51

Geheimprojekt der Varganen

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Geheimprojekt der Varganen
Page 2: Geheimprojekt der Varganen

Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 209

Geheimprojekt derVarganen

Von der Wasserwelt zumWüstenplaneten - und zur Schläferin

im All

von Clark Darlton

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit demGroßen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße-rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im-periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein-de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera-tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein-wohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßigeThronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver-schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge-gangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen denUsurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch dieEinwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Den Verschollenen wiederzufinden, ist Ischtars vordringliche Aufgabe. Zusammenmit Atlans Kameraden Fartuloon, Corpkor und Eiskralle macht sich die Goldene Göt-tin in ihrem Doppelpyramidenschiff auf den Weg.

Ihr Flug von einer zur nächsten ehemaligen varganischen Siedlungswelt führt sieschließlich zum GEHEIMPROJEKT DER VARGANEN …

Page 3: Geheimprojekt der Varganen

Die Hautpersonen des Romans:Ischtar - Die Goldene Göttin auf der Suche nach dem Geheimprojekt der Varganen.Fartuloon, Corpkor und Eiskralle - Ischtars Begleiter.Daquomart - Ein Rebell treibt falsches Spiel.Haitaschar - Eine Schlafende wird geweckt.

1.

Fartuloon rückte sein Lederwams zurechtund warf sich in den erstbesten Konturses-sel, der noch nicht besetzt war. Sein Gesichtverriet Unmut.

»Da haben wir gerade das Theater mitdiesem verrückten Küllsannimont hinteruns, und man glaubt, sich endlich einmalrichtig ausschlafen zu können – da weckstdu mich, Ischtar. Was soll das?«

Die Varganin lächelte etwas verzerrt.»Nur noch eine Flugetappe, dann errei-

chen wir den Planeten Noghmura, eine Was-serwelt, soweit ich mich erinnern kann.Wenn Küllsannimonts Unterlagen richtigsind, finden wir dort den varganischen Re-bellen Daquomart. Er muß uns weiterhel-fen.«

»Immer noch kein Grund, mich aufzu-wecken«, knurrte Fartuloon und warf seinenbeiden Freunden Corpkor und Eiskralle be-zeichnende Blicke zu. »Die eine Etappe hät-test du mich noch schlafen lassen können.«

Ischtar lächelte nicht, als sie erwiderte:»Es geht mir um Atlan, deinen besten

Freund, Fartuloon, das solltest du niemalsvergessen. Wir müssen ihn finden, und wirwissen, daß er in den Mikrokosmos ver-schlagen wurde. Die Maahks kennen dasGeheimnis der Verkleinerung bis zur Größeeines Atoms, aber sie haben jede Unterstüt-zung abgelehnt. Also müssen wir einen an-deren Weg finden. Vielleicht haben die Re-bellen einen.«

Fartuloon wußte zwar, daß Ischtar seinenFreund Atlan liebte, und vielleicht war es ei-ne gewisse Art von Eifersucht, tief in seinemUnterbewußtsein, die ihn immer wieder da-zu veranlaßte, ihr zu widersprechen. OhneIschtar wäre Atlan wahrscheinlich auch gar

nicht in seine mehr als verzwickte Lage ge-raten.

Ehe Fartuloon eine weitere Frage stellenkonnte, fuhr Ischtar fort: »Auf dem Wasser-planeten lebt Daquomart. Wir müssen damitrechnen, daß auch er uns mit dem vargani-schen Henker in Verbindung bringt, der denAuftrag erhielt, alle in den Makrokosmosgeflohenen Rebellen zu töten. Wir müsseneinen Weg finden, ihm rechtzeitig klarzuma-chen, daß wir nicht zu Magantilliken gehö-ren, sondern daß wir im Gegenteil dessen er-bitterte Gegner sind.«

»Und deshalb weckst du mich?« meinteFartuloon erneut. »Das haben wir doch alleschon gewußt und darüber gesprochen.« Ersah Eiskralle, den fast transparenten Chret-kor mit der todbringenden Hand, fragend an.»Ist es nicht so, mein Freund?«

Eiskralle zuckte die Schultern, und manhätte fast meinen können, die hastige Bewe-gung würde ihn zerbrechen lassen.

»Keine Ahnung, Bauchaufschneider, ichhabe geschlafen.«

Fartuloon gab es auf, da auch Corpkorkeine für ihn günstige Reaktion zeigte. Er-wartungsvoll wandte er sich wieder der Var-ganin zu.

»Ich kenne den Planeten Noghmuranicht«, sagte sie. »Ich weiß nur, daß seineOberfläche völlig von Wasser bedeckt ist,deshalb wurde er auch niemals besiedelt.Warum sich Daquomart ausgerechnet dieseWelt als Versteck vor dem Henker aussuch-te, ist und bleibt mir ein Rätsel. Vielleichthat er gelernt, im Wasser zu atmen.«

»Immerhin ist er ja unsterblich«, stellteCorpkor fest. »Aber wir erwischen ihnschon, und wenn ich Fische auf ihn ansetzenmuß.«

Damit spielte er auf seine Fähigkeiten an,mit primitiven und intelligenzlosen Lebewe-

Geheimprojekt der Varganen 3

Page 4: Geheimprojekt der Varganen

sen Kontakt aufnehmen und sie nach seinemWillen beeinflussen zu können. Einige Tiereführte er immer bei sich, und sie gehorchtenihm, als habe er sie jahrelang dressiert.Selbst winzige Insekten konnte er nach sei-nem Willen lenken.

»Unser Hauptziel ist, Atlan zu finden«,erinnerte Ischtar, »und ich nehme doch an,darin sind wir uns alle einig. Es gilt, vomMakrokosmos in den Mikrokosmos zu ge-langen, denn dort nur kann er sich aufhalten.Mindestens einer der Rebellen kennt das Ge-heimnis der Absoluten Bewegung, aber ichweiß nicht, wer das sein könnte. Somit müs-sen wir alle fragen.«

Ischtar lächelte jetzt ganz offen.»Das Schiff geht gerade in den Linear-

raum, wir werden Noghmura in einer halbenStunde erreichen. Darum, Fartuloon …!«

»Aha«, machte der Dicke, und man sahseinem Gesicht an, daß er am liebsten nochhinzugefügt hätte: Und da hast du michnicht früher geweckt …?

Aber er hielt vorsichtshalber den Mund.

*

Ischtars Schiff hatte die Form zweier anden Grundflächen zusammengesetzter Pyra-miden, von denen jede neunzig Meter hochwar. An der Nahtstelle hatte das Schiff einenDurchmesser von sechzig Metern.

Aus dem Linearraum kommend, hatte eseine Kreisbahn um den Wasserplaneten ein-geschlagen und trieb nun im freien Fall da-hin. Der Anblick Noghmuras löste bei denBetrachtern keinen großen Optimismus aus.

Die Oberfläche sah so aus, wie Ischtarvorausgesagt hatte. Sie war völlig mit Was-ser bedeckt, wenn auch an einigen Stellenschwimmende Inseln festzustellen waren.Etliche von ihnen besaßen die Ausmaße vonKontinenten, aber es konnte kein Zweifeldaran bestehen, daß sie nicht bis zum Grunddes gigantischen Meeres hinabreichten. Aufdie Massetaster des Pyramidenschiffs warVerlaß.

»Pflanzen?« fragte Fartuloon zweifelnd.

»Könnten es Pflanzen sein?«»Wahrscheinlich«, vermutete Corpkor

und studierte die verschiedenen Bildschirmemit den unterschiedlichen Vergrößerungen.»Jedenfalls bewegen sich die Inseln mit derDünung des Meeres. Sie schwimmen also,das steht fest.«

»Und wo soll sich dieser Daquomart daverborgen halten?« fragte Eiskralle. »Aufdem Meeresgrund?«

Ischtar überließ die Auswertung der Mas-setaster ihrer Automatik und kam zu den an-deren in die Kontrollzentrale. Sie hatte dieFrage Eiskralles gehört.

»Vielleicht, ausgeschlossen ist es wohlnicht. Wo könnte er sicherer sein? DieserPlanet gehört zu den sagenhaften›Versunkenen Welten‹, und auf allen befan-den sich einst Stationen der Varganen. Wirmüssen sie finden, das ist alles.«

»Die Orter? Die Massetaster?« erinnertesie Fartuloon.

Sie schüttelte den Kopf.»Die Stationen sind abgeschirmt, sie sind

nicht zu orten. Das ist ja gerade unser Pro-blem. Auf der anderen Seite dürfte Daquo-mart uns schon längst entdeckt haben. Ge-hen wir auf Funkempfang, vielleicht meldeter sich.«

»Wir sind in einem Schiff der Varganen«,warf Corpkor ein. »Er wird uns also zwangs-läufig für Magantilliken halten, falls er vondem Henker gehört hat.«

»Das hat er auf jeden Fall.« Ischtar starrteein wenig ratlos auf den Panoramaschirm.»Um jeder Verwechslung vorzubeugen, soll-ten wir es sein, die zuerst Kontakt aufzuneh-men versuchen. Wir teilen ihm mit, daß wirebenfalls Rebellen sind – oder noch besser:ich nehme allein Verbindung auf und ver-schweige, daß ich Begleiter habe. Das könn-te sein Mißtrauen verringern.«

»Vielleicht ist er sogar froh, Damenbe-such zu erhalten«, meinte Fartuloon undgrinste. »Ich jedenfalls wäre nicht traurigdarüber an seiner Stelle, wo er doch schoneine ganze Ewigkeit allein ist.«

»Es gibt Intelligenzen, die jene von dir

4 Clark Darlton

Page 5: Geheimprojekt der Varganen

angedeuteten Triebe unterdrücken können«,hielt Ischtar ihm vor. »Ich glaube, daßDaquomart ganz andere Sorgen hat.«

Sie ging in die Funkzentrale und ließ dieTür geöffnet.

Corpkor streichelte das kleine Tier, dasauf seinem Schoß saß und entfernt an einEichhörnchen erinnerte. Sein dichtes Fellwar hellblau und schimmerte wie Samt.

»Wenn Daquomart uns bisher nicht ent-deckte, dann wird das spätestens gleich ge-schehen«, prophezeite er, als nebenan Ischt-ar zu sprechen begann und den Rebellenaufforderte, sich zu melden. »Wir hätten erstnoch ein bißchen suchen sollen.«

Ischtar wiederholte ihre Aufforderung:»Daquomart, hier spricht Ischtar, ein Re-

bell wie Sie und auf der Flucht vor Magan-tilliken, dem Henker. Teilen Sie mir mit, woich landen soll, ich möchte mit Ihnen reden.Es hat keinen Zweck, wenn Sie sich ver-stecken wollen, früher oder später würde ichSie doch finden. Haben Sie Vertrauen,Daquomart. Ich komme allein.«

Dann ging sie auf Empfang, aber dieLautsprecher blieben stumm, und der Bild-schirm über den Funkgeräten blieb leer unddunkel.

Der Rebell gab keine Antwort.»Vielleicht ist er schon lange tot«, be-

fürchtete Fartuloon, als Ischtar das Gerät aufEmpfang ließ und in die Kommandozentralezurückkehrte. »Wäre doch möglich.«

»Sie können nicht alle tot sein!« wehrtesich die Varganin gegen diese Vermutung.»Warum sollte er auch so dumm sein wiedie anderen beiden? Nein, Daquomart lebt,und wir werden ihn finden! Wir müssen ihnfinden!«

»Warum landen wir nicht einfach auf ei-ner der schwimmenden Inseln?« fragte Eis-kralle. »Vielleicht tragen sie das Schiff.«

»Oder auch nicht! Aber das wäre nicht soschlimm, denn die Instrumente verraten, daßder Ozean nicht tief ist. Er ist seicht undwarm, ein richtiges Urmeer. Wir können unsauf Grund legen und trotzdem noch aus demWasser ragen. Aber wozu? Damit erreichen

wir nichts.«»Na schön, warten wir eben«, murmelte

Fartuloon, der es längst aufgegeben hatte,Ischtar widersprechen zu wollen.

*

Tief unter dem Schiff ging das Leben aufNoghmura unverändert weiter.

In der sanften Dünung des Meeresschwankten die grünen Inseln hin und her.Erst aus der Nähe war zu erkennen, daß sieaus Tausenden von Pflanzentürmen bestan-den, die durch kräftige Lianen miteinanderverbunden zu sein schienen. So betrachtet,bildeten sie eine Einheit, die auch größerenStürmen zu trotzen vermochte.

Hinzu kam, daß ihre langen Wurzeln biszum Grund des Meeres hinabreichten, in densie sich hineinbohrten und sich so veranker-ten, daß der Wind sie nicht davontreibenkonnte.

Zahlreiche Vögel umkreisten lärmend undkreischend die Pflanzentürme, sie tauchtenin das Wasser und schossen an anderer Stel-le wieder in die Luft. Meist hielten sie danneinen zappelnden Fisch im Schnabel, den siegierig verschlangen.

Aber sie flogen nie sehr weit.Sie wurden daran gehindert.Jeder einzelne Vogel war mit einem sei-

ner Füße an ein unwahrscheinlich dünnes,aber sicherlich zähes Lianenseil gefesselt,das stets in einem der schwimmenden Tür-me endete. Dieses Seil gestattete den Vögelneinen nur kleinen Flugradius. Er genügte zurNahrungssuche und Kotausscheidung, vonder wiederum die Pflanzentürme lebten. Da-für erlaubten sie den Vögeln, Fische zu fan-gen, die, von den bunten Farben der Wasser-pflanzen angelockt, eine leichte Beute wur-den.

Diese seltsame Symbiose war das einzighalbwegs intelligente Leben auf der Wasser-welt Noghmura – so wenigstens mußte es ei-nem fremden Besucher vorkommen.

Als Daquomart vor langer Zeit den Plane-ten entdeckte und feststellte, daß er unbe-

Geheimprojekt der Varganen 5

Page 6: Geheimprojekt der Varganen

wohnt und die Station zwar verlassen, abernoch intakt war, glaubte er, einen sicherenZufluchtsort gefunden zu haben. Selbstwenn der Henker die Wasserwelt fand undauf ihr einen der Rebellen vermutete, sowürde es ihm schwerfallen, ihn auch un-schädlich zu machen.

Die Funkeinrichtung der alten Station ar-beitete einwandfrei, aber Daquomart hütetesich, auch nur einen einzigen Impuls abzu-strahlen. Er begnügte sich damit, alle er-reichbaren Sendungen aufzufangen und zukontrollieren. So hielt er den Kontakt mitder Außenwelt aufrecht, ohne sich selbst inGefahr zu bringen.

Als seine Orter das Pyramidenschiff mel-deten und die Daten registrierten, warDaquomart davon überzeugt, daß Magantil-liken eingetroffen sei. Doch dann hörte erdie Stimme einer Frau, die sich Ischtar nann-te, und das war ein Name, den er schon ge-hört hatte.

Er saß in der Funkzentrale vor dem nochdunklen Bildschirm und ließ die Stimme aufsich einwirken. Das Gesicht Ischtars konnteer nur dann sehen, wenn er Kontakt zu ihraufnahm und die Kameras eingeschaltetwurden. Vielleicht war sie nicht nur klug,sondern auch schön …?

Aber das war nicht der Hauptgrund seinerÜberlegungen. Es gab wichtigere Problemeals dieses. Sogar so wichtige, daß Daquo-mart beschloß, sich nicht mehr länger ver-borgen zu halten, wenn er auch damit rech-nen mußte, in eine Falle zu gehen.

Doch bevor er die Funksprüche beantwor-tete, überprüfte er die automatische Abwehr-anlage seiner stählernen Inseln, die über undüber mit den Pflanzentürmen bedeckt war.So getarnt konnte sie mit optischen Mittelnniemals entdeckt werden.

Vorsichtshalber verkürzte er die fest imMeeresboden verankerten Standfüße derStation, die dadurch einige Meter tiefersank. Nur noch einige Punkte ragten ausdem Wasser, von Pflanzen ausreichend ge-tarnt.

Beruhigt und davon überzeugt, sich genü-

gend abgesichert zu haben, kehrte der Rebellin seine Funkzentrale zurück. Nun war ervorbereitet, und selbst wenn diese Ischtareinen Verrat plante, bedeutete sie keine Ge-fahr mehr für ihn. Aber sie besaß ein Raum-schiff, und das war der entscheidende Fak-tor.

*

Sie zuckten alle zusammen, als das Ant-wortsignal ertönte.

Ischtar meldete sich sofort: »Hier sprichtIschtar. Sind Sie es, Daquomart?«

»Wer wohl sonst?« kam es nicht geradefreundlich zurück. »Gehen wir auf Bildfunk,ich möchte Ihr Gesicht sehen.«

»Das beruht auf Gegenseitigkeit«, erwi-derte Ischtar und nahm die Schaltung vor.

Sie blickte Sekunden später in das finstereund bärtige Gesicht des einsamen Rebellen,der sich entschlossen hatte, sein Leben in ei-ner Stahlfestung unter dem Wasser zu ver-bringen. Nur Gewalt konnte ihm den Todbringen, niemals Krankheit oder Alters-schwäche.

»Ganz hübsch«, sagte er, nachdem erIschtar eine Weile betrachtet hatte. »Und ei-ne Frau wie Sie streift allein durch das Uni-versum und besucht uns Rebellen?« Er lach-te dröhnend. »Sie sind mir willkommen,Gnädigste, und ich hoffe, wir werden guteFreunde. Aber ich warne Sie: Wenn Siemich belogen haben, werden Sie es bereuen.Ich bin da nicht zimperlich. Ich gebe Ihnendie Koordinaten, Sie können auf der Stationlanden. Und bringen Sie keine Waffe mit,wenn Sie die Station betreten.«

»Die Koordinaten, bitte«, sagte Ischtartonlos.

Sie bekam sie, dann wurde die Verbin-dung unterbrochen.

Ischtar kehrte zu den anderen zurück, diejedes Wort verstanden hatten, vorsichtshal-ber aber in der Kommandozentrale geblie-ben waren.

Sie setzte sich.»Ein unangenehmer Kerl, dieser Daquo-

6 Clark Darlton

Page 7: Geheimprojekt der Varganen

mart. Sieht alles andere als sympathisch aus.Wahrscheinlich nimmt er an, ich besuchedie Rebellen, einen nach dem anderen, umihnen die Zeit zu vertreiben. Da hat er sichaber gewaltig geirrt.«

»Und wenn er nicht weiß, was es mit dersogenannten Absoluten Bewegung auf sichhat, mit deren Hilfe man nach Belieben vomMakrokosmos in den Mikrokosmos über-wechseln kann?« fragte Fartuloon. »Erkönnte Magantilliken alarmieren …«

»Und sich selbst dabei verraten?« Ischtarschüttelte den Kopf. »So dumm ist er be-stimmt nicht. Aber trotzdem werde ich dasGefühl nicht los, daß er etwas von mir will.«

»Na, was wohl schon?« meinte Eiskrallekichernd.

Ischtar warf dem Chretkor einen vernich-tenden Blick zu.

»Nein, das nicht! Etwas anderes, und ichwerde schon herausfinden, was das ist. Viel-leicht auch nur eine Information, wer weiß?Wir werden sehen. Fartuloon, hier sind dieKoordinaten. Suchen wir die Station.«

Der ehemalige Leibarzt des arkonidischenImperators studierte die Daten und die allge-mein gültigen planetarischen Unterlagen. Ersagte:

»Der Terminator zieht gerade über denSchnittpunkt der Koordinaten hinweg, eswird dort Tag. Wir müssen nach Westen, et-wa ein Drittel Planetenumfang. Also nichtswie raus aus der Umlaufbahn!«

Ischtar übernahm wieder die Führung desSchiffes und ließ es langsam in die oberenSchichten der Atomsphäre einsinken. In ge-ringer Höhe folgten sie der Sonne, überhol-ten sie und flogen weiter, bis sie unter denöstlichen Horizont zu sinken drohte.

Wie gebannt sahen sie auf den Panorama-schirm.

Eine große, grüne Insel bedeckte dasMeer, aber sie schien nicht so dicht zu seinwie die anderen. An vielen Stellen schim-merte das offene Wasser hindurch, undziemlich an ihrem Rand blinkte Metall.

»Das ist sie!« rief Corpkor triumphierend.»Wir haben sie gefunden!«

»Übernimm die Kontrollen«, bat IschtarFartuloon und strich sich mit den Händenüber die engsitzende Kombination. »Dukannst auf der Station landen, wir haben dieErlaubnis dazu.«

»Soll nicht doch besser jemand mit dir ge-hen?«

»Nein! Das würde Daquomart noch miß-trauischer machen, selbst wenn ich es ihmjetzt sagte. Er nimmt an, ich bin allein, alsolaßt euch auf keinen Fall sehen. Bleibt imSchiff, was immer auch geschieht.«

»Das werde ich mir noch überlegen«,knurrte Fartuloon wütend. »Achtung, da un-ten ist eine Plattform. Sie scheint mir großgenug zu sein. Hoffentlich trägt sie auch un-ser Gewicht.«

»Das Meer ist hier nur fünfzig Metertief«, beruhigte ihn die Varganin.

»Zum Ertrinken reicht das«, stellte Corp-kor fest.

Die stählerne Plattform schien nur Zenti-meter einzusinken, als das Schiff landete,aber so genau ließ sich das nicht feststellen.Der Rand war gut fünfzig Meter entfernt,und dort wuchsen die seltsamen Pflanzentür-me, die sie schon auf den Schirmen beob-achtet hatten.

Die Plattform war nicht überall so ebenund glatt. An manchen Stellen erhoben sichabgerundete Kuppeln, unter denen sich mitziemlicher Sicherheit automatische Energie-geschütze befanden. Genau gegenüber derAusstiegluke des Schiffes hatte sich ein Torgeöffnet, hinter dem ein schräg in die Tiefeführender Gang mehr zu ahnen als zu erken-nen war.

Der Eingang zur Station der Varganen!Ischtar straffte sich.»Bleibt vom Funkgerät und wartet, bis ich

zurückkehre. Ich hoffe, Daquomart sieht inmir keinen Feind. Wenn ich mich bis heuteabend nicht melde, habt ihr freie Hand, et-was zu unternehmen.« Sie überlegte und lä-chelte flüchtig. »Nein, wartet bis morgen. Esgibt Verhandlungspartner, bei denen es sehrlange dauert, bis man sie dort hat, wo mansie haben will.«

Geheimprojekt der Varganen 7

Page 8: Geheimprojekt der Varganen

»Du willst die Nacht bei dem Kerl ver-bringen?« empörte sich Fartuloon. »Wasdenkst du dir eigentlich dabei …?«

»In der Festung gibt es weder Tag nochNacht. Ich will nur Zeit genug haben, das istalles. Und vor allen Dingen will ich nicht,daß ein eventueller Erfolg durch euren Über-eifer zunichte gemacht wird. Habe ich michklar genug ausgedrückt?«

Fartuloon nickte und seufzte:»Möchte den Mann sehen, der mit einer

solchen Frau fertig wird. Na schön, wir war-ten. Aber gib uns wenigstens ein Zeichen,wenn der Kerl dich belästigt. Nimm einFunkgerät mit.«

»Keine Waffe, kein Funkgerät, nichts,Fartuloon. Ihr wißt ja, wo ich bin. Vielleichtläßt Daquomart den Eingang offen …«

Der Panoramaschirm im Schiff blieb ein-geschaltet, als Ischtar durch die Luke stiegund den ebenen Metallboden der Festungbetrat. Hinter ihr schwang die Luke automa-tisch wieder zu.

Sie machte einige Schritte auf das Tor zu,etwa dreißig Meter vom Schiff entfernt. Dasleichte Schwanken unter ihren Füßen ahntesie mehr, als daß sie es spürte. Sie blieb ste-hen und sah sich um.

Am Rand der stählernen Plattform klam-merten sich die Pflanzentürme fest, von ih-ren gefesselten Vögeln umkreist. Dadurch,daß die gefangenen Tiere immer wieder zufliehen versuchten, bewegten sich die Zwei-ge und Tentakel der Pflanzen ruckartig hinund her, wenn die Lianenseile zu kurz wur-den. Es sah so aus, als lebten die Pflanzen-türme.

Ischtar überlegte es sich anders, obwohlsie damit rechnete, daß Daquomart sie beob-achtete. Entschlossen wechselte sie dieRichtung und ging vor bis zum Rand derPlattform, die kaum fünfzig Zentimeter ausdem Wasser ragte. Sie fand eine Lücke zwi-schen zwei Turmpflanzen und fühlte sich ei-nigermaßen sicher. Die gefangenen Vögelstießen auf sie herab, griffen sie aber nichtdirekt an.

Das Wasser war ungemein klar, und Isch-

tar konnte bis auf den Grund hinabsehen.Riesige Schwärme handlanger Fische stan-den über hellen Sandbänken und schroffen,dunklen Riffen. Wellen entstanden nur dann,wenn einer der gefangenen Vögel hinab-tauchte, um sich einen der Fische zu holen.

Ischtar stand lange am Rand der Festungund sah zu, wie die Sonne allmählich höherstieg. Es wurde wärmer. Dann wandte siesich endlich um und ging am Schiff vorbeiauf das Tor zu.

Der Gang dahinter war nun besser zu er-kennen, denn die Sonnenstrahlen fielen ge-nau in ihn hinein. Der Boden war mit einergeriffelten Kunstschicht bedeckt, aber Wän-de und Decken bestanden aus blankem Me-tall. Der Gang führte schräg nach unten, en-dete aber bereits nach wenigen Metern in ei-nem kleinen Raum.

Ischtar überwand ihre aufsteigenden Be-denken, sah noch einmal zum Schiff zurückund blinzelte fast unmerklich. Sie wußte,daß Fartuloon, Corpkor und Eiskralle siejetzt nicht aus den Augen ließen.

Noch bevor sie den von oben erkanntenRaum erreichen konnte, schloß sich hinterihr mit einem dumpfen Laut das Tor, wäh-rend gleichzeitig künstliches Licht auf-flammte. Daquomart konnte also jeden ihrerSchritte verfolgen und ging auf Nummer Si-cher. Er schnitt ihr den Rückzug ab.

Ischtar lächelte krampfhaft und sagte:»Immer noch mißtrauisch, Daquomart?

Sie sollten sich schämen, ich bin nur eineschwache Frau.«

Keine Antwort.Sie zuckte die Schultern und ging weiter.Der Raum war quadratisch und nicht sehr

groß. Drei Türen führten in verschiedeneRichtungen. Sie vergegenwärtigte sich dieLage des Eingangs auf der Plattform und dieRichtung des Ganges, den sie herabgestie-gen war – und wählte die mittlere Tür.

Sie ließ sich durch Drehung eines Knop-fes öffnen. Dahinter lag ein weiterer Raum,angefüllt mit technischen Geräten, Kontroll-tafeln und Bildschirmen. Vor einem derrechteckigen Schirme, auf dem die geschlos-

8 Clark Darlton

Page 9: Geheimprojekt der Varganen

sene Luke des Pyramidenschiffs zu erken-nen war, saß ein Mann in einem Sessel, derjetzt blitzschnell herumschwenkte.

Daquomart betrachtete Ischtar schwei-gend und mit finsterer Miene, die sich nurlangsam aufzuhellen begann. Er sah unge-pflegt und ein wenig verwahrlost aus. In sei-nen Augen schimmerte das Mißtrauen.

»So also sehen Sie in natura aus, liebeIschtar.« Seine Blicke glitten an ihren wohl-geformten Körper herab, dessen Konturendurch die enganliegende Kombination nochhervorgehoben wurden. »Ich finde es rei-zend von Ihnen, mir die Langeweile vertrei-ben zu wollen.«

Sie setzte sich.»Bevor wir einige Mißverständnisse be-

seitigen, möchte ich ein anderes Thema mitIhnen erörtern, Daquomart. Es gibt gewisseUmstände, die für Sie von nur wenig Inter-esse sein dürften, die mich aber dazu zwin-gen, für kurze Zeit in den Mikrokosmos zu-rückzukehren. Die Maahks verweigern mirjede Unterstützung. Ich weiß, daß einer derRebellen das Geheimnis der Absoluten Be-wegung zwischen den beiden Kosmen be-sitzt, aber wer es ist, ist mir unbekannt. Ichbin gekommen, Sie um Unterstützung zubitten.«

Daquomart hatte zugehört, ohne sie zuunterbrechen. Keine Sekunde hatte er sie ausden Augen gelassen und sie unaufhörlich be-trachtet, so als studiere er ein seltsames Ob-jekt. Als sie aufhörte zu sprechen, schien erwie aus einem Traum zu erwachen.

»Ich soll Ihnen also helfen?« vergewisser-te er sich lauernd.

»Ja, darum bitte ich Sie.«Er nickte vor sich hin.»Und wie soll ich wissen, daß Sie mich

nicht in eine Falle locken wollen? Ich weiß,daß der Henker hinter den Rebellen her istund schon einige von ihnen erwischte. Ermuß Verbündete haben, vielleicht sogareinen von uns, einen Verräter. Beweisen Siemir, daß nicht Sie dieser Verräter sind!«

Die Frage war einfach, nicht aber die Ant-wort und der Beweis, das wußte Ischtar

auch. Sie mußte erreichen, daß der Rebellihr vertraute.

»Sie haben eine gute und leistungsfähigeFunkanlage. Eigentlich müßten Sie über dasunterrichtet sein, was sich draußen abspielt,oder kümmern Sie sich nicht darum?«

Er ließ sich ablenken. Der Stolz gewanndie Oberhand.

»Es ist die beste Anlage, die ich kenne.Ich habe zusätzlich automatisch arbeitendeSpeicher entwickelt und eingebaut, die alleSendungen aufnehmen und sortieren, die fürmich interessant sind. Ich brauche sie späternur abzurufen, um informiert zu sein.« Ersah sie wieder an. »Aber in keiner dieserSendungen wurde mir bestätigt, daß eine ge-wisse Ischtar nicht auf der Seite Magantilli-kens steht.«

»Das gehört zur Taktik des Henkers«, un-ternahm Ischtar einen neuen Versuch, seinMißtrauen zu zerstreuen. »Er will uns Re-bellen verunsichern. Jeder soll dem anderenden Verrat zuschieben können. Niemalswürde er den Namen seines Helfershelfersverraten – falls er überhaupt einen hat, wasnicht so sicher ist.«

Daquomart dachte darüber nach, und dasArgument schien ihm einzuleuchten. Über-haupt hatte Ischtar den Eindruck, daß erzwar raffiniert, aber nicht übermäßig intelli-gent war. Das bedeutete eine gefährlicheMischung, wenn seine Emotionen mit ihmdurchgingen.

»Vielleicht haben Sie recht«, sagte er end-lich nach längerer Pause, in der Ischtar Gele-genheit fand, die Kontrollen genauer zu stu-dieren. Der Bildschirm, auf dem die Lukeihres Schiffes allzu deutlich zu sehen war,störte sie. Wie sollten Fartuloon und die bei-den anderen jemals das Schiff verlassenkönnen, ohne sofort von Daquomart bemerktzu werden? »Aber ich muß vorsichtig sein.Nur weil ich vorsichtig bin, lebe ich noch.«

»Ich würde an Ihrer Stelle genauso han-deln«, versuchte Ischtar es mit einerSchmeichelei. »Überhaupt muß ich IhreKlugheit bewundern, sich ausgerechnet die-se vergessene Station als Versteck ausge-

Geheimprojekt der Varganen 9

Page 10: Geheimprojekt der Varganen

sucht zu haben. Niemand wird Sie hier je-mals entdecken.«

»Sie haben mich entdeckt!« sagte er ru-hig.

Sie gab es zu:»Nur deshalb, weil ich die Unterlagen von

Küllsannimont bekam. Ihm waren die Auf-enthaltsorte aller Rebellen bekannt, nur hater mir leider nicht verraten, welcher das vonmir benötigte Geheimnis kennt. Das ist derGrund, warum ich alle aufsuchen muß.«

»Könnte Küllsannimont nicht der Verrätersein?«

»Und wenn, dann würde uns von ihm kei-ne Gefahr mehr drohen. Er ist tot, von seinereigenen Festung erschlagen. Ich glaube auchnicht, daß er so dumm gewesen wäre, demHenker sämtliche Verstecke zu verraten,weil er damit seine eigene Lebensversiche-rung aus der Hand gegeben hätte. Und dieUnterlagen sind nun in meiner Hand.«

»Ach so – Sie besitzen nun diese Unterla-gen? Wo sind sie?«

»Im Schiff, gut aufgehoben. Und vor allenDingen sind sie vor dem Zugriff Magantilli-kens sicher.«

»Aber ich hätte sie gern gesehen«, ver-langte er.

Sie schüttelte den Kopf.»Sie sind voller Mißtrauen gegen mich,

also darf ich es auch Ihnen gegenüber sein.Vielleicht sind gerade Sie der Verräter.Dann würde ich die anderen Rebellen demsicheren Tod ausliefern, wenn ich Ihnen ih-ren Aufenthaltsort verriete. Habe ich recht?«

Er knurrte: »Möchte mal die Frau sehen,die nicht immer recht hat!«

Ischtar hatte inzwischen die Hauptkon-trollen für die Bildschirme gefunden. Einfa-ches Ausschalten würde nichts nützen, siemußte sie für eine Zeit unbrauchbar machen.Für alle Zeiten blind wollte sie Daquomartauch nicht zurücklassen, wenn er ihr wirk-lich zu helfen bereit war.

»Na schön«, unterbrach er das Schweigenschließlich. »Nehmen wir einmal an, ichglaube Ihnen und gebe mein Geheimnispreis. Was bekomme ich dafür?«

Das war eine direkte Frage, die keineAusreden zuließ. Aber sie war ja eine Frau,und einer solchen geziemte es, in gewissenDingen begriffsstutzig zu sein.

»Ich habe nicht viel zu geben, und mitReichtümern könnten Sie hier ohnehinnichts anfangen. Aber wenn Sie Vorräte be-nötigen, technische Ausrüstung, Ersatzteile– was auch immer, es kann sein, daß ichmich da erkenntlich zeigen werde. TeilenSie mir nur Ihre Wünsche mit.«

Er lächelte breit.»Von allem habe ich mehr als genug.

Selbst die Lebensmittel werden nicht knapp,allein der Planet könnte mich für alle Ewig-keiten versorgen.« Er schüttelte den Kopf.»Nein, Ischtar, das ist es nicht, was ich vonIhnen will. Können Sie es sich nicht den-ken?«

Es wäre falsch gewesen, sich noch düm-mer zu stellen, das würde er ihr nicht mehrabnehmen. Vielleicht konnte sie ihn vertrö-sten und so Zeit gewinnen.

»Mein lieber Daquomart, ich fürchte, ichmuß ein Mißverständnis ausräumen. Siewissen jetzt, warum ich die Rebellen be-suchte und warum ich auch zu Ihnen gekom-men bin. Glauben Sie, ich könnte mich in ei-ner halben Stunde entscheiden, ob ich IhreWünsche erfülle oder nicht? Außerdem ha-ben Sie mir noch nicht bewiesen, daß Siewirklich wissen, an wen ich mich wendenmuß, um in den Mikrokosmos zu gelangen.«

»Und Sie haben mir noch nicht gesagt,was Sie dort überhaupt wollen«, gab er ver-ärgert zurück. Aber dann glätteten sich seineZüge wieder. »Im übrigen scheinen Sie michnicht richtig verstanden zu haben. Was Sieeben andeuten, wäre mir sicherlich nicht un-angenehm, falls Ihre Entscheidung positivausfiele und Sie besonders nett zu mir wä-ren, aber das war nicht mein eigentlichesAnliegen. Meine Wünsche sind andererArt.«

Nun war es an Ischtar, erstaunt zu sein.»Reden Sie schon, Daquomart. Wenn ich

Ihre Wünsche erfüllen kann, so werde ich estun – als Gegenleistung.«

10 Clark Darlton

Page 11: Geheimprojekt der Varganen

»Nicht, daß ich nicht Sie auch möchte,Ischtar«, sagte er langsam und mit eigenarti-ger Betonung. »Aber wenn Sie mir meinenHauptwunsch erfüllen, käme das ganz vonselbst.«

»Ich verstehe nicht ganz …«Er beugte sich vor und sah sie an.»Natürlich sage ich Ihnen gern, wer von

den anderen Rebellen Ihnen helfen könnte,aber das wird Ihnen kaum noch nützen,wenn Sie meine Bedingung erfüllen. SehenSie, vor ein oder zwei Jahren, so genau weißich das nicht mehr, faßte ich den verrücktenPlan, von hier wegzugehen. Ich wollte flie-hen, denn ich spürte, daß mir der verfluchteHenker dicht auf den Fersen war. MeinSchiff lag auf dem Grund des Meeres, nichtweit von hier entfernt an einer tieferen Stel-le. Ich hatte mich lange nicht mehr darumgekümmert, denn ich nahm nicht an, daß iches noch einmal benützen müßte. Also tauch-te ich hinab und wollte es an die Oberflächeholen. Dabei geschah es.«

»Was geschah?« fragte Ischtar, obwohlsie es bereits ahnte.

»Der Antrieb explodierte und zerriß dasHeck. Wasser strömte ein, und nur mit Mü-he konnte ich mich retten. Ich kehrte zurStation zurück, nun für alle Zeiten auf dieseWelt verbannt. Ich habe nicht die Absicht,sie zu verlassen, aber ich brauche die Ge-wißheit, es notfalls doch tun zu können.«

Sie ahnte nun, was er von ihr wollte, abersie sträubte sich gegen den Gedanken. Wenner gesagt hätte, sie solle ihn mitnehmen, sohätte sie das vielleicht getan, aber …

»Sie meinen …?«Er nickte grimmig.»Ja, ich will Ihr Schiff, Ischtar!«

*

Eiskralle kam aus dem Vorratsraum undging in die Kommandozentrale, wo Fartu-loon und Corpkor sich mit einem Spiel dieZeit vertrieben. Draußen begann es bereitszu dämmern. Nicht mehr lange, dann gingdie Sonne unter.

Fartuloon sah auf und betrachtete denChretkor. Sein Blick wanderte über diesichtbaren Organe im Innern des halbtrans-parenten Körpers, dann sagte er vorwurfs-voll:

»Da liegt eine schöne Menge in deinemMagen herum, Eiskralle. Vor einem Einsatzsoll man sich den Bauch nicht so vollschla-gen.«

»Bei dir sieht man es auch«, gab Eiskrallezurück und deutete mit gläsernen Fingernauf Fartuloons beträchtlichen Bauchumfang.

Corpkor stand auf und studierte EiskrallesInnereien.

»Wahrhaftig«, sagte er, »du hast recht,Fartuloon. Er muß die Hälfte unserer Vorrä-te vertilgt haben. Habe nie gewußt, daß er soverfressen ist.«

Eiskralle seufzte und ließ sich in einemSessel nieder.

»Ich bin froh, daß ihr keine anderen Sor-gen habt. Ihr nehmt wohl an, daß es Ischtargutgeht, was? Ich nicht!«

Fartuloons Gesicht wurde wieder ernst.»Seit sich das Tor, durch das sie ver-

schwunden ist, geschlossen hat, ist nichtsmehr passiert. Sobald es dunkel ist, sehe ichnach.«

Sowohl Eiskralle als auch Corpkor prote-stierten und erinnerten ihn daran, was Ischt-ar angeordnet hatte. Vor dem morgigen Tagsollten sie nichts unternehmen. Vielleichtdauerten die Verhandlungen noch an, undwenn sie im unrechten Moment gestört wur-den, konnte das verheerende Folgen haben.

Auf der anderen Seite …»Länger als bis morgen früh warte ich

nicht!« erklärte Fartuloon. »Dann könnt ihrmachen, was ihr wollt, ich jedenfalls küm-mere mich dann um Ischtar. Dieser Daquo-mart sah mir wie ein Wüstling aus.«

»Um so eine Sache mache ich mir die we-nigsten Sorgen«, teilte Eiskralle gemächlichmit. »Ischtar weiß sich da schon zu helfen.Ihr wißt ja, was sie von Ra erzählte, der sieunbedingt besitzen wollte. Sie hat ihn ganzschön abblitzen lassen, und er war so wü-tend, daß er sich ein Beiboot schnappte und

Geheimprojekt der Varganen 11

Page 12: Geheimprojekt der Varganen

verschwand. Wo mag er übrigens stecken?«Das wußte natürlich niemand von ihnen,

und am allerwenigsten hätten sie die Wahr-heit erraten: daß Ra nämlich in diesem Au-genblick auf Arkon weilte, dem Mittelpunktder Großen Imperiums.

»Ra ist nicht Daquomart«, versicherteFartuloon düster.

Corpkor setzte sein eichhörnchenähnli-ches Tier, das er »Quirrel« nannte, auf denBoden. Er gähnte.

»Wir gehen schlafen«, verkündete er undmeinte damit offensichtlich sein Quirrel undsich selbst. »Weckt mich, wenn ich mit derWache an der Reihe bin.«

»Ich fange an«, erbot sich Eiskralle. »Ichkann jetzt sowieso nicht sofort einschlafen.«

»Mit so einem überfüllten Magen könnteich das auch nicht«, stimmte Fartuloon ihmzu, warf einen letzten Blick auf den Bild-schirm, auf dem sich nichts verändert hatte,und erhob sich. »Ich werde dich dann ablö-sen.«

Eiskralle blieb allein in der Zentrale.Er ahnte nicht, daß in diesen Minuten im

Innern der Festung der erbitterte Kampf umdas Schiff begann, in dem er saß.

*

Ischtar saß sprungbereit in ihrem Sessel.Der Rebell war nur wenige Meter von ihrentfernt. Er trug keine sichtbare Waffe.

»Mein Schiff, Daquomart …?« dehnte siedie Frage, als sei jede gewonnene Sekundevon unschätzbarem Wert. »Wie stellst du dirdas vor? Soll ich den Rest meines Lebenshier auf der Wasserwelt verbringen?«

»Es ist schön hier, und wir werden unsanfreunden«, versprach er.

»Wozu willst du dann ein Schiff? Das istunlogisch.«

»Ich erwähnte bereits, daß ich es nur alsSicherheit brauche. Ich will fliehen können,wenn Magantilliken auftaucht. Ohne Schiffwäre ich verloren.«

»Und was ist mit mir? Mein Schicksalscheint dir gleichgültig zu sein.«

»Oh, im Gegenteil, meine Teuerste. Wirgewöhnen uns aneinander – schon jetzt. Undfür den Notfall haben wir ein Schiff, mitdem wir uns in Sicherheit bringen können,sollte das jemals notwendig sein.«

Sie schüttelte den Kopf.»Daraus wird nichts, Daquomart. Ich

kann dir das Schiff nicht geben, und ichbleibe auch nicht bei dir. Du bist verrückt!Genauso verrückt wie Küllsannimont.«

Ischtar wußte, daß sie ein gewaltiges Risi-ko einging, wenn sie Daquomart reizte. Biszum anderen Tag verging noch viel Zeit. Siewußte, daß ihre Freunde sich an ihre Bittehalten und erst morgen nach Sonnenaufgangeingreifen würden. Wie sollte es ihr gelin-gen, den Rebellen so lange hinzuhalten, oh-ne daß er die Geduld verlor?

»Aber du willst wissen, wer das Geheim-nis der Absoluten Bewegung kennt, oder…? Du wirst es nie erfahren, ganz abgese-hen davon, daß du bei mir bleiben wirst, obes dir nun paßt oder nicht.«

Sie überlegte schnell. Auf keinen Falldurfte sie sich eitle Blöße geben. Daquomartwar scharf auf das Schiff, also würde er nie-mals etwas unternehmen, das es beschädigenkönnte.

»Glaubst du, ich bin ohne Rückversiche-rung zu dir gekommen?« fragte sie so ruhigund gelassen wie möglich.

»Was willst du damit sagen?«»Ich will damit sagen, daß ich natürlich

nicht allein gekommen bin. Im Schiff wartetdie Besatzung auf meine Befehle. Wenn ichihr nicht das richtige Stichwort gebe, oderwenn du versuchen solltest, gewaltsam indas Schiff einzudringen, wird es entwederstarten oder sich selbst vernichten, daskommt auf die Umstände an.«

Er starrte sie wütend an.»Du hast mich belogen!« stieß er hervor.

»Aber das sollst du mir büßen! Ich werdedas Schiff bekommen, darauf kannst du dichverlassen. Hier jedenfalls kommst du soschnell nicht wieder heraus.«

»Ich bleibe freiwillig«, sagte sie überle-gen.

12 Clark Darlton

Page 13: Geheimprojekt der Varganen

Ihre Ruhe machte Daquomart noch unsi-cherer. Es war ihm klar, daß sie noch einenTrumpf in der Hand hatte, von dem er nichtsahnte. Er wollte das Schiff, und er wollteauch Ischtar. Das Schiff jedoch hatte Vor-rang. Wenn er es einmal besaß, dann hatte erauch Ischtar.

»Schön, du bleibst freiwillig – das erspartdir Unannehmlichkeiten. Du wirst gestatten,daß ich dich nach Waffen durchsuche, bevorich dich einsperre. Morgen unterhalten wiruns dann weiter. Ich muß überlegen …«

»Überlege gut!« empfahl Ischtar undsprang überraschend auf.

Mit einem Satz warf sie sich auf den Re-bellen, der von dem plötzlichen Angriff soüberrascht war, daß er mit dem nicht am Bo-den befestigten Sessel umkippte. Für kurzeZeit gewann Ischtar die Oberhand, aber sieverstand die momentane Überlegenheit nichtzu nutzen.

Daquomart schleuderte sie mit einemplötzlichen Aufbäumen quer durch denRaum und schnellte in die Höhe. In derHand hielt er einen Energiestrahler, aber erließ ihn wieder sinken. Ischtar war mit demKopf gegen die Stahltür geprallt und hattedas Bewußtsein verloren.

»Alle Frauen sind dumm!« knurrte er wü-tend und untersuchte ihre Platzwunde.»Dabei könnte sie es so gut bei mir haben…«

Er hob sie auf, als sei sie eine Puppe, undtrug sie durch die benachbarten Räume undeine Etage tiefer in ein kleines Zimmer, dasein Bett, einen Tisch, Stühle und eine Toilet-te enthielt.

Er legte sie fast behutsam auf das einfa-che Lager, sah auf sie herab und ging dannwieder, ohne sich um die harmlose Wundezu kümmern. Er vergaß nicht, die Tür abzu-schließen.

Wieder in seiner kleinen Zentrale, schalte-te er einen weiteren Bildschirm ein. Er ver-stellte die entsprechende Kamera, bis dasBett und die darauf liegende Ischtar deutlichauf dem Schirm sichtbar wurden. Dannlehnte er sich in den Sessel zurück und ge-

noß den Anblick eines lebendigen Wesens,dessen Gesellschaft er lange entbehrt hatte.

*

Eiskralle weckte Fartuloon, der dann Cor-pkor kurz vor dem Morgengrauen aus demBett holte und sich um das Frühstück küm-merte. Er hätte jetzt auch nicht mehr schla-fen können, denn er verspürte eine starkeUnruhe in sich, die er nicht zu besänftigenvermochte.

Es war ihm klar, daß sich Ischtar ingroßer Gefahr befand, sonst hätte sie zumin-dest versucht, ihnen ein Zeichen zu geben,und wenn sie nur einen harmlosen Spazier-gang auf der Plattform unternommen hätte.

Corpkor starrte gegen die verschlosseneTür der Festungsstation. Er ahnte, daß auchihr Schiff auf irgendeinem Bildschirm inner-halb der stählernen Insel erschien und beob-achtet wurde. Aber das sollte kein Hindernissein, wenn sich Ischtar wirklich in Gefahrbefand.

Auch Eiskralle begann, sich nun ernstlichSorgen zu machen. Er tat es, indem er Appe-titlosigkeit demonstrierte.

»Wie kann man nur essen, wenn sichIschtar in dieser Festung aufhält und ingrößter Gefahr ist?« fragte er verwundert,als Fartuloon den Inhalt einer großen Schüs-sel mit Genuß leerte.

Fartuloon würgte ein wenig, als er ant-wortete:

»Man muß sich vor dem Einsatz kräfti-gen, Eiskralle.«

»Gestern sagtest du das Gegenteil«, erin-nerte ihn der Chretkor sanft.

»Heute ist heute, du Eiszapfen! Das Ge-sagte von gestern bezog sich in erster Linieauf die Tatsache, daß man vor dem Schlafennicht zuviel essen soll. Löse Corpkor ab, derhat bestimmt Hunger.«

Eiskralle verschwand.Später saßen sie wieder alle drei vereint

vor dem Bildschirm.»Klarer Fall, das wir beobachtet werden«,

meinte Fartuloon. »Wir müssen also so aus-

Geheimprojekt der Varganen 13

Page 14: Geheimprojekt der Varganen

steigen, daß wir nicht gesehen werden kön-nen. Vorschläge?«

Corpkor, der lange genug darüber nachge-dacht hatte, nickte.

»Wir müssen das Schiff durch die kleineLadeluke verlassen, die auf der anderen Sei-te liegt. Wenn wir auf allen vieren bis zumRand der Plattform kriechen, können wirnicht gesehen werden, denn ich nehme an,daß Daquomart, wenn überhaupt, die Haupt-luke im Auge behält. Wir verschwinden ein-fach unter Wasser und suchen nach einemanderen Eingang zur Station.«

Fartuloon nickte satt und zufrieden.»Guter Vorschlag. Hat jemand einen bes-

seren.« Er sah Eiskralle durchdringend an.»Du vielleicht?«

Der Chretkor schüttelte den Kopf.»Also schön, dann tun wir, was Corpkor

vorschlägt. Ich halte das auch für die besteLösung des Problems. Wir legen die Raum-anzüge an, dann können wir fast unbegrenztunter Wasser bleiben. Dort wird es ja wohlkeine eingeschalteten Kameras geben. In ei-ner halben Stunde brechen wir auf. Trotz-dem sollte einer von uns noch bis dahin Wa-che vor dem Schirm halten. Könnte ja sein,daß sich da draußen etwas tut …«

Er vermutete richtig.Es tat sich sogar eine ganze Menge, aller-

dings nicht auf der Plattform, sondern im In-nern der Station.

Das aber konnten die drei Freunde nichtsehen …

*

Ischtar hatte die in der Decke verborgeneangebrachte Kameralinse sofort bemerkt,kaum daß sie erwachte. Das gedämpfteLicht war nicht erloschen, also würdeDaquomart sie beobachten. Sie blieb ruhigauf dem Bett liegen, auf die Seite gedrehtund die Augen halb geschlossen.

Sie konnte im Augenblick nichts unter-nehmen, aber sie war fest entschlossen, nichtzu warten, bis Fartuloon eingriff, dessenwachsende Unruhe sie sich gut vorzustellen

vermochte. Vorsichtig sah sie sich in demZimmer um. Die Toilettenecke war durcheinen Vorhang abgeteilt. Dort also würde siewenigstens unbeobachtet sein, wenn auchnur für kurze Zeit. Sonst gab es nur denTisch und die Stühle, deren Beine recht kräf-tig und hart aussahen. Wenn sie eines ab-schlagen konnte, würde es sich bestimmt alsSchlagwaffe eignen.

Sie blieb noch eine Stunde liegen, danntat sie so, als erwache sie. Der gut gespielteSchreck in ihrem Gesicht mußte auchDaquomart überzeugen. Langsam richtetesie sich auf und sah sich um.

Sie entdeckte den winzigen Waschraum,stand auf und verschwand hinter dem Vor-hang. An der Decke war keine Kamera. FünfMinuten blieb sie, ehe sie wieder zum Vor-schein kam. Sie setzte sich auf einen der bei-den Stühle und starrte vor sich hin. Dabei ta-stete sie das Stuhlbein ab und stellte fest,daß es aus massivem Kunststoff bestand undlediglich in den unteren Teil der Sitzflächehineingeschraubt worden war.

Sie stand auf und wanderte in dem Zim-mer hin und her. Nach der fünften Durch-querung nahm sie den Stuhl mit, stellte ihnunter die kaum sichtbare Linse und holtedann den zweiten, den sie in der Hand be-hielt. Sie stieg auf den ersten Stuhl und zer-trümmerte mit dem zweiten die verborgeneKamera.

Dann handelte sie schnell und überlegt.Sie schraubte ein Stuhlbein heraus. Viel

Zeit blieb ihr nicht mehr, es sei denn, derRebell schlief.

Prüfend wog sie das Bein in der Hand undnickte befriedigt. Wenn sie mit aller Wuchtzuschlug, würde Daquomart mindestens füreine Stunde bewußtlos sein. Das mußte ge-nügen, aus der Station zu gelangen, selbstdann, wenn sie den Weg nicht sofort fand.

Die Tür ging nach innen auf, stellte sie ander Konstruktion fest. Sie nahm das Plastik-bein am dünneren Ende und wartete dichtneben der Tür.

Es dauerte fast zehn Minuten, ehe Daquo-mart erschien. Die Tür öffnete sich und ver-

14 Clark Darlton

Page 15: Geheimprojekt der Varganen

barg Ischtar vor seinen suchenden Blicken.Er sah sie nicht sofort und nahm an, daß sieim Waschraum war. Ohne Rücksicht zu neh-men, schlug er den Vorhang zurück undblieb wie erstarrt stehen.

Aber Ischtar ließ ihm keine Zeit zumÜberlegen oder gar zum Ziehen der Energie-waffe.

Sie sprang hinter ihn, hob das Stuhlbeinund ließ es dann auf seinen Schädel herab-sausen.

Daquomart stöhnte auf, hob noch halb dierechte Hand, ehe er bewußtlos in sich zu-sammensackte. Vorsichtshalber schlug Isch-tar noch einmal zu. Dann nahm sie ihm dieWaffe ab, ließ das Stuhlbein zurück und ver-ließ das Zimmer. Zwar zog sie die Tür hintersich zu, aber sie war davon überzeugt, daßder Rebell sie wieder öffnen konnte.

Die Frage war nun: wo in der Festung be-fand sie sich?

Schließlich war sie bewußtlos gewesen,als Daquomart sie in ihr Gefängnis ge-schleppt hatte.

Der Gang endete vor schmalen Stufen, dieeinen führten abwärts, die anderen nachoben. Logischerweise nahm sie die nachoben, aber dann erlebte sie eine Enttäu-schung. Sie stand wieder in dem kleinenquadratischen Raum mit den drei Türen, zu-dem noch die vierte kam, nämlich der Aus-gang. Alle waren geschlossen, und so sehrsie sich auch bemühte, sie zu öffnen, es ge-lang ihr nicht.

Nun war sie nicht viel besser dran als zu-vor. Wenn Daquomart jetzt erwachte, hatteer sie in der Hand. Die Energiewaffe würdeihr nicht viel nützen.

Sie mußte ihn fesseln, bevor er wieder zusich kam. So schnell sie konnte, hastete siedie Stufen hinab und fand die Tür zu ihremGefängnis, um wie erstarrt anzuhalten. Siehatte die Tür selbst geschlossen. Aber wiekonnte man sie wieder öffnen?

Sie versuchte es mit allen Mitteln, die ihrvon der varganischen Technik her vertrautwaren, aber ohne Erfolg. Wahrscheinlichhatte Daquomart einige Sicherungen einge-

baut, die nur ihm bekannt waren.Schließlich gab sie es auf. Es wurde ihr

klar, daß sie ihrem eigentlichen Gefängniszwar entkommen, aber noch immer nichtfrei war. Auch Fartuloon und die anderenwürden ihr jetzt nicht beistehen können. Wiesollten sie in die Festung gelangen?

Sie wußte nicht, wie spät es war, denn ih-re Uhr zeigte Bordzeit an, die wiederumnicht mit jener des Planeten identisch war.Sie mußte warten, bis der Rebell wieder zusich kam und das Zimmer verließ. Immerhinhatte sie seine Waffe und konnte ihn sozwingen, den Ausgang zu öffnen.

Die Neugierde veranlaßte sie, in den unte-ren Teil der Station hinabzusteigen. Einleichtes Vibrieren und Summen verriet ihr,daß die Energieanlage und der Maschinen-komplex nicht fern waren. Zu ihrer Überra-schung gab es hier unten keine verschlosse-nen Türen. Ungehindert konnte sie alle Räu-me betreten.

Die Wand des einen Raumes war transpa-rent und gestattete einen Blick ins Meer.Viel konnte sie nicht erkennen, denn es warnoch dunkel draußen, wenn auch ein kaummerklicher Schimmer an der Oberfläche be-reits den neuen Tag ankündigte.

In einer halben Stunde ging die Sonneüber Noghmura auf.

Im dritten Raum fand sie eine große Kon-trolltafel mit unzähligen Schaltern, Skalenund Knöpfen, unter denen lediglich Ziffern,aber keine Bezeichnungen standen. Viel-leicht dienten diese Instrumente nur dazu,die Energieanlage in Betrieb zu halten undzu kontrollieren, während sich die eigentli-che Steuerzentrale der Station in jenemRaum befand, in dem sie Daquomart zumersten Mal begegnet war.

Sie widerstand der Versuchung, auf einender zahlreichen Knöpfe zu drücken odereinen Hebel umzulegen. Wenn sie dasFalsche tat, so konnte das schlimmer als dieGefangenschaft sein.

Dann dachte sie wieder an Daquomart.Wenn er inzwischen erwacht war und fest-stellte, was geschehen war, würde er Zeit

Geheimprojekt der Varganen 15

Page 16: Geheimprojekt der Varganen

finden, sich erneut zu bewaffnen. Das mußteunter allen Umständen verhindert werden.

Sie rannte durch den Gang und hastete dieStufen empor. Als sie die weit offen stehen-de Tür zu ihrem ehemaligen Gefängnis er-blickte, blieb sie wie angewurzelt stehen.Über sich hörte sie ein Geräusch. Eine ande-re Tür wurde geöffnet und wieder geschlos-sen.

Noch während sie unschlüssig überlegte,was sie nun tun sollte, hörte sie DaquomartsStimme aus einem Deckenlautsprecher:

»Meine Teure, du hast dich geirrt! MeinSchädel ist härter als du glaubtest. Kommschön brav die Treppe hoch und lege denStrahler auf die oberste Stufe. Versuche kei-nen Trick, dann schließe den unteren Knopfdeiner Kombination – ja, richtig, der …!«

Ischtar schloß automatisch den Druck-knopf und biß sich auf die Lippen. Sie hieltden Energiestrahler in der Hand, bereit, aufalles zu schießen, was sich bewegen würde.

Daquomart fuhr fort, und seine Stimmeklang ironisch:

»Da stehst du nun und weißt nicht, was dutun sollst. Ich gebe dir den guten Rat, aufmich zu hören, dann werde ich dich nicht tö-ten. Du scheinst mir doch jener Rebell zusein, der sein eigenes Leben für das der an-deren erkauft. Leg die Waffe endlich hin!«

Ischtar sagte entschlossen:»Niemals werde ich mich freiwillig erge-

ben, Daquomart! Dann kann ich mich auchgleich umbringen. Wenn du mich habenwillst, dann hole mich!«

Sie lief die Treppe wieder hinab, bis sieatemlos in dem unteren Kontrollraum stand.Vergeblich suchte sie nach der verstecktenKamera. Dafür hörte sie Daquomart warnen:

»In diesem Augenblick schließt sich eineSchottentür, du bist im Maschinenteil derStation gefangen. Und dort wirst du auchbleiben, bis du verhungert bist. Es sei denn,du kommst zur Vernunft.«

Sie starrte wütend auf die Kontrollen undfingerte nervös an ihrem Strahler herum.Ehe sie verhungerte, würde sie die. Anlagezerstören, das stand fest. Vielleicht ließ sich

Daquomart mit einer Drohung einschüch-tern.

»Hör zu, Daquomart, ich mache dir einenVorschlag.«

»Laß nur hören!«»Wir nehmen dich in unserem Schiff mit

und setzen dich an jedem von dir gewünsch-ten Ort ab. So ist uns beiden geholfen. Wenndu damit nicht einverstanden bist und michumbringen willst, schmelze ich die Kontrol-len hier zusammen. Das Schiff wirst du ohnemich niemals bekommen, das schlage diraus dem Kopf.«

»Willst du deinen Tod beschleunigen?«erkundigte er sich höhnisch. »Willst du er-sticken oder ertrinken? Oder ist dir das Ver-hungern nicht doch lieber?«

Sie schob den Strahler in den Gürtel, tratvor und legte einen großen Hebel nach vorn.In der gleichen Sekunde hörte sie unter sichdas Schaben von Metall auf Metall, dann tratwieder Ruhe ein.

»Du bist wahnsinnig geworden!« riefDaquomart wütend. »Du hast die im Mee-resboden verankerten Stützen gelöst undeingezogen. Nun schwimmt die Insel, undwir treiben langsam mit der Strömung ab.Noch ein einziger Fehler, und wir sinken.«

»Dann sinken wir eben«, sagte Ischtargleichmütig und drückte auf einen Knopf.

Diesmal geschah nichts, das sie bemerkenkonnte.

»Aufhören!« brüllte Daquomart. »Derobere Teil der Plattform liegt bereits zweiMeter unter der Wasseroberfläche. Die Stati-on kann dein Schiff nicht tragen, wir sin-ken!«

Ischtar lief in den anderen Raum und sahhinaus ins Meer. Es war inzwischen hellergeworden. Die Station lag ein wenig schrägauf den Grundfelsen und konnte nicht weiterabsinken. Bei der leisesten Erschütterung je-doch war es möglich, daß sie abrutschte undin den dunklen Graben sank, dessen Grundnicht zu sehen war.

Sie kehrte zur Kontrolltafel zurück.Kaltblütig bewegte sie einen anderen He-

bel …

16 Clark Darlton

Page 17: Geheimprojekt der Varganen

2.

Fartuloon kletterte zuerst aus der Ladelu-ke auf der anderen Seite des Schiffes. Zuseiner Überraschung stand er bis zu denKnöcheln im Wasser und wäre auf den glit-schigen Pflanzenresten fast ausgerutscht.

»Vielleicht haben wir jetzt Flut«, vermu-tete Eiskralle und hielt sich an der Hülle desSchiffes fest.

»Eiskralle! Erstens hat Noghmura keinenMond, und zweitens macht sich auf einemschwimmenden Objekt das Steigen oder Fal-len des Wassers nicht bemerkbar. Und nunschließ den Helm, wir müssen tauchen, umvon unten an die Station heranzukommen.Kein Funkverkehr! Wenn einer etwas sagenwill, Helme gegeneinanderlegen!«

Sie glitten über den Rand der weiter ab-sinkenden Plattform ins Wasser und wurdenso gut wie schwerelos. Sie hatten außer denVibrationsmessern keine Waffen mitgenom-men.

Fartuloon schwamm voran und tauchtetiefer. Vor sich sah er die Station. Die stäh-lernen Stützen schoben sich langsam in dasInnere der schwimmenden Insel, die etwastiefer sank. Immerhin mußte sie die zusätzli-che Last des Schiffes tragen.

Er gab Eiskralle und Corpkor ein Zeichenund schwamm weiter, bis er ein breites Fen-ster in der glatten Wand entdeckte. Für eineUmkehr war es zu spät. Wenn hinter demFenster jemand war, hatte er sie längst ent-deckt.

Die Stützen wären inzwischen völlig ver-schwunden. Der untere Teil der stählernenInsel ruhte auf Klippen, die keinen allzu si-cheren Halt boten. Es war Fartuloon klar,daß in der Festung etwas geschehen seinmußte, das nicht zu Ischtars Plänen paßte.Vielleicht befand sie sich in größter Gefahr.

Durch das Fenster konnte er in den Raumdahinter blicken, aber viel gab es nicht zusehen. Eine offene Tür und dahinter einGang, das war alles. Der Raum selbst warleer.

Eiskralle und Corpkor schwebten nebenihm. Er teilte ihnen mit:

»Wir müssen einen Eingang finden, viel-leicht unten!«

Als sie begriffen hatten, ließ er sich weiterin die Tiefe sinken, bis sie unter die Stationselbst gelangten. Zwischen den Klippen hin-durch zwängten sie sich, bis über ihnen stattder leicht gekräuselten Oberfläche des Mee-res nur die glatte Metalldecke war.

Sie fanden nichts, das einem Notausstiegähnelte.

»Zwecklos!« teilte Fartuloon seinen bei-den Begleitern mit. »Oben!«

Sie tauchten wieder auf, doch bevor sieganz oben waren, kamen sie wieder an demStationsfenster vorbei, und nun bemerktensie dahinter eine Bewegung. Etwas Helles –ein Gesicht? – war hinter der transparentenScheibe.

Fartuloon schwamm hin und erkannteIschtar.

Eine Verständigung war unmöglich, soversuchte er es mit Zeichensprache, aberIschtars Handzeichen war kein Sinn zu ent-nehmen. Sie deutete einmal nach oben ge-gen die Decke des Raumes, in dem sie sichaufhielt, dann wieder nach unten in Rich-tung Meeresgrund.

Fartuloon gab es auf. Zwar ahnte er, daßdie Varganin die Gefangene des Rebellenwar, aber was sie ihm sagen wollte, bliebunklar.

Er winkte Eiskralle und Corpkor zu undtauchte auf.

Die Station hatte sich noch schräger ge-legt, was lediglich den einen Vorteil mit sichbrachte, daß ein kleiner Teil wieder aus denFluten herausragte. Fartuloon kletterte hin-auf und öffnete den Helm. Er wartete, bisdie anderen seinem Beispiel gefolgt waren.

»Wir müssen hier oben einen Eingang fin-den. Ischtar scheint im unteren Teil der Sta-tion eingeschlossen zu sein. Wenn das Dingnoch weiter absinkt oder ein Leck bekommt,ertrinkt sie. Möchte nur wissen, wo Daquo-mart steckt. Ob er uns schon entdeckt hat?«

»Freiwillig läßt er uns da nicht hinein«,

Geheimprojekt der Varganen 17

Page 18: Geheimprojekt der Varganen

vermutete Eiskralle.»Wie recht du hast, Vater der Weisheit«,

sagte Fartuloon und dachte weiter darübernach, was sie als nächstes unternehmen soll-ten.

»Wir haben die Messer. Mit ihnen könnenwir den Stahl zerschneiden, wenn das aucheine Menge Energie kostet.«

»Fangen wir damit an«, schlug Corpkorvor.

*

Als Ischtar den zweiten Hebel nach vornzog, änderte sich vorerst an den Gewichts-verhältnissen der Station nichts, obwohl sichan der Unterseite die Flutventile geöffnethatten. Auch sorgte der im hermetisch abge-schlossenen Innern der Insel herrschendeLuftdruck dafür, daß nur wenig Wasser ein-drang.

Immerhin erschrak Ischtar doch, als ihreFüße plötzlich naß wurden.

Der Gang war schon eine Handbreit mitWasser bedeckt, das in die Räume floß. Esstieg nur langsam, wie sie zu ihrer Beruhi-gung feststellte.

Daquomart sagte ziemlich beherrscht:»Nun hast du endlich deinen Willen, teure

Rebellin. Die Insel ist verloren, denn wenndie Maschinenräume unter Wasser stehen,ist nichts mehr zu retten. Ich kann die Zwi-schentür für einen Augenblick öffnen, umdich herauszulassen, aber du mußt dich beei-len. Sobald die Luft entweicht, dringt dasWasser nach. Entscheide dich also!«

Ischtar blieb keine andere Wahl.»Ich komme«, sagte sie hastig.Sie eilte die Stufen empor und stand dann

vor der stählernen Wand.»Wirf den Strahler weg und halte dich be-

reit!«Sie befolgte auch diesen Befehl, wenn

auch schon widerwilliger.Als die Waffe ins Wasser unten im Gang

klatschte, teilte Daquomart mit:»Schnell, in genau zehn Sekunden, rechte

Seite!«

Sie starrte gegen die Wand und wartete.Endlich entstand ein schmaler Spalt, durchden die Luft nach oben entwich. Der plötzli-che Druckabfall störte Ischtar weniger, wohlaber das anschwellende Rauschen des nach-dringenden Wassers. Sie zwängte sich durchden Spalt, der sich unmittelbar danach wie-der schloß.

Daquomart kam aus dem Kontrollraumund betrachtete sie triumphierend.

»Ich weiß, daß drei Männer aus demSchiff gekommen sind und den Eingang su-chen«, begrüßte er sie. »Du hast sie vomAussichtsraum aus auch gesehen, aber deinOptimismus ist fehl am Platz. Sie werden dirnicht mehr helfen können.«

»Ich bleibe bei meinem Vorschlag«, ent-gegnete sie kalt. Die unmittelbare Lebensge-fahr war vorüber. »Wir bringen dich, wohindu willst.«

Er schüttelte den Kopf.»Komm mit, Ischtar, ich werde dir etwas

zeigen.«An ihm vorbei ging sie in den Kontroll-

raum. Auf dem Bildschirm war immer nochihr Schiff zu sehen, aber es lag nun in fastzehn Meter tiefem Wasser. Die Hauptlukewar noch frei. Von Fartuloon und den ande-ren konnte sie nichts bemerken. Vielleichtschwammen sie noch um die Station herumund suchten nach einem Einlaß.

Daquomart deutete auf einen Stuhl in derEcke.

»Nimm Platz, Ischtar. Ich muß dich leiderfestbinden, damit du keinen weiteren Unsinnanstellst, danach werde ich dir sagen, wasgeschehen wird.«

Sie setzte sich und ließ es geschehen, daßstählerne Bänder sie an den fest verschraub-ten Stuhl fesselten. Damit begab sie sichendgültig in die Gewalt des Rebellen, dessenfinstere Miene nichts Gutes verhieß.

Er betrachtete sein Werk zufrieden undtrat zurück.

»Deine Freunde beraten gerade, was sieals nächstes unternehmen sollen, und ichwerde ihnen die Entscheidung erleichtern.Die Station hat nicht nur einen Eingang,

18 Clark Darlton

Page 19: Geheimprojekt der Varganen

mußt du wissen. Und von außen lassen siesich nicht öffnen, wenigstens nicht ohne ge-wisse Hilfsmittel, die deine Freunde abernicht besitzen. Ich werde also einen der Not-ausstiege öffnen, damit sie einsteigen kön-nen.«

Sie begriff nicht und sah ihn verblüfft an.»Warum denn das?« Dann aber fügte sie

ungläubig hinzu: »Willst du meinen Vor-schlag annehmen?«

Daquomart lächelte bösartig.»Natürlich nicht, meine Liebe. Deine

Freunde steigen ein, während ich die Haupt-tür und das Schott zur Maschinenanlage öff-ne. Ich verlasse die Station, und während siesinkt, sitze ich schon hinter den Kontrollenund starte. Ich kenne die Pyramidenschiffeund kann mit ihnen umgehen.«

Sie sah ihn wütend an.»Warum hast du mich nicht gleich unten

gelassen?«»Das Vergnügen wollte ich mir nicht ent-

gehen lassen«, behauptete er. »Außerdemsollst du zusehen, wie deine Freunde in dieFalle steigen, die auch ihnen zum Verderbenwird.« Er setzte sich in den Sessel und betä-tigte einige Kontrollen. Mehrere Bildschir-me wurden hell. »Nun können wir die Stati-on von allen Seiten betrachten, auch wennder größte Teil bereits unter Wasser ist.Dort, siehst du …? Deine drei Freunde. Waswollen die denn mit den Messern? Ah, ichverstehe. Vibratoren! Sie wollen durch dieHülle hindurch! Na, das wollen wir ihnen er-sparen, sie hätten dann später keine Kraftre-serven zum Schwimmen mehr …«

Entsetzt mußte Ischtar zusehen, wie sichnur wenige Meter von Fartuloon, Eiskralleund Corpkor entfernt eine kleine, runde Lu-ke in der stählernen Wand öffnete, und zwardicht über der Wasseroberfläche. Die dreiMänner stutzten, aber dann kletterte Fartu-loon den beiden anderen voran in die Stationhinein.

Daquomart erhob sich.»Sie werden einige Zeit brauchen, bis sie

die Tür zum Gang geöffnet haben – mit ih-ren Messern.« Er drückte auf einen Knopf.

»Und nun werde ich verschwinden, Teuer-ste. Ich wünsche dir einen schnellen Tod. Infünf Minuten öffne ich auch das Schott.«

Er nickte ihr noch einmal zu, ehe er denKontrollraum verließ. Die Tür blieb offen,was sie verwunderte, aber dann begriff sie,daß er damit ihre Qual nur vergrößern woll-te. Sie sollte zusehen, wie das Wasser nachdem Öffnen der Schottentür aus dem unterenTeil der Station nach oben stieg und allesallmählich überflutete.

Licht fiel in den Gang, als Daquomart dieHaupttür aufgleiten ließ. Sie hörte noch ein-mal sein höhnisches Gelächter, dann tratStille ein.

Die Bildschirme waren noch in Betrieb,und sie würden es bleiben, bis die unterenRäume überflutet waren. Es würde noch ei-nige Zeit dauern.

Angestrengt lauschte sie, aber sie hörtenur das Gluckern des langsam steigendenWassers.

Wenn es Fartuloon und den anderen nichtgelang, sie rechtzeitig zu befreien, war allesverloren. Daquomart würde mit dem Schiffverschwinden, während sie alle hier ertran-ken.

Nur würde sie vor den anderen sterben.

*

»Drin sind wir«, stellte Fartuloon fest undbetrachtete prüfend die Tür. »Aber wir müs-sen weiter. Ich bin überzeugt, der Kerl hatden Einstieg absichtlich geöffnet, aber ichfrage mich vergeblich nach dem Grund.Einen Gefallen wird er uns wohl kaum tunwollen.«

»Eine Falle!« prophezeite Eiskralle dü-ster.

Fartuloon gab ihm recht.»Natürlich eine Falle. Aber es ist nur eine

halbe, weil wir es wissen. Also raus mit denMessern! Wir schneiden die Tür auf.«

Die Schneiden vibrierten mit einer derar-tigen Frequenz, daß sie schon bei leichte-stem Druck in den Stahl eindrangen. Lang-sam entstanden drei nur einen Millimeter

Geheimprojekt der Varganen 19

Page 20: Geheimprojekt der Varganen

breite Spalten, die sich dann trafen.Nach einer halben Stunde schaffte der

vierte Schnitt die begehrte Öffnung.Fartuloon deutete auf das Rinnsal, das

schon vorher durch den unteren Spalt einge-sickert war!

»Wasser! Es steigt! Wir müssen uns beei-len!«

Sie stießen die herausgelöste Stahlplatteauf den Gang und kletterten über sie hinweg.Das Wasser stand einen Fuß hoch. Nachrechts wurde es tiefer, links war noch dertrockene Boden zu erkennen.

»Wir müssen nach rechts«, erklärte Corp-kor kategorisch.

»Wie kommst du denn darauf?« fragteFartuloon.

»Weil wir dort zuerst suchen müssen, wodas Wasser am höchsten steht. Die anderenTeile haben mehr Zeit. Wollen wir Ischtarnun helfen oder nicht?«

»Er hat recht«, stimmte Eiskralle seinerTheorie zu.

Sie kamen an einer halb in der Wand ver-schwindenden Tür vorbei und sahen vonWasser bedeckte Stufen, die nach untenführten. Fartuloon schloß wortlos den Helmund tauchte in den unteren Teil der Stationhinab.

Corpkor sagte zu Eiskralle:»Wenn Ischtar dort unten ist, kommt er zu

spät. Sie ist längst ertrunken.«Ehe Eiskralle etwas antworten konnte,

hörten sie eine helle Stimme:»Seid ihr es? Corpkor? Ich hörte dich

sprechen. Hier bin ich, im Kontrollraum!Beeilt euch!«

Es waren nur wenige Schritte.Ischtar saß auf dem Stuhl, mit Stahlbän-

dern gefesselt und bis zur Brust bereits imWasser. Immer noch brannte Licht, und dieBildschirme zeigten unverändert die Umge-bung der sinkenden Station.

»Der Saukerl!« fluchte Corpkor undschaltete das Vibrationsmesser ein. »Ganzruhig bleiben, Ischtar, das haben wirgleich.«

In der Kontrolltafel erfolgten die ersten

Kurzschlüsse, als das energieleitende Was-ser falsche Kontakte herstellte. Ein Bild-schirm nach dem anderen erlosch. Nur dergroße arbeitete noch. Er zeigte Daquomart,der gerade dabei war, die Einstiegluke desSchiffes zu öffnen. Als es ihm nicht gelang,verschwand er auf der anderen Seite undkonnte nicht mehr beobachtet werden.

»Wir haben die Frachtluke nicht ver-schlossen«, murmelte Eiskralle verbittert.

Corpkor lächelte kaum merklich in sichhinein und sagte nichts.

Als Ischtar endlich frei war und aufstand,reichte ihr das Wasser nur noch bis zu denOberschenkeln.

»Wo ist Fartuloon?« fragte sie er-schrocken.

»Er taucht unten in der Station und suchtdich«, sagte Eiskralle nicht ohne Genugtu-ung.

Sie deutete auf den Bildschirm.»Wir müssen uns beeilen, ehe Daquomart

hinter den Schiffskontrollen sitzt. Er kanndamit umgehen. Holt Fartuloon, ehe die Sta-tion völlig überflutet wird und endgültigsinkt.«

In diesem Augenblick fiel auch derHauptschirm aus, und sie konnten die weite-ren Vorgänge außerhalb der Station nichtmehr verfolgen. Das Licht hingegen branntenoch immer.

Fartuloon erschien und öffnete den Helm.»Da bist du ja«, stellte er fest. »Und ich

suche dich da unten.«»Daquomart ist entkommen, Fartuloon.

Wir müssen ihn daran hindern, mit unseremSchiff zu starten.«

Sie warteten nun nicht mehr länger, muß-ten zu ihrer Enttäuschung feststellen, daß dieHaupttür sich inzwischen wieder geschlos-sen hatte. Das Wasser war weitergestiegen.

»Die kleine Luke«, erinnerte Corpkor.»Aber sie wird schon überflutet sein.«

»Dann tauchen wir eben«, meinte Fartu-loon. »Wie lange kannst du die Luft anhal-ten, Ischtar?«

»Eine Minute, bestimmt nicht länger.«Eine Minute würde nicht reichen, aber

20 Clark Darlton

Page 21: Geheimprojekt der Varganen

wenn sie nicht zu schwimmen brauchte,hielt sie es vielleicht etwas länger aus. Corp-kor und Eiskralle sollten sie zwischen sichnehmen und mitziehen.

Als sie die Tür mit dem herausgeschnitte-nen Loch erreichten, ging Fartuloon vor. Umin den dahinter liegenden Raum mit der Not-luke zu gelangen, mußte er tauchen. Er kamaber sofort wieder zurück.

»Wir haben Glück. Hinter der Tür reichtdas Wasser gerade bis zum Hals. Die Lukeselbst ist allerdings überflutet, aber dasspielt keine Rolle mehr. Wir sind in dreißigSekunden draußen.«

»Das schaffe ich ohne eure Hilfe«, sagteIschtar und holte tief Luft.

Ehe sie jemand daran hindern konnte,tauchte sie unter, schwamm durch das Lochin der Tür und stand dann im Lukenraum.Die drei Männer folgten der Varganin.

»Die Luke ist dicht über dem Boden, an-derthalb Meter unter dem Wasser. Viel hö-her wird es draußen auch nicht sein.« Fartu-loon deutete gegen die Decke. »An dieserStelle ist es sogar möglich, daß die Plattformnoch trocken ist. Wir werden ja sehen. Folgtmir in Abständen von zehn Sekunden.«

Wieder schloß er den Helm und ver-schwand in dem dunklen Wasser. Die geöff-nete Luke war nur undeutlich zu sehen, einverschwommener heller Fleck. Fartuloontauchte hindurch, dann folgte ihm Eiskralle.

»Los, jetzt du!« sagte Corpkor. »Ich blei-be dicht hinter dir.«

Ischtar nickte, pumpte die Lungen vollLuft und sank unter Wasser. Corpkor hatteseinen Helm längst geschlossen und konntesie beobachten. Sie stellte sich sehr ge-schickt an, tauchte mit dem Kopf vorandurch die Luke und erreichte mit wirbelndenFüßen schnell die Meeresoberfläche.

Sie hangelten sich an der Plattform ent-lang, bis sie endlich eine Stelle erreichten,an der sie hinaufklettern konnten. Ihr ersterBlick galt dem Schiff.

Es lag fast am Rand der sich immer schrä-ger stellenden stählernen Insel. Es war nurnoch eine Frage von Minuten, bis es endgül-

tig abrutschte und ins Meer fiel.»Wenn wir Glück haben, bleibt es an den

Unterwasserklippen hängen«, murmelte Far-tuloon. »Wenn nicht, landet es in dem tiefenGraben. Wenn Daquomart vergessen hat, dieLadeluke zu schließen, läuft es voll.«

Sie verloren auf dem mit Pflanzenrestenverklebten Boden der Plattform immer wie-der den Halt, und dann mußten sie wiederschwimmen, um an das Schiff heranzukom-men.

»Er kann jeden Moment starten«, befürch-tete Ischtar.

Corpkor, der neben ihr schwamm, beru-higte sie:

»Keine Sorge, Ischtar. So schnell wirdihm das nicht gelingen.«

»Und warum nicht, wenn ich fragendarf?«

»Du hast meine Tiere vergessen, vor allenDingen Quirrel«, sagte Corpkor gelassen.»Auf ihn ist Verlaß.«

*

Daquomart gab fluchend seine vergebli-chen Versuche auf, die Haupteinstiegslukedes Schiffes zu öffnen. Sie war geschlossen,seit Ischtar aus dem Schiff gekommen war,also hatten die drei Männer einen anderenAusgang benutzt. Vielleicht ließ sich derleichter öffnen.

Die Plattform neigte sich immer mehr undwurde allmählich völlig überflutet. Auch dasSchiff begann langsam zu rutschen, demRand entgegen. Es wurde höchste Zeit, insein Inneres zu gelangen.

Auf der anderen Seite entdeckte er die of-fene Ladeluke.

Hastig kletterte er hinein und schloß siehinter sich. Durch den Gang gelangte er zuden Kabinen, aber sie interessierten ihnnicht. Sein Ziel war die Kommandozentrale.

Das Schiff war vom gleichen Typ wieseins, das nun fluguntauglich auf dem Grunddes Meeres lag. Er konnte damit umgehen,wenn er auch noch nicht wußte, welchenPlaneten er ansteuern sollte. Es gab genug

Geheimprojekt der Varganen 21

Page 22: Geheimprojekt der Varganen

Versunkene Welten mit verlassenen Statio-nen der Varganen, und viele der unsterbli-chen Rebellen waren inzwischen eines ge-waltsamen Todes gestorben. Er würde einneues Versteck finden, in dem er vor Ma-gantilliken sicher war.

Als er endlich die Kommandozentrale er-reichte, war er davon überzeugt, daß sich au-ßer ihm kein lebendes Wesen an Bord be-fand. Ischtar wurde also nur von den dreiMännern begleitet, die er in die Falle gelockthatte. Um so besser.

Er schob seinen Handstrahler in den Gür-tel zurück, nachdem er ihn gesichert hatte.Die Verschlußklappe der Tasche ließ er je-doch vorsichtshalber geöffnet, um die Waffeim Notfall schnell ziehen zu können.

Die Kontursessel vor den Kontrollen wa-ren unbesetzt, wie er es erwartet hatte. Siehatten also nicht einmal eine Wache imSchiff zurückgelassen.

Daquomart beglückwünschte sich zu sei-nem durchschlagenden Erfolg und zurkampflosen Eroberung des Schiffes, das ihnnun von der sinkenden Stahlinsel wegbrin-gen würde.

Er setzte sich und studierte die Kontrol-len, als er ein Geräusch hörte.

Zuerst glaubte er, es stamme von dem rut-schenden Gleiten der Schiffshülle auf derimmer schräger werdenden Plattform, aberdann erkannte er seinen Irrtum. Nein, daswar nicht das Schaben von Metall auf Me-tall, sondern mehr wie ein Trappeln vonkleinen Füßen.

Dann huschte etwas quer durch den Raumund landete genau vor seinem Gesicht aufdem Kontrolltisch. Ein Tier, gerade zweiHandlängen groß, saß auf den Hinterbeinenund sah ihn aus dunklen, klugen Augen an.Das blaue Fell sträubte sich in der Nacken-gegend.

Daquomart gab den Blick verblüfft zu-rück und war unfähig, sich zu rühren. Eskam oft vor, daß sich Raumfahrer gezähmteTiere mit auf die Reise nahmen, aber so ei-nes wie dieses hatte er noch nie gesehen.Wenn er sich nicht irrte, schimmerte in den

dunklen Augen sogar so etwas wie Intelli-genz.

»Verschwinde!« brüllte er das Tier an undwollte es mit einer Handbewegung ver-scheuchen, aber er hatte die Rechnung ohneQuirrel gemacht. Blitzschnell schlug die mitscharfen Krallen bewehrte Vorderpfote zu,und als Daquomart seine Hand mit einemSchmerzensschrei zurückzog, blutete sie.

»Du Biest!« schimpfte er wütend. »Dirwerde ich es zeigen …!«

Mitten im Satz hörte er auf zu sprechen,denn er sah doppelt.

Vor ihm auf dem Tisch saßen zwei derTiere, und ein drittes flog aus einer Eckeheraus und landete ebenfalls auf dem Tisch.Die dunklen Augen sahen ihn drohend an.

Daquomart war kein Tierfreund, schongar nicht in dieser Situation. Am liebstenhätte er die Viecher mit dem Strahler erle-digt, aber das wagte er nicht – aus Furcht,die Instrumente zu beschädigen.

Außerdem hatte er es inzwischen mit zehnGegnern zu tun, und das Trappeln imSchiffskorridor hörte noch nicht auf. Es war,als habe sich in den Kabinen eine ganze Ar-mee dieser kleinen und wehrhaften Tiereverborgen gehalten.

Mit einem Ruck wurde der Handstrahleraus der Tasche am Gürtel gerissen. Daquo-mart fuhr herum und sah noch gerade, wiedrei oder vier der kleinen Tiere die Waffe inden Korridor schleppten und irgendwo ver-schwanden.

Er wollte aufspringen, sank aber wieder inden Sessel zurück. Bis er den Strahler wie-dergefunden hatte, konnte die Station end-gültig versunken und das Schiff von derPlattform abgerutscht sein. Er durfte keineZeit mehr verlieren.

»Verschwindet endlich!« schrie er ver-zweifelt und ließ seine Hand vorschnellen,um den Haupt-Energie-Schalter zu betäti-gen.

Quirrel und drei seiner Artgenossen stürz-ten sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeitauf die Hand und bissen sich regelrecht dar-in fest. Daquomart brüllte auf wie ein Bron-

22 Clark Darlton

Page 23: Geheimprojekt der Varganen

tosaurier. Er schüttelte seine Hand, und diedrei Quirrels flogen davon und landeten aufdem Boden. Eines der Tiere nahm allerdingsden halben Daumen des Rebellen mit.

Nun war es aus mit seiner Geduld.Er sprang auf und schwang die Fäuste, um

die restlichen Quirrels vom Tisch zu fegen,aber er hatte die anderen vergessen, die in-zwischen die Kontrollzentrale bevölkerten.Wie ein Schwarm Riesenbienen stürzten siesich von allen Seiten auf ihn und bissen undkratzten, wo sie auch nur ein Stück Hautentdeckten. Einige bissen mit ihren scharfenZähnen sogar durch den Stoff seiner Beklei-dung hindurch.

Er sank in den Sessel zurück, und sofortließen die Tiere von ihm ab. Rings um ihnherum saßen sie und belauerten ihn. Bei dergeringsten Bewegung spannten sich ihreHinterläufe zum Sprung.

Daquomart wußte, daß ihm möglichstschnell etwas einfallen mußte, wenn derStart gelingen sollte. Das Schiff rutschtemehr und mehr dem Rand der Plattform ent-gegen, die sich immer schräger stellte. DieStation lief allmählich voll Wasser.

»Ihr seid aber nette Tierchen«, säuselte ermit sanfter Stimme und versuchte, möglichsttierliebend auszusehen. Ihm war, als würdeder Blick in den Augen der Quirrels auch einwenig sanftmütiger und friedfertiger. Erschöpfte neue Hoffnung. »Ich tue euch be-stimmt nichts, ich will nur den Bildschirmeinschalten …«

Seine Hand kam diesmal sehr langsamund vorsichtig nach vorn. Blut tropfte aufden Tisch, und die Wunden schmerzten höl-lisch. Als die Finger nur noch wenige Zenti-meter vom Hauptschalter entfernt waren,hoppelte Quirrel gemächlich und scheinbarzutraulich näher und biß zu.

Diesmal wäre Daquomart beinahe ausdem Sessel gekippt, so überrascht war erüber den unverhofften Angriff. Und dieWunde war diesmal besonders tief. Sie be-gann sofort zu bluten.

»Ich bringe euch alle um!« rief er vollerZorn und sah sich nach einem geeigneten

Gegenstand um, mit dem er den Gegnern zuLeibe rücken konnte, aber er fand nichts.»Wir werden noch alle ersaufen, wenn ihrnicht vernünftig werdet! Wollt ihr das?«

Anscheinend wollten die Quirrels daswirklich, denn sie rührten sich nicht vomFleck und achteten auf seine Hände. Inzwi-schen war der ganze Kontrollraum voll vonihnen. Daquomart schätzte ihre Zahl aufmehr als zweihundert. Dagegen kam er nichtmehr an.

Außerdem geschah nun das, was er solange schon befürchtet hatte. Seine Stationtauchte an der gegenüberliegenden Seitewieder auf, während die Kante, auf der dasSchiff lag, tiefer ins Wasser tauchte.

Das Schiff rutschte über die Kante hinwegund versank.

Sehen konnte Daquomart das alles nicht,aber spüren. Seiner Schätzung nach dauerteder Sinkprozeß nicht lange, dann bekam dasSchiff Grundberührung, legte sich schrägund kam zur Ruhe. Es war zum Glück nichtin den tiefen Graben gerutscht.

Er blieb sitzen und rührte sich nicht.Vor ihm auf dem Kontrollbord leuchtete

eine Lampe auf.Die Quirrels sahen ihn unverwandt an und

ließen ihn keine Sekunde aus den Augen …

*

Noch bevor sie das Schiff erreichen konn-ten, rutschte es über die Kante der stählernenInsel und begann zu sinken. Beide Pyrami-denspitzen verschwanden im Wasser, nurder dickere Mittelteil blieb an der Oberflä-che und damit auch der Haupteinstieg. Dochdann drehte sich der ganze Rumpf, als dasSchiff auf dem Meeresgrund ein Stück wei-terrollte.

»Verdammt!« fluchte Fartuloon. »Jetzt istder Einstieg unter Wasser! Wenn Daquo-mart die Luftschleuse nicht geschlossen hat,läuft das Schiff voll, wenn wir eindringen!«

»Dann pumpen wir es eben wieder leer«,sagte Ischtar gefaßt.

»Laßt mich gehen«, erbot sich Corpkor.

Geheimprojekt der Varganen 23

Page 24: Geheimprojekt der Varganen

»Die Quirrels gehorchen mir am besten. Ichnehme an, sie haben Daquomart bereits inder Zange. Er wäre sonst längst gestartet.«

Die anderen waren einverstanden. Sie wa-ren so weit zurückgeschwommen, daß siewieder auf der schrägliegenden Plattformstehen konnten. Corpkor schloß seinenHelm, rückte das Vibrationsmesser zurechtund kraulte auf das Schiff zu. Noch bevor eres erreichte, tauchte er weg.

Vorsichtig umrundete er es unter Wasserund stellte zu seiner Erleichterung fest, daßdie Ladeluke geschlossen war. Durch siewar nun ein Eindringen unmöglich gewor-den, denn sie besaß keine Luftschleuse.

Er näherte sich der Hauptluke, die Ischtarvon außen verschlossen hatte. Dem Rebellenwar die Kombination nicht bekannt, aberCorpkor hatte sie im Kopf. Er stellte sie einund drehte das Rad.

Wenn die Innenluke der Schleuse geöff-net war, würde Daquomart ertrinken, undvielleicht auch einige der Quirrels. War siejedoch geschlossen, gelangte er ins Schiff,ohne daß es zum Wassereinbruch kam.

Die Schleusenkammer lief voll, Corpkorschloß die Außenluke und setzte die Pumpein Betrieb. Das Wasser wurde abgesaugt,aber das Geräusch würde Daquomart war-nen. Das war leider nicht zu ändern, aberCorpkor hoffte, daß die Quirrels den Rebel-len unter ihrer Kontrolle hatten.

Behutsam öffnete er die Innenluke undbetrat den Korridor.

Ein Lächeln überzog sein Gesicht, als erschon von weitem das Gebrüll Daquomartshörte, der seiner Verzweiflung und seinerEnttäuschung Luft zu machen versuchte, garnicht zu reden von den Schmerzen, die ihnpeinigten.

Als Corpkor die Kommandozentrale er-reichte, bot sich ihm ein Bild, das all seineVermutungen bestätigte.

Daquomart hockte in sich zusammenge-sunken im Sessel vor den Kontrollen, umge-ben von einigen Dutzend Quirrels, die jedeseiner Bewegungen mit wachsamen Augenverfolgten.

Jener Quirrel, der »Quirrel«, hieß, hopstemit einem Satz in Corpkors Arme und ku-schelte sich zufrieden zusammen.

»Damit hast du wohl nicht gerechnet,Daquomart«, sagte Corpkor endlich, nach-dem er das Bild lange genug genossen hatte.»Schön sitzenbleiben jetzt und nicht von derStelle rühren, bis die Erlaubnis dazu erteiltwird.« Er wandte sich an Quirrel: »Paßt gutauf ihn auf, ich bin gleich zurück!«

Er holte Fartuloon, während Eiskralle beiIschtar blieb, bis man das Schiff so weit auf-gerichtet hatte, daß die Hauptluke wiederüber Wasser lag.

Daquomart ließ sich widerstandslos einenMagnetblock um die Handgelenke legen.Nun war er wehrlos und konnte keinen Un-fug mehr anrichten.

Die Quirrels wurden entlassen und ver-schwanden in den ihnen zugewiesenen Ka-binen, um sich von den Strapazen derSchlacht zu erholen. Außerdem hatte sieHunger.

Ischtar setzte sich in den Sessel nebenFartuloon und sah den Gefangenen an.

»Nun, Daquomart, was jetzt? Deine Stati-on hat du verloren, und ein Schiff hast duauch nicht bekommen. Willst du jetzt meinAngebot annehmen und mit uns kommen?Es gilt noch – allerdings nur unter der Be-dingung, daß du uns hilfst.«

»Ich tue alles, was du wünschst, Ischtar.Tut mir leid, daß es Mißverständnisse gege-ben hat.«

Sie fauchte ihn an:»Mißverständnisse nennst du es, wenn du

mich ertränken wolltest? Ich nenne daseinen versuchten Mord!« Ihre Stimme wur-de wieder sanfter. »Aber wir wollen es ver-gessen, wenn du mir sagst, auf welchem derVersunkenen Planeten die letzten Versucheder Varganen mit der Absoluten Bewegungstattfanden. Das ist alles, was ich von dirverlange.«

»Und wenn ich es dir sage?« fragte er lau-ernd. »Solange ich den Mund halte, bin ichwertvoll für dich. Wenn du die Antwortweißt, kannst du mich umbringen. So ein-

24 Clark Darlton

Page 25: Geheimprojekt der Varganen

fach ist das.«Sie blickte ihn durchdringend an.»Ich möchte dich auf eine Tatsache auf-

merksam machen, die dir vielleicht bisherentgangen ist: meine Freunde und ich habeneinen anderen Charakter als du. Auf unserWort kannst du dich verlassen, und wennwir dir die Freiheit versprechen, falls du unshilfst, dann bekommst du sie auch – voraus-gesetzt natürlich, du verfällst nicht abermalsauf dumme Gedanken. Hoffentlich bist duklug genug, das nun endgültig zu begreifen.Du hast nicht viel Zeit!« Sie wandte sich anFartuloon. »Beginne mit den Vorbereitun-gen zum Start. Wenn du damit fertig bist,setzen wir Daquomart auf der anderen Seitedes Planeten ab. Ich kann mich erinnern, daßes dort eine kleine Insel gibt.«

Daquomart zuckte zusammen und bißsich auf die Lippen.

Ischtars Drohung kam einem Todesurteilgleich.

Er kannte die kleine Insel, die nicht ausPflanzentürmen, sondern aus festem Fels be-stand. Nichts wuchs auf ihr, sie war kahl undöde.

Fartuloon begann mit der Überprüfungder Instrumente und checkte die Kontrollendurch. Dann schaltete er den Antrieb ein.

Daquomart hatte stumm da gesessen undmit sich gekämpft. Ischtar beobachtete ihnkalt und ohne Mitleid. Im Hintergrund standCorpkor, Quirrel schon wieder auf demArm. Eiskralle war mit der Funkanlage be-schäftigt.

»Nun?« machte Ischtar und beugte sichvor. »Du hast noch eine Minute.«

Daquomart sagte tonlos:»Es gibt nur einen Planeten, auf dem Ex-

perimente durchgeführt wurden, wenigstensim Makrokosmos, und das war Cyro. Mehrweiß ich auch nicht.«

Ischtar nickte Eiskralle zu.»Bring ihn in seine Kabine und sichere

die Tür. Wir nehmen ihn mit und setzen ihnbei erstbester Gelegenheit irgendwo ab.«

Fartuloon nahm den Sternkatalog undsuchte die Koordinaten des Planeten Cyro

heraus, um den Kurs programmieren zu kön-nen.

»Glaubst du, das er die Wahrheit gesagthat?« fragte er Ischtar.

»Ganz bestimmt hat er das«, entgegnetesie. »Er weiß genau, daß er sonst hiergeblie-ben wäre, und das hätte er kaum mehr alsein paar Tage überlebt.« Sie schwieg eineWeile, dann fuhr sie fort: »Auf Cyro sollsich also auch ein Rebell aufhalten, nehmeich an. Ich bin gespannt, ob er kooperativerist als Daquomart.«

»Hoffen wir es, Ischtar. Aber es ergibtsich nun eine weitere Frage: weiß dieser Re-bell überhaupt, daß sich auf seinem Planetenein Umsetzer zur Einleitung der AbsolutenBewegung befindet? Vielleicht hat er keineAhnung davon, vielleicht ist er nur froh,einen sicheren Schlupfwinkel gefunden zuhaben?«

»Das werden wir herausfinden, Fartuloon.Wie weit bist du?«

Er nickte in Richtung der Kontrollen.»Fertig! Willst du übernehmen?«Sie schüttelte den Kopf und stand auf.»Ich bin müde und erschöpft nach allem,

was passiert ist. Ich lege mich hin. Starte in-zwischen zur ersten Etappe und plane danneine längere Pause ein. Wir müssen ausge-ruht sein, wenn wir Cyro anfliegen. Werweiß, was uns dort erwartet.«

Fartuloon sah ihr nach, ehe er den Starteinleitete.

Auf dem Bildschirm war die halbversun-kene Station zu erkennen, die nun keinenZweck mehr erfüllte. Schon begannen diePflanzentürme damit, von ihr Besitz zu er-greifen. In ein paar Jahren würde sie untereinem grünen Teppich völlig verschwundensein.

Das Doppelpyramidenschiff erhob sichaus den Fluten und stieg langsam in denHimmel hinauf, dann wurde es schneller undverschwand zwischen den heraufziehendenWolken.

Unten aber flogen die gefesselten Vögelweiter um die Pflanzentürme und suchtennach Beute.

Geheimprojekt der Varganen 25

Page 26: Geheimprojekt der Varganen

Noghmura, der Wasserplanet, war wiedermenschenleer.

3.

Nach der Pause und vor der letzten Fluge-tappe weckte Corpkor Ischtar. Fartuloon undEiskralle schliefen.

»Es ist besser, du übernimmst jetzt wie-der, Ischtar. Der Kurs ist programmiert. Ichkümmere mich um das andere.«

Sie erschien zehn Minuten später in derZentrale. Corpkor saß hinter den Funkgerä-ten und Ortern. Er nickte ihr zu.

»Alles ruhig. Keine Echos.«Sie studierte die Karten und Daten.»In den Aufzeichnungen Küllsannimonts

wird der Planet Cyro nicht aufgeführt. Ichfrage mich, woher Daquomart seine Kennt-nisse hat. Wieviel weiß er überhaupt?«

Corpkor sah auf.»Ich glaube, er weiß überhaupt nichts,

Ischtar. Soweit ich es den Unterlagen ent-nehmen kann, handelt es sich bei Cyro umeinen absolut bedeutungslosen Planeten. Aufden Karten ist nicht einmal ein Vermerk an-gebracht. Das System hat fünf Planeten, dieSonne ist gelbweiß.«

Ischtar antwortete nicht sofort. CorpkorsArgumente klangen nicht überzeugend. Siewar davon überzeugt, daß in keiner KarteHinweise gegeben würden, sollten auf Cyrowirklich entsprechende Experimente stattge-funden haben. Im Gegenteil: je geheimer einProjekt war, desto harmloser mußte das Sy-stem sein, in dem es verwirklicht werdensollte.

Als das Schiff nach einiger Zeit wieder indas Normaluniversum zurücktauchte, standdie gelbweiße Sonne groß und hell auf demPanoramaschirm. Die Orter erfaßten die fünfPlaneten, von denen der vierte Cyro hieß.

Bis jetzt stimmten die Angaben Daquo-marts.

»Keine Echos, keine Funkzeichen«, gabCorpkor bekannt.

Ischtar ließ das Schiff mit halber Lichtge-schwindigkeit in das System eindringen und

korrigierte dann den Kurs so, daß sie dreiStunden später in eine Kreisbahn um Cyroeinschwenken mußten.

Die Datenverwertung ließ erkennen, daßdie drei äußeren Welten durchaus annehm-bare Lebensbedingungen boten, aber es gabkeine Anzeichen einer wie auch immer gear-teten Zivilisation. Alle Planeten schienenunbewohnt zu sein, wenn man von Vegetati-on und niederen Tierarten absah, die sich zu-mindest auf Cyro entwickelt hatten.

»Sollen wir uns jetzt Daquomart vorneh-men?« fragte Corpkor. »Es wird mir einVergnügen sein, die Quirrels mit ihm spie-len zu lassen, wenn er uns hereingelegt ha-ben sollte.«

»Fartuloon kann ihn mitbringen, ichwecke ihn gleich.«

Auch Eiskralle erschien wenig später undbetrachtete den sich schnell vergrößerndenGlobus auf den Schirmen. Deutlich warenschon die Kontinente und Meere zu erken-nen. Riesige Wolkenfelder verdeckten aller-dings Teile der Oberfläche.

Fartuloon stieß den noch immer gefessel-ten Daquomart in die Seite und deutete aufden Bildschirm.

»Das ist Cyro, das von dir angegebeneZiel. Solltest du uns angelogen haben,kannst du dich auf etwas gefaßt machen. Woalso ist dieser sagenhafte Umsetzer, überden du angeblich so gut Bescheid weißt?«

Daquomart erwiderte:»Löst die Magnetfessel, sie ist unbequem.

Glaubt ihr denn, ich würde euch helfen,wenn ihr mich wie einen Sklaven behan-delt?«

»Die Quirrels könnten es mißverstehen,wenn du frei herumläufst«, erklärte Corpkor.»Und sie werden dann sehr unangenehm,wie du weißt. Rede also besser, das ist ge-sünder.«

»Sage uns alles, was du weißt«, forderteIschtar ihn auf. »Und woher du es weißt!«

Daquomart zuckte die Achseln.»Soviel weiß ich nun auch wieder nicht.

Ich hörte lediglich vor längerer Zeit, daß ge-wisse Experimente auf Cyro stattfänden. Wo

26 Clark Darlton

Page 27: Geheimprojekt der Varganen

sich ein Umsetzer befindet, ist mir unbe-kannt. Ihr habt doch Ortungsgeräte an Bord,Massetaster und andere Instrumente, mit de-nen sich eine Menge anfangen läßt. MeineStation auf Noghmura habt ihr ja auch ge-funden.«

»Er ist reichlich frech«, stellte Corpkorfest.

»Nicht mehr lange«, prophezeite Fartu-loon, der Ischtar an den Flugkontrollen ab-gelöst hatte. »Wenn wir hier nichts finden,werde ich mich sehr eingehend mit ihm be-schäftigen.« Er schaute zu Daquomart.»Dann wirst du dir die Quirrels noch herbei-wünschen, das kann ich dir versprechen.«

Bis sie die Umlaufbahn erreichten, wurdenicht mehr viel gesprochen. Corpkor spei-cherte Daten und gab sie an den Auswer-tungskomputer weiter. Fartuloon korrigiertemehrmals, bis sie endgültig auf richtigenKurs lagen. Ischtar ließ Daquomart nicht ausden Augen und studierte jede Regung in sei-nem Gesicht, wobei sie versuchte, siegleichzeitig zu analysieren.

Um die Lippen des Rebellen spielte einkaum zu deutendes Lächeln. Spott und Ge-nugtuung vielleicht? Ischtar wußte es nicht.

Auch Fartuloon schien es bemerkt zu ha-ben, aber er schwieg.

Corpkor schwang mit seinem Sessel her-um.

»Nichts, wenn ihr mich fragt. Keine be-merkenswerten Metall- oder Erzansammlun-gen, nicht einmal in den Gebirgen. Es gibtauch nichts, was auf eine unter der Oberflä-che verborgene Anlage deuten könnte. Na-türlich kann sie abgeschirmt sein, wie alleStationen der Varganen, aber trotzdem wür-den wir Hinweise registrieren können. Ichglaube, wir haben diesen Ausflug umsonstgemacht.«

»Ich meine, ihr müßt weitersuchen! Wennes diesen Umsetzer gibt, hat man ihn gut ge-tarnt und abgesichert. Schließlich hat es sichum sehr wichtige und geheime Experimentegehandelt, da kann niemand verlangen, daßdie entsprechenden Anlagen so einfach inder Gegend herumstehen.«

Natürlich hatte er recht. Das sah auch Far-tuloon ein.

»Wir bleiben zehn Stunden im Orbit,dann gehen wir tiefer. Wir umkreisen Cyroinnerhalb der Atmosphäre unter der Wol-kendecke und versuchen etwas zu ent-decken. So haben wir ja auch die Station aufNoghmura gefunden.«

Aus Daquomart war nichts mehr heraus-zuholen. Sie schafften ihn zurück in seineKabine, die wieder verschlossen wurde.Ischtar brachte ihm etwas zu essen und trin-ken. Als sie ihn verließ, sagte sie:

»Ich warne dich, Daquomart! Wenn dudein Schweigen nicht bald brichst und unsalles sagst, was dir bekannt ist, könnte je-mand von uns die Geduld verlieren …«

»Ich weiß nicht mehr als das, was ichschon sagte«, beteuerte er. »Hör zu, Ischtar,warum mußt du unbedingt in den Mikrokos-mos zurückkehren? Du weißt, welche Ge-fahren uns dort drohen. Niemand von unskann wissen, was geschehen wird, wenn wirden Umsetzer in Betrieb nehmen. Du spielstmit Gewalten, von denen du keine Ahnunghast und die uns alle verderben können.«

Ischtar war an der Tür stehengeblieben.Sie betrachtete ihn forschend.

»Soll das heißen, daß du meine Absichtendurchkreuzen möchtest?«

»Ich will dich nur warnen, das ist alles.Ich habe genug über die damaligen Experi-mente gehört. Die Folgen waren alles andereals erfreulich für uns alle, wie du dich viel-leicht erinnern kannst. Laß die Hände da-von!«

Sie schüttelte den Kopf.»Ich habe Gründe, die du nie verstehen

würdest. Nichts kann mich daran hindern,den Versuch zu unternehmen, in den Mikro-kosmos zu gelangen, selbst wenn ich dortdem Henker begegne. Ich fürchte ihn nicht.Und du wirst mir dabei helfen, ob du willstoder nicht.«

»Ich habe dir den Planeten genannt, mehrwerde ich nicht tun.«

»Darüber sprechen wir noch«, sagte sieund ging.

Geheimprojekt der Varganen 27

Page 28: Geheimprojekt der Varganen

*

Corpkor hatte sich schlafen gelegt. Fartu-loon und Ischtar befanden sich allein in derKommandozentrale. Sie berichtete ihm vonihrem Gespräch mit dem Gefangenen.

»Seine Angst hat zwei verschiedeneGründe«, behauptete Fartuloon nach kurzemNachdenken. »Entweder fürchtet er sichwirklich vor den Folgen eines Experimentsmit dem Umsetzer, falls wir ihn doch nochhier finden sollten, oder er hat uns belogenund ahnt die Konsequenzen. Wenn wir wis-sen, welcher der beiden Gründe der richtigeist, wissen wir auch, ob es Sinn hat, hierweiterzusuchen oder nicht.«

»Suchen wir weiter«, sagte sie und nahmCorpkors Platz an den Ortergeräten ein.

Sie wiederholte sämtliche bereits vorge-nommenen Messungen und erhielt das glei-che Ergebnis. Die Kruste des Planeten Cyrobestand bis zu einer Tiefe von drei Kilome-tern aus Fels und gelegentlichen unbedeu-tenden Erzvorkommen.

»Bei Noghmura war es nicht viel anders«,sagte sie abschließend.

»Dort wußten wir aber, daß eine Stationexistierte, und darum fanden wir sie auch«,sagte Fartuloon, immer noch skeptisch.»Hier ist das anders.«

»Wir haben noch drei Stunden, Fartu-loon.«

Sie löste ihn später ab und blieb in derZentrale, bis Eiskralle kam und übernahm,um das Schiff in die Atmosphäre hinabzu-steuern.

Auch Corpkor erschien, frisch und ausge-schlafen.

»Jetzt wird es sich entscheiden, ob ichdiesen Daquomart von meinen Quirrels aus-einandernehmen lasse oder nicht«, äußerteer grimmig und setzte sich. »Der Kerl lügtwie gedruckt!«

Sie sanken tiefer und durchstießen dieWolkenschicht. Unter ihnen lag ein Meer,am Horizont tauchte der nächste Kontinentauf. Wieder liefen die Instrumente auf

Hochtouren, ohne greifbare Ergebnisse zubringen. Um die optische Beobachtung zuintensivieren, wurden die Vergrößerungenaktiviert. Auf dem Bildschirm sah es nun soaus, als glitte man in nur wenigen MeternHöhe über die Oberfläche von Cyro dahin.

Die sandige Küste des Kontinents kam inSicht. Das Wasser unter dem Schiff wurdeheller, und man konnte bis zum Grund hinabsehen, so klar war es. Auf dem Land zeigtesich keine Spur von Leben, abgesehen vonder üppigen Vegetation und gelegentlichenTierherden, die über die Steppen zogen.

»Eine Paradieswelt«, stellte Fartuloonfest, der in die Zentrale gekommen war.»Viel zu schade jedenfalls, um Daquomartdort abzusetzen. Einen größeren Gefallenkönnten wir ihm gar nicht tun – und viel-leicht war das auch seine Absicht. Jedenfallswäre Noghmura schlechter für ihn gewe-sen.«

»Ischtar scheint ihm noch immer zu glau-ben«, meinte Eiskralle.

»Nicht mehr lange«, prophezeite Corpkor.Ischtar erschien erst eine Stunde später.

Fartuloon sagte:»Eine Umrundung in zwei Kilometer Hö-

he haben wir hinter uns. Wir gehen nun süd-licher. Ich denke, insgesamt werden zehnUmkreisungen genügen. Wenn wir dannnichts gefunden haben …«

Er ließ den Rest offen.Ischtar nickte.»Dann überlasse ich Daquomart euch«,

sagte sie.

*

Mit zusammengekniffenen Lippen saßDaquomart später vor dem Bildschirm undstarrte wortlos auf die vorbeiziehende Land-schaft. Wenn er gefragt wurde, lautete seineAntwort jedesmal: »Ich weiß nichts, dennich bekam selbst nur diesen Tip – das ist al-les.«

Fartuloon beobachtete ihn aufmerksamund gelangte allmählich zu der Überzeu-gung, daß der Rebell die Wahrheit sagte.

28 Clark Darlton

Page 29: Geheimprojekt der Varganen

Niemand konnte so hartnäckig lügen, ohnesich mindestens einmal zu verraten. SeineSturheit begann überzeugend zu wirken.

Schließlich meinte Ischtar:»Wir vertrödeln unsere Zeit. Ich habe

zwei Vorschläge: entweder kehren wir in dieKreisbahn zurück, um auszuschlafen unddann zu überlegen, was wir unternehmen,oder wir landen. Ich würde eine Landungvorziehen. Wir haben dann Gelegenheit, mitdem Gleiter weitere Nachforschungen anzu-stellen.«

»Meinen Quirrels täte ein Landurlaubrecht gut«, stimmte auch Corpkor dem letz-teren Vorschlag zu. »Es ist schön, sich dieBeine zu vertreten, vielleicht wird Daquo-mart auch gesprächiger, wenn er zusehenkann, wie meine lieben Tierchen auf dieJagd gehen.«

»Also landen wir«, beendete Fartuloondie kurze Debatte.

Auf der Tagseite überflogen sie einen un-übersehbaren Urwald mit zahlreichenSumpfseen, ohne daß die Massetaster etwasregistrierten, und fanden ein geeignetesHochplateau. Vorsichtig setzte Fartuloondas Schiff auf den felsigen Grund und schal-tete den Antrieb ab. Er lehnte sich zurück.

»In zehn Stunden werde ich mit demGleiter einen ersten Erkundungsflug unter-nehmen. Jemand kann mich begleiten, diebeiden anderen bleiben beim Schiff undDaquomart zurück. Corpkor auf jeden Fall,den er muß auf seine Quirrels aufpassen.«

»Ich werde dich begleiten«, erbot sichEiskralle.

Der Gefangene wurde in sein Gefängniszurückgebracht, dann begaben sie sich zurRuhe. Auf dieser Welt drohte ihnen keineGefahr.

Fartuloon erwachte zwei Stunden vor Be-ginn des geplanten Erkundungsflugs, zogsich an und ging in den Hangar, um denGleiter startbereit zu machen und ins Freiezu bringen. Dann weckte er die anderen.

»Wir nehmen Westkurs und fliegen derSonne nach, Eiskralle. So bleibt es längerhell für uns. Corpkor, paß auf Ischtar auf –

und natürlich auf Daquomart. Laß deineQuirrels grasen, vielleicht geben sie dannMilch …«

Corpkor verzichtete auf eine Antwort undsah zu, wie seine kleinen Vierbeiner inGruppen davonsprangen und zwischen demhohen Gras verschwanden. Er wußte, daß siein genau drei Stunden wieder zurück seinwürden – satt und zufrieden.

Der Gleiter startete und flog in geringerHöhe nach Westen.

Ischtar sah hinter ihm her.»Ich hoffe für Daquomart, daß sie etwas

finden«, murmelte sie.Es begann zu dämmern. Corpkor sammel-

te trockenes Holz und machte ein Feuer,dann holte er den Gefangenen, ohne ihn vonseiner Fessel zu befreien.

»Du sollst auch ein bißchen frische Lufthaben, vielleicht hilft das deinem Erinne-rungsvermögen«, sagte er und wich Ischtarsfragenden Blicken aus. »Weißt du, wasQuirrels am liebsten essen?« Er wartete nureine Sekunde, um dann fortzufahren:»Fleisch, lieber Freund, lebendiges Fleisch.Und wie du wohl weißt, haben wir davonnur wenig an Bord des Schiffes. Ein Befehlvon mir, und du bist ihre Beute, vergiß dasnicht! Ischtar hätte allen Grund, dir ein sol-ches Schicksal zu gönnen, aber sie hat ein zuweiches Herz. Ich habe das nicht, Daquo-mart.« Er seufzte und legte Holz nach. »Daswollte ich dir nur noch gesagt haben. Fallsdu möchtest, kannst du jetzt beten, daß Far-tuloon und Eiskralle einen brauchbaren Hin-weis finden. Wenn nicht …«

Daquomart hockte zwischen ihnen amFeuer, die Hände auf dem Rücken gefesselt.Ischtar hatte ihn gefüttert. Vom Gefühl herwar sie davon überzeugt, daß Daquomart sienicht anlog oder bewußt in die Irre führte,aber sie zögerte noch immer, es offen auszu-sprechen. Ihr fehlte die logische Begrün-dung. Gefühle allein waren kein Beweis.

Als es dunkel wurde, brachte Corpkor denGefangenen in seine Zelle zurück. Als ersich wieder ans Feuer setzte, erschienen sei-ne Quirrels. Die so harmlos und putzig aus-

Geheimprojekt der Varganen 29

Page 30: Geheimprojekt der Varganen

sehenden Tiere hatten Blutflecken auf ihremFell, und einige von ihnen hielten sogarnoch Knochen und Fleischstücke zwischenden Zähnen.

Ischtar sah Corpkor entsetzt an.»Es ist also wirklich wahr? Sie fressen

Fleisch? Ich habe geglaubt, du wolltestDaquomart nur einschüchtern und zum Re-den bringen.«

»Vielleicht glaubt er das auch.« Er lächel-te, während er ein paar schrille Pfiffe aus-stieß. »Du kannst beruhigt sein, sie gehor-chen mir. Sie sind die friedlichsten Ge-schöpfe des Universums, wenn sie von mirnicht den Befehl erhalten, sich so zu ernäh-ren, wie es ihrer Natur entspricht. Und sietöten nur dann, wenn ich es ihnen erlaube.Sie können aber auch beißen, ohne zu tö-ten.«

»Und das hast du mit Daquomart vor?«erkundigte sie sich schaudernd.

Er nickte. »Notfalls – ja! Er wollte dichkaltblütig ertrinken lassen, um sein Ziel zuerreichen, und auch uns hätte er unseremSchicksal überlassen. Und nun verlangst duvon mir, daß ich Nachsicht übe? Ich binüberzeugt, Cyro ist nicht der Planet, den wirsuchen. Er hat dich also abermals belogenund in die Irre geführt. Vielleicht plant ernoch Schlimmeres. Wenn Fartuloon undEiskralle ohne Ergebnis zurückkehren, Isch-tar, wirst du deine Einstellung ändern müs-sen, oder wir werden Atlan niemals finden.Überlaß Daquomart mir, und wir werden dieWahrheit erfahren.«

Sie starrte unschlüssig in die Flammendes Feuers. Endlich raffte sie sich auf undsagte:

»Gut, vielleicht hast du recht. Die Ent-scheidung würde mir leichter fallen, wennich genau wüßte, daß er lügt.«

Corpkor lächelte sanft.»Um das herauszufinden, werde ich die

Quirrels einsetzen …«

*

Drei der Kontinente überquerten sie in al-

len Richtungen, ohne auch nur die Spur ei-nes Erfolgs verzeichnen zu können. DieMassetaster schlugen nur geringfügig ausund registrierten natürliche Erzlager, diekaum der Rede wert waren. Optisch konntenur eine urwüchsige und unberührte Land-schaft verzeichnet werden, die auf Koloni-sten wartete – oder auf das intelligente Pro-dukt der eigenen Evolution.

Fartuloon steuerte den vierten Kontinentan.

»Zwecklos, sage ich dir! Ich weiß nicht,was sich Daquomart dabei gedacht hat. Willer nur Zeit gewinnen – und wenn ja, warum?Was hat er davon? Warum arbeitet er nichtmit uns zusammen, um seine eigene Haut zuretten? Na schön, soll nun Corpkor seinGlück versuchen. Ich werde keinen Protesteinlegen.«

Eiskralle sagte vorsichtig:»Natürlich ist Cyro nicht der Planet, den

wir suchen, aber ich habe einfach das Ge-fühl, daß Daquomart nicht lügt.«

»Jetzt fängst du auch noch damit an!« em-pörte sich Fartuloon, der seine Ansicht geän-dert zu haben schien. »Ischtar reicht mir!«

»Überlassen wir den Rest Corpkor undseinen Quirrels«, schlug Eiskralle vor.»Fliege schneller, wir wollen die Sonneüberholen.«

*

Corpkor ließ sich Zeit.Ischtar hatte sich ohne Protest in ihre Ka-

bine zurückgezogen und ein Schlafmittel ge-nommen. Es war, als wolle sie sich damit je-der Verantwortung entziehen.

Fartuloon brachte Daquomart aus demSchiff und ließ ihn einfach stehen. Als er inder Luftschleuse war, begegnete ihm Eis-kralle.

»Laß Corpkor mit ihm allein«, meinte erruhig. »Komm mit, wir spielen eine Partie inder Zentrale.«

Eiskralle folgte ihm wortlos.Corpkor saß neben der erloschenen Feuer-

stelle und betrachtete Daquomart. Ganz in

30 Clark Darlton

Page 31: Geheimprojekt der Varganen

der Nähe lagen einige Dutzend Quirrels inGruppen herum und blinzelten träge. Siewirkten so harmlos wie Schmetterlinge.

»Du kannst dich setzen«, sagte Corpkorund deutete auf einen Baumstamm nebender Feuerstelle. »In genau zehn Minuten istdie Geduld der Quirrels zu Ende – und mei-ne auch. Solange haben wir Zeit.« Er warte-te, bis der Gefangene sich gesetzt hatte, umdann fortzufahren: »Wir haben nichts gefun-den, was deine Behauptung beweisen könn-te. Du hast jetzt noch acht Minuten, mir denrichtigen Namen des Planeten zu nennen,auf dem der Umsetzer steht. Wenn er dirnicht einfällt, helfe ich nach. Sieh dir meineTierchen an. Sind sie nicht geradezu liebens-wert? Aber täusche dich nicht! Sie beißendie Wahrheit aus dir heraus …!«

»Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ichkann euch nicht mehr sagen, als ich schongesagt habe. Ich habe euch nicht belogenoder betrogen, bestimmt nicht! Bevor ichfloh, nannte mir jemand den Namen des Pla-neten Cyro, das weiß ich genau. Auf ihm ha-ben die Experimente stattgefunden. Und wirsind auf Cyro! Ist das nicht Beweis genug,daß es ihn gibt?«

»Ihn – ja!« Corpkor schwieg plötzlich.Grübelnd sah er an Daquomart vorbei, aberdann wurden seine Züge wieder hart. »Undtrotzdem glaube ich dir nicht! Du hast nochsieben Minuten Zeit. Versuche wenigstens,nachzudenken! Erinnere dich! Sieh dir dieQuirrels an und erinnere dich! Sie habenschon wieder Hunger.«

»Ich kann euch nicht mehr helfen, als iches schon tat, nun glaubt mir doch endlich!«

Corpkor lauschte dem Klang seiner Stim-me nach. In ihr schwang echte Verzweiflungmit, das war nicht zu bestreiten. SollteDaquomart wirklich nicht mehr wissen, alser zugegeben hatte?

Schweigend wartete er, bis die Frist ver-strichen war. Daquomart starrte stumm vorsich hin. Ab und zu schielte er zu den Quir-rels hinüber, die im Halbkreis herumhocktenund ihn ansahen.

Und dann, genau nach zehn Minuten, er-

hoben sie sich und kamen langsam auf ihnzu. Sie wirkten nun nicht mehr harmlos.

Corpkor stand auf.»Ich lasse dich mit ihnen allein, Daquo-

mart. Wenn du mir etwas sagen willst, dannschreie, so laut du kannst. Aber das geht nureinmal! Beim zweiten Mal kannst du brül-len, bis sie dir die Kehle durchbeißen.« Erdeutete mit dem Zeigefinger auf ihn. »Ichmache keinen Spaß, vergiß das nicht!«

Die Quirrels schienen nur darauf gewartetzu haben, daß ihr Herr und Meister zumSchiff ging, denn wie auf Kommando stürz-ten sie sich auf die Beute. Zwar versuchteDaquomart, sich mit den Füßen zu wehren,hatte aber damit kaum Erfolg. Wenn es ihmgelang, eines der Tiere von sich zu schleu-dern, waren schon zwei andere zur Stelle,um dessen Platz einzunehmen.

Er spürte ihre schmerzenden Bisse überallan seinem Körper. Blut quoll aus den Wun-den, und seine Kleider waren bald nur nochFetzen.

Er begann zu schreien.Corpkor erschien sofort, rief ein scharfes

Kommando, und die Quirrels ließen von ih-rem Opfer ab.

»Nun?«Daquomart keuchte.»Es ist zwecklos, du bringst mich nur um.

Bei allem, was mir noch etwas bedeutet,schwöre ich dir, nicht gelogen zu haben. Ichkann mir auch nicht erklären …«

Als Corpkor sich abwandte, um den Quir-rels endlich freie Bahn zu lassen, erschienenFartuloon und Eiskralle in der Schiffsluke.

»Warte noch!« rief Fartuloon und hielt et-was in die Höhe, das Corpkor als Sternkarteidentifizierte. »Uns ist da ein Gedanke ge-kommen. Vielleicht hat Daquomart tatsäch-lich die Wahrheit gesagt.« Sie kamen zurFeuerstelle. »Kann ich mit ihm reden?«

»Natürlich kannst du das«, sagte Corpkor.»Warum?«

Fartuloon setzte sich Daquomart gegen-über.

»Wann hast du den Namen des PlanetenCyro erfahren?« fragte er. »Versuche dich

Geheimprojekt der Varganen 31

Page 32: Geheimprojekt der Varganen

zu erinnern. Wir wollen dir helfen.«Daquomart schöpfte neue Hoffnung, aber

er ließ die Quirrels nicht aus den Augen.»Es ist lange her, unendlich lange. Ich

weiß auch nicht mehr, von wem ich den Na-men habe. Ich habe zu lange allein gelebt,ich habe viel vergessen.«

»Aber den Namen Cyro hattest du nichtvergessen?«

Daquomart zuckte die Schultern.»Seltsam, ich vergaß ihn nicht.«»Vielleicht doch«, murmelte Fartuloon

und sah auf die Sternkarte. »Hier sind diePlaneten eingezeichnet, die wir auf Küllsan-nimonts Liste fanden, eine Welt Cyro istnicht dabei. Könntest du dir vorstellen, daßdu zwei gleichklingende Namen verwech-selst?«

Daquomart sah ihn verwundert an undschwieg.

»Verwechseln?« erkundigte sich Corpkorund betrachtete die Karte. Sein Finger deute-te auf einen Stern, der besonders markiertwar. »Du meinst den da?«

Fartuloon nickte und sagte: »Könnte esnicht auch Kryrot gewesen sein, Daquo-mart?«

Der Rebell schüttelte den Kopf.»Was soll das für ein Trick sein? Cyro

oder Kryrot – das klingt fast gleich. Sollendas zwei verschiedene Welten sein?«

»Müssen sie wohl, denn beide sind in denKarten vermerkt. Meintest du nun Cyro,oder meintest du vielleicht nicht doch Kry-rot?«

Daquomart schielte wieder in Richtungder wartenden Quirrels.

»Ich weiß es nicht, wirklich nicht! Natür-lich kann es auch Kryrot gewesen sein. Aberich gebe euch mein Wort …«

»Geschenkt!« Fartuloon wandte sich anCorpkor. »Du kannst deine Quirrels insSchiff bringen, wir nehmen Kurs auf Kry-rot.«

»Bist du sicher, daß …?«»Der Planet Kryrot steht auf Küllsanni-

monts Liste«, unterbrach ihn Fartuloon undsah zu, wie Corpkor seine Tiere zur Ein-

stiegsluke schickte.Dann half er Daquomart beim Aufstehen.

4.

»Also vielleicht doch nur ein Mißver-ständnis?« hoffte Ischtar, als sie alles erfah-ren hatte. Daquomart saß wieder in seinerZelle, aber sie hatten ihm die Magnetfesselnabgenommen. »Ich muß zugeben, daraufwäre ich nie gekommen.«

»Dabei ist es ein relativ naheliegenderGedanke. Ich kam erst darauf, als Daquo-mart immer und immer wieder hervorhob, essei alles schon zu lange her und er habe – bisauf den Namen Cyro – alles vergessen. Danahm ich mir Karte und Liste noch einmalvor und entdeckte die Ähnlichkeit.« Fartu-loon nickte Corpkor zu. »Und du hättest ihnbeinahe deinen Tierchen zum Fraß vorge-worfen.«

Ischtar legte die Liste Küllsannimonts aufden Tisch zurück.

»Auf Kryrot soll sich die Rebellin Haita-schar versteckt halten. Sie ist eine Varganinwie ich, und vielleicht zeigt sie sich zugäng-licher als die anderen. Was ist mit dem Kurs,Fartuloon?«

»Fertig programmiert. Wir können star-ten.«

Ohne Zwischenfall legte Ischtars Schiffdie Strecke zurück, und als es nach der drit-ten Etappe in den Normalraum zurücktauch-te, stand vor ihnen auf dem Panoramaschirmeine flammende, rote Sonne. Die Orter regi-strierten vier Planeten, von denen der inner-ste Kryrot sein mußte. Die Analyse ergabkeine günstigen Lebensbedingungen. Ob-wohl die rote Sonne nicht mehr sehr vielWärme abgab, genügten ihre Strahlen nochimmer, die Oberfläche Kryrots zu einem we-nig angenehmen Aufenthaltsort zu machen.

»Haitaschar hätte sich auch etwas Besse-res aussuchen können«, hielt Eiskralle nichtmit seinem Unbehagen zurück. Jeder kannteseine Abneigung gegen hohe Temperaturen.»Ausgerechnet so ein Backofen muß essein!«

32 Clark Darlton

Page 33: Geheimprojekt der Varganen

»Die Station wird tief unter der Oberflä-che liegen«, vermutete Ischtar. »Es handeltesich um geheime Experimente, wie ichschon einmal betonte. Cyro dürfte dafürebenso geeignet gewesen sein wie Kryrot –eben unauffällige Welten ohne Bedeutung.«

»Na schön, machen wir uns auf die Su-che«, knurrte Eiskralle.

Fartuloon ließ sich nicht ablenken. Corp-kor lieferte ihm alle notwenigen Daten überdas System, in das sie nun eindrangen. Diedrei äußeren Planeten waren zu weit von ih-rer Sonne entfernt, um intelligentes Lebenhervorzubringen oder tragen zu können,doch das war kaum anders zu erwarten ge-wesen.

»Zwischen Kryrot und dem zweiten Pla-neten schwirren ein paar Objekte herum«,gab Corpkor von den Ortern her durch. »Zuklein und zu weit entfernt, um sie schon de-finieren zu können.«

»Andere Schiffe?« fragte Fartuloon ge-spannt.

»Kaum, höchstens Asteroiden. In einerhalben Stunde kann ich vielleicht mehr dar-über sagen.«

In fast jedem Sonnensystem gab es Trüm-merstücke zerplatzter Monde oder gar Pla-neten, deren Bahnen man vorausberechnenkonnte. Aus diesem Grund war Ischtar auchüber Corpkors Mitteilung nicht beunruhigt.

Das Schiff überquerte die Bahnen der äu-ßeren Planeten, Fartuloon drosselte die Ge-schwindigkeit und fragte ungeduldig:

»Immer noch nichts, Corpkor?«»Hm, ich weiß nicht recht, aber für Aste-

roiden verhalten sie sich recht merkwürdig.Ihre Bahn führt in ungewöhnlich großemAbstand um Kryrot, nicht um die Sonne.Aber das ist es nicht, was mich stört. Es istihre Anordnung.«

»Anordnung?« Fartuloon sah auf denPanoramaschirm. Die rote Sonne war nichtmehr zu sehen, denn sie stand nun hinterdem Schiff. Der Planet Kryrot hingegenwurde von Minute zu Minute größer unddeutlicher. »Kannst du mir die Orterechosauf den großen Schirm geben?«

»Sicher, aber viel deutlicher werden siedadurch auch nicht.«

Fartuloon wartete, bis das Bild wechselte.Ischtar war hinter ihn getreten. Eiskrallemarkierte Interesselosigkeit, was ihm jedochniemand abnahm.

Die vier Echos hatten so undeutliche Kon-turen, daß auf ihre wirkliche Form keineRückschlüsse gezogen werden konnten. Im-merhin ließ sich erraten, daß sie alle unge-fähr gleich groß sein mußten. Und noch et-was schien bemerkenswert: sie bildeten einQuadrat.

»Wenn das ein Zufall ist«, murmelte Far-tuloon, »dann soll mir jemand ein Quirrelbraten!«

Corpkor knurrte von seinen Ortern her:»Du bekommst dein Quirrel nicht, denn

das dort ist niemals ein Zufall! Solche Zufäl-le gibt es überhaupt nicht!«

Ischtar studierte schweigend die vier Ob-jekte, deren Umrisse sich nur allmählich sta-bilisierten. Das, was sie von Anfang an nurvermutet hatte, begann sich als Realität her-auszuschälen. Aber sie wartete, bis Fartu-loon plötzlich rief:

»Schiffe! Das sind vier Doppelpyrami-denschiffe der Varganen! Wie kommendenn die hierher?«

»Sie befinden sich im Orbit«, erinnerteihn Corpkor. »Antriebslos!«

»Vielleicht auch ohne Besatzung?«»Das werden wir bald wissen«, sagte Cor-

pkor. »Wir können sie ja über Normalfunkanrufen.«

»Abwarten!« bat Ischtar und brach damitihr Schweigen. »Wir müssen noch näher ansie herankommen. Vielleicht handelt es sichum unbemannte Stationen, die schon seitlanger Zeit kreisen. Es könnten Abwehrfortssein, die uns keinen freundlichen Empfangbereiten, wenn wir auf Kryrot landen wol-len.«

Das klang einleuchtend, und gleichzeitigerhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, daßKryrot ein sehr wichtiger Planet war – ebenjener Planet, auf dem die Experimente einststattgefunden hatten.

Geheimprojekt der Varganen 33

Page 34: Geheimprojekt der Varganen

Nach weiteren zehn Minuten konnte keinZweifel mehr daran bestehen, daß die vierPyramidenschiffe ein genaues Quadrat miteiner Seitenlänge von hundert Kilometernbildeten. Durch unsichtbare Gravitationsfel-der miteinander verbunden, trieben sie ingroßer Entfernung in einer stabilen Bahn umKryrot herum. Auf Corpkors Funksprücheerfolgte keine Reaktion.

Ischtar biß sich auf die Lippen, als sie dievier scheinbar bewegungslos im All stehen-den Schiffe beobachtete. Vielleicht warensie tatsächlich schwer bewaffnete Abwehr-stationen, deren Automatik jedoch längst au-ßer Betrieb gesetzt worden war.

Oder waren sie mehr?Fartuloon hatte inzwischen ihre eigene

Geschwindigkeit jener der vier Schiffe ange-paßt. Die Entfernung zum ersten betrug nurnoch einige hundert Kilometer. Nichts ge-schah.

»Kann sein«, vermutete Fartuloon, »daßihre Abwehrschaltung nur dann reagiert,wenn ein Objekt sich in einer ganz bestimm-ten Entfernung von ihnen aufhält. Wir soll-ten den Schutzschirm einschalten.« SeineHand näherte sich dem entsprechendenSchalter. »Soll ich?«

»Es kann nicht schaden«, stimmte Ischtarzu.

Der energetische Schutzschirm konnte dasFeuer von zwei Schiffen leicht verkraften,aber wenn zu viele Geschütze gleichzeitig inAktion traten und ihr Feuer auf einen einzi-gen Punkt des Energieschirms konzentrier-ten, war es durchaus möglich, daß dieserwegen Überlastung zusammenbrach. DieFrage war nun: Falls die Abwehrautomatiksich einschaltete, würden alle vier Schiffeaktiv werden – oder nur eines von ihnen?

Von den Ortern her sagte Corpkor:»Unsere Bahn kreuzt die des nächsten

Schiffes in einer Entfernung von fünfhun-derttausend. Wir nähern uns ihr zehn Meterpro Sekunde.«

»Ich bin auf alles vorbereitet!« Fartuloonsaß dicht vor den Kontrollen, beide Händezum sofortigen Handeln bereit. »Wir können

ihnen im Bruchteil einer Sekunde das Heckzeigen …«

Natürlich wäre es auch möglich gewesen,die vier Schiffe einfach zu ignorieren undsich Kryrot von der anderen Seite her zu nä-hern, aber in Wirklichkeit wären sie damitein noch viel größeres Risiko eingegangen.Wenn es sich wirklich um automatische Ab-wehrforts handelte, und wenn sie dann an-griffen, gab es für Ischtars Schiff zu wenigBewegungsfreiheit, falls es sich innerhalbder Atmosphäre aufhielt oder gar schon ge-landet war. Es war vernünftiger, schon jetztdie Probe aufs Exempel zu machen.

Die Minuten vergingen nur langsam.Corpkor beschränkte sich nicht mehr dar-

auf, nur die vier Schiffe zu beobachten undDaten über sie zu sammeln, sondern begann,die übrigen Sektoren zwischen dem eigenenStandort und dem Planeten abzusuchen. Au-ßerdem war die Oberfläche nun besser er-kennbar, die nur aus Landfläche bestand. Esgab keine Meere oder Flüsse. Vielleicht gabes überhaupt kein Wasser auf Kryrot.

Ischtar schwieg verbissen. Einmal standsie auf und stellte sich hinter Corpkor. Erdrehte sich um und bemerkte ihren fragen-den Blick. Stumm schüttelte er den Kopfund machte eine bedauernde Geste.

Sie kehrte an ihren alten Platz neben Far-tuloon zurück und setzte sich wieder. Ver-geblich versuchte sie, ihre Enttäuschung zuverbergen.

Eiskralle sagte zu ihr:»Du mußt bedenken, daß die Experimente

schon vor langer Zeit stattfanden. Alle Spu-ren werden verwischt worden sein – ebendurch diese große Zeitspanne, vielleichtauch durch die Varganen selbst. Aber dievier Schiffe beweisen einwandfrei, daß Kry-rot der gesuchte Planet ist.«

»Ich muß den Umsetzer finden!« entgeg-nete sie, mehr nicht.

Nach drei Stunden waren sie nur nochknapp dreißig Kilometer von dem nächstenSchiff entfernt.

Fartuloon lehnte sich entspannt zurück.»Nichts!« stellte er kategorisch fest.

34 Clark Darlton

Page 35: Geheimprojekt der Varganen

»Wenn das wirklich Abwehrforts wären,hätten sie längst reagieren müssen. Entwedersind es keine, oder sie sind defekt. Ich schla-ge vor, wir verlassen ihre Umlaufbahn undsehen uns Kryrot näher an.«

Corpkor rief von den Ortern her:»Das wird eine herbe Enttäuschung wer-

den, soweit ich das beurteilen kann. Einefelsige, vertrocknete Wüste. VereinzelteErzlager unter der Oberfläche, aber keineAnzeichen irgendwelcher Anlagen. Eineheiße, tote Welt. Äußerst uninteressant.«

Fartuloon rief zurück:»Kümmere du dich um die Ortung und

Daten, während wir mit dem Abstieg begin-nen. Vielleicht ist da noch etwas im Orbit,das wir bisher nicht registrierten. Ich halteKryrot allmählich für ein Ablenkungsmanö-ver, wenn du verstehst, wie ich das meine.«

Corpkor verstand allerdings, was Fartu-loon meinte. Die gleiche Idee hatte er auchschon gehabt, sie aber nicht ausgesprochen.Es konnte gut sein, daß der gesuchte Umset-zer auf dem zweiten oder dritten Planetenausgebaut worden war.

Die vier Schiffe waren nun schneller alsIschtars Pyramidenschiff, sie entfernten sichallmählich auf ihrem Orbit. Fartuloon ver-folgte sie noch eine Zeitlang auf dem Pan-oramaschirm, dann widmete er sich intensi-ver der Beobachtung Kryrots. Er mußte Cor-pkor recht geben: eine ungastlichere Welthätten sich die Varganen für ihr Experimentnicht aussuchen können – auf der anderenSeite aber auch keine unauffälligere.

Etwa zweihundert Kilometer über derOberfläche rief Corpkor plötzlich aufgeregt:

»Da ist wirklich noch etwas in Orbit, hin-ter uns! Die Daten kommen gerade herein.Ich gebe das Bild auf den Monitor!«

Fartuloon und Ischtar warteten, bis derkleine Monitor sich aufhellte. Auch Eiskral-le beugte sich vor, um besser sehen zu kön-nen.

Das Bild war noch unscharf und wirktefast konturlos. Der Gegenstand schien trans-parent zu sein, wenigstens zum größten Teil.

»Kannst du das nicht deutlicher machen?«

fragte Fartuloon.Corpkor manipulierte an seinen Kontrol-

len.»Geht nicht, aber das Ding holt auf. Wir

scheinen langsamer geworden zu sein.«»Stimmt, ich hatte die Geschwindigkeit

herabgesetzt, um besser beobachten zu kön-nen. Ist es ein Schiff?«

»Das glaube ich nicht. Es scheint durch-sichtig zu sein, darum bekomme ich auchkein klares Bild.«

Fartuloon wandte sich an Ischtar:»Sollen wir es uns näher betrachten?«Sie nickte stumm.Fartuloon nahm einige Schaltungen vor,

dann schwenkte das Schiff seitwärts aus derLandebahn, beschrieb einen großen Bogenund kehrte wieder zurück. Diesmal schwebteder unbekannte Gegenstand genau vor demBug.

»Das ist doch nicht möglich!« entfuhr esFartuloon, als er das Objekt nun auf demgrößeren Panoramaschirm erblickte.»Ischtar, was ist das …?«

Es wirkte durchaus harmlos, wenigstensauf den ersten Blick.

Soweit auf dem Bildschirm zu erkennenwar, handelte es sich um eine ovalförmigetransparente Blase, kaum mehr als fünf Me-ter lang, in deren Innern dunkle Gegenstän-de sichtbar waren. Wahrscheinlich Instru-mente oder Energieaggregate.

Besonders auffällig war ein länglicherGegenstand, der sich genau in der Mitte derBlase befand und auf einem flachen Gestellruhte. Fartuloon glaubte seinen Augen nichtzu trauen, bis Ischtar ruhig sagte:

»Das ist Haitaschar! Es kann niemand an-derer sein!«

Und Corpkor fügte hinzu:»Die Blase besteht aus konstanter Ener-

gie. Ein Raumschiff aus Energie! Aber derPilot ist tot. Ich kann keine Lebensfunktionfeststellen, aber vielleicht sind isolierendeSchichten vorhanden, die alles abschirmen.«

Fartuloon schaute Ischtar fragend an. DieVarganin wußte mehr über die verscholleneTechnik ihres Volkes als er.

Geheimprojekt der Varganen 35

Page 36: Geheimprojekt der Varganen

Sie nickte langsam, als könne sie sich er-innern.

»Eine Energieblase, in der Haitascharruht. Sie hat sich selbst in Tiefschlaf versetzt– oder sie wurde dazu gezwungen. Sie istdie Wächterin der Absoluten Bewegung, desgrößten Geheimnisses meines unglücklichenVolkes.«

»Und warum dann Tiefschlaf, wenn sieohnehin unsterblich ist?«

»Ich weiß es nicht, Fartuloon. Die vierSchiffe sind wahrscheinlich zu ihrer Bewa-chung da, aber wie wir sahen, ziemlich er-folglos. Jeder könnte kommen und Haita-schar samt der Energieblase vernichten. Ichglaube, eine Landung auf Kryrot ist nun vor-erst überflüssig geworden.«

»Was hast du vor?«»Wir müssen Haitaschar zu uns an Bord

holen.«Eiskralle fuhr zusammen und warf ihr

einen entsetzten Blick zu. Auch Corpkor sahnicht gerade begeistert aus. Fartuloon sagte:

»Das ist zu riskant, Ischtar. Vielleichtbrächten wir den Tod ins Schiff.«

Sie schüttelte den Kopf.»Wie ihr selbst sehen könnt, ist die Blase

transparent. Sie enthält außer Haitaschar nurdie notwendigen Geräte zur Lebenserhal-tung. Ich kann keine Waffen oder Vernich-tungsanlagen entdecken. Die Blase paßtleicht in den Hangar.«

Fartuloon blieb skeptisch, sagte aber:»Gut, ich mache dir einen Vorschlag: ich

werde hinausgehen und mir das Ding ausder Nähe ansehen. Wenn ich davon über-zeugt bin, daß keine Gefahr von ihm aus-geht, habe ich nichts dagegen, wenn wir ver-suchen, es ins Schiff zu bugsieren. Das dürf-te nicht so schwierig sein, wenn wir unsereGeschwindigkeit anpassen.«

»Ich begleite dich«, sagte sie.Er schüttelte den Kopf und erwiderte in

einem Tonfall, der keinen Widerspruch dul-dete:

»Niemand begleitet mich, ich gehe allein!Wir stehen durch Funk in Verbindung. Cor-pkor bleibt an den Ortern und meldet jede

Veränderung. Eiskralle hält sich zu einereventuellen Rettungsaktion bereit. Ischtar,du übernimmst bitte in der Zwischenzeit dieKontrollen des Schiffes.«

Er stand auf und verließ die Kommando-zentrale, ohne auf eine Antwort zu warten.

*

Schiff und Energieblase rasten nun mitgleicher Geschwindigkeit in der Umlauf-bahn dahin, die Entfernung zwischen denbeiden Körpern betrug nur einige hundertMeter.

Fartuloon schwebte dazwischen und nä-herte sich der Energieblase.

Da er ziemlich korpulent war, wirkte erim Raumanzug, der ihn noch unförmigermachte, wie eine Kugel mit Auswüchsen. Erselbst kam sich allerdings nicht so unförmigund unbeweglich vor, zumal er nun völligschwerelos war und nach Belieben Richtungund Geschwindigkeit ändern konnte, ohnesich im mindesten anstrengen zu müssen.

Dicht vor der Energieblase bremste er abund umkreiste das geheimnisvolle Objektmit aller Vorsicht.

Auf einem wannenförmigen Lager, an daseine Menge Leitungen angeschlossen waren,lag eine noch jung erscheinende und unge-wöhnlich hübsche Varganin. Sie trug nureinen kurzen, silbernen Rock, sonst war sieunbekleidet. Auf ihrem schönen Gesicht lagein Lächeln, das darauf schließen ließ, daßsie die Prozedur des Tiefschlafs freiwilligauf sich genommen hatte.

Fartuloon sah, daß die Leitungen in einemBehälter endeten, der wiederum an Aggrega-te angeschlossen war. Sonst konnte er keineKontrollinstrumente oder gar so etwas wieeinen Antrieb entdecken.

Lange betrachtete er das Mädchen. Wie-viel Ewigkeiten mochte sie schon in ihrerEnergieblase ruhen und den Planeten Kryrotumkreisen?

Und warum?Ischtar hatte recht: Man mußte sie zurück-

holen aus ihrem scheinbaren Todesschlaf

36 Clark Darlton

Page 37: Geheimprojekt der Varganen

und mit der Wirklichkeit konfrontieren. IhreErinnerung würde noch frisch sein, und nursie konnte das Geheimnis enthüllen, hinterdem sie alle her waren.

Er warf einen letzten Blick auf ihr Gesichtund nahm Kurs auf das Pyramidenschiff.

Ischtar empfing ihn zusammen mit demeinsatzbereiten Chretkor in der Luftschleuse.Während der ganzen Zeit hatte er sein Funk-gerät nicht eingeschaltet gehabt. Als er denHelm öffnete, hörte er Ischtar sagen:

»Wir haben auf ein Wort von dir gewar-tet, Fartuloon. Warum hast du nichts gesagt?Es hätte doch etwas passieren können …«

»Ich wollte schon zu dir kommen«, knurr-te Eiskralle vorwurfsvoll.

Er nahm den Helm ab.»Kein Grund zur Besorgnis. Ich wollte

bei meinen Beobachtungen nur nicht gestörtoder abgelenkt werden, das ist alles. Um eskurz zu machen, Ischtar: ich habe keine Be-denken, den Versuch zu unternehmen, dieEnergieblase in unser Schiff zu bringen. Obes uns gelingt, ist eine andere Frage.«

»Wie sieht sie aus – ich meine Haita-schar?«

Er lächelte und betrachtete sie von obenbis unten.

»Ehrlich gestanden – sie ist fast so schönwie du.«

Sie lächelte geschmeichelt zurück, wurdeaber sofort wieder ernst.

»Wir wollen keine Zeit verlieren und mitden Vorbereitungen beginnen.«

Sie gingen in die Kommandozentrale.

5.

Nach einigen notwendigen Kurskorrektu-ren flogen die Energieblase und IschtarsSchiff mit gleicher Geschwindigkeit dahin,wobei die große Ladeluke in Richtung derschlafenden Haitaschar zeigte. Vorsichtshal-ber blieb Corpkor jedoch in der Kommando-zentrale, während Ischtar ebenfalls ihrenRaumanzug anlegte. Sie traf Fartuloon undEiskralle in dem Laderaum, der zur Aufnah-me der Energieblase bestimmt war.

Der Raum, der bei Gelegenheit auch alsHangar für den Gleiter benutzt wurde, besaßkeine Schleuse. Man mußte also die in ihmvorhandene Luft absaugen, bevor die Au-ßenluke geöffnet wurde.

»Du bleibst hier, Eiskralle, und beobach-test uns. Ischtar und ich werden das Dingholen. Der Antrieb unserer Anzüge wird rei-chen. Sobald wir im Laderaum sind, schließdie Luke und setz die Pumpen in Betrieb.Fertig?«

Sie verschlossen die Helme und schalte-ten die Sprechfunkgeräte ein, um sich ver-ständigen zu können. Die Luft wurde schnellabgesaugt, und dann öffnete Fartuloon dieAußenluke. Die Energieblase mit der schla-fenden Haitaschar schwebte scheinbar bewe-gungslos nur einige Dutzend Meter von ih-nen entfernt im Raum.

Fartuloon blieb etwas zurück, als Ischtarvorsichtig das seltsame Behältnis umkreisteund Beobachtungen anstellte. Lange ruhteihr Blick auf der unbeweglich daliegendenVarganin, als wolle sie sich ihr Aussehen füralle Zeiten einprägen.

Vom Kontrollraum des Schiffes her kamCorpkors Stimme. Sie klang ungeduldig.

»Wie lange dauert das denn noch? Wennjetzt irgend etwas passiert, seid ihr erledigt.«

»Was soll schon passieren?« knurrte Far-tuloon und winkte Ischtar zu. »Können wirjetzt?«

»Komm her und hilf mir«, gab sie knappzurück.

Fartuloon näherte sich ihr langsam undstoppte dicht hinter ihr. Die transparenteHülle der Energieblase war nur durch diegeringfügige Lichtbrechung zu ahnen, abervöllig unsichtbar war sie nicht. Die Frageblieb, was geschehen würde, wenn man sieberührte. Der Raumanzug isolierte, also ge-schah wahrscheinlich gar nichts.

Es war Ischtar, die zuerst die Blase be-rührte.

»Los, mach schon, es ist ungefährlich«,ermunterte sie Fartuloon. »Mit doppeltemSchub geht es auch doppelt so schnell …«

In der offenen Luke stand Eiskralle und

Geheimprojekt der Varganen 37

Page 38: Geheimprojekt der Varganen

gab gute Ratschläge und Anweisungen fürRichtungsänderungen. Ganz langsam nurschwebte die Energieblase auf das Schiff zuund glitt dann durch die Luke in sein Inne-res. Eiskralle sorgte nun seinerseits dafür,daß die Blase rechtzeitig, abgebremst wurdeund nicht gegen die Wand stieß.

Ischtar schloß die Luke, schaltete diePumpen ein und danach das Antigravfeld.Haitaschar sank mit ihrer Energieblase aufden Boden des Laderaums und erhielt all-mählich ihr ursprüngliches Gewicht zurück.

Als die Instrumente normalen Druck an-zeigten und Fartuloon seinen Helm öffnenwollte, erhielt er plötzlich einen heftigenSchlag vor die Brust. Er taumelte zurück, biser gegen die Wand prallte und sich auf denBoden setzte. Er sah, daß auch Ischtar undEiskralle ihren Halt verloren und stürzten.Sie hatten die Helme noch geschlossen, under konnte ihre überraschten Ausrufe über dasFunkgerät vernehmen. Auch Corpkor schal-tete sich ein und wollte wissen, was passiertsei.

Sie sahen es nicht sofort. Ischtar hatte sichzuerst wieder erhoben und ging zu der Ener-gieblase, ehe Fartuloon sie warnen konnte.Aber dann schwieg er verdutzt uns sah zu,wie Ischtar zu der schlafenden Varganin tratund sich über sie beugte.

Die Energieblase war nicht mehr vorhan-den. Sie war, als der Laderaum sich mit Luftgefüllt hatte, einfach geplatzt.

»Es ist nichts«, beruhigte Fartuloon denunaufhörlich fragenden Corpkor. »Alles inOrdnung. Bleib in der Umlaufbahn. Wirmelden uns bald bei dir.«

Er kam wieder auf die Beine und nähertesich vorsichtig Ischtar, gefolgt von Eiskralle,der nun ebenfalls seinen Helm öffnete. DieVarganin hatte ihn bereits abgenommen.

»Warum ist das Ding geplatzt?« wollteFartuloon wissen.

»Eine Art Sicherheitsschaltung, nehmeich an.« Ischtar überprüfte die Leitungen,die von der Wanne aus in die Aggregateführten. »Sobald die Blase von einer Atmo-sphäre und entsprechendem Druck umgeben

ist, verschwindet sie. Es sieht so aus, als wä-ren die Instrumente und Geräte unbeschä-digt. Vielleicht ist durch das Platzen derEnergieblase automatisch der Weckprozeßeingeleitet worden.«

»Du solltest mehr darüber wissen alswir«, erklärte Fartuloon, beteiligte sich aberan der Untersuchung, wobei er jedoch im-mer wieder von dem Anblick der schlafen-den Schönheit abgelenkt wurde, die nochkeine Lebenszeichen von sich gab.»Hoffentlich bekommen wir sie wiederwach.«

Eiskralle verfolgte die Leitungen und in-spizierte das Aggregat, an das sie ange-schlossen waren. Ischtar kam zu ihm undsagte dann:

»Die Instrumente zeigen zu wenig Ener-gie an, glaube ich. Wir müssen von uns auswelche zuführen, sonst können wir ewigwarten.«

Fartuloon und Eiskralle holten eine derSpeicherbatterien aus dem Ersatzteillagerund schlossen sie unter Anleitung Ischtarsan. Schon wenige Minuten später leuchteteneinige der Kontrollampen auf. Die Zeigerauf den Skalen kletterten nach oben.

Ischtar richtete sich auf.»Ich glaube, wir schaffen es. Natürlich

geht es nicht so schnell, wie sich unser un-geduldiger Fartuloon das wünscht, aber umso länger kann er seine Prinzessin aus derVergangenheit ungeniert bewundern.«

»Unsinn!« entfuhr es Fartuloon, aber soganz vermochte er seine Verlegenheit nichtzu verbergen. Als Eiskralle ihn auch nochunverschämt angrinste, sagte er: »Was wolltihr denn? Ist sie nicht sehr schön, unsereUnsterbliche? Außerdem handelt es sich beimir in erster Linie um wissenschaftliches In-teresse.«

»Sicherlich!« lachte Eiskralle. »Aber wiewäre es, wenn wir Corpkor informierten? Erwird vor Neugierde fast sterben.«

»Ja, ja«, nickte Fartuloon. »Mach du dasinzwischen …«

Eiskralle entfernte sich, um Corpkor nichtnoch länger im Ungewissen zu lassen.

38 Clark Darlton

Page 39: Geheimprojekt der Varganen

Ischtar setzte sich auf eine herangescho-bene Kiste unmittelbar neben Haitascharund studierte deren blasses, regloses Ge-sicht. Dann sah sie auf.

»Die Methode des Tiefschlafs wurde beiuns in den Anfängen der Raumfahrt oft an-gewandt, wenn es sich um längere Flügehandelte und unsere Schiffe noch unter derGeschwindigkeit des Lichtes flogen. In die-ser Zeit gab es den Berichten zufolge vieleUnglücksfälle, die mit der Perfektionierungdes Systems jedoch weniger wurden undschließlich ganz ausblieben. Später wurdedie Methode des Tiefschlafs nicht mehr be-nötigt, aber die wissenschaftlichen Unterla-gen blieben erhalten. Man benötigte sie fürgewisse Experimente, und es gab auch Fälle,in denen sich Varganen freiwillig einschlä-fern und Hunderte von Jahren danach wiederaufwecken ließen.«

»Ihnen paßte wohl die Zeit nicht, in dersie lebten?« vermutete Fartuloon ironisch.

»Das – und andere Gründe«, gab sie kurzzurück und deutete damit an, daß sie nichtmehr über das Thema sprechen wollte.

Er blieb hartnäckig.»Mit anderen Worten: du wolltest mich

beruhigen und mir versichern, daß Haita-schar auf jeden Fall durchkommen und er-wachen wird. Na, hoffen wir es. Was zeigendie Instrumente?«

Sie las sie ab und richtete sich wieder auf.»Der Vorgang läuft«, teilte sie ihm nur

mit. »Wir müssen Geduld haben.«

*

Daquomart fuhr erschrocken zusammen,als sich seine Kabinentür ohne Ankündigungöffnete, aber es war nur Eiskralle, der ihmdas Essen brachte.

»Was ist mit diesem Planeten Kryrot?«fragte der Gefangene. »Habt ihr gefunden,was ihr suchtet?«

Eiskralle blieb an der Tür stehen.»Wir hoffen es. Interessiert es dich?«Daquomart nickte.»Sehr sogar, schließlich hängt mein Le-

ben davon ab. Wenn es wieder die falscheWelt ist, wird Corpkor seine Biester aufmich hetzen.«

Eiskralle berichtete ihm bereitwillig, wassie bisher entdeckt hatten. Die vier Stations-schiffe regten Daquomart weiter nicht auf,aber als er von der Energieblase und Haita-schar erfuhr, konnte er seine Erregung kaumnoch kontrollieren.

»Sie wird leben?« vergewisserte er sichnervös. »Und sie wird euch sagen, wo derUmsetzer ist? Was werdet ihr dann tun?«

Eiskralle ahnte, daß er vorsichtig seinmußte. Der Rebell zeigte zuviel Anteilnah-me an dem Geschehen, das ihn eigentlichnichts anging. Mit keiner Frage erkundigteer sich nach den Lebensbedingungen aufKryrot, obwohl er damit rechnen mußte, daßman ihn dort aussetzte, wenn alles vorüberwar. Oder war er davon überzeugt, daß mandiese Drohung nicht wahrmachen würde?

»Kann ich Haitaschar sehen?« fragte erohne Übergang.

Eiskralle hob die Arme, als Daquomartaufstand und auf ihn zuging.

»Bleib dort, wenn dir dein Leben lieb ist.Ein Händedruck von mir, und du erstarrstzur Kristallsäule – aber das kannst du janicht wissen. Ich bin ein Chretkor, vergißdas nicht, und wir haben seltsame Eigen-schaften. Was deinen Wunsch angeht, sokann ich nicht allein entscheiden. Geduldedich!«

Daquomart setzte sich wieder hin. Jetztzeigte sich seine ungemeine Selbstbeherr-schung, denn er wirkte mit einmal ruhig undgelassen. Fast gleichmütig sagte er:

»Ich hätte nur gern mit Haitaschar gespro-chen, schließlich ist sie eine Rebellin wieich.«

»Das ist Ischtar auch, aber niemand wirdbehaupten können, du wärest besondersfreundlich zu ihr gewesen.«

»Das ist etwas anderes, ich wollte ihrSchiff haben.«

Eiskralle zuckte die Schultern, trat in denKorridor und verschloß die Tür.

Im Kontrollraum berichtete er den ande-

Geheimprojekt der Varganen 39

Page 40: Geheimprojekt der Varganen

ren von seinem Gespräch mit dem Gefange-nen. Ischtar war noch immer im Lagerraumbei der schlafenden Varganin, aber sie teilteüber Interkom mit, daß Haitaschars Hautsich bereits zu röten begann. Das Lebenkehrte allmählich in sie zurück.

»Ich traue dem Kerl nicht«, ließ sich Cor-pkor vernehmen. »Er soll in seiner Kabinebleiben. Wir werden schon einen Planetenfinden, auf dem wir ihn absetzen können.«

Fartuloon sah unentwegt auf den kleinenInterkom-Schirm, der die Sichtverbindungzu Ischtar herstellte. Zwar bewegte sich Hai-taschar noch nicht, aber es war eindeutig,daß das Leben in ihren Körper zurückkehrte.

Die Orteranlage meldete sich durch einAlarmzeichen, als die vier Schiffe hinter derRückseite von Kryrot wieder auftauchten.Ihre Position zueinander war unverändertgeblieben. Sie umkreisten den Planeten aufihrer ursprünglichen Bahn.

Aus dem Lautsprecher kam Ischtars Stim-me:

»Ich glaube, sie erwacht jetzt! Kann mirjemand helfen?«

Fartuloon sprang so hastig auf, daß er fastüber den Sessel und Eiskralle stolperte, derihm im Weg stand. Er war draußen im Gang,ehe jemand antworten konnte.

»Nicht einmal die Tür kann er schließen«,protestierte Eiskralle und holte das Ver-säumte nach. »Diese Haitaschar scheint ihmja mächtig zu gefallen. Hoffentlich verliebter sich nicht in sie.«

»Ischtar würde ihm das Lederwams ver-sohlen«, vermutete Corpkor. »Aber wir wol-len nicht zu engherzig sein, Eiskralle. Duwürdest dich auch freuen, einer hübschenChretkorin mit eiskalten Händchen zu be-gegnen, oder nicht?«

Eiskralle betrachtete seine fast durchsich-tigen Hände und lächelte nachsichtig.

»Möglich«, gab er dann zu.Inzwischen stürmte Fartuloon in den La-

gerraum und verlangsamte sein Tempo erst,als Ischtar protestierte:

»Du erschreckst sie, wenn du wie einRaubtier herumspringst. Sie kann jeden Au-

genblick die Augen aufschlagen, und siemuß ja nicht als erstes gleich einen Barbarenzu Gesicht bekommen.«

Fartuloon verbarg seine Verlegenheit,dann siegte sein Mitgefühl.

»Bin gleich wieder da«, verkündete er,verschwand, und kehrte nach einer Minutemit ein paar Decken zurück, die er behutsamüber den Körper der Schlafenden breitete.»Sie soll sich wenigstens nicht schämen.«

»Daran hättest du auch früher denkenkönnen. Sieh nur, ihre Finger bewegen sich.Ihr Blut beginnt zu kreisen.« Sie atmete er-leichtert auf. »Wir haben es geschafft, glau-be ich. Es wird jedoch noch einige Zeit dau-ern, bis sie sich erholt hat. Richte dich da-nach und falle nicht gleich mit Dutzendenvon Fragen über sie her.«

»Der Umsetzer interessiert dich dochauch«, erinnerte sie Fartuloon ein wenig be-leidigt.

Haitaschar schlug die Augen auf undstarrte verständnislos zuerst gegen dieDecke, dann auf Ischtar und Fartuloon. IhrMund öffnete sich wie zu einem Schrei, aberkein Laut kam über ihre Lippen. Noch im-mer verkrampften sich ihre Hände und öff-neten sich wieder, so als wollten sie das Blutschneller durch die Adern pumpen.

Die Augen schlossen sich wieder füreinen Moment.

Dann sahen sie Ischtar fragend an.Ischtar sagte mit sanfter, beruhigender

Stimme:»Du bist in Sicherheit, Haitaschar. Wir

sind Freunde. Wir werden dir alles erklären,sobald du kräftig genug bist. Ruhe dichaus.«

Haitaschar öffnete die Lippen, und dies-mal flüsterte sie einige Worte, die Fartuloonjedoch nicht verstand, weil er weiter wegwar als Ischtar. Er sah nur, daß Ischtar denKopf schüttelte und beruhigend die Handauf den Arm der Varganin legte.

»Nein, wir sind Freunde. Es sind wir, diedich gefunden haben, kein Rächer oder Hen-ker, Haitaschar. Doch sprich jetzt nicht, dumußt ruhen. Bald wirst du essen und trinken

40 Clark Darlton

Page 41: Geheimprojekt der Varganen

können, und danach erst kannst du redenund Fragen stellen.«

Sie nickte, sah Ischtar dankbar an undschloß wieder die Augen.

Ischtar richtete sich auf.»Es ist merkwürdig, daß jemand nach ei-

nem so langen Schlaf erwacht und dann er-schöpft ist – und wieder schlafen will. Wirlassen sie vorerst hier, um sie nicht zu stö-ren. Später bringen wir sie in eine der freienKabinen, am besten in die neben der mei-nen. Komm jetzt, sie muß ihre Ruhe haben.«

Sie verließen den Raum und kehrten indie Kommandozentrale zurück.

Hier empfing sie Corpkor mit einer Neu-igkeit.

»Die vier Schiffe«, sagte er und deuteteauf die Meßinstrumente in der Kontrolltafel,»befinden sich noch immer in ihrer ur-sprünglichen Kreisbahn, aber sie haben vorwenigen Minuten damit begonnen, Impulseauszusenden.«

Fartuloon setzte sich.»Impulse? Was für Impulse?«»Energieimpulse, mehr weiß ich auch

nicht. Es begann in dem Augenblick, in demHaitaschar erwachte. Sieht so aus, als be-stünde da ein Zusammenhang …«

Ischtar sah ihn nachdenklich an.Dann sagte sie:»Der Zusammenhang ist mir klar. Diese

vier Schiffe sind keine Abwehrforts. Siewurden so programmiert, daß ihre Funktio-nen aktiviert werden, sobald Haitaschar ge-weckt wurde. Wißt ihr, was sie sind?«

Niemand antwortete. Alle blickten sie ge-spannt an.

»Dann will ich es euch sagen: sie sind derUmsetzer, den wir suchen …«

6.

Die Erkenntnis traf sie wie ein Schock,der jedoch nur wenige Sekunden dauerte.Ischtars Schluß war so zwingend und lo-gisch, daß kein Zweifel an ihrer Behauptungaufkommen konnte. Zu offensichtlich warendie Zusammenhänge zwischen dem Erwa-

chen Haitaschars und der zugleich beginnen-den Tätigkeit der vier Schiffe, die sich durchEnergieabstrahlung bemerkbar machte.

»Nur Haitaschar kann uns sagen, was nunzu tun ist. Sie muß alle entsprechenden In-formationen erhalten haben, bevor man siein Tiefschlaf versetzte – oder bevor sie esselbst tat.« Ischtar war aufgestanden. »Ichsehe nach ihr.«

Sie verließ die Kommandozentrale. Fartu-loon schaltete den Interkom ein. Haitascharlag noch immer in ihrer flachen Wanne undschien zu schlafen.

»Wir müssen die vier Schiffe unter ständi-ger Beobachtung halten«, mahnte Corpkor.»Die Instrumente registrieren jede Verände-rung. Hoffentlich kann Haitaschar uns baldmehr Informationen geben.«

Fartuloon sah noch immer auf den Bild-schirm des Interkoms.

»Ischtar ist noch nicht im Lagerraum auf-getaucht. Eigentlich müßte sie schon längstdort sein.«

Eiskralle schien etwas sagen zu wollen,schwieg aber dann doch.

Nach fünf Minuten stand Fartuloon miteinem Ruck auf.

»Da stimmt etwas nicht! Ich sehe nach.«Eiskralle wartete, bis sich die Tür hinter

ihm geschlossen hatte, dann schaltete er denBordinterkom ein. Seine Stimme konnte nunüberall im Schiff gehört werden.

»Ischtar, wo steckst du? Melde dich!Dringend!«

Aber es war nur Fartuloon, der auf seinemWeg zum Lagerraum den Knopf der näch-sten Sprechstelle eindrückte und sagte:

»Sucht sie mit den Kameras und überprüftDaquomart. Ich kümmere mich um Haita-schar. Keine weiteren Informationen mehrüber Interkom, verstanden?«

Eiskralle ahnte sofort, was Fartuloon an-deuten wollte. Mit hastigen Bewegungendrückte er auf die Wahltasten des Bordinter-koms und aktivierte eine Kamera nach deranderen, bis endlich Daquomarts Kabine aufdem Bildschirm erschien.

»Was ist denn los?« fragte Corpkor von

Geheimprojekt der Varganen 41

Page 42: Geheimprojekt der Varganen

den Ortern her, als Eiskralle mit einem er-stickten Schrei aufsprang, sich aber sofortwieder hinsetzte und trotz Fartuloons War-nung die gesamte Interkomanlage einschal-tete. Statt Corpkor zu antworten, rief er:

»Achtung, Fartuloon! Daquomart ist ent-flohen und muß irgendwo im Schiff sein!Ischtar liegt auf dem Boden seiner Kabine,wahrscheinlich bewußtlos. Ich kümmeremich um sie.«

Er wartete nicht ab, um Fartuloons Bestä-tigung zu hören, sondern sprang auf, bewaff-nete sich mit einem Handstrahler und rannteaus der Kommandozentrale.

Corpkor blieb an seinem Platz, aber aucher bewaffnete sich und legte den Strahler vorsich auf den Instrumententisch.

Daquomart würde versuchen, das Schiffzu kapern, daran konnte kein Zweifel beste-hen.

Diesmal, so schwor sich Corpkor, würdeer kurzen Prozeß mit ihm machen. Die Quir-rels würden ihn schon finden …

*

Daquomarts Unruhe wuchs von Minutezu Minute. Haitaschar mußte daran gehin-dert werden, ihr Geheimnis zu verraten, ko-ste es, was es wolle. Der Umsetzer durfteniemals aktiviert werden. Das würde dieVarganen und den Henker nur auf seineSpur bringen. Ischtar mußte verrückt sein,ein solches Risiko einzugehen.

Er untersuchte die Kabinentür, stellte aberdann fest, daß er sie ohne Werkzeug niemalsöffnen konnte. Blieb also nur die Möglich-keit, einen Fluchtversuch dann zu wagen,wenn ihm das Essen gebracht wurde. Er hät-te das schon früher tun sollen, vielleicht wares jetzt bereits zu spät.

Über die Interkom-Kamera in der Wandkonnte man ihn jederzeit beobachten, aberjetzt leuchtete das rote Kontrollicht nicht. Esblieb auch dunkel, als er draußen auf demGang Schritte hörte, die sich schnell näher-ten.

Er blieb auf dem Bett sitzen, als sich die

Tür öffnete.Es war Ischtar.Sie blieb in der Tür stehen und sagte:»Ich weiß, daß dir meine Absicht nicht

gefällt, und ich nehme an, du weißt mehrüber den Umsetzer, als du bisher zugibst.Beantworte meine Fragen, und ich sorge da-für, daß man dich nicht auf Kryrot absetzt.Der Planet ist die Hölle.«

Er stand auf und tat, als überlege er. InIschtars Gürtel war der Handstrahler.

»Hat Haitaschar noch nicht gesprochen?Sie weiß mehr als ich.«

»Sie schläft noch und …« Weiter kamIschtar nicht. Daquomart hatte sich mit ei-nem Satz auf sie geworfen und zu Boden ge-schleudert. Sie fiel so unglücklich, daß siemit dem Hinterkopf gegen die Wand schlugund sofort die Besinnung verlor. Daquomartnahm ihr den Handstrahler ab, untersuchteihn und richtete ihn dann auf die wehrloseVarganin.

In diesem Augenblick kam EiskrallesStimme aus dem Lautsprecher des Inter-koms:

»Ischtar, wo steckst du? Melde dich!Dringend!«

Daquomart hörte Fartuloons Antwortnicht mehr. Er ließ Ischtar liegen und ranntehinaus auf den Korridor. Er mußte sich beei-len, ehe seine Flucht entdeckt wurde. Wenndiese Quirrels erst einmal auf seiner Spurwaren …

Er hatte keine Ahnung, wo er die schla-fende Haitaschar finden sollte, aber wenn ersich nicht irrte, mußte sie noch an die Appa-raturen der Überlebensanlage angeschlossensein. Und die wiederum war zu groß, um ineiner Kabine Platz zu finden.

Er schlug den Weg zu den Hangars undLagerräumen ein.

Dann dröhnte der Lautsprecher wiederauf. Eiskralle war unterwegs zu seiner Zelle.Dort würde er Ischtar finden und sich denRest zusammenreimen können.

*

42 Clark Darlton

Page 43: Geheimprojekt der Varganen

Inzwischen erreichte Fartuloon den La-gerraum und atmete erleichtert auf, als er al-les unverändert vorfand. Haitaschar schliefnoch immer, doch die Zeiger der ange-schlossenen Instrumente verrieten keineüberflüssige Energiezufuhr mehr. Die Var-ganin war unabhängig von ihnen geworden.

Ischtar bereitete ihm Sorgen, aber Eiskral-le würde sich jetzt um sie kümmern. Wichtigwar nur, daß Daquomart rechtzeitig gefun-den wurde, ehe er Gelegenheit erhielt, seineaus der Verzweiflung geborenen Absichtenin die Tat umzusetzen.

Er zog sich in den Hintergrund des Raum-es zurück und setzte sich auf eine der vielenMetallkisten, die Vorräte und Werkzeugeenthielten. Von hier aus konnte er den Raumunter Beobachtung halten. Die beiden Ein-gangstüren lagen ihm genau gegenüber.

Den entsicherten Strahler hielt er schuß-bereit in der Hand.

*

Eiskralle richtete sich erleichtert auf, alser Ischtar untersucht hatte. Sie kam schonwieder allmählich zu sich und berichtete,was geschehen war. Dann riß sie plötzlichdie Augen im jähen Schreck auf.

»Haitaschar! Er will sie umbringen!«»Fartuloon ist bei ihr«, berichtete Eiskral-

le sie. »Daquomart wird den Versuch nichtüberleben. Kannst du aufstehen?«

»Ich muß zu ihr!« stöhnte sie und stütztesich auf seinen Arm. »Oh, mein Kopf!«

»Du kannst von Glück reden, daß er dichnicht, tötete.«

Ein Stück weiter war eine Interkomanla-ge. Eiskralle schaltete auf Direktverbindungzur Kommandozentrale, damit niemandsonst im Schiff mithören konnte. CorpkorsSuche nach Daquomart war bisher ohne Er-folg geblieben. Fartuloon lag im Lagerraumauf der Lauer.

»Wir sollten Daquomart einen Hinweisgeben«, schlug Eiskralle vor. »Damit erspa-ren wir ihm das Suchen – und Fartuloon einelange Wartezeit.«

Ischtar wollte protestieren, aber dannnickte sie. »Machen wir«, stimmte Corpkorzu.

*

Fartuloon erschrak, als er Corpkor sagenhörte:

»Hallo, Fartuloon! Statt dich um die An-triebsräume zu kümmern, solltest du liebermal nach Haitaschar in Lagerraum 7-B se-hen. Vielleicht ist sie schon erwacht. UmDaquomart kümmern sich meine Quirrels.«

An der Wand des Lagerraums stand großund deutlich die Bezeichnung 7-B. Daquo-mart wußte jetzt, wo er Haitaschar findenwürde.

Fartuloon begriff, was Corpkorbezwecken wollte. Er lächelte grimmig undwartete, bis er Schritte hörte, die sich schnellnäherten. Dann wurde die nur angelehnteTür aufgestoßen, Daquomart kam in den La-gerraum, sah kurz zu Haitaschar hinüber undblickten sich dann hastig nach allen Seitenum, konnte aber niemanden entdecken. DenStrahler feuerbereit, ging er langsam auf dieschlafende Varganin zu, einen Ausdruck fe-ster Entschlossenheit im Gesicht. An seinerAbsicht konnte kein Zweifel bestehen.

Fartuloon wartete, bis Daquomart in gün-stigster Schußposition war und die Waffe inAnschlag brachte. Versuchter Mord war ge-nauso verwerflich wie ein geglückter Mord.In dieser Situation wäre auch eine Warnungnicht nur überflüssig, sondern lebensgefähr-lich gewesen.

Noch nie in seinem Leben hatte Fartuloonso sorgfältig Ziel genommen wie jetzt. DerLauf der Waffe schwankte um keinen Milli-meter, als er abdrückte.

Das stark konzentrierte Energiebündelhüllte Daquomart völlig ein und tötete ihn,ehe er begriff, was geschah. Er starb mit derWaffe in der Hand, die noch immer auf Hai-taschar gerichtet war. Doch schon in dernächsten Sekunde hatte sich diese Waffe ineinen Klumpen geschmolzenen Metalls ver-wandelt, während von Daquomart nichts als

Geheimprojekt der Varganen 43

Page 44: Geheimprojekt der Varganen

eine langsam erlöschende Molekularwolkeübriggeblieben war.

Fartuloon kam aus seinem Versteck.»Du hast Talent für dramatische Auftrit-

te«, hörte er Corpkors Stimme aus demLautsprecher neben der Tür. »Ein Glück,daß du meinen Hinweis für Daquomart nichtfalsch verstanden hast.«

Haitaschar hatte die Augen geöffnet. Sieblieb liegen, aber sie beobachtete Fartuloon,der sich vorsichtig näherte. Sie konnte nichtbeobachtet haben, was inzwischen gesche-hen war, und sie brauchte auch nicht zu wis-sen, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte.

Ehe Fartuloon sie ansprechen konnte, er-schienen Ischtar und Eiskralle. Die Varganinsetzte sich sofort auf die noch immer nebender Anlage stehende Kiste. Mit einer Handbedeckte sie die Beule am Hinterkopf.

»Es geht dir gut, Haitaschar, wie ich sehe.Verzeih, wenn ich dir gleich einige Fragenstellen muß, aber die Zeit drängt. Du bist dieWächterin der Absoluten Bewegung undweißt, wie der Umsetzer in Betrieb genom-men wird. Wirst du uns dabei helfen?«

Haitaschar sah sie verständnislos an.»Umsetzer …?« stammelte sie. »Absolute

Bewegung? Was ist das?«Wenn Ischtar enttäuscht war, dann zeigte

sie es nicht.»Es wird dir schon wieder einfallen. Du

bist noch zu verwirrt, vielleicht bist du auchzu schnell geweckt worden. Aber versuchedich bitte zu erinnern, es ist ungeheuer wich-tig – vielleicht auch für dich. Draußen krei-sen vier Schiffe um Kryrot. Sind sie derUmsetzer für die Absolute Bewegung?«

Haitaschar sagte tonlos:»Kryrot …?«Fartuloon nahm Ischtars Arm.»Laß ihr Zeit, Ischtar. So schnell kann die

Erinnerung nicht zurückkehren. Vielleichtsollten wir uns inzwischen die vier Schiffeansehen. Kann sein, daß wir dann mehr wis-sen.«

Ischtar war einverstanden. Sie lösten alleVerbindungsleitungen der Apparatur undschafften Haitaschar in die freie Kabine. Sie

ließ apathisch alles mit sich geschehen, ohneFragen zu stellen.

Corpkor hatte inzwischen Kurs und Ge-schwindigkeit so geändert, daß sich dasSchiff der Umlaufbahn der vier Stationennäherte und schließlich in sie einschwenkte.Fartuloon und Ischtar legten ihre Raumanzü-ge wieder an. Wenn es sich bei den vierSchiffen nicht um Sonderkonstruktionenhandelte, würde das Eindringen keine Pro-bleme mit sich bringen.

»Wir sind stabil«, sagte Corpkor.»Entfernung zum ersten Objekt beträgt fünf-hundert Meter. Energieabstrahlung gleich-bleibend.«

Bevor sie in der Luftschleuse ihre Helmeschlossen und die Funksprechgeräte ein-schalteten, sagte Fartuloon:

»Es könnte Abwehrsicherungen geben,die erst dann einsetzen, wenn wir gewaltsameinzudringen versuchen – hast du daran ge-dacht?«

»Natürlich habe ich daran gedacht. Leiderkonnte Haitaschar uns keine Informationengeben, aber wir können auch nicht warten,bis ihr alles wieder einfällt. Doch du kannstberuhigt sein: ich verstehe ziemlich viel vonvarganischer Technik. Wir schaffen esschon.«

»Hoffentlich«, entgegnete Fartuloon skep-tisch.

Die Luft wurde abgesaugt, und dann öff-nete sich die äußere Luke. In fünfhundertMeter Entfernung schwebte das Doppelpyra-midenschiff. Es war Fartuloon, als ginge ei-ne Drohung von ihm aus.

Zweimal umkreisten sie es, ehe sie sanftauf der Hülle landeten. Ischtar stellte fest:

»Gleiche Konstruktion wie mein Schiff.Hier ist die Hauptluke. Keine Sicherung vor-handen. Werden wir gleich haben …«

Fartuloon sah zu, wie sie neben der Lukeeinen kleinen Schaltkasten öffnete und aufmehrere darin versenkte Knöpfe drückte.

Die Luke schwang nach außen auf. Da-hinter wurde ein dunkler Raum sichtbar, indem erst dann Licht aufflammte, als Ischtarhineinschwebte. Fartuloon folgte ihr vor-

44 Clark Darlton

Page 45: Geheimprojekt der Varganen

sichtig und landete bei einsetzender Schwer-kraft dicht neben ihr. Die Luke schloß sich.Luft strömte in die Schleusenkammer.

»Als wären wir erwartet worden«, mur-melte Ischtar, ohne den Helm zu öffnen.»Gehen wir.«

Fartuloon folgte ihr mit gemischten Ge-fühlen auf den Korridor, der mit dem im ei-genen Schiff identisch zu sein schien. Auchhier war es hell. Unter den Füßen war eingleichmäßiges Vibrieren wie von laufendenMaschinen oder Generatoren.

Die Kommandozentrale war umgebautworden und bestand praktisch nur aus riesi-gen Schalttafeln und Hunderten von Instru-menten an den Wänden. Dafür fehlten dieüblichen Bildschirme, so daß es keine Sichtnach außen gab. Die Schiffe waren nicht fürden normalen Raumflug bestimmt, sondernstellten zweifellos Stationen dar.

»Sehen wir uns den Rest auch noch an«,schlug Ischtar mit gepreßter Stimme vor.»Wir müssen Gewißheit haben.«

Zu beiden Seiten des Hauptkorridors wa-ren die Kabinen entfernt oder erst gar nichteingebaut worden, um Platz für gewaltigeMaschinenanlagen zu schaffen. Vergeblichversuchte Fartuloon, ihre Funktion zu be-stimmen, denn derartig konstruierte techni-sche Anlagen hatte er noch nie gesehen.Dennoch glaubte er gewisse Formen zu er-kennen oder zumindest ihren Zweck erratenzu können.

Da waren metallene Halbkugeln, die anprimitive Orterantennen erinnerten, aber mitSicherheit keine sein konnten. Auch ihreAnordnung war auffällig. Mit den Maschi-nenblöcken und Generatoren verbanden siedicke Kabelleitungen aus silberschimmern-dem Kunststoff.

»Das müssen die Projektoren sein«, sagteIschtar.

»Projektoren?«»Sie erzeugen die Absolute Bewegung

und ermöglichen den Übergang in den Mi-krokosmos. Zugleich bewirken sie eine Orts-versetzung in das Universum der Varganen,denn es befindet sich ja logischerweise nicht

gerade hier im System Kryrot. Wir müssenherausfinden, von welchem der vier Schiffeaus die Gesamtanlage aktiviert wird.«

»Hat Haitaschars Erwachen diesen Prozeßnicht bereits eingeleitet?«

»Nicht vollständig. Ich glaube, es wurdenur eine … nun, sagen wir mal Bereitschaftausgelöst. Die eigentliche Aktivierung mußvon einer Hauptschaltung ausgehen. Sie istes, die wir suchen.«

Fartuloon betrachtete die Projektorenmißtrauisch.

»Gehen wir nicht ein ziemliches Risikoein, Ischtar? Schließlich experimentieren wirmit unbekannten Kräften. Ich wage nicht,mir eventuelle Folgen vorzustellen, wennwir einen Fehler machen.«

»Wir dürfen eben keinen Fehler machen!«erwiderte Ischtar.

Fartuloon gab es auf. Er kannte die un-glaubliche Willenskraft der Varganin unddie Energie, die in ihr steckte, wenn sie einZiel verfolgte. Nichts würde sie davon ab-bringen können, den gefährlichen Versuchzu unternehmen, in den Mikrokosmos einzu-dringen, wenn dadurch die vage Möglichkeitgegeben wurde, Atlan zu finden.

Sie liebte Atlan, auch das wußte Fartu-loon, und so verstand er ihre Motive, wenn-gleich er mit ihren Methoden nicht immerganz einverstanden sein konnte. Seiner An-sicht nach ging Ischtar zu viele Risiken ein.

Sie durchsuchten noch den Rest desSchiffes, fanden aber außer weiteren Anla-gen und automatisch arbeitenden Schaltele-menten keine sicheren Anhaltspunkte, mitdenen sie etwas hätten anfangen können.

Als sie in der Luftschleuse standen undwarteten, daß sich die Außenluke öffnete,sagte Fartuloon:

»Sehen wir uns die anderen Schiffe jetztsofort an, oder versuchen wir vorher nocheinmal, etwas von Haitaschar zu erfahren?«

Sie zögerte. Eiskralle, der inzwischen dieWache in der Zentrale übernommen hatteund auf Funkempfang geblieben war, nahmihr die Entscheidung ab.

»Ich habe versucht, mit Haitaschar zu

Geheimprojekt der Varganen 45

Page 46: Geheimprojekt der Varganen

sprechen. Sie hat keine Erinnerung, sie weißnichts. Sie hat mir nicht einmal sagen kön-nen, warum sie im Tiefschlaf lag und wer esveranlaßte. Wir müssen ihr Zeit lassen …«

»Zeit ist das, was wir nicht haben!« unter-brach ihn Ischtar ungeduldig. »Dann versu-chen wir es eben ohne sie.«

Sie nickte Fartuloon zu, denn die Lukeöffnete sich.

Wortlos schwebten sie zum eigenenSchiff zurück, das Fahrt aufnahm, sobald siein der Luftschleuse angelangt waren. DerFlug über die Entfernung von hundert Kilo-meter dauerte nur wenige Minuten. Sie nä-herten sich anschließend dem zweiten zu un-tersuchenden Schiff und drangen genausoleicht in es ein wie in das erste.

Fartuloon konzentrierte sich in der Haupt-sache darauf, einen Unterschied zu dem zuentdecken, was sie in diesem ersten Schiffgefunden hatten, aber es gelang ihm nicht.Die technischen Anlagen und ihre Anord-nung waren identisch, daran konnte keinZweifel bestehen. Beide befanden sich imStadium der Betriebsbereitschaft und muß-ten nur noch endgültig aktiviert werden, ummit ihrer unheimlichen Arbeit beginnen zukönnen.

Ischtar betrachtete sehr lange die Projek-toren und prägte sich die Projektionsrich-tung ein. Schließlich machte sie sich nocheinige Notizen, ehe sie sagte:

»Nun das dritte Schiff, mein Freund, dannhaben wir schon fast Gewißheit. Ich glaube,ich habe etwas Wichtiges entdeckt.«

»Und das wäre?«»Später, erst muß ich Gewißheit haben.

Kehren wir zu den anderen zurück und flie-gen das dritte Schiff an.

Wenn sich meine Vermutung dort bestäti-gen sollte, werden wir das letzte nicht unter-suchen müssen.«

Er folgte ihr, reichlich unzufrieden undvoller Skepsis. Ischtars plötzlicher Optimis-mus stimmte ihn alles andere als zuversicht-lich. Er war davon überzeugt, daß bei ihr derWunsch der Vater des Gedankens war.

Das dritte Schiff wies einige Unterschiede

auf. Auch hier war die eigentliche Komman-dozentrale eingerichtet wie in den anderen,doch es gab einen großen Bildschirm, derden Blick nach draußen gestattete. Als Ischt-ar ihn trotz Fartuloons Bedenken einschalte-te, erlebten sie eine Überraschung, die je-doch gleichzeitig den Zusammenhang dervier unabhängig erscheinenden Anlagen be-stätigte.

Der Schirm wurde hell. Fünf Pyramiden-schiffe erschienen auf ihm, als stünde dieAufnahmekamera hoch über ihnen, minde-stens zweihundert Kilometer oder nochmehr. Vier der Schiffe bildeten ein Quadrat,das fünfte schien neben einem von ihnen zukleben, so gering war der Abstand.

»Die vier Stationen – und wir«, murmelteFartuloon verblüfft. »Sie sind durch positro-nisch gezeichnete Linien miteinander ver-bunden … was bedeutet das?«

Ischtar nahm ihre Notizen und studiertesie aufmerksam, dann nickte sie.

»Ja, das muß es sein! Meine Berechnun-gen beweisen es eindeutig. Wir brauchenuns das vierte Schiff nicht mehr anzusehen,dies hier ist der Kommandoteil. Von hier ausläßt sich der Umsetzer aktivieren.«

»Und wo ist der Umsetzer?«Ischtar deutete auf den Bildschirm.»Die positronischen Linien verbinden die

vier Schiffe, und sie schneiden sich exakt imMittelpunkt. Der Schnittpunkt der beidenDiagonalen – das ist der Umsetzer!« Sie gabihm ihre Notizen. »Du siehst, daß ich dieRichtung der Projektoren eingezeichnet ha-be, sie entsprechen der Richtung der Diago-nalen. Wenn sie eingeschaltet werden, tref-fen sich die Strahlungsfelder im Schnitt-punkt der Linien. Dort beginnt dann die Um-wandlung, die Absolute Bewegung von ei-nem Kosmos in den anderen.«

Fartuloon betrachtete die Unzahl derSchaltelemente auf der halbrunden Tafelrings um den Bildschirm. Es gab Hundertevon Knöpfen, die man eindrücken und min-destens ebenso viele Hebel, die man umle-gen konnte.

Welches waren die richtigen?

46 Clark Darlton

Page 47: Geheimprojekt der Varganen

Ischtar hatte seine Gedanken erraten. Siedeutete auf einen metallenen Kasten, der aufdem Tisch befestigt war. Er trug ein eingra-viertes Zeichen unbekannter Bedeutung.

»Dort, Fartuloon! Wer ihn öffnet, akti-viert den Umsetzer.«

»Das ist doch nur eine Vermutung! Werweiß, was du aktivierst, wenn du ihn zu öff-nen versuchst!«

Sie lächelte hinter ihrer Helmscheibe.»Wir werden es bald wissen, aber beruhi-

ge dich, wir versuchen erst noch einmal,Haitaschar auszufragen. Vielleicht hat siesich inzwischen erholt. Es ist doch unmög-lich, daß sie jede Erinnerung verloren hat.«

Schweigend machten sie sich auf denRückweg.

7.

Ischtar war zu Haitaschar gegangen. Diedrei Männer saßen in der Kommandozentra-le zusammen und hatten den Interkomblockiert, um ungestört reden zu können.

»Ich habe keine große Lust, in den Be-wohner eines Elektrons verwandelt zu wer-den«, sagte Eiskralle mißmutig. »Wenn ichmir das nur vorstelle, verändert sich schonjetzt meine Molekularstruktur.«

»Nicht nur deine«, stimmte Corpkor ihmzu. »Auf der anderen Seite denke ich an At-lan. Wer weiß, was inzwischen mit ihm pas-siert ist! Er ist im Mikrokosmos, daran kannkein Zweifel bestehen, aber müssen wir dasauch, um ihm zu helfen? Gibt es denn kei-nen anderen Weg?«

Fartuloon lag zurückgelehnt im Kontur-sessel. Er streifte Ischtars Notizen auf demTisch mit einem gleichgültigen Blick.

»Ich bin nicht weniger besorgt als ihr, wasAtlan anbetrifft. Wir haben diesmal eineChance, ihn zu finden, aber ich gebe zu, esist eine verdammt geringe Chance, und eineunsichere dazu. Ischtar ist viel zu eifersüch-tig. Sie könnte unüberlegt handeln. Es liegtan uns, die endgültige Entscheidung zu fäl-len. Unternehmen wir den Versuch – oderunternehmen wir ihn nicht?«

»Ohne Ischtar zu hören?« fragte Corpkorerschrocken. »Wir befinden uns immerhinauf ihrem Schiff. Sie ist die Kommandan-tin.«

»Aber nicht unser Diktator!« warf Eis-kralle ein.

Fartuloon versuchte ruhig zu bleiben.»Es geht um Atlan, um nicht mehr und

nicht weniger. Aber ich gebe zu, daß ichdem Experiment skeptisch gegenüberstehe.Mir ist nicht wohl in meiner Haut. Aber dieFrage lautet: Riskieren wir es trotzdem odernicht? Habt ihr Kompromißvorschläge, ir-gendwelche Alternativen anzubieten?«

Eiskralle schüttelte entschieden den Kopf,während Corpkor nach einigem Überlegenmeinte:

»Diese Haitaschar muß etwas wissen, abersie hat ihre Erinnerung verloren. Vielleichtwäre es gut, wenn wir ein wenig nachhelfen.Wir haben Medikamente an Bord, die dasGedächtnis auffrischen. Außerdem kannIschtar ihr helfen, wenn sie ihr von der Ver-gangenheit erzählt.«

Fartuloon nickte ihm anerkennend zu.»Ein guter Gedanke, Corpkor. Und auf je-

den Fall ein Vorschlag, den sich Ischtar zu-mindest anhören muß. Wir stellen ihr eineFrist. Wenn diese verstrichen ist, legen wirihr keine Hindernisse mehr in den Weg.«

»Ihr seid die reinsten Selbstmörder!« riefder Chretkor.

»Mag sein, Eiskralle«, gab Fartuloon zu.»Aber wir haben mehrere Beiboote an Bord.Du kannst eines davon nehmen und uns ver-lassen. Aus sicherer Entfernung könntest dudann beobachten, was mit uns geschieht.Vielleicht wäre das sogar eine gute Idee.«

Eiskralle sah ihn an, als habe er ein Ge-spenst vor sich.

»Ich soll kneifen? Du weißt, das würdeich nie tun, Fartuloon! Ich habe nur meineMeinung gesagt, das ist alles. Ich habeAngst! Warum soll ich das verschweigen?Wenn ihr alle dafür seid, daß wir Ischtar fol-gen, dann bin auch ich dabei. Aber die War-tezeit sollten wir ihr vorschlagen.«

»Dann wären wir uns einig«, stellte Fartu-

Geheimprojekt der Varganen 47

Page 48: Geheimprojekt der Varganen

loon fest.Er sah auf den Bildschirm. Die vier Schif-

fe schwebten in einigen hundert KilometernEntfernung. Nichts geschah dort, was zu re-gistrieren gewesen wäre. Nur eine leichteEnergieabstrahlung konnte gemessen wer-den.

Ischtar kam in die Kommandozentraleund setzte sich. Sie sah die fragenden Ge-sichter der Männer und lächelte flüchtig.

»Habt ihr ein Komplott gegen mich ge-schmiedet? Dann rückt heraus mit der Spra-che!«

Fartuloon sagte für sie alle:»Zuerst berichte uns, was du erreicht hast.

Hat Haitaschar geredet? Hast du etwas inErfahrung bringen können?«

»Nicht viel, das muß ich zugeben, aberimmerhin gab es einige Hinweise, die unsweiterhelfen können. Außerdem scheint siesich zu erholen, wenn sie scheinbar auch nursinnloses Zeug redet. Sie hat zweifelloseinen schweren Schock erlitten. Die Frageist nur, ob er bei der Einleitung des Tief-schlafs eintrat – oder erst beim Erwachen.«

»In einigen Tagen also«, sagte Corpkorlauernd, »wüßten wir vielleicht mehr?«

Sie nickte. »Natürlich – wenigstens neh-me ich es an. Aber soviel Zeit haben wirnicht zur Verfügung. Sie kann uns ihre Aus-künfte im Mikrokosmos geben, wenn wir siedann noch brauchen.«

Fartuloon wandte sich ihr zu.»Wir haben dir einen Vorschlag zu ma-

chen, Ischtar. Wir sind mit dem Einschaltender Projektoren einverstanden, aber erst indrei Tagen. Bis dahin kann Haitaschar unsmehr verraten haben, und wenn nicht, hastdu freie Hand. Aber wir wünschen, daß dudich diese drei Tage geduldest. Sie bedeutenkeinen großen Zeitverlust.«

»Aber …«»Am Schicksal Atlans ist uns genauso ge-

legen wie dir, Ischtar, vergiß das nicht. Duweißt, was für uns alle von seiner Rückkehrabhängt. Aber ihm nützt es nichts, wenn wiruns unüberlegt in ein Abenteuer stürzen, dasleicht unser Ende bedeuten kann. Darum bit-

ten wir dich, auf unseren Vorschlag einzuge-hen.«

»Dies ist mein Schiff!« sagte sie kalt.»Eben, deshalb bitten wir dich ja. Wir

würden sonst befehlen, weil wir in derMehrheit sind.«

Sie schwieg lange, sah von einem zum an-deren und las in ihren Mienen die feste Ent-schlossenheit, jetzt nicht mehr nachzugeben.

Schließlich nickte sie. »Gut, drei Tage,aber keine Stunde länger. Wir ruhen uns aus,ich kümmere mich um Haitaschar. Und dann… nun, dann werden wir ja sehen.«

»Ja, dann werden wir sehen«, bekräftigteFartuloon.

*

In diesen drei Tagen veränderte sich nichtviel.

Ischtar saß stundenlang an HaitascharsLager und versuchte, die Vergangenheit inihr wachzurufen. Immer und immer wiederberichtete sie ihr von den Geschehnissen,die sie selbst schon beinahe vergessen hatte,aber es erfolgte keine positive Reaktion.

Haitaschar blieb teilnahmslos, auch wennsie zuhörte. Selbst stärkende Medikamenteund Stimulanzmittel blieben ohne jede Wir-kung, wenn man von wenigen zusammen-hanglosen Informationen absah.

Aber sie nahm wieder Nahrung zu sichund schien auch keine Angst vor Fartuloonzu haben, der sich ebenfalls um sie bemühte.

Doch das alles half nicht weiter, und baldnäherte sich die vereinbarte Frist ihrem En-de. Ischtar erschien auf die Minute genau inder Kommandozentrale und sagte:

»Es ist überflüssig, daß mich jemand be-gleitet, ich gehe allein. Du hast die Unterla-gen, Fartuloon. Sobald ich dir über Interkommitteile, daß ich zurück bin und die Lukegeschlossen habe, mußt du Fahrt aufneh-men. Die Daten sind dir bekannt. Wir kön-nen in wenigen Minuten den Schnittpunkterreicht haben.«

»Und wenn der Umsetzer vorher zu arbei-ten beginnt?«

48 Clark Darlton

Page 49: Geheimprojekt der Varganen

»Diese Sicherheitsfrist ist einprogram-miert, nehme ich an. Er wird erst dann zu ar-beiten beginnen, wenn wir den Schnittpunktberühren. Die Felder müssen Materie tref-fen, um wirksam zu werden.«

»Alles nur Vermutungen«, knurrte Eis-kralle im Hintergrund.

Ischtar beachtete ihn nicht. »In zehn Mi-nuten verlasse ich das Schiff und bin inzwanzig Minuten wieder zurück. Bereitet al-les für den Start vor.«

»Viel Glück!« rief Fartuloon hinter ihrher, aber sie hörte ihn schon nicht mehr. Erseufzte und schaltete die Normalfunkanlageein, damit Ischtar ihn jederzeit erreichenkonnte. Dann programmierte er den kurzenFlug zum Umsetzer-Schnittpunkt und lehntesich in seinem Sessel zurück. »So, nun kön-nen wir nichts anderes tun als abwarten.«

»Hoffentlich gehorchen mir im Mikrokos-mos wenigstens die Bakterien«, murmelteCorpkor.

*

»Ich bin bei der Hauptkontrolle«, gabIschtar über Funk bekannt. »Jetzt öffne ichden Deckel des Schaltkastens. Die Lampenglühen auf. Aktivierungsprozeß beginnt. EinZeitnehmer läuft. Ich komme zurück!«

»Aber schnell!« riet Fartuloon ihr noch,ehe er sich auf seine Aufgabe konzentrierte,das Schiff über die geringe Entfernung vonziemlich genau siebzig Kilometer zumSchnittpunkt des Umsetzers zu bringen.

Die Kontrollampe der Luftschleuse leuch-tete auf. Die Außenluke war geschlossen.

Fartuloon zögerte nun keine Sekundemehr, obwohl die Gesichter von Corpkorund Eiskralle noch meiner Bedenken verrie-ten.

Das Schiff nahm langsam Fahrt auf undglitt auf den imaginären Punkt zu, an demsich die vier nun aktivierten Energiefelderschnitten. Als es die Hälfte der Strecke zu-rückgelegt hatte, kam Ischtar in die Zentrale.Sie mußte sich während des Herbeieilens ih-res Raumanzuges entledigt haben, denn sie

trug nur noch ihre Kombination.Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich

neben Fartuloon und sah mit ihm und denanderen auf den Bildschirm.

Die vier Schiffe waren deutlich zu erken-nen – das eine genau vor dem Bug, nochhundert Kilometer entfernt, zwei weitererechts und links, und das vierte auf derHeckprojektion.

»Noch dreißig Kilometer«, sagte Fartu-loon und schloß geblendet die Augen.

Fast blind schaltete er die Energiezufuhrab, denn das Schiff hatte die Zielregion er-reicht. Dann versuchte er vorsichtig, die Au-gen wieder zu öffnen.

Neben ihm stöhnte Ischtar: »Die vierSchiffe …!«

Corpkor, der bei den Ortern gewesen war,hatte nicht so sehr in den flammenden Blitzgesehen wie die anderen.

»Sie sind detoniert, Fartuloon! Alle vierin der selben Sekunde! Ein Glück, daß wirweit genug von ihnen entfernt waren.«

Langsam öffnete Fartuloon wieder dieAugen. Auf dem Bildschirm sah er vier ato-mare Leuchtwolken, die sich allmählich aus-dehnten und dabei dunkler wurden.

Hastig schaltete er die Energiezufuhr wie-der ein, und ehe Ischtar ihn daran zu hindernvermochte, legte er den Hebel für den Not-start auf volle Kraft.

»Fartuloon!« rief die Varganin und wollteihn daran hindern, aber sie kam zu spät. DieLampen unter den Instrumenten zeigten be-reits an, daß der Antrieb aktiviert wordenwar.

»Warum hast du das getan?« Sieschluchzte vor Wut und Enttäuschung. »Nunhast du alles verdorben …!«

Aber dann schwieg sie und sagte nichtsmehr. Das Schiff machte keine Fahrt. AlleAggregate und Reaktoren waren wie tot, ob-wohl die Instrumente volle Arbeitsleistun-gen anzeigten.

Das Schiff trieb unaufhaltsam in das Zen-trum des inzwischen verschwundenen Qua-drats hinein, und dann schien es von unsicht-baren Mächten gepackt und angehalten zu

Geheimprojekt der Varganen 49

Page 50: Geheimprojekt der Varganen

werden.Alle Kontrollampen erloschen.Die Anzeigeinstrumente blieben ohne

Funktion.Fartuloon biß sich auf die Lippen und ließ

Ischtar gewähren, die verzweifelt die Kon-trollen betätigte und nach einem Fehlersuchte, aber dann gab sie es schließlichebenfalls auf.

»Du hast, was du wolltest«, sagte Fartu-loon ruhig. »Der Antrieb läßt uns im Stich.Wir sitzen fest – und das, nachdem die vierSchiffe vernichtet wurden. Was also habeich verdorben?«

Sie sah ihn ohne Groll an. »Nichts, Fartu-loon, gar nichts! Die Projektoren haben sichselbst zerstört, aber bevor sie das taten,konnten sie ihren Auftrag noch ausführen.Wir befinden uns innerhalb dessen, was alsAbsolute Bewegung bezeichnet wird. Es istgenau wie damals …«

»Damals?«Sie nickte. »Ich habe es bereits erlebt,

vergiß das nicht. Das Experiment ist ge-glückt. Bald werden wir in meiner Urheimatsein, dort, wo auch Atlan sich aufhält. Wirwerden ihn finden!«

Eiskralle umklammerte die Armlehnenseines Sessels.

»Ich weiß nicht – mir wird übel. Ich glau-be, ich bin auch schon ein Stückchen ge-schrumpft …«

Ischtar teilte ihm nüchtern mit:»Selbst wenn, so könntest du es nicht be-

merken, denn wir werden alle kleiner, auchdas Schiff und alles, was in ihm ist. Nur dasAll draußen bleibt und verändert sich nicht –nur subjektiv. Für uns wird es immer größerwerden, sich bis ins Unermeßliche ausdeh-nen, und es wird aus uns so winzige Mate-rieteilchen machen, daß wir selbst mit dembesten Positronenmikroskop nicht mehr zuerkennen sind.«

»Deine Art, jemanden zu trösten, ist um-werfend«, stellte Fartuloon fest. »Aber im.Ernst: Ich spüre auch eine leichte Übelkeit.Gehört das dazu?«

»Sie ist nicht zu vermeiden, soweit ich

mich erinnere. Es kann sogar sein, daß wirfür eine gewisse Zeit das Bewußtsein verlie-ren.«

»Was ist mit Haitaschar?« fragte Corpkorbesorgt.

»Sie wird nichts bemerken, denn sieschläft jetzt«, beruhigte Ischtar ihn. Der In-terkom funktionierte noch einwandfrei undbestätigte ihre Behauptung. »Was zeigen dieInstrumente an, Fartuloon?«

»Ihnen nach zu urteilen, befinden wir unsin einer energetischen Strömung, die nichtzu identifizieren ist. Sie ist stärker als unserAntrieb. Auf dem Bildschirm … ja, was istdamit?«

Die Sterne auf dem Schirm schienen grö-ßer zu werden, gleichzeitig jedoch rücktensie in immer größere Entfernungen und ver-blaßten allmählich. Das mochte ein uner-klärliches Phänomen sein, aber eine optischeTäuschung war auch nicht auszuschließen.

Fartuloon begann sich Vorwürfe zu ma-chen, Ischtar nicht energischer entgegenge-treten zu sein und das Experiment verhindertzu haben. Aber nun war es zu spät.

Der Strom der Absoluten Bewegung rißsie alle mit sich fort, hinein in die unbegreif-liche Welt des Mikrokosmos, in ein anderesUniversum, wo eigene Naturgesetze galten.

Und dann begannen sie alle transparent zuwerden.

Es war, als lösten sich ihre Körper lang-sam und ohne physischen Schmerz auf, abersie wurden alle von einem Schwindelgefühlbefallen, das jede normale Denkfähigkeit be-hinderte und schließlich völlig ausschaltete.

Mit letzter Kraft raffte Fartuloon sichnoch einmal auf, aber er konnte nur nochfeststellen, daß Ischtar neben ihm das Be-wußtsein verloren hatte. In sich zusammen-gesunken, lag sie in ihrem Sessel, die Augengeschlossen und ein Lächeln des Triumphsum ihre Lippen.

Auch Eiskralle und Corpkor waren ohn-mächtig geworden, letzterer mit seinemschlafenden Quirrel auf dem Schoß.

Dann wurde es auch vor Fartuloons Au-gen schwarz.

50 Clark Darlton

Page 51: Geheimprojekt der Varganen

Sein letzter Eindruck war, in ein dunkles,bodenloses Universum zu stürzen, das wederAnfang noch Ende besaß und sich vom Be-ginn der Zeit bis zu ihrem fernen Ende er-streckte – und damit bis zum Ende derEwigkeit …

ENDE

E N D E

Geheimprojekt der Varganen 51