Gänsereiten Hörbild

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Gänsereiten in Wattenscheid

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Gnsereiten - szenisches Hrbild (Eindrcke eines Zuschauers)Es ist ein kalter Februartag, auf der groen Wiese hat sich eine Menschenmenge versammelt. Der Boden ist na, matschig und braun vom fast zerfallenen Laub des Vorjahres. Ein grausiges Spektakel bahnt sich hier an - das Gnsereiten.

Zwischen zwei Buchen ist in ein dickes Seil gespannt. In seiner Mitte hngt mit beiden Fen an das Seil geknotet eine tote Gans.Ihr Gefieder ist schmutzig-grau und sie sieht armselig und mitleiderregend aus, wie sie mit hngendem Kopf ber dem schlammigen Parcours pendelt. Ihre Augen sind gebrochen, die matten Flgel sind an ihrem Krper festgebunden. Das verschmierte Gefieder erzhlt von den Mihandlungen, die sie erdulden musste. Mnner mit roten Halstchern und blauen Kitteln hatten sie gepackt und nach einem festgelegten Ritual gettet. Ihre ausgeblutete Leiche hngt jetzt hier zur ffentlichen Belustigung aus, der schlaffe Krper ist ein Spielball der Willkr, ein wertloses Objekt, dem keine Wrde mehr zugestanden wird. In dem kalten, grauen Licht des frhen Nachmittags pendelt die Gans langsam hin und her. Das Schauspiel erinnert mich an ffentliche Hinrichtungen, wie sie aus dem Mittelalter berliefert sind. Der Gehenkte baumelt leblos am Galgen. Und auch - wie einst im Mittelalter - kommen die Menschen, um sich an ihrem eigenen, unterschwelligen Ekel zu erfreuen. Und weil diese Veranstaltung nicht einmal einen Rest von Anstand aufblitzen lsst, drfen kleine Kinder in der ersten Reihe stehen, wenn es gilt, Abscheuliches zu feiern.Und nun geschieht das, worauf die Zuschauer schon gewartet haben. Ein Kommando ertnt und ein Mann mit rotem Halstuch und blauem Kittel reitet in die Arena ein. Er treibt sein Pferd zum Galopp und reitet unter der Gans her. Sein ausgestreckter Arm erreicht gerade den Hals des toten Vogels, seine Faust schliet sich um das mit Schmierseife eingeriebene Genick des Tieres. Das Seil spannt sich und der Hals der Gans wird langegezogen, so da die Wirbelknochen knacken. Doch die Kraft des Reiters reicht nicht aus, der Kopf gleitet ihm aus der Hand und die Gans schleudert zurck. Die Flgel lsen sich aus ihrer Fesselung, sie schlackern wild um den leblosen Krper. Der nchste Reiter folgt sogleich. Vom Mierfolg des Vorgngers angespornt, drckt er die Faust fester um die Gurgel des Tieres. Das Seil spannt sich wieder. Doch noch einmal halten die Sehnen und Knochen des Gnsehalses stand. Immer wieder kommt ein neuer Reiter, der am Hals der geschundenen Leiche zerrt. Federn fliegen umher und sinken dann langsam zu Boden. Mit jedem weiteren Reiter werden sie tiefer in den Schlamm gedrckt und versinken dort ebenso, wie die Achtung vor dem einstmals so lebendigen Tier.Mit jedem weiteren Reiter reien auch jedesmal ein paar Sehnen mehr, brechen weitere Wirbel krachend auseinander, bis schlielich nur noch die schlaffe Haut den Kopf am Krper hlt.Laute Musik treibt nun den letzten Reiter an. In seiner Wut greift er den Kopf des Tieres. Er klammert sich an das schlaff gewordene Fleisch der Leiche und wirft sich mit seinem ganzen Gewicht in den Sattel, als das Seil sich spannt. Die zhe Haut des Gnsehalses dehnt sich, die letzten Sehnen reien ab. Der Reiter sprt das Nachgeben des Halses, das gummiartige Langziehen der Haut, bis sie sich pltzlich spannt und dann mit einem Ruck zerreit. Die schlaffe, blutige Masse aus Muskeln, Sehnen und Haut schlgt klatschend auf seine Faust zurck, die jetzt in Siegerpose nach oben schnellt.Musik und Gegrle begleiten den neuen Knig, der als Symbol seiner Macht das verstmmelte Tier prsentiert. Eine Handvoll Elend, ein Stck gefleddertes Tier, ein abgerissener Kopf als Beweis der berlegenheit des Menschen. Die Krone der Schpfung reitet hier an uns vorber, lt sich selbstzufrieden feiern und beglckwnschen zu seiner Rohheit und seiner Ignoranz.