienten nicht abzuschrecken, müsse die Trinkerheilstätte nicht nur einen möglichst neu-tralen Namen tragen, sondern auch einen eigenen Rechtsstatus besitzen, also nicht Teil der Psychiatrie sein, um die behördliche Registrierung (Geisteskran-kenkartei) der Patienten zu vermeiden. 1961 wurde eine solche Anstalt an der Peripherie Wiens errichtet. Als Träger fungierte ein privater Verein, die ärztliche Leitung lag bei der Universitätsklinik, persönlich über-nahm sie ein Schüler Hoffs, ICryspin-Exner.

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4. Unterschiede zum Trunksucht-Modell und den Behandlungsstrategien der Zwischenkriegszeit

Die ärztlich professionelle Initiative im östlichen Osterreich hatte sich gegenüber der Laienhilfe, z.B. der Caritas im Westen Osterreichs, durchgesetzt — wohl nicht zuletzt deshalb, weil auch von dieser das Krank-heitsmodell der Trunksucht bereits weitgehend über-nommen worden war. Sie hatte sich jedoch, im Gegen-satz zur Zwischenkriegszeit, von den Abstinenzbe-wegungen unabhängig gemacht: Wlassak, Mitinitiator und Leiter der ersten und in der Zwischenkriegszeit einzigen psychiatrisch geführten Trinkerheilstätte, die 1922 in Wien im Rahmen der größten Irrenanstalt Osterreichs "Am Steinhof" gegründet worden war, war gleichzeitig Gründungsmitglied des sozialdemokrati-schen Arbeiter-Abstinentenbundes gewesen (gegründet 1905 — der Bundesvorstand 1970; Neubauer 1971). Die Abstinenz der Behandler (und im übrigen auch der Angehörigen der Trinker, vor allem ihrer Frauen) war für Wlassak unumstößlicher Behandlungsgrundsatz, obwohl auch er die Trunksucht als Geisteskrankheit begriff (Wlassak, 1928, S. 184). Der Krankheitscha-rakter der Trunksucht war für ihn allerdings nicht se-kundärer Natur, wie bei Hoff und seinen Kollegen, sondern diese eine nervliche Krankheit sui generis: "Wenn das Nervensystem eines Menschen so beschaffen ist, daß er nach Verbrauch einer kleineren Menge gei-stiger Getränke weitertrinkt und dadurch in einen Zustand versetzt wird, in dem er für seine Umgebung zu einer moralischen und physischen Gefahr wird, so kann kein Zweifel sein, daß der Mann als geisteskrank aufzufassen sein wird" (1928, S. 196). Im Gegensatz zu Hoff und seinen Kollegen sprach sich Wlassak auch gegen jede Art von medikamentöser Be-handlung aus und sah allein in der psychischen Be-einflussung, bzw. Erziehung zu einem alkoholfreien Leben, die sich moralischer Vorwürfe enthalten und weltanschaulich dem Patienten angepaßt sein sollte, die erfolgversprechende Lösung: Konfessionell geführte Anstalten also für entsprechend konfessionelle Trinker (bei denen seiner Meinung nach auch der Schuldvor-wurf gegenüber dem Alkoholiker wirksam sein konnte) und "neutrale" medizinisch-psychiatrisch ausgerichtete Anstalten für nicht-konfessionelle, wie z.B. Industrie-arbeiter in Städten (Wlassak, 1901, S. 247, und 1928, S.193). Unterschiede, wenn auch nicht so grundlegender Natur, wie sie die Behandler der Nachkriegszeit gerne be-haupten, sind auch bei der Bedeutung, die der Frei-willigkeit der Behandlungsaufnahme zugeschrieben wird, festzustellen. Zwar war die Trinkerheilstätte, die Wlassak bis zu seinem Tod leitete, Teil der Irren-anstalt und schreckte daher freiwillige Patienten par-tiell ab (1928, S. 188). Von anderen Abteilungen der Irrenanstalt in die Heilstätte wurden zwangsaufge-nommene Alkoholiker zwar transferiert, doch wie der Nachfolger Wlassaks, Gabriel (der dem Verein "absti-nenter Ärzte" angehörte) betont, war auch bei diesen "ehrlicher Heilungswille und ein Selbstverständnis mit. der vorgeschlagenen Entziehungskur" (1932, S. 11) Voraussetzung. Darüber hinaus wurden schon damals zwangseingewiesene Alkoholiker von den Anhalte-gerichten kaum zwangsangehalten (wie nicht nur

Gabriel, sondern auch später Hoff und Solms mit Be-dauern feststellen): Während der wenigen Wochen, die Zwangseingewiesene in der Anstalt verbringen mußten, lohnte es sich nicht, mit der sechs Monate dauernden Entziehungskur zu beginnen, wenn der Betreffende nicht einwilligte (Gabriel, 1932, S. 14). Daß viele Patienten der Trinkerheilstätte trotzdem längerfristig zwangsangehalten wurden, war Ergebnis mühsamer und labiler Kompromisse der Leiter der Trinkerheilstätte mit den Anhaltegerichten, um den Patienten die Kosten der Behandlung zu ersparen (Gabriel, 1932, S. 14). Freiwillige Patienten mußten diese notgedrun-gen selbst bezahlen, da sie keine Krankenversicherung übernahm. Im Gegensatz dazu übernahm die Krankenversicherung in der Nachkriegszeit bereits die Kosten der Behand-lung in der Alkoholambulanz an der Universitätsklinik und später im Genesungsheim. Für jene, die nicht ver-sichert und zahlungsunfähig waren, zahlte das Gene-sungsheim selbst: Das Finanzierungsproblem mußte nicht via Zwangsanhaltung gelöst werden. Zwangsein-gewiesene Patienten zu motivieren, sich freiwillig einer Entziehungskur zu unterziehen, stand im übrigen ja auch im Programm des Genesungsheims, darüber hinaus war der ursprüngliche Plan Hoffs, alle Patienten für das Genesungsheim durch die Klinik, in die selbst-verständlich zwangseingewiesen werden konnte, zu selektieren. Daß das Genesungsheim einen privaten Träger erhielt, hatte also vorrangig symbolische Be-deutung, die jedoch nicht zu unterschätzen ist. Die Überlegungen, wie dem Genesungsheim (auch vorerst Zwangseingewiesene) zugeführt werden sollten, resul-tiert wohl aus dem auch artikulierten Besorgnis, daß zu wenig Trinker aus völlig freien Stücken eine Entzie-hungskur anstrebten. Zwischen den zwischenkriegszeitlichen und nachkriegs-zeitlichen Behandlern der Trunksucht ist hingegen völlige Obereinstimmung bei der Einschätzung der Relevanz der (auch fürsorgenden) Nachbetreuung, die um das Zentrum Anstalt aufzubauen ist und der Vor-teile einer ärztlichen Leitung zu finden: Die Vorteile der letzteren werden vor allem in den besseren Se-lektionsmöglichkeiten der behandelbaren Alkoholkran-ken gesehen. Die Hauptunterschiede der Konzeption der Zwischen-und der Nachkriegszeit lagen also vor allem im Krank-heitsmodell und den Behandlungsmethoden. Nicht nur das Trinken, die gesamte Person erschien nach 1945 behandlungsbedürftig; die Behandlungsmethoden hat-ten sich diversifiziert und technisiert und stärker vom Behandler abgelöst. Statt dem abstinenten Vorbild — Erzieher, gab es nun Antabus und andere Medikamente und den Psychotherapeuten. Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die Trinkerheil-stätte und fast alle ambulanten Beratungsstellen, 1939 die Arbeit beenden maten. Auch die Caritas betreute Trinker nur mehr heimlich in allgemeinen Fürsorgestellen, da es für die Klienten zu gefährlich wurde, Trinker zu sein: Arbeitshäuser und Konzentra-tionslager wurden nun auch für die "Bewältigung" des Alkoholproblems herangezogen. Auch die Aktion "Vernichtung lebensunwerten Lebens", über die be-sonders für Osterreich kaum Informationen vorliegen (Hubenstorf, 1980) machte vor Alkoholikern nicht

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halt. Unter den etwa 18.000 in Osterreich getöteten Geisteskranken, fanden sich auch Trinker.

5. Vorhut der Sozialpsychiatrie in Osterreich

Die erfolgreiche Initiative der psychiatrisch-neurologi-schen Klinik der Universität Wien unter der Leitung von Hoff in der Behandlung Alkoholkranker ist jedoch noch in einer weiteren Hinsicht bemerkenswert. Rund 20 Jahre bevor die Öffnung und "Medikalisierung" (Pelikan, 1984) der Psychiatrie in Österreich (sehr spät) einsetzte, geschah dies in einem ihrer Teilgebiete: dem Umgang mit Alkoholkranken. Als wesentlicher Indikator kann die Gründung des Alkoholbeirates 1955 gelten, 20 Jahre bevor der Beirat für Psychohygiene im Gesundheitsministerium (das sich 1971 unter sozial-demokratischer Alleinregierung vom Sozialministerium ausdifferenzierte) etabliert wurde, der die oberste Ge-sundheitsbehörde in Fragen allgemeiner (ambulanter und stationärer) psychiatrischer Versorgung beraten sollte. "Praktische, sozialpsychiatrische Bemühungen" nehmen Katschnig und Berner (1979) erst seit 1976 wahr. Eine breitere, theoretischere Diskussion setzte allerdings schon in der ersten Hälfte der 70er-Jahre ein (z.B. Katschnig, 1978) — alles aber zumindest mit fünf Jahren Verspätung gegenüber der BRD, mit 15 Jahren gegenüber den USA und mit 25 Jahren gegenüber Großbritannien. Osterreichs Psychiatrie blieb bis zu dieser Zeit ein-deutig eine Zwangspsychiatrie: Von den Personen, die im Laufe des Jahres 1971 in eine psychiatrische Kran-kenanstalt aufgenommen wurden (Inzidenz) waren 77% zwangseingewiesen, von denen, die sich an einem Stichtag im Jahre 1974 in einer psychiatrischen Anstalt befanden (Prävalenz) waren 94% zwangsangehalten und 64% entmündigt (Katschnig u.a., 1975). Im Vergleich zu anderen. Ländern stand jedoch nur einge geringe Zahl von Betten in psychiatrischen Anstalten zur Ver-fügung (etwa 1,5 auf 100.000 Einwohner — womit Österreich auf Rang 27 der europäischen Linder liegt). Die Betten waren in 10 Großkrankenhäusern konzen-triert: Mehr als 81% der Betten befanden sich noch Ende der 70er-Jahre in Anstalten mit mehr als 1.000 Betten. Die Zwangs- und Mangelstruktur der stationä-ren, psychiatrischen Versorgung wurde auch nicht durch eine entsprechende, ambulante psychiatrische Versorgung kompensiert: Diese war "generell als Unter-versorgung zu charakterisieren": Auf einen Kassenarzt für Neurologie oder Psychiatrie entfielen noch 1974 85.800 Einwohner oder auf 100.000 Einwohner 1,2 Fachärzte (Pelikan, 1979, S. 132). Nicht nur die psychiatrischen Universitätskliniken, wie bereits zitierte Zahlen zeigten, sondern auch psychia-trische Krankenanstalten waren bis zu den ersten kon-kreten Reformschritten in der ersten Hälfte der 70er-Jahre traditionell mit einer großen Zahl zwangseinge-wiesener Personen mit Alkoholproblemen befaßt. Chronischer Alkoholismus war die häufigste Diagnose bei allen 1971 in psychiatrische Krankenanstalten Auf-genommenen (über 25%); addiert man hierzu Auf-nahmen wegen "akuter Alkoholeinwirkung" kommt man auf über 30%. Alkoholdiagnosen spielen vor allem bei den Männern eine hervorragende Rolle: 1971

waren rund 47% aller Männer wegen alkoholbezogenen Problemen aufgenommen worden. Ähnliche Auf-nahmeraten von Alkoholkranken waren zwischen 1925 und 1930 auf der psychiatrischen Heil- und Pflegean-stalt Wien "Am Steinhof" im übrigen ebenfalls erreicht worden (Berner und Solms, 1953). Die wegen Alkoholproblemen Aufgenommenen blieben jedoch nicht lange auf der Psychiatrie, wie die bereits zitierten Klagen über mangelhafte Anhaltemöglichkei-ten bei dieser Gruppe zeigen. Fast ein Viertel wurde nach einer Woche, nicht ganz zwei Drittel nach vier Wochen wieder entlassen. Die Prävalenzdaten zeigen eine entsprechend niedrige Rate von Personen mit Alkoholproblemen: 1974 waren rund 10% der sta-tionär (zwangs-)behandelten chronische Alkoholiker. Über 30% aller in einem Jahr aufgenommenen chroni-schen Alkoholiker wurden jedoch innerhalb von zwei Jahren wieder aufgenommen (Katschnig u.a., 1975). Die nach dem Zeiten Weltkrieg wieder rasch steigenden Zahlen der in die Psychiatrie aufgenommenen Alko-holiker (1947 waren etwa 3% der "Am Steinhof" in Wien aufgenommenen Männer Alkoholiker, 1952 über 30% — Rotter, 1955) hatten zum Beispiel "Am Steinhof" bald dazu geführt, eine eigene Station für diese einzurichten, jedoch ohne Anspruch auf eine spezielle Behandlung. Der Plan, die Trinkerheilstätte zu reaktivieren, den der erste Direktor "Am Steinhof" 1945 gefaßt hatte, war an dessen frühen Tod geschei-tert — sein Nachfolger hatte kein entsprechendes Interesse bekundet. Die Initiative der Psychiatrischen Universitätsklinik Wien erscheint vor dem in groben Zügen umrissenen Zustand der österreichischen Psychiatrie und ihrer Belastung mit Alkoholikern besonders bemerkens-wert. Die Gründung einer "offenen Anstalt" für frei-willige Patienten, die in dieser nicht nur medizinisch, sondern auch fürsorgerisch betreut werden sollten und die bereits davor begonnene Errichtung ambulanter Nachbetreuungseinrichtungen und nachbetreuender Selbsthilfeorganisationen kann geradezu als revolutio-när bezeichnet werden. In einem Fall konnte ein im Zuge dieser Initiative aufgebautes ambulantes Behand-lungsnetz für Alkoholkranke 1969 direkt in einen allgemeinen sozialpsychiatrischen Dienst überführt werden (Burgenland). Aber auch die Diskussion um die rechtliche Stellung psychiatrischer Patienten, die Ende der 60er-Jahre mit Gesetzesentwürfen erst konkrete Formen annahm, entzündete sich ursprünglich im Alkoholbeirat an den Alkoholkranken (Ent, 1983). Hinter der Initiative für Alkoholkranke stand jedoch der Plan, die gesamte Psychiatrie, deren Zwangs-Kontrollaspekt in Osterreich so besonders deutlich her-vortrat, allgemeinen medizinischen Einrichtungen weit-gehend anzugleichen. Das Ziel war nicht zuletzt, den Status der eigenen Profession zu heben: 1954 wurde die Diskussion um die Reform des Strafrechtes wieder aufgenommen, in der Ärzte und vor allem Psychiater, und unter ihnen Hoff, eine nicht zu unterschätzende Rolle spielten (Stangl, 1985). Gegen die Einweisung geisteskranker Rechtsbrecher in psychiatrische Kran-kenanstalten führten Hoff und Sluga (1969, ähnlich bereits So1ms, 1966) drei Argumente an, in denen diese professionellen Interessen sehr deutlich werden:

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Geisteskranke Rechtsbrecher sind nicht in psychiatri-sche Anstalten einzuweisen, weil diese (erstens) alle anderen Geisteskranken in den Verruf der Asozialität bringen, weil dies (zweitens) "Ansehen und Ruf" der psychiatrischen Anstalt als "medizinisch-ärztliche Insti-tution in der Öffentlichkeit" schädigt und weil dies (drittens) eine "innere Struktur der Anstalt als thera-peutische Einrichtung", d.h. ihre Öffnung und Attrak-tivität für freiwillige Patienten verhindert. Geisteskran-ke Rechtsbrecher oder kriminelle Geisteskranke sind daher in eigenen Anstalten unterzubringen — eine Forderung, die mit der Einführung des Maßnahmen-vollzugs 1975 übererfüllt wurde. Wie schon für die Alkoholkranken Anfang der 50er-Jahre, wurde hier für alle psychiatrischen Fälle die individuelle Krankheit gegenüber der sozialen Devianz, die (freiwillige) Be-handlungsaufnahme gegenüber der erzwungenen Ein-schließung, die Rehabilitation durch Professionelle gegenüber der zwangsweisen Aufbewahrung in ge-schlossenen Anstalten in den Vordergrund gerückt; der Doppelcharakter der Psychiatrie durch die Betonung des einen — medizinischen Anspektes — rhetorisch zum Verschwinden gebracht. Da Hoff keinesfalls gewillt war auf Repression gänzlich zu verzichten, wird nicht zuletzt an seinen angeführten Vorschlägen zum Umgang mit bereits körperlich geschädigten, aber auch mit delinquenten Alkoholikern sichtbar: Für ab-gebaute Alkoholiker blieb die Zwangspsychiatrie an-gebracht. Das Ziel war also nicht die gänzliche Befrei-ung der Psychiatrie vor repressiven Elementen, sondern ihre Zweiteilung. Aber auch in der für Freiwillige kon-zipierten, an Behandlung und Rehabilitation orientier-ten Psychiatrie war ohne repressive Elemente nicht aus-zukommen: Anhaltegerichte und verbesserte Anhalte-möglichkeiten für Alkoholiker sowie Polizei- und Strafgerichte sollten Behandlungsdruck erzeugen. Was sich, nach den Vorstellungen von Hoff, jedoch ver-ändern sollte, war die Position der Psychiatrie in der Institutionenhierarchie. Die Psychiatrie sollte nicht-mehr nur aufnehmen und verwahren müssen was Polizei und Gerichte anlieferten. Sie sollte selbständig und professionell behandeln wen sie für behandlungs-würdig erkannte, Polizei und Gerichte bei diesen nur mehr als Rute im Fenster gebrauchen: Sie sollte sich partiell von Sicherheits- und Justizbehörden emanzi-pieren und die oberste Entscheidungsmacht bei einem Teil der Patienten erringen.

6. "Mutter des neuen Lebens"

1961 also öffnete die "Offene Anstalt für Alkohol-kranke" in Wien-Kalksburg mit 63 Betten ausschließ-lich für Männer ihre Tore, von Hoff (1967) als "Mutter des neuen Lebens" gefeiert. 1966 wurde die Zahl der Betten auf 110 erhöht, 1968 die ersten Frauen aufge-nommen. Die wichtigsten Behandlungsmethoden waren "Grup-pen-Psychotherapie" unter ärztlicher Leitung, medi-kamentöse Therapie der psychischen Grundstörung (also Psychopharmaka) wie der sekundären Trinkpro-bleme (also Antabus für den "Großteil" der Patienten) sowie das "therapeutische Milieu" der Anstalt selbst, d.h. die Übernahme von verantwortungsvoller Arbeit

durch den Patienten, was ihm seinerseits gewisse Ent-scheidungsmacht über die Geschehnisse in der Anstalt verlieh (Heber und Kryspin-Exner, 1967; Kryspin-Exner, 1967b). Die Gruppen-Psychotherapie unter-schied sich wohl grundsätzlich von jener, die der Psychoanalytiker So1ms (1961) ursprünglich im Auge gehabt hatte und nahm, wie das "therapeutische Milieu", wesentliche Elemente von Selbsthilfeorgani-sationen, aber auch der früheren Trinkerheilstätte auf. Die stationäre Behandlungsdauer war jedoch außer-ordentlich kurz, wenn auch individuell konzipiert: Sie betrug anfänglich durchschnittlich 66 Tage und sank schon 1963 auf 46 bis 48 Tage. Das Genesungsheim Kalksburg emanzipierte sich in der Folge sehr rasch von der Psychiatrisch-Neurolo-gischen Universitätsklinik, wiewohl es bis 1976 formal unter dessen ärztlicher Leitung stand. Dies ist an der sinkenden Zahl der Patienten abzulesen, die durch die Klinik vorselektiert wurden. Waren 1961 noch 91% der Patienten durch diese zugewiesen worden, waren es 1968 nur mehr 45%, 1974 nur mehr 19% (Kryspin-Exner und Weigel, 1967 und 1969; Eder u.a. 1975). Hingegen stiegen die Anteile der Patienten, die durch niedergelassene Ärzte und Beratungsstellen zugewiesen wurden: von insgesamt 6% 1961 auf 57% 1966. Dail die Klinik als Zuweisungsinstanz zugunsten niederge-lassener Ärzte und Beratungsstellen so sehr an Be-deutung verlor, ist auf die intensive aufklärerische und publizistische Tätigkeit der Anstaltsangehörigen und zahlreiche Tagungen, die vom Genesungsheim Kalks-burg initiiert wurden, zurückzuführen, was die Anstalt österreichweit sehr schnell bekannt machte. Stammten 1961 noch 67% der Patienten aus Wien, waren es ab 1968 nur mehr 43%. Bestehende ambulante Ein-richtungen, wie die der Caritas in Vorarlberg und die der Landesregierung im Burgenland, sandten relativ grolle Zahlen von Patienten nach Kalksburg, in einem weiteren Bundesland (Oberösterreich) wurde in Zusam-menarbeit mit Kalksburg in der ersten Hälfte der 60er-Jahre eine landeseigene Alkoholikerfürsorge auf-gezogen, die Patienten nach Wien sandte und sie nach-betreute. Aber auch ehemalige Patienten warben für die Anstalt und wurden initiativ, gründeten z.B. in der Steiermark und in Oberösterreich selbsttätig oder in Zusammenarbeit mit bestehenden Beratungsstellen Selbsthilfegruppen. Im Bundesland Kärnten fand dieser Gründungsboom zwar nicht im Aufbau eines Netzes ambulanter Stellen seinen Niederschlag, doch errichtete die Landesre-gierung 1963 das "Sozialambulatorium" zur Nachbe-treuung von Alkoholkranken, die in der psychiatri-schen Krankenanstalt aufgenommen worden waren. In einem weiteren Schritt emanzipierte sich das Gene-sungsheim jedoch auch von den niedergelassenen Ärzten und Beratungsstellen durch die Gründung von Ambulanzen, unter der Leitung anstaltseigener Ärzte. Seit 1963 verfügte das Genesungsheim über eine eigene Ambulanz, in der bis 1966 40% aller Erstaufgenomme-nen nachbehandelt wurden (Olteanu, 1967; Jellinger, 1967). 1965 und 1966 wurden in Wien zwei weitere Ambulanzen, eine gemeinsam mit der Caritas und eine gemeinsam mit dem Wiener Gesundheitsamt ge-gründet (Jellinger, 1969). Hatte die eigene Ambulanz 1963 für 2,1% aller Aufnahmen verantwortlich ge-

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zeichnet, betrug der Anteil 1968 bereits 15% und 1973 20%. Der zunehmende Bekanntheitsgrad der Anstalt und die steigende Zahl der ambulanten Beratungsstellen resultierten in rasch steigenden Aufnahmezahlen. Unter den Aufgenommenen befand sich bald auch ein wachsender Anteil von Wiederaufgenommenen: Die Erweiterung der Anstalt 1966 war eine Antwort auf diese Entwicklung, die sich an folgenden Zahlen ab-lesen läßt: 1961 wurden 288 Patienten behandelt, 1966 557 (davon 23% Wiederaufnahmen), 1973 847 (davon 37% Wiederaufnahmen). 1969 stellen Kryspin-Exner und Weigl fest: "Die Zahl der Patienten, die sich freiwillig zur Durchführung einer, stationären Ent-wöhnungskur im Genesungsheim melden, nimmt immer stärker zu. Die Kapazität der Anstalt kann auch nach der Erweiterung dem Bedarf in keiner Weise gerecht werden" (S. 23). Wie in der "offenen Anstalt", stiegen auch in den ambulanten Betreuungseinrichtungen die Zahlen der Behandelten stetig: Die Caritas in Vorarlberg verzeich-nete 1961 37 Neumeldungen und insgesamt 735 Be-treute, 1973 bereits 121 Neuzugänge und 1.301 Be-treute (Bitschnau, 1979); das ambulante Betreuungs-netz im Burgenland hatte von 1959 bis 1976 insgesamt 4.296 Alkoholkranke erfaßt (Braun, 1980).

Gegenüber den von Hoff und So1ms formulierten Auf-nahmekriterien der Freiwilligkeit und einem akzep-tablen körperlichen und geistigen Zustand (s.o.), die Kryspin-Exner übernahm, hob letzterer besonders die Wiederherstellbarkeit der Arbeitsfähigkeit hervor: "Patienten, die derart schwere Organschäden erlitten haben, daß mit einer Arbeitsfähigkeit nicht mehr gerechnet werden kann, sind für die Behandlung in unserer Anstalt nicht geeignet" (1967a, 5.24). Aber auch z.B. Pensionisten waren daher von der Aufnahme auzuschließen, wie auch eine "hoffnungslos verfahrene und verzahnte familiäre Situation, eine bevorstehende gerichtliche Bestrafung, eine nicht mehr aufzuhaltende Destruktion seiner sozialen Tendenz, eine absolute Kontra-Indikation zur Aufnahme des Patienten in die offene Anstalt darstellen" (S.25). Der Behandlungs-erfolg mußte für die Allgemeinheit sichtbar, an sozialen Kriterien meßbar sein, um das Ansehen der Alkoholbe-handlung nicht zu schädigen und den Einsatz "neuer Materialen" zu rechtfertigen. Im Gegensatz zu Solms und Hoff entwickelte Kryspin-Exner jedoch auch Vorstellungen über ein Behand-

• lungssystem, das auch jene erfassen kann, denen die "Offene Anstalt" ihre Tore verschließt:Halboffene und geschlossene Spezialanstalten, Wohnheime, Resoziali-sierungs-Hospize, Nachtspitäler, Geschützte Werkstät-ten (Kryspin-Exner, 1967a und 1968). Daneben sollte spezialisierte Behandlung auch Einzug in Einrichtungen halten, die primär anderen Ziele als der Behandlung Alkoholkranker dienen, jedoch viele Personen mit Alkoholproblemen bergen: In Lungenheilstätten und Gefängnissen (Kryspin-Exner, 1966). Schließlich war es gemäß seiner Meinung auch möglich, Alkoholiker, die sozial gut integriert sind, rein ambulant zu behandeln. Der Ausbau des ambulanten Behandlungsnetzes schon aus diesen Gründen, aber für alle anderen Behandelten zur Nachbetreuung, war dringend erforderlich, da die

Alkoholkrankheit, so Kryspin-Exner, ein Leiden ist, von dem man praktisch nie gänzlich geheilt werden kann. Alle Arten von Behandlung waren selbstverständ-lich von Psychiatern zu organisieren, denn: "Sollten wir eine solche dreifach psychisch und organisch ge-störte Persönlichkeit durch den heiligen Eifer eines Hausvaters behandeln lassen, oder glauben wir, wenn wir das fodern, selbst nicht an den Krankheitscharakter des Alkoholismus?" (1968, S.15). Um diesen, offenbar von der Öffentlichkeit immer noch nicht anerkannten Krankheitscharakter der Trunksucht mit wissenschaft-lichen Mitteln zum Durchbruch zu verhelfen, forderte Kryspin-Exner wiederholt die Einrichtung einer speziel-len Forschungsstätte: 1966 wurde in Kalksburg ein Dokumentationszentrum eröffnet, das Publikationen, Tagungen und Studien (die erste über die Kinder Alko-holkranker) organisierte (Olteanu, 1969). 1972 wurde im Genesungsheim, unter der Leitung von Kryspin-Exner, das Ludwig Boltzmann-Institut für Sucht-forschung etabliert.

7. Modell Kalksburg -

Die Entwicklung der Alkoholikerbehandlung folgte den Vorstellungen, die Kryspin-Exner in den 60er-Jahren angestellt hatte, wenig. Statt halb-offener und geschlossener Einrichtungen entstanden in den 70er-und 80er-Jahren in fünf weiteren Bundesländern sechs offene Anstalten für Alkoholkranke, die dem "Modell Kalksburg" mehr oder minder genau nachgebildet waren. 1972 wurde das "Haus Christine" in Innsbruck/ Tirol mit 32 Betten eröffnet; 1976 das Krankenhaus "Stiftung Maria Ebene" in Frastanz/Vorarlberg, zuerst mit 20 Betten, in den folgenden Jahren auf 43 Betten ausgebaut (Stiftung Maria Ebene, 1979); 1978 ging das "Genesungsheim Traun" in Oberösterreich in Betrieb, erst mit 45 Betten, 1981 mit 110 Betten (Dafalias, 1984); 1979 wurde in Salzburg ein Rehabilitations-zentrum für alkohol- und medikamentenabhängige Frauen mit 18 Betten gegründet, das seit 1983 den Status eines Sonderkrankenhauses besitzt; 1983 nahm das Krankenhaus "de la Tour" in Treffen/Kärnten mit 35 Betten die Arbeit auf (Evangelische Stiftung, 1983); 1984 wurde das Wohnheim für alkoholkranke Männer in Salzburg (30 Betten), das als Obdachlosenasyl ver-wendet worden war, in ein Genesungsheim überführt (Jenner, Wolfer, 1984). In Kalksburg selbst wurde 1974 eine eigene Frauenstation mit 30 Betten eröffnet, Frauen- wie Männerstationen laufend ausgebaut und 1981 eine weitere Station mit 32 Betten geschaffen (Heber und Mader, 1983). Bei der Gründung der neuen offenen Anstalten waren die Gesundheits- und Sozialbehörden der Linder stets beteiligt: In mehr als der Hälfte der Fälle (Tirol, Ober-österreich, Salzburg) ging die wesentliche Initiative von ihnen aus, in anderen Fällen nahmen sie von außen kommende Initiativen auf (Vorarlberg, Kärnten). In allen Fällen ermöglichten die Landesregierungen die Errichtung der Anstalten durch die Bereitstellung finanzieller Mittel. Alle Anstalten konnten Verträge mit Krankenkassen über die Finanzierung der Entwöh-nungskuren abschließen. Die private Initiative, die hinter der Gründung der

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Vorarlberger Anstalt steht, war die Alkoholikerfürsorge der Caritas, die schon lange eng mit Kalksburg und seinem Leiter zusammengearbeitet hatte. Bemerkens-wert ist hingegen der zweite Fall, bei dem eine private Initiative im Vordergrund stand. Die Errichtung des Krankenhauses "de la Tour" in Kärnten wurde von der evangelischen Stiftung "de la Tour" in Treffen und dem Blauen Kreuz maßgeblich betrieben. Die evangeli-sche Stiftung hatte sich, wie ihre Stifterin, die Gräfin de la Tour (1841 - 1916), traditionell um sozial Be-nachteiligte und in Zusammenarbeit mit dem Blauen Kreuz um Alkoholiker angenommen. Nach langjährigen Bemühungen, die bereits vor dem Ersten Weltkrieg einsetzten, gelang es 1931 ein Heim für Alkoholiker mit 20 Betten zu errichten, das jedoch mit Beginn des Zweiten Weltkrieges zu existieren aufhörte. Erst seit 1975 gab es dann wieder konkretere Pläne, die 1983 mit der Eröffnung eines Krankenhauses verwirklicht wurden, von dessen Errichtungskosten die Kärntner Landesregierung 40% übernahm (Gienger, Ratz, 1983). Mit der Errichtung eines Krankenhauses und der Be-rufung eines Psychiaters zum ärztlichen Leiter, der dem Blauen Kreuz neutral gegenüber steht, hat sich auch die evangelische Stiftung "de la Tour" und das österreichische Blaue Kreuz, die langjährige eigene Abstinenztradition und fürsorgerische Praxis bei Alko-holikern besitzen, dem medizinisch-psychiatrischen Konzept endgültig und offiziell unterworfen.

Neben der Gründung "offener Anstalten" für freiwillige Patienten fanden sich immer mehr freiwillig zur Ent-wöhnung bereite Alkoholiker in den psychiatrischen Krankenanstalten ein. Im Landesnervenkrankenhaus Vorarlbergs z.B. waren 1967 35% aller aufgenommenen Personen mit Alkoholdiagnosen Freiwillige, 1977 be-reits 69% (König u.a., 1980), obwohl zu dieser Zeit keine eigene Station und keine speziellen Behand-kungsangebote für Alkoholiker existierten. In zwei anderen psychiatrischen Krankenanstalten, in Hall/ Tirol und in Graz/Steiermark, wurden hingegen auf Initiative einzelner Ärzte eigene Stationen errichtet und spezielle Behandlungskonzepte entwickelt. In Hall erst Anfang der 80er-Jahre, in Graz bereits 1967. Die Errichtung einer Behandlungsstätte in einer psychiatri-schen Krankenanstalt wurde in der Steiermark von ehemaligen Patienten von Kalksburg heftigst bekämpft: eine weitergehende Trennung von den Geisteskranken, eine Anstalt mit eigenem Rechtsstatus, nur für Frei-willige wurde gefordert. "Am Feldhof" widerstand man diesen Forderungen jedoch und die Steiermark blieb das einzige Bundesland, das über keine eigene offene Anstalt verfügt (das nördliche Burgenland und Niederösterreich werden traditionell von Kalksburg mitbetreut). Anfänglich gab es nur etwa 5% freiwillige Aufnahmen auf der Grazer Station, 1980 waren es bereits 20% (Fischer u.a., 1981). Die durchschnittliche Behandlung dauert etwa 3 Wochen, bei den unfrei-willig Aufgenommenen wird zusätzliche Motivations-arbeit geleistet und die Umwandlung der Zwangsauf-nahme in eine freiwillige angestrebt, eine längerfristige Zwangsanhaltung nur in Ausnahmefällen (besondere Aggressivität) durchgeführt. Längerfristige Behand-lungsbedürftige werden an anderer Stationen der Krankenanstalt abgegeben, Nicht-Behandlungswillige,

falls sie keine körperlichen Schäden haben, sehr rasch wieder entlassen. Die Behandlung (vorwiegend Grup-pentherapie und Antabus) zielt primär auf das Trinken. Seit 1974 wurde sukzessiv eine ambulante Nachbe-treuung aufgebaut, wobei auf Selbsthilfegruppen be-sonderer Wert gelegt wird, die seit 1980 in einem eige-nen Verein organisiert sind, dem als ordentliche Mit-glieder nur ehemalige Alkoholiker angehören dürfen (Fischer, oj., Arbeitsgemeinschaft gegen die Suchtge-fahren, 1984). Unterscheidet sich auch das Behand-lungskonzept recht grundlegend von dem der Trinker-heilstätte "Am Steinhof" der Zwischenkriegszeit und stellen die Behandler sogar die Abstinenz als einziges Ziel der Behandlung zur Diskussion (Fischer, 1979), erinnert doch die Organisation der Alkoholikerstation in Graz in manchen Aspekten an sie. So ist beiden die Konzentration auf das Trinken und nicht die "psychische Grundstörung" gemeinsam, aber auch das Interesse für auch in die Psychiatrie zwangs-eingewiesene Patienten. In den Schriften des Selbst-hilfevereins wird teilweise auch explizit versucht, ideologisch an Überlegungen des Arbeiter-Abstinenten-Bundes zur Selbsthilfe wieder anzuknüpfen (Sebastian, 1983).

Tabelle 1 zeigt die geschilderte Entwicklung nume-risch: die Betten in offenen Anstalten vervierfachten sich fast seit dem Beginn der 70er-Jahre, Betten in psychiatrischen Anstalten mit speziellen Behandlungs-angeboten für Alkoholiker vermehrten sich in wesent-lich geringerem Ausmaß. Die offenen Anstalten haben jedoch nur in vier Fällen (Wien—Kalksburg, Vorarlberg, Kärnten, Salzburg) einen privaten Trager. Bei den rest-lichen (Innsbruck, Oberösterreich) ist der Trager die Landesregierung oder (in Innsbruck wieder seit 1976) die offene Anstalt Teil des psychiatrischen Kranken-hauses. Ist der Träger des Krankenhauses nicht privat, werden die Behandelten zwar nicht in der Geistes-kranken-Kartei registriert, sind sie aber den Behörden bekannt. Definiert man die "Offenheit" einer Anstalt nicht nur über die Aufnahmebedingung Freiwilligkeit, sondern über die Anonymität der Behandlung, befin-den sich mir zwei Fünftel der Behandlungsplätze in offenen Anstalten (vergl. Tab. 2). Freilich schließt auch ein privater Trager die Registrierung der Alkohol-kranken nicht aus: so besitzt Salzburg (insgesamt 48 Betten in zwei Anstalten mit einem privaten Tra-ger), das bereits zitierte, ausgedehnte Meldesystem für Alkoholkranke und so hat das Land Oberösterreich, schon bevor es eine eigene "offene Anstalt" errichtete, jene Personen, die aus diesem Bundesland nach Wien/ Kalksburg auf Entwöhnungskur gingen, stets behörd-lich erfaßt. Die Zahl der stationären Behandlungs-plätze, die tatsächlich anonym in Anspruch genommen werden können, liegt also noch unter jenen 338, die sich in Anstalten mit privaten Trägern befinden. Die Registrierung ist zum Beispiel in Oberösterreich ver-bunden mit behördlichem Druck zur Nachbehandlung.

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Tabelle 1

Die Entwicklung der Betten für Alkoholkranke in Anstalten, nur für freiwillig Aufgenommene und in Abteilungen psychiatrischer Krankenanstalten, in die auch zwangseingewiesen werden kann.

Tabelle 2

Die Entwicklung der Betten in Anstalten mit einem privaten Träger und einem öffentlichen Träger

Anstalten nur für freiwillige Pat.

Abteilungen psychiatr. Anstalten

insgesamt

63

63

63

66

67

69

110 53 163

116 53 169

116 53 169

116 53 169

116 53 169

148 53 201

148 53 201

178 53 231

198 53 251

230 53 283

265 53 318

292 53 345

292 53 345

292 53 345

380 90 470

386 90 476

439 90 529

469 90 559

Betten in Anstalten mit privatem Träger

Betten in Anstalten mit öffentlichem Träger

63

63

63

66

67

69

110 53

116 53

116 53

116 53

116 53-

116 85

116 85

146 85

166 85

200 83

200 118

217 128

217 128

217 128

249 221

255 221

308 221

338 221

1961

1962

1963

1964

1965

1966

1967

1968

1909

1970

1971

1972

1973

1974

1975

1976

1977

1978

1979

1980

1981

1982

1983

1984

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Es setzte sich also der Typus der "offenen Anstalt" in den 70er-Jahren durch, doch ist der geringere Teil der Anstalten so offen wie es allgemeine Krankenanstalten sind: das stationäre Behandlungsangebot für Alkohol-kranke siedelte sich überwiegend zwischen allgemeiner — weitgehend repressionsfreier — Medizin und — auch mit Zwang verbundener — Psychiatrie an. Die spezielle Behandlung Alkoholkranker wurde aucll nicht in die Lungenheilstätten und in die Gefängnisse integriert, wie ICryspin-Exner vorgeschlagen hatte. Doch entstand im Zuge der großen Strafrechtsreform 1975 eine kleine Sonderanstalt für entwöhnungsbe-dürftige Rechtsbrecher, in die auch alkoholabhängige Rechtsbrecher eingewiesen werden können, vorausge-setzt ihre Tat stand in Zusammenhang mit ihrer Ab-hängigkeit und ihr Strafausmaß überschreitet nicht zwei Jahre. Außerdem werden seit Ende der 70er-Jahre Aufklärungskurse für Gefangene angeboten (auf frei-williger Basis), die im Rausch Unfälle mit Personen-schäden verursachten und deshalb kurze Haftstrafen (bis 6 Monate) verbüßen.

Neben dem stationären wurde auch das ambulante Behandlungsnetz in den 70er-Jahren weiter ausgebaut. Die ambulanten Einrichtungen wurden in einzelnen Fällen gleich mit den stationären geplant, manchmal auch vor ihnen errichtet (1971 die Sozialberatung in Innsbruck — Marina, 1984) oder dann von den An-stalten aus aufgebaut (ab 1974 in der Steiermark, ab 1983 in Kärnten — Scholz, 1984). Des weiteren setzten Behörden eigene Initiativen teilweise um einen wahrge-nommenen Nachbetreuungsbedarf zu erfüllen (Magi-strat Graz, 1977; Magistrat St. Pölten, 1981), teilweise aber auch unabhängig von bestehenden stationären Einrichtungen (Magistrat Wels, 1971). Schließlich entstanden Anfang der 70er-Jahre vereinzel-te private Initiativen, auch diese in Zusammenarbeit

mit bestehenden stationären Einrichtungen (ARGE gegen die Suchtgefahren in der Steiermark 1980) oder aber unabhängig von diesen.

Tabelle 3 zeigt die Entwicklung der ambulanten Ein-richtungen für Alkoholkranke seit 1950 numerisch. Nicht sichtbar wird die zunehmende Arbeitskapazität der Einrichtungen (Personal- und Klientenentwick-lung), die vorliegenden Unterlagen lassen eine solche Darstellung nicht zu. Aus Tabelle 4 wird deutlich, daß auch die ambulante Alkoholikerbetreuung in den 70er-Jahren zunehmend eine (gesundheits- oder sozial)be-hördliche Angelegenheit wurde.

In den 70er-Jahren änderte sich der Stellenwert des stationären Behandlungssystems, obwohl es in diesem Umfang ausgebaut wurde: die rein ambulante Behand-lung rückte zunehmend in den Vordergrund. Dies mag mit den neuen Klienten, die das sich ständig erweitern-de, ambulante System anzuziehen vermochten, zu-sammenhängen. Deutlich läßt sich dieser Bedeutungs-wandel des ambulanten Sektors von der Nachbetreu-ung zur selbständigen Betreuung zum Beispiel an Aus-sagen des neuen Leiters des Genesungsheimes Kalks-burg, Mader, und an der Tätigkeit der Kalksburger Ambulanz ablesen (Heber und Mader, 1983; Marx u.a., 1982): 61% der Klienten, die in einem Jahr (1979) in der größten der Kalksburger Ambulanzen ärztlich pro-fessionelle Hilfe suchten, taten dies das erste Mal: 84% von diesen, also 52% der Neuzugänge des Jahres, wur-den rein ambulant entzogen und weiterbehandelt.

Neben der Verselbständigung der ambulanten, medizi-nischen Alkoholikerbehandlung wurden in den 70er-Jahren jedoch auch erstmals leise entmedikalisierende Tendenzen im ambulanten Betreuungssystem sichtbar.

1950

1955

1960

1965

1970

1975

1980

1984

Tabelle 3

Die Entwicklung spezieller ambulanter Behandlungseinrichtungen für Alkoholkranke (1)

Burgenland Kärnten Niederösterr. Oberösterr. Salzburg Steiermark Tirol Vorarlberg Wien Gesamt

. 1(A) 1

1 1(A) 1 1(A) 2(A) 6

1 (A) 1. 1 (A) 1 1 (A) 2 7

1 (A) 1 ' 2 (A) 1 (A) 1 1 (A) 3 10

1. 2 (A) 1 (A) 1 1 (A) 4 10

2 3 (A) 1 (A) 2 2 (A) 1 (A) 4 15

2 1 3 (A) 1(A) 3 (A) 3 (A) 1 (A) 4 18

3 (A) 1 4 (A) 1 (A) 3 (A) 3 (A) 1 (A) 3 19

(1) Die Einrichtungen werden nach der Zahl der Träger gezählt, (A) bedeutet, daß zumindest eine der Einrichtungen Außenstellen betreibt; Einrichtungen, die nicht speziell auf Alkoholkranke ausgerichtet sind, werden nicht gezählt.

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Tabelle 4

Die ambulanten Einrichtungen nach der Art ihrer Träger

Kirchlicher Trager Privater Verein Ambulanz einer stationären Einrichtung

Behörde

1

3 1 1 1

3 2 2

3 2 2 3

3 . 1 3 3

4 1 4 6

4 2 5 7

4 3 4 8

1950

1955

1960

1965

1970

1975

1980

1984

Hierzu zählt nicht nur die Etablierung von Beratungs-stellen durch die Sozialbehörden, die ausschließlich mit Sozialarbeitern besetzt sind (Innsbruck, Wels) und die unter Betreuung vorrangig nicht Behandlung, sondern Lebensberatung oder Lebenshilfe verstehen (z.B. Dorner, 1984). Bedenken werden zum Beispiel auch von einer Beratungseinrichtung der Caritas geäußert, die darauf hinweist, daß durch die Behandlung Er-wartungshaltungen erzeugt würden, denen die Realität nicht entsprechen könne: "So erwarten die Betrof-fenen oft, daß sie mit offenen Armen empfangen würden, gleichzeitig erwarten die Angehörigen, dal?. ein ganz anderer Mensch (nach ihren Vorstellungen ausge-richtet, bzw. geändert) kommen würde" (Caritas Linz, 1984). Schließlich sind in diesem Zusammenhang auch die Anfang der 80er-Jahre von Sozialarbeitern oder Be-währungshelfern gegründeten "Saftbeiseln" (in SpitaV Kärnten, Salzburg-Stadt und Wien) zu nennen, die eine Tradition der Abstinenzvereine, Stätten für alkohol-freie Geselligkeit zu schaffen, wieder beleben. Die Ziel-gruppe der sozialarbeiterisch-sozialbehördlichen Be-mühungen (wie z.B. die der Caritas,-Linz) unterscheidet sich von der, denen die psychiatrisch-medizinischen gelten durch gravierende soziale Unterprivilegiertheit.

Die verschiedenen Selbsthilfegruppen, die in den 70er-Jahren entstanden, aber auch die Anonymen Alkoho-liker tragen zu dieser Entwicklung direkt wenig bei. Wie die ersteren gehen auch Gründungen der AA häufig auf Initiativen einzelner Ärzte zurück. Sie faßten in Osterreich erst relativ spät Fuß (Ende der 50er-Jahre, Anfang der 60er-Jahre — Anonyme Alkoholiker 1974,

S. 327 ff) und konnten sich erst im Laufe der 70er-Jahre besser etablieren, u.a., weil sie von vielen be-stehenden Spezialeinrichtungen abgelehnt und be-kämpft wurden. Sie sind bis heute nicht in allen Bundesländern vertreten, besser jedoch im Westen Osterreichs verwurzelt. Immerhin könnte das ver-mehrte Entstehen von AA und Al-Anon Gruppen und anderen Selbsthilfevereinen in den 70er-Jahren auch das sinkende Vertrauen in ein professionelles Behand-lungssystem signalisieren, von dem die Lösung indivi-dueller und sozialer Alkoholprobleme erwartet worden war. Trotz dieser spät und leise einsetzenden Kritik am me-dizinisch-psychiatrischen Behandlungssystem, fühlte sich ICryspin-Exner, seit 1976 Professor für Psychiatrie an der Universität Innsbruck, bemüßigt, dieses wohl auch antizipatorisch zu verteidigen und die Nachteile für die Alkoholkranken, die seine Destruierung hervor-rufen würde, zu betonen: "Dabei geschieht das nicht zum Vorteil der Kranken, denn die Anerkennung des Krankheitscharakters hat viele Neuerungen in der Therapie und Nachbetreuung der Alkoholabhängigen erst ermöflicht" (1980). Nur das Verständnis der Trunksucht als (psychische) Krankheit kann seines Er-achtens vom Schuldvorwurf befreien.

8. Sozialpsychiatrie: Koexistenz oder Konkurrenz?

In der zweiten Hälfte der 70er-Jahre entstanden in vielen, wenn auch nicht alien .Bundesländern ambu-lante, sozialpsychiatrische Dienste. Sie werden ent-

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weder von den psychiatrischen Zentralanstalten (Klo-sterneuburg) oder einer psychiatrischen Universitäts-klinik (Graz, Innsbruck) aus organisiert, oder stehen doch in enger Zusammenarbeit mit diesen stationären Einrichtungen. Doch verändern sich in dieser Zeit auch die psychiatrischen Krankenanstalten selbst. So ver-ringerte sich die Zahl der Patienten, die sich an einem Stichtag in psychiatrischen Krankenanstalten befanden, zwischen 1974 und 1983 um 20%, nur mehr 71% (1974: 94%) werden zwangsangehalten, nur mehr weniger als die Hälfte (48%) sind entmündigt (1974: 64%). Auch der Anteil der Zwangseingewiesenen ist leicht rückläufig (1974 70% inklusive psychiatrische Universitätskliniken, 1982 59%). Die Personalaus-stattung der Anstalten und ihre finanzielle Situation hat sich, bezogen auf die Situation der 60er-Jahre, verbessert (zieht man allerdings allgemeine Kranken-anstalten als Maßstab heran, hat sie sich insgesamt wei-ter verschlechtert). Der sinkenden Bettenzahl steht jedoch eine steigende Zahl jährlich aufgenommener Patienten gegenüber: 1982 wurde mit 40.373 Auf-nahmen in psychiatrischen Anstalten der vorläufige Höhepunkt seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges erreicht (1960 waren es noch 12.199 Aufnahmen ge-wesen). Die Aufgenommenen bleiben aber kürzer in den Anstalten und unter ihnen befinden sich mehr Wiederaufnahmen (1974: 51%, 1983: 62% — Laburda u.a., 1983 und 1984; Laburda, 1984), die jedoch nicht die steigenden Aufnahmezahlen erklären können. Für diese einschneidenden Veränderungen sind — so Danzinger — weder medikamentöse Behandlungsme-thoden noch das neue Angebot sozialpsychiatrischer Dienste allein verantwortlich zu machen, sondern zu-mindes auch die "veränderte Einstellung der Psychiater und Gesamtbevölkerung zum psychisch Kranken und zur Notwendigkeit von Freiheitsbeschränkungen" (1982, S. 9).

Der Anteil von Personen mit Alkoholdiagnosen, die sich an einem Stichtag 1983 in der Psychiatrie befan-den, hat sich gegenüber 1974 nicht verändert: er liegt bei 11% (Laburda u.a., 1984). Trotz der in den 70er-Jahren so ausgeweiteten speziellen Behandlungsange-bote für Alkoholkranke, hat sich jedoch auch die Inzidenz für Personen mit Alkoholdiagnosen kaum verändert. "Am Steinhof" zum Beispiel ist die Tendenz sogar steigend: 1978 waren es 24%, 1979 und 1980 26% der Patienten, die wegen Alkoholmißbrauch auf-genommen worden waren (Gabriel, 1980 und 1984). Nicht nur in "offenen Anstalten" wurden also durch deren gesteigerte Kapazität in den 70er- und 80er-Jahren mehr Alkoholkranke behandelt, auch in den sich langsam öffnenden und medikalisierenden psychi-atrischen Anstalten war dies der Fall. Absolut gesehen behandelten letztere 1982 sogar etwa dreimal so viel Alkoholkranke wie die "offenen Anstalten".

Die Frage ist nun, ob, und wenn jawie, sich die in den psychiatrischen Krankenanstalten aufgenommenen Al-koholkranken von jenen unterscheiden, die in den "offenen Anstalten" behandelt werden: Die wenigen vorliegenden Informationen weisen darauf hin, daß es sich wahrscheinlich um unterschiedliche und nur wenig überlappende Patientenpopulationen handelt.

Der nach wie vor große Anteil an Zwangseingewiesenen bei den Personen mit Alkoholdiagnosen, der sicher nicht unter dem Durchschnitt liegt, und die überdurch-schnittlichen Zahlen der Wiederaufnahmen in psychia-trische Anstalten, können als Indikatoren dafür heran-gezogen werden. So waren an einer im Jahre 1983 ge-zogenen Stichprobe von mit Alkoholdiagnosen "Am Steinhof" aufgenommenen Personen nur ein Drittel (35%) im Jahr davor nicht aufgenommen worden, 11% der aufgenommenen Alkoholkranken obdachlos (Ga-briel, 1984). Die letzten verfügbaren Zahlen aus dem Genesungsheim Kalksburg aus dem Jahr 1974 (seit dem keine wesentlichen Veränderungen in der Patienten-selektion stattfanden) zeigen, daß immerhin fast zwei Drittel der Patienten erstmals aufgenommen wurden und daß nur in 4% der Fälle die Kosten der Behandlung nicht durch Krankenkassen oder aus Eigenmitteln der Patienten gedeckt wurden, die finanzielle und soziale Lage der Patienten also so beschaffen war, daß das Genesungsheim selbst einsprungen mußte (Eder u.a., 1975). Selbst im Landesnervenkrankenhaus Vorarl-bergs, das österreichweit die niedrigste Rate von Zwangseingewiesenen (32%) und zweitniedrigste Rate von Zwangsangehaltenen (51% — Laburda u.a., 1984) aufweist, ist ein, wenn auch wahrscheinlich schwäche-res soziales Gefälle der aufgenommenen Patienten zu denen der "offenen Anstalt" des gleichen Bundeslandes nachzuweisen. König u.a. (1983) sehen daher auch die Aufgaben der psychiatrischen Anstalten in der "akuten Intervention" und der "längerzeitlichen Betreuung des abgebauten Alkoholkranken" (S. 111). Immerhin scheint die Segregation in für "offene An-stalten" geeignete behandlungswillige Patienten und akute Problemfälle oder chronisch abgebaute Alkohol-kranke für potentiell geschlossene psychiatrische An-stalten den Anstaltspsychiatern noch nicht ausreichend vollzogen: 4,2% der Patienten der psychiatrischen An-stalten (Prävalenz) sind für sie deplaziert und wären in einer offenen Anstalt besser untergebracht (Laburda u.a., 1984, S. 18); in einer psychiatrischen Krankenan-stalt möchte man am liebsten alle Alkoholkranken von der Aufnahme ausschließen. Solange also der potentielle Zwangscharakter der psychiatrischen Anstalten aufrecht und akzeptiert bleibt, wie der Interventions- und Betreuungscharakter auf Kosten der Behandlung, werden sie nicht in Kon-kurrenz zu den "offenen Anstalten" treten, die ja auch viele "neue", sozial privilegiertere Klientengruppen, die nie mit psychiatrischen Anstalten in Berührung kamen, anzuziehen vermögen. Die langsame und partielle Öffnung und Medikalisierung der psychiatri-schen Anstalten läßt jedoch eine Gruppe von Trinkern als Patienten deplaziert erscheinen: Obdachlose, sozial desintegrierte Alkoholkranke, die die Anstalten nur gerne freiwillig als zeitlich begrenzten Unterschlupf aufsuchen. Für sie schlägt Gabriel (1983) vor, einen "Dienst einzurichten, der seinen Schwer-punkt bei der sozialen Krisenintervention hat", der geeignet ist, ihnen ein "Dach über dem Kopf, Bett unter dem Leib, Essen im Teller" zu verschaffen. Die Medikalisierung der Trunksucht und der Alkoholpro-bleme findet also Grenzen dort, wo die sozialen Proble-me zu groß werden: Auch die Abstinenz als Ziel der Behandlung/Betreuung erscheint für diese Gruppe un-

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angebracht.

Anders verhält es sich jedoch mit den ambulanten und halbstationären psychosozialen Diensten, die Ende der 70er-Jahre entstanden: Die Koexistenz mit den spe-ziellen Einrichtungen für Alkoholkranke könnte hier leicht in Konkurrenz umschlagen. Die psychosozialen Dienste wurden ja nicht nur errichtet, um die Nachbe-treuung stationär behandelter Fälle zu übernehmen, sondern auch uni einen Bedarf zu decken, den die psychiatrischen Anstalten aufgrund ihrer geringen Auf-nahmekapazität und Unterausstattung und ihres (überschießenden) Repressionscharakters nicht erfüllen konnten. Da die psychosozialen Probleme, auf die mit der Errichtung sozialpsychiatrischer Dienste reagiert werden soll, in Osterreich sehr häufig mit Alkoholpro-blemen gekoppelt sind, werben diese partiell um das gleiche behandlungswillige Klientel wie die speziellen Einrichtungen für Alkoholkranke und konkurrieren mit diesen um finanzielle Mittel aus den gleichen Quellen: um die finanziellen Mittel der Krankenkassen, bei denen die Klienten versichert sind und die Mittel der Gesundheits- und Sozialbehörden, die, wenn schon nicht Trager, so doch Finanzier der meisten Dienste sind. Wie hoch der Anteil ambulant betreubarer Alko-holkranker ist, zeigt das Psychosoziale Zentrum - Mistelbach in Niederösterreich, das keiner Konkurrenz, außer der geringen niedergelassenen Fachärzte, die vorwiegend leichtere Fälle betreuen, ausgesetzt ist: nämlich 26% (Katschnig, 1981). Ähnliche Anteile von Alkoholkranken betreut der seit 1980 aufgebaute Psychosoziale Dienst in Wien trotz der beiden Ambu-lanzen der "offenen Anstalt" in Kalksburg: nämlich 25% (Wiener Psychiatriebericht, 1983). Diese prinzipielle Konkurrenz wurde auf verschiedenste Arten gelöst: durch klare Segregation der Klienten, friedliche Koexistenz und Kooperation zum Beispiel in Vorarlberg, durch völlige Integration zum Beispiel im Burgenland. Doch auch die Integration der Betreu-

ung Alkoholkranker und anderer Hilfesuchender ist nicht ohne Probleme — wie die Erfahrungen des Psychosozialen Dienstes in Wien zeigen. Obwohl der PSD in vielen seiner Stationen der Differenzierung der Behandlungsmethoden Rechnung getragen und zur Behandlung Alkoholkranker Personal aus der "offenen Anstalt" in Wien-Kallcsburg herangezogen hatte, kam es zu Konflikten: Alkoholkranke weigerten sich zur Betreuung zu kommen, wenn sie "Irre" in den Sta-tionen trafen, letztere fürchteten sich vor den Trunk-süchtigen. Die Klienten mußten durch verschiedene Be-treuungszeiten noch weiter segregiert werden (Heinzl, 1984). Der Reintegration der Alkoholikerbetreuung und Behandlung in eine sich öffnende und medikali-sierende Psychiatrie, die sich verstärkt als soziale versteht und deren Vorhut sie einmal war, stehen nicht nur die in der Zwischenzeit ausdifferenzierten Interes-sen der Behandler entgegen, sondern auch ideologische Barrieren zwischen den Klienten.

Summary It was in the 50-jer that a special treatment system for alcoholics was set up in Austria. This treatment system differs essentially from that one of the First Republic: At this time primarily private, socialwelfare organisa-tions cared for alcoholics, where as the treatment facilities of to-day are part of psychiatry and are financed by public funds. However, also as part of psychiatry the special treatment system for alcoholics has some particularities: it is based exclusively on voluntary treatment and special attention was paid to an integrated in-patientlout-patient medical treatment, long before general psychiatry has been reformed. The special treatment-system for alcohol-sick persons, therefore, could be called "the vanguard of psychiatric reforms" in Austria.

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 • Nr. 4, Originalarbeit, S. 19-22

Integrative prozefiorientierte Sozialtherapie

R. STEIGER (Leiter der Sozialtherapeutischen Klinik, Egliswil/ Schweiz) Referat anläf3lich der Euroconference der "European Federation of Therapeutic Communities" vom 17. bis 20. Nov. 1985 in Bruges (Belgien).

Zusammenfassung Der Autor liefert Ideen und Impulse Pr ein neues Suchtverständnis, das sich an der positiven Intention des Verhaltens/Mittelkonsums und nicht mehr am spezifischen Symptom1Suchtmittel orientiert. Er beleuchtet verschiedene praxisrelevante Fragen und Grundhaltungen (ErstgesprächlMotivationsförderungl Funktion des Therapeuten/ Umgang mit Rückfällen/ Haltung gegenüber Suchtmitteln /Etc.) der stationären therapeutischen Arbeit (u.a. auch mit schwer Drogen-abhängigen), welche sich seiner Ansicht nach grund-sätzlich an der positiven Intention von Symptom und Verhalten sowie an positiven Bedürfnissen und positi-ven Zielen orientieren muß, und stärker professionali-siert werden mill3 te.

Gegenstand meines Referates unter dem Obertitel "neue Tendenzen in der Therapie" ist der am Institut für Sozialtherapie in Windisch (Schweiz), einer sozial-therapeutischen Klinik mit heute 35 stationären Thera-pieplätzen, von mir und meinen Kollegen seit einigen Jahren aus der täglichen Praxis stationär und ambu-lanter Therapiearbeit entwickelte, praktizierte und in letzter Zeit auch theoretisch weiter ausformulierte Ansatz der "integrativen prozeßorientierten Sozial-therapie". Um den mir an dieser Stelle zur Verfügung stehende zeitliche Rahmen möglichst optimal zu nützen, werde ich unsere Ideen, Überlegungen und Erkenntnisse in Form von Thesen präsentieren, die ich jeweils mit entsprechenden Argumenten etwas zu verdeutlichen suche.

"Integrative prozef3orientierte Sozialtherapie" ist nicht eine neue Psychotechnik, sondern derVersuch einer Integration verschiedener Ansätze und Theorien aus Sucht- und Psychotherapieforschung. Und schluß-endlich: Die Umsetzung eines integrativen psycho-therapeutischen Ansatzes in die sozialtherapeutische Praxis mit u.a. Suchtpatienten in einem stationären Rahmen.

1. Unser Verständnis von Suchtmittelkonsum und Abhängigkeit.

Der Konsum von Suchtmitteln und Drogen, seien dies nun erlaubte oder verbotene, unterscheidet sich, zumindest was die Intention des Konsums betrifft, nicht von anderen, oft weitaus häufiger praktizierten Strategien der objektiv inadäquaten Konfliktlösung und -vermeidung. Alle biologischen Systeme, seien dies nun grolle (Bio-sphäre, Oekosystem, Staaten, Populationen), kleinere

(wie z.B. Familien, Paare) oder ganz kleine (z.B. der Mensch, ein Tier oder schlußendlich sogar einzelne Zellverbände) entwickeln und benutzen mehr oder weniger taugliche Strategien und Mittel, um die Stabi-lität und Honöostase des Systems aufrechterhalten und trennende, beängstigende, schmerzhafte und sogar ver-meintlich tödliche Einflüsse von innen wie von außen verhindern, entschärfen oder verwandeln zu können. — So hatten wir z.B. eine Familie in Therapie, die ge-

meinsame Abende regelmäßig vor dem TV ver-brachte. Sie fühlten sich dabei zwar nicht glücklich, aber sie lebten dies regelmäßig, wie in einem Zwang. Wenn alle zusammen waren, stellte irgendwann je-mand das TV-Gerät an, und man fand sich dann schließlich im verdunkelten Raum zusammen. Dort mußte man sich nicht mit den Augen begegnen, die Aullerung von Gefühlen war eingeschränkt, gewisse Konflikte entstanden allenfalls über das Medium TV und konnten auch darüber (sei es nun durch Partei-nahme für einen bestimmten Rollenträger, sei es durch Kritik des Programmes, etc.) ausgetragen werden. Es .war in dieser Atmosphäre des blauen Lichtscheins, in dem sich die Augen höchstens zu-fällig begegnen, sogar ungefährlich Nähe möglich! Das gemeinsame Fernsehen gab der Familie einen sicheren Rahmen, der gewisse, für die einzelnen Mit-glieder und das System gefährliche Begegnungen und Konfrontationen verhinderte, und machte so Nähe und gemeinsames Zusammensein relativ un-gefährlich möglich.

— Wir alle kennen solche Selbstschutz-Strategien und -Mittel ja u.a. auch aus unserer Beobachtung von größeren Gruppen (Interessegruppen) und grollen Systemen (z.B. Staaten, Populationen, etc.). Auch diese Systeme sorgen z.B. durch nicht Einbeziehen oder das schlichte Verdrängen anderer Meinungen für das vom System und den Einzelnen gewünschte Klima der Zusammengehörigkeit, Sicherheit und Geborgenheit, und bestrafen Mitglieder, deren An-sichten und Ideen die innere Homi3ostase des Systems gefährden, durch Isolation, Strafe, Ver-folgung oder sogar Ausschluß. Ich denke dabei z.B. an Vorkommnisse in der Wiener Psychoanalyti-schen Gesellschaft zu Zeiten Freuds und Jungs, an Mechanismen in gewissen religiösen Gruppierungen oder an die Praxis gewisser totalitärer Staaten.

Der Konsum von Drogen ist ebenso ein solches Mittel, dessen Konsument von der Intention her gesehen, durchaus ein positives und nachvollziehbares Ziel ver-folgt: Der Schutz gegen die innere Hombostase ge-fährdende innere und äußere Regungen und Ein-flüsse. Der Konsum von Drogen unterscheidet sich so, von Sinn, Ziel und Intention her gesehen, nicht wesentlich vom Einsatz von anderen Mitteln, die dem Zweck der Selbstregulation nach innen und außen dienen. Der Konsum von Heroin z.B. ist, wenn wir nach seinem Sinn und der dahinterliegenden Intention fragen, gar nicht so etwas besonderes. Ob nun ein Patient zu uns kommt, der darunter leidet, daß er täglich bis zu zwanzigmal duschen mull, weil er sich andauernd schmutzig fühlt, oder ob ein anderer eintritt, der irgendwelche Drogen konsumiert (sei dies

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nun Heroin, Kokain, Alkohol oder Medikamente), weil er es sonst mit sich in seinem Lebenskontext nicht aushält, macht für uns zuerst gar keinen großen Unter-schied: Vorerst versuchen beide mit ihrem Mittel zu erreichen, daß sie sich mit sich in ihrer Umgebung möglichst wohlfiihlen können! (Sicher. Da ist ein Unterschied in den Auswirkungen des Mittelkonsums, sei dies nun durch das Mittel. — Duschen schädigt vielleicht den Organismus weniger als die Injektion von Heroin — oder durch andere Reali-täten — gesetzliche Bestimmungen — und deren Folge-erscheinungen — Verbot der Drogen führt bèi. Konsu-menten z.B. eher in Subkultur und Kriminalität — be-dingt.) Verstehen wir nun aber beide Symptome als Selbst-regulationsstrategie (sei diese 'nun objektiv adäquat oder nicht), gibt es für uns vorerst keinen gravierenden Unterschied in der Intention. Beide Verhaltensweisen zielen auf ein grundsätzlich positives Ziel (sich wohl-fühlen) ab.

2. Unser Menschenbild.

— Wir orientieren uns an einem organismischen Men-schenbild. Wir gehen davon aus, daß jedem Ver-halten grundsätzlich eine positive Intention zu Grunde liegt. Das "Gestörte", "Negative" oder "Böse" im Verhalten eines Menschen sehen wir als Oberflächenphänomen, dem die Tiefenstruktur der Grundintention, die sich an "positiven Bedürf-nissen" orientiert, zugrundeliegt. Das heißt für unsere therapeutische Praxis, daß jeder Mensch, welche Symptome er auch immer haben mag, im Grunde etwas gutes erreichen will und so daher auch die Kraft für Veränderung und Integration immer vorhanden ist.

3. Zur Therapietheorie.

Aus dem bisher gesagten leite ich ab, daß in der thera-peutischen Praxis der Fokus nicht auf dem "schädli-chen", "negativen" (oder wie immer man dies nennen will) Symptom oder Verhalten liegen darf, sondern daß wir uns an der dahinterliegenden positiven Intention, an den mit den Bedürfnissen des Patienten verb unde-nen positiven Zielen orientieren müssen! — Therapieziele wie z.B. nicht mehr Drogen nehmen,

oder sonst etwas nicht mehr haben oder machen wollen, sind für die therapeutische Arbeit nicht dienlich. Wir brauchen mehr! Nämlich: positive Ziele, für die sich der Einsatz der Lebensenergie lohnt! Und: das bisher gesagte bedeutet, daß hinter dem "negativen" Symptom immer eine positive Intention (und also auch positive Bedürfnisse und Ziele) liegt.

Ich verstehe Therapie und therapeutische Arbeit nicht als Zurechtweisen, Aufschließen, Hinführen oder Heilen, sondern als Wegbegleitung und Wegge-fährtenschaft, wie dies auch im ursprünglichen Sinne des Wortes gemeint war. Der Patient (ich verwende diesen Begriff, weil in seinem Ursprung "Der Suchende" oder "Der Leiden-

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de" gemeint ist, wohingegen mit Klient auch "Der Leibeigene", "Der Hörige" und der "Schutzempfoh-lene des Patrons" gemeint ist ...) kommt, so sehen wir es, zu uns in den stationären Rahmen der Klinik, weil er u.a. für eine gewisse Zeit einen äußeren Rahmen braucht, der es ihm erlaubt, seine inneren ursprüngli-chen Ziele und die dazu notwendigen Möglichkeiten im Schutze des stationären Settings wieder zu finden und auszubauen. Unsere Aufgabe ist es, dem Patienten beim Entwerfen, Ausmalen und Ausformulieren seiner positiven Ziele behilflich zu sein und damit bei der Verstärkung der immer mehr oder weniger stark vorhandenen Motiva-tion behilflich zu sein. Der Therapeut hat nicht die Funktion, eingeschlossene Bedürfnisse, Gefühle und Möglichkeiten aufzubrechen. Er ist dem Patienten nur behilflich, daß dieser — Schritt für Schritt — soviel aufmachen und aufnehmen kann, wie er will und verträgt. Als Therapeut gehe ich immer davon aus, daß der Widerstand für den Patienten auch ein Schutz bedeute, der für ihn eine wichtige Funktion habe. Es ist meines Erachfens nicht sinnvoll, diesen einfach aufzubrechen. Aufbrechmethoden (gewisse körpertherapeutische An-sätze in ihren extremen Formen oder harte, immer attakierende Encountersitzungen), die die Abwehr des Patienten mit Gewalt überrollen und aufbrechen wol-len, haben in dieser Arbeit keinen grol3en Sinn, und sind meines Erachtens schlußendlich kontraproduktiv. Denn: Die Abwehr ist ein legitimer Schutz, den sich der Patient zugelegt hat. Da er aber selbst immer auch eine motivierte Seite hat, die gewisse Abwehren auch als hinderlich empfindet und sich der Patient ja ent-falten will, ist aufbrechende Arbeit schlußendlich nicht notwendig! Der Therapeut kann allenfalls mit menschlicher Wärme und Anteilnahme dazu beitragen, daß der Patient das Eis langsam, so wie er es ertragen kann, selbst auftauen läßt. Anstelle von Aufbrechen tritt gemeinsames Auftauen: Der Therapeut wärmt vorsichtig von außen, der Patient bringt mehr und mehr Wärme von innen. — Funktion des Therapeuten ist, dem Patienten ein

verläßliches Geländer und "Hilfs-Ich" zu bieten und ihm den Aufbau eines positiven Elternbildes zu er-möglichen. Er übernimmt vielleicht in gewissen unwegbaren Gebieten die Führung, wenn der Patient das Ziel wegen Überforderung nicht mehr sehen kann. Als Weggefährte verordnet er vielleicht auch mal eine Wegrast, wenn er sieht, daß der Patient am Ende seiner Kräfte angelangt ist und sich überfordern würde. Er hat aber immer zu bedenken, daß das Ziel des therapeutischen Prozesses die Entfaltung der Selbstregulationskräfte des Patienten ist, gibt die Führung wo immer möglich diesem zurück und wirkt als Unterstützer und Gefährte.

Ziele der therapeutischen Arbeit: Grundsätzliches Ziel unserer therapeutischen Arbeit sind Antizipation, Partizipation und Selbstregulation in den bestehenden gesellschaftlichen Strukturen, denn dahin, in die jetzige gesellschaftlichen Realitäten, geht der Patient schließlich zurück. Es hat sich für uns deutlich gezeigt, daß a) dieses Ziel realistisch ist!

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b) auch Konsumenten von verbotenen ("harten") Dro-gen eigentlich durchaus dahin zurückwollen, und sich, statistisch gesehen, nicht mehr oder weniger alš andere Patienten nach alternativen Strukturen seh-nen. Sobald solche "normalen" Ziele erlaubt sind und der Patient sein negatives Selbstbild etwas korrigieren konnte, darf es oft eine ganz normale Arbeit oder ein ganz normaler Beruf sein, mit dem er sich seinen Lebensunterhalt verdienen will.

c) eine Integration gut möglich ist und Lehrstellen, Schul- und Arbeitsplätze in der freien Wirtschaft der Schweiz im Moment durchaus vorhanden und erhältlich sind.

Das Konzept der integrativen prozeßorientierten Sozialtherapie setzt fest auf die interdisziplinäre pro-fessionelle Zusammenarbeit und klare Abgrenzung zwischen Mitarbeitern und Patienten. Das Team be-steht aus Sozialarbeitern, Sozialpädagogen, Sozial-therapeuten und Psychotherapeuten, Animatoren, Heimerziehern, Psychiatriepflegern, etc.

"Ex-User" ist unserer Ansicht nach keine Berufs-qualifikation! Eigenerfahrung kann in der therapeutischen Arbeit durchaus Wichtiges beitragen. Trotzdem würde ich z.B. mit einer Lungenentzündung eher zu einem Arzt gehen, als mich an irgend jemanden zu wenden, dessen Qualifikation darin besteht, daß er selbst einmal eine Lungenentzündung durchgemacht hat. Sicher, ein Arzt, der selbst einmal eine Lungenent-zündung oder eine Fußoperation durchgemacht hat, kann einem Patienten mit dem entsprechenden Leiden eventuell durch seine persönliche Erfahrung eine wichtige zusätzliche Hilfe geben. Das Fachwissen läßt sich aber meines Erachtens nicht durch Eigenerfahrung ersetzen. Die stationäre therapeutische Arbeit ist in allen ihren Zusammenhängen zu komplex, als daß Eigenerfahrung alleine zur Wegbegleitung qualifizieren könnte.

4. Praxeologie.

Unter dem Titel Therapietheorie habe ich bereits Beispiele gegeben, die auch Antwort auf Fragen des praxeologischen Ansatzes geben. Ich möchte an dieser Stelle, manchmal vielleicht etwas pointiert, zu ganz praktischen Fragen Stellung nehmen. a) Zur Dauer des stationären Therapieaufenthaltes:

Die Dauer des stationären Therapieaufenthaltes regeln wir in unserer Arbeit nicht durch zeitlich festgelegte Stufenmodelle. Das Ziel der therapeu-tischen Arbeit habe ich oben bereits erwähnt. Die sich daraus ergebenden Möglichkeiten, über die ein Patient für den Eintritt ins Arbeits- und schluß-endlich ins Wohnungsexternat verfügen sollte, lassen sich daraus klar ableiten. Der Prozeß findet in gewissen Phasen statt, die z.B. mit

— Beziehungs- und Strukturaufbau — Stabilisierung und Entfaltung — Wachstum und Integration — Beginn der Ablösung, Einleitung der Nachbetreuung

und Reintegration ins soziale Umfeld (Arbeits- und

Wohnungsexternat). — ambulante Weiterführung der Therapie

benannt werden können. Die Dauer des stationären Therapieaufenthaltes sowie der einzelnen Phasen muß sich unserer Ansicht nach aber in jedem Fall an Persönlichkeit und Proza, an den sich daraus ent-wickelnden Möglichkeiten des Patienten sowie den realen Anforderungen des sozialen Kontextes orien-tieren. Einer gelernten Krankenschwester zum Beispiel, die etwa im Alter von 24 Jahren während ihrer Arbeit im Spital mit dem Konsum von Opiaten begonnen hat, vorher aber gute schulische Leistungen gezeigt, die Lehre abgeschlossen und auch in der Zeit ihres Opiatkonsums regelmäßig gearbeitet, sich weiterge-bildet, den eigenen Haushalt geführt hat, und während der ganzen Zeit über einen relativ kon-stanten Bekanntkreis/Freundeskreis verfügte, wird eventuell ein stationärer Aufenthalt von vier bis fünf Monaten genügen. Sie hat genügend Ich-Struktur, um anschlieBend die Therapie ambulant welter-führen zu können. Auf der anderen Seite wird eine 24-jährige Frau, die schon seit ihrer frühen Kindheit (ca. ab dem dritten Lebensmonat) in Heimen aufwuchs, von den Eltern wiederholt herausgeholt und dann plötzlich wieder zurückgebracht wurde, nie regelmäßig gearbeitet hat, die Schule frühzeitig ohne Abschluß verlassen hat und im Alter von 15 Jahren mit dem Konsum von Medikamenten, Alkohol, Haschisch und schließ-lich Heroin begann, voraussichtlich eher länger als zwei Jahre Zeit brauchen, bis sie dann schlußendlich ihren Tagesablauf und ihr Beziehungsleben im Arbeits- und Wohnungsexternat relativ selbständig strukturieren, den Lebensunterhalt selbst bestreiten und aus einer ambulanten therapeutischen Be-gleitung genügend Stütze und Struktur beziehen kann.

b) "Anti-Drogen-Haltung" der Institution und ihrer Mitarbeiter: Anstatt Energie in einen Kampf gegen etwas zu investieren, erscheint es uns sinnvoller, positiv orientiert für etwas zu leben, zu arbeiten und zu investieren. Die explizit deklarierte sogenannte "Anti-Drogen-Haltung" vieler Institutionen in der Therapie mit Drogenabhängigen sollte unserer Ansicht nach durch eine positiv orientierte Pro-Leben-Haltung ersetzt werden. In der Therapie mit Drogenabhängigen geht es nicht um den Kampf gegen Drogen, sondern primär um einen Einsatz für das Leben! Es ist klar, daß therapeutische Institutionen, die mit Suchtkranken arbeiten, dem Drogenkonsum ihrer Patienten nicht Vorschub leisten dürfen. Als Symp-tomverzicht im Sinne eines nicht- dauernd- aus-weichen-Könnens in alte Verhaltensmuster scheint uns ein konsequenter Verzicht auf Suchtmittel im Rahmen einer Therapie als sinnvoll. Ich zweifle aber daran, ob mit reinen Verboten, Drogenverteufelung und Strafe wirklich sinnvolle Arbeit geleistet werden kann.

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Meine Erfahrung zeigt mir, daß andauernde, posi-tiv orientierte Erziehung und Bewußtseinsbildung der Patienten schlußendlich weit wirksamer ist und sie zu wirklichen Entscheidungen befähigt. Wir durchsuchen z.B. keinen Patienten, weder beim Eintritt noch bei der Rückkehr vom Urlaub, sondern versuchen diese Fragen in der Beziehung zu lösen. Die Verantwortung liegt bei der motivierten Be-dürfnisseite des Patienten, die wir in der Beziehung zu erreichen versuchen. Wir gehen davon aus, daß der Patient schließlich nicht uns, sondern sich selbst betrügt, und arbeiten vom ersten Tag an mit dieser Grundhaltung — aus dem Wissen heraus, daß wir jederzeit umgangen werden könnten, daß es ja nicht um den Kampf gegen Drogen, sondern um die positive Zusammenarbeit mit der motivierten Bedürfnisseite des Patienten geht sowie im Ver-trauen und Wissen, daß mit dieser Bedürfnisseite des Patienten zusammengearbeitet werden kann.

Als kürzlich ein Patient unserer Klinik, der sich seit einiger Zeit in Therapiegruppe und Lebensbeziehun-gen auf seiner Wohngruppe komplett verweigert hatte, nach seiner Rückkehr von einem Kurzausgang Haschisch mitbrachte und es seinen Mitpatienten verschenken wollte, wurde er von den Anderen mit seinem Verhalten zurückgewiesen und auf seine dahinterliegenden Motive angesprochen. Um sich abzusichern, riefen einige der Patienten einen Thera-peuten, worauf der besagte Patient seine mitge-brachten Drogen in Anwesenheit anderer die Toilet-te hinunterspülte und am nächsten Tag in der

Therapie endlich zu seiner Einsamkeit stehen, und seine Drogengeschenke an seine Mitpatienten als Beziehungsversuch erklären konnte. Nach intensiver Aufarbeitung und Beziehungsaufnahme hatte er an-schließend eine grundsätzlich neue Erfahrung ge-macht.

Als Therapeuten sind wir nicht gegen Drogen — Wiz stehen für andere Möglichkeiten der Kontaktaufnahme, Begegnung und Beziehung!

"Integrative prozeBorientierte Sozialtherapie, auch in der Arbeit mit u.a. Suchtkranken, hat nichts mit sogenannter "Drogentherapie" zu tun, weil Drogen-konsum, Drogenmißbrauch und schließlich Drogen-abhängigkeit aus unserer Sicht wenig bis nichts mit Drogen zu tun hat.

Summary The Author is discussing ideas and impulses for a new comprehension of addiction which should be orienta-ted at the positive intention of behaviour/drug-use and not just at the specific symptom! drug. He's elucidating different questions and basic attitudes (e.g. firstinterview and motivation-reinfordementl function of the therapistl how to deal with relapses! etc.) related to therapy and therapeutic process with in-patients (also drug-addicts) and his main orientation is by focusing at the positive intention of all behaves and symptoms, which is, in his opinion, the key to change and growth.

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 Nr. 4, Originalarbeit, S. 23-26

Merkfähigkeit nach dem körperlichen Drogenentzug

E. KARLICK-BOLTEN, E. OPGENOORTH, O. PRESSLICH, W. BERNER (Psychiatrische Universitätsklinik, Wien)

An der Intensivstation der Psychiatrischen Universitäts-klinik Wien wurden körperlich entzogene Heroinab-hängige wenige Wochen nach Abschluß der Behandlung und bei kontrollierter Drogenfreiheit (Harntests) unter-sucht, um mögliche Leistungsdefizite im Bereich der Merkfähigkeit — als Zeichen einer eventuell noch organischen Leistungsbeeinträchtigung — zu differen-zieren. In einer Untersuchung von Brainin (1981) an der selben Station bei 32 Patienten vor und nach körper-lichem Entzug wurde im wesentlichen eine leichte Verbesserung der Merkfähigkeitsleistung nach Entzug festgestellt. Bei dieser Untersuchung wurde die visuelle Merkfähigkeit mit einem eher "groben" Merkfähig-keitstest untersucht, der sich bei der Erfassung von Merkfähigkeitsstörungen von Alkoholikern bisher be-währt hatte (Arnold-Kohlmann-Gedächtnistest). Dieser Test basiert auf der traditionellen 2-Speicher-Hypothe-se des Gedächtnisses, d.h., es wird ein Kurzzeit- und ein Langzeitspeicher angenommen. Die neueren psychologischen Gedächtnistheorien der letzten 15 Jahre weichen jedoch von den traditionellen Mehrspeicherkonzeptionen ab und sehen in der Art der Informationsverarbeitung die Hauptkomponente des Behaltens. Das 1-Speichermodell von Craik und Lockhart umfaišt eine Hierarchie von Analyseprozessen, die von sensori-scher (physikalischer, phonemischer) bis semantischer Analyse des Reizmaterials reicht: je "tiefer" die Ana-lyse (semantischer), umso besser die Behaltensleistung — "level of processing" Theorie. Typisch für die se-mantische Analyseebene sind Satz- bzw. Kategorieauf-gaben. Ein Beispiel für Kategorieaufgaben wäre die Frage: "Ist das gebotene Wort ein Tiername?" Eine solche kategorielle Zuordnung eines gebotenen Wortes zum Oberbegriff (Kategorie) wurde als tiefere Kodie-rung mit beständigerer Gedächtnisspur bestätigt als etwa eine bloße "oberflächliche" Kodierung bei einer case-Aufgabe (wie etwa die Frage nach der Schriftart) oder auch einer Reimaufgabe — "Reimt sich das Wort auf Haus?". (Craik und Lockhart, 1972; Craik und Tulving, 1975; Tulving und Thomson, 1973; McMurray und McIntyre, 1981). Fast gleichzeitig mit diesem Modell entstand die duale Kodierungstheorie von Paivio, die zwischen einem ima-ginalen System für non-verbale Information und einem verbalen System unterscheidet. Paivio meint, daß beide Systeme getrennt oder gemeinsam genützt werden könnten, wobei der zweifachen "dualen" Kodierung eine bessere Behaltenseffizienz zugesprochen wird (additive Hypothese); wird nur ein System genutzt, so ist das imaginale dem verbalen leistungsmäßig über-legen (Paivio, 1971, 1975). Zahlreiche Ergebnisse aus der Neuropsychologie be-züglich Läsionen in der dominanten und nicht-domi-

nanten Hemisphäre stützen diese Hypothese (z.B. Aus-fälle verbaler Funktionen, jedoch nicht visueller Funktionen). Der "Level of processing" Ansatz wird im klinisch psychologischen Bereich z.B. für die Beschreibung amnestischer Syndrome herangezogen und die Lei-stungsdefizite von Patienten mit Korsakoff-Syndrom als Konsequenz von Kodierungsdefiziten und nicht als Folge der Störung des Speicherprozesses als solchen angesehen. Damit eröffnen sich therapeutische Mög-lichkeiten im Sinne der Verbesserung von Behaltens-leistung durch kompensatorische Kodierungsstrategien (Benz und Cramon, 1981). Beim Analyseprozeß bzw. der Bestimmung der Relevanz des Inputs werden motivationale Signale aus dem limbischen System und Aktivitäten des Frontalhirns angenommen; willkür-licher Einfluß auf die Kodierungsprozesse scheint auch bei amnestischen Patienten möglich. Koh et al., 1973, zeigten, data bei ausreichend tiefer Kodierung memory deficits von Schizophrenen über-wunden werden konnten.

Methode

Ausgehend von den beiden vorgestellten theoretischen Modellen wurde eine Untersuchung der Gedächtnis-leistung nach Heroinentzug im Vergleich mit gesunden Probanden durchgeführt. Das Experiment, ein inzidentelles Lernparadigma, wurde nach folgendem Plan durchgeführt: Nach Oberprüfung der verbalen Intelligenz mit Hilfe des MWT-B (Lehrl) und Ausscheiden von Probanden mit einem berechneten IQ unter 90 wurden den Pro-banden 76 Items als Diapositive geboten. Diese Items waren Begriffe, die entweder als Zeichnung oder als Wort exponiert wurden: jeweils 10 Items nach einer Zufallsverteilung zweimal als Bild, einmal als Bild und einmal als Wort oder zweimal als Wort. Außerdem wurden 8 Items einmal als Bild und 8 weitere einmal als Wort dargeboten. Die Versuchspersonen mußten bei jedem Item durch Knopfdruck entscheiden, ob der gezeigte Begriff größer oder kleiner als ein erwachsener Mensch ist. Nach einer kurzen Pause erfolgte die akustische Vorgabe von 70 Items, die sich aus den 46 Originalitems und 24 Distraktoren zusammensetzten; die Versuchspersonen mußten entscheiden, ob diese Items alt oder neu waren.

vERSUCI3SPLAN

Anzahl Art der Darbietung in der Items insidenteller LersObase

visuell akusti•eh

10 x 2 2-facht Bild-Bild OP/ 10 x 2 2-fach: Bild-Wort (Iw) sufillige 10 x 2 2-fach: Wort-Wort OM) Abfolge 160440 I-fech: Distraktoren

(Dild,Wort)(ZD:VD)

E. 76

46 Originalitems

24 Distraktoren

(Cntscheldung:altAssu)

E. 70

Art der Pr:Slung

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Untersucht wurden 20 Patienten (10 weibliche, 10 männliche, Alter-Median = 25) und 30 gesunde Kon-

trollpersonen (18 weibliche, 12 männliche, Alter-

Median = 34). Da die Kontrollgruppe auch für Vergleiche mit anderen Patientengruppen herangezogen werden sollte, wurden auch ältere Personen in dieser Gruppe aufgenommen; theoretisch ist daher ein Vorteil der Versuchsgruppe gegenüber der Kontrollgruppe aus der Altersverteilung zu erwarten. Um die Nettogedächtnisleistung der Versuchspersonen von ihrem Entscheidungskriterium separieren zu kön-nen, wurde zur Auswertung der Daten unter anderem die Signalentdeckungstheorie herangezogen - d' als MA für die Gedächtnisstärke und 13 für das Antwort-kriterium (Egan, 1958).

Ergebnisse

Die Wiedererkennungsleistung im inzidentellen Lern-versuch beträgt bei den beiden Probandengruppen durchschnittlich

59,30 für die Kontrollgruppe und 56,65 für die Patientengruppe.

Der Unterschied der Summenscores - unabhängig von den Versuchsbedingungen - ist somit sehr gering und gibt keine weiteren Aufschlüsse. Die Gesamtleistung der Patienten entspricht etwa jener der gesunden Kontrollgruppe. Entsprechend der Signalentdeckungs-theorie wurden die Kennwerte für "Hit", "Miss", "False Alarm" und "Correct Rejections" errechnet sowie die Gedächtnisstärke d' und das Entscheidungs-kriterium 13 (Tabelle 1).

Tabelle 1

Entscheidungsprozesse beim Wiedeřerkennen "alter" Items unter verschiedenen Kodierungsbedingungen

Kodierungs- bedingung

% Hit Alt =. "Alt"

%Miss Alt = "Neu"

% False Alarm Neu = "Alt"

% Correct Rejection

Gedächtnis- stärke

d'

Entscheidungs-kriterium -

a

PP-PPD Pat. 90,0 10,0 23,3 76,6 2,01 0,58

Ko 90,3 9,7 17,2 82,8 2,25 0,70

PW-PWD ' Pat. 91,5 8,5 27,5 72,5 1,97 0,46 Ko 92,7 7,3 20,0 80,0 2,30 0,49

WW - WWD Pat, 91,0 9,0 9,20 90,8 2,67 0,98

Ko. 87,3 12,7 14,5 85,5 2,20 0,92

P - PD Pat. 68,1 31,9 13,3 86,7 1,58 1,67 Ko 76,6 23,4 6,7 93,3 ' 2,23 2,38

W - WD Pat. 61,25 38,75 30,0 70,0 0,81 1,10 Ko 77,5 22,5 23,3 76,7 1,48 0,98

Pat. = Patientengruppe Ko = Kontrollgruppe

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Die statistischen Vergleiche zwischen den Leistungen in den jeweiligen Versuchsbedingungen wurden mittels t-Tests durchgeführt. Nur die Bedingung W — WD ergab einen signifikanten Unterschied zwischen der gesunden und der klinischen Population. Das heiBt: nur bei ein-maliger Darbietung eines Wort-Items ist die inzidentelle Behaltensleistung der Patienten schlechter als die der Kontrollpersonen, Distraktoren und Originalitems

werden leicht verwechselt (Distanz d' zwischen Distrak-tor und Originalitem ist mit 0,81 signifkant geringer als 1,48 bei Gesunden). Ein ähnlicher Unterschied (jedoch nicht signifikant) zeigt sich für die einmalige Bilddarbietung (P — PD). Die Graphik der durchschnittlichen Fehleranzahl zeigt eine "Spitze" der Fehlerneigung bei Bedingung W von der klinischen Gruppe (Abbildung I).

durc

hsch

nittl

ich

e F

ehle

rzah

l

Abbildung I

Durchschnittliche Fehleranzahl bei den verschiedenen Kodierungsbedingungen

1.1 0.87 1.3 1.76 • 1.8 1.0 • 1.16 0.73 0.93 '

1.05 0.9 0.9 2.55 3.2 1.2 1.7 0.6 1.35.

4,0

3.5

3.0 -

2.5

2.0 -

1.5 -

1.0 -

PP PW WW P W PPD PWO • 0

Kontrollgruppe

Patientengruppe

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Diskussion Die Ergebnisse der Berechnungen lassen sich folgender-maßen resümieren: Die einzelnen Darbietungsbedingungen beeinflussen die Gedächtnisleistung dahingehend, daß einfache Dar-bietungen zweifachen unterlegen waren. Dagegen scheint die Kombination von unterschiedlichen Dar-bietungsformen des Lernmaterials keinen signifikanten Einfluß auf die Behaltensleistung zu haben. Die additive Hypothese Paivios bestätigte sich nur in der gesunden Kontrollgruppe, allerdings auch hier nicht signifikant. Die beiden Versuchsgruppen unterscheiden sich nicht grundlegend in den Vorgängen, die während der Enko-dierungsphase ablaufen; Leistungsunterschiede in den verschiedenen Darbietungsbedingungen sind zum größ-ten Teil nicht signifikant. Lediglich eine Tendenz zu reduzierter Rekognition einmalig dargebotener Items ist erkennbar. Eine Kompensation dieses diskreten Defizits durch zweimalige Darbietung (PP, PW oder WW) ist gegeben, die Fehlerneigung entspricht dann jener der Kontrollgruppe. Es handelt sich jedoch ins-gesamt um minimale Leistungsunterschiede, die eine sichere Leistungsbeeinträchtigung der Patienten nach Entzugsbehandlung nicht nachweisen lassen. Es ist bekannt, daß bei Suchtpatienten, die schwer-punktmäßig Opiumalkaloide mif3brauchen und nicht zusätzlich Hypnotika oder Sedativa, kaum ein wesent-liches organisches Psychosyndrom auftritt. In der Arbeit von Brainin findet sich vor der Entzugsbehand-

lung eine Beeinträchtigung im Sinne eines organischen Psychosyndroms nur bei einem Teil der Patienten, nach der Entzugsbehandlung war die Leistung der untersuchten Population verbessert. Andererseits findet sich bei Drogenpatienten noch einige Zeit nach dem Entzug eine Veränderung von vegetativen Parametern, wie Blutdruck, Körpertemperatur, Atemfrequenz und Pupillendurchmesser (z.B. Schuckit, 1979) sowie Schlafstörungen, Störungen im Stimmungs- und An-triebsbereich, rasche Ermüdbarkeit und verminderte Konzentrationsfähigkeit. Dies alles entspricht einem hyperästhetisch emotionellen Schwächezustand, bei dem eine Erfassung bzw. Quantifizierung der Merk-fähigkeitsleistung berechtigt ist. Brainin fand bei den von ihr untersuchten Patienten als relativ ausgeprägteste Beeinträchtigung eine Ver-minderung der visuellen Merkfähigkeit, wobei sich allerdings keine wesentliche Änderung der Werte vor der Entzugsbehandlung und nach der Entzugsbehand-lung ergab. Dies steht in einer gewissen Analogie zu unserem vorliegenden Ergebnis der diskret erhöhten Fehlerneigung bei einmalig visuell gebotenem Material. Allerdings erfolgte die Entzugsbehandlung bei unseren Patienten mit Clonidin und zusätzlich mit nur am Abend verabreichten, schlafanstoßenden Antidepres-siva und Neuroleptika, letzteres in relativ geringer Dosierung, während die Entzugsbehandlung im Kran-kengut von Brainin mit Neuroleptika in mittlerer bis hoher Dosierung erfolgte.

LITERATUR

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 Nr. 4, Originalarbeit, S. 27-33

Zu den Auswirkungen von AIDS auf die Drogenarbeit: Bieten sich Chancen?

Vortrag, gehalten am 10.Dez.1986, im Rahmen einer Fort-bildungsveranstaltung "Der Faktor Aids bei Drogengebrauch und Abhängigkeit" der Deutschen Aids-Hilfe in Frankfurt.

St. QUENSEL (Universität Bremen)

Zusammenfassung Die zunehmende Verbreitung positiver HIV-Befunde unter Drogenabhängigen wird die Drogenarbeit ent-scheidend verändern. Um die hier drohende Gefahr zunehmender Rigidität zu vermindern, analysiert der Beitrag Unterschiede und Gemeinsamkeiten des Aids-und Heroin-Problems sowie die gegenwärtige Krise der Drogenarbeit, die die Aidsgefahr drastisch erhöht. Die hierin zugleich liegende Chance einer Veränderung, verlangt eine weitgehende Entkriminalisierung, neue lebensweltbezogene Behandlungsansätze sowie ein Akzeptieren des abweichenden Lebensstils der Drogen- konsumenten: Spritzenvergabe, Substitutionsprogram-me und Propagierung weniger aidsńskanter Konsum-formen.

Zur Einleitung:

Noch ist die Situation offen: Während einige kritische Experten meinen "Wenn wir noch ein wenig zuwarten, erübrigt sich Drogenarbeit, weil dann die meisten ge-storben sein werden" (in Frankfurt sollen 80% der "Fixer" HIV-positiv sein), rechtfertigen Fachleute ihr Zögern mit "Bei uns in der Jugendstrafanstalt gibt es noch kein Problem mit der Verteilung von Kondomen, da dort Fixer kaum anzutreffen sind".

Zwei Meinungen, die beide in einer sehr typischen Weise gemeinsam das Thema verfehlen, sofern sie im Grunde davon ausgehen, daß Heroinkonsum und Aids-Risiko untrennbar miteinander verbunden seien, während tatsächlich doch — Drogenarbeit weit über die Fixerarbeit hinaus-

greift, — Heroin auch ohne jedes Aids-Risiko konsumiert

werden könnte und — Aids natürlich auch auf andere Weise übertragen

werden kann (im Strafvollzug z.B. durch Strich-jungen, Knast-Homosexualität, Tätowieren und das seit je her übliche Fixen mit "Ersatzstoffen").

Zwei Meinungen, die aber auch unsere Unsicherheit im Umgang mit diesem Problem belegen können: Wie wird Aids unsere gewohnten Formen der Drogenarbeit verändern, werden die damit verbundenen Gefahren unsere Drogenpolitik weiter verhärten oder bieten sich Chancen für einen neuen "akzeptierenden" Ansatz? Und: Sollen wir weiterhin das auf uns zukommende Problem herunterspielen, entdramatisieren, um Panik und Aussperrung zu verhindern, wie dies auch von der Bundesregierung verfolgt wird, oder sollen wir uns offen diesen Fragen stellen, um uns möglichst rational wie demokratisch auf den Ernstfall vorzubereiten?

Als kritischer Sozialwissenschaftler wird man in einer solchen Situation damit beginnen, zunächst einmal die-jenigen Gesichtspunkte zusammenzutragen, die für eine gesellschaftspolitische Analyse relevant sein könnten, um von hier aus dann vorsichtig mögliche Konsequen-zen abzuleiten.

Ich möchte daher zunächst in drei Schritten (1) einige Aspekte der Aidserkrankung zusammentragen, die für die Drogenpolitik interessant sein könnten, dann (2) einige Punkte zur gegenwärtigen Situation der Drogen-arbeit anführen, die, unabhängig vom Aids-Problem, dessen Einfluß besonders unterstreichen könnten, urn schließlich (3) einige Wechselwirkungen zwischen dieser Drogenpolitik und der Aidsproblematilc anzu-sprechen. Von hier aus lassen sich dann (4) skizzenhaft einige Konsequenzen für eine neue Drogenpolitik ab-leiten.

Ich hoffe, auf diese Weise eine etwas humanere Basis für unsere Reaktionen zu finden, die weder dem non-chalanten Satz folgt: "Spritzenverteilung sei, wie wenn man einem Alkoholiker einen Satz Likörgläser schenkt, und sagt, er solle nicht mit anderen aus einer Flasche trinken, das sei unhygienisch" (Heckmann), noch den dräuenden Worten Deisslers entspricht, schon jetzt solle man besondere geschlossene Institutionen für aidskranke Fixer planen. Zwei für unsere gegenwärtige Drogenpolitik relevante Ansichten, die in ihrer Weise die Dringlichkeit des anstehenden Problems belegen mögen. .

Wenn ich also im folgenden etwas salopp von "Aids" bzw. dem "Aids-Problem" spreche, meine ich die Tat-sache der zunehmenden Verbreitung von HIV-positiven Personen; ebenso verstehe ich unter "Drogenarbeit" hier speziell unseren Umgang mit den Konsumenten sogenannter harter Drogen.

1) Wie Aids das Drogenproblem verdeutlicht:

Als Grundlage für ein tiefergreifendes Verständnis der möglichen Einflüsse von Aids auf die Drogenarbeit möchte ich von der folgenden allgemeinen These aus-gehen: "Aids realisiert diejenigen Befürchtungen, die — fälschlicherweise — dem Heroin zugeschrieben wer-den; die enge Koppelung beider Übel vertieft dieses Stereotyp; eine genauere Analyse könnte Heroin ent-lasten".

Ich will versuchen, diese These in drei Schritte näher zu umreißen:

1.1. Zunächst kann Aids im Vergleich mit Heroin als "reale" Gefahr die entsprechenden Risiken des Heroins ins richtige Licht setzen. So müssen wir zunächst davon ausgehen, daß Aids in hohem Maße tödlich ist, während Heroin an sich gesund-heitlich relativ ungefährlich ist; tödlich wirkt es erst im Rahmen einer bestimmten repressiven Ge-sundheitspolitik. Aids ist zudem ansteckend und

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folgt dem sich ausbreitenden Epidemie-Muster. Heroin hingegen ist allenfalls im übertragenen Sinne ansteckend, und zwar vor allem wiederum im Rahmen einer "werbenden Abschreckungspoli-tik". Aids ist schließlich eine primär körperliche Krankheit, während Heroin primär seelisches Leid produziert, auch wenn es im Rahmen eines medi-zinischen Modells immer wieder als Krankheit fehlinterpretiert wird, obwohl es doch erst durch eine mit "Leidensdruck" arbeitende Politik ver-stärkt worden ist.

Man könnte also vom Vergleich mit Aids einmal mehr lernen, wie sehr eigentlich erst unsere Dro-genpolitik dieses Problem schafft, das bei Aids gleichsam im Virus "vorgegeben" wird, weshalb die damit eröffnete Chance einer veränderbaren Drogenpolitik möglicherweise auch beim Aids-Problem helfen kann, zumindest so weit, wie beide "Probleme" heute voneinander abhängig sind.

1.2 In einem zweiten Schritt möchte ich diejenigen Gemeinsamkeiten unterstreichen, denen die "Be-handler" beider Klienten begegnen, und zwar zu-nächst die Tatsache, daß Aids zur Zeit (zumindest medizinisch) nicht behandelbar ist, was in der-selben Weise für weite Bereiche der Behandlung von Heroin-Abhängigen zutreffen soll. Offen-sichtlich scheint überdies auch eine "gefahren-orientierte" Abschreckung bei den direkt betrof-fenen Risikogruppen in beiden Fällen relativ wenig zu bewirken, trotz großer Angst, weswegen wir bei Aids wie bei Heroin dem Gefühl der Hilflosigkeit der Experten gleichsam als Normalzustand be-gegnen werden, wenn diese Hilflosigkeit auch keineswegs immer offen zugegeben, sondern viel-mehr zumeist verdeckt und abgewehrt werden wird.

Drei Gemeinsamkeiten, die einerseits möglicher-weise den Aids-Experten als Warnung dienen könnten, sofern sie das Schicksal frustriert-ratio-nalisierter Heroinbehandlung im Auge haben; die aber andererseits den Heroinexperten Beispiele liefern könnten, wie eine Behandlergruppe, die von Anfang an dieser Situation ohne falsche Hoffnung ins Auge sehen muß, mit einer solchen verzwei-felten "Situation" umgeht.

1.3 Die entscheidende, zur Zeit noch dominierende Gemeinsamkeit besteht jedoch darin, daß Aids wie Heroin weithin dem Sündenstereotyp unter-liegen. Beide gelten zunächst als "selbstverschul-det", weil "wir" es unterlassen können, und beide Übel treten überdies (noch) weithin bei "den anderen" auf, die zudem weit unter uns stehen. Vor allem aber werden beide "sündhaft" erwor-ben, als Strafe für unerlaubten Genuß.

Die Tatsache, daß Aids künftig zunehmend auch "Unschuldige" erfassen wird (Kinder und hetero-sexuelle Partner) könnte einerseits das Schicksal

der ursprünglichen Sündenbock-Gruppen verstär-ken, andererseits — ähnlich wie der Cannabis-Gebrauch durch amerikanische College-Studenten oder die kriegsbedingte Morphinsucht — die Chance eines anderen, bewertungsmäßig entlaste-ten Umgangs mit den Betroffenen eröffnen.

1.4 Faßt man zusammen, dann liegt die grolle Gefahr auf der Hand, 6.11 die Koppelung von Aids und Heroin-Fixern gleichsam die Doppelsünde, die eigentliche Todsünde schafft. Doch ergibt sich aus dem Vergleich der Art des Zugangs zu diesen beiden Problemen auch die Chance, voneinander zu lernen, gemeinsam die dieser Arbeit drohenden Risiken, auf die ich sogleich eingehe, abzuwehren. Eine Chance, die freilich dann vergeben wird, wenn heute die Aids-Arbeit wie die Drogen-Arbeit jeweils die HIV-positiven Drogenabhängigen aus-schlösse bzw. beide Sozialarbeitsansä.tze ihre Felder wechselseitig abgrenzten und garantierten, ein doppeltes Risiko, das der "Apparat" heute schon kräftig vorantreibt, um die eigene Stellung nicht zu riskieren und neue Geldmittel für diese neue Gruppe freizusetzen.

2) Inwiefern die gegenwärtige Situation der Drogen-arbeit reif für das Aids-Problem ist:

Die zuletzt angedeuteten Risiken liegen vor allem des-halb nahe, weil die gegenwärtige Drogenpolitik bei uns in eine nahezu ausweglose Sackgasse geraten ist, aus der sie sich trotz vorhandener positiver Alternativen ohne fremde Hilfe kaum befreien könnte. Ich möchte dies in meiner zweiten These wie folgt fassen: "Die gegenwärtige Drogenarbeit steht buchstäblich vor dem Konkurs; wenn Aids nicht den Konkursverwalter spie-len will, könnten alternative Drogenarbeits-Ansätze eine fruchtbare Zusammenarbeit signalisieren".

Erst wenn es gelingt, diese Situation so gelassen wie möglich ins Auge zu fassen, wird das Gewicht derjeni-gen Neuansätze deutlich, die sich heute im Wider-spruch zur gegenwärtig dominierenden Drogenarbeit zu entwickeln beginnen. Ich möchte deshalb zunächst in drei weiteren Teilschritten auf die gegenwärtig dominierende Hauptrichtung dieser Politik eingehen, um sodann kurz die von ihr vorangetriebenen Ansatz-punkte für ihre Oberwindung anzusprechen.

2.1 Die Krise der Drogenarbeit ist zunächst charakte-risiert durch eine zunehmende Zentralisierungs-tendenz. Diese zeigt sich auf staatlicher Seite ein-mal in der ansteigenden Tendenz, strafend einzu-greifen, wofür das Betäubungsmittelgesetz von 1982 mit seinen Mindeststrafen und "Therapie-Zwang" ebenso Zeugnis ablegt wie die zunehmend vornehmlich mit langfristig bestraften Drogenab-hängigen überfüllten Strafanstalten; eine staatliche Tendenz, die ergänzt wird durch mehr oder weni-ger erfolgreiche Versuche, die Drogenarbeit

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bürokratisch zu organisieren, mit Drogenbeauf-tragten, Ketten und Netzen ebenso wie durch Maß-nahmen zur "anerkannten Staats-Therapie", etwa im MaBregelbereich oder um in den Genuß von 05-Klienten zu kommen. Zwei staatlich organi-sierte Prozesse, die von den Kostenträgern sinnvoll ergänzt werden durch "Arzt-Auflagen", Prognose-und Aids-Tests, wie durch das Verlangen nach tief-greifender Konzept-Revision bei den Langzeit-therapien. Auf eben dieser Behandlungs-Ebene do-minieren länderbezogene "Regionalprogramme", die die kostenträchtige Klientel möglichst inner-halb der eigenen Landesgrenzen halten will, was auf den flächendeckenden Widerstand groBer Therapiekonzerne stößt, die, wie Daytop, Kette in Niedersachsen, Drogenhilfe Tübingen u.a.m. in heftiger oligopolistischer Konkurrenz gegen einan-der kämpfen. Eine Zentralisierungstendenz, die ideologisch abgesichert wird, indem man sich vor allem gegenüber alternativen Ansätzen regelrecht zensurmäßig abschottet. Dies geschieht verbands-mäßig auf der Ebene der grollen Interessentenver-bände und Organisationen — etwa dem FDR, der Caritas oder AWO, wie in der Deutschen Haupt-stelle gegen Suchtgefahren durch Vorstandbe-schlüsse, Kongrel3gestaltung, Medienpolitik — etwa bei der Zeitschrift "Suchtgefahren" — ebenso wie auf der Ebene kleinerer Drogenvereine, die ihren Mitarbeitern Teilnahme - wie Sprechverbote auf-erlegen; eine ideologisch bestimmte Abwehr, die umso deutlicher wird, je mehr sich die Basis von der gegenwärtigen Politik abwendet, zumal dann, wenn sie real die Folgen der gegenwärtigen Dro-genpolitik erleben muß.

Betroffen hiervon sind heute vor allem die kleine-ren selbständigen Therapieeinrichtungen, nach-denklich gewordene Drogenberatungen, Gruppen, die alternative Drogenarbeitsansätze verfolgen, ebenso wie Befürworter einer medikamentös ge-stützten Drogensozialarbeit.

2.2 Dieser Zentralisierungstendenz entspricht eine ständig geringere Effektivität, ja Kontraprodukti-vität der Drogenarbeit vor allem dann, wenn man länderübergreifende, flächendeckende, einseitige Konzeptionen fördert, alternative multimodale Ansätze zurückdrängt und wenn bürokratische Entscheidungen von oben an den Bedürfnissen der Praxis wie an den Realitäten der Drogenszene vor-beigehen. Die Folgen dieser Entwicklung zeigen sich auf nahezu allen Ebenen der Drogenpolitik: Zunächst auf der des direkten, polizeilichen Zu-griffs, also bei den — trotz (oder wegen?) wach-senden Ausbaus dieses Apparats — nicht abneh-menden Zahlen zur Beschlagnahme, Beschaffungs-kriminalität, zum Konsum, zur illegalen Substi-tution oder zu den sogenannten Drogentoten, wie auf der einer zunehmenden Politoxikomanie und sozialen Verelendung, dem Aufkommen neuer Drogen und Gebrauchsformen und einer wachsen-den illegalen Substitutions-Szene im Alkohol-und "Downer"-Bereich. Auch auf der Ebene der Prävention und Prophylaxe hat man offensichtlich

nach dem Durchspielen aller Möglichkeiten vom Horror über die Information bis hin zum flächen-deckenden Drogenunterricht noch immer nicht verstanden, daB es hier um positive Aufklärung im Umgang mit Drogen und nicht um abschrecken-de Prophylaxe gehen muß. Auf der Ebene der Drogenberatung, die neben der Polizei noch den besten Basis-Kontakt aufweisen könnte, geht eben dieser Kontakt zur Szene immer mehr verloren, wird die Street-Worker-Arbeit totgeredet und das Cafe um 17.00 Uhr, arbeitsgerecht, geschlossen sowie ein großer Teil der Arbeitszeit in internen und externen Querelen und Konzeptionssitzungen aufgebraucht.

Im engeren "Behandlungsbereich" dominiert heute der Strafvollzug und einige Maßregelanstalten, die international eingestandenermaßen eher als Pro-blemverstärkung denn als Lösung angesehen, noch immer aber zunehmend als letztes Hilfsmittel be-griffen und ergriffen werden; und zwar auch des-halb, weil die klassische Langzeittherapie ihre Aufgaben immer weniger erfüllen kann, einerseits wegen ihrer bekannten MiBerfolgsraten und zum anderen vor allem als Folge der ihr aufgezwunge-nen strafbewehrten "Zwangstherapie"; Mißerfolge, die — sicher häufig ungewollt — zwangsläufig zur Steigerung der Strafvollzugsklientel führen müssen.

Natürlich wird diese negative Effektivitätsbilanz durch erfreuliche Einzelfälle aufgelockert; obwohl etwa eine örtlich liberale Cannabispolitik der Polizei, eine funktionierende Straßenarbeit, enga-gierte Sozialarbeit in der Drogenberatung und ver-einzelte prosperierende Langzeitttherapien als Aus-nahme eigentlich nur die dominierende Regel bestätigen.

2.3 Verschärft wird diese Krise durch zwei ineinander-greifende Außenbedingungen, nämlich einerseits durch einen zunehmenden Kostendruck, der pri-mär durch die finanzielle Situation der Gemeinden und der Krankenkassen bedingt ist, und anderer-seits durch die abnehmende Legitimationskraft der Drogenarbeit, die den staatlichen, über Mittel und Prioritäten entscheidenden Instanzen nicht mehr das "Prestige" bringen kann, das zu Anfang dieser Arbeit "im Kampf gegen die Drogengefahr" Wählermassen bewegen konnte: Das Drogen-problem scheint abgestanden (wie man den Zeitun-gen entnehmen kann), und die fehlende Effizienz dieser staatlichen Bemühungen scheint sich bis zur Bundesgesundheitsministerin herumgesprochen zu haben.

2.4 Alle drei Krisenfaktoren Zentralisierung, ver- ringerte Effektivität und Außenbedingungen — ver-stärken sich gegenseitig: Die Zentralisierung setzt die Effektivität herab und ruft nach neuen ko-ordinierenden, planenden Schritten; die fehlende Effektivität senkt die Legitimation, wie die damit verbundenen Finanzmittel; deren Minderung ver-langt weitere Zentralisierung, verhindert sinnvolle Alternativen: Ein Teufelskreis also, der freilich

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naturnotwenig ist und der keineswegs völlig in sich geschlossen zu sein scheint, was die oben an-gesprochenen neuen Ansätze zu einer alternativen Drogenarbeit bereits vor Auftreten des Aids-Problems belegen können. Ein Teufelskreis also, der Marktgesetzen entsprechend auch neue Kräfte aus sich heraus freisetzen konnte.

Im Vordergrund steht dabei der aus der direkten Konfrontation mit dem Elend der Drogenabhängi-gen heraus unternommene Versuch, durch Rück-griff auf frühere Ansätze eine angemessenere Drogenarbeit anzubieten: Als "suchtbegleitend", akzeptierend und nicht bevormundend, wofür es eine Rile interessanter Beispiele gibt, und wo-für etwa der wachsende Widerstand der Basis gegenüber den Funktionären Zeichen setzen kann. Aber auch der Zwang, die eigene Existenz im Kon-kurrenzkampf durch bessere Angebote abzu-sichern, zeitigt im Bereich der Therapiekonzerne ebenso neue Überlegungen wie bei den einzelnen Therapieeinrichtungen und den in ihrer Finanzie-rung bedrohten kommunalen Drogenberatungs-stellen. Und schließlich könnte auch der staatliche Legitimationsdruck dazu führen, neue Ansätze anzuregen und zu finanzieren, um erneut zu zeigen, daß wir diesen Staat für unsere Sicherheit benötigen, — in Programmen der aufsuchenden Sozialarbeit ebenso, wie bei der Heinemann-Methadon-Alternative oder den ständigen Berliner Erfolgsmeldungen, die wohl auch darauf berufen, daß dort nicht alle Alternativen in eine monolithi-sche Drogenpolitik eingebunden werden konnten.

Fassen wir diesen zweiten Analyseschritt zusam-men, dann können wir festhalten, daß das neue Aids-Programm hier auf eine Situation trifft, die gekennzeichnet ist durch einen hohen Organi-sationsgrad, reichlich Mittel und spezialisierten Personalstab einerseits, durch Ineffektivität bei der Zielerreichung und entsprechendem kreativen Unwillen an der Basis andererseits.

3) Inwiefern das Aids-Problem -und die Drogenarbeit zusammenhängen:

Will man die Reichweite des Einflusses von Aids auf die Drogenarbeit ausloten, muß man neben den beiden bisher diskutierten Schritten, die zunächst auf die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Aids und Heroin, dann auf den aktuellen Zustand der deutschen Drogenpolitik eingingen, gleichsam die "politischen" Gewichte beider Ansätze in die Analyse einbeziehen, und zwar einmal auf der Ebene politischer Legitimation, die in den beiden ersten Unterpunkten angesprochen wird und dann auf der Ebene der poli-tischen Moral, denen die beiden darauf folgenden Unterpunkte gewidmet sind, und die in einer dritten These wir folgt zusammengefaßt werden sollen: "Aids kann der Drogenarbeit eine neue Legitimation nach außen wie nach innen verschaffen, sofern es gelänge, die positiven Seiten der neuen Aids-Moral zum Tragen

zu bringen".

3.1 Zunächst sollte man davon ausgehen, daß das neue Aids-Problem zunehmend diejenige Legitima-tionsfunktion für den Staat übernehmen wird, die bisher vom Drogenproblem eingenommen wurde: Hier können staatliche, bürokratische und profes-sionelle Interessenten demonstrieren, wie not-wendig wir auf sie angewiesen sind, weshalb man hierauf auch die verteilbaren Kosten konzentrieren wird: das Treffen der EG-Regierungsoberhäupter in London mit ihrer Aids-Proklamation zeigt es

• ebenso, wie der von allen etablierten Parteien ge-tragene Aids-Beschluß des Bundestages. Für eine solche Legitimationspolitik stehen als Sündenbock-Gruppen die Drogenabhängigen und Prostituierten, die Afrikaner und Homosexuellen zur Verfügung, wobei zusätzlich — im Gegensatz zur Situation der Drogenarbeit — sich eine mächtigere, vorantrei-bende Lobby zu entwickeln beginnt, die über die organisierbaren Homosexuellen hinaus umso stir-ker werden wird, je größer der Anteil "unschuldi-ger Opfer" und "ehrenwerter Bürger" in der Grup-pe der Aids-Kranken ausfallen wird.

3.2 Hilfreich wird dabei die gegenwärtige Drogen-politik assistieren, insofern sie das Aids-Problem weiter vorantreiben und verschärfen wird und zwar sowohl bei den Betroffenen selber, deren bisherige psychosoziale Verelendung durch Aids manifest somatisch festgeschrieben wird, wie aber auch bei einem wachsenden Kreis zunächst unbeteiligter Dritter, die durch diesen drogenpolitisch ver-stärkten Ansteckungsherd zunehmend gefährdet werden. Wir stoßen hier auf einen politischen Pro-zeß, den wir auch sonst vielfach beobachten kön-en, einen Prozeß, in dem eine unzureichende oder falsche Problem-Politik sich eben den Problem-Gegenstand schafft, den sie zu ihrer Rechtferti-gung benötigt. Ein Vorgang, der in sehr typischer Weise unsere gegenwäxitge Drogenpolitik weit über das Aids-Problem hinaus charakterisiert, etwa in den paradoxen Folgen einer verstärkten Polizei-tätigkeit, die zu erhöhter (Beschaffungs-)Krimina-lität führen muß oder bei einer (Horror-) Auf-klärung, die Neugier auf diese verbotenen sünd-haften Früchte weckt.

Für das Aids-Problem seien, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, als problemverstärkende Paradoxa erwähnt: der Einfluß faktischer Repression, nach dem eine erfolgreich arbeitende Polizei das Aids-trächtige needle-sharing, die männliche Beschaf-fungsprostitution und die gefängnisbedrohte Be-schaffungskriminalität unterstützt, oder die Ver-schärfung der punitiven Haltung, innerhalb deren, mit der wachsenden Anzahl Drogenabhängiger, die in das Gefängnis kommen, das Ausmaß von Aids über den Weg des Spritzens und der Gefängnis-homosexualität, vor allen Dingen auch in seiner Außenwirkung voranschreiten wird. Aber auch die heute vorherrschende Drogenfreiheit-Orientie-rung verschärft das Aids-Problem. Denn: Je ein-deutiger die Drogenpolitik auf Therapie mit dem

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Primärziel der Drogenfreiheit setzt, umso weniger Abhängige wird sie ansprechen, umsomehr bleiben drau.13en in der der aidsträchtigen Szene oder, häufiger, in der Strafanstalt. Oder umgekehrt formuliert: Je intoleranter alternative Lebensstile verfolgt werden, desto stärker wird man einen "risikolosen" Konsum verhindern und damit wie-derum Aids fördern.

Ob wir die gern verdrängte Einsicht in solche Zusammenhänge "positiv" einsetzen können, wird u.a. davon abhängen, inwieweit Experten und in-formierte Öffentlichkeit diese Zusammenhänge wie bisher, vorwiegend als Problem des uneinsichti-gen Drogenabhängigen begreifen, dem deswegen besonders repressiv zu begegnen sei, oder ob sie es als Problem einer uneinsichtigen Drogenpolitik wahrnehmen können, die deshalb möglichst rasch aufzugeben sei.

3.3 Auf der Folie dieser politischen Prozesse der Legitimation und Problemverstärkung erwarte ich einen wichtigen Einfluß von der neuen Aidshilfe-Bewegung, sofern es gelingt, zwischen ihr und den progressiven Momenten der Drogensozialarbeit eine Koalition zu bilden, eine Koalition, in die auch die Drogenarbeit ihre Erfahrungen, positiver wie nega-tiver Art, einbringen kann, — also ihre Release-Vergangenheit und die oben angedeuteten neuen "alternativen Antworten" ebenso wie ihre negativen Erfahrungen mit einer erstarrenden Institutionali-sierung und Zentralisierung.

Ein solcher Einfluß könnte sich vor allem daraus ergeben, daß diese Aids-Hilfe noch eine junge, für das menschliche Leiden noch offene, unbürokrati-sche Bewegung ist, in der die Betroffenen "betrof-fen" bleiben und nicht als Ehemalige besonders rigide argumentieren und handeln.

Wegen der eindeutig somatischen Grundlage kann überdies das Hilfsangebot freibleiben von (zukunfts-bezogenen) moralischen Rückfall-Vorwürfen, gleich-wohl aber moralische Verpflichtungen gegenüber Dritten (als sinnvolle Aufgabe) unterstreichen. Trotz dieser somatischen Basis muß wegen der "Unheilbar-keit" von Aids der Akzent auf der sozialen Hilfe und brüderlichen Unterstiitztung liegen, wobei medizinische Hilfe selbstverständlich ist und quasi-medizinische Heilungs- wie Anpassungsversprechun-gen und -erwartungen überflüssig werden. In der Drogenarbeit herrschen dagegen letztere vor, während die naheliegenden medizinischen Versor-gungsprobleme sozial verelendeter Heroinkonsu-menten gelegentlich gesehen, kaum jemals aber behoben werden.

3.4 Das entscheidend neue Element besteht jedoch darin, daß Aids als "reale" Gefahr eine "neue Moral" fordert und damit die, in der Drogenpolitik bisher übliche Pharisäer-Moral als solche entlarvt. Eine gewiß zweischneidige Konsequenz, deren Gefahr des "neuen Puritanismus" uns jedoch nicht deren Chance übersehen lassen darf.

Aids verlangt zunächst, "offen darüber zu reden", wofür als Beispiel etwa die safer-sex-Reklame der Aidshilfe dienen mag, und weswegen künftig im Prostitutionsbereich die Rolle des gefährdenden Kunden gegenüber der gefährdeten Prostituierten stärker zur Sprache zu bringen wäre, was heute — natürlich noch immer — eher umgekehrt geschieht.

Vor allem aber zwingt Aids unsere Drogenpolitiker dazu, ihre eigene tiefsitzende Doppelmoral zu hinterfragen bzw. hinterfragen zu lassen, etwa bei der Kondomvergabe im Gefängnis, die noch immer wegen der, bei allen latenten Schwulenangst schei-tert, oder bei der Spritzenvergabe und bei Metha-donprogrammen, bei denen die Doppelbödigkeit juristischer Beurteilung langsam erst mit wachsen-dem Risikodruck zum Vorschein kommen kann. Vor allem aber könnte Aids mit seiner Forderung nach einer "akzeptierenden Politik" dazu führen, uns vom spießbürgerlichen Drogenfreiheitspostulat des abhängigen Kettenrauchers zu befreien.

4) Zu den Konsequenzen für eine neue Drogenpolitik:

Folgt man diesen hier nur skizzenhaft angedeuteten Analyseschritten, dann liegen die Konsequenzen für eine einsichtige Drogenpolitik ebenso auf der Hand wie die Schwierigkeiten, sie gegen institutionelle Erstarrung und verinnerlichte Drogenmoral durchzusetzen, was wiederum abschließend in einer allgemeinen These zusammengefaßt werden kann: "Die Drogenpolitik mu13 ihre gegenwärtige repressiv-punitive, auf Drogen-freiheit ausgerichtete problemverstärkende Grund-orientierung aufgeben, zugunsten eines akzeptierenden, unterstützenden und damit problemverringernden An-satzes, und zwar sowohl im Interesse der direkt Be-troffenen, das heißt der aktuell und potentiell HIV-Dorgenkonsumenten, wie auch im Interesse der in-direkt riskierten breiten Bevölkerung".

Im Einzelnen ergeben sich daraus drei Forderungs-komplexe:

4.1 Eine radikale Beschränkung des Einflusses der Kriminalpolitik maßte die notwendige Basis bil-den, die wohl im engeren Bereich der Drogen-sozialarbeit weithin unbestritten ist. Dies bedeutet auf polizeilicher Ebene ein Wegsehen im Konsum-und kleinen Händlerbereich, wie sie in einigen Großstädten etwa schon bei Cannabis praktiziert wird, und was dort offensichtlich keineswegs mit dem "ermessenbindenden Legalitätsprinzip" in Konflikt gerät. Auf richterlicher Ebene müssen wir dazu kommen, Gefängnisstrafen bei Abhängigen so weit wie nur irgendwie möglich zu reduzieren, der Zahl wie der Linge nach; dies gilt auch bei der Aussetzung zur Bewährung, da hier der immer drohende Widerruf wegen Drogenrückfalls nur schwer zu verhindern ist, so lange "Drogenfrei-heit" als Ziel gilt und der fast notwendige Rückfall nicht als "Behandlungsstadium" begriffen werden kann.

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Auf der Anstaltsebene bedeutet dies, daß einmal Eingewiesene mit allen Mitteln so früh wie möglich zu entlassen sind, möglichst in akzeptierende Hilfsprogramme, um das Ansteckungsrisiko in der Anstalt zu vermindern, wohingegen heute die um-gekehrte Praxis, Abhängigen Lockerungen zu verwehren und sie möglichst lange in der Anstalt zu lassen, dem Hirn eines auf Vernichtung der Menschheit sinnenden Science-Fiction-Autors ent-

sprungen sein könnte.

Auch auf therapeutischer Ebene brauchen wir ein radikales Abkoppeln vom Strafbereich, d.h. keine Rückmeldepflicht, keine staatliche Anerkennung als "Privatgefängnis", keine Bewährungsauflagen. Grundlagen, um die Akzeptanz zu steigern bzw. überhaupt erst wieder herzustellen, die ihrerseits alleine garantieren können, daß diese Klienten mehr als bisher den besten Weg, Aids zu vermei-den, wählen können, nämlich dauerhaft heroin-abstinent zu werden.

Wenn auch viele dieser Forderung ohne Gesetzes-änderung zu erfüllen wären, so würde doch eine radikale Änderung des Betäubungsmittelgesetzes, die z.B. vom Plenum des FDR immer wieder verlangt worden ist, ein solches Umschwenken erleichtern.

4.2 Neben dieser Beschränkung kriminalpolitischen Denkens mate wohl auch der Behandlungsansatz in vielfacher Weise sich an seine Ursprünge zurück-erinnern, um die inzwischen entwickelten pseudo-medizinischen Therapiewünsche aufzugeben: So benötigen wir zunächst voraussetzungslose und "positiv" erlebte Entgiftungsprogramme, etwa nach dem Baseler Cikade-Modell, während heute bei uns diese erste Phase, sich vom Aids-Risiko zu befreien, eher als sadistisches Strafritual gehand-habt wird.

Auszubauen wären sodann alle Ansätze, die eine überlebensrelevante Unterstützung gewähren, im Essen- und Wohnbereich, aber auch im Feld der sozialen Kontakte und sinnvollen Freizeitgestal-tung, Amaze, die sich vielfach in der Bundes-republik auffinden lassen, die aber ebenso wie die folgende Forderung unter "therapeutischen" As-pekten als wenig prestigeträchtig erlebt und des-halb abgelehnt wird. Wir maten nämlich hierzu verstärkt auf ambulante Hilfen und Street-work, auf erlebnispädagogische Ansätze und helfend-therapeutischen Aussprachemöglichkeiten zurück-greifen, die adressatengerecht und nicht,wie heute, therapeutengerecht, organisiert sind. Schließlich sollte auch der eigentliche Therapiebereich — zu-mindest neben seinem klassischen Langzeit-Drogenfreiheits-Ideal — neue Kurzzeitformen ent-wickeln, in denen an Stelle des noch immer dominierenden calvinistischen Arbeitsethos "sinn-stiftende" Inhalte ein sinnvolles Leben für heute und morgen ermöglichen (ein Diskussionsfeld, das ganz besonders auf die positiven Ansätze der frühen Drogenarbeit zurückgreifen könnte, das

jedoch in ganz besonderem Maße auf "therapeu-tische" Widerstände stößt).

4.3 Im speziellen Feld einer zielgerichteten Aids-prophylaxe wäre schließlich zu fordern, endlich alle diejenigen abweichenden Lebensstile zu akzeptieren, die Dritte nicht gefährden, und zwar vor allem dann, wenn ihr Verbot, bzw. ihre Unter-drückung die Verbreitung von Aids vorantreiben kann. Das bedeutet etwa, das Angebot von Kondo-men in einer von den Betroffenen auch akzeptier-ten Form (z.B. kostenlos oder in Automaten und nicht durch den Kaufmann der Strafanstalt), eine Forderung, die trotz rechtlicher Unbedenklich-keit aus verquer-moralischen Gründen konkret heute allenfalls ansatzweise realisiert worden ist, obwohl sie dort, wo man sie bedingungslos anbie-tet, immer angenommen wird. Auch das Spritzen-angebot mit Tauschmöglichkeit — auch, natürlich und gerade in Strafanstalten — ohne Vorbedingun-gen und anonym, scheint vor allem für die, von einer Ansteckung Riskierten unabdingbar not-wendig zu sein; während die heute immer wieder vorgetragenen pseudo-juristischen Bedenken, die vorwiegend auf den Konsumenten bezogen sind, übersehen, daß hier durch ein Spritzenverbot die Interessen Dritter verletzt werden, was vor allem in Strafanstalten oder aber auch in Drogencafes zu strafrechtlich relevanten Sorgfaltspflichtverletzun-gen gegenüber deren Insassen und Besucher führen könnte.

Hierzu gehören auch Methadon-Programme und andere Substitutionsprogramme mit oder ohne Auflagen, verbunden mit dem Angebot ärztlicher und sozialer Hilfe, die, wie heute jeder weiß, im Ausland zur Aidsprophylaxe allgemein und betont herausgehoben werden, die bei uns allenfalls noch in höheren drogenpolitischen Chefetagen nebst deren Gefolgsleuten aus (falschen) Konkurrenz-ängsten ("schmutzige Therapiekonkurrenz") abge-lehnt und verhindert werden.

Nimmt man das ständig wachsende Aidsrisiko ernst, müßte man überdies zwei Forderungen unterstreichen, die an sich auch ohne das Aids-Problem von je her von einer humanen, toleranten und akzeptierenden Drogen-arbeit unterstrichen worden sind: die Möglichkeit preiswerter Opiate, um die Notwendigkeit zur Be-schaffunsprostitution und zur Beschaffungskriminalität zu reduzieren, was insbesondere durch eine verringerte Polizei-Intensität, aber auch durch Lizensierung etc. zu erreichen wäre. Und zum anderen, im Rahmen einer zureichenden Drogenaufklärung, die Propagierung weniger aidsriskanter Konsumformen, wie etwa das Umsteigen auf Cannabis oder das Erlernen des in Holland üblichen Sniefens und Chinesens; Konsum-formen, die nicht nur das Aids-Risiko vermindern, sondern zugleich der eigenen Gesundheit fö.derlich sind, vergleicht man sie mit dem derzeitigen Status eines Szene-Fixers.

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Natürlich sind dies Forderungen, denen man nicht auf einmal zustimmen kann, denen man sich eher schrittweise nähern muB. Forderungen, die überdies ihrerseits zum Teil höchst problematisch sind, wes-wegen man sie in ihren Auswirkungen sorgfältig durch-denken mate, was allerdings verlangt, daB man sie offen anspricht und nicht zensurmlBig verhindert; ein öffentlicher Diskurs, für den uns allerdings nicht mehr allzu viel Zeit verbleibt. Und sicher sind dies Forderungen, die das Aids-Problem als solches nicht lösen können, die aber gleichwohl das Ansteckungs-risiko umso mehr eindämmen können, je eindeutiger sie verwirklicht und wahrgenommen werden, und die uns zugleich die Chance für eine neue, humane Drogen-politik verschaffen.

Auf jeden Fall sollten wir als kritisch denkende Bürger wie als Beteiligte an einer Drogenpolitik, die jeden Tag sich diesen Bürgern gegenüber neu kritisch legitimieren muf, in solchen ambivalenten, problemgeladenen Situ-ationen jeweils beide Wege sehen, den der Gefahr wie den der Chance, um dann durch die eigene Praxis diese Chance zu erhöhen.

Summary The increasing spreading of positive HIV-diagnoses among drug inclines persons will change drug-work decisively. To diminish the impending danger of growing reinforcement, this contribution analyses distinctions and communities of Aids- and Heroine-problems as well as the actual crisis of drug work which raises the Aids-risk drastically. The chance for a change being apparent herein at the same time requires an extensive decriminalization, new life habits-related initial steps of treatment attempts as well as accepting the different life-style of the drug-consumers: needle-donation, programme of substitution and propagation of kinds of consumption for less Aids-risk.

Anmerkungen:

Zur Aids-Problematik vergleiche R. Rosenbrock: Aids kann schneller besiegt werden. VSA-Verlag, StresemannstraBe 384a, D-2000 Hamburg 50; zur Drogenpolitik vergleiche S. Quensel: Mit Drogen leben. Campus, Frankfurt/M. 1985.

Die im Text erwähnten SS 35ff sehen im Betäubungsmittelgesetz "Therapie statt Strafe" vor, mit der Folge, heute kaum noch Nicht-Strafbedrohte in der Langzeittherapie zu finden.

Der FDR (Fachverband Drogen und Rauschmittel) ist eine der graBeren Sucht-Verbinde, Ableger des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes.

DHS ist die Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren, die u.a. die Zeitschrift "Suchtgefahren" herausgibt.

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 Nr. 4, Originalarbeit, S. 35-37

Weshalb ich die Nachteile eines Methadon- Programms für größer erachte als die Vorteile

A. MANZ (Liestal/Schweiz)

Wenn über Methadon geschrieben wird, so geht es meistens um die Frage, wie eine kontrollierte Abgabe konzipiert sein sollte, was die Indikationen und Ziele dieser Abgabe sind und welche Erfolge man erhoffen kann oder evaluiert hat. Meistens sind hingegen ver-schiedene Fragen unberücksichtigt, eine zusammen-hängende Bewertung des Nutzens oder des Schadens eines Methadon-Programmes fehlt. Im folgenden soll versucht werden, eine solche Bewertung vorzunehmen. Dabei sind im komplexen Feld der Drogensucht, resp. Drogenhilfe verschiedene Ebenen zu beachten:

1. Die Ebene der therapeutischen Intervention: Suchtkranke haben neben • einigen Ähnlichkeiten der psychischen Abwehrstrategie, resp. der Neutra-lisierung von Triebspannungen ganz verschiedene psychopathologische Merkmale. Die einen haben eine relativ stabile neurotische Struktur, bei anderen ist die narzisstische Störung ausgeprägter oder ist die Psyche auf Borderline-Niveau organisiert. Es kommen selbst psychotische Strukturen vor. Metha-don-Programme rechtfertigen sich häufig damit, daß sie eine andere Gruppe von Süchtigen ansprechen als drogenfreie Programme. Damit wird meistens ge-meint, daß denjenigen Süchtigen, die "zu schwach" sind, um auf ein drogenfreies Programm eingehen zu können, eine andere therapeutische Hilfe geboten werden soll. Die Zielklientel wäre also vornehmlich bei schwer gestörten Süchtigen zu suchen. Meine Erfahrung hat mich gelehrt, daß zu Beginn eines therapeutischen Kontaktes mit dieser Gruppe von Süchtigen vor allem eine Abwehrform zentrale Be-deutung hat und auch therapeutisch zu nutzen ist: Die Identifikation mit dem Aggressor. Diese Ab-wehrform ist aber nur dann therapeutisch nutzbar, wenn die Person, welche als "Aggressor" in Er-scheinung tritt, auch idealisierbar ist. In drogen-freien Programmen ist diese Kombination von der Struktur her gegeben: Vom Süchtigen wird etwas verlangt (die Abstinenz), was er mit dem einen Teil seiner Persönlichkeit ablehnt und mit dem anderen Teil seiner Persönlichkeit ersehnt, resp. idealisiert. Ein Methadon-Programm kann diese therapeutische Grundlage einer persönlichen Auseinandersetzung nicht nutzen, weil dann eine Spaltung zwischen Suchtmitteleinnahme (resp. Suchtmittelabgabe) und Psychotherapie eingebaut ist. Das Konzept der Therapiepolarisierung Gmuer) stützt lediglich die Suchtstruktur, fördert, was bereits stabil vorhanden ist. Der Therapeut wird innerlich vom Süchtigen entwertet, so wie dieser sich selber als Abhängiger verachtet. Besonders schwer gestörte Persönlich-keiten ertragen meiner Ansicht nach auf die Dauer diese Spaltung nicht und agieren weiter in patholo-gischer Weise ihre Suchtstruktur aus. Ein Mittel, auf psychotherapeutischer Grundlage dem Klienten

langsam mehr Kohärenz zu ermöglichen, wird durch die Spaltung im Methadon-Programm behindert. Gerade für schwer gestörte Süchtige ist eine klare und einheitliche Position unabdingbar, die sucht-freien Programmen, mindestens prinzipiell, inne-wohnt. Ich behaupte, daß vor allem relativ stabile neurotische Persönlichkeitsstrukturen vom Metha-don-Programm profitieren. Diese Klientel stellt so-wohl für Methadon-Programme als auch für drogen-freie Programme den Großteil der erfolgreichen Ab-solventen dar. Vergröbert möchte ich behaupten, daß Süchtige trotz der Erschwernisse, die ihnen ein Methadon-Programm auf psychodynamischer Ebene entgegengestellt, durch ein solches gesund werden können. Ich möchte aber sehr anzweifeln, ob es gerade die schwach-strukturierten Süchtigen sind, die vom Methadon-Programm profitieren. Meines Wissens ist bislang keine Arbeit erschienen, welche beweisen würde, dali die erfolgreichen Absolventen von Methadon-Programmen und von drogenfreien Programmen wirklich unterschiedlichen Gruppen zuzuordnen wären. Es ist mir nur eine Arbeit be-kannt geworden, welche diese Frage am Rande be-rührt (Textor). Das Ergebnis, erhoben an nur 14 Klienten, dokumentiert eher die entgegengesetzte Aussage: Diejenigen, welche eine einigermaßen in-takte Ich-Struktur haben, die bei der ersten Unter-suchung als relativ psychisch gesund und mit guter Prognose erfaßt wurden, konnten das Methadon-Programm nutzen. Das sind sicher auch jene Süchti-ge, welche von allen therapeutischen Interventionen profitieren würden, oder welche ihnen zum Trotz "gesund" werden. Die erwähnte Arbeit weist bei den 14 Klienten nach, daß Süchtige, die bei der ersten psychotherapeutischen Exploration in die Kategorie mit fraglicher Prognose, d.h. als relativ psychisch angeschlagen, mit schwacher Ich-Struktur besetzt, definiert wurden, auch durch das Metha-don-Programm keine längerfristige Stabilisierung er-fahren hatten. Diese Süchtigen sind es aber gerade, für welche die Vertreter von Ersatzprogrammen diese spezielle Form der Hilfe bereithalten wollen. Mein Eindruck ist ähnlich dem Ergebnis der erwähn-ten Untersuchung, dali gerade für solch "schwache" Personen die Doppelbödigkeit der Hilfe auf die Dauer schwer zu ertragen ist und daß gerade diese — wenn überhaupt — auf eine Hilfe, welche eine eindeutige Aussage macht, angewiesen sind.

2. Berufsebene, auf welcher die Suchthilfe stattfindet: In den vergangenen Jahrzehnten fand u.a. in der Suchthilfe immer wieder eine Auseinandersetzung darüber statt, welche Art von Therapeuten mit welchen beruflichen Voraussetzungen in der Sucht-hilfe in erster Linie eingesetzt werden sollten. Hier interessiert nun weniger der standespolitische als der handlungsstrukturelle und der symbolische Aspekt dieser Frage. Die Positionen können ver-gröbert als eine ärztliche und eine sozialtherapeu-tische bezeichnet werden. Mit der ärztlichen Po-sition wird am ehesten eine Heilung durch körper-liche Untersuchung, ein Erkennen der Krankheits-ursache, resp. der typischen Symptome und eine

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Abgabe von helfenden oder lindernden Medika-menten assoziiert. Mit der sozialtherapeutischen

Position wird die Problemstellung in Familie, Beruf

und Gesellschaft, resp. Beratung und finanzielle Unterstützung verbunden. Immer wenn die ärztliche Position in der Suchthilfe fehlgeschlagen hat und Resignation sich verbreitete, schlug die Stunde der sozialtherapeutischen Position. Wir wissen,daß diese Ebene für die meisten Problemstellungen der Sucht die adäquateren Mittel und Arbeitsansätze als jene besitzt. Der Süchtige richtet auf den Arzt häufig all

seine oralen Bedürfnisse, begegnet ihm eher im Zustande der Regression. Arzt und Sozialtherapeut lernen vom Süchtigen eine andere Seite kennen.

Eine Schwierigkeit ärztlichen Denkens ist sicherlich das Abtreten von Kompetenzen. Vom Arzt wird allzuoft eine Antwort auf unbeantwortbare Fragen, Hilfe in unmöglichen Situationen gefordert. So ist es

für ihn besonders schwer, seine Grenzen klar zu

definieren. Seine Berufsethik verpflichtet ihn ja zu

einer Hilfestellung überall dort, wo Not sich kund-tut, und fragt weniger danach, ob er überhaupt die Mittel für eine solche Hilfe in Händen hält. So erstaunt es nicht, daß es der medizinischri Position

nie ganz gelang, die Behandlung des Suchtproblems

an die Sozialtherapeuten zu delegieren und sich

lediglich auf Entzug und vitale Notfälle, resp.

Folgekrankheiten zu beschränken.

Ersatzpräparat-Programme entspringen dem medi-zinischen Denken, daß Heilung, resp. Linderung durch Medikamente herbeizuführen sei. Sie sind das Feld von ärztlichen Diensten. Die Einsicht, daß der ärztliche Denkansatz in der Suchttherapie all zu oft

versagt hat, wird verleugnet. Eine spezielle Gruppe von Süchtigen wird postuliert. Es entsteht eine unheilige Allianz zwischen dem oralen Bedürfnis der Süchtigen und dem therapeutischen Ansatz ärzt-lichen Denkens. Das Hilfsangebot findet Zuspruch und auch Heilungen stellen sich ein. Damit hat diese Position ihre Rechtfertigung und muß nicht weiter hinterfragt werden. Die Geschichte von Laienhelfer-Programmen, Abstinenz-Gemeinschaf-ten oder therapeutischen Wohngemeinschaften ist aber durchaus auch die Geschichte von unerwarte- ten "Bekehrungen", von Wandlungen in Biographien hoffnungsloser Süchtiger. Letztere Gruppe ist in der Vergangenheit mitnichten die Gruppe ge- blieben, welche sozialtherapeutischen Interventio- nen trotzen. Bei den als hoffnungslos bezeichneten Süchtigen thematisiert sich existenziell die Frage, was Wandel in verfahrenen Situationen herbeiführt. Meistens sind es nicht "bessere Tricks" oder "grif-figere Maßnahmen".

These: Das Methadon-Programm ist in der Sucht-hilfe ein Rückfall auf einen ärztlichen Denk-ansatz, der schon oft versagt hat. Umgekehrt ist der Aufbau yon Methadon-Programmen Ausdruck des Versuches der Ärzte, Sucht-hilfe nicht völlig aus den Händen zu ver-lieren.

3. Ebene des konzeptionellen Wunschdenkens oder die Lücke zwischen Programm und Wirklichkeit:

Ich habe zu bemängelnd, daß mir keine Arbeit be-kannt ist, welche Wunsch und Wirklichkeit der Durchführung von Methadon-Programmen zum In-

halt hat. Die Programme von Gmuer, Uchtenhagen,

etc. sind sehr klar konzipiert. Die Indikations-stellung ist definiert, das Abgabeprocedere, die Einnahmekontrolle, die Bedingungen einer beglei-tenden Gesprächstherapie sind festgelegt. Nur: Die

meisten Methadon-Patienten, die mir in den vergan-genen sechs Jahren begegnet sind, hatten keine begleitende Psychotherapie und haben von großen Unregelmäßigkeiten in der Art der Einnahme be-richtet. Ich lernte 16jährige "Kinder" im Methadon-Programm kennen und konnte meist den Indi-kationsgedanken für die Aufnahme in solche Pro-

gramme nicht nachvollziehen. Im Umfeld jedes Methadon-Programmes entwickelt sich zwangsläufig

auch ein Methadon-Schwarzmarkt aus Beständen von Praxis- oder Apothekeneinbrüchen und von Süchtigen, die bei der Einnahme nicht geschluckte Flüssigkeit schmuggeln. Diese Wirklichkeit von

Methadon-Programmen hat sicherlich verschiedene Gründe. Ich frage, wie es kommt, daß bei der Be-gründung von solchen Programmen fast zwanghafte Regeln beschrieben werden, und bei der Ausführung chaotische Zustände herrschen. Mit der beabsichtig-ten Hilfe und ihrer Begründung hat das nur wenig

zu tun. Die willkürlich anmutende Wirklichkeit von

Methadon-Verschreibungen ist sicher auch Ausdruck der im nächsten Abschnitt beschriebenen Sucht-struktur, die dem Ersatz-Prä.parate-Konzept inne- wohnt.

Ich mache aber weniger die mangelhafte Fähigkeit der Programmleiter für diese Wirklichkeit verant-wortlich, sondern ihren Arbeitsansatz, der mehr der Sucht entnommen ist, als den Erkenntnissen über süchtige Strukturen. Die meisten Versuche, Sucht-strategien durch Kontrolle und gute Vorsätze zu

entschärfen, zerschellen daran, daß jenes Denken sich im Kreise dreht, Kontrolle und Chaos sind die

zwei Seiten der Sucht (Bateson, 1969, u.a.). Metha-

don-Programme versuchen dies erneut zu verlaug-

nen. Die Wirklichkeit des Abgabechaos ist beredtes

Zeugnis davon.

4. Gesellschaftspolitische Ebene: Die Suchtproblematik steht im Kräftefeld zwischen innerpsychischen Konflikten, familiären Spannun-gen und gesellschaftlichen Fehlentwicklungen. Cha-rakteristisch für fast alle Suchtphänomene ist die Spaltung als Veränderungsstrategie, der orale

Hunger (eine Spannung wird sehr schwer ausge-halten und muß durch rasche Neutralisierung, durch rasche Handlung, wie Trinken, Rauchen, Spritzen, Essen, etc. beseitigt werden) und die Manipulation.

Immer dort, wo süchtige Strukturen ihre Abwehr

formieren, sind diese Charakteristika nachweisbar. Das Methadon-Programm ist meiner Ansicht nach ebenfalls Ausdruck einer solchen süchtigen Abwehr-

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struktur. Das erklärt deren Popularität und die große Verbreitung, welche die Ersatz-Präparate-Strategie, vor allem bei staatlichen Gesundheits-planern, genießt. Diese sind von ihrer Position her sehr stark in gesellschaftliche Tendenzen verwoben, haben von dort her auch ihren Handlungsauftrag. Daß also gerade sie bei ihrer Suche nach Hilfsstra-tegien süchtigen Abwehrformen erliegen, ist ver-ständlich. Nachzuweisen sind diese Abwehrformen im Methadon-Programm folgendermaßen:

Die Hilfe für Süchtige wird durch ein Suchtmittel definiert (Spaltung), der Helfer hat zugleich die Funktion des Dealers (Spaltung), die therapeu-tische Strategie der "Therapiepolarisierung" baut geradezu auf der Spaltung zwischen Dealer und Therapeut auf. Die Gesprächstherapie findet unter Voraussetzung der Kommunikationsbeein-trächtigung statt (Spaltung). Das Hilfmittel ist eine orale Befriedigung, es wirkt sofort und neutrali-siert die Spannung. Das Methadon-Programm ent-hält die große Verlockung, in kurzer Zeit viele Süchtige zu erfassen und ihnen in ihrer Sucht ent-gegenzukommen. Diese Verlockung ist aber ihrem Wesen nach manipulatorisch. Durch einen Trick wird das Heroin verfolgt und seine Schwester, das Methadon, heilig gesprochen. Das Manipula-tionsbedürfnis ist sicher auch für die staatlichen Vertreter der Gesundheitspolitik größer als für die weniger gebundenenFachleute.

Die beschriebenen Widersprüche sind für Süchtige mit telativ starker Persönlichkeitsstruktur ignorier-bar. Für den "ungeschützten", chaotisch verarbei-tenden Süchtigen sind sie eine Hypothek, die das Methadon-Programm schwer belastet und grund-sätzlich in Frage stellt.

5. So bleibt zusammenfassend: Die Motive für Methadon-Programme sehe ich in einem ärztlichen Anspruch, der eigentlich überholt sein sollte. Diesem kommen Manipulationsbedürf-nisse der staatlichen Gesundheitsplaner und die orale Gier der Süchtigen entgegen. Aus dieser Allianz erklärt sich die steigernde Aufmerksamkeit, welche Methadon-Programmen entgegengebracht wird. Im weiteren habe ich versucht, der einleuch-tenden Ansicht, viele Wege führten nach Rom, ent-gegenzuhalten, daß dieser an sich richtige Satz nicht einfach mißbraucht werden darf, um die Reflexion über den Schaden und den zweifelhaften Nutzen von Methadon-Programmen zu unterlassen. Der Behauptung, daß Methadon-Programme sich für eine spezielle Gruppe von Süchtigen erfolgreich eignen würde, habe ich zu widersprechen versucht.

Die Nicht-Einhaltung der proklamierten Methadon-Konzepte sind direkter Ausdruck der Suchtstruktur von Methadon-Programmen. Das vorhandene Chaos ist auch nicht durch vermehrte Kontrolle innerhalb solcher Bestrebungen längerfristig zu beheben.

Fazit: Die Nachteile von Methadon-Programmen sind so überwiegend, daß ich frage, weshalb

so beträchtliche finanzielle Mittel in diese Programme investiert werden.

6. Nachtrag: Seit dem Verfassen dieses Artikels vor einem Jahr haben sich, zumindest in der Schweiz, die Ereignisse rund um die Abgabe von Ersatzpräparaten über-stürzt. Vielerorts wurde die Abgabeindikation massiv gelockert. In Zürich geht man nun sogar dazu über, anstelle von Indikationen nur noch Kontraindikationen für eine Methadonabgabe zu formulieren. Mehr und mehr wird die Ersatzprä-parateabgabe in die Hände der Hausärzte gelegt, womit der Nichtfachmann erneut von den Sucht-problemen seiner Patienten überfordert wird. Die Angst, welche die AIDS-Problematik mit sich gebracht hat und das Bedürfnis von Gesundheits-planern, eine breite Bevölkerung von einer Durch-seuchung zu bewahren, hat zum trügerischen Propa-gieren einer "liberalen" Methadonabgabe geführt. Angeblich stehe das Interesse der Süchtigen, ihr Recht auf Selbstbestimmung und ihr Schutz vor Verwahrlosung im Vordergrund der neuen Drogen-politik. Meiner Ansicht nach sind es aber ordnungs-politische, juristische und berufsstandespolitische Interessen, die zum Entstehen des neuerlichen "Methadonboomes", der gegenwärtig am anlaufen ist, führen. Die Juristen, die sich in der Drogenfrage engagieren, glauben offenbar nicht daran, daß eine längst fällige Revision des Betäubungsmittel-gesetzes eine Chance auf Realisation hat. So sehen sie einen Ausweg in der Methadonabgabe, von wel-cher sie hoffen, daß ein unbeschränkt verfügbares Ersatzpräparat die Süchtigen in groBer Zahl von der Kriminalität oder gar von einer Verelendung abzu-halten vermag. Mit dem Argument, daß bei einer breiten Methadonabgabe an Süchtige eine Verbrei-tung der AIDS-Erkrankung durch unsaubere Sprit-zen verhindert werden könne, greifen auch interes-sierte Ärzte nach verlorengeglaubten Behandlungs-kompetenzen. Zweifelhaft ist die Argumentation deshalb, da die Verbreitung von AIDS in der Dro-gensubkultur zu einem wesentlichen Teil durch die Promiskuität bedingt ist. Zudem ist das Programm der sauberen Spritzen sicherlich effizienter als die Liberalisierung des Methadons. Im weiteren mull befürchtet werden, daß eine eigentliche Prävention gar nicht erwirkt werden kann, sondern daß ledig-lich ein zeitlicher Aufschub einer Ansteckung ein-treten wird. Die neue "Liberalisierung" des Metha-dons entbehrt meiner Ansicht nach einer medizini-schen Begründung. Die Rolle der interessierten Ärzte ist wohl eher mittels der Überlegungen, die unter Punkt 2 entwickelt worden sind, zu verstehen. Ordnungspolitiker 'erhoffen vom neuen "Liberalis-mus", die Süchtigen in ihrem Wunsch nach Be-täubung befriedigen zu können und sie damit noch radikaler in den Randbereich der Gesellschaft zu drängen. Damit sollte auch die Gefahr einer AIDS-Infiltration in die Gesellschaft verkleinert werden. Die Bedürfnisse der Süchtigen werden zwar vorder-gründig erfüllt, die Süchtigen werden meiner Ansicht nach aber erneut betrogen und oberflächlich "ruhig-gestellt".

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Wiener Zeitschrift far Suchtforschung, Jahrgang 9, 1986 Nr. 4, S. 39-50

Reprint aus:

V. b. b. • 7::-1—:*K9- 1;4;\

ii

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KAFFER: Die Alkoholseuche in den Alpenländern

DIE ALKOHOLSEUCHE IN DEN ALPENLÄNDERN

EIN BEITRAG ZUR ANTIALKOHOLBEWEGUNG

Von Karl KAFFER, Lehrer in Pre t h al bei Obdach, Steiermark

ir Zolfsjchuffehrer wiffen, welches ber 93olfsfreunb „WItohol" in ben

Gehirnen ber Rfeinen Ttiftet. Zeber aufmertjame Zeobachter Pant aus

ber Ed)iiferichar bie gleid) beraus, bic für Die eiinben liner

Eltern biiišen mulTen unb Denen, Dent Zolfsbrauthe gain, häufig geijtige Getränfe

uerabreicht werben. Gegen Die gleid)alterigen gejunben Stinber finD fie bebeutenb

im Vachstunt 3uriidge5lieben, on blat gaiter Gefid)tsfarbe, jchwachtnochig; fie

erjtrecten, lobalb man fie plötlich anrebet, 3itternD geben fie nur ftotternbe Witt

worten. Vfnbere, bereit Störper nod) tticht gan3 verjeucht ift, haben gerötete

fid)ter, tin unruhiges Ittelen nub äufšern ben Geltitled)tstrieb Zie

3artenGeld)iipie ber erften Gattung betradfle id) als Die trmjten meiner Stletije,

trotbein fie meiftens uermiigenben Eltern angehören. Eie bebürfen einer bejonberen Zeilnahme, weil fie, Ichulblos bunch unperniinftige Zrintritten entartet, ei grübet

13ehanb1ung völlig perforen jinb. 3um belie ber TtenIchbeit werben Whip: 4.3j1iin3d)en

jeften aft, ba fie bic ogenannten Stinbertranfheiten Ichwer überftehen tönnen.

fuer ben angeführten frogen aälfen weir; jeber 2ehrer aus Erfahrung, auch

Pick Zerjudr haben es nachgewiefen, wie nachteilig Der 911toholverbrauch auf

bic 2ernlähigfeit ber ',Ingot?) einwirft. 3ollen wir, baj 3 unjer Ersiehungswert

.Dauernbe (Erfolge aufweije, wollen wir unjer tfterreid) au einem bliihenben Giants,

wejen geftalten, wollen wir überhaupt ein wertvolles ulturvolf fein, To in ii ¡feu

wir 3unadjft mit Der tIlltoholleuche aufriiumen. Zie alien Gallia Tint) Mum mehr

betehren, abet bas junge zott latt uns von bem ämon %Mho' befreien.

Oh, wie gefunb unb langlebig miitten bic Zetuohtter unjerer WIpenliinber werben, tuenn fie bas aeuerwaffer, ben Gdptaps, Der ihnen jet To lien ift, nicht batten! Was für 2eijtungen tönnte ein fofd)es %off mit leinen 91usbauer vollbringen! 2eiber wirb bic natiirlid)e Quelle mit ihrem filbertlaren erquidenben Viifjer. lein, um wefihes Die Gaibter ben Zanbmann beneiben, 3ur Gtillung bes Zurfte5

oft unbeachtet gelajjen. Tier itpler greift Heber 3u Erfatgeträttfen, welche ihn uttb Teilte 2achtommenjchaft förperlid) unb feelifch vergiften. Stunt cud) nur bic

früh gealterten, entfräfteten, gefriimmten Gejtalten Der Zeman an! 9ticht burd)

bic '2Irbeit in Gottes freier Taint, fonbern burd) Die unvernünftige 2tbensweile ift ber Paibierjtanbsfähige Störper Diefer affenid)en jo herabgidommen. areiliá) Dart

man bem 2anbmattn (akin limb** feinen Zormurt maten; es trintt and) Der

„err", ber Etubent, Der Wrbeiter, bier Zfarrer. zm 93offsleben ill bas /rinfen

von Zier, Mein, Utojt u. bgl. To eingewuraeft, bat berknige, Der nicht mittut, als ein Zhilijter ober GonDerfing mit Zerachtung unb Geringlchiitung angeïehen wirb. 'Nan faun feine GeTelljchaft, tein Zergniigen, teine areube ohne %Ifohol benten. Tian bari gerabesu uott einem gefellIchaftlichen Trinfamange jpred)en. ),egett ein fo eingebürgertes Zoltsiibel Pub Zefehrungen Turd) 6chriften nub ortriige Taft nutlos. Sus wurDe nicht Ichott felt Zahraehitten in Diefer BeiTe, aud) in ben Zolisichufen, gepreDigt! Es war ein Stampf gegen 1,13inbmiihfen. Go werben den

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KAFFER: Die Alkoholseuche in den Alpenländern

falls bic wenigen Wiltioiien Stroncn, bit bet afterreidn¡cbe 9tationatrat ber %egierung aur 13ropaganba gegen ben %Itobolismus aur Oerfügung ¡tent, Mutt 3fved faum erreidon, roenn nicht bic Sado an ber :Burael angefatt tvirb.

Um auf bit! richtigen Vlbwebrittatregeln au !Lumen, ift es notwenbrig, bar:, über natufinnen, wie ber Snenfch — ich babe 4auptjiitlť d) bas lanblido 93egpiel im Wuge — au einem Xrinter wirb. 9213enn ber Säugling untubig wirb, taucht munde %later ben 2ut¡cher in Snaps, bamit er, betaubt, gut fchltift. Sobel) bic Stinber taufen tönnen, latt man fie fcbon am .5austrunte, ber nach ber Ifteinung ber 2anbleute, Wit ibrer politiften aiibrer, unentbebrfidy lei, teirnebmen. später nimmt man fie mit au 2eitentuadon, Xotenbeftattungen, ochaeiten, Zabr. martten, Tanaunterbaltungen, insgefamt tauter 6elegenbeiten, bic nad) lanblicher V3oltsfitte au Saufgeragcn ausarten. Tie 9tatur ber Rinber webtt lich auerft gegen ben ungewofoten enut; fie !often nur wiberwiffig von ben ibnen gereid)ten lichen Getranten, wenn fie nicht verfiitt finb. Tod) abbalb macbt ibnen be an: lyeiternbe 113irtung, namentlid) ber %nuftuftanb, Spat, fo bat Mieberbolung for. beigefebta wirb. c.s.'Sit fpaferen ‚arei' gefeilt ficf) Die Stitt nad) Ge¡elligteit, spiel uttb Tana bap jawie bic 113abrnebutung, bot Vfltobolgenut ben GeMed)tstrieb anfad)t. Tie anew von Gaftbaufern, befonbers in gröteren Zötfern, Mitten altartten unb Stabten, wirtt für bit: jungen 93-ten¡chen au verloctenb, befonbets bann, wenn Itmetternbe Zonsmufit iron bei offenen aenTtern entgegenballt. '21uter ber Stircbe baron fie Nine Sammeforte, worn!) farm fie fon¡t als in bie Zriajtatten? 3d) bin überzeugt, Doi; ber Du* bic jeftenfte Urfa* ift, wet* jung unb aft in bic Gatbäufer treibt. Orft bit (5efegenbeit, Dielfad) aud) bit 9.1bgefeimtbeit ber babgterigen 213irte, incubi bic 2anbleute au rintern. einmal an ben %Robot gewiirot, tann freilicb ber 13a tier bann nud; ben 5austrunt nicht entbebren. Tie `.21bwebrmatregeln gegen ben `111tobolgenut migien ben natürlichen Z3ebürfniffen ber 93emobner 9tedoung tragen unb bit) Zrintgelegenbeiten verminbern, wenn nido gana befeitigett. in grater zeit bes Ičinblidon Gaftgewerbes leibet an jcbfednem Gefchaftsgange infolge ber toben q3reife her alb:14014*n Getrante, wesbalb ber jetige 3eitputift aur Mwebr bes 911tobolismus ein febr giinftiger fein bürfte.

Tas 3ief, nad) bent %brier Itorbamerifas ein allgemeines 211fohaver5ot einaufiibren, ift in biterreid) in ablebbarer 3eit nicbt erreichbar, 11)01 aber fönnte eine bcbeutcnbe Ginjcbriinfung bes %erbraucbes angebahnt werben. Dbne auf Zoll, jtanbigteit 9In¡prud) 3u erbeben, fiibre id) in folgenben 13untten Ttatregeln an, beret' pratti¡do Zurdflübrung mit ftaatficber bilre ¡irbere e tf o I ge verfpricbt unb bem am meiften intereffierten; Gaftwirteftanbe teinesfalls fcbaben mürbe:

1. 2111mtiblido ilberfiibrung ber Zriaftatten in alforogreie Cipegemirt. Idoften unb allgemeine $ilbungs:: unb Zerlammtungsjaitten bes !Safes.

Zieje baben au pflegen unb au förbern:

a) ebfe Geferligteit; b) allufit, efang unb an; c) Zoltsfpiele unb turnen; d) Rortbilbung bes 93oftes bunt Zortrage, R3orfiibrung on neuen erf in hu ngen,

aortbibuttastur¡e u. bgl.; e) %I.Soltslettiire.

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KAFFER: Die Alkoholseuche in den Alpenlindern

Zn ben Majtwirtgaften biefer 2Irt ift ber Xrinfarvang aufaubeben unb batik finb Sintrittss beBiehungstveile Sitgebragen einattfiibren. %uljer ben iiblicben

Speilen ¡often befonbers aud) beimildes Dbft (als erfa# far nier %toff)

vorrätig jein.rt ttlinfe bürfen auf gerlangen neblt frijcbem uet ober 93runnenco4er aru§tjafte (iDbIts unb Z3eerenläfte), 931inerafwäller, 2imonabe

u. bal. verfcbleitt werben. 3ur Erricbtung ber erften 9nuftermittfcbaften bürften.

ltaatlid)e Unterjtilbungen ION fein.

2. Zerminberung ber Saftbauler bunt) Sinftelfung neuer Roneillons. etteifungen unb RonBefrumsentBiebungen bei 93elitwecblel burd) Rauf, 3er.

erbung u. a.

3. tflfobolverbot an Sonn, unb 5eiertagen, minbeftens Einfcbriinfung auf 93erabreid)ung von Mein unb 93ier in verriegelten alafrben.

4. einfiiEgung einer friiberen Sperrftunbe für alfobolifcbe SEIDL:late.

5. Stinalicbes 93erbot ber zranntmeineraeugung; geftattet lei nur bie

Spirituseraeugung für Znbuftrie unb 93Zebien.

6. Zrefteuerung bes 5austrunfes. Zen Zienftboten finb an Stele bes bans. mutes 241)naufcbillje Bit gewäbren.

• - 7. Zie ilberfiibrung eines Zeiles ber 23rauinbultrie Bur • SrBeugung von.

affobolfreien &tauten nach bem 23eilpiele ber 23ereinigten (Staaten 91orbamerifas.

ZaTelfift werben s. moullierenbe &frank obne 211fobol eraeugt, welcbe einen

trefflicben erjat für Cbampagner bieten.

8. eingtantung bet MeinerBeugung bud) Fßeratbeitung ber Seintrauben au.

Veinbeeren ¡mole vermebrte 3ravenbung ber frilcben Beintrauben für ben all.

gemeinen 93erbraucb.

9. 3erbot ber Sinfubr alfobolilrber &Wide aus bem Rfusfanbe.

10. 83er5ot ber Dbjtausfubr ins Rfuslanb.

11. Zas Zafelobjt joU bem beimijd)en Ronjum sugefiifirt werben, bie Beugung von Zörrobft unb KrIarmelabe ift Bu förbern, bas aattoblt ift auterbem

sur Erseugung non Ellig ober als g3i4futter au verwerten. (6ängid)es 93erbot ber

Dbjtmolteraeugung ift anauftreben.

12. as Sabot bet 3era5reicbung von alfobolifchen Getriinfen an Zugenbs

licf)e ift baburcf) lu ltilten, bat; bie auS ber ft3olfslcbule entfallenen Rinber bis

sum vo11enbeten 16. Qebensjalge bur§ bie Gemeinben in enibena 3U haften finb unb allgemein länblicbe aortbiLbungslcbulen erticbtet werben.

Zer energilche Rampf gegen bie 211fobolfeucbe in ben QIIpenränbern ift draw( leiten von cfyttatterreften 971ännern bad) 3orträge .unb Griinbung von SeTeUig. feitsvereinen, bie ibre 911itglieber Bu gängicber ent4altiamfeit verpflicbten. ZIA 3ie1 bie zefteiung bes öfterzeicbild)en 93olfes aus ben ebernen aelleln bes

unfeligen Ziimons VI If obi) 1, unb bud) bas 3ufammenwirfen alter beret, bie

eines guten Mittens pub, mul) es Icbliel3licb unb enblicb bo cf) erreicbt werben.

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BOHM: Gegen den Alkohol im Zeichenunterricht

Abb. 1.

GEGEN DEN ALKOHOL IM ZEICHENUNTERRICHT

WOCHENARBEIT EINER II. BORGERSCHULKLASSE IM ZEICHENUNTERRICHT

- Von Fachlehrer Josef BOHM, Wien

bgeleben bayou, Dab ber %Hobo( wegen ‚einer Die R3olfsgemeinjcbaft be' brobenben igenjcbciften von ¡Omni 2ebrer in jeber ecbulgattung be, banbelt werben rn u b, bietet biejes Gebiet für bie meiiten Unterricbts.

gegenítiinbe berart viel unb intereflanten Gtoff, bab man jicb bieje giinftige Gelegen belt nicbt entgeben Wen barf, mag man in eigener 43erfon bem 911fobolgenuf3 .jo ober fo gegenüberfteben.

Zcb babe ben 91Ifobol 3UZ lelben seit in %edmen unb Zeutich, barna cb im Seicbnen bebanbelt unb babe butnit pie* leine quantitative, ago a abfen: unb mengentnübige a3eb e u tun g , wie er ugungsmenge n, Ronlum, ebalt, 5-torten uftv., unb bie gefilbIsmiibige Geite in ben R3orbergrunb sejcboben. Zn Zeutjcb tourbe Die $e. banblung eingeleitet bur ch but ilufliibe; „Mine tErfe'bniffe mit bem RlIfobol", „Wie kb mir ein 2anD ohne VII1obol vorftette" unb „Was ich mir in bezug auf ben Mfohol für bie 3utunft vornebmea. tfus Dielen 9.Iufjäben wurben Die Orunbgebanfen berausgeboben, gejammelt unb. gelicbtet unb bur' h Swiegeforticbe, Ziftate, Er.

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BOHM: Gegen den Alkohol im Zeichenunterricht

aäblungen unb 2iteraturproben ergänzt, fo baf' wir beim 9fb. fcbrufl unterer 9Irbeit annehmen fonnten, bas ungeheure Eebiet abgetaftet unb für bie nochmalige, griinblichere 93ebanblung im fol. genben Zabre bie itlinien ge. tvonnen au haben. SDbwobl es ttid)t au meinem engeren bema gehört, mu f3 ich bod) bas alles erwäbnen, weií bie 91rbeit bes einen Gegenítanbes bie bes an: beren beeinfluf3te unb befrudytete unb bie Grunblage für bie 93e. 4anbfung im Seicbnen bilben tollte, pima beionbers im Zeutfd). unterricbte burd) 93ermittfung einer groben 301 Miter 93or. ftellungen bewufit barauf binge: arbeitet wurbe. Zar3 bie 91tiffiite fd)on einen Zeil ber 93orarbeiten fürs 3eid)nen burd) Scbaffung von 93orftellungen vorweggenommen haben, mag eine von ben über bas erfte Z‚ema gelieferten vieraig 9frbeiten 3e igen:

Abb. 2.

fleine t I e (In ilie mit bem tiltobol.

33ei unferen äufern gebt bereits alle Zage ein Znualiber vorbei, ber be, trunfen ift. Er ift eigentlid) fein Znvalibe, weit er einen Zag mit ber recbten anb., am anberen Zag mit ber linfen a nb eingebunben gebt. Er bat einen litilitärrocf an, einen 9Rilitärructlact nub einen Stod. Er gebt meiftens in ber atiibe aus unb bettelt bis au 9:Rittag unb bann gebt er aum 3. in bie 93rannt. weinfd)ant unb verläuft bas erbettelte 6elb. 1.1nb feine arau unb bie Rinber müffen 311 taufe hungern. Zer Znvalibe fugelt ¡id) auf ber Strafe im Rot um. einanber, bann wanft er ein Stiictchen wetter, tet fid) nieber nub bricht. mann lebnt er ficf) an tine .2aterne an unb finit plötlicf) aulammen. Unb bas gebt lag für Tag.

Mäbrenb alto in 9lechnen unb Zeutid) bas zetatigungsf eib gleichfam eve: ftecft unb geebnet tvurbe, tam es barauf an, im Seicbrien ben Iltteur 9.11fobot bem luge ficbtbar, in feinen ä u f3 eren Mirfungen auf ben allenid)en unto ¡tine Ilm. gebung, voraufiibren, wobei alles 93raud)bare aus bef vorausgebenben Zebanb. lung beriibergenommen unb für unteren 3wecf erglinat unb fpeaialifiert werben mute.

Zurd) biefe altgemeine Zarlegung ift bet eingejcbragene Meg fcbon gefenn. aeid)net. 9.1ber id) fann es, bevor id) in bie 9Iusfiibrung bes eigentlitten Zbemas eingebe, bod) nicbt unterlaffen, ben 2eitgebanfen berjelben noch bef onbe rs hervoraubeben, weil er, obtoobl oft erprobt, bod) nie au oft wieberbolt werben fann; nämlid): Zer Scbüler fann nur bas aeichnen, was er tveif3, unb

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Abb. 3.

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bic 3eicbnung wirb, um To beffer fein unb um fo weniger Rorreftur erforbern, je Hazer bic 93or. fteffungen finb, heren aeidinerifeben 51fusbrud mart erftrebt. Zaber ift eine griinblirbe Zefpre. rbung bic R3orau5fetung jeber guten 3eicbnung, unb wet ba meint, er babe feine Wufgabe erfüllt, wenn er nad) bet allgemeinen 23orbereitung, wie fie bier ftimiert ift, bic Scbiifer auf. forbert: „.3eitnet einen Zetrun. fenen!", ber wirb eine grof3e nt třiujcbung erleben.

Unb bic 9.1usfiibrung:c.3r babt in ber fetten sea fonief non her T(3irfung bes 9.11fobofs auf ben 9Renfcben gcbiirt, bat es cud) beute firber nicbt frbwer fallen wirb, einen Zetrunfeiven au aeidmen. 91ber wiz =lien trot. bem nitt gfeicb acidmen, fon. bern nod) einmal alles burd). befprecben, woburd) fid) ein Ze. trunfener non einem giiicbternen unterfcbeibet. Vo faun man Unterfcbiebe finben? —3 m 5 cfi ď3 t, a m Ü brigen S ö z p e r, im Tu n. Zias Eel**, ber Spiegel ber Seele, ift im 3uftanbe bet Truntenbeit ¡tart vertinbert. i e LI3 a ngen g Iii b e n, weil bic T,Iutairtufation iibertntif3ig gelleigert ift, beim Gernobitbeitstrinkr iiI bic Rafe rot unb oft angeld)wollen, lints unb recbts von ber Itale gebt ein Toter, mie entöiinbeter Streifen. Tue 9.1ugen baben einen natür li of) en Ela n3 unb cb a uen ft a r r, faft mie bei einem Totcn, weil fie

nicbt gut einftelfen tönnen; bcnn bet 911tobol bebinbert bic Musteltätigteit. Menn ein nurr bart ba ill, To ift et burd) bic aucferigen eftanbteile bes Raullbgetrünfes vertfebt unb hängt in ben gitunb binein.0ft bat ber Teraufcbte eine b u cf) n f3 te 3ig a r re im Vunbe biingen, bet 5u t ¡it t ¡ e f, bie 5aar e 1 in b ver w or r e n. Zer 911tobol ftört ben Efeitgewid)ts. ¡inn, wesbalb ber Zerau¡d)te b i n. unb ber want t. Er verliert aud) bic atibip kit, Entiernupgen ricbtig ab3ujcbiiten unb ¡eine Eustel unb efente barnad) einauftellen, tvesbalb er felbft auf ebenem soben unficber gebt, ftalpert unb bin= fällt, etwa wie wiz, wenn wir in ftoctfinfterer glacbt Her einen Sturaadex geben. Ilnb felbft ba finb wit nod) beffer baran, weil wiz uniere Weber regieren fönnen.

lagen, baf3 ber gtaukb in bic Rnie geht; briber bic fd)lotterigen n e. 914 b i e Izme, Die bas Eleid)getvicbt unterftilten fallen, f cb lent er n

bin unb be r. Zie tý or tbe tv egung ift nicbt fo taftintiBig wie bei uns, fonbern ungeregelt, ftofitveife, bic Scbtitte ungleid) grof3, bie Zeine get pr ei3 t, wegen Erbaltung bes Eleicbgervicbtes. 9:13enn ber 8etruntene fällt, To ¡Kt er un.

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geltidt .unb verletzt fiď läufig im Ge¡itt; er blutet, toi¡tft abet bas 8lut nicht ab,

unit er es nit ¡Ott, henn bie Rerven ¡inb in ifrer Tiitigfeit gefemmt. Oft zer. zeit unb be¡cfmutt er bie Aleiber, lo bat; et einen unorb e nt1 it en Gi n. b ru cf matt; audi besfalb, unit bem rinfer nie lo Diet Gelb bleiben tanu, um Ti gute Rleibung anzultaffen. Senn er einen Gegenitanb mit ¡it fat, etwa einen etod, eine alci¡te, ein 9tab, eine Talte u. be., to gibt er nitt att barati', e r er bri ch t, 3et'tägt, a err ei 13 t altea. Ztienn ein Ttunfener allein geht,

¡o ¡prit er zu fit jelbrt unb ¡taut auf ben 8oben, wilifrenb er mit ben 2Ir m en e turniu c t el t. Oft gehen met ober brei miteinanber; bann čingen fie fit

Abb. 4.

ein, um fit gegenjeitig zu ftiiten, fingen ober uben unb ¡cfreien cafe zugteit, laten taut unb treiben toile, unzerniinftige Sadyn: Sie alten bie Zoriibergefenben an, bejtimpien leblo¡e singe, umarmen 2aternenpflifle u. be. Zit fieft man einen Tau¡cfigen im Straf3engraben liegen ober finter einem baustor unb ItIafen. Zer 9.11fofol matt eben miib unb ¡tiding. — /Me Derfält ¡id) nun ber Zetrunfene ¡einer Umgebung? Gewüfnlit erzeugt ber %Ifofol Streit¡utt, es fommt zu Rauf: *tribal), unb weil bet Wfofol auf) bie aberlegung unmöglich matt, ¡o wit?) ge¡todyn, geltojjen, im Zeirtsfaus mit zierglületn, Stiiffen unb etuflbeinen, auf bet Ociffe mit Steinen unb ettiden zugeleflagen. Za gibt es Dann aid) a3 letzte unb Tote. Zit fommt rettzeitig bie Mate, bie bie 9inufenben ober 91.ufe. pm in ben %Tuft Zas grïtte Ungliid erzeugt aber ber 9.11fctof burcf) 3er¡türung ber ryamilie. Zer Mann fommt in ber 9latt naci) bat*, jcflügt bie arau ober gar bie Rinber unb zertrümmert oft not Einrittungsgegen¡tiinbe. 9Rit

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bon al3onIftanb gent cs bergab, bic Rinber nungcrn, werben mager unb Wirt), genen icblecnt getleibet, 9Jtöbel turbot „verfett", ulebt «greift bet Zob ben Trinter. -- Go, fett arbeitet! neibt es Dann, unb labt club babci von hem 3orn über hic unvernünftigen Ntenften ' nub vom '.21bicneu gegen bas grablicbc Gift leiten. Vabt alit) bas, was cud) babel luftig erld)eint, nitnt void iibernanbnebmen; benn wenn ein altenjcb fid) auf anberc Z13eife vergiftet, wenn er im aieber, im 1.1.3abit nun irre zehrt, leant ibr ja aud) nit*.

Ziefer aus Seobacbtungen aufgebaute 93orfteltungstomplex vom SBetruntenen with im 3wiegefprät mit ben Stlyiilern erarbeitet unb tann ergiinat werben burd)

Abb. 5.

Jeugniffe aus bet 2.iteratur. Zen ermanne ba Os befonbers beaeitnenb bic Stelle aus bem „91benteuerlicben Simpliainimus"*, wo er aum erftenmal 6elegenneit bat, trn baufe feines Dberften einem Gelage beiaumobnen unb Die Ituberungen eins Naufcnes auf fein naives, von ber Rultur nod) nid)t beeinflubtes Gemiit mitten iu Tarim

bab e id) nun bie Genirne fo mit zoritetfungen von torteInDen, fcbreienben, icnimpfenbcn, raufenben, aed)enben Illenfd)en angefüllt, Dann 1)a5en bic Rinber aud) bas unabmeislitne Sebürfnis, Dicier „aiille bet (end)te" fid) au entlebigen, biesmal nicbt burd) Die aeber, fonbern burd) Griffel unb aarbe. Zie 931ilitter finb im Nu verteilt unb an ber $93anb befeftigt, unb halb taucben bier unb bort bie ilmriffe Der Seftalten auf. Es gelingt nid)t jebes Tbema gleicb gut, aucb menn

* „Zer abenteuerlid)e Simpliaius Simpliaiffimus" von b. 3. 0.7br. von Wrimmelsbaulen. Zeutfter Zerlag für Zugenb unb zolt. 03ien 1924.

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MilrigiVidgUA*11

7 r..ii.ttelivithil:4:11ilir.

Abb. 6. .

man glaubt, es griinblid) vorbereitet au baben. b es abet gelingt, jiebt matt

iton baran, wie bie Rinber an bie 9.1rbeit geben. jt es gegliidt, ben Stiller gaits für ben Gtoif 3U begei¡tern, To Fitt ibn bie tiinjtlerilche ntuition bie Viberipen¡tig,,

feit ber 5 anb unb bes 9Bertzeuges überwinben unb vergeiien. 91un arbeitet bas Oefiibf unb 5 anb unb Sertaeug geben unbewutt mit, aumal es bit! Rinbet ¡ton erlebt baben, bat bie 9.Irbeit eines jcbmaten Scitiilers bie biid)¡ten fgen

ban* bat. $3enn aber einmal Der Entrant' geboren i¡t, bann i¡t ber widttigite

Teil ber t nülerift en Gate bet 9.1rbeit erlebigt, unb bas Selbitgefiibl Cr

leibet burd) bie Rorrettur feinen Eintrag mebr. Zas i ¡t e i n 23 emeis bat ü r, bat Zotjtellungsaeicbnen aud) auf ben baberen stufen bes Unterricbtes ¡eine 53etettigung bat. Es ig nicbt wabr, bat auf biejen aufen ber 3taie¡patt ataijcben Der lájon geläuterten Zoritellung unb bem banbliten Unvermögen ein befriebigenbes 91e¡ultat unmöglicb matt, es ‚ei

benn, bat man jebes naive Gcbaffen burd) Ungeltid ober planmätig unterbriidt, bat man bem Rinbe ben 3olltommenbeitsglauben, Der Zorausjetung für jebes probuttioe 3 eicfmn i¡t, genommen bat.

Zie paar 91rbeiten, Die id) bier vorlegen tann, ¡often nun Beigen, was au aeigen ift. Zai; bi ed)iiler nicbt nut von ber %ufgabe nott epadt morben ‚mb, jonbern bat fie ant bie an fie gelteliten 9.Inforberungen au erfiillen Dermocbt baben. %Iterbings tann mit einer 9.1ustnabl von 3eicbnungen nitt bewieten werben, bat beinabe Ole in ber Zorbejprecbung entbattenen Eebanten verwertet worben ‚mb. (Tiejen Beweis babe id) aber im Vibagogilten n¡titut, %ork¡ung Ritarb fl o t e, "Oren tönnen, wo id) bie ganze Rtaj¡enarbeit voraufübren Eelegenbeit batte.)

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Tie 2Ib5. 1 Beigt Znpen, wie fie als Zegleiter on Seinfobriterfen aus 9.)liftelb cub , ja jogar etintenbriinn unb Vailberg biters auf bet Zriinner Etrae auf tem gege nod) 2:Bien ober 3uriict beobacbtet werben tönnen. Wild) ber norteilbafte `Ibjd)luf; bes At:n*5 einer lanbroirtfcbaftlidyn 9:italcbine in aloribsborf ober Zieblersborf läft mandmial WI* .3ultänbe wie bie bier wiebergegebenen aus. 21bgeleben von ber wobigelungenen Aleibung tönncn bie lönbtiben Eefid)ter taunt treffenber getennvitnet werben.

Wbb. 2. %ate norbin, ift aucb bier ber $3ertreter einer beftimmten eTctl icbaftsflaffe vorgefiibrt, unb wie bort ber bintergrunb bas U1itieu ber geld)ilberten 13erfonen angibt unb aur Eborafterijierung beiträgt, To Linn bier bie nacb ibrer kteibung mit bem roten Eiirtel als nicbt lebbafter Znbuftriearbeiter erfennbare Geftalt gar nicbt von beru intergrunbe getrennt werben.

9.1b5. 3 ift bie 21rbeit bes fcbwäcbgen 3ei#ers in ber Ric*. 1)ie 3eicfpung ift tron allen Mangan für ben ecbiiler ein Erlebnis unb GIP) für ibn von grobem inneren nerte. Zrgenbeine fogenannte Seidmitng nad) ber %atilt wäre biefem

fid)er nur [Cotter gelungen unb bätte ibn innerlid) überbaupt nt berübrt.

9,165. 4. IN* 3eidmung ift in jeber Dint*, lowobl was Die &tent' Zers hültniffe als and) bie Ebaratteriftif betrifft, als voll gelungen Bu beseicfmen. Tie 1Beichbeit ber Rniebewegung, bas Dintaften an ber 9Banb, bet ausgeprägte (5es ficbtsausbrucf, bann au cb bie ai gur bes Eacbmannes Beigen eine Reife ber Sobs acbtung unb eine Gicberheit in ber Tedmif, bie weit fiber Die 2ebensjabre bes SO)iilers binausweifen. Ter Gefid)tsausbrud bieles Vannes bringt bie Xragif

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Abb. 8.

SCHWARZ: Die Straße bei Nacht

bes Oewobnbeitstrinfers Did bejjer 5urn tuohrucf als Ibb. 6, wo her

Zob in eigener Iktion auftritt. 3cigt in ben Stuntmen

jebr gut hie butt biittfige MmHg craielte Aiihnbeit in ter $infel. fiibrung. P.eiber verlagt fie bort, wo OEtnebr aeinbeit verlangt with,

in ber Zetailausfilbrung, bier bejonbers bei ben Wugett temerfbar.

WEAL 6. Zie Zbee mit bent 3u.

failenben Zob ift nicbt neu. Sjerfunft tieîj fid) nit* fejthellett,

wesbalb es awl) ¡elite eigene (fr. finbung lein !Biotic.

Wbb. 7. Zet jtattet

ben Zeraulibten mid) '.2Irt ber

tiolfsfunft mit mbolen aus (ailett unb alafte), in bem

rangi bic Cbarafteriltif 3u tier.

volltommen; aucb in her lInfiterbeit, ob ibm bic Oiejtalt gut

genug gelingen with. 91bb. 8. Wut bier ift bit! %O.

gabe Kr gut gelififi. Zie Ziellungen

ber . einelnen &Patten, bic %efleibung, bic gute Zurtftibrung ber Bablreiten 'fiber.

jcbncibungen unb bie ftarf getenimeitneten Knjitter fallen Talent nerinuten,

bas fit out fton bei anbeten Wrbeiten betabrt bat.

(Zit Grbbe ber Wrbeiten ift ein Wcbtelbogcn 43adpapier. Wusjiibrung:

folorierte abet 91ebisfeber3eitnung.)

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Projektberichte aus dem Lty.vig Boltzmann-Institut far Suchtforschung zum Selbstkostenpreis.

Irmgard Eisenbach-Stangl und Arno Pi1gram:

Zum Behandlungsgedanken im Strafrecht — Folgen und Probleme der Suchtgiftgesetz- • novelle 1980.

Band 1: Helfen und Strafen: Rollenkonflikte von Staatsanwälten, Amtsärzten, Drogen-arbeitern und Lehrern bei der Anwendung des Suchtgiftgesetzes 1980. 173 Seiten, öS 100,—

Band 2: in Druck.

Band 3: Der Konflikt zwischen Therapie und Strafe. Das Suchtgiftgesetz aus gesund-heitspolitischér Sicht.

76 Seiten, öS 60,—

Alfred Uhl, Friedrich Maritsch und Alfred Springer:

Band 1: Berufliche Rehabilitation von Drogenabhängigen und Drogenkonsumenten. 240 Seiten, öS 200,—

Band 2 - 4: Datenbände zu Band 1 (die wesentlichsten Daten sind.in Band 1 ent-halten).

Bestellungen bei: Ludwig Boltzmann-Institut far Suchtforschung, 1237 Wien, Mackgasse 7-9, Tel. 0222/ 88 25 33, Serie /Frau Schönthaler

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BIBLIOGRAPHIEN ZUM VERHALTENSTHERAPEUTISCHEN TRAINING

UND ZUR HERZ-KREISLAUF-ERKRANKUNG

Die Zentralstelle für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) hat im Juni ihre Reihe "Bibliographien zur Psychologie — Litera-tur aus den deutschsprachigen Ländern" erneut um drei Bibliographien

ergänzt: No. 23. Verhaltenstherapeutisches Training sozialer Kompetenz

— No. 24. Verhaltenstherapeutisches Training für Raucher, Ubergewichti-

ge und Stressgefährdete — No. 25. Herz-Kreislauf-Erkrankung (Doppel-band). Die Bibliographien enthalten Kurzreferate aus der Literaturdaten-bank PSYNDEX zu Zeitschriftenaufsätzen, Büchern, Sammelwerksbei-trägen, Dissertationen und "grauer Literatur". Die Bibliographien, die direkt bei der ZPID, Universität Trier, Postfach

3825, 5500 Trier bestellt werden können, kosten DM 15,-- (No. 23 und

No. 24) bzw. DM 20,-- (No. 25).

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V..F„F..„L- ÁL101.710L-:_.

HARRY GENE LEVINE

Das ,gute Geschöpf Gottes" und der „Dämon Rum"

ALFRED SPRINGER

Wie die junge Psychiatrie den Teufel Alkohol austreiben wollte

IRMGARD EISENBACH-STANGL

Trunkenheit, Trunksucht und Vernunft

JOSEPH R. GUSFIELD

Die Pathologisierung alkoholisierter Fahrzeuglenker

HANNS VON HOFER und LEIF LENKE

Alkohol und traditionelle Gewaltkriminalität

TEUVO PE LTONIEMI

Alkohol und Gewalttätigkeit in der Familie

x

1NA GZ-1 1,00.ISCHE 1986/J9. 13;4

Heft #0/51 N. •

ALFRED UHL und FRIEDRICH MARITSCH

Alkohol und Verkehrsunfälle

REZENSIONEN

Preis: öS 140,—

Bestellungen bei: Ludwig Boltzmann-Institut f. Suchtforschung A-1237 Wien, Mackgasse 7-9 Tel.: 0222/ 88 25 33, Frau Schönthaler

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Sohrtftenreihe dos Ludwig Boltzmann-Institutes far Suchtforschung Band 1

Alkoholismus In Österreich

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Alkoholismus und Drogenabhängigkeit

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Schriftenreihe des Ludwig Boltzmann-institutes für Suchtforschung Band 3

Suchtverhalten und Geschlechtlichkeit Medizinische, psychologische und soziale Aspekte

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Schrittenrelhe des Ludwig Boltzmann-Institutes

für Suchtforschung Band 4

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Österreichische Trinksitten '

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I. Eisenbach-Stangl/W. Stang! (Hrsg.)

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Die Psychotherapie des Alkoholismus

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Wien, 1983 / öS 480,—

Opladen. 1984 / öS 350,— Göttingen, 1984 / 8S 238,..

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Die "Wiener Zeitschrift für Suchtforschung" wird geführt in:

Dokumentation Drogmissbruk Excerpta Medica Journal of Studies on Alcohol Psychologischer Index PSYNDEX