2
GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME 37 Ca. 40% aller Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) entstehen primär extranodal, davon nimmt der überwiegende Teil seinen Ursprung im Gastrointestinaltrakt. Über 70% der primär gastrointestinalen Lymphome wiederum finden sich im Magen, gefolgt von den Dünndarmlymphomen mit 20 bis 30%. Dickdarmlymphome stellen mit 2% eine Rarität dar. In etwa 6 % aller Fälle besteht ein multilokulärer Befall innerhalb des Gastrointestinaltraktes. Die mitunter nicht einfache Abgrenzung primär gastrointestinaler Non-Hodgkin-Lymphome von sekundär den Gastrointestinaltrakt befallenden primär nodalen Lymphomen erfolgt aufgrund histologischer Kriterien und dem Verteilungsmuster der Tumormasse. Primäre Hodgkin-Lymphome des Gastrointestinaltraktes sind eine Rarität. Die Inzidenz gastrointestinaler Lymphome liegt bei 2 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr. Etwa die Hälfte der Fälle ist dem MALT-Lymphom des Magens zuzurechnen. Die Prognose ist abhängig von Aggressivität und Ausbreitung der Erkrankung. Niedrigmaligne MALT-Lymphome haben eine 5-Jahres-Überlebensrate > 90 %. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei primär hochmalignen Lymphomen wird mit etwa 70 % angegeben. Die Prognose intestinaler T-Zell-Lymphome ist viel schlechter. 1. Risikofaktoren Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung eines MALT-Lymphom (Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ) des Magens ist die chronische Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori (H.p.). Angeborene und erworbene Immunmangelsyndrome, z.B. HIV-Infektion, sowie eine medikamentöse Immunsuppression, wie z.B. bei Organtransplantierten, stellen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines intestinalen Lymphoms dar. Patienten mit einheimischer Sprue, die keine konsequente glutenfreie Diät halten, haben ein 40- fach erhöhtes Risiko für enteropathieassoziierte T-Zell-Lymphome (EATZL). 2. Tumorklassifikation Die WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2002 unterscheidet nicht mehr zwischen niedrigmalignen und hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen. Die WHO- Klassifikation unterscheidet B-Zell-Lymphome (Marginalzonenlymphom vom MALT- Typ, follikuläres Lymphom, Mantelzelllymphom, diffuses grosszelliges B-Zell- Lymphom mit/ohne MALT-Anteil, Burkitt-Lymphom, immundefizienzassoziierte Lymphome) und T-Zell-Lymphome (enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom, peripheres T-Zell-Lymphom). Für die klinische Einschätzung und Therapieentscheidung ist aber weiter der Malignitätsgrad (niedrigmaligne, sekundär hochmaligne und hochmaligne) und der Grad der Ausbreitung (Klassifikation nach Ann Arbor) entscheidend. Klassifikation nach Ann Arbor für gastrointestinale Lymphome Stadium EI 1 Uni- oder multilokulärer Befall, der auf Mukosa und Submukosa beschränkt ist, kein Lymphknotenbefall Stadium EI 2 Uni- oder multilokulärer Befall, Lymphom überschreitet Submukosa, Muscularis propria und/oder Serosa und/oder infiltriert Nachbarorgane, kein Lymphknotenbefall Stadium EII 1 Uni- oder multilokulärer Befall, Befall regionaler Lymphknoten Stadium EII 2 Uni- oder multilokulärer Befall, über die lokalen Lymphknoten hinaus gehender Lymphknotenbefall unterhalb des Diaphragmas (retroperitoneal, mesenterial, paraaortal), evtl. weiterer Organbefall unterhalb des Diaphragmas Stadium EIII Uni- oder multilokulärer Befall, Lymphknotenbefall ober- und unterhalb des Diaphragmas und/oder lokalisierter Organbefall auch oberhalb des Diaphragmas Stadium EIV Wie EI bis EIII, zusätzlich diffuse Beteiligung oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extraintestinaler Organe

GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE · PDF fileGASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME 38 3. Diagnostik und Staging Basisdiagnostik bei allen gastrointestinalen Lymphomen: Ösophagogastro

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE · PDF fileGASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME 38 3. Diagnostik und Staging Basisdiagnostik bei allen gastrointestinalen Lymphomen: Ösophagogastro

GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME

37

Ca. 40% aller Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) entstehen primär extranodal, davon nimmt der überwiegende Teil seinen Ursprung im Gastrointestinaltrakt. Über 70% der primär gastrointestinalen Lymphome wiederum finden sich im Magen, gefolgt von den Dünndarmlymphomen mit 20 bis 30%. Dickdarmlymphome stellen mit 2% eine Rarität dar. In etwa 6 % aller Fälle besteht ein multilokulärer Befall innerhalb des Gastrointestinaltraktes. Die mitunter nicht einfache Abgrenzung primär gastrointestinaler Non-Hodgkin-Lymphome von sekundär den Gastrointestinaltrakt befallenden primär nodalen Lymphomen erfolgt aufgrund histologischer Kriterien und dem Verteilungsmuster der Tumormasse. Primäre Hodgkin-Lymphome des Gastrointestinaltraktes sind eine Rarität. Die Inzidenz gastrointestinaler Lymphome liegt bei 2 pro 100.000 Einwohnern pro Jahr. Etwa die Hälfte der Fälle ist dem MALT-Lymphom des Magens zuzurechnen. Die Prognose ist abhängig von Aggressivität und Ausbreitung der Erkrankung. Niedrigmaligne MALT-Lymphome haben eine 5-Jahres-Überlebensrate > 90 %. Die 5-Jahres-Überlebensrate bei primär hochmalignen Lymphomen wird mit etwa 70 % angegeben. Die Prognose intestinaler T-Zell-Lymphome ist viel schlechter. 1. Risikofaktoren Der wichtigste Risikofaktor für die Entwicklung eines MALT-Lymphom (Marginalzonen-B-Zell-Lymphom vom MALT-Typ) des Magens ist die chronische Infektion der Magenschleimhaut mit Helicobacter pylori (H.p.). Angeborene und erworbene Immunmangelsyndrome, z.B. HIV-Infektion, sowie eine medikamentöse Immunsuppression, wie z.B. bei Organtransplantierten, stellen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung eines intestinalen Lymphoms dar. Patienten mit einheimischer Sprue, die keine konsequente glutenfreie Diät halten, haben ein 40-fach erhöhtes Risiko für enteropathieassoziierte T-Zell-Lymphome (EATZL). 2. Tumorklassifikation Die WHO-Klassifikation aus dem Jahr 2002 unterscheidet nicht mehr zwischen niedrigmalignen und hochmalignen Non-Hodgkin-Lymphomen. Die WHO-Klassifikation unterscheidet B-Zell-Lymphome (Marginalzonenlymphom vom MALT-Typ, follikuläres Lymphom, Mantelzelllymphom, diffuses grosszelliges B-Zell-Lymphom mit/ohne MALT-Anteil, Burkitt-Lymphom, immundefizienzassoziierte Lymphome) und T-Zell-Lymphome (enteropathieassoziiertes T-Zell-Lymphom, peripheres T-Zell-Lymphom). Für die klinische Einschätzung und Therapieentscheidung ist aber weiter der Malignitätsgrad (niedrigmaligne, sekundär hochmaligne und hochmaligne) und der Grad der Ausbreitung (Klassifikation nach Ann Arbor) entscheidend.

Klassifikation nach Ann Arbor für gastrointestinale Lymphome Stadium EI1 Uni- oder multilokulärer Befall, der auf Mukosa und Submukosa beschränkt ist, kein

Lymphknotenbefall Stadium EI2 Uni- oder multilokulärer Befall, Lymphom überschreitet Submukosa, Muscularis propria

und/oder Serosa und/oder infiltriert Nachbarorgane, kein Lymphknotenbefall Stadium EII1 Uni- oder multilokulärer Befall, Befall regionaler Lymphknoten Stadium EII2 Uni- oder multilokulärer Befall, über die lokalen Lymphknoten hinaus gehender

Lymphknotenbefall unterhalb des Diaphragmas (retroperitoneal, mesenterial, paraaortal), evtl. weiterer Organbefall unterhalb des Diaphragmas

Stadium EIII Uni- oder multilokulärer Befall, Lymphknotenbefall ober- und unterhalb des Diaphragmas und/oder lokalisierter Organbefall auch oberhalb des Diaphragmas

Stadium EIV Wie EI bis EIII, zusätzlich diffuse Beteiligung oder disseminierter Befall eines oder mehrerer extraintestinaler Organe

Page 2: GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE · PDF fileGASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME 38 3. Diagnostik und Staging Basisdiagnostik bei allen gastrointestinalen Lymphomen: Ösophagogastro

GASTROENTEROLOGIE GASTROINTESTINALE LYMPHOME

38

3. Diagnostik und Staging Basisdiagnostik bei allen gastrointestinalen Lymphomen: Ösophagogastro-duodenoskopie, Ileokoloskopie, Computertomographie des Thorax und Abdomens, Sonographie des Halses und Abdomens, MRT-Sellink des Dünndarms, Knochenmarkshistologie/-zytologie. Besonderheiten bei Magenlymphomen: Gastroskopie mit „gastric mapping“ (jeweils 8 bis 10 Biopsien aus makroskopisch befallenen Arealen, Quadranten-biopsien aus unauffälliger Schleimhaut des Antrums und des Korpus sowie 2 Biopsien aus dem Fundus) sowie eine Endosonographie zur Differenzierung der Stadien EI1, EI2 und EII1. Histologisch und mittels Urease-Schnelltest muss der H.p.-Nachweis erfolgen. Da ein Teil der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung unter einer antisekretorischen Therapie mit Protonenpumpenhemmern steht, kann der Nachweis einer H.p.-Infektion falsch-negativ ausfallen. Nur wenn keine Serum-Antikörper gegen H.p. nachweisbar sind, kann mit Sicherheit von H.p.-Negativität ausgegangen werden. 4. Therapie • Niedrigmalignes MALT-Lymphom des Magens: Die Therapie der Wahl bei

niedrigmalignen MALT-Lymphomen in den H.p.-positiven Stadien EI1 und EI2 ist die H.p.-Eradikation. Innerhalb eines Jahres kann hiermit in bis zu 80% aller Fälle eine komplette Remission erreicht werden. Eine engmaschige endoskopisch-bioptische und endosonographische Überwachung ist erforderlich. Kommt es innerhalb von 12 (bis 18) Monaten nicht zu einer vollständigen makroskopischen und histologischen Rückbildung des Lymphoms wird eine Strahlentherapie oder alternativ eine Gastrektomie empfohlen. Neuere Studien deuten aber an, dass bei Vorliegen einer „minimal residual disease“ (histologischer Nachweis von MALT-Lymphom-Gewebe bei unauffälligem makroskopischem Befund) ein langfristig zuwartendes Vorgehen gerechtfertigt ist. Im Rahmen einer solchen „watch-and-wait“-Strategie sollten in den ersten 2 Jahren alle 3 Monate, im 3. bis 5. Jahr alle 6 Monate und dann jährlich endoskopisch-bioptische Kontrollen efolgen. Bei (auch serologischer) H.p.-Negativität im Stadium EI sowie immer im Stadium EII wird eine primäre Strahlentherapie empfohlen. Diese hat bei gleicher Wirksamkeit im Vergleich zur Gastrektomie den Vorteil der besseren Lebensqualität. Für die Behandlung der fortgeschrittenen Stadien EIII und EIV gibt es keine allgemeinen Richtlinien. Aufgrund fehlender kurativer Ansätze, meist geringer Beschwerden und langsamer Tumorprogression ist ein kontrolliertes Abwarten gerechtfertigt. Eine Chemotherapie kann nach dem Knospe-Schema (Chlorambucil/Prednison), dem COP-Schema (Cyclophosphamid/Vincristin/Prednison) oder dem MCP-Schema (Mitoxantron/Chlorambucil/Prednison) erfolgen.

• Hochmaligne Magenlymphome: Chemotherapie nach dem CHOP-Schema (CHOP-14 oder CHOP-21; Cyclophosphamid, Doxorubicin, Vincristin, Prednison) gefolgt von Strahlentherapie. Bei H.p.-Positivität Eradikation. Lymphoblastische Lymphome erfordern aggressivere Therapien, die durch Hämatologen durchgeführt werden sollten.

• Intestinale Lymphome: Einheitliche Therapieempfehlungen wie bei den Magenlymphomen existieren nicht. Bei primärer Operation sollte eine R0-Resektion angestrebt werden, sofern dies ohne einen multiviszeralen Eingriff möglich ist. Niedrigmaligne MALT-Lymphome werden analog zu den MALT-Lymphomen des Magens behandelt. Die Therapie der hochmalignen Dünndarmlymphome basiert auf der kombinierten Radiochemotherapie und sollte durch Hämatologen durchgeführt werden.