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Begleitmaterial für Pädagogen zu GEÄCHTET (Disgraced) von Ayad Akhtar Deutsch von Barbara Christ Fassung Schauspiel Dortmund Premiere: 6. Februar 2016, um 19.30 Uhr im Schauspielhaus Dortmund Besetzung Amir Carlos Lobo Emily Bettina Lieder Isaac Frank Genser Jory Merle Wasmuth Abe Merlin Sandmeyer Regie Kay Voges Bühne Michael Sieberock-Serafimowitsch Kostüme Mona Ulrich Videoart Mario Simon Video-Engineer Lucas Pleß Musik Tommy Finke Licht Sibylle Stuck Dramaturgie Michael Eickhoff Informationen www.theaterdo.de www.youtube.com/schauspieldortmund www.facebook.com/schauspieldortmund www.twitter.com/schauspieldo http://lettsnet.net/ 1 Inhalt der Dortmunder Inszenierung „Geächtet“ 2 Kurzbiografie von Ayad Akhtar 3 „Guter Moslem. Böser Moslem“ oder: Über das Dilemma unseres Kulturdiskurses 4 Interview mit Kay Voges über „Geächtet“ 5 "Black Skin, White Masks" - Rassismus, koloniales Subjekt, der Blick &Geschichte bei Frantz Fanon 6 Die Rolle der Frau im Koran 7 Textstelle für den Unterricht

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Begleitmaterial für Pädagogen zu

GEÄCHTET (Disgraced) von

Ayad Akhtar Deutsch von Barbara Christ Fassung Schauspiel Dortmund Premiere: 6. Februar 2016, um 19.30 Uhr im Schauspielhaus Dortmund Besetzung Amir Carlos Lobo Emily Bettina Lieder Isaac Frank Genser Jory Merle Wasmuth Abe Merlin Sandmeyer Regie Kay Voges Bühne Michael Sieberock-Serafimowitsch Kostüme Mona Ulrich Videoart Mario Simon Video-Engineer Lucas Pleß Musik Tommy Finke Licht Sibylle Stuck Dramaturgie Michael Eickhoff Informationen www.theaterdo.de www.youtube.com/schauspieldortmund www.facebook.com/schauspieldortmund www.twitter.com/schauspieldo

http://lettsnet.net/ 1 Inhalt der Dortmunder Inszenierung „Geächtet“ 2 Kurzbiografie von Ayad Akhtar 3 „Guter Moslem. Böser Moslem“ oder: Über das Dilemma unseres Kulturdiskurses 4 Interview mit Kay Voges über „Geächtet“ 5 "Black Skin, White Masks" - Rassismus, koloniales Subjekt, der Blick &Geschichte bei Frantz Fanon 6 Die Rolle der Frau im Koran 7 Textstelle für den Unterricht

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1 Inhalt der Dortmunder Inszenierung New York - ein Apartment in der Upper East Side. Emily und ihr Mann Amir haben seine Kollegin Jory und deren Mann Isaac zum Dinner eingeladen. Alle vier sind gebildet, wortgewandt, geben sich aufgeklärt und kultiviert; ausnahmslos Umstände, die – ihr überproportionales Einkommen eingerechnet – einen Konflikt um Religion unwahrscheinlich erscheinen lassen. Doch der Firnis ist dünn: Hinter den vier schimmernden Biographien stecken verschiedene Geschichten vom Ankommen in einer Einwanderungs-Gesellschaft, die den Aufstieg eines Jeden gegen Leistung verspricht. Da ist Amir, erfolgreicher Anwalt für Wirtschaftsrecht, der sich als pakistanischstämmiger Muslim von seiner Religion losgesagt hat. Seine Frau Emily, weiß und protestantisch, ist eine von islamischer Kunst inspirierte Malerin und steht kurz vor dem Durchbruch – den sie Isaac, einem der wichtigsten Kuratoren der New Yorker Kunst-Szene, verdanken könnte. Isaac ist amerikanischer Jude und mit Jory, einer afroamerikanischen Juristin und Kollegin von Amir verheiratet. Berufliches und Privates vermengen sich bei Salat und Brot und Wein – bis die Rede auf 9/11 kommt und von dort auf den Islam und Religion, später Iran und Israel, Ahmadinedschad und Netanjahu, Migration und Terrorismus. Themen, die den Figuren allesamt Bekenntnisse abfordern und Streit über vergessen geglaubte oder versteckte Ressentiments entfachen. Am Ende ist, wie in jedem guten Boulevard-Stück, nichts mehr wie es war... 2 Kurzbiografie von Ayad Akhtar Ayad Akhtar, geboren 1970 in New York City, auf Staten Island, wuchs in Milwaukee, Wisconsin auf. Nach der Schule studierte er an der Brown Universität, wo er seinen Abschluss in Theater machte. Danach studierte er ein Jahr in Italien Schauspiel. Zurück in den USA lehrte er dann selbst Schauspiel. Dabei machte er seinen ´Master of Arts` an der ´Columbia University School of the Arts`. In Columbia kam ihm gemeinsam mit Klassenkameraden die Idee für den Film ´The War Within`, wo der Werdegang eines normalen Mannes zum radikalen Terroristen dargestellt wird, er selbst war auch Darsteller in dem Film. Bis jetzt (Februar 2016) hat er drei Stücke geschrieben: 2011 ´Disgraced`, Premiere am ´The American Theater Company` im Januar 2012 (deutscher Titel ´Geächtet`, DSE im Januar 2016 am Schauspielhaus Hamburg) 2012 ´The Invisible Hand` Premiere am ´New York Theater Workshop` im Dezember 2014 2014 ´The Who & the What` und er schrieb ein Buch: 2012 American Dervish ISBN 978-0-316-18331-4 (dt.: Himmelssucher ISBN 978-3442747511) Quelle: wikipedia.com

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3 „Guter Moslem. Böser Moslem“ oder: Über das Dilemma unseres Kulturdiskurses Als ich die Diskussionen verfolgte, die in Amerika nach dem 11. September 2001 geführt wurden, drängte sich mir der Eindruck einer von Amnesie befallenden Großmacht auf. Die epochale Bedeutung des Ereignisses anzuerkennen, sollte nicht zwangsläufig dazu führen, dass man es aus jeglichem historischen und politischen Kontext herauslöst. Unglücklicherweise hat das offizielle Amerika genau dazu ermutigt. Nachdem Präsident Bush schon der Ausdruck „Kreuzzug“ unterlaufen war, auf den man sich begebe, setzte er im Anschluss auch noch die Unterscheidung zwischen „guten Moslems“ und „bösen Moslems“ drauf. So gesehen, waren die „bösen Moslems“ eindeutig die für den Terrorismus verantwortlichen. Zugleich schien der Präsident den Amerikanern zu versichern, dass „gute Moslems“ alles daran setzten, ihren guten Ruf zu verteidigen, demnach nichts mit jenen schrecklichen Verbrechen zu tun haben wollten und „uns“ gewiss im Krieg gegen „sie“ unterstützen würden. Doch das vermochte nicht den Kern der Botschaft zu verschleiern: Solange er nicht unter Beweis stellt, dass er einer von den „guten“ ist, steht jeder Muslim unter dem Verdacht, ein „böser“ zu sein. Damit waren fortan alle Muslime in der Pflicht, den Nachweis ihrer Unbescholtenheit zu erbringen, indem sie sich dem Krieg gegen „böse Moslems“ anschlossen. Urteile wie „gut“ oder „böse“ beziehen sich dabei auf die politische Identität von Muslimen, nicht auf die kulturelle oder die religiöse. Für jene, denen es schwer fällt, die politische Identität fein säuberlich von der kulturellen (und jetzt religiösen) getrennt zu denken, sei daran erinnert, dass es schon früher verhängnisvolle Zuschreibungen dieser Art im Westen gab. […] Es gibt keine wohlfeilen „guten“ Muslime, die getrennt von den „bösen“ Muslimen auftreten, was die Voraussetzung dafür wäre, sich mit jenen zu verbrüdern und diese zu verstoßen. Genauso wenig gibt es „gute“ Christen oder Juden. Der Rekurs auf solche Kategorien lenkt von der Weigerung ab, sich mit dem Fehlen einer konsistenten politischen Analyse unserer Zeit zu beschäftigen. […] [Stattdessen führen wir einen Kulturdiskurs, der besagt, dass] es nicht mehr der Markt (Kapitalismus) oder der Staat (Demokratie) [ist], sondern die Kultur (Moderne), die angeblich die Grenze markiert zwischen denen, die eine friedliche Existenzform befürworten, und jenen, die den Terror wollen. Es heißt, unsere Welt sei aufgeteilt in die, die modern sind, und die anderen, die vormodern sind. [… Letztere muss man] um des Wohls der Zivilisation willen zügeln, kollektiv oder auch individuell, sie muss man falls notwendig, gefangen halten, notfalls auch ohne ordentliches Verfahren… Wir müssen zwischen zwei deutlich voneinander unterschiedenen Narrativen des Kulturdiskurses unterscheiden. Das eine stellt die vormodernen Völker als diejenigen dar, die noch nicht modern sind, die hinterherhinken oder noch auf den Zug der Moderne aufspringen müssen. Das andere Narrativ sieht im Prämodernen zugleich auch das Antimoderne. Während die erstgenannte Vorstellung mit der Förderung philantropisch geprägter Beziehungen verbunden ist, löst die letztere Vorstellung Angst aus und eine Politik präventiver polizeilicher oder militärischer Maßnahmen. [...] Prämodernen Völkern wird nachgesagt, sie besäßen keine kreativen Fähigkeiten, und von den antimodernen Fundamentalisten behauptet man, sie hätten eine besonders ausgeprägte destruktive Fähigkeit. Die Zerstörung gilt als Beweis dafür, dass sie das Leben, einschließlich ihres eigenen nicht achten. Quelle: Mahmood Mamdani "Guter Moslem, böser Moslem. Amerika und die Wurzeln des Terrors" 2006 veröffentlicht im Nautilus-Verlag in Hamburg (Original 2004).

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4 aus einem Interview mit Kay Voges zu „Geächtet“

Warum findet es Amir so wichtig, seine muslimischen Wurzeln auszuradieren?

Mir scheint, Amir erkennt an einem bestimmten Punkt im Stück, dass es tief in ihm drinnen ein Gefühl von einem „wir“ gibt, das in Opposition steht zu dem bestimmenden „wir“ der WASPs in den USA. Amir sagt, er habe für einen kurzen Moment so etwas wie Stolz empfunden, als die Türme des 11. September fielen – und ab da gibt es kein zurück für die Dinnergesellschaft und für das Paar Emily-Amir. Isaac bemerkt zwar zu recht, das alles käme nicht aus dem Islam, sondern aus Amir selbst. Doch die Büchse der Pandora ist geöffnet. Das zivilisierte Dinner-Geplänkel verwandelt sich unvermittelt – am nächsten Morgen kann man nur noch die Reste auffegen…

[…]Geht es mehr um Fremdheit als um den Islam?

Einer – in diesem Fall der Muslim Amir – versucht so zu sein, wie er denkt, dass die Mehrheit ist – oder die Mehrheit versucht, ihn auf subtile Wiese so zu machen, wie sie ihn haben will, wie er in ihren Augen sein soll. Denn darum geht es ja zuletzt – um die Frage von Fremdheit oder Andersartigkeit und die Wahrnehmung derselben. Ich möchte gerne zeigen, in was für einem Dilemma ein Mensch steckt, der seine Herkunft – und dazu gehört auch die religiöse – verleugnet, um Teil einer Mehrheit zu werden, die ihm zugleich aber den letzten Zugang und die Teilhabe verweigert. Diese Frage haben wir in letzter Konsequenz auch hier in Deutschland nicht beantwortet, obwohl wir seit über 50 Jahren, seit der ersten Generation von muslimischen Gastarbeitern genügend Zeit dafür gehabt haben. Diese Debatte müssen wir endlich führen – nicht zuletzt, weil wir derzeit einen Immensen Zuzug von muslimischen Geflüchteten erleben.

(die Fragen stellte Michael Eickhoff, Chefdramaturg Schauspiel Dortmund)

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5 "Black Skin, White Masks" - Rassismus, koloniales Subjekt, der Blick und Geschichte bei Frantz Fanon

In seinem Buch „Schwarze Haut, Weiße Masken“ von 1952 thematisiert Frantz Fanon mit der Leidenschaft eines Betroffenen das bis heute andauernde Problem des Rassismus. Als Psychiater richtete er sein Fokus auf das koloniale Subjekt und dessen Wahrnehmungen als Unterdrückter in den kolonialen, und in späteren Werken, in postkolonialen Verhältnissen. Gleichzeitig setzt Fanon sich stark mit der Identität eines Schwarzen auseinander, der auf der Suche nach einer Identität ist, die aber gleichzeitig ein Produkt des kolonialen und „weißen“ Bildungssystems ist. […]

Fanon [stellt] einen Schwarzen und einen Weißen gegenüber. Diese Gegenüberstellung und nicht vorhandene Gleichberechtigung innerhalb dieser Gegenüberstellung bezeichnet Fanon als Teufelskreis. Der Weiße wird natürlich von dem Schwarzen anerkannt, da der Weiße es bestimmen kann, was anerkannt werden sollte. Dagegen wird der Schwarze nicht von dem Weißen als gleichwertiger Mensch anerkannt; bzw. wird der Schwarze vom Weißen gar nicht gesehen. So fehlt dem Schwarzen die Positionierungsmöglichkeit in der Gesellschaft. Um sich in der Gesellschaft sichtbar zu machen und um Anerkennung zu erlangen, ist der Schwarze gezwungen, sich eine weiße Maske sich aufzusetzen. Die weiße Maske kommt unter anderen zur Geltung wenn es um die Sprache geht. Um in der Gesellschaft anerkannt zu werden, sogar in der eigenen, muss der Schwarze Französisch sprechen und Kreol oder Pidgin vermeiden. (Fanon bezieht sich hier auf die Situation auf den Antillen.)

Fanon behauptet, dass der Schwarze Mann eine Kreation der Weißen ist. Diese Kreation ernährt sich von Mythen und Stereotypen. Dabei spielt die Sexualität eine große Rolle.

Fanon strebt mit seinem Buch ebenfalls nach der Befreiung des schwarzen Mannes. „Das koloniale Ding sollte zum Mensch werden“, wie seine spätere Schriftsammlung heißt. Fanon betont, dass sich der schwarze Mann in erster Linie selbst befreien muss. Fanon schreibt die Last der Schwarzen ist, dass sie einst Sklaven waren. Der Schwarze muss realisieren, dass er keine Konstruktion dieser Geschichte sein muss, sondern, dass er auch sein eigenes Fundament kreieren kann. Oder, wie er schreibt: „I am not a slave to slavery that dehumanized my ancestors.” (Frantz Fanon, Black Skin, White Masks, 2008, S.205.)

Nach Fanon hat die Gegenüberstellung des Weißen und des Schwarzen einen massiven psycho-existentialen Komplex zur Folge. Fanon glaubt, dass nur durch die Analyse dieser Gegenüberstellung diese Binarität abgeschafft werden kann. Dadurch hofft er, dass die Jahrhunderte des Unverständnis und des Unwissens gebrochen werden könnten. Diese Analyse dient ebenfalls dazu, einen Weg aus dem Teufelskreis des Rassismus zu finden. […]

Quelle: http://transkulturalitaet.blogspot.de/2009/01/black-skin-white-masks-rassismus.html

6 Die Rolle der Frau im Koran Auszug aus Szene 3 nebst Anmerkungen zur Übersetzung

[…]

AMIR Schön. Dann reden wir über etwas, das tatsächlich im Text steht. Züchtigung der Ehefrau.

ISAAC Züchtigung der Ehefrau.

JORY Toll. Reichst du mir mal das Brot?

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AMIR (reicht ihr das Brot) Kommt also der Engel Gabriel zu Mohammed …

ISAAC Der Engel Gabriel?

AMIR (spöttisch) Ja. Muslime glauben, dass der Koran so zu den Menschen kam. Der Engel Gabriel hat ihn Mohammed angeblich Wort für Wort diktiert. Ich paraphrasiere … Die Männer stehen über den Frauen …

EMILY Amir?

AMIR … Wenn sie nicht gehorchen … Redet mit ihnen. Wenn das nicht klappt …

Schlaft nicht mit ihnen. Und wenn das nicht klappt …

(Wendet sich zu EMILY) Honey?

EMILY Das mache ich nicht.

AMIR Schlagt. Sie.

JORY Ich wüsste nicht, dass das im Koran steht.

AMIR Oh, und ob es drinsteht.

EMILY Die gebräuchliche Übersetzung ist umstritten.

AMIR Nur bei Leuten, die wollen, dass der Islam schön warm und kuschelig aussieht.

EMILY Der Wortstamm kann „schlagen“ bedeuten. Aber auch „verlassen“. Es könnte also auch heißen, wenn deine Frau nicht auf dich hört, verlass sie. Nicht, schlag sie.

ISAAC Klingt nach einem ziemlich großen Unterschied.

AMIR Es wurde aber jahrhundertelang anders interpretiert.

Anmerkungen zur Übersetzung der fraglichen Sure aus dem Koran

Ergänzend dazu zwei verschiedene Übersetzungen der fraglichen Koran-Passage (Sure 4, 34) – entnommen dem Buch von Reza Aslan: „Kein Gott außer Gott. Der Glaube der Muslime von Muhammad bis zur Gegenwart“ (München: C.H. Beck 2006, S. 90). Aslan schreibt: „Betrachten wir, wie der folgende Vers (4, 34) über die Pflichten der Männer gegenüber den Frauen in zwei unterschiedlichen, aber weit verbreiteten Koranübersetzungen im Englischen wiedergegeben ist. Die erste Übersetzung von Ahmed Ali entstammt der Princeton-Ausgabe, die zweite von Majid Fakhry erschien bei der New York University Press:

„Die Männer sind die Unterstützer der Frauen [qawwamuna ‘ala an-nisa] wegen dem, was Gott den einen vor den anderen gegeben hat, und weil sie einen Teil ihres Vermögens ausgeben (um für sie zu sorgen) … Und wenn ihr deren Widerspenstigkeit vermutet, sprecht mit ihnen, um sie zu gewinnen; dann meidet ihr Bett (ohne sie zu belästigen) und schlaft mit ihnen (wenn sie willens sind).“ „Die Männer haben die Aufsicht über die Frauen, weil Allah die einen vor den anderen ausgezeichnet hat und weil sie einen Teil ihre Vermögens ausgeben … Und wenn ihr fürchtet, dass diese [Frauen] sich auflehnen, so ermahnt sie, meidet ihr Bett und schlagt sie [adribuhunna].

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Aufgrund der Offenheit der arabischen Sprache sind beider Übersetzungen grammatikalisch, syntaktisch und formal inhaltlich korrekt. Der Ausdruck qawwamuna ‘ala an-nisa kann verstanden werden als: die Frauen „überwachen“, „beschützen“, „unterstützen“, „sorgen für“, „sich kümmern um“ und „Aufsicht führen“. Adribuhunna, das Fakhtry mit „schlagt sie“ wiedergibt, kann auch bedeuten: „wendet euch von ihnen ab“, „fahrt fort mit ihnen“ und erstaunlicherweise auch „habt Verkehr mit ihnen in gemeinsamem Einverständnis.“ Wenn Religion Interpretation bedeutet, so hängt die Deutung, der man sich anschließt, davon ab, was man aus dem Text herauslesen möchte. Betrachtet man den Koran als Stärkung der Rolle der Frau wird man Alis Übersetzung folgen; sieht man den Koran dagegen als Rechtfertigung der Gewalt gegen Frauen, wird man Fakhtrys Übersetzung den Vorzug geben.

7 Textstelle für den Unterricht EMILY Was ist denn los? (Pause.) AMIR Ich hatte heute ein Meeting mit einigen Partnern, wenn man das so nennen will. Ich sitze in meinem Büro und redline gerade einen Vertrag, der um sechs fällig ist. Kommt Steven rein. Mit Jack. Pflanzt sich hin. Fragt mich, wo meine Eltern geboren wurden. EMILY Pakistan. AMIR Ich sage: Indien. Das habe ich bei meiner Einstellung in das Formular geschrieben. EMILY Warum? AMIR (nachdrücklich) Es war Indien, als mein Vater geboren wurde. EMILY Okay. AMIR Die Städte, die du genannt hast, liegen aber nicht in Indien, sagt Steven. Die liegen in Pakistan.

Mein Vater wurde 1946 geboren. Da war das noch ein Land, ehe die Briten es 1947 geteilt haben. Und deine Mutter wurde wann geboren? 1948. Da war’s dann nicht mehr Indien, stimmt’s? Sondern Pakistan? Meine Uhr läuft, und ich verschwende Zeit mit einer scheiß Lektion in Geschichte. Wie sich erweist, will Steven feststellen, ob ich falsche Angaben gemacht habe.

EMILY Klingt, als wäre es so. AMIR Das alles war Indien. Und jetzt steht ein anderer Name drauf. Na und? (Ein Moment.)

Er wusste von meiner Namensänderung. Dein Geburtsname ist nicht Kapoor, sagt Steven. Sondern Abdullah. Warum hast du ihn geändert?

EMILY Wusste er das nicht längst? AMIR Ich hab’s nie erzählt.

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EMILY Dann haben sie deinen Hintergrund überprüft. AMIR Ich hätte nie zu dieser Verhandlung gehen sollen. EMILY Verhandlung? AMIR Steven hat nachgeforscht. EMILY Das ist Monate her. Was spielt das für eine Rolle? AMIR Eine große, Honey. Eine große. (Die Sprechanlage summt.) EMILY Sekunde. Wie spät ist es? AMIR (sieht auf seine Armbanduhr) Zehn nach. EMILY Was wollen die schon hier? Ich muss mich noch fertig machen. AMIR Dann mach dich fertig. Ich kümmere mich. (AMIR geht in die Küche.) EMILY (als AMIR zurückkommt) Ist das okay für dich? AMIR Kein Problem. EMILY (plötzlich) Kannst du die Häppchen holen? Sie stehen im Kühlschrank. AMIR Mach dich fertig, Honey. Ich hab’s im Griff. […]

Frank Genser, Bettina Lieder, Carlos Lobo, Merle Wasmuth

Erarbeitung des Materials und theaterpädagogische Begleitung: Sarah Jasinszczak / Theaterpädagogin Schauspiel Dortmund