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Die drei SchwirrvSgel. 183 vor mir gestanden; was ich Jahre lang gesucht, lag unerkannt auf dem Tische; das Glfiek, neue Viigel entdeckt zu haben, war ver- nichtet; die Freude, dass ich endlich doch naeh vielen mfihseligen Herumsuchen die zwei VSgel aufgefunden hatte, konnte Seham und Schmerz nicht aufwiegen, und so oft ich sp~tter einen derselben sah oder hSrte, und das geschah sehr oft, wurden immer die unange- nehmsten Erinnerungen hervorgerufen. Niemanden habe ich etwas davon gesagt, Kummer und Gram zwanzig Jahre lang getragen, heute aber kann ich recht herzlich tiber meine Jugendstinden lachen. Zu beiden V5geln, oder vielmehr zu allen dreien, machte ich ein besonderes Notizbuch, aber anstatt fluviatills, Flusss~tnge5 sctu'ieb ich: gryllina, Grillensiinger, und anstatt luscinio~des, Nach- tigallens~tnger, sehrieb ich: Acheta, Heimchens~tnger, und locustella blieb selbstverstiindlich: locustella, fteuschreckens~tnger. Da aber der Heimchensiinger (Acheta) niemals irgend einen Busch b'erfihrt, so kann er ffiglieh nieht Salizaria genannt werden; der Heu- schrecken- und Grillens~tnger hingegen kommen hie an das 8chilf, und Namen wie Calamoherpe, Calamodyta, Calamodus etc. geben ihnen keine wahre Bezeichnung, und gehSren ja bereits anderen VSgeln an, die mit meinen drei wunderlichen Tremulanten in kei- net Beziehung und Verwandtschaft stehen; darum nannte ich diese drei Schwirrer~ um einem jeden einzelnen und der gauzen Gruppe gerecht zu werden: Threnetria. -- Pieniaki bei Brody, im October 1871. Gefangene Viigel. Ein Hand- und Lehrbuch fiir Lieb- haber undPfleger einheimischer undfremder K~fig- vSgel yon E.A. Brehm. In Verbindung met Baldamus, Bodinus~ Bolle, Cabanis, Cronau, Fiedler, Finseh, v. Freyberg~ Girtanner, v. Gizycki, Herklotz, A. v. Homeyer, Kiippen, Liebe, A. u. C. Mttller, Rey, Schle- gel, Sehmidt, StSlker u.a.m. Leipzig u. Heidelberg. C. F. Winter'seheVerlagshandlung.- 1872. Das Journal wird nicht l~nger zSgern wollen, seinen Lesern fiber eine der bedeutendsten Erscheinungen der ornithologischen Litteratur unserer Tage wenigstens einige Winke zu geben. Alfred Brehm's neuestes Werk ,,Gefangene VSgel" liegt uns seit Kurzem, seiner ersten I,i~tlfte nach, vollendet vor: es ist, so welt es erschie- hen, in den I-Iiindell vieler, sicher indess noch nicht aller Vogel-

Gefangene Vögel

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Die drei SchwirrvSgel. 183

vor mir gestanden; was ich Jahre lang gesucht, lag unerkannt auf dem Tische; das Glfiek, neue Viigel entdeckt zu haben, war ver- nichtet; die Freude, dass ich endlich doch naeh vielen mfihseligen

Herumsuchen die zwei VSgel aufgefunden hatte, konnte Seham und Schmerz nicht aufwiegen, und so oft ich sp~tter einen derselben sah oder hSrte, und das geschah sehr oft, wurden immer die unange- nehmsten Erinnerungen hervorgerufen. Niemanden habe ich etwas davon gesagt, Kummer und Gram zwanzig Jahre lang getragen, heute aber kann ich recht herzlich tiber meine Jugendstinden lachen.

Zu beiden V5geln, oder vielmehr zu allen dreien, machte ich ein besonderes Notizbuch, aber anstatt fluviatills, Flusss~tnge5 sctu'ieb ich: gryllina, Grillensiinger, und anstatt luscinio~des, Nach- tigallens~tnger, sehrieb ich: Acheta, Heimchens~tnger, und locustella blieb selbstverstiindlich: locustella, fteuschreckens~tnger. Da aber der Heimchensiinger (Acheta) niemals irgend einen Busch b'erfihrt, so kann er ffiglieh nieht Salizaria genannt werden; der Heu- schrecken- und Grillens~tnger hingegen kommen hie an das 8chilf, und Namen wie Calamoherpe, Calamodyta, Calamodus etc. geben ihnen keine wahre Bezeichnung, und gehSren ja bereits anderen VSgeln an, die mit meinen drei wunderlichen Tremulanten in kei- net Beziehung und Verwandtschaft stehen; darum nannte ich diese drei Schwirrer~ um einem jeden einzelnen und der gauzen Gruppe gerecht zu werden: T h r e n e t r i a . - -

P i e n i a k i bei Brody, im October 1871.

Gefangene Viigel. E i n H a n d - u n d L e h r b u c h fiir L i e b - h a b e r u n d P f l e g e r e i n h e i m i s c h e r u n d f r e m d e r K~f ig - v S g e l yon E.A. Brehm. In V e r b i n d u n g met B a l d a m u s , B o d i n u s ~ B o l l e , C a b a n i s , C r o n a u , F i e d l e r , F i n s e h , v. F r e y b e r g ~ G i r t a n n e r , v. G i z y c k i , H e r k l o t z , A. v. H o m e y e r , K i i p p e n , L i e b e , A. u. C. Mt t l l e r , Rey, S c h l e - ge l , S e h m i d t , S t S l k e r u . a . m . L e i p z i g u. H e i d e l b e r g .

C. F. W i n t e r ' s e h e V e r l a g s h a n d l u n g . - 1872. Das Journal wird nicht l~nger zSgern wollen, seinen Lesern

fiber eine der bedeutendsten Erscheinungen der ornithologischen Litteratur unserer Tage wenigstens einige Winke zu geben. Alfred Brehm's neuestes Werk ,,Gefangene VSgel" liegt uns seit Kurzem, seiner ersten I,i~tlfte nach, vollendet vor: es ist, so welt es erschie- hen, in den I-Iiindell vieler, sicher indess noch nicht aller Vogel-

184 C a r l B o l l e :

freunde, und im Interesse letzterer, insbesondere der dem deutschen Biichermarkt ferner wohnenden unter ihnen, halten wit es far eine gem eff{tllte Pfiicht, dasselbe bier in riihmende Erw~ihnung zu bringen und auf seinen iiberaas reichen Inhalt hinzuweisen. Mehr als alle bisher pablicirten Handbticher erscheint es sowohl fiir un- terhaltende and bildende Lektiire, als auch ftir den t~iglichen Ge- brauch, insbe~ondere far alas Nachschlagen, geeignet. Man darf dasselbe mit Recht nicht nur als ein angenehmes, sondern auch als ein ira besten Sinne des Worts praktisches Werk bezeichnen. Der Verfasser hat es nicht versehm~iht, you den erhabenen Gipfeln der Natarforschung, die der Wohnsitz seines Genius sind, herabzustei- gen, um zu Nutz und Frommen des Publikums Klarheit and Be- lehrung his in die entlegensten Regionen der Vogelliebhaberei, der Vogelkenntniss, der Vogelpfiege zu verbreiten. Er hat dabei stets die greiibaren Bed~irfnisse, aueh des am wenigsten pr~ttendirenden anter den Dilettanten vor • gehabt and tier Beriieksichtigang desselben mit fast v~tterlicher SorgSalt geniigt. Man wird mit Fug behaupten kOnnen, dass er sich durch diese Schrift volles Recht aaf eine Dankbarkeit erworben habe, derjenigen nicht ungleich, welche die weir bescheideneren Anspriiche vergangener Generationen einem Bechstein entgegenbrachten und lange Zeit hindarch in treaer Erinnrung bewahrt haben.

Abgeseheu yon der Rundschau fiber die ausserordentlich zahl- reichen Vogelarten~ welehe der rege Verkehr der Neuzeit arts lebend zar Verf~tgang stellt, abgesehen yon ihrer genauen, die Be- stimmung jeder einzelnen mit Leichtigkeit ermiiglichenden Charak- terisirung, entwickelt tier Verfasser in einer Reihe tier anmuthig- sten und ansprechendsten Kapitel seine Ansichten fiber D inge , die theils psychischer, theils mehr objektiver Natur, immer geeignet sind, die gespannteste Aufmerksamkeit des Vogelwirths zu fesseln. Einige derselben tragen Licht in Gebiete, welche sich bisher fast ganz der ]itterarischen Betrachtung entzogea; so insbesondere das- jenige, welches den Vogelhandel, namentlich den iiberseeischen, zum Gegenstand hat.

Dem Verfasser wie dem Buche kann es nur zum Vorzug ge- reichen, dass man in letzterem die Beobachtungen vieler anderer deutscher Ornithologen neben denen yon Brehm selbst niedergelegt und aufbewahrt finden wird. Manehe derselben wiiren ohne An- regung yon Seiten eines so hochstehenden Schriftstellers bestimmt ungedruckt geblieben.

Ueber k. E. Brehm's ,,Gefangene VSgel". 185

Der systematischen hufz~ihlung naeh umfasst der erste Band, mit den Papageien beginnend, den fiberwiegend grSsseren Theil der Sing- und eigentlichen Stubenviigel, KSrner- sowohl wie Weichfresser, bis zu den Lerchen. Die Exoten, in einer staunen- erregenden Phalanx vor uns aufmarschirt, nehmen unsere Aufmerk- samkeit hier vorwiegend in Anspruch und werden, sis, die bisher unbekannteren, auf eine so saehkundige Weise in Betreff ihrer iiusseren Erscheinung, ihrer Sitten, ihrer Pflege dargestellt, dass hieraus insbesondere dis unvergleiehlich grosse saehliche Befi~higung und die i|berstrSmend reiehe Erfahrung des Autors hervorleuchtet.

Der zweite Band, mit dem das ia Lieferungen erseheinende Werk abschliesst, soll hauptsi~chlieh den tIof- und ParkvSgeln ge- widmet sein und, nach den hbsichten des Verfassers, in ktirzester Zeit seine Vollendung finden.

Dem sinnigen Freunde der Vogelkunde giebt dies Werk man- nigfaehen Stoff zum Nachdenken. Auch hinsichtlich dieses Zwei- ges menschlieher Betrachtungsweise und mensehlieher Th~ttigkeit erbliekt ein philosophisehes kuge das treue Spiegelbild unserer in rastloser hrbeit vorwarts stfirmenden Epoche, sich kundgebend ill der Erschliessung bisher ungeahnter Bahnen, in der Ueberfluthung mit •euem, aber aueh in unerbittlieher Ausbeutung zu den Zweeken dos Prunks und der Modesucht. Was bescheidene Liebhaberei ge- wesen, was dem Herzen n~ther gestanden hatte, als dem Verstande, ist jetzt hinausgetreten an die Oeffentlichkeit und strebt, nicht ganz erfolglos, sicher jedoch erstaunt fiber seine eigene Wichtig- keit, nach dem Ruhme volkswirthschaftlieher Bedeutsamkeit. Das verschwiegene Lieben und Hegen entwickelte sich gleichsam yon selbst zur rationell 5etriebenen Wissenschaft. Referent gehSrt zu denjenigen, welehem die Tausende fremdl~ndischer StubenvSgel, die zu hohen Preisen doch immer nur far die BSrse des Reichen er- schwinglieh sind, kaum Ersatz gew~thren far die verlorenen Ge- nfisse unseres gl~icklich auf das Niveau des Meerschweins und des Salamanders herabgedrfickten Berliner Vogelmarkts. Er kann fiber den Wellensittiehen, fiber den kalifornischen Wachteln den Stieg- litz und das Blaukehlchen seiner Jugendtage nicht vergessen. Wie dem aber auch sein mSge, er ist doch froh, dass ihm wenigstens noch erlaubt ist, in der frischen M~irzluf~ die Kraniche fiber die Bl~tue eines fichtenums~tumten miirkischen Sees hinziehen zu sehen oder etwas sp~iter im Frfihling im eigenen Garten dis thaufrischen Stechpalm- und Wachholderzweige um das ~est einer Grasmticke

186 E. F. v. H o m e y e r :

herum auseinander zu biegen. Er ist nicht weniger erfreut, als Vermittler zwischen der Vogelwelt des weiten Universums und des Jahrhunderts, in dem wir nun einmal leben, mit der bescheidenen Persiinlichkeit des einfachen Lesers einen Brehm begriissen und hin und wieder in so guten BOchern blattern zu dtiffen, wie dessen ,,Gefangene V(igel" eins derselben sind.

S c h a r f e n b e r g bei Berlin, im M~trz 1873. Car l Bel le .

Monographische Beitrage fiber einige 6ruppen der Lerehen (Alaudidae).

Von

]L F. v. Homeyer.

Wenige Vogelarten sind so wenig constant in ihrer Form und Farbe, als die Lerchen, namentlich einige Gruppen derselben. Der Gedanke liegt nahe, dass die Natur bier noch eine besondere Thii- tigkeit entwickelt und noch heute besch~tftigt ist, weitere h_rten auszubflden. Auf solche Weise entst~nden unter unseren hugen, ohne dass wires zu verfolgen vermSchten, hier, wie in manchen anderen Gruppen fortw~thrend neue Arten, w~hrend andere Arten~ andere Gruppen dahinschwinden, da sie in der heutigen Welt ihre Lebensbedingungen nicht mehr finden.

Fiir diejenigen, welche geneigt sind, soviel als irgend mSglich zusammenzuwerfen, m~ichte eine solche Ansicht noch mehr zur Ar- tenvereinigung anspornen, aber wer tiefer in die Natur einzudringen trachtet, der muss sich eben veranlasst finden, das augenblicklich Vorhandene genau festzusteUen u n d e s einer sp~teren Zeit ~iber- lassen, die dann hervortretenden Unterschiede zu vermerken.

Die Gruppe der Haubenlerchen bietet ganz besondere Schwie- rigkeiten uad ich habe reich deshalb bemtiht, so viel Material zu untersuehen, als irgend mSglich. Seit langer Zeit habe ich aus verschiedenen Gegenden Lerchen gesammelt und dergleichen in Sammlungen untersueht, bin auch bei dieser Arbeit yon verschie- denen Seiten auf die freundlichste Weise untersttitzt, wofiir ich Herrn Oberamtmann Heine auf St. Burkhardi, Herrn Professor Dr. Peters zu Berlin, Herrn Dr. Taczanowski in Warschau, sowie Herrn Dr. Cabanis reich zu besonderem Danke verpfiichtet fiihle.

Nachstehend gebe ich nun das vorl~tufige Resultat meiner Un- tersuchungen. Es beansprucht keine Vollstiindigkeit~ aber es l~sst