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Gabriele Beßler Wunderkammern Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart Zweite, erweiterte Auflage Reimer

Gabriele Beßler Wunderkammern - Dietrich Reimer Verlag ... · Wunderkammern Weltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart Zweite, erweiterte Auflage Reimer ... Der.Illusionär.–.Pater.Athanasius.Kircher

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Gabriele Beßler

WunderkammernWeltmodelle von der Renaissance bis zur Kunst der Gegenwart

Zweite, erweiterte Auflage

Reimer

001-004 Titelei.indd 3 12.01.2012 14:27:41 Uhr

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Lektorat: Verena Feltes, Lydia Fuchs, BerlinLayout: Nicola Willam, BerlinUmschlaggestaltung: Christoph Hegger, Stuttgart, unter Verwendung der Abbildung:Fabian Baur: Die Versuche, Installation 2006 (180 x 350 x 250 cm / Bücher, Video, 2 min. Loop)

1. Auflage 20092. Auflage 2012E-Book 2014© 2014, 2012, 2009 by Dietrich Reimer Verlag GmbH, Berlinwww.reimer-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten

ISBN 978-3-496-03000-3

Die Dinge suchen ihren Dichterund wollen auf uns bezogen sein Ernst Bloch

Für Joachim

Inhalt

VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..9

RAUMFINDUNG WUNDERKAMMER. . . . . . . . . . . . . .11

Historische Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .14Wissenschaftliche.Rezeption.und.Rekonstruktion.im.20 ../.21 ..Jahrhundert .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .17Vom.perspektivischen.Sehen.zum.Raum . . . . . . . . . . . . . . . .19

Kurzer Spiegelblick: „KunstRaum Wunderkammer“ in Stuttgart . . . . . . . . . .21Sebastian.Hannak:.„Hinter.dem.Spiegel“.. . . . . . . . . . . . . . . .24

BÜHNENRAUM WUNDERKAMMER . . . . . . . . . . . . . .27

Das Entrée . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .30Ein.Korallenkabinett.des.16 ..Jahrhunderts.in.Ambras. . . . .30.Joseph.Cornells.Kleinkosmos.„Unicorn“.von.1960. . . . . . . .34Welt-Bilder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .35

RÜCKBLICK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .38

Der Raum als Vision (15./16. Jahrhundert). . . . . . . . . . . . . . .40Das.Studiolo.Herzog.Federicos.III ..von.Montefeltro.in.Urbino. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .40Studiolo.und.Grotta.der.Isabella.d’Este.in.Mantua. . . . . . . .47Der.Raum.dehnt.sich.nach.innen.aus .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .55Die.Villa.Paolo.Giovios.am.Comer.See. . . . . . . . . . . . . . . . . .55

Zellen (16. Jahrhundert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .58

Künstler-Schöpfer,.Inventoren.und.Gelehrte.zwischen.Kunst.und.Natur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .59. Was.sind.Wunder? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .65.Laboratorien.des.Sehens.und.durchkreuzte.Blicke. . . . . . . .66

Verdichtungen im deutschsprachigen Raum (Anfang 16. Jahrhundert). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .72Patrizische.Kammern.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .75. Zum.Begriff.Kunst-.und.Wunderkammer . . . . . . . . . . . . .78Die.herzogliche.Münchner.Kunstkammer. . . . . . . . . . . . . . .81. Das.Ideal.des.Samuel.Quiccheberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . .85

Die Welt in der Kammer (16./17. Jahrhundert). . . . . . . .88

Ambras.und.Ferdinand.II ..von.Tirol .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .. .89Platons.Höhle.in.Ambras. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .99Die.Kunstkammer.Kaiser.Rudolfs.II ..und.das.verborgene.Wissen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .104. Kurzer.Spiegelblick:.Alexander.Rogl.–.Multiskope. . . . .107Nachhall:.Stuttgart,.Gottorf,.Bevern . . . . . . . . . . . . . . . . . . .109

Die Vision im Raum (17. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .114

Der.Kaufmann.Philipp.Hainhofer.und.sein.„Gustav-Adolf-Kunstschrank“. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .117. Vom.Automaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .121.. Kurzer.Spiegelblick:.Jang-young.Jung.–.ein.Beobachten. . .123Der.Illusionär.–.Pater.Athanasius.Kircher.und.seine.katoptrischen..Maschinen. . . . . . . . . . . . . . . . . . .127... Vom.Spiegel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .129Die.Ambivalenz.von.Kunstschrank.und.Maschinen. . . . . .136

PERSPEKTIVWECHSEL . .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .138

Von der Universalsammlung zum künstlerischen Blick der Gegenwart .. . . . . . . . . . . . . . .140Der.Anfang.vom.Ende.der.enzyklopädischen.Wunderkammer.. . . . . . . . . . . . . . . . . . .140Forchtenstein.und.Halle.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .145. Kurzer.Spiegelblick:.Christoph.Frick.–.. Der.Missionskoffer.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .148Räumliche.Weltbilder.in.der.Kunst.des.20./21..Jahrhunderts.... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .149

SPIEGELBLICKE – „KUnSTRaUm WUnDERKammER“ In STUTTGaRT (21. Jahrhundert) .. . . . . . . . . . . . . . . .156

Der Raum als Vision II .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .158Preview.… Eberhard.Weible . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162Thorsten.Hallscheidt:.„Nicht.hier,.nicht.jetzt“... . . . . . . . . . . . ..162Daniela.Ehemann:.„Misstraue.der.Idylle“... . . . . . . . . . . . . ..165Studierende.der.Stuttgarter.Akademie.der.Bildenden.Künste:.„Studiolo.1–6“:.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..168Dominik.Handschuh.–.Martina.Geiger-Gerlach.–.Jang-young.Jung.–.Yvonne.Dieterle.–.Fabian.Baur.–.Lena.Röth.und.Philip.Mercier

Zellen II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .171Valérie.Graftieaux:.„Genius.loci./.L’esprit.du.lieu“.. . . . . . ..172Boris.Nieslony:.„,Das.Paradies‘.–.dem.Sehen.voraus“.. . . ..173Ira.Marom:.„Brennend.und.doch.nicht.verzehrt“.. . . . . . ..177

Verdichtungen II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .179„Kammerstücke“.u..a..von.N..Borowsky,.S..Fukushima.. . ..180Kölner.Kästchentreffen.und.Freunde:.„Korrespondenzen“.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..182Susanne.Kutter:.„Big.Apple“ .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..184Annette.Krauss.und.Lili.Scholtes:.„Vermutungen.zur.Planlosigkeit“ .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186

Die Welt in der Kammer II .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .189Eva.Teppe:.„Paare.Passanten“ .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190„Theatrum.mundi“.–.Michael.Wolgemut,.Wilhelm.Pleydenwurff,.Peter.Sauerer... . . . . . . . . . . . . . . . ..190...

ZONE.8:.„Oh.Heimat,.liebe.Heimat“ .. . . . . . . . . . . . . . . . . ..192

Die Vision im Raum II.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .195

Gabriele.Horndasch:.„Guckkasten.(Taucher)“.. . . . . . . . . ..196Matthias.Beckmann:.„Bildkästen“.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..196Ivo.Weber:.„Johannes,.eine.Taufmaschine“ .. . . . . . . . . . . ..198

anHanG .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

Die.beteiligten.KünstlerInnen.im.KunstRaum.Wunderkammer.auf.einen.Blick. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .207Kunst-.und.Wunderkammern.in.neuen.Visionen.. . . . . . .208Verzeichnis.verlorener.und.rekonstruierter.Kunst-.und.Wunderkammern.(Auswahl)... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215

Glossar.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .233Abbildungsnachweis. .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .235Literatur... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .241Register .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .247

BÜHnEnRaUm WUnDERKammER II .. . . . . . . . . .200

Finissage .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .202Multiple.Choice:.„Unica.revisted“.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..202Maria.Grazia.Sacchitelli:.„Präsenz“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203In-der-Welt-sein.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..204.

VORWORT

Kunst- und Wunderkammern waren nicht nur Sammlungen, sondern visuelle Reflexionen und lyrische Interpretationen der Weltaneig-nung. Da so gut wie keine Wunderkammer aus der Zeit bis zum späten 17. Jahrhundert original erhalten ist, können wir heute bes-tenfalls ahnen, wie Welt damals komponiert bzw. verstanden wurde – als Ausschnitt, wo-mit jeder einzelne Sammlungsgegenstand der Kunst und aus der Natur gewichtig war, oder doch eher als inszeniertes Ganzes?Zwar ist das gesteigerte Interesse an diesen frühneuzeitlichen Sammlungsräumen in den letzten Jahren evident, aber nur ganz weni-gen Rekonstruktionsversuchen der jüngeren Zeit im deutschsprachigen Gebiet sind über-zeugende Annäherungen gelungen.

Dieses Buch unternimmt den ungewöhn-lichen Versuch, Wunderkammern nicht als eine Ansammlung von – wenn auch mitun-ter höchst staunenswerten – Kuriositäten aufzufassen, sondern als Wahrnehmungs-phänomen. Hier erfolgt die Annäherung von einem ganzheitlichen Standpunkt aus: Welche grundlegende Rolle spielte die Konstituierung des Raums bei der Kontextualisierung der Ge-genstände aus Kunst und Natur?

In die Gegenwart führt der gleichzeitige Blick auf die aktuelle Kunst und ihre unter-schiedlichen Medien: Dokumentiert werden insbesondere 30 Installationen und Envi-ronments, die während der eigens initiierten Ausstellungsreihe „KunstRaum Wunder-kammer“ in Stuttgart realisiert wurden und den Aspekt der mikrokosmischen Weltspie-gelung aufgegriffen haben.

Zwischen den historischen Kunst- und Wunderkammern einerseits und den künst-lerischen wie gelungenen musealen Insze-nierungen des 20. bzw. 21. Jahrhunderts an-dererseits werden Parallelen visualisiert: Auf zwei Einleitungskapitel folgt der historische

Rückblick mit den jeweiligen Titelbildern auf der linken Seite. Auftakt ist „Der Raum als Vision“. Mit dem Großkapitel „Perspek-tivwechsel“ erfolgt dann eine Strukturände-rung, indem sich nun die Abbildungen zu Beginn eines jeden Kapitels spiegelnd nach rechts verlagern, insbesondere im darauffol-genden „Spiegelblicke“-Großkapitel – hier mit „Der Raum als Vision II“ als Auftakt –, das sämtliche Reflexionen im KunstRaum Wunderkammer dokumentiert. Historie und Moderne werden so mittels des (räumlichen) Wahrnehmens gleichsam kurzgeschlossen.

Der Anhang dieser 2. Auflage wird nicht nur durch einen Überblick über historische Kammern bzw. deren Rekonstruktionsbemü-hungen (etwa Landshut oder Zittau) ergänzt – das anhaltende Interesse an der Wunderkam-meridee spiegelt sich darüber hinaus in einem knappen, essayistischen Überblick zwischen-zeitlich realisierter bzw. in Planung befindlicher Kammerinszenierungen (s. S. 208ff.) wider: Die ‚konfrontativen‘ Konzepte von Raum und Idee, Inszenierung und Objekt finden, wie bereits im Modell ‚KunstRaum Wunderkammer‘ um-gesetzt, auch im musealen Kontext spannende und tragfähige Varianten. Insbesondere Gegen-überstellungen von historischen Kunstkam-merstücken mit aktuellen künstlerischen In-terpretationen sind in öffentlichen wie privaten Einrichtungen immer häufiger zu beobachten – nicht zuletzt dank Sammlern und Museums-kustoden, aber insbesondere auch den Künstle-rinnen und Künstlern, die nach wie vor die Idee der Wunderkammer mit Leben erfüllen.

Für die freundliche Zusammenarbeit bin ich dem Reimer Verlag Berlin mit dem Team um Frau Beate Behrens und Herrn Ben Bauer ungebrochen verbunden.

Gabriele BeßlerStuttgart, im Oktober 2011

Raumfindung WundERKammER

Historische Einführung

Als Herzog Ferdinand Albrecht von Braun-schweig-Lüneburg in den 1660er Jahren Schloss Ambras in Tirol besuchte, sah er „die raristen sachen von der welt“ und zeigte sich in seiner wenige Jahre später gedruckten Reisebeschrei-bung „Wunderliche Begebnussen“ etwa von Vo-gelbildern beeindruckt oder von „so ein Mensch, der von natur auf dem bauche mus liegen, die beede arme u. bein zusammen auf dem rüken gewachsen, mit den zähnen gemacht“, und von einem Hirschgeweih mit 18 Enden, „so durch einen dicken baum gewachsen“. Die Kuriosi-täten und Besonderheiten waren ohne Zahl in jener um 1565 gegründeten größten Wunder-kammer nördlich der Alpen, die zu besuchen damals für reisende Gelehrte und Adlige zum Pflichtprogramm gehörte. Indessen brauchte sich Ferdinand Albrecht, der in Schloss Be-vern bei Holzminden selbst eine ansehnliche Kunst- und Wunderkammer eingerichtet hatte, hinsichtlich der Ausgefallenheit seiner Ex-ponate kaum hinter Ambras zu verstecken. Gehörten doch neben „Ein Paradeiß-Vogel“ oder „Zwey große Straußen-Eyer“ ein zer-sprungenes Hufeisen dazu, „welches sich anno 1668. den 30 Julii […] ein Jude und Li-nientänzer im Schloßplatz durch 2. starcke Schmide gantz neu auff der Brust entzwey schlagen lassen“ („Sonderbahre Andächtige Gedanken“, 1677, zit. nach Bepler, S. 124). Auf solchen und ähnlich lautenden Beschrei-bungen gründet heute noch vielfach der Ruf frühneuzeitlicher Wunderkammern: Es han-dele sich um skurrile Sammlungen prunk-süchtiger Potentaten oder aber merkwürdige Auswüchse einer primitiv-wundergläubigen Weltsicht, so argumentieren die einen und am anderen Ende der Skala jene, die in diesen Einrichtungen kulturhistorisch bedeutende Frühformen heutiger Museen sehen. Ähn-lich divergierend wie die allgemeinen Kennt-nisse über das Sujet sind auch die seit einigen

Jahren zu beobachtenden wissenschaftlichen Reflexionen zum Thema, weswegen sich we-der Begriff noch Sinn der Wunderkammer ohne weiteres auf einen Nenner bringen las-sen. Nach wie vor herrscht latente Neugierde an den im 16. Jh. aufgekommenen und mit der Aufklärung endgültig aus der Mode gera-tenen Einrichtungen: Neugierde bzw. curiosi-tas gehörte einst zu einem der Hauptauslöser für ihre ‚Erfindung‘ im Zeitalter der Weltent-deckung.Die Erscheinungsformen von Wunderkam-mern sind auch in der Gegenwart vielfäl-tig, sowohl in der realen Welt aber auch im virtuell-vernetzten, über das Monitorfens-ter erfassbaren Internet, das das archaisch scheinende Sammlungsprinzip der Wunder-kammer in spezifischer Weise fortführt. Nur selten bahnen diese Varianten allerdings ei-nen gangbaren Weg zu den Ursprüngen des Phänomens.

Die inflationäre Nutzung des Begriffs steht konsequenterweise häufig in Korrela-tion mit einem überaus nebulösen Verständ-nis desselben – es kann also nützen, dem Phä-nomen auf den Grund zu gehen. Bald schon eröffnet sich hinter dem verheißungsvollen, rätselbergenden Wort eine (historische) Be-deutungsvielschichtigkeit, die sowohl in der Spurensuche spannend ist wie auch in ihrer gegenwärtigen Relevanz. Wunderkammern, soviel zeichnet sich schnell ab, waren und sind eben nicht nur disparate Sammlungen, sondern visuelle Reflexionen und lyrische In-terpretationen der Weltaneignung.

Ihre Blütezeit hatten Kunst- und Wun-derkammern im frühneuzeitlichen Europa, insbesondere in deutschsprachigen Gebieten – wobei unbekannt ist, wann genau der Be-griff „Wunderkammer“ erstmalig aufkam. Er muss aber in der Mitte des 16. Jh. wohl als geläufig gelten, taucht er doch in mindestens zwei Inventaren bzw. Beschreibungen aus der Zeit auf („Wunderkamer“ / „Wundercamera“).

Monitor mit Desktopmotiv

14 Raumfindung WundERKammER

Abb. S. 12Hans Vredeman de Vries: Opera Mathematica, 1614,Perspektivzeichnung Abb. S. 13 Blick in den noch leeren Wunderkammer-Raum Stuttgart, 2003 vgl. S. 158ff.

15

Mitunter und parallel begegnen aber auch Bezeichnungen wie Thesaurus, Museum, Studiolo oder – bereits zu Beginn jenes Jahr-hunderts und der inszenatorischen Intention dieser Schausammlungen besonders nahe – theatrum oder theatrum sapientiae (Thea-ter des Wissens). Ebenso präsent war jedoch auch bald die Bezeichnung Kunstkammer. Die Zuordnungen sind allerdings selten spe-zifisch, so dass etwa „Kunst“ und „Wunder“ auch schon mal ein und dasselbe Phänomen umschreiben. Die weitgehende Durchset-zung des Begriffs Kunst- und Wunderkam-mer in diesem Kontext spiegelt den Aspekt der hierarchielosen Gleichrangigkeit, wo-nach sowohl die natürlichen wie die künstli-chen Objekte im selben Rahmen präsentiert wurden.

Die Form des Zurschaustellens entspross in seiner Grundkonzeption dem Spätmittel-alter. Insbesondere der Hochadel und das prosperierende Bürgertum nördlich der Al-pen richteten zum Zeichen ihres herrschaft-lichen Anspruchs und /oder als Zeugnis ihrer humanistischen Bildung Sammlungsräume, im Sinne von Kleinkosmen ein, die den Ma-krokosmos spiegeln. Mit dem Ziel einer ins-gesamt möglichst vollständigen Enzyklopädie stellte zwar jedes einzelne ausgewählte und präsentierte Objekt einen ungewöhnlichen Solitär dar, der aber doch in materieller – vielfach allein durch die Art seiner Anord-nung – und in symbolischer Korrespondenz zu den angrenzenden Dingen stand: Strau-ßeneier neben kunstvoll gedrechselten fili-granen elfenbeinernen Wendelgängen oder Contrefaitkugeln. Im Gegensatz zu früheren Sammlungsgepflogenheiten, als man kostbare und seltene Gegenstände auf Reisen oder bei Ortswechseln von Residenz zu Residenz, in Kisten verpackt, mitgeführt und nur tempo-rär gezeigt hatte, bekamen sie nun in Studier-zimmern (etwa in der Münchner Residenz, einst „Tennelein“ genannt) oder größeren

Kammern einen eigenen, festen Ort. Sie ge-rieten somit zunächst, zumindest räumlich, in geordnete Verhältnisse. „Ordnung wird als ein analogisches Prinzip verstanden; nicht der Maßstab makrokosmischer oder mi-krokosmischer Dimension ist entscheidend, sondern allein die Reproduktion und Wah-rung der im Schöpfungswerk eingeschrie-benen, perfekten Ordnung. Erst eine solch analogische Anbindung der Kunstkammer an das Schöpfungswerk entlastet die Samm-lungen von dem Vorbehalt, nicht mehr als eine additive Reihung von Objekten zu sein“ (Siegel, S. 159).

Ein weiterer Ordnungsaspekt hat zur Ausbildung der Kunst- und Wunderkam-mern geführt: Hier fanden die Dinge ihren Platz und wurden damit auch im Bewusstsein bzw. Gedächtnis des Besitzers und Initiators (dem Inventor) sowie seiner Besucher ver-ankert. Damit manifestierte sich gleichzeitig die Machtposition hochadliger Gastgeber, wie etwa der Dynastie der Habsburger, die über die prächtigsten Räume verfügten und somit ihre Sammlungsbesonderheiten in ein angemessenes architektonisches Ambiente einbetten konnten: Hier herrschten sie über ein symbolisch überhöhtes, nunmehr über-schaubares Miniaturreich.

Mit der räumlichen Verstetigung der Samm-lungen war die Zurschaustellung weltlicher Macht nun in eine individuell zugeschnit-tene, programmatische Ästhetik integriert. Der Wert einzelner Sammlungsgegenstände ergab sich entweder aus einer unverwechsel-baren Geschichte (z. B. ihrer Herkunft), deren Sinn sich bisweilen durch die Ausstrahlung magischer Kräfte vermittelte, oder sie waren als Exotica wegen ihrer Seltenheit weithin unbekannt und galten deshalb als wunder-bar. Mit wundertätigen Kräften versehene „6 maltesische Natternzungen“ (Haifischzähne), von denen das Prager Inventar des Habsbur-ger Kaisers Rudolf II. kündet, waren ähnlich

Historische Einführung

wertvoll wie „ein categismus der im feuer gewest und nicht verbronnen zu Döttingen“, den das Kunstkammerinventar des hohen-lohischen Fürstenhauses im südwestdeut-schen Kirchberg des 17. Jh. aufführt. Ebenso kostbar konnte ein „Skeleton vom Frosche in einer Schachtel“ sein, wie es das Verzeichnis der Bevernschen Kunstkammer von 1687 festhielt. Den Status einer Reliquie – ver-gleichbar mit den Kostbarkeiten kirchlicher Schatzkammern, in denen die ältesten Wur-zeln privater, profanierter Wunderkammern erkennbar sind – konnten noch im 18. Jh. ursprüngliche Alltagsgegenstände wie etwa eine kleine silberne Schuhschnalle erhalten, welche „ietzt regierende Königliche Majestät im dritten Jahr ihres alters verschlungen und erst nach drei Tagen wieder von sich gegeben haben sollen“; sie wurde in der Berlin-Bran-denburgischen Kammer verwahrt.

Grundsätzlich fehlt uns allerdings etwas Wesentliches, um Kunst- und Wunderkam-mern in ihrer abbildhaften Anschaulichkeit – als Analogon der göttlichen Schöpfung, des Makrokosmos – nachzuvollziehen oder wirk-lich authentisch zu rekonstruieren: Es existie-ren zwar Beschreibungen und Reiseberichte, also durchaus ergänzende Quellen zu Inven-taren, aber keine bildlichen Zeugnisse von der Ausstattung einer weiteren, wesentlichen Wurzel frühneuzeitlicher Wunderkammern: den italienischen Studioli und deren Varian-ten. Keine dieser ist in unverändertem Zu-stand erhalten geblieben, ebenso wenig ihre nordalpinen Ausformungen des 15. /16. Jh. Es gibt also keine analogen Zeugnisse dieser frühen Kunst- und Wunderkammern, die sich unter diesem – heute internationalisier-ten – Begriff in dieser Phase vermutlich stil-bildend im süddeutschen Raum konturierten und bald im gesamten deutschsprachigen Gebiet (inkl. Niederlande) etablierten.

In den meisten Fällen geben Inventare zwar Aufschluss über den ursprünglichen

Bestand der frühen patrizischen bzw. fürstli-chen Kammern und Sammlungen, selten aber über das Arrangement der Objekte und somit also über den Gesamteindruck der Räume. Bis zum 17. Jh. wird es keine Darstellung von Kunst- und Wunderkammern geben, zumin-dest ist keine erhalten. Erst mit der Drucklegung von zuvor handschriftlichen Inventaren tauchen – allerdings vermutlich idealisierte – Wunder-kammereinblicke auf. Gleichzeitig erheben die Niederländer Sammlungsinterieure, meist im Rahmen der Stilllebenmalerei, zum Bild-gegenstand. Doch auch wenn sich in ihrer räumlichen Zuordnung einigermaßen auf-schlussreiches Inventar- oder Archivmaterial erhalten haben sollte, so ist auch dann eine (nachträgliche) Projektion kaum als authen-tisch zu bezeichnen, wenn die einstigen bau-lichen Zusammenhänge verschwunden sind. Vielfach war es so, dass Sammlungen mit ih-ren Pretiosen und Objekten – nach Material unterschieden oder schon früh in die Katego-rien „Naturalia“ (unbearbeitet) und „Artifici-alia“ (z. T. ebensolche bearbeitet), „Mirabilia“ oder „Exotica“ unterteilt – zwar noch den verschiedenen familiären Erbteilungen Stand gehalten hatten, spätestens im Zuge der Auf-klärung aber auseinander dividiert wurden und in Spezialmuseen aufgingen.

Mit den sich zeitgleich entwickelnden spezialisierten Wissenszweigen ab Beginn bzw. Mitte des 18. Jh. beschäftigten sich auch zunehmend Forscher spezifischer Disziplinen mit den für sie relevanten Objekten. Entge-gen der Natur der Wunderkammern wurden Sammlungsgruppen isoliert, deren einzelne Objekte sich einst in durchaus asynchroner Nachbarschaft und gewissermaßen gegen-läufiger Thematik zu artfremden Materialien und Gegenständen befanden. Der einstige räumlich-ideelle Kontext, der die Besonder-heit solcher enzyklopädischen Sammlungen ausmachte, geriet spätestens im Verlauf des 19. Jh. in Vergessenheit.

16 Raumfindung WundERKammER

17Historische Einführung

Wissenschaftliche Rezeption und Rekonstruktion im 20. / 21. Jahrhundert

Erst 1908 hat der Wiener Kunsthistoriker Ju-lius von Schlosser das Phänomen dieser in-szenierten Sammlungskammern wieder der Versenkung enthoben. Damals erschien sein Standardwerk „Die Kunst- und Wunderkam-mern der Spätrenaissance“, doch zumindest hinsichtlich der deutschsprachigen Literatur, folgten darauf nur ganz sporadisch Veröf-fentlichungen. Es dauerte bis zum Beginn der 70er Jahre bis man sich intensiver mit der Entwicklung der frühmodernen Kam-mern beschäftigte, vor allem in der englisch- und französischsprachigen Literatur. Innerhalb der deutschsprachigen Forschung verbindet man eine der ersten interdisziplinären Un-tersuchungen des Phänomens kurioserweise wiederum mit einem Kunsthistoriker, nämlich mit Horst Bredekamp. Hinter dem Titel seiner 1993 publizierten Untersuchung „Antiken-sehnsucht und Maschinenglauben“ verbirgt sich gleichzeitig ein Ausblick auf „die Zukunft der Kunstgeschichte“. Die Studie betont u. a. die Vernetzung der Dinge in einer Kunstkam-mer und nicht, wie bis dato und weiterhin von Spezialisten beschrieben, deren Vereinzelung.

Manche nachfolgende Erörterungen un-ternahmen zunehmend den Versuch, die Einzeldisziplinen im Sinne der historischen, Kunst und Natur vereinenden Wunderkam-mern zusammenzubinden. Weitgehend un-beachtet blieb bisher jedoch die Idee der ge-danklich-räumlichen Vernetzung, die sich fraglos aus der gleichwertigen Gegenüberstel-lung von Natürlichem und Künstlichem, vor allem aber doch durch die Konstituierung des Raums und seiner Wahrnehmung ergab. Die Ausblendung dieses Aspekts ist möglicher-weise einer der Gründe für das immer noch latent vorhandene Unverständnis aufgeklärter Mitteleuropäer gegenüber dem frühneuzeit-lichem Hang zur Skurrilität; „jene Zeit“ sei,

so bei Schlosser nachzulesen, „voll der son-derbarsten Schrullen und Grillen“ (S. 185). Es gilt also, der einstmals intendierten Verknüp-fung der Dinge auf die Spur zu kommen, ih-ren verborgenen Geschichten und besonders den Räumen, in denen sie inszeniert wurden, vor allem aber den Raumvorstellungen, die, wie angedeutet, vermutlich zur geordneten Inszenierung natürlicher und künstlicher Ge-genstände geführt haben. Die folgenden Ge-dankengänge nähern sich dem Phänomen der Wunderkammern also verstärkt von einem holistisch-ganzheitlichen Standpunkt.

Einen weiteren Ausgangspunkt für die Be-schäftigung mit dem historischen Phänomen bilden außerdem Museen bzw. Ausstellungs-häuser, wo die Renaissance der Kunst- und Wunderkammern entweder durch temporäre Schauen oder aufwändige Rekonstruktions-versuche wieder neu belebt wurden und wer-den. Angesichts von initiierenden, groß ange-legten Ausstellungen, wie beispielsweise „Die Erfindung der Natur“ (Hannover / Karlsruhe 1994), „Wunderkammer des Abendlandes“ (Bonn 1996) oder „Rudolf II. und Prag“ (Prag 1997) mit Kunstkammerstücken aus der un-tergegangenen, gleichwohl berühmtesten früh-neuzeitlichen Sammlung, sowie von dauer-haften Kammeradaptionen, wie etwa eine der wenigen wirklich gelungenen in den Francke-schen Stiftungen zu Halle – mit freilich dafür günstigen Voraussetzungen –, stellt sich die Frage nach den Gründen für das Interesse.

Kommt mit der Neigung zur Inszenie-rung und dem kollektiven Staunen über die Merkwürdigkeiten einer Wunderkammer der „übermäßig visuelle Charakter“ einer Zeit und der in ihr lebenden Menschen zum Ausdruck? Das Zitat bezieht sich eigentlich auf die Über-gangsphase des ausgehenden Mittelalters zur Frühen Neuzeit, von deren Geisteshaltung der niederländische Historiker Johan Huizin-ga in seinem Buch „Herbst des Mittelalters“ außerdem konstatiert: „Alles, was man aus-

drücken möchte, wird in ein sichtbares Bild gefaßt.“ Die Parallelen zur Gegenwart sind frappierend. Vielleicht sucht der Mensch heute, im Zeitalter der Informations- und Bilderflut, nach einer Positionierung, einer Orientierung? Auch darin finden sich Ähn-lichkeiten zur Frühen Neuzeit, als angesichts der Weltentdeckungen und der Erweiterung des Wissens einige noch vertraute, aber in neue Bilder gekleidete Sinnzusammenhänge notwendig wurden. Mag sein, dass den zu-nehmend durch Internet und Virtualität re-glementierten Menschen des 21. Jh. der Sinn nach realen Bildern und haptisch greifbaren Dingen steht, die möglicherweise eher noch durch ihre machtvolle Unmittelbarkeit beste-chen und erst in zweiter Linie in ihrer Merk-würdigkeit auffallen.

Die Spannbreite der temporären Wunder-kammeradaptionen reicht von unüberschau-baren Mammutausstellungen, wie etwa 2000 die Berliner Schau „7 Hügel“, die die multime-dialen Ansätze der historischen Wunderkam-mer aufgegriffen hat, aber ausuferte und die Betrachter in letztlich unkommentierten Bil-derfluten ertrinken ließ, bis zu historisch am

eigentlichen Sammlungsphänomen positio-nierten Ausstellungen wie 2000 beispielswei-se „Weltenharmonie – Die Kunstkammer und die Ordnung des Wissens“ im Braunschweiger Herzog Anton Ulrich-Museum. Die dort ge-zeigten Sammlungsstücke des Braunschwei-ger Herzogtums illustrierten Erinnerungskultur unter dem Leitthema: „Alle Ordnungen sind Erweiterungen des Gedächtnisses.“ Und so schlug vor diesem Hintergrund auch die Ber-liner Humboldt-Universität den Bogen bis zur Gegenwart. Sie ging im Zusammenhang mit der Ausstellungspräsentation „Theatrum Naturae et Artis (Wunderkammern des Wis-sens)“ 2000/2001 – u. a. konzeptioniert von Horst Bredekamp – daran, sämtliche unter den Dächern der Alma Mater verstreuten, seit dem 18. Jh. konstituierten Sammlungs-bereiche (mit Millionen von Objekten) in einer virtuellen Datenbank zu vereinen und sie so, im Sinne der Wunderkammer, vernet-zend, wieder zugänglich zu machen – Ver-netzungen des Ahnens und des Wissens, wie sie um 1500 und damit zu der Zeit der Grundlegung des Wunderkammergedankens ihren Ausgang nahmen.

Führt man den Gedanken über die Ver-ortung weiter, so ergibt sich daraus geradezu zwangsläufig die Bezugnahme des Menschen zum Raum. Möglicherweise sind die histo-rischen Wunderkammern, die als Abbild des Makrokosmos Aufnahmeorte bedeutsamer Dinge waren, aus dem Streben entstanden, diese Berührung des äußeren räumlichen Saumes sichtbar machen zu wollen. Wenn man so will, ist die Wunderkammer wohl eines der frühesten europäischen Modelle für eine Welt in 3-D.

„Große Potentaten, auch oftmahlen geringe-re Leuthe, wann sie wohl bey Mitteln, und lus-ten dazu haben, legen grosse Summen Geldes auff schöne Raritäten, herrlich Kostbarkeiten, curieuse Antiquitäten und dergleichen. Aber was ist dieses alles gegen die unvergleichliche

Die ideale Kunstkammer aus: Eberhard Werner Happel, Grösseste Denkwürdigkeiten der Welt, Ende 17. Jh.

18 Raumfindung WundERKammER

19Historische Einführung

Kunst-Kammer des allergrößten Monarchen von der Welt? Gott hat auf seiner runden Welt-Kugel eine solche Kunst-Kammer ordi-nirt, mit welcher keine einzige zu vergleichen ist. Ihm fehlets da nicht an allerhand Men-schen, oder Nationen von Lebendigen […] wer kann zehlen die Sorten allerhand Vögel, die in unendliche Verschiedenheit in dieser Kunst-Kammer anzutreffen sind? Der wilden und zahmen Thieren sind darin so viel, daß ein einziger Mensch alledero Sorten zu be-schreiben, nicht capabel ist. […] Gleich wie die fürstlichen Kunst-Kammern durchge-hendes in verschiedene Gewölbe, Zimmer oder Gemächer eingetheilet sind, also siehet mann auch diese grosse Welt Kunst-Kammer gar herr- und zierlich eingetheilet“ (Happel, Bd. III, Teil 1 (1/2), S. 117).

Vom perspektivischen Sehen zum Raum

Von der Welt in 3-D geht der Blick noch ein-mal zurück in die zweidimensionale Ebene: Entscheidend für die eigentliche Ausfor-mung der Wunderkammer war zweifellos die ‚Erfindung‘ der Zentralperspektive, denn mit ihr wurde die ordnende Struktur des Raumes wahrgenommen, mit ihrer Hilfe hat der Mensch gewissermaßen seine irdische Ver-ortung gefunden.

Bis zu dem Zeitpunkt, an dem das pers-pektivische Sehen in der italienischen Ma-lerei des 15. Jh. manifest wurde, kannte die auf der arabischen Sehtheorie fußende mit-telalterliche Optik die perspectiva naturalis. Gegenstand von (Architektur-)Zeichnungen waren vor allem Komponenten, die physi-kalische Besonderheiten einbezogen, so bei-spielsweise menschliche Sehvorgänge oder optische Phänomene, wie etwa die Licht-brechung. Dann aber erfuhr der Begriff mit der perspectiva artificialis eine Erweiterung, in dem natürliche Wahrnehmungseindrücke

auf einer ebenen Fläche künstlich / künstlerisch nachvollzogen wurden.

Aus der durch die Perspektive von der Seh-theorie abgespaltene Bildtheorie hat sich die ge-samte visuelle Kultur der neuzeitlich-westlichen Hemisphäre entwickelt: „Der Quantensprung lag darin, dass sie den Blick ins Bild brachte und mit dem Blick zugleich das blickende Subjekt“ (Belting, S. 12).

Es war wohl der Maler und Mathematiker Piero della Francesca aus Borgo San Sepolcro (ca. 1415–92), der entscheidend den Weg in die räumliche Malerei gewiesen hat. An seiner Wirkungsstätte Urbino ist der Ort zu vermu-ten, von dem aus die bildnerische Konstruk-tion des Raumes – durch den gerahmten Blick – die Bewusstwerdung des ‚tatsächlichen‘ Raumes (Raumwahrnehmung) vorbereitete.

„Der Fensterbegriff der Neuzeit in seinem künstlerischen und philosophischen Sinn lässt sich von ihrem Konzept [der Perspekti-ve – die Verf.] als Modell der Wahrnehmung nicht trennen. Auch ein neuer Raumbegriff gehört, gemeinsam mit der Entdeckung des Horizonts, zu dem Kontext, aus dem sie her-vorgegangen ist“ (Belting, S. 10). In den intar-sierten Wandpaneelen des montefeltrischen Studiolos in Urbino, mit Darstellungen von Innenräumen, Fensterausblicken und Gegen-ständen (s. S. 38), erweist sich die Zentral-perspektive als ordnende Kraft bzw. deutet sich eine erweiterte Fiktion jener Dreidi-mensionalität des Raumes an, in dem sich die Betrachter realiter bewegten. „Wer je die Gelegenheit gehabt hat, im Palazzo Ducale in Urbino zu erleben, wie die Gegenstände in den Wand-Intarsien mit dem wandernden Blick des Betrachters sich mitbewegen, kennt die unweigerliche Verknüpfung des Perspek-tivpunktes mit der Wahrnehmungsposi-tion […]“ (Weibel, S. 171). Das urbinatische Studiolo steht nicht nur für eine der ersten mutmaßlichen Ausformungen des bewusst wahrgenommenen Raumes, sondern ist mög-

den dreidimensionalen Raum: Die Betrachter sahen sich gleichsam einem begehbaren Bild gegenüber, dessen Fluchtpunkt zunächst wie beim zweidimensionalen Bild irgendwo im Unendlichen liegt, während der Blickpunkt jetzt – beim Durchschreiten – vom Stand-punkt des Betrachters abhängig wurde.

In der Tat lief nun alles auf den Augen-punkt des Betrachters, auf das Individuum im Zentrum zu: „Indem der Künstler die Re-alität des Handlungsablaufs konkret erfahrbar zu machen sucht, stellt er sich ganz auf die Subjektivität des Betrachters ein. Die zentral-perspektivische Konstruktion vermittelt einen individuellen Standpunkt, gleichzeitig aber auch einen ordnenden, indem sie alle Gegen-stände aufeinander bezieht. Von der Form der Umweltaneignung her verweist sie damit auch auf das Prinzip der Sammlungen, das sowohl individuellen Bedürfnissen (dem Geschmack des Sammlers) wie objektiven Erfordernissen (Aufstellung und Systematisierung der Samm-lung) nachgehen kann“ (Luther, S. 81).

Der Standpunkt wird beweglich: Die in der Kammer repräsentierte Welt ist be-gehbar geworden, und das Individuum (das schauende Auge) steht im Zentrum – das Modell für „In-der-Welt-sein“ ist geboren. Das Weltbild hat ein räumliches Äquivalent gefunden und wird sogleich proportioniert: Erst durch das Gegenüber von Zentralpers-pektive – Fluchtpunkt – virtuellem Raum wird der reale Raum durch Bewegung des Auges / Betrachters erkannt und definiert. Erst dann können Dinge miteinander in ei-nen räumlichen Bezug gesetzt werden, wo-durch Korrelationen entstehen. Welch große Bedeutung dieses räumliche Äquivalent hat-te, zeigt sich besonders daran, dass die Wun-derkammer auch als (begehbare) Miniatur, als Modell verstanden wurde: Die Welt spie-gelte sich in der räumlichen Endlichkeit einer Kammer, die wiederum die Bezugnahme des Menschen zum Um-Raum und damit zur äu-

Piero della Francesca: Pala Montefeltro, um 1470, Perspektivlinien

20 Raumfindung WundERKammER

licherweise Initialzündung für das gesamte Sammlungs- bzw. Inszenierungsformat, mit dem die Kunst- und Wunderkammer in die Kulturgeschichte Mitteleuropas eingegangen ist. Motiviert von der Idee, eine sich weitende Welt modellhaft zu präfigurieren, versuchte man, anhand von der realen Welt entnom-menen Gegenständen einen Mikrokosmos abzustecken, zu ‚verräumlichen‘ und ihn da-mit fassbarer zu machen.

Während wie zuvor in Urbino, aber auch an und in etlichen weiteren italienischen Palazzi sowie vor allem in Kontexten von Sakralbauten, sich der Symbolwert von Dingen wie Musik-instrumenten, Früchten, Stundengläsern mit der symbolischen Form der gemalten Perspek-tive deckte – die Dinge wurden in der Zwei-dimensionalen ja nur abgebildet –, strebten sie dann, wie zu sehen sein wird, in studiolo und grotta der Isabella d’Este in Mantua in

21Historische Einführung

ßeren (sichtbaren) Grenze des körperlichen Seins versinnbildlichte.

Vom gesamten Großen bis zum Kleins-ten – und vice versa – entfalteten sich schier unzählige separate Welterklärungsmodelle: Ausklappbare Schränke, Schubladen, Rega-le oder Tische mit den einzelnen darin oder darauf befindlichen Objekten. Angefangen bei Architekturmodellen, Perspektivkästen oder einigen der ersten Exemplare der Ca-mera obscura westlicher Machart – einen Prototyp soll bereits im 11. Jh. der arabische Mathematiker Alhazen entwickelt haben – bis hin zu dekorativen Elfenbeinbechern, dreh-baren Contrefaitkugeln und ausgehöhlten (!), beschnitzten Kirschkernen.

In der Auseinandersetzung mit dem Raum oder analog in (raumgreifenden) in-stallativ-theatralen Kompositionen liegt der Ausgangspunkt für die Konstruktion / Spie-gelung von Weltbildern. Er formt die wesent-liche Grundlage bzw. den konstituierenden Rahmen einer Sammlungsidee, inklusive de-ren Vermittlung. Die folgende Betrachtung von Wunderkammern – ob historischer Vor-bilder (15. bis zum Beginn des 18. Jh.), mo-derner, musealer Rekonstruktionsversuche oder freier künstlerischer Interpretationen – wird sich stets an dieser These orientieren.

Kurzer Spiegelblick: „KunstRaum Wunderkammer“ in Stuttgart

Den Anlass zu diesem Buch gaben zunächst die intensive Beschäftigung mit der historischen Wunderkammer und der Versuch, Zugang zu einer enzyklopädischen Weltsicht zu finden, die durch die Spezifizierung der Aufklärung großflächig überdeckt wurde. Die grundle-gende Überlegung: Die Wunderkammer weni-ger als Sammlungsort von Gegenständen, son-dern als ein ganzheitliche (Welt-)Modell oder ein Wahrnehmungsinstrument zu betrachten

Wendelgang, 17. Jh., Elfenbein, H 29,3 cm

und mit eher holistisch anmutenden Interpre-tationsmustern der Gegenwart kurzzuschlie-ßen. Dies wiederum ließ die Idee aufkommen, möglichst unterschiedliche Blickwinkel dazu in einem realen Raum zu veranschaulichen. Die leere, durch ein Schaufenster von außen ein-sehbare Kammer eines ehemaligen Ladenlo-kals im Zentrum von Stuttgart, ausgestattet mit Regalen und einer fest installierten Spiegelfront – zwei Ingredienzien des historischen Vorbilds –, stellte für knapp dreieinhalb Jahre den Denk-raum für schwerpunktmäßig künstlerische Konstruktionen von begehbaren und / oder virtuell erweiterten Weltbildern dar: eine nicht-kommerzielle, von öffentlichen wie privaten Sponsoren geförderte Ausstellungsplattform (s. rechtes Kapiteltitelbild S. 13).

Renaissance-typisch waren es universelle, doch insbesondere künstlerische Begabungen, die, ausgestattet mit Kenntnissen der Geo-metrie, der Optik usw., ganz wesentlich zur Gestaltung der Studioli als den mutmaßlichen Vorgängern, aber auch den unmittelbar da-nach initiierten Kunst- und Wunderkammern beitrugen und in vielerlei Hinsicht das Spiel mit der Wahrnehmung schätzten: Sowohl durch Apparaturen als auch durch illusionis-tische Raumgestaltungen, durch anamorpho-tische Inszenierungen und nicht zuletzt durch die Abbildung der Welt in Form von Model-len (z. B. das Weltall, historische Gebäude, der menschliche Körper zum Auseinanderklap-pen). In Tradition der einst der ars mechani-ca verpflichteten Künstler-Handwerker, die das Erscheinungsbild der Wunderkammern wesentlich prägten, war in diesem Untersu-chungszusammenhang der künstlerische Blick von Interesse. Scheint doch nach wie vor der Mensch bestrebt, die Welt als Modell, als mi-krokosmische Einheit zu fassen, und damals wie heute sind es insbesondere Künstler, die solche Szenarien zu entwerfen und in Raum und Bild zu setzen verstehen.

In Stuttgarts Zentrum, in der dortigen Rosenstraße 31, fanden vor diesem konzep-tionellen Hintergrund einige Experimente der besonderen Art statt. Zwischen No-vember 2003 und April 2007 war dort ein als „Wunderkammer“ apostrophierter Raum situiert: Verspiegelt und mit denkbar kleinen Ausmaßen (knapp 13 m²). Innerhalb dieser Zeit diente er mehr als 40 zeitgenössischen KünstlerInnen als reale Bühne für die Aus-einandersetzung mit der (räumlichen) Wahr-nehmung. Mal für theatrale Inszenierungen, mal kleinteilig, mal dingfest, mal wortreich. Die Stuttgarter „Wunderkammer“ hat den Aspekt der Sammlung hinter den der räum-lichen Verdichtung zurücktreten lassen. Zum einen, weil ersterer hinlänglich diskutiert und illustriert worden ist, und zum anderen, weil der Modell-Gedanke eine mindestens eben-so wichtige, aber bisher eher weniger vermit-telte Konstante einer ursprünglich vorwis-senschaftlich geprägten Weltsicht ist.

Unter überwiegend federführender Lei-tung der Autorin wurden in wechselnden Präsentationen entweder Einzelwerke leitmo-tivisch inszeniert oder nahmen KünstlerInnen durch Installationen und Aktionen unmittel-bar Bezug zur thematischen Klammer und zu der – wegen des Spiegels – irritierenden Raumsituation. Im Wesentlichen waren im „KunstRaum Wunderkammer“ installative Arbeiten, aber auch gestisch-perfomative In-terventionen zu sehen.

Der fest installierte Spiegel spielte im Stutt-garter KunstRaum eine wichtige Rolle, war er doch bereits in den historischen Kunst- und Wunderkammern wesentliches Accessoire beim Spiel mit der Wahrnehmung. Analog wird er auch hier im Buch die Lesenden leit-motivisch begleiten.

Die zweidimensionale Oberfläche des Spie-gels reflektiert nicht nur scheinbar Dreidimen-sionalität und suggeriert damit Räumlichkeit, sondern sie symbolisiert darüber hinaus an-

KunstRaum Wunderkammer-Logo

22 Raumfindung WundERKammER

23

schaulich eine Grundkonstante menschlicher Wahrnehmung und Empfindung:

Die Wiederholung. Die Symmetrie. Mach zeigte auf den Spiegel und sagte, dass darin eine rechte Hand zu einer linken Hand werde, ein rechtes Ohr zu einem linken Ohr, dass aber an unserem Körper niemals eine linke Hand eine rechte ersetzen könne […] ungeachtet al-ler Gleichheit der Form. Ein Spiegelbild eines Gegenstandes könne niemals den Platz des Gegenstandes einnehmen. Eine Uhr in einem Spiegel sei keine Uhr mehr. […] als der Gelehr-te sagte, dass unser Körper wie ein gotischer Dom vertikal symmetrisch sei: Der imaginäre Spiegel verläuft vertikal durch uns hindurch. […] – Wie komme es nun, dass uns vertika-le Symmetrien sofort auffielen, während wir horizontale selten bemerken würden? […] [er] schrieb vier Buchstaben an die Tafel:

d b q p

[…] Was war nun die Ursache des Ganzen? Die Ursache des Ganzen war, dass unsere Augen selbst ein vertikal-symmetrisches Sys-tem bilden. Sie sind nicht gleich. Vertauscht man sie – mit Hilfe eines einfachen Prismen-apparates –, befindet man sich sofort in einer anderen Welt. Er bückte sich und holte ein fremdartiges hölzernes Fernrohr aus einem Futteral, das neben dem Pult stand. ‚Hierin‘, sagte er, während er das Instrument hochhielt ‚ist alles Hohle gewölbt, alles Gewölbte hohl, all das Nahe fern und alles Ferne nah‘.(Mulisch, Symmetrie, S. 345f.)

Dieser von dem holländischen Autor Har-ry Mulisch literarisch verbrämte Vortrag des Physikers und Philosophen Ernst Mach (1838–1916) bzw. die anschauliche Erläute-rung der vertikalen Symmetrie wird im Fol-genden inhaltlich und formal-ästhetisch auf-

Sebastian Hannak: Hinter dem Spiegel, Installation im KunstRaum Wunderkammer, Stuttgart 2005

Kurzer Spiegelblick: „KunstRaum Wunderkammer“ in Stuttgart

gegriffen: Dem Großkapitel „Rückblick“, zur (Raum-)Genese der Wunderkammern – mit Titelbildern auf der jeweils linken Seite –, steht mit dem ebenbürtigen Kapitel „Spiegelblicke“ – mit Titelbildern jeweils auf der rechten Seite –, die ausführliche Vorstellung der Stuttgarter „Wunderkammer“ mit ihren Präsentationen gegenüber. Fast identisch sind freilich nur die Kapiteltitel – die verschiedenen Installationen in der Stuttgarter Wunderkammer sind keine Abbilder, sondern gespiegelte Assoziationen der mutmaßlichen historischen ‚Vorbilder‘.

Sebastian Hannak: „Hinter dem Spiegel“

Zu den ersten Assoziationen in der „Wun-derkammer“ gehörte die Installation „Hinter dem Spiegel“ des Bühnenbildners und Mar-tin Zehetgruber-Schülers Sebastian Hannak. Seine Fragestellung musste sich fast natur- bzw. berufsgemäß mit der Raumvorstellung beschäftigen – prägendes Element sowohl der Wunderkammern als auch der künstlich-künstlerisch erzeugten Bühnenillusionen.

Der Realisierung eines Bühnenbildes geht meist der Bau eines Modells voraus, eine der ersten Möglichkeiten, sich in einen erdachten Raum hineinzuprojizieren. Im Stuttgart sollte nun insbesondere der Spiegel, der die Kam-mer zweidimensional abbildet, Thema eines eben diesen Raum widerspiegelnden Raum-modells sein (s. li. oben). Die Besucher traten also gegenüber dem Eingang (s. Abb. S. 23) hinter einem vermeintlichen Spiegel (der sich als Plexiglasscheibe vor dem tatsächlichen Spiegel entpuppte) einer Verkleinerung dieses Raums (im Verhältnis 1 : 20) gegenüber, der mit einem Blick durch eine diaphane Spiegel-folie zu identifizieren war.

Sebastian Hannak knüpfte mit dem hier inszenierten Raum-Zeit-Kontinuum – und mit den Betrachtern, die sich in diesem Ka-binett befanden – an eine Eigenheit histo-

rischer Wunderkammern an, in denen sich oftmals Modelle eben jener Gebäude fanden, in denen die Wunderkammer selbst situiert war, oder von historisch bedeutenden Stät-ten: Auch sie waren, auf ein menschliches Maß reduziert, plötzlich im wahrsten Sinne des Wortes begreifbar.

Am Ende seiner Studienzeit in der Büh-nenbildklasse an der Stuttgarter Akademie ahnte Hannak, wie der Blick zu führen ist, um Wahrnehmung dingfest zu machen, und die Irritationen über den trügerischen Au-genschein bezeugten, dass Spiegelmetamor-phosen, wie sie im folgenden historischen Überblick der Wunderkammergenese noch häufiger begegnen, nach wie vor faszinieren.

Anlässlich der Finissage nutzen denn auch drei Protagonisten die bühnenartige Spiegel-Situation jener Installation und folgten der Spur performativ in einer Per-siflage: Vor dem Genuss eines diesseitigen, frisch gebratenen Spiegeleis entführten Se-bastian Hannak als Alice und der Stuttgar-ter Künstler Hans Pfrommer als Humpty dumpty die Besucher mit einem szenischen Dialog in jenseitige Spiegelwelten. Der Ku-ratorin /Autorin wuchs in diesem Zusam-menhang noch (vor)lesend die Aufgabe zu, deren Übergänge mit Lewis Carolls „Durch den Spiegel und was Alice dort fand“ per-meabel zu machen:

„Nehmen wir mal an, es gäbe einen Weg, um irgendwie durch den Spiegel dort hinein zu kommen, Kitti. Nehmen wir mal an, sein Glas wäre ganz durchlässig geworden wie Flor … Hach, jetzt verschwimmt es wahrhaftig zu einer Art Dunst! … Im nächsten Augenblick war Alice durch und leichtfüßig in den Spie-gelsalon hinab gesprungen … Dann fing sie an sich umzusehen und stellte fest, daß was vom alten Raum aus gesehen werden konnte, ganz gewöhnlich und uninteressant war, aber daß alles andere so verschieden wie möglich davon war“ (Caroll, S. 163).

Blick in das Modell von Hinter dem Spiegel

24 Raumfindung WundERKammER

25Kurzer Spiegelblick: „KunstRaum Wunderkammer“ in Stuttgart

Alice und Humpty dumpty hinter den Spiegeln, Performance