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Geheimprojekt der Varganen

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 209

Geheimprojekt derVarganen

Von der Wasserwelt zum Wüstenplaneten - und zur Schläferin

im All

von Clark Darlton

In einer Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v. Chr. entspricht, steht es mit dem Großen Imperium der Arkoniden nicht zum Besten, denn es muß sich sowohl äuße­rer als auch innerer Feinde erwehren.

Die äußeren Feinde sind die Maahks, deren Raumflotten den Streitkräften des Im­periums durch überraschende Schläge schwere Verluste zufügen. Die inneren Fein­de Arkons sind Habgier und Korruption der Herrschenden, die – allen voran Impera­tor Orbanaschol III. – nur auf ihren eigenen Vorteil bedacht sind und das Gemein­wohl völlig außer acht lassen.

Gegen diese inneren Feinde des Imperiums ist der junge Atlan, der rechtmäßige Thronerbe und Kristallprinz von Arkon, der eine stetig wachsende Schar von ver­schworenen Helfern um sich sammeln konnte, bereits mehrmals erfolgreich vorge­gangen.

Gegenwärtig ist Atlan jedoch nicht in der Lage, den Untergrundkampf gegen den Usurpator und Brudermörder Orbanaschol persönlich weiterzuführen, denn durch die Einwirkung einer Geheimwaffe der Maahks gelangte er erneut in den Mikrokosmos.

Den Verschollenen wiederzufinden, ist Ischtars vordringliche Aufgabe. Zusammen mit Atlans Kameraden Fartuloon, Corpkor und Eiskralle macht sich die Goldene Göt­tin in ihrem Doppelpyramidenschiff auf den Weg.

Ihr Flug von einer zur nächsten ehemaligen varganischen Siedlungswelt führt sie schließlich zum GEHEIMPROJEKT DER VARGANEN …

3 Geheimprojekt der Varganen

Die Hautpersonen des Romans:Ischtar - Die Goldene Göttin auf der Suche nach dem Geheimprojekt der Varganen.Fartuloon, Corpkor und Eiskralle - Ischtars Begleiter.Daquomart - Ein Rebell treibt falsches Spiel.Haitaschar - Eine Schlafende wird geweckt.

1.

Fartuloon rückte sein Lederwams zurecht und warf sich in den erstbesten Konturses­sel, der noch nicht besetzt war. Sein Gesicht verriet Unmut.

»Da haben wir gerade das Theater mit diesem verrückten Küllsannimont hinter uns, und man glaubt, sich endlich einmal richtig ausschlafen zu können – da weckst du mich, Ischtar. Was soll das?«

Die Varganin lächelte etwas verzerrt. »Nur noch eine Flugetappe, dann errei­

chen wir den Planeten Noghmura, eine Was­serwelt, soweit ich mich erinnern kann. Wenn Küllsannimonts Unterlagen richtig sind, finden wir dort den varganischen Re­bellen Daquomart. Er muß uns weiterhel­fen.«

»Immer noch kein Grund, mich aufzu­wecken«, knurrte Fartuloon und warf seinen beiden Freunden Corpkor und Eiskralle be­zeichnende Blicke zu. »Die eine Etappe hät­test du mich noch schlafen lassen können.«

Ischtar lächelte nicht, als sie erwiderte: »Es geht mir um Atlan, deinen besten

Freund, Fartuloon, das solltest du niemals vergessen. Wir müssen ihn finden, und wir wissen, daß er in den Mikrokosmos ver­schlagen wurde. Die Maahks kennen das Geheimnis der Verkleinerung bis zur Größe eines Atoms, aber sie haben jede Unterstüt­zung abgelehnt. Also müssen wir einen an­deren Weg finden. Vielleicht haben die Re­bellen einen.«

Fartuloon wußte zwar, daß Ischtar seinen Freund Atlan liebte, und vielleicht war es ei­ne gewisse Art von Eifersucht, tief in seinem Unterbewußtsein, die ihn immer wieder da­zu veranlaßte, ihr zu widersprechen. Ohne Ischtar wäre Atlan wahrscheinlich auch gar

nicht in seine mehr als verzwickte Lage ge­raten.

Ehe Fartuloon eine weitere Frage stellen konnte, fuhr Ischtar fort: »Auf dem Wasser­planeten lebt Daquomart. Wir müssen damit rechnen, daß auch er uns mit dem vargani­schen Henker in Verbindung bringt, der den Auftrag erhielt, alle in den Makrokosmos geflohenen Rebellen zu töten. Wir müssen einen Weg finden, ihm rechtzeitig klarzuma­chen, daß wir nicht zu Magantilliken gehö­ren, sondern daß wir im Gegenteil dessen er­bitterte Gegner sind.«

»Und deshalb weckst du mich?« meinte Fartuloon erneut. »Das haben wir doch alle schon gewußt und darüber gesprochen.« Er sah Eiskralle, den fast transparenten Chret­kor mit der todbringenden Hand, fragend an. »Ist es nicht so, mein Freund?«

Eiskralle zuckte die Schultern, und man hätte fast meinen können, die hastige Bewe­gung würde ihn zerbrechen lassen.

»Keine Ahnung, Bauchaufschneider, ich habe geschlafen.«

Fartuloon gab es auf, da auch Corpkor keine für ihn günstige Reaktion zeigte. Er­wartungsvoll wandte er sich wieder der Var­ganin zu.

»Ich kenne den Planeten Noghmura nicht«, sagte sie. »Ich weiß nur, daß seine Oberfläche völlig von Wasser bedeckt ist, deshalb wurde er auch niemals besiedelt. Warum sich Daquomart ausgerechnet diese Welt als Versteck vor dem Henker aussuch­te, ist und bleibt mir ein Rätsel. Vielleicht hat er gelernt, im Wasser zu atmen.«

»Immerhin ist er ja unsterblich«, stellte Corpkor fest. »Aber wir erwischen ihn schon, und wenn ich Fische auf ihn ansetzen muß.«

Damit spielte er auf seine Fähigkeiten an, mit primitiven und intelligenzlosen Lebewe­

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sen Kontakt aufnehmen und sie nach seinem Willen beeinflussen zu können. Einige Tiere führte er immer bei sich, und sie gehorchten ihm, als habe er sie jahrelang dressiert. Selbst winzige Insekten konnte er nach sei­nem Willen lenken.

»Unser Hauptziel ist, Atlan zu finden«, erinnerte Ischtar, »und ich nehme doch an, darin sind wir uns alle einig. Es gilt, vom Makrokosmos in den Mikrokosmos zu ge­langen, denn dort nur kann er sich aufhalten. Mindestens einer der Rebellen kennt das Ge­heimnis der Absoluten Bewegung, aber ich weiß nicht, wer das sein könnte. Somit müs­sen wir alle fragen.«

Ischtar lächelte jetzt ganz offen. »Das Schiff geht gerade in den Linear­

raum, wir werden Noghmura in einer halben Stunde erreichen. Darum, Fartuloon …!«

»Aha«, machte der Dicke, und man sah seinem Gesicht an, daß er am liebsten noch hinzugefügt hätte: Und da hast du mich nicht früher geweckt …?

Aber er hielt vorsichtshalber den Mund.

*

Ischtars Schiff hatte die Form zweier an den Grundflächen zusammengesetzter Pyra­miden, von denen jede neunzig Meter hoch war. An der Nahtstelle hatte das Schiff einen Durchmesser von sechzig Metern.

Aus dem Linearraum kommend, hatte es eine Kreisbahn um den Wasserplaneten ein­geschlagen und trieb nun im freien Fall da­hin. Der Anblick Noghmuras löste bei den Betrachtern keinen großen Optimismus aus.

Die Oberfläche sah so aus, wie Ischtar vorausgesagt hatte. Sie war völlig mit Was­ser bedeckt, wenn auch an einigen Stellen schwimmende Inseln festzustellen waren. Etliche von ihnen besaßen die Ausmaße von Kontinenten, aber es konnte kein Zweifel daran bestehen, daß sie nicht bis zum Grund des gigantischen Meeres hinabreichten. Auf die Massetaster des Pyramidenschiffs war Verlaß.

»Pflanzen?« fragte Fartuloon zweifelnd.

Clark Darlton

»Könnten es Pflanzen sein?« »Wahrscheinlich«, vermutete Corpkor

und studierte die verschiedenen Bildschirme mit den unterschiedlichen Vergrößerungen. »Jedenfalls bewegen sich die Inseln mit der Dünung des Meeres. Sie schwimmen also, das steht fest.«

»Und wo soll sich dieser Daquomart da verborgen halten?« fragte Eiskralle. »Auf dem Meeresgrund?«

Ischtar überließ die Auswertung der Mas­setaster ihrer Automatik und kam zu den an­deren in die Kontrollzentrale. Sie hatte die Frage Eiskralles gehört.

»Vielleicht, ausgeschlossen ist es wohl nicht. Wo könnte er sicherer sein? Dieser Planet gehört zu den sagenhaften ›Versunkenen Welten‹, und auf allen befan­den sich einst Stationen der Varganen. Wir müssen sie finden, das ist alles.«

»Die Orter? Die Massetaster?« erinnerte sie Fartuloon.

Sie schüttelte den Kopf. »Die Stationen sind abgeschirmt, sie sind

nicht zu orten. Das ist ja gerade unser Pro­blem. Auf der anderen Seite dürfte Daquo­mart uns schon längst entdeckt haben. Ge­hen wir auf Funkempfang, vielleicht meldet er sich.«

»Wir sind in einem Schiff der Varganen«, warf Corpkor ein. »Er wird uns also zwangs­läufig für Magantilliken halten, falls er von dem Henker gehört hat.«

»Das hat er auf jeden Fall.« Ischtar starrte ein wenig ratlos auf den Panoramaschirm. »Um jeder Verwechslung vorzubeugen, soll­ten wir es sein, die zuerst Kontakt aufzuneh­men versuchen. Wir teilen ihm mit, daß wir ebenfalls Rebellen sind – oder noch besser: ich nehme allein Verbindung auf und ver­schweige, daß ich Begleiter habe. Das könn­te sein Mißtrauen verringern.«

»Vielleicht ist er sogar froh, Damenbe­such zu erhalten«, meinte Fartuloon und grinste. »Ich jedenfalls wäre nicht traurig darüber an seiner Stelle, wo er doch schon eine ganze Ewigkeit allein ist.«

»Es gibt Intelligenzen, die jene von dir

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angedeuteten Triebe unterdrücken können«, hielt Ischtar ihm vor. »Ich glaube, daß Daquomart ganz andere Sorgen hat.«

Sie ging in die Funkzentrale und ließ die Tür geöffnet.

Corpkor streichelte das kleine Tier, das auf seinem Schoß saß und entfernt an ein Eichhörnchen erinnerte. Sein dichtes Fell war hellblau und schimmerte wie Samt.

»Wenn Daquomart uns bisher nicht ent­deckte, dann wird das spätestens gleich ge­schehen«, prophezeite er, als nebenan Ischt­ar zu sprechen begann und den Rebellen aufforderte, sich zu melden. »Wir hätten erst noch ein bißchen suchen sollen.«

Ischtar wiederholte ihre Aufforderung: »Daquomart, hier spricht Ischtar, ein Re­

bell wie Sie und auf der Flucht vor Magan­tilliken, dem Henker. Teilen Sie mir mit, wo ich landen soll, ich möchte mit Ihnen reden. Es hat keinen Zweck, wenn Sie sich ver­stecken wollen, früher oder später würde ich Sie doch finden. Haben Sie Vertrauen, Daquomart. Ich komme allein.«

Dann ging sie auf Empfang, aber die Lautsprecher blieben stumm, und der Bild­schirm über den Funkgeräten blieb leer und dunkel.

Der Rebell gab keine Antwort. »Vielleicht ist er schon lange tot«, be­

fürchtete Fartuloon, als Ischtar das Gerät auf Empfang ließ und in die Kommandozentrale zurückkehrte. »Wäre doch möglich.«

»Sie können nicht alle tot sein!« wehrte sich die Varganin gegen diese Vermutung. »Warum sollte er auch so dumm sein wie die anderen beiden? Nein, Daquomart lebt, und wir werden ihn finden! Wir müssen ihn finden!«

»Warum landen wir nicht einfach auf ei­ner der schwimmenden Inseln?« fragte Eis­kralle. »Vielleicht tragen sie das Schiff.«

»Oder auch nicht! Aber das wäre nicht so schlimm, denn die Instrumente verraten, daß der Ozean nicht tief ist. Er ist seicht und warm, ein richtiges Urmeer. Wir können uns auf Grund legen und trotzdem noch aus dem Wasser ragen. Aber wozu? Damit erreichen

wir nichts.« »Na schön, warten wir eben«, murmelte

Fartuloon, der es längst aufgegeben hatte, Ischtar widersprechen zu wollen.

*

Tief unter dem Schiff ging das Leben auf Noghmura unverändert weiter.

In der sanften Dünung des Meeres schwankten die grünen Inseln hin und her. Erst aus der Nähe war zu erkennen, daß sie aus Tausenden von Pflanzentürmen bestan­den, die durch kräftige Lianen miteinander verbunden zu sein schienen. So betrachtet, bildeten sie eine Einheit, die auch größeren Stürmen zu trotzen vermochte.

Hinzu kam, daß ihre langen Wurzeln bis zum Grund des Meeres hinabreichten, in den sie sich hineinbohrten und sich so veranker­ten, daß der Wind sie nicht davontreiben konnte.

Zahlreiche Vögel umkreisten lärmend und kreischend die Pflanzentürme, sie tauchten in das Wasser und schossen an anderer Stel­le wieder in die Luft. Meist hielten sie dann einen zappelnden Fisch im Schnabel, den sie gierig verschlangen.

Aber sie flogen nie sehr weit. Sie wurden daran gehindert. Jeder einzelne Vogel war mit einem sei­

ner Füße an ein unwahrscheinlich dünnes, aber sicherlich zähes Lianenseil gefesselt, das stets in einem der schwimmenden Tür­me endete. Dieses Seil gestattete den Vögeln einen nur kleinen Flugradius. Er genügte zur Nahrungssuche und Kotausscheidung, von der wiederum die Pflanzentürme lebten. Da­für erlaubten sie den Vögeln, Fische zu fan­gen, die, von den bunten Farben der Wasser­pflanzen angelockt, eine leichte Beute wur­den.

Diese seltsame Symbiose war das einzig halbwegs intelligente Leben auf der Wasser­welt Noghmura – so wenigstens mußte es ei­nem fremden Besucher vorkommen.

Als Daquomart vor langer Zeit den Plane­ten entdeckte und feststellte, daß er unbe­

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wohnt und die Station zwar verlassen, aber noch intakt war, glaubte er, einen sicheren Zufluchtsort gefunden zu haben. Selbst wenn der Henker die Wasserwelt fand und auf ihr einen der Rebellen vermutete, so würde es ihm schwerfallen, ihn auch un­schädlich zu machen.

Die Funkeinrichtung der alten Station ar­beitete einwandfrei, aber Daquomart hütete sich, auch nur einen einzigen Impuls abzu­strahlen. Er begnügte sich damit, alle er­reichbaren Sendungen aufzufangen und zu kontrollieren. So hielt er den Kontakt mit der Außenwelt aufrecht, ohne sich selbst in Gefahr zu bringen.

Als seine Orter das Pyramidenschiff mel­deten und die Daten registrierten, war Daquomart davon überzeugt, daß Magantil­liken eingetroffen sei. Doch dann hörte er die Stimme einer Frau, die sich Ischtar nann­te, und das war ein Name, den er schon ge­hört hatte.

Er saß in der Funkzentrale vor dem noch dunklen Bildschirm und ließ die Stimme auf sich einwirken. Das Gesicht Ischtars konnte er nur dann sehen, wenn er Kontakt zu ihr aufnahm und die Kameras eingeschaltet wurden. Vielleicht war sie nicht nur klug, sondern auch schön …?

Aber das war nicht der Hauptgrund seiner Überlegungen. Es gab wichtigere Probleme als dieses. Sogar so wichtige, daß Daquo­mart beschloß, sich nicht mehr länger ver­borgen zu halten, wenn er auch damit rech­nen mußte, in eine Falle zu gehen.

Doch bevor er die Funksprüche beantwor­tete, überprüfte er die automatische Abwehr­anlage seiner stählernen Inseln, die über und über mit den Pflanzentürmen bedeckt war. So getarnt konnte sie mit optischen Mitteln niemals entdeckt werden.

Vorsichtshalber verkürzte er die fest im Meeresboden verankerten Standfüße der Station, die dadurch einige Meter tiefer sank. Nur noch einige Punkte ragten aus dem Wasser, von Pflanzen ausreichend ge­tarnt.

Beruhigt und davon überzeugt, sich genü-

Clark Darlton

gend abgesichert zu haben, kehrte der Rebell in seine Funkzentrale zurück. Nun war er vorbereitet, und selbst wenn diese Ischtar einen Verrat plante, bedeutete sie keine Ge­fahr mehr für ihn. Aber sie besaß ein Raum­schiff, und das war der entscheidende Fak­tor.

*

Sie zuckten alle zusammen, als das Ant­wortsignal ertönte.

Ischtar meldete sich sofort: »Hier spricht Ischtar. Sind Sie es, Daquomart?«

»Wer wohl sonst?« kam es nicht gerade freundlich zurück. »Gehen wir auf Bildfunk, ich möchte Ihr Gesicht sehen.«

»Das beruht auf Gegenseitigkeit«, erwi­derte Ischtar und nahm die Schaltung vor.

Sie blickte Sekunden später in das finstere und bärtige Gesicht des einsamen Rebellen, der sich entschlossen hatte, sein Leben in ei­ner Stahlfestung unter dem Wasser zu ver­bringen. Nur Gewalt konnte ihm den Tod bringen, niemals Krankheit oder Alters­schwäche.

»Ganz hübsch«, sagte er, nachdem er Ischtar eine Weile betrachtet hatte. »Und ei­ne Frau wie Sie streift allein durch das Uni­versum und besucht uns Rebellen?« Er lach­te dröhnend. »Sie sind mir willkommen, Gnädigste, und ich hoffe, wir werden gute Freunde. Aber ich warne Sie: Wenn Sie mich belogen haben, werden Sie es bereuen. Ich bin da nicht zimperlich. Ich gebe Ihnen die Koordinaten, Sie können auf der Station landen. Und bringen Sie keine Waffe mit, wenn Sie die Station betreten.«

»Die Koordinaten, bitte«, sagte Ischtar tonlos.

Sie bekam sie, dann wurde die Verbin­dung unterbrochen.

Ischtar kehrte zu den anderen zurück, die jedes Wort verstanden hatten, vorsichtshal­ber aber in der Kommandozentrale geblie­ben waren.

Sie setzte sich. »Ein unangenehmer Kerl, dieser Daquo­

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mart. Sieht alles andere als sympathisch aus. Wahrscheinlich nimmt er an, ich besuche die Rebellen, einen nach dem anderen, um ihnen die Zeit zu vertreiben. Da hat er sich aber gewaltig geirrt.«

»Und wenn er nicht weiß, was es mit der sogenannten Absoluten Bewegung auf sich hat, mit deren Hilfe man nach Belieben vom Makrokosmos in den Mikrokosmos über­wechseln kann?« fragte Fartuloon. »Er könnte Magantilliken alarmieren …«

»Und sich selbst dabei verraten?« Ischtar schüttelte den Kopf. »So dumm ist er be­stimmt nicht. Aber trotzdem werde ich das Gefühl nicht los, daß er etwas von mir will.«

»Na, was wohl schon?« meinte Eiskralle kichernd.

Ischtar warf dem Chretkor einen vernich­tenden Blick zu.

»Nein, das nicht! Etwas anderes, und ich werde schon herausfinden, was das ist. Viel­leicht auch nur eine Information, wer weiß? Wir werden sehen. Fartuloon, hier sind die Koordinaten. Suchen wir die Station.«

Der ehemalige Leibarzt des arkonidischen Imperators studierte die Daten und die allge­mein gültigen planetarischen Unterlagen. Er sagte:

»Der Terminator zieht gerade über den Schnittpunkt der Koordinaten hinweg, es wird dort Tag. Wir müssen nach Westen, et­wa ein Drittel Planetenumfang. Also nichts wie raus aus der Umlaufbahn!«

Ischtar übernahm wieder die Führung des Schiffes und ließ es langsam in die oberen Schichten der Atomsphäre einsinken. In ge­ringer Höhe folgten sie der Sonne, überhol­ten sie und flogen weiter, bis sie unter den östlichen Horizont zu sinken drohte.

Wie gebannt sahen sie auf den Panorama­schirm.

Eine große, grüne Insel bedeckte das Meer, aber sie schien nicht so dicht zu sein wie die anderen. An vielen Stellen schim­merte das offene Wasser hindurch, und ziemlich an ihrem Rand blinkte Metall.

»Das ist sie!« rief Corpkor triumphierend. »Wir haben sie gefunden!«

»Übernimm die Kontrollen«, bat Ischtar Fartuloon und strich sich mit den Händen über die engsitzende Kombination. »Du kannst auf der Station landen, wir haben die Erlaubnis dazu.«

»Soll nicht doch besser jemand mit dir ge­hen?«

»Nein! Das würde Daquomart noch miß­trauischer machen, selbst wenn ich es ihm jetzt sagte. Er nimmt an, ich bin allein, also laßt euch auf keinen Fall sehen. Bleibt im Schiff, was immer auch geschieht.«

»Das werde ich mir noch überlegen«, knurrte Fartuloon wütend. »Achtung, da un­ten ist eine Plattform. Sie scheint mir groß genug zu sein. Hoffentlich trägt sie auch un­ser Gewicht.«

»Das Meer ist hier nur fünfzig Meter tief«, beruhigte ihn die Varganin.

»Zum Ertrinken reicht das«, stellte Corp­kor fest.

Die stählerne Plattform schien nur Zenti­meter einzusinken, als das Schiff landete, aber so genau ließ sich das nicht feststellen. Der Rand war gut fünfzig Meter entfernt, und dort wuchsen die seltsamen Pflanzentür­me, die sie schon auf den Schirmen beob­achtet hatten.

Die Plattform war nicht überall so eben und glatt. An manchen Stellen erhoben sich abgerundete Kuppeln, unter denen sich mit ziemlicher Sicherheit automatische Energie­geschütze befanden. Genau gegenüber der Ausstiegluke des Schiffes hatte sich ein Tor geöffnet, hinter dem ein schräg in die Tiefe führender Gang mehr zu ahnen als zu erken­nen war.

Der Eingang zur Station der Varganen! Ischtar straffte sich. »Bleibt vom Funkgerät und wartet, bis ich

zurückkehre. Ich hoffe, Daquomart sieht in mir keinen Feind. Wenn ich mich bis heute abend nicht melde, habt ihr freie Hand, et­was zu unternehmen.« Sie überlegte und lä­chelte flüchtig. »Nein, wartet bis morgen. Es gibt Verhandlungspartner, bei denen es sehr lange dauert, bis man sie dort hat, wo man sie haben will.«

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»Du willst die Nacht bei dem Kerl ver­bringen?« empörte sich Fartuloon. »Was denkst du dir eigentlich dabei …?«

»In der Festung gibt es weder Tag noch Nacht. Ich will nur Zeit genug haben, das ist alles. Und vor allen Dingen will ich nicht, daß ein eventueller Erfolg durch euren Über­eifer zunichte gemacht wird. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?«

Fartuloon nickte und seufzte: »Möchte den Mann sehen, der mit einer

solchen Frau fertig wird. Na schön, wir war­ten. Aber gib uns wenigstens ein Zeichen, wenn der Kerl dich belästigt. Nimm ein Funkgerät mit.«

»Keine Waffe, kein Funkgerät, nichts, Fartuloon. Ihr wißt ja, wo ich bin. Vielleicht läßt Daquomart den Eingang offen …«

Der Panoramaschirm im Schiff blieb ein­geschaltet, als Ischtar durch die Luke stieg und den ebenen Metallboden der Festung betrat. Hinter ihr schwang die Luke automa­tisch wieder zu.

Sie machte einige Schritte auf das Tor zu, etwa dreißig Meter vom Schiff entfernt. Das leichte Schwanken unter ihren Füßen ahnte sie mehr, als daß sie es spürte. Sie blieb ste­hen und sah sich um.

Am Rand der stählernen Plattform klam­merten sich die Pflanzentürme fest, von ih­ren gefesselten Vögeln umkreist. Dadurch, daß die gefangenen Tiere immer wieder zu fliehen versuchten, bewegten sich die Zwei­ge und Tentakel der Pflanzen ruckartig hin und her, wenn die Lianenseile zu kurz wur­den. Es sah so aus, als lebten die Pflanzen­türme.

Ischtar überlegte es sich anders, obwohl sie damit rechnete, daß Daquomart sie beob­achtete. Entschlossen wechselte sie die Richtung und ging vor bis zum Rand der Plattform, die kaum fünfzig Zentimeter aus dem Wasser ragte. Sie fand eine Lücke zwi­schen zwei Turmpflanzen und fühlte sich ei­nigermaßen sicher. Die gefangenen Vögel stießen auf sie herab, griffen sie aber nicht direkt an.

Das Wasser war ungemein klar, und Isch-

Clark Darlton

tar konnte bis auf den Grund hinabsehen. Riesige Schwärme handlanger Fische stan­den über hellen Sandbänken und schroffen, dunklen Riffen. Wellen entstanden nur dann, wenn einer der gefangenen Vögel hinab­tauchte, um sich einen der Fische zu holen.

Ischtar stand lange am Rand der Festung und sah zu, wie die Sonne allmählich höher stieg. Es wurde wärmer. Dann wandte sie sich endlich um und ging am Schiff vorbei auf das Tor zu.

Der Gang dahinter war nun besser zu er­kennen, denn die Sonnenstrahlen fielen ge­nau in ihn hinein. Der Boden war mit einer geriffelten Kunstschicht bedeckt, aber Wän­de und Decken bestanden aus blankem Me­tall. Der Gang führte schräg nach unten, en­dete aber bereits nach wenigen Metern in ei­nem kleinen Raum.

Ischtar überwand ihre aufsteigenden Be­denken, sah noch einmal zum Schiff zurück und blinzelte fast unmerklich. Sie wußte, daß Fartuloon, Corpkor und Eiskralle sie jetzt nicht aus den Augen ließen.

Noch bevor sie den von oben erkannten Raum erreichen konnte, schloß sich hinter ihr mit einem dumpfen Laut das Tor, wäh­rend gleichzeitig künstliches Licht auf­flammte. Daquomart konnte also jeden ihrer Schritte verfolgen und ging auf Nummer Si­cher. Er schnitt ihr den Rückzug ab.

Ischtar lächelte krampfhaft und sagte: »Immer noch mißtrauisch, Daquomart?

Sie sollten sich schämen, ich bin nur eine schwache Frau.«

Keine Antwort. Sie zuckte die Schultern und ging weiter. Der Raum war quadratisch und nicht sehr

groß. Drei Türen führten in verschiedene Richtungen. Sie vergegenwärtigte sich die Lage des Eingangs auf der Plattform und die Richtung des Ganges, den sie herabgestie­gen war – und wählte die mittlere Tür.

Sie ließ sich durch Drehung eines Knop­fes öffnen. Dahinter lag ein weiterer Raum, angefüllt mit technischen Geräten, Kontroll­tafeln und Bildschirmen. Vor einem der rechteckigen Schirme, auf dem die geschlos­

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sene Luke des Pyramidenschiffs zu erken­nen war, saß ein Mann in einem Sessel, der jetzt blitzschnell herumschwenkte.

Daquomart betrachtete Ischtar schwei­gend und mit finsterer Miene, die sich nur langsam aufzuhellen begann. Er sah unge­pflegt und ein wenig verwahrlost aus. In sei­nen Augen schimmerte das Mißtrauen.

»So also sehen Sie in natura aus, liebe Ischtar.« Seine Blicke glitten an ihren wohl­geformten Körper herab, dessen Konturen durch die enganliegende Kombination noch hervorgehoben wurden. »Ich finde es rei­zend von Ihnen, mir die Langeweile vertrei­ben zu wollen.«

Sie setzte sich. »Bevor wir einige Mißverständnisse be­

seitigen, möchte ich ein anderes Thema mit Ihnen erörtern, Daquomart. Es gibt gewisse Umstände, die für Sie von nur wenig Inter­esse sein dürften, die mich aber dazu zwin­gen, für kurze Zeit in den Mikrokosmos zu­rückzukehren. Die Maahks verweigern mir jede Unterstützung. Ich weiß, daß einer der Rebellen das Geheimnis der Absoluten Be­wegung zwischen den beiden Kosmen be­sitzt, aber wer es ist, ist mir unbekannt. Ich bin gekommen, Sie um Unterstützung zu bitten.«

Daquomart hatte zugehört, ohne sie zu unterbrechen. Keine Sekunde hatte er sie aus den Augen gelassen und sie unaufhörlich be­trachtet, so als studiere er ein seltsames Ob­jekt. Als sie aufhörte zu sprechen, schien er wie aus einem Traum zu erwachen.

»Ich soll Ihnen also helfen?« vergewisser­te er sich lauernd.

»Ja, darum bitte ich Sie.« Er nickte vor sich hin. »Und wie soll ich wissen, daß Sie mich

nicht in eine Falle locken wollen? Ich weiß, daß der Henker hinter den Rebellen her ist und schon einige von ihnen erwischte. Er muß Verbündete haben, vielleicht sogar einen von uns, einen Verräter. Beweisen Sie mir, daß nicht Sie dieser Verräter sind!«

Die Frage war einfach, nicht aber die Ant­wort und der Beweis, das wußte Ischtar

auch. Sie mußte erreichen, daß der Rebell ihr vertraute.

»Sie haben eine gute und leistungsfähige Funkanlage. Eigentlich müßten Sie über das unterrichtet sein, was sich draußen abspielt, oder kümmern Sie sich nicht darum?«

Er ließ sich ablenken. Der Stolz gewann die Oberhand.

»Es ist die beste Anlage, die ich kenne. Ich habe zusätzlich automatisch arbeitende Speicher entwickelt und eingebaut, die alle Sendungen aufnehmen und sortieren, die für mich interessant sind. Ich brauche sie später nur abzurufen, um informiert zu sein.« Er sah sie wieder an. »Aber in keiner dieser Sendungen wurde mir bestätigt, daß eine ge­wisse Ischtar nicht auf der Seite Magantilli­kens steht.«

»Das gehört zur Taktik des Henkers«, un­ternahm Ischtar einen neuen Versuch, sein Mißtrauen zu zerstreuen. »Er will uns Re­bellen verunsichern. Jeder soll dem anderen den Verrat zuschieben können. Niemals würde er den Namen seines Helfershelfers verraten – falls er überhaupt einen hat, was nicht so sicher ist.«

Daquomart dachte darüber nach, und das Argument schien ihm einzuleuchten. Über­haupt hatte Ischtar den Eindruck, daß er zwar raffiniert, aber nicht übermäßig intelli­gent war. Das bedeutete eine gefährliche Mischung, wenn seine Emotionen mit ihm durchgingen.

»Vielleicht haben Sie recht«, sagte er end­lich nach längerer Pause, in der Ischtar Gele­genheit fand, die Kontrollen genauer zu stu­dieren. Der Bildschirm, auf dem die Luke ihres Schiffes allzu deutlich zu sehen war, störte sie. Wie sollten Fartuloon und die bei­den anderen jemals das Schiff verlassen können, ohne sofort von Daquomart bemerkt zu werden? »Aber ich muß vorsichtig sein. Nur weil ich vorsichtig bin, lebe ich noch.«

»Ich würde an Ihrer Stelle genauso han­deln«, versuchte Ischtar es mit einer Schmeichelei. »Überhaupt muß ich Ihre Klugheit bewundern, sich ausgerechnet die­se vergessene Station als Versteck ausge­

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sucht zu haben. Niemand wird Sie hier je­mals entdecken.«

»Sie haben mich entdeckt!« sagte er ru­hig.

Sie gab es zu: »Nur deshalb, weil ich die Unterlagen von

Küllsannimont bekam. Ihm waren die Auf­enthaltsorte aller Rebellen bekannt, nur hat er mir leider nicht verraten, welcher das von mir benötigte Geheimnis kennt. Das ist der Grund, warum ich alle aufsuchen muß.«

»Könnte Küllsannimont nicht der Verräter sein?«

»Und wenn, dann würde uns von ihm kei­ne Gefahr mehr drohen. Er ist tot, von seiner eigenen Festung erschlagen. Ich glaube auch nicht, daß er so dumm gewesen wäre, dem Henker sämtliche Verstecke zu verraten, weil er damit seine eigene Lebensversiche­rung aus der Hand gegeben hätte. Und die Unterlagen sind nun in meiner Hand.«

»Ach so – Sie besitzen nun diese Unterla­gen? Wo sind sie?«

»Im Schiff, gut aufgehoben. Und vor allen Dingen sind sie vor dem Zugriff Magantilli­kens sicher.«

»Aber ich hätte sie gern gesehen«, ver­langte er.

Sie schüttelte den Kopf. »Sie sind voller Mißtrauen gegen mich,

also darf ich es auch Ihnen gegenüber sein. Vielleicht sind gerade Sie der Verräter. Dann würde ich die anderen Rebellen dem sicheren Tod ausliefern, wenn ich Ihnen ih­ren Aufenthaltsort verriete. Habe ich recht?«

Er knurrte: »Möchte mal die Frau sehen, die nicht immer recht hat!«

Ischtar hatte inzwischen die Hauptkon­trollen für die Bildschirme gefunden. Einfa­ches Ausschalten würde nichts nützen, sie mußte sie für eine Zeit unbrauchbar machen. Für alle Zeiten blind wollte sie Daquomart auch nicht zurücklassen, wenn er ihr wirk­lich zu helfen bereit war.

»Na schön«, unterbrach er das Schweigen schließlich. »Nehmen wir einmal an, ich glaube Ihnen und gebe mein Geheimnis preis. Was bekomme ich dafür?«

Clark Darlton

Das war eine direkte Frage, die keine Ausreden zuließ. Aber sie war ja eine Frau, und einer solchen geziemte es, in gewissen Dingen begriffsstutzig zu sein.

»Ich habe nicht viel zu geben, und mit Reichtümern könnten Sie hier ohnehin nichts anfangen. Aber wenn Sie Vorräte be­nötigen, technische Ausrüstung, Ersatzteile – was auch immer, es kann sein, daß ich mich da erkenntlich zeigen werde. Teilen Sie mir nur Ihre Wünsche mit.«

Er lächelte breit. »Von allem habe ich mehr als genug.

Selbst die Lebensmittel werden nicht knapp, allein der Planet könnte mich für alle Ewig­keiten versorgen.« Er schüttelte den Kopf. »Nein, Ischtar, das ist es nicht, was ich von Ihnen will. Können Sie es sich nicht den­ken?«

Es wäre falsch gewesen, sich noch düm­mer zu stellen, das würde er ihr nicht mehr abnehmen. Vielleicht konnte sie ihn vertrö­sten und so Zeit gewinnen.

»Mein lieber Daquomart, ich fürchte, ich muß ein Mißverständnis ausräumen. Sie wissen jetzt, warum ich die Rebellen be­suchte und warum ich auch zu Ihnen gekom­men bin. Glauben Sie, ich könnte mich in ei­ner halben Stunde entscheiden, ob ich Ihre Wünsche erfülle oder nicht? Außerdem ha­ben Sie mir noch nicht bewiesen, daß Sie wirklich wissen, an wen ich mich wenden muß, um in den Mikrokosmos zu gelangen.«

»Und Sie haben mir noch nicht gesagt, was Sie dort überhaupt wollen«, gab er ver­ärgert zurück. Aber dann glätteten sich seine Züge wieder. »Im übrigen scheinen Sie mich nicht richtig verstanden zu haben. Was Sie eben andeuten, wäre mir sicherlich nicht un­angenehm, falls Ihre Entscheidung positiv ausfiele und Sie besonders nett zu mir wä­ren, aber das war nicht mein eigentliches Anliegen. Meine Wünsche sind anderer Art.«

Nun war es an Ischtar, erstaunt zu sein. »Reden Sie schon, Daquomart. Wenn ich

Ihre Wünsche erfüllen kann, so werde ich es tun – als Gegenleistung.«

11 Geheimprojekt der Varganen

»Nicht, daß ich nicht Sie auch möchte, Ischtar«, sagte er langsam und mit eigenarti­ger Betonung. »Aber wenn Sie mir meinen Hauptwunsch erfüllen, käme das ganz von selbst.«

»Ich verstehe nicht ganz …« Er beugte sich vor und sah sie an. »Natürlich sage ich Ihnen gern, wer von

den anderen Rebellen Ihnen helfen könnte, aber das wird Ihnen kaum noch nützen, wenn Sie meine Bedingung erfüllen. Sehen Sie, vor ein oder zwei Jahren, so genau weiß ich das nicht mehr, faßte ich den verrückten Plan, von hier wegzugehen. Ich wollte flie­hen, denn ich spürte, daß mir der verfluchte Henker dicht auf den Fersen war. Mein Schiff lag auf dem Grund des Meeres, nicht weit von hier entfernt an einer tieferen Stel­le. Ich hatte mich lange nicht mehr darum gekümmert, denn ich nahm nicht an, daß ich es noch einmal benützen müßte. Also tauch­te ich hinab und wollte es an die Oberfläche holen. Dabei geschah es.«

»Was geschah?« fragte Ischtar, obwohl sie es bereits ahnte.

»Der Antrieb explodierte und zerriß das Heck. Wasser strömte ein, und nur mit Mü­he konnte ich mich retten. Ich kehrte zur Station zurück, nun für alle Zeiten auf diese Welt verbannt. Ich habe nicht die Absicht, sie zu verlassen, aber ich brauche die Ge­wißheit, es notfalls doch tun zu können.«

Sie ahnte nun, was er von ihr wollte, aber sie sträubte sich gegen den Gedanken. Wenn er gesagt hätte, sie solle ihn mitnehmen, so hätte sie das vielleicht getan, aber …

»Sie meinen …?« Er nickte grimmig. »Ja, ich will Ihr Schiff, Ischtar!«

*

Eiskralle kam aus dem Vorratsraum und ging in die Kommandozentrale, wo Fartu­loon und Corpkor sich mit einem Spiel die Zeit vertrieben. Draußen begann es bereits zu dämmern. Nicht mehr lange, dann ging die Sonne unter.

Fartuloon sah auf und betrachtete den Chretkor. Sein Blick wanderte über die sichtbaren Organe im Innern des halbtrans­parenten Körpers, dann sagte er vorwurfs­voll:

»Da liegt eine schöne Menge in deinem Magen herum, Eiskralle. Vor einem Einsatz soll man sich den Bauch nicht so vollschla­gen.«

»Bei dir sieht man es auch«, gab Eiskralle zurück und deutete mit gläsernen Fingern auf Fartuloons beträchtlichen Bauchumfang.

Corpkor stand auf und studierte Eiskralles Innereien.

»Wahrhaftig«, sagte er, »du hast recht, Fartuloon. Er muß die Hälfte unserer Vorrä­te vertilgt haben. Habe nie gewußt, daß er so verfressen ist.«

Eiskralle seufzte und ließ sich in einem Sessel nieder.

»Ich bin froh, daß ihr keine anderen Sor­gen habt. Ihr nehmt wohl an, daß es Ischtar gutgeht, was? Ich nicht!«

Fartuloons Gesicht wurde wieder ernst. »Seit sich das Tor, durch das sie ver­

schwunden ist, geschlossen hat, ist nichts mehr passiert. Sobald es dunkel ist, sehe ich nach.«

Sowohl Eiskralle als auch Corpkor prote­stierten und erinnerten ihn daran, was Ischt­ar angeordnet hatte. Vor dem morgigen Tag sollten sie nichts unternehmen. Vielleicht dauerten die Verhandlungen noch an, und wenn sie im unrechten Moment gestört wur­den, konnte das verheerende Folgen haben.

Auf der anderen Seite … »Länger als bis morgen früh warte ich

nicht!« erklärte Fartuloon. »Dann könnt ihr machen, was ihr wollt, ich jedenfalls küm­mere mich dann um Ischtar. Dieser Daquo­mart sah mir wie ein Wüstling aus.«

»Um so eine Sache mache ich mir die we­nigsten Sorgen«, teilte Eiskralle gemächlich mit. »Ischtar weiß sich da schon zu helfen. Ihr wißt ja, was sie von Ra erzählte, der sie unbedingt besitzen wollte. Sie hat ihn ganz schön abblitzen lassen, und er war so wü­tend, daß er sich ein Beiboot schnappte und

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verschwand. Wo mag er übrigens stecken?« Das wußte natürlich niemand von ihnen,

und am allerwenigsten hätten sie die Wahr­heit erraten: daß Ra nämlich in diesem Au­genblick auf Arkon weilte, dem Mittelpunkt der Großen Imperiums.

»Ra ist nicht Daquomart«, versicherte Fartuloon düster.

Corpkor setzte sein eichhörnchenähnli­ches Tier, das er »Quirrel« nannte, auf den Boden. Er gähnte.

»Wir gehen schlafen«, verkündete er und meinte damit offensichtlich sein Quirrel und sich selbst. »Weckt mich, wenn ich mit der Wache an der Reihe bin.«

»Ich fange an«, erbot sich Eiskralle. »Ich kann jetzt sowieso nicht sofort einschlafen.«

»Mit so einem überfüllten Magen könnte ich das auch nicht«, stimmte Fartuloon ihm zu, warf einen letzten Blick auf den Bild­schirm, auf dem sich nichts verändert hatte, und erhob sich. »Ich werde dich dann ablö­sen.«

Eiskralle blieb allein in der Zentrale. Er ahnte nicht, daß in diesen Minuten im

Innern der Festung der erbitterte Kampf um das Schiff begann, in dem er saß.

*

Ischtar saß sprungbereit in ihrem Sessel. Der Rebell war nur wenige Meter von ihr entfernt. Er trug keine sichtbare Waffe.

»Mein Schiff, Daquomart …?« dehnte sie die Frage, als sei jede gewonnene Sekunde von unschätzbarem Wert. »Wie stellst du dir das vor? Soll ich den Rest meines Lebens hier auf der Wasserwelt verbringen?«

»Es ist schön hier, und wir werden uns anfreunden«, versprach er.

»Wozu willst du dann ein Schiff? Das ist unlogisch.«

»Ich erwähnte bereits, daß ich es nur als Sicherheit brauche. Ich will fliehen können, wenn Magantilliken auftaucht. Ohne Schiff wäre ich verloren.«

»Und was ist mit mir? Mein Schicksal scheint dir gleichgültig zu sein.«

Clark Darlton

»Oh, im Gegenteil, meine Teuerste. Wir gewöhnen uns aneinander – schon jetzt. Und für den Notfall haben wir ein Schiff, mit dem wir uns in Sicherheit bringen können, sollte das jemals notwendig sein.«

Sie schüttelte den Kopf. »Daraus wird nichts, Daquomart. Ich

kann dir das Schiff nicht geben, und ich bleibe auch nicht bei dir. Du bist verrückt! Genauso verrückt wie Küllsannimont.«

Ischtar wußte, daß sie ein gewaltiges Risi­ko einging, wenn sie Daquomart reizte. Bis zum anderen Tag verging noch viel Zeit. Sie wußte, daß ihre Freunde sich an ihre Bitte halten und erst morgen nach Sonnenaufgang eingreifen würden. Wie sollte es ihr gelin­gen, den Rebellen so lange hinzuhalten, oh­ne daß er die Geduld verlor?

»Aber du willst wissen, wer das Geheim­nis der Absoluten Bewegung kennt, oder …? Du wirst es nie erfahren, ganz abgese­hen davon, daß du bei mir bleiben wirst, ob es dir nun paßt oder nicht.«

Sie überlegte schnell. Auf keinen Fall durfte sie sich eitle Blöße geben. Daquomart war scharf auf das Schiff, also würde er nie­mals etwas unternehmen, das es beschädigen könnte.

»Glaubst du, ich bin ohne Rückversiche­rung zu dir gekommen?« fragte sie so ruhig und gelassen wie möglich.

»Was willst du damit sagen?« »Ich will damit sagen, daß ich natürlich

nicht allein gekommen bin. Im Schiff wartet die Besatzung auf meine Befehle. Wenn ich ihr nicht das richtige Stichwort gebe, oder wenn du versuchen solltest, gewaltsam in das Schiff einzudringen, wird es entweder starten oder sich selbst vernichten, das kommt auf die Umstände an.«

Er starrte sie wütend an. »Du hast mich belogen!« stieß er hervor.

»Aber das sollst du mir büßen! Ich werde das Schiff bekommen, darauf kannst du dich verlassen. Hier jedenfalls kommst du so schnell nicht wieder heraus.«

»Ich bleibe freiwillig«, sagte sie überle­gen.

13 Geheimprojekt der Varganen

Ihre Ruhe machte Daquomart noch unsi­cherer. Es war ihm klar, daß sie noch einen Trumpf in der Hand hatte, von dem er nichts ahnte. Er wollte das Schiff, und er wollte auch Ischtar. Das Schiff jedoch hatte Vor­rang. Wenn er es einmal besaß, dann hatte er auch Ischtar.

»Schön, du bleibst freiwillig – das erspart dir Unannehmlichkeiten. Du wirst gestatten, daß ich dich nach Waffen durchsuche, bevor ich dich einsperre. Morgen unterhalten wir uns dann weiter. Ich muß überlegen …«

»Überlege gut!« empfahl Ischtar und sprang überraschend auf.

Mit einem Satz warf sie sich auf den Re­bellen, der von dem plötzlichen Angriff so überrascht war, daß er mit dem nicht am Bo­den befestigten Sessel umkippte. Für kurze Zeit gewann Ischtar die Oberhand, aber sie verstand die momentane Überlegenheit nicht zu nutzen.

Daquomart schleuderte sie mit einem plötzlichen Aufbäumen quer durch den Raum und schnellte in die Höhe. In der Hand hielt er einen Energiestrahler, aber er ließ ihn wieder sinken. Ischtar war mit dem Kopf gegen die Stahltür geprallt und hatte das Bewußtsein verloren.

»Alle Frauen sind dumm!« knurrte er wü­tend und untersuchte ihre Platzwunde. »Dabei könnte sie es so gut bei mir haben …«

Er hob sie auf, als sei sie eine Puppe, und trug sie durch die benachbarten Räume und eine Etage tiefer in ein kleines Zimmer, das ein Bett, einen Tisch, Stühle und eine Toilet­te enthielt.

Er legte sie fast behutsam auf das einfa­che Lager, sah auf sie herab und ging dann wieder, ohne sich um die harmlose Wunde zu kümmern. Er vergaß nicht, die Tür abzu­schließen.

Wieder in seiner kleinen Zentrale, schalte­te er einen weiteren Bildschirm ein. Er ver­stellte die entsprechende Kamera, bis das Bett und die darauf liegende Ischtar deutlich auf dem Schirm sichtbar wurden. Dann lehnte er sich in den Sessel zurück und ge­

noß den Anblick eines lebendigen Wesens, dessen Gesellschaft er lange entbehrt hatte.

*

Eiskralle weckte Fartuloon, der dann Cor­pkor kurz vor dem Morgengrauen aus dem Bett holte und sich um das Frühstück küm­merte. Er hätte jetzt auch nicht mehr schla­fen können, denn er verspürte eine starke Unruhe in sich, die er nicht zu besänftigen vermochte.

Es war ihm klar, daß sich Ischtar in großer Gefahr befand, sonst hätte sie zumin­dest versucht, ihnen ein Zeichen zu geben, und wenn sie nur einen harmlosen Spazier­gang auf der Plattform unternommen hätte.

Corpkor starrte gegen die verschlossene Tür der Festungsstation. Er ahnte, daß auch ihr Schiff auf irgendeinem Bildschirm inner­halb der stählernen Insel erschien und beob­achtet wurde. Aber das sollte kein Hindernis sein, wenn sich Ischtar wirklich in Gefahr befand.

Auch Eiskralle begann, sich nun ernstlich Sorgen zu machen. Er tat es, indem er Appe­titlosigkeit demonstrierte.

»Wie kann man nur essen, wenn sich Ischtar in dieser Festung aufhält und in größter Gefahr ist?« fragte er verwundert, als Fartuloon den Inhalt einer großen Schüs­sel mit Genuß leerte.

Fartuloon würgte ein wenig, als er ant­wortete:

»Man muß sich vor dem Einsatz kräfti­gen, Eiskralle.«

»Gestern sagtest du das Gegenteil«, erin­nerte ihn der Chretkor sanft.

»Heute ist heute, du Eiszapfen! Das Ge­sagte von gestern bezog sich in erster Linie auf die Tatsache, daß man vor dem Schlafen nicht zuviel essen soll. Löse Corpkor ab, der hat bestimmt Hunger.«

Eiskralle verschwand. Später saßen sie wieder alle drei vereint

vor dem Bildschirm. »Klarer Fall, das wir beobachtet werden«,

meinte Fartuloon. »Wir müssen also so aus­

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steigen, daß wir nicht gesehen werden kön­nen. Vorschläge?«

Corpkor, der lange genug darüber nachge­dacht hatte, nickte.

»Wir müssen das Schiff durch die kleine Ladeluke verlassen, die auf der anderen Sei­te liegt. Wenn wir auf allen vieren bis zum Rand der Plattform kriechen, können wir nicht gesehen werden, denn ich nehme an, daß Daquomart, wenn überhaupt, die Haupt­luke im Auge behält. Wir verschwinden ein­fach unter Wasser und suchen nach einem anderen Eingang zur Station.«

Fartuloon nickte satt und zufrieden. »Guter Vorschlag. Hat jemand einen bes­

seren.« Er sah Eiskralle durchdringend an. »Du vielleicht?«

Der Chretkor schüttelte den Kopf. »Also schön, dann tun wir, was Corpkor

vorschlägt. Ich halte das auch für die beste Lösung des Problems. Wir legen die Raum­anzüge an, dann können wir fast unbegrenzt unter Wasser bleiben. Dort wird es ja wohl keine eingeschalteten Kameras geben. In ei­ner halben Stunde brechen wir auf. Trotz­dem sollte einer von uns noch bis dahin Wa­che vor dem Schirm halten. Könnte ja sein, daß sich da draußen etwas tut …«

Er vermutete richtig. Es tat sich sogar eine ganze Menge, aller­

dings nicht auf der Plattform, sondern im In­nern der Station.

Das aber konnten die drei Freunde nicht sehen …

*

Ischtar hatte die in der Decke verborgene angebrachte Kameralinse sofort bemerkt, kaum daß sie erwachte. Das gedämpfte Licht war nicht erloschen, also würde Daquomart sie beobachten. Sie blieb ruhig auf dem Bett liegen, auf die Seite gedreht und die Augen halb geschlossen.

Sie konnte im Augenblick nichts unter­nehmen, aber sie war fest entschlossen, nicht zu warten, bis Fartuloon eingriff, dessen wachsende Unruhe sie sich gut vorzustellen

Clark Darlton

vermochte. Vorsichtig sah sie sich in dem Zimmer um. Die Toilettenecke war durch einen Vorhang abgeteilt. Dort also würde sie wenigstens unbeobachtet sein, wenn auch nur für kurze Zeit. Sonst gab es nur den Tisch und die Stühle, deren Beine recht kräf­tig und hart aussahen. Wenn sie eines ab­schlagen konnte, würde es sich bestimmt als Schlagwaffe eignen.

Sie blieb noch eine Stunde liegen, dann tat sie so, als erwache sie. Der gut gespielte Schreck in ihrem Gesicht mußte auch Daquomart überzeugen. Langsam richtete sie sich auf und sah sich um.

Sie entdeckte den winzigen Waschraum, stand auf und verschwand hinter dem Vor­hang. An der Decke war keine Kamera. Fünf Minuten blieb sie, ehe sie wieder zum Vor­schein kam. Sie setzte sich auf einen der bei­den Stühle und starrte vor sich hin. Dabei ta­stete sie das Stuhlbein ab und stellte fest, daß es aus massivem Kunststoff bestand und lediglich in den unteren Teil der Sitzfläche hineingeschraubt worden war.

Sie stand auf und wanderte in dem Zim­mer hin und her. Nach der fünften Durch­querung nahm sie den Stuhl mit, stellte ihn unter die kaum sichtbare Linse und holte dann den zweiten, den sie in der Hand be­hielt. Sie stieg auf den ersten Stuhl und zer­trümmerte mit dem zweiten die verborgene Kamera.

Dann handelte sie schnell und überlegt. Sie schraubte ein Stuhlbein heraus. Viel

Zeit blieb ihr nicht mehr, es sei denn, der Rebell schlief.

Prüfend wog sie das Bein in der Hand und nickte befriedigt. Wenn sie mit aller Wucht zuschlug, würde Daquomart mindestens für eine Stunde bewußtlos sein. Das mußte ge­nügen, aus der Station zu gelangen, selbst dann, wenn sie den Weg nicht sofort fand.

Die Tür ging nach innen auf, stellte sie an der Konstruktion fest. Sie nahm das Plastik­bein am dünneren Ende und wartete dicht neben der Tür.

Es dauerte fast zehn Minuten, ehe Daquo­mart erschien. Die Tür öffnete sich und ver­

15 Geheimprojekt der Varganen

barg Ischtar vor seinen suchenden Blicken. Er sah sie nicht sofort und nahm an, daß sie im Waschraum war. Ohne Rücksicht zu neh­men, schlug er den Vorhang zurück und blieb wie erstarrt stehen.

Aber Ischtar ließ ihm keine Zeit zum Überlegen oder gar zum Ziehen der Energie­waffe.

Sie sprang hinter ihn, hob das Stuhlbein und ließ es dann auf seinen Schädel herab­sausen.

Daquomart stöhnte auf, hob noch halb die rechte Hand, ehe er bewußtlos in sich zu­sammensackte. Vorsichtshalber schlug Isch­tar noch einmal zu. Dann nahm sie ihm die Waffe ab, ließ das Stuhlbein zurück und ver­ließ das Zimmer. Zwar zog sie die Tür hinter sich zu, aber sie war davon überzeugt, daß der Rebell sie wieder öffnen konnte.

Die Frage war nun: wo in der Festung be­fand sie sich?

Schließlich war sie bewußtlos gewesen, als Daquomart sie in ihr Gefängnis ge­schleppt hatte.

Der Gang endete vor schmalen Stufen, die einen führten abwärts, die anderen nach oben. Logischerweise nahm sie die nach oben, aber dann erlebte sie eine Enttäu­schung. Sie stand wieder in dem kleinen quadratischen Raum mit den drei Türen, zu­dem noch die vierte kam, nämlich der Aus­gang. Alle waren geschlossen, und so sehr sie sich auch bemühte, sie zu öffnen, es ge­lang ihr nicht.

Nun war sie nicht viel besser dran als zu­vor. Wenn Daquomart jetzt erwachte, hatte er sie in der Hand. Die Energiewaffe würde ihr nicht viel nützen.

Sie mußte ihn fesseln, bevor er wieder zu sich kam. So schnell sie konnte, hastete sie die Stufen hinab und fand die Tür zu ihrem Gefängnis, um wie erstarrt anzuhalten. Sie hatte die Tür selbst geschlossen. Aber wie konnte man sie wieder öffnen?

Sie versuchte es mit allen Mitteln, die ihr von der varganischen Technik her vertraut waren, aber ohne Erfolg. Wahrscheinlich hatte Daquomart einige Sicherungen einge­

baut, die nur ihm bekannt waren. Schließlich gab sie es auf. Es wurde ihr

klar, daß sie ihrem eigentlichen Gefängnis zwar entkommen, aber noch immer nicht frei war. Auch Fartuloon und die anderen würden ihr jetzt nicht beistehen können. Wie sollten sie in die Festung gelangen?

Sie wußte nicht, wie spät es war, denn ih­re Uhr zeigte Bordzeit an, die wiederum nicht mit jener des Planeten identisch war. Sie mußte warten, bis der Rebell wieder zu sich kam und das Zimmer verließ. Immerhin hatte sie seine Waffe und konnte ihn so zwingen, den Ausgang zu öffnen.

Die Neugierde veranlaßte sie, in den unte­ren Teil der Station hinabzusteigen. Ein leichtes Vibrieren und Summen verriet ihr, daß die Energieanlage und der Maschinen­komplex nicht fern waren. Zu ihrer Überra­schung gab es hier unten keine verschlosse­nen Türen. Ungehindert konnte sie alle Räu­me betreten.

Die Wand des einen Raumes war transpa­rent und gestattete einen Blick ins Meer. Viel konnte sie nicht erkennen, denn es war noch dunkel draußen, wenn auch ein kaum merklicher Schimmer an der Oberfläche be­reits den neuen Tag ankündigte.

In einer halben Stunde ging die Sonne über Noghmura auf.

Im dritten Raum fand sie eine große Kon­trolltafel mit unzähligen Schaltern, Skalen und Knöpfen, unter denen lediglich Ziffern, aber keine Bezeichnungen standen. Viel­leicht dienten diese Instrumente nur dazu, die Energieanlage in Betrieb zu halten und zu kontrollieren, während sich die eigentli­che Steuerzentrale der Station in jenem Raum befand, in dem sie Daquomart zum ersten Mal begegnet war.

Sie widerstand der Versuchung, auf einen der zahlreichen Knöpfe zu drücken oder einen Hebel umzulegen. Wenn sie das Falsche tat, so konnte das schlimmer als die Gefangenschaft sein.

Dann dachte sie wieder an Daquomart. Wenn er inzwischen erwacht war und fest­stellte, was geschehen war, würde er Zeit

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finden, sich erneut zu bewaffnen. Das mußte unter allen Umständen verhindert werden.

Sie rannte durch den Gang und hastete die Stufen empor. Als sie die weit offen stehen­de Tür zu ihrem ehemaligen Gefängnis er­blickte, blieb sie wie angewurzelt stehen. Über sich hörte sie ein Geräusch. Eine ande­re Tür wurde geöffnet und wieder geschlos­sen.

Noch während sie unschlüssig überlegte, was sie nun tun sollte, hörte sie Daquomarts Stimme aus einem Deckenlautsprecher:

»Meine Teure, du hast dich geirrt! Mein Schädel ist härter als du glaubtest. Komm schön brav die Treppe hoch und lege den Strahler auf die oberste Stufe. Versuche kei­nen Trick, dann schließe den unteren Knopf deiner Kombination – ja, richtig, der …!«

Ischtar schloß automatisch den Druck­knopf und biß sich auf die Lippen. Sie hielt den Energiestrahler in der Hand, bereit, auf alles zu schießen, was sich bewegen würde.

Daquomart fuhr fort, und seine Stimme klang ironisch:

»Da stehst du nun und weißt nicht, was du tun sollst. Ich gebe dir den guten Rat, auf mich zu hören, dann werde ich dich nicht tö­ten. Du scheinst mir doch jener Rebell zu sein, der sein eigenes Leben für das der an­deren erkauft. Leg die Waffe endlich hin!«

Ischtar sagte entschlossen: »Niemals werde ich mich freiwillig erge­

ben, Daquomart! Dann kann ich mich auch gleich umbringen. Wenn du mich haben willst, dann hole mich!«

Sie lief die Treppe wieder hinab, bis sie atemlos in dem unteren Kontrollraum stand. Vergeblich suchte sie nach der versteckten Kamera. Dafür hörte sie Daquomart warnen:

»In diesem Augenblick schließt sich eine Schottentür, du bist im Maschinenteil der Station gefangen. Und dort wirst du auch bleiben, bis du verhungert bist. Es sei denn, du kommst zur Vernunft.«

Sie starrte wütend auf die Kontrollen und fingerte nervös an ihrem Strahler herum. Ehe sie verhungerte, würde sie die. Anlage zerstören, das stand fest. Vielleicht ließ sich

Clark Darlton

Daquomart mit einer Drohung einschüch­tern.

»Hör zu, Daquomart, ich mache dir einen Vorschlag.«

»Laß nur hören!« »Wir nehmen dich in unserem Schiff mit

und setzen dich an jedem von dir gewünsch­ten Ort ab. So ist uns beiden geholfen. Wenn du damit nicht einverstanden bist und mich umbringen willst, schmelze ich die Kontrol­len hier zusammen. Das Schiff wirst du ohne mich niemals bekommen, das schlage dir aus dem Kopf.«

»Willst du deinen Tod beschleunigen?« erkundigte er sich höhnisch. »Willst du er­sticken oder ertrinken? Oder ist dir das Ver­hungern nicht doch lieber?«

Sie schob den Strahler in den Gürtel, trat vor und legte einen großen Hebel nach vorn. In der gleichen Sekunde hörte sie unter sich das Schaben von Metall auf Metall, dann trat wieder Ruhe ein.

»Du bist wahnsinnig geworden!« rief Daquomart wütend. »Du hast die im Mee­resboden verankerten Stützen gelöst und eingezogen. Nun schwimmt die Insel, und wir treiben langsam mit der Strömung ab. Noch ein einziger Fehler, und wir sinken.«

»Dann sinken wir eben«, sagte Ischtar gleichmütig und drückte auf einen Knopf.

Diesmal geschah nichts, das sie bemerken konnte.

»Aufhören!« brüllte Daquomart. »Der obere Teil der Plattform liegt bereits zwei Meter unter der Wasseroberfläche. Die Stati­on kann dein Schiff nicht tragen, wir sin­ken!«

Ischtar lief in den anderen Raum und sah hinaus ins Meer. Es war inzwischen heller geworden. Die Station lag ein wenig schräg auf den Grundfelsen und konnte nicht weiter absinken. Bei der leisesten Erschütterung je­doch war es möglich, daß sie abrutschte und in den dunklen Graben sank, dessen Grund nicht zu sehen war.

Sie kehrte zur Kontrolltafel zurück. Kaltblütig bewegte sie einen anderen He­

bel …

17 Geheimprojekt der Varganen

2.

Fartuloon kletterte zuerst aus der Ladelu­ke auf der anderen Seite des Schiffes. Zu seiner Überraschung stand er bis zu den Knöcheln im Wasser und wäre auf den glit­schigen Pflanzenresten fast ausgerutscht.

»Vielleicht haben wir jetzt Flut«, vermu­tete Eiskralle und hielt sich an der Hülle des Schiffes fest.

»Eiskralle! Erstens hat Noghmura keinen Mond, und zweitens macht sich auf einem schwimmenden Objekt das Steigen oder Fal­len des Wassers nicht bemerkbar. Und nun schließ den Helm, wir müssen tauchen, um von unten an die Station heranzukommen. Kein Funkverkehr! Wenn einer etwas sagen will, Helme gegeneinanderlegen!«

Sie glitten über den Rand der weiter ab­sinkenden Plattform ins Wasser und wurden so gut wie schwerelos. Sie hatten außer den Vibrationsmessern keine Waffen mitgenom­men.

Fartuloon schwamm voran und tauchte tiefer. Vor sich sah er die Station. Die stäh­lernen Stützen schoben sich langsam in das Innere der schwimmenden Insel, die etwas tiefer sank. Immerhin mußte sie die zusätzli­che Last des Schiffes tragen.

Er gab Eiskralle und Corpkor ein Zeichen und schwamm weiter, bis er ein breites Fen­ster in der glatten Wand entdeckte. Für eine Umkehr war es zu spät. Wenn hinter dem Fenster jemand war, hatte er sie längst ent­deckt.

Die Stützen wären inzwischen völlig ver­schwunden. Der untere Teil der stählernen Insel ruhte auf Klippen, die keinen allzu si­cheren Halt boten. Es war Fartuloon klar, daß in der Festung etwas geschehen sein mußte, das nicht zu Ischtars Plänen paßte. Vielleicht befand sie sich in größter Gefahr.

Durch das Fenster konnte er in den Raum dahinter blicken, aber viel gab es nicht zu sehen. Eine offene Tür und dahinter ein Gang, das war alles. Der Raum selbst war leer.

Eiskralle und Corpkor schwebten neben ihm. Er teilte ihnen mit:

»Wir müssen einen Eingang finden, viel­leicht unten!«

Als sie begriffen hatten, ließ er sich weiter in die Tiefe sinken, bis sie unter die Station selbst gelangten. Zwischen den Klippen hin­durch zwängten sie sich, bis über ihnen statt der leicht gekräuselten Oberfläche des Mee­res nur die glatte Metalldecke war.

Sie fanden nichts, das einem Notausstieg ähnelte.

»Zwecklos!« teilte Fartuloon seinen bei­den Begleitern mit. »Oben!«

Sie tauchten wieder auf, doch bevor sie ganz oben waren, kamen sie wieder an dem Stationsfenster vorbei, und nun bemerkten sie dahinter eine Bewegung. Etwas Helles – ein Gesicht? – war hinter der transparenten Scheibe.

Fartuloon schwamm hin und erkannte Ischtar.

Eine Verständigung war unmöglich, so versuchte er es mit Zeichensprache, aber Ischtars Handzeichen war kein Sinn zu ent­nehmen. Sie deutete einmal nach oben ge­gen die Decke des Raumes, in dem sie sich aufhielt, dann wieder nach unten in Rich­tung Meeresgrund.

Fartuloon gab es auf. Zwar ahnte er, daß die Varganin die Gefangene des Rebellen war, aber was sie ihm sagen wollte, blieb unklar.

Er winkte Eiskralle und Corpkor zu und tauchte auf.

Die Station hatte sich noch schräger ge­legt, was lediglich den einen Vorteil mit sich brachte, daß ein kleiner Teil wieder aus den Fluten herausragte. Fartuloon kletterte hin­auf und öffnete den Helm. Er wartete, bis die anderen seinem Beispiel gefolgt waren.

»Wir müssen hier oben einen Eingang fin­den. Ischtar scheint im unteren Teil der Sta­tion eingeschlossen zu sein. Wenn das Ding noch weiter absinkt oder ein Leck bekommt, ertrinkt sie. Möchte nur wissen, wo Daquo­mart steckt. Ob er uns schon entdeckt hat?«

»Freiwillig läßt er uns da nicht hinein«,

18

vermutete Eiskralle. »Wie recht du hast, Vater der Weisheit«,

sagte Fartuloon und dachte weiter darüber nach, was sie als nächstes unternehmen soll­ten.

»Wir haben die Messer. Mit ihnen können wir den Stahl zerschneiden, wenn das auch eine Menge Energie kostet.«

»Fangen wir damit an«, schlug Corpkor vor.

*

Als Ischtar den zweiten Hebel nach vorn zog, änderte sich vorerst an den Gewichts­verhältnissen der Station nichts, obwohl sich an der Unterseite die Flutventile geöffnet hatten. Auch sorgte der im hermetisch abge­schlossenen Innern der Insel herrschende Luftdruck dafür, daß nur wenig Wasser ein­drang.

Immerhin erschrak Ischtar doch, als ihre Füße plötzlich naß wurden.

Der Gang war schon eine Handbreit mit Wasser bedeckt, das in die Räume floß. Es stieg nur langsam, wie sie zu ihrer Beruhi­gung feststellte.

Daquomart sagte ziemlich beherrscht: »Nun hast du endlich deinen Willen, teure

Rebellin. Die Insel ist verloren, denn wenn die Maschinenräume unter Wasser stehen, ist nichts mehr zu retten. Ich kann die Zwi­schentür für einen Augenblick öffnen, um dich herauszulassen, aber du mußt dich beei­len. Sobald die Luft entweicht, dringt das Wasser nach. Entscheide dich also!«

Ischtar blieb keine andere Wahl. »Ich komme«, sagte sie hastig. Sie eilte die Stufen empor und stand dann

vor der stählernen Wand. »Wirf den Strahler weg und halte dich be­

reit!« Sie befolgte auch diesen Befehl, wenn

auch schon widerwilliger. Als die Waffe ins Wasser unten im Gang

klatschte, teilte Daquomart mit: »Schnell, in genau zehn Sekunden, rechte

Seite!«

Clark Darlton

Sie starrte gegen die Wand und wartete. Endlich entstand ein schmaler Spalt, durch den die Luft nach oben entwich. Der plötzli­che Druckabfall störte Ischtar weniger, wohl aber das anschwellende Rauschen des nach­dringenden Wassers. Sie zwängte sich durch den Spalt, der sich unmittelbar danach wie­der schloß.

Daquomart kam aus dem Kontrollraum und betrachtete sie triumphierend.

»Ich weiß, daß drei Männer aus dem Schiff gekommen sind und den Eingang su­chen«, begrüßte er sie. »Du hast sie vom Aussichtsraum aus auch gesehen, aber dein Optimismus ist fehl am Platz. Sie werden dir nicht mehr helfen können.«

»Ich bleibe bei meinem Vorschlag«, ent­gegnete sie kalt. Die unmittelbare Lebensge­fahr war vorüber. »Wir bringen dich, wohin du willst.«

Er schüttelte den Kopf. »Komm mit, Ischtar, ich werde dir etwas

zeigen.« An ihm vorbei ging sie in den Kontroll­

raum. Auf dem Bildschirm war immer noch ihr Schiff zu sehen, aber es lag nun in fast zehn Meter tiefem Wasser. Die Hauptluke war noch frei. Von Fartuloon und den ande­ren konnte sie nichts bemerken. Vielleicht schwammen sie noch um die Station herum und suchten nach einem Einlaß.

Daquomart deutete auf einen Stuhl in der Ecke.

»Nimm Platz, Ischtar. Ich muß dich leider festbinden, damit du keinen weiteren Unsinn anstellst, danach werde ich dir sagen, was geschehen wird.«

Sie setzte sich und ließ es geschehen, daß stählerne Bänder sie an den fest verschraub­ten Stuhl fesselten. Damit begab sie sich endgültig in die Gewalt des Rebellen, dessen finstere Miene nichts Gutes verhieß.

Er betrachtete sein Werk zufrieden und trat zurück.

»Deine Freunde beraten gerade, was sie als nächstes unternehmen sollen, und ich werde ihnen die Entscheidung erleichtern. Die Station hat nicht nur einen Eingang,

19 Geheimprojekt der Varganen

mußt du wissen. Und von außen lassen sie sich nicht öffnen, wenigstens nicht ohne ge­wisse Hilfsmittel, die deine Freunde aber nicht besitzen. Ich werde also einen der Not­ausstiege öffnen, damit sie einsteigen kön­nen.«

Sie begriff nicht und sah ihn verblüfft an. »Warum denn das?« Dann aber fügte sie

ungläubig hinzu: »Willst du meinen Vor­schlag annehmen?«

Daquomart lächelte bösartig. »Natürlich nicht, meine Liebe. Deine

Freunde steigen ein, während ich die Haupt­tür und das Schott zur Maschinenanlage öff­ne. Ich verlasse die Station, und während sie sinkt, sitze ich schon hinter den Kontrollen und starte. Ich kenne die Pyramidenschiffe und kann mit ihnen umgehen.«

Sie sah ihn wütend an. »Warum hast du mich nicht gleich unten

gelassen?« »Das Vergnügen wollte ich mir nicht ent­

gehen lassen«, behauptete er. »Außerdem sollst du zusehen, wie deine Freunde in die Falle steigen, die auch ihnen zum Verderben wird.« Er setzte sich in den Sessel und betä­tigte einige Kontrollen. Mehrere Bildschir­me wurden hell. »Nun können wir die Stati­on von allen Seiten betrachten, auch wenn der größte Teil bereits unter Wasser ist. Dort, siehst du …? Deine drei Freunde. Was wollen die denn mit den Messern? Ah, ich verstehe. Vibratoren! Sie wollen durch die Hülle hindurch! Na, das wollen wir ihnen er­sparen, sie hätten dann später keine Kraftre­serven zum Schwimmen mehr …«

Entsetzt mußte Ischtar zusehen, wie sich nur wenige Meter von Fartuloon, Eiskralle und Corpkor entfernt eine kleine, runde Lu­ke in der stählernen Wand öffnete, und zwar dicht über der Wasseroberfläche. Die drei Männer stutzten, aber dann kletterte Fartu­loon den beiden anderen voran in die Station hinein.

Daquomart erhob sich. »Sie werden einige Zeit brauchen, bis sie

die Tür zum Gang geöffnet haben – mit ih­ren Messern.« Er drückte auf einen Knopf.

»Und nun werde ich verschwinden, Teuer­ste. Ich wünsche dir einen schnellen Tod. In fünf Minuten öffne ich auch das Schott.«

Er nickte ihr noch einmal zu, ehe er den Kontrollraum verließ. Die Tür blieb offen, was sie verwunderte, aber dann begriff sie, daß er damit ihre Qual nur vergrößern woll­te. Sie sollte zusehen, wie das Wasser nach dem Öffnen der Schottentür aus dem unteren Teil der Station nach oben stieg und alles allmählich überflutete.

Licht fiel in den Gang, als Daquomart die Haupttür aufgleiten ließ. Sie hörte noch ein­mal sein höhnisches Gelächter, dann trat Stille ein.

Die Bildschirme waren noch in Betrieb, und sie würden es bleiben, bis die unteren Räume überflutet waren. Es würde noch ei­nige Zeit dauern.

Angestrengt lauschte sie, aber sie hörte nur das Gluckern des langsam steigenden Wassers.

Wenn es Fartuloon und den anderen nicht gelang, sie rechtzeitig zu befreien, war alles verloren. Daquomart würde mit dem Schiff verschwinden, während sie alle hier ertran­ken.

Nur würde sie vor den anderen sterben.

*

»Drin sind wir«, stellte Fartuloon fest und betrachtete prüfend die Tür. »Aber wir müs­sen weiter. Ich bin überzeugt, der Kerl hat den Einstieg absichtlich geöffnet, aber ich frage mich vergeblich nach dem Grund. Einen Gefallen wird er uns wohl kaum tun wollen.«

»Eine Falle!« prophezeite Eiskralle dü­ster.

Fartuloon gab ihm recht. »Natürlich eine Falle. Aber es ist nur eine

halbe, weil wir es wissen. Also raus mit den Messern! Wir schneiden die Tür auf.«

Die Schneiden vibrierten mit einer derar­tigen Frequenz, daß sie schon bei leichte­stem Druck in den Stahl eindrangen. Lang­sam entstanden drei nur einen Millimeter

20

breite Spalten, die sich dann trafen. Nach einer halben Stunde schaffte der

vierte Schnitt die begehrte Öffnung. Fartuloon deutete auf das Rinnsal, das

schon vorher durch den unteren Spalt einge­sickert war!

»Wasser! Es steigt! Wir müssen uns beei­len!«

Sie stießen die herausgelöste Stahlplatte auf den Gang und kletterten über sie hinweg. Das Wasser stand einen Fuß hoch. Nach rechts wurde es tiefer, links war noch der trockene Boden zu erkennen.

»Wir müssen nach rechts«, erklärte Corp­kor kategorisch.

»Wie kommst du denn darauf?« fragte Fartuloon.

»Weil wir dort zuerst suchen müssen, wo das Wasser am höchsten steht. Die anderen Teile haben mehr Zeit. Wollen wir Ischtar nun helfen oder nicht?«

»Er hat recht«, stimmte Eiskralle seiner Theorie zu.

Sie kamen an einer halb in der Wand ver­schwindenden Tür vorbei und sahen von Wasser bedeckte Stufen, die nach unten führten. Fartuloon schloß wortlos den Helm und tauchte in den unteren Teil der Station hinab.

Corpkor sagte zu Eiskralle: »Wenn Ischtar dort unten ist, kommt er zu

spät. Sie ist längst ertrunken.« Ehe Eiskralle etwas antworten konnte,

hörten sie eine helle Stimme: »Seid ihr es? Corpkor? Ich hörte dich

sprechen. Hier bin ich, im Kontrollraum! Beeilt euch!«

Es waren nur wenige Schritte. Ischtar saß auf dem Stuhl, mit Stahlbän­

dern gefesselt und bis zur Brust bereits im Wasser. Immer noch brannte Licht, und die Bildschirme zeigten unverändert die Umge­bung der sinkenden Station.

»Der Saukerl!« fluchte Corpkor und schaltete das Vibrationsmesser ein. »Ganz ruhig bleiben, Ischtar, das haben wir gleich.«

In der Kontrolltafel erfolgten die ersten

Clark Darlton

Kurzschlüsse, als das energieleitende Was­ser falsche Kontakte herstellte. Ein Bild­schirm nach dem anderen erlosch. Nur der große arbeitete noch. Er zeigte Daquomart, der gerade dabei war, die Einstiegluke des Schiffes zu öffnen. Als es ihm nicht gelang, verschwand er auf der anderen Seite und konnte nicht mehr beobachtet werden.

»Wir haben die Frachtluke nicht ver­schlossen«, murmelte Eiskralle verbittert.

Corpkor lächelte kaum merklich in sich hinein und sagte nichts.

Als Ischtar endlich frei war und aufstand, reichte ihr das Wasser nur noch bis zu den Oberschenkeln.

»Wo ist Fartuloon?« fragte sie er­schrocken.

»Er taucht unten in der Station und sucht dich«, sagte Eiskralle nicht ohne Genugtu­ung.

Sie deutete auf den Bildschirm. »Wir müssen uns beeilen, ehe Daquomart

hinter den Schiffskontrollen sitzt. Er kann damit umgehen. Holt Fartuloon, ehe die Sta­tion völlig überflutet wird und endgültig sinkt.«

In diesem Augenblick fiel auch der Hauptschirm aus, und sie konnten die weite­ren Vorgänge außerhalb der Station nicht mehr verfolgen. Das Licht hingegen brannte noch immer.

Fartuloon erschien und öffnete den Helm. »Da bist du ja«, stellte er fest. »Und ich

suche dich da unten.« »Daquomart ist entkommen, Fartuloon.

Wir müssen ihn daran hindern, mit unserem Schiff zu starten.«

Sie warteten nun nicht mehr länger, muß­ten zu ihrer Enttäuschung feststellen, daß die Haupttür sich inzwischen wieder geschlos­sen hatte. Das Wasser war weitergestiegen.

»Die kleine Luke«, erinnerte Corpkor. »Aber sie wird schon überflutet sein.«

»Dann tauchen wir eben«, meinte Fartu­loon. »Wie lange kannst du die Luft anhal­ten, Ischtar?«

»Eine Minute, bestimmt nicht länger.« Eine Minute würde nicht reichen, aber

21 Geheimprojekt der Varganen

wenn sie nicht zu schwimmen brauchte, hielt sie es vielleicht etwas länger aus. Corp­kor und Eiskralle sollten sie zwischen sich nehmen und mitziehen.

Als sie die Tür mit dem herausgeschnitte­nen Loch erreichten, ging Fartuloon vor. Um in den dahinter liegenden Raum mit der Not­luke zu gelangen, mußte er tauchen. Er kam aber sofort wieder zurück.

»Wir haben Glück. Hinter der Tür reicht das Wasser gerade bis zum Hals. Die Luke selbst ist allerdings überflutet, aber das spielt keine Rolle mehr. Wir sind in dreißig Sekunden draußen.«

»Das schaffe ich ohne eure Hilfe«, sagte Ischtar und holte tief Luft.

Ehe sie jemand daran hindern konnte, tauchte sie unter, schwamm durch das Loch in der Tür und stand dann im Lukenraum. Die drei Männer folgten der Varganin.

»Die Luke ist dicht über dem Boden, an­derthalb Meter unter dem Wasser. Viel hö­her wird es draußen auch nicht sein.« Fartu­loon deutete gegen die Decke. »An dieser Stelle ist es sogar möglich, daß die Plattform noch trocken ist. Wir werden ja sehen. Folgt mir in Abständen von zehn Sekunden.«

Wieder schloß er den Helm und ver­schwand in dem dunklen Wasser. Die geöff­nete Luke war nur undeutlich zu sehen, ein verschwommener heller Fleck. Fartuloon tauchte hindurch, dann folgte ihm Eiskralle.

»Los, jetzt du!« sagte Corpkor. »Ich blei­be dicht hinter dir.«

Ischtar nickte, pumpte die Lungen voll Luft und sank unter Wasser. Corpkor hatte seinen Helm längst geschlossen und konnte sie beobachten. Sie stellte sich sehr ge­schickt an, tauchte mit dem Kopf voran durch die Luke und erreichte mit wirbelnden Füßen schnell die Meeresoberfläche.

Sie hangelten sich an der Plattform ent­lang, bis sie endlich eine Stelle erreichten, an der sie hinaufklettern konnten. Ihr erster Blick galt dem Schiff.

Es lag fast am Rand der sich immer schrä­ger stellenden stählernen Insel. Es war nur noch eine Frage von Minuten, bis es endgül­

tig abrutschte und ins Meer fiel. »Wenn wir Glück haben, bleibt es an den

Unterwasserklippen hängen«, murmelte Far­tuloon. »Wenn nicht, landet es in dem tiefen Graben. Wenn Daquomart vergessen hat, die Ladeluke zu schließen, läuft es voll.«

Sie verloren auf dem mit Pflanzenresten verklebten Boden der Plattform immer wie­der den Halt, und dann mußten sie wieder schwimmen, um an das Schiff heranzukom­men.

»Er kann jeden Moment starten«, befürch­tete Ischtar.

Corpkor, der neben ihr schwamm, beru­higte sie:

»Keine Sorge, Ischtar. So schnell wird ihm das nicht gelingen.«

»Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«

»Du hast meine Tiere vergessen, vor allen Dingen Quirrel«, sagte Corpkor gelassen. »Auf ihn ist Verlaß.«

*

Daquomart gab fluchend seine vergebli­chen Versuche auf, die Haupteinstiegsluke des Schiffes zu öffnen. Sie war geschlossen, seit Ischtar aus dem Schiff gekommen war, also hatten die drei Männer einen anderen Ausgang benutzt. Vielleicht ließ sich der leichter öffnen.

Die Plattform neigte sich immer mehr und wurde allmählich völlig überflutet. Auch das Schiff begann langsam zu rutschen, dem Rand entgegen. Es wurde höchste Zeit, in sein Inneres zu gelangen.

Auf der anderen Seite entdeckte er die of­fene Ladeluke.

Hastig kletterte er hinein und schloß sie hinter sich. Durch den Gang gelangte er zu den Kabinen, aber sie interessierten ihn nicht. Sein Ziel war die Kommandozentrale.

Das Schiff war vom gleichen Typ wie seins, das nun fluguntauglich auf dem Grund des Meeres lag. Er konnte damit umgehen, wenn er auch noch nicht wußte, welchen Planeten er ansteuern sollte. Es gab genug

22

Versunkene Welten mit verlassenen Statio­nen der Varganen, und viele der unsterbli­chen Rebellen waren inzwischen eines ge­waltsamen Todes gestorben. Er würde ein neues Versteck finden, in dem er vor Ma­gantilliken sicher war.

Als er endlich die Kommandozentrale er­reichte, war er davon überzeugt, daß sich au­ßer ihm kein lebendes Wesen an Bord be­fand. Ischtar wurde also nur von den drei Männern begleitet, die er in die Falle gelockt hatte. Um so besser.

Er schob seinen Handstrahler in den Gür­tel zurück, nachdem er ihn gesichert hatte. Die Verschlußklappe der Tasche ließ er je­doch vorsichtshalber geöffnet, um die Waffe im Notfall schnell ziehen zu können.

Die Kontursessel vor den Kontrollen wa­ren unbesetzt, wie er es erwartet hatte. Sie hatten also nicht einmal eine Wache im Schiff zurückgelassen.

Daquomart beglückwünschte sich zu sei­nem durchschlagenden Erfolg und zur kampflosen Eroberung des Schiffes, das ihn nun von der sinkenden Stahlinsel wegbrin­gen würde.

Er setzte sich und studierte die Kontrol­len, als er ein Geräusch hörte.

Zuerst glaubte er, es stamme von dem rut­schenden Gleiten der Schiffshülle auf der immer schräger werdenden Plattform, aber dann erkannte er seinen Irrtum. Nein, das war nicht das Schaben von Metall auf Me­tall, sondern mehr wie ein Trappeln von kleinen Füßen.

Dann huschte etwas quer durch den Raum und landete genau vor seinem Gesicht auf dem Kontrolltisch. Ein Tier, gerade zwei Handlängen groß, saß auf den Hinterbeinen und sah ihn aus dunklen, klugen Augen an. Das blaue Fell sträubte sich in der Nacken­gegend.

Daquomart gab den Blick verblüfft zu­rück und war unfähig, sich zu rühren. Es kam oft vor, daß sich Raumfahrer gezähmte Tiere mit auf die Reise nahmen, aber so ei­nes wie dieses hatte er noch nie gesehen. Wenn er sich nicht irrte, schimmerte in den

Clark Darlton

dunklen Augen sogar so etwas wie Intelli­genz.

»Verschwinde!« brüllte er das Tier an und wollte es mit einer Handbewegung ver­scheuchen, aber er hatte die Rechnung ohne Quirrel gemacht. Blitzschnell schlug die mit scharfen Krallen bewehrte Vorderpfote zu, und als Daquomart seine Hand mit einem Schmerzensschrei zurückzog, blutete sie.

»Du Biest!« schimpfte er wütend. »Dir werde ich es zeigen …!«

Mitten im Satz hörte er auf zu sprechen, denn er sah doppelt.

Vor ihm auf dem Tisch saßen zwei der Tiere, und ein drittes flog aus einer Ecke heraus und landete ebenfalls auf dem Tisch. Die dunklen Augen sahen ihn drohend an.

Daquomart war kein Tierfreund, schon gar nicht in dieser Situation. Am liebsten hätte er die Viecher mit dem Strahler erle­digt, aber das wagte er nicht – aus Furcht, die Instrumente zu beschädigen.

Außerdem hatte er es inzwischen mit zehn Gegnern zu tun, und das Trappeln im Schiffskorridor hörte noch nicht auf. Es war, als habe sich in den Kabinen eine ganze Ar­mee dieser kleinen und wehrhaften Tiere verborgen gehalten.

Mit einem Ruck wurde der Handstrahler aus der Tasche am Gürtel gerissen. Daquo­mart fuhr herum und sah noch gerade, wie drei oder vier der kleinen Tiere die Waffe in den Korridor schleppten und irgendwo ver­schwanden.

Er wollte aufspringen, sank aber wieder in den Sessel zurück. Bis er den Strahler wie­dergefunden hatte, konnte die Station end­gültig versunken und das Schiff von der Plattform abgerutscht sein. Er durfte keine Zeit mehr verlieren.

»Verschwindet endlich!« schrie er ver­zweifelt und ließ seine Hand vorschnellen, um den Haupt-Energie-Schalter zu betäti­gen.

Quirrel und drei seiner Artgenossen stürz­ten sich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit auf die Hand und bissen sich regelrecht dar­in fest. Daquomart brüllte auf wie ein Bron­

23 Geheimprojekt der Varganen

tosaurier. Er schüttelte seine Hand, und die drei Quirrels flogen davon und landeten auf dem Boden. Eines der Tiere nahm allerdings den halben Daumen des Rebellen mit.

Nun war es aus mit seiner Geduld. Er sprang auf und schwang die Fäuste, um

die restlichen Quirrels vom Tisch zu fegen, aber er hatte die anderen vergessen, die in­zwischen die Kontrollzentrale bevölkerten. Wie ein Schwarm Riesenbienen stürzten sie sich von allen Seiten auf ihn und bissen und kratzten, wo sie auch nur ein Stück Haut entdeckten. Einige bissen mit ihren scharfen Zähnen sogar durch den Stoff seiner Beklei­dung hindurch.

Er sank in den Sessel zurück, und sofort ließen die Tiere von ihm ab. Rings um ihn herum saßen sie und belauerten ihn. Bei der geringsten Bewegung spannten sich ihre Hinterläufe zum Sprung.

Daquomart wußte, daß ihm möglichst schnell etwas einfallen mußte, wenn der Start gelingen sollte. Das Schiff rutschte mehr und mehr dem Rand der Plattform ent­gegen, die sich immer schräger stellte. Die Station lief allmählich voll Wasser.

»Ihr seid aber nette Tierchen«, säuselte er mit sanfter Stimme und versuchte, möglichst tierliebend auszusehen. Ihm war, als würde der Blick in den Augen der Quirrels auch ein wenig sanftmütiger und friedfertiger. Er schöpfte neue Hoffnung. »Ich tue euch be­stimmt nichts, ich will nur den Bildschirm einschalten …«

Seine Hand kam diesmal sehr langsam und vorsichtig nach vorn. Blut tropfte auf den Tisch, und die Wunden schmerzten höl­lisch. Als die Finger nur noch wenige Zenti­meter vom Hauptschalter entfernt waren, hoppelte Quirrel gemächlich und scheinbar zutraulich näher und biß zu.

Diesmal wäre Daquomart beinahe aus dem Sessel gekippt, so überrascht war er über den unverhofften Angriff. Und die Wunde war diesmal besonders tief. Sie be­gann sofort zu bluten.

»Ich bringe euch alle um!« rief er voller Zorn und sah sich nach einem geeigneten

Gegenstand um, mit dem er den Gegnern zu Leibe rücken konnte, aber er fand nichts. »Wir werden noch alle ersaufen, wenn ihr nicht vernünftig werdet! Wollt ihr das?«

Anscheinend wollten die Quirrels das wirklich, denn sie rührten sich nicht vom Fleck und achteten auf seine Hände. Inzwi­schen war der ganze Kontrollraum voll von ihnen. Daquomart schätzte ihre Zahl auf mehr als zweihundert. Dagegen kam er nicht mehr an.

Außerdem geschah nun das, was er so lange schon befürchtet hatte. Seine Station tauchte an der gegenüberliegenden Seite wieder auf, während die Kante, auf der das Schiff lag, tiefer ins Wasser tauchte.

Das Schiff rutschte über die Kante hinweg und versank.

Sehen konnte Daquomart das alles nicht, aber spüren. Seiner Schätzung nach dauerte der Sinkprozeß nicht lange, dann bekam das Schiff Grundberührung, legte sich schräg und kam zur Ruhe. Es war zum Glück nicht in den tiefen Graben gerutscht.

Er blieb sitzen und rührte sich nicht. Vor ihm auf dem Kontrollbord leuchtete

eine Lampe auf. Die Quirrels sahen ihn unverwandt an und

ließen ihn keine Sekunde aus den Augen …

*

Noch bevor sie das Schiff erreichen konn­ten, rutschte es über die Kante der stählernen Insel und begann zu sinken. Beide Pyrami­denspitzen verschwanden im Wasser, nur der dickere Mittelteil blieb an der Oberflä­che und damit auch der Haupteinstieg. Doch dann drehte sich der ganze Rumpf, als das Schiff auf dem Meeresgrund ein Stück wei­terrollte.

»Verdammt!« fluchte Fartuloon. »Jetzt ist der Einstieg unter Wasser! Wenn Daquo­mart die Luftschleuse nicht geschlossen hat, läuft das Schiff voll, wenn wir eindringen!«

»Dann pumpen wir es eben wieder leer«, sagte Ischtar gefaßt.

»Laßt mich gehen«, erbot sich Corpkor.

24

»Die Quirrels gehorchen mir am besten. Ich nehme an, sie haben Daquomart bereits in der Zange. Er wäre sonst längst gestartet.«

Die anderen waren einverstanden. Sie wa­ren so weit zurückgeschwommen, daß sie wieder auf der schrägliegenden Plattform stehen konnten. Corpkor schloß seinen Helm, rückte das Vibrationsmesser zurecht und kraulte auf das Schiff zu. Noch bevor er es erreichte, tauchte er weg.

Vorsichtig umrundete er es unter Wasser und stellte zu seiner Erleichterung fest, daß die Ladeluke geschlossen war. Durch sie war nun ein Eindringen unmöglich gewor­den, denn sie besaß keine Luftschleuse.

Er näherte sich der Hauptluke, die Ischtar von außen verschlossen hatte. Dem Rebellen war die Kombination nicht bekannt, aber Corpkor hatte sie im Kopf. Er stellte sie ein und drehte das Rad.

Wenn die Innenluke der Schleuse geöff­net war, würde Daquomart ertrinken, und vielleicht auch einige der Quirrels. War sie jedoch geschlossen, gelangte er ins Schiff, ohne daß es zum Wassereinbruch kam.

Die Schleusenkammer lief voll, Corpkor schloß die Außenluke und setzte die Pumpe in Betrieb. Das Wasser wurde abgesaugt, aber das Geräusch würde Daquomart war­nen. Das war leider nicht zu ändern, aber Corpkor hoffte, daß die Quirrels den Rebel­len unter ihrer Kontrolle hatten.

Behutsam öffnete er die Innenluke und betrat den Korridor.

Ein Lächeln überzog sein Gesicht, als er schon von weitem das Gebrüll Daquomarts hörte, der seiner Verzweiflung und seiner Enttäuschung Luft zu machen versuchte, gar nicht zu reden von den Schmerzen, die ihn peinigten.

Als Corpkor die Kommandozentrale er­reichte, bot sich ihm ein Bild, das all seine Vermutungen bestätigte.

Daquomart hockte in sich zusammenge­sunken im Sessel vor den Kontrollen, umge­ben von einigen Dutzend Quirrels, die jede seiner Bewegungen mit wachsamen Augen verfolgten.

Clark Darlton

Jener Quirrel, der »Quirrel«, hieß, hopste mit einem Satz in Corpkors Arme und ku­schelte sich zufrieden zusammen.

»Damit hast du wohl nicht gerechnet, Daquomart«, sagte Corpkor endlich, nach­dem er das Bild lange genug genossen hatte. »Schön sitzenbleiben jetzt und nicht von der Stelle rühren, bis die Erlaubnis dazu erteilt wird.« Er wandte sich an Quirrel: »Paßt gut auf ihn auf, ich bin gleich zurück!«

Er holte Fartuloon, während Eiskralle bei Ischtar blieb, bis man das Schiff so weit auf­gerichtet hatte, daß die Hauptluke wieder über Wasser lag.

Daquomart ließ sich widerstandslos einen Magnetblock um die Handgelenke legen. Nun war er wehrlos und konnte keinen Un­fug mehr anrichten.

Die Quirrels wurden entlassen und ver­schwanden in den ihnen zugewiesenen Ka­binen, um sich von den Strapazen der Schlacht zu erholen. Außerdem hatte sie Hunger.

Ischtar setzte sich in den Sessel neben Fartuloon und sah den Gefangenen an.

»Nun, Daquomart, was jetzt? Deine Stati­on hat du verloren, und ein Schiff hast du auch nicht bekommen. Willst du jetzt mein Angebot annehmen und mit uns kommen? Es gilt noch – allerdings nur unter der Be­dingung, daß du uns hilfst.«

»Ich tue alles, was du wünschst, Ischtar. Tut mir leid, daß es Mißverständnisse gege­ben hat.«

Sie fauchte ihn an: »Mißverständnisse nennst du es, wenn du

mich ertränken wolltest? Ich nenne das einen versuchten Mord!« Ihre Stimme wur­de wieder sanfter. »Aber wir wollen es ver­gessen, wenn du mir sagst, auf welchem der Versunkenen Planeten die letzten Versuche der Varganen mit der Absoluten Bewegung stattfanden. Das ist alles, was ich von dir verlange.«

»Und wenn ich es dir sage?« fragte er lau­ernd. »Solange ich den Mund halte, bin ich wertvoll für dich. Wenn du die Antwort weißt, kannst du mich umbringen. So ein­

25 Geheimprojekt der Varganen

fach ist das.« Sie blickte ihn durchdringend an. »Ich möchte dich auf eine Tatsache auf­

merksam machen, die dir vielleicht bisher entgangen ist: meine Freunde und ich haben einen anderen Charakter als du. Auf unser Wort kannst du dich verlassen, und wenn wir dir die Freiheit versprechen, falls du uns hilfst, dann bekommst du sie auch – voraus­gesetzt natürlich, du verfällst nicht abermals auf dumme Gedanken. Hoffentlich bist du klug genug, das nun endgültig zu begreifen. Du hast nicht viel Zeit!« Sie wandte sich an Fartuloon. »Beginne mit den Vorbereitun­gen zum Start. Wenn du damit fertig bist, setzen wir Daquomart auf der anderen Seite des Planeten ab. Ich kann mich erinnern, daß es dort eine kleine Insel gibt.«

Daquomart zuckte zusammen und biß sich auf die Lippen.

Ischtars Drohung kam einem Todesurteil gleich.

Er kannte die kleine Insel, die nicht aus Pflanzentürmen, sondern aus festem Fels be­stand. Nichts wuchs auf ihr, sie war kahl und öde.

Fartuloon begann mit der Überprüfung der Instrumente und checkte die Kontrollen durch. Dann schaltete er den Antrieb ein.

Daquomart hatte stumm da gesessen und mit sich gekämpft. Ischtar beobachtete ihn kalt und ohne Mitleid. Im Hintergrund stand Corpkor, Quirrel schon wieder auf dem Arm. Eiskralle war mit der Funkanlage be­schäftigt.

»Nun?« machte Ischtar und beugte sich vor. »Du hast noch eine Minute.«

Daquomart sagte tonlos: »Es gibt nur einen Planeten, auf dem Ex­

perimente durchgeführt wurden, wenigstens im Makrokosmos, und das war Cyro. Mehr weiß ich auch nicht.«

Ischtar nickte Eiskralle zu. »Bring ihn in seine Kabine und sichere

die Tür. Wir nehmen ihn mit und setzen ihn bei erstbester Gelegenheit irgendwo ab.«

Fartuloon nahm den Sternkatalog und suchte die Koordinaten des Planeten Cyro

heraus, um den Kurs programmieren zu kön­nen.

»Glaubst du, das er die Wahrheit gesagt hat?« fragte er Ischtar.

»Ganz bestimmt hat er das«, entgegnete sie. »Er weiß genau, daß er sonst hiergeblie­ben wäre, und das hätte er kaum mehr als ein paar Tage überlebt.« Sie schwieg eine Weile, dann fuhr sie fort: »Auf Cyro soll sich also auch ein Rebell aufhalten, nehme ich an. Ich bin gespannt, ob er kooperativer ist als Daquomart.«

»Hoffen wir es, Ischtar. Aber es ergibt sich nun eine weitere Frage: weiß dieser Re­bell überhaupt, daß sich auf seinem Planeten ein Umsetzer zur Einleitung der Absoluten Bewegung befindet? Vielleicht hat er keine Ahnung davon, vielleicht ist er nur froh, einen sicheren Schlupfwinkel gefunden zu haben?«

»Das werden wir herausfinden, Fartuloon. Wie weit bist du?«

Er nickte in Richtung der Kontrollen. »Fertig! Willst du übernehmen?« Sie schüttelte den Kopf und stand auf. »Ich bin müde und erschöpft nach allem,

was passiert ist. Ich lege mich hin. Starte in­zwischen zur ersten Etappe und plane dann eine längere Pause ein. Wir müssen ausge­ruht sein, wenn wir Cyro anfliegen. Wer weiß, was uns dort erwartet.«

Fartuloon sah ihr nach, ehe er den Start einleitete.

Auf dem Bildschirm war die halbversun­kene Station zu erkennen, die nun keinen Zweck mehr erfüllte. Schon begannen die Pflanzentürme damit, von ihr Besitz zu er­greifen. In ein paar Jahren würde sie unter einem grünen Teppich völlig verschwunden sein.

Das Doppelpyramidenschiff erhob sich aus den Fluten und stieg langsam in den Himmel hinauf, dann wurde es schneller und verschwand zwischen den heraufziehenden Wolken.

Unten aber flogen die gefesselten Vögel weiter um die Pflanzentürme und suchten nach Beute.

26

Noghmura, der Wasserplanet, war wieder menschenleer.

3.

Nach der Pause und vor der letzten Fluge­tappe weckte Corpkor Ischtar. Fartuloon und Eiskralle schliefen.

»Es ist besser, du übernimmst jetzt wie­der, Ischtar. Der Kurs ist programmiert. Ich kümmere mich um das andere.«

Sie erschien zehn Minuten später in der Zentrale. Corpkor saß hinter den Funkgerä­ten und Ortern. Er nickte ihr zu.

»Alles ruhig. Keine Echos.« Sie studierte die Karten und Daten. »In den Aufzeichnungen Küllsannimonts

wird der Planet Cyro nicht aufgeführt. Ich frage mich, woher Daquomart seine Kennt­nisse hat. Wieviel weiß er überhaupt?«

Corpkor sah auf. »Ich glaube, er weiß überhaupt nichts,

Ischtar. Soweit ich es den Unterlagen ent­nehmen kann, handelt es sich bei Cyro um einen absolut bedeutungslosen Planeten. Auf den Karten ist nicht einmal ein Vermerk an­gebracht. Das System hat fünf Planeten, die Sonne ist gelbweiß.«

Ischtar antwortete nicht sofort. Corpkors Argumente klangen nicht überzeugend. Sie war davon überzeugt, daß in keiner Karte Hinweise gegeben würden, sollten auf Cyro wirklich entsprechende Experimente stattge­funden haben. Im Gegenteil: je geheimer ein Projekt war, desto harmloser mußte das Sy­stem sein, in dem es verwirklicht werden sollte.

Als das Schiff nach einiger Zeit wieder in das Normaluniversum zurücktauchte, stand die gelbweiße Sonne groß und hell auf dem Panoramaschirm. Die Orter erfaßten die fünf Planeten, von denen der vierte Cyro hieß.

Bis jetzt stimmten die Angaben Daquo­marts.

»Keine Echos, keine Funkzeichen«, gab Corpkor bekannt.

Ischtar ließ das Schiff mit halber Lichtge­schwindigkeit in das System eindringen und

Clark Darlton

korrigierte dann den Kurs so, daß sie drei Stunden später in eine Kreisbahn um Cyro einschwenken mußten.

Die Datenverwertung ließ erkennen, daß die drei äußeren Welten durchaus annehm­bare Lebensbedingungen boten, aber es gab keine Anzeichen einer wie auch immer gear­teten Zivilisation. Alle Planeten schienen unbewohnt zu sein, wenn man von Vegetati­on und niederen Tierarten absah, die sich zu­mindest auf Cyro entwickelt hatten.

»Sollen wir uns jetzt Daquomart vorneh­men?« fragte Corpkor. »Es wird mir ein Vergnügen sein, die Quirrels mit ihm spie­len zu lassen, wenn er uns hereingelegt ha­ben sollte.«

»Fartuloon kann ihn mitbringen, ich wecke ihn gleich.«

Auch Eiskralle erschien wenig später und betrachtete den sich schnell vergrößernden Globus auf den Schirmen. Deutlich waren schon die Kontinente und Meere zu erken­nen. Riesige Wolkenfelder verdeckten aller­dings Teile der Oberfläche.

Fartuloon stieß den noch immer gefessel­ten Daquomart in die Seite und deutete auf den Bildschirm.

»Das ist Cyro, das von dir angegebene Ziel. Solltest du uns angelogen haben, kannst du dich auf etwas gefaßt machen. Wo also ist dieser sagenhafte Umsetzer, über den du angeblich so gut Bescheid weißt?«

Daquomart erwiderte: »Löst die Magnetfessel, sie ist unbequem.

Glaubt ihr denn, ich würde euch helfen, wenn ihr mich wie einen Sklaven behan­delt?«

»Die Quirrels könnten es mißverstehen, wenn du frei herumläufst«, erklärte Corpkor. »Und sie werden dann sehr unangenehm, wie du weißt. Rede also besser, das ist ge­sünder.«

»Sage uns alles, was du weißt«, forderte Ischtar ihn auf. »Und woher du es weißt!«

Daquomart zuckte die Achseln. »Soviel weiß ich nun auch wieder nicht.

Ich hörte lediglich vor längerer Zeit, daß ge­wisse Experimente auf Cyro stattfänden. Wo

27 Geheimprojekt der Varganen

sich ein Umsetzer befindet, ist mir unbe­kannt. Ihr habt doch Ortungsgeräte an Bord, Massetaster und andere Instrumente, mit de­nen sich eine Menge anfangen läßt. Meine Station auf Noghmura habt ihr ja auch ge­funden.«

»Er ist reichlich frech«, stellte Corpkor fest.

»Nicht mehr lange«, prophezeite Fartu­loon, der Ischtar an den Flugkontrollen ab­gelöst hatte. »Wenn wir hier nichts finden, werde ich mich sehr eingehend mit ihm be­schäftigen.« Er schaute zu Daquomart. »Dann wirst du dir die Quirrels noch herbei­wünschen, das kann ich dir versprechen.«

Bis sie die Umlaufbahn erreichten, wurde nicht mehr viel gesprochen. Corpkor spei­cherte Daten und gab sie an den Auswer­tungskomputer weiter. Fartuloon korrigierte mehrmals, bis sie endgültig auf richtigen Kurs lagen. Ischtar ließ Daquomart nicht aus den Augen und studierte jede Regung in sei­nem Gesicht, wobei sie versuchte, sie gleichzeitig zu analysieren.

Um die Lippen des Rebellen spielte ein kaum zu deutendes Lächeln. Spott und Ge­nugtuung vielleicht? Ischtar wußte es nicht.

Auch Fartuloon schien es bemerkt zu ha­ben, aber er schwieg.

Corpkor schwang mit seinem Sessel her­um.

»Nichts, wenn ihr mich fragt. Keine be­merkenswerten Metall- oder Erzansammlun­gen, nicht einmal in den Gebirgen. Es gibt auch nichts, was auf eine unter der Oberflä­che verborgene Anlage deuten könnte. Na­türlich kann sie abgeschirmt sein, wie alle Stationen der Varganen, aber trotzdem wür­den wir Hinweise registrieren können. Ich glaube, wir haben diesen Ausflug umsonst gemacht.«

»Ich meine, ihr müßt weitersuchen! Wenn es diesen Umsetzer gibt, hat man ihn gut ge­tarnt und abgesichert. Schließlich hat es sich um sehr wichtige und geheime Experimente gehandelt, da kann niemand verlangen, daß die entsprechenden Anlagen so einfach in der Gegend herumstehen.«

Natürlich hatte er recht. Das sah auch Far­tuloon ein.

»Wir bleiben zehn Stunden im Orbit, dann gehen wir tiefer. Wir umkreisen Cyro innerhalb der Atmosphäre unter der Wol­kendecke und versuchen etwas zu ent­decken. So haben wir ja auch die Station auf Noghmura gefunden.«

Aus Daquomart war nichts mehr heraus­zuholen. Sie schafften ihn zurück in seine Kabine, die wieder verschlossen wurde. Ischtar brachte ihm etwas zu essen und trin­ken. Als sie ihn verließ, sagte sie:

»Ich warne dich, Daquomart! Wenn du dein Schweigen nicht bald brichst und uns alles sagst, was dir bekannt ist, könnte je­mand von uns die Geduld verlieren …«

»Ich weiß nicht mehr als das, was ich schon sagte«, beteuerte er. »Hör zu, Ischtar, warum mußt du unbedingt in den Mikrokos­mos zurückkehren? Du weißt, welche Ge­fahren uns dort drohen. Niemand von uns kann wissen, was geschehen wird, wenn wir den Umsetzer in Betrieb nehmen. Du spielst mit Gewalten, von denen du keine Ahnung hast und die uns alle verderben können.«

Ischtar war an der Tür stehengeblieben. Sie betrachtete ihn forschend.

»Soll das heißen, daß du meine Absichten durchkreuzen möchtest?«

»Ich will dich nur warnen, das ist alles. Ich habe genug über die damaligen Experi­mente gehört. Die Folgen waren alles andere als erfreulich für uns alle, wie du dich viel­leicht erinnern kannst. Laß die Hände da­von!«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe Gründe, die du nie verstehen

würdest. Nichts kann mich daran hindern, den Versuch zu unternehmen, in den Mikro­kosmos zu gelangen, selbst wenn ich dort dem Henker begegne. Ich fürchte ihn nicht. Und du wirst mir dabei helfen, ob du willst oder nicht.«

»Ich habe dir den Planeten genannt, mehr werde ich nicht tun.«

»Darüber sprechen wir noch«, sagte sie und ging.

28

*

Corpkor hatte sich schlafen gelegt. Fartu­loon und Ischtar befanden sich allein in der Kommandozentrale. Sie berichtete ihm von ihrem Gespräch mit dem Gefangenen.

»Seine Angst hat zwei verschiedene Gründe«, behauptete Fartuloon nach kurzem Nachdenken. »Entweder fürchtet er sich wirklich vor den Folgen eines Experiments mit dem Umsetzer, falls wir ihn doch noch hier finden sollten, oder er hat uns belogen und ahnt die Konsequenzen. Wenn wir wis­sen, welcher der beiden Gründe der richtige ist, wissen wir auch, ob es Sinn hat, hier weiterzusuchen oder nicht.«

»Suchen wir weiter«, sagte sie und nahm Corpkors Platz an den Ortergeräten ein.

Sie wiederholte sämtliche bereits vorge­nommenen Messungen und erhielt das glei­che Ergebnis. Die Kruste des Planeten Cyro bestand bis zu einer Tiefe von drei Kilome­tern aus Fels und gelegentlichen unbedeu­tenden Erzvorkommen.

»Bei Noghmura war es nicht viel anders«, sagte sie abschließend.

»Dort wußten wir aber, daß eine Station existierte, und darum fanden wir sie auch«, sagte Fartuloon, immer noch skeptisch. »Hier ist das anders.«

»Wir haben noch drei Stunden, Fartu­loon.«

Sie löste ihn später ab und blieb in der Zentrale, bis Eiskralle kam und übernahm, um das Schiff in die Atmosphäre hinabzu­steuern.

Auch Corpkor erschien, frisch und ausge­schlafen.

»Jetzt wird es sich entscheiden, ob ich diesen Daquomart von meinen Quirrels aus­einandernehmen lasse oder nicht«, äußerte er grimmig und setzte sich. »Der Kerl lügt wie gedruckt!«

Sie sanken tiefer und durchstießen die Wolkenschicht. Unter ihnen lag ein Meer, am Horizont tauchte der nächste Kontinent auf. Wieder liefen die Instrumente auf

Clark Darlton

Hochtouren, ohne greifbare Ergebnisse zu bringen. Um die optische Beobachtung zu intensivieren, wurden die Vergrößerungen aktiviert. Auf dem Bildschirm sah es nun so aus, als glitte man in nur wenigen Metern Höhe über die Oberfläche von Cyro dahin.

Die sandige Küste des Kontinents kam in Sicht. Das Wasser unter dem Schiff wurde heller, und man konnte bis zum Grund hinab sehen, so klar war es. Auf dem Land zeigte sich keine Spur von Leben, abgesehen von der üppigen Vegetation und gelegentlichen Tierherden, die über die Steppen zogen.

»Eine Paradieswelt«, stellte Fartuloon fest, der in die Zentrale gekommen war. »Viel zu schade jedenfalls, um Daquomart dort abzusetzen. Einen größeren Gefallen könnten wir ihm gar nicht tun – und viel­leicht war das auch seine Absicht. Jedenfalls wäre Noghmura schlechter für ihn gewe­sen.«

»Ischtar scheint ihm noch immer zu glau­ben«, meinte Eiskralle.

»Nicht mehr lange«, prophezeite Corpkor. Ischtar erschien erst eine Stunde später.

Fartuloon sagte: »Eine Umrundung in zwei Kilometer Hö­

he haben wir hinter uns. Wir gehen nun süd­licher. Ich denke, insgesamt werden zehn Umkreisungen genügen. Wenn wir dann nichts gefunden haben …«

Er ließ den Rest offen. Ischtar nickte. »Dann überlasse ich Daquomart euch«,

sagte sie.

*

Mit zusammengekniffenen Lippen saß Daquomart später vor dem Bildschirm und starrte wortlos auf die vorbeiziehende Land­schaft. Wenn er gefragt wurde, lautete seine Antwort jedesmal: »Ich weiß nichts, denn ich bekam selbst nur diesen Tip – das ist al­les.«

Fartuloon beobachtete ihn aufmerksam und gelangte allmählich zu der Überzeu­gung, daß der Rebell die Wahrheit sagte.

29 Geheimprojekt der Varganen

Niemand konnte so hartnäckig lügen, ohne sich mindestens einmal zu verraten. Seine Sturheit begann überzeugend zu wirken.

Schließlich meinte Ischtar: »Wir vertrödeln unsere Zeit. Ich habe

zwei Vorschläge: entweder kehren wir in die Kreisbahn zurück, um auszuschlafen und dann zu überlegen, was wir unternehmen, oder wir landen. Ich würde eine Landung vorziehen. Wir haben dann Gelegenheit, mit dem Gleiter weitere Nachforschungen anzu­stellen.«

»Meinen Quirrels täte ein Landurlaub recht gut«, stimmte auch Corpkor dem letz­teren Vorschlag zu. »Es ist schön, sich die Beine zu vertreten, vielleicht wird Daquo­mart auch gesprächiger, wenn er zusehen kann, wie meine lieben Tierchen auf die Jagd gehen.«

»Also landen wir«, beendete Fartuloon die kurze Debatte.

Auf der Tagseite überflogen sie einen un­übersehbaren Urwald mit zahlreichen Sumpfseen, ohne daß die Massetaster etwas registrierten, und fanden ein geeignetes Hochplateau. Vorsichtig setzte Fartuloon das Schiff auf den felsigen Grund und schal­tete den Antrieb ab. Er lehnte sich zurück.

»In zehn Stunden werde ich mit dem Gleiter einen ersten Erkundungsflug unter­nehmen. Jemand kann mich begleiten, die beiden anderen bleiben beim Schiff und Daquomart zurück. Corpkor auf jeden Fall, den er muß auf seine Quirrels aufpassen.«

»Ich werde dich begleiten«, erbot sich Eiskralle.

Der Gefangene wurde in sein Gefängnis zurückgebracht, dann begaben sie sich zur Ruhe. Auf dieser Welt drohte ihnen keine Gefahr.

Fartuloon erwachte zwei Stunden vor Be­ginn des geplanten Erkundungsflugs, zog sich an und ging in den Hangar, um den Gleiter startbereit zu machen und ins Freie zu bringen. Dann weckte er die anderen.

»Wir nehmen Westkurs und fliegen der Sonne nach, Eiskralle. So bleibt es länger hell für uns. Corpkor, paß auf Ischtar auf –

und natürlich auf Daquomart. Laß deine Quirrels grasen, vielleicht geben sie dann Milch …«

Corpkor verzichtete auf eine Antwort und sah zu, wie seine kleinen Vierbeiner in Gruppen davonsprangen und zwischen dem hohen Gras verschwanden. Er wußte, daß sie in genau drei Stunden wieder zurück sein würden – satt und zufrieden.

Der Gleiter startete und flog in geringer Höhe nach Westen.

Ischtar sah hinter ihm her. »Ich hoffe für Daquomart, daß sie etwas

finden«, murmelte sie. Es begann zu dämmern. Corpkor sammel­

te trockenes Holz und machte ein Feuer, dann holte er den Gefangenen, ohne ihn von seiner Fessel zu befreien.

»Du sollst auch ein bißchen frische Luft haben, vielleicht hilft das deinem Erinne­rungsvermögen«, sagte er und wich Ischtars fragenden Blicken aus. »Weißt du, was Quirrels am liebsten essen?« Er wartete nur eine Sekunde, um dann fortzufahren: »Fleisch, lieber Freund, lebendiges Fleisch. Und wie du wohl weißt, haben wir davon nur wenig an Bord des Schiffes. Ein Befehl von mir, und du bist ihre Beute, vergiß das nicht! Ischtar hätte allen Grund, dir ein sol­ches Schicksal zu gönnen, aber sie hat ein zu weiches Herz. Ich habe das nicht, Daquo­mart.« Er seufzte und legte Holz nach. »Das wollte ich dir nur noch gesagt haben. Falls du möchtest, kannst du jetzt beten, daß Far­tuloon und Eiskralle einen brauchbaren Hin­weis finden. Wenn nicht …«

Daquomart hockte zwischen ihnen am Feuer, die Hände auf dem Rücken gefesselt. Ischtar hatte ihn gefüttert. Vom Gefühl her war sie davon überzeugt, daß Daquomart sie nicht anlog oder bewußt in die Irre führte, aber sie zögerte noch immer, es offen auszu­sprechen. Ihr fehlte die logische Begrün­dung. Gefühle allein waren kein Beweis.

Als es dunkel wurde, brachte Corpkor den Gefangenen in seine Zelle zurück. Als er sich wieder ans Feuer setzte, erschienen sei­ne Quirrels. Die so harmlos und putzig aus­

30

sehenden Tiere hatten Blutflecken auf ihrem Fell, und einige von ihnen hielten sogar noch Knochen und Fleischstücke zwischen den Zähnen.

Ischtar sah Corpkor entsetzt an. »Es ist also wirklich wahr? Sie fressen

Fleisch? Ich habe geglaubt, du wolltest Daquomart nur einschüchtern und zum Re­den bringen.«

»Vielleicht glaubt er das auch.« Er lächel­te, während er ein paar schrille Pfiffe aus­stieß. »Du kannst beruhigt sein, sie gehor­chen mir. Sie sind die friedlichsten Ge­schöpfe des Universums, wenn sie von mir nicht den Befehl erhalten, sich so zu ernäh­ren, wie es ihrer Natur entspricht. Und sie töten nur dann, wenn ich es ihnen erlaube. Sie können aber auch beißen, ohne zu tö­ten.«

»Und das hast du mit Daquomart vor?« erkundigte sie sich schaudernd.

Er nickte. »Notfalls – ja! Er wollte dich kaltblütig ertrinken lassen, um sein Ziel zu erreichen, und auch uns hätte er unserem Schicksal überlassen. Und nun verlangst du von mir, daß ich Nachsicht übe? Ich bin überzeugt, Cyro ist nicht der Planet, den wir suchen. Er hat dich also abermals belogen und in die Irre geführt. Vielleicht plant er noch Schlimmeres. Wenn Fartuloon und Eiskralle ohne Ergebnis zurückkehren, Isch­tar, wirst du deine Einstellung ändern müs­sen, oder wir werden Atlan niemals finden. Überlaß Daquomart mir, und wir werden die Wahrheit erfahren.«

Sie starrte unschlüssig in die Flammen des Feuers. Endlich raffte sie sich auf und sagte:

»Gut, vielleicht hast du recht. Die Ent­scheidung würde mir leichter fallen, wenn ich genau wüßte, daß er lügt.«

Corpkor lächelte sanft. »Um das herauszufinden, werde ich die

Quirrels einsetzen …«

*

Drei der Kontinente überquerten sie in al-

Clark Darlton

len Richtungen, ohne auch nur die Spur ei­nes Erfolgs verzeichnen zu können. Die Massetaster schlugen nur geringfügig aus und registrierten natürliche Erzlager, die kaum der Rede wert waren. Optisch konnte nur eine urwüchsige und unberührte Land­schaft verzeichnet werden, die auf Koloni­sten wartete – oder auf das intelligente Pro­dukt der eigenen Evolution.

Fartuloon steuerte den vierten Kontinent an.

»Zwecklos, sage ich dir! Ich weiß nicht, was sich Daquomart dabei gedacht hat. Will er nur Zeit gewinnen – und wenn ja, warum? Was hat er davon? Warum arbeitet er nicht mit uns zusammen, um seine eigene Haut zu retten? Na schön, soll nun Corpkor sein Glück versuchen. Ich werde keinen Protest einlegen.«

Eiskralle sagte vorsichtig: »Natürlich ist Cyro nicht der Planet, den

wir suchen, aber ich habe einfach das Ge­fühl, daß Daquomart nicht lügt.«

»Jetzt fängst du auch noch damit an!« em­pörte sich Fartuloon, der seine Ansicht geän­dert zu haben schien. »Ischtar reicht mir!«

»Überlassen wir den Rest Corpkor und seinen Quirrels«, schlug Eiskralle vor. »Fliege schneller, wir wollen die Sonne überholen.«

*

Corpkor ließ sich Zeit. Ischtar hatte sich ohne Protest in ihre Ka­

bine zurückgezogen und ein Schlafmittel ge­nommen. Es war, als wolle sie sich damit je­der Verantwortung entziehen.

Fartuloon brachte Daquomart aus dem Schiff und ließ ihn einfach stehen. Als er in der Luftschleuse war, begegnete ihm Eis­kralle.

»Laß Corpkor mit ihm allein«, meinte er ruhig. »Komm mit, wir spielen eine Partie in der Zentrale.«

Eiskralle folgte ihm wortlos. Corpkor saß neben der erloschenen Feuer­

stelle und betrachtete Daquomart. Ganz in

31 Geheimprojekt der Varganen

der Nähe lagen einige Dutzend Quirrels in Gruppen herum und blinzelten träge. Sie wirkten so harmlos wie Schmetterlinge.

»Du kannst dich setzen«, sagte Corpkor und deutete auf einen Baumstamm neben der Feuerstelle. »In genau zehn Minuten ist die Geduld der Quirrels zu Ende – und mei­ne auch. Solange haben wir Zeit.« Er warte­te, bis der Gefangene sich gesetzt hatte, um dann fortzufahren: »Wir haben nichts gefun­den, was deine Behauptung beweisen könn­te. Du hast jetzt noch acht Minuten, mir den richtigen Namen des Planeten zu nennen, auf dem der Umsetzer steht. Wenn er dir nicht einfällt, helfe ich nach. Sieh dir meine Tierchen an. Sind sie nicht geradezu liebens­wert? Aber täusche dich nicht! Sie beißen die Wahrheit aus dir heraus …!«

»Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich kann euch nicht mehr sagen, als ich schon gesagt habe. Ich habe euch nicht belogen oder betrogen, bestimmt nicht! Bevor ich floh, nannte mir jemand den Namen des Pla­neten Cyro, das weiß ich genau. Auf ihm ha­ben die Experimente stattgefunden. Und wir sind auf Cyro! Ist das nicht Beweis genug, daß es ihn gibt?«

»Ihn – ja!« Corpkor schwieg plötzlich. Grübelnd sah er an Daquomart vorbei, aber dann wurden seine Züge wieder hart. »Und trotzdem glaube ich dir nicht! Du hast noch sieben Minuten Zeit. Versuche wenigstens, nachzudenken! Erinnere dich! Sieh dir die Quirrels an und erinnere dich! Sie haben schon wieder Hunger.«

»Ich kann euch nicht mehr helfen, als ich es schon tat, nun glaubt mir doch endlich!«

Corpkor lauschte dem Klang seiner Stim­me nach. In ihr schwang echte Verzweiflung mit, das war nicht zu bestreiten. Sollte Daquomart wirklich nicht mehr wissen, als er zugegeben hatte?

Schweigend wartete er, bis die Frist ver­strichen war. Daquomart starrte stumm vor sich hin. Ab und zu schielte er zu den Quir­rels hinüber, die im Halbkreis herumhockten und ihn ansahen.

Und dann, genau nach zehn Minuten, er­

hoben sie sich und kamen langsam auf ihn zu. Sie wirkten nun nicht mehr harmlos.

Corpkor stand auf. »Ich lasse dich mit ihnen allein, Daquo­

mart. Wenn du mir etwas sagen willst, dann schreie, so laut du kannst. Aber das geht nur einmal! Beim zweiten Mal kannst du brül­len, bis sie dir die Kehle durchbeißen.« Er deutete mit dem Zeigefinger auf ihn. »Ich mache keinen Spaß, vergiß das nicht!«

Die Quirrels schienen nur darauf gewartet zu haben, daß ihr Herr und Meister zum Schiff ging, denn wie auf Kommando stürz­ten sie sich auf die Beute. Zwar versuchte Daquomart, sich mit den Füßen zu wehren, hatte aber damit kaum Erfolg. Wenn es ihm gelang, eines der Tiere von sich zu schleu­dern, waren schon zwei andere zur Stelle, um dessen Platz einzunehmen.

Er spürte ihre schmerzenden Bisse überall an seinem Körper. Blut quoll aus den Wun­den, und seine Kleider waren bald nur noch Fetzen.

Er begann zu schreien. Corpkor erschien sofort, rief ein scharfes

Kommando, und die Quirrels ließen von ih­rem Opfer ab.

»Nun?« Daquomart keuchte. »Es ist zwecklos, du bringst mich nur um.

Bei allem, was mir noch etwas bedeutet, schwöre ich dir, nicht gelogen zu haben. Ich kann mir auch nicht erklären …«

Als Corpkor sich abwandte, um den Quir­rels endlich freie Bahn zu lassen, erschienen Fartuloon und Eiskralle in der Schiffsluke.

»Warte noch!« rief Fartuloon und hielt et­was in die Höhe, das Corpkor als Sternkarte identifizierte. »Uns ist da ein Gedanke ge­kommen. Vielleicht hat Daquomart tatsäch­lich die Wahrheit gesagt.« Sie kamen zur Feuerstelle. »Kann ich mit ihm reden?«

»Natürlich kannst du das«, sagte Corpkor. »Warum?«

Fartuloon setzte sich Daquomart gegen­über.

»Wann hast du den Namen des Planeten Cyro erfahren?« fragte er. »Versuche dich

32

zu erinnern. Wir wollen dir helfen.« Daquomart schöpfte neue Hoffnung, aber

er ließ die Quirrels nicht aus den Augen. »Es ist lange her, unendlich lange. Ich

weiß auch nicht mehr, von wem ich den Na­men habe. Ich habe zu lange allein gelebt, ich habe viel vergessen.«

»Aber den Namen Cyro hattest du nicht vergessen?«

Daquomart zuckte die Schultern. »Seltsam, ich vergaß ihn nicht.« »Vielleicht doch«, murmelte Fartuloon

und sah auf die Sternkarte. »Hier sind die Planeten eingezeichnet, die wir auf Küllsan­nimonts Liste fanden, eine Welt Cyro ist nicht dabei. Könntest du dir vorstellen, daß du zwei gleichklingende Namen verwech­selst?«

Daquomart sah ihn verwundert an und schwieg.

»Verwechseln?« erkundigte sich Corpkor und betrachtete die Karte. Sein Finger deute­te auf einen Stern, der besonders markiert war. »Du meinst den da?«

Fartuloon nickte und sagte: »Könnte es nicht auch Kryrot gewesen sein, Daquo­mart?«

Der Rebell schüttelte den Kopf. »Was soll das für ein Trick sein? Cyro

oder Kryrot – das klingt fast gleich. Sollen das zwei verschiedene Welten sein?«

»Müssen sie wohl, denn beide sind in den Karten vermerkt. Meintest du nun Cyro, oder meintest du vielleicht nicht doch Kry­rot?«

Daquomart schielte wieder in Richtung der wartenden Quirrels.

»Ich weiß es nicht, wirklich nicht! Natür­lich kann es auch Kryrot gewesen sein. Aber ich gebe euch mein Wort …«

»Geschenkt!« Fartuloon wandte sich an Corpkor. »Du kannst deine Quirrels ins Schiff bringen, wir nehmen Kurs auf Kry­rot.«

»Bist du sicher, daß …?« »Der Planet Kryrot steht auf Küllsanni­

monts Liste«, unterbrach ihn Fartuloon und sah zu, wie Corpkor seine Tiere zur Ein-

Clark Darlton

stiegsluke schickte. Dann half er Daquomart beim Aufstehen.

4.

»Also vielleicht doch nur ein Mißver­ständnis?« hoffte Ischtar, als sie alles erfah­ren hatte. Daquomart saß wieder in seiner Zelle, aber sie hatten ihm die Magnetfesseln abgenommen. »Ich muß zugeben, darauf wäre ich nie gekommen.«

»Dabei ist es ein relativ naheliegender Gedanke. Ich kam erst darauf, als Daquo­mart immer und immer wieder hervorhob, es sei alles schon zu lange her und er habe – bis auf den Namen Cyro – alles vergessen. Da nahm ich mir Karte und Liste noch einmal vor und entdeckte die Ähnlichkeit.« Fartu­loon nickte Corpkor zu. »Und du hättest ihn beinahe deinen Tierchen zum Fraß vorge­worfen.«

Ischtar legte die Liste Küllsannimonts auf den Tisch zurück.

»Auf Kryrot soll sich die Rebellin Haita­schar versteckt halten. Sie ist eine Varganin wie ich, und vielleicht zeigt sie sich zugäng­licher als die anderen. Was ist mit dem Kurs, Fartuloon?«

»Fertig programmiert. Wir können star­ten.«

Ohne Zwischenfall legte Ischtars Schiff die Strecke zurück, und als es nach der drit­ten Etappe in den Normalraum zurücktauch­te, stand vor ihnen auf dem Panoramaschirm eine flammende, rote Sonne. Die Orter regi­strierten vier Planeten, von denen der inner­ste Kryrot sein mußte. Die Analyse ergab keine günstigen Lebensbedingungen. Ob­wohl die rote Sonne nicht mehr sehr viel Wärme abgab, genügten ihre Strahlen noch immer, die Oberfläche Kryrots zu einem we­nig angenehmen Aufenthaltsort zu machen.

»Haitaschar hätte sich auch etwas Besse­res aussuchen können«, hielt Eiskralle nicht mit seinem Unbehagen zurück. Jeder kannte seine Abneigung gegen hohe Temperaturen. »Ausgerechnet so ein Backofen muß es sein!«

33 Geheimprojekt der Varganen

»Die Station wird tief unter der Oberflä­che liegen«, vermutete Ischtar. »Es handelte sich um geheime Experimente, wie ich schon einmal betonte. Cyro dürfte dafür ebenso geeignet gewesen sein wie Kryrot – eben unauffällige Welten ohne Bedeutung.«

»Na schön, machen wir uns auf die Su­che«, knurrte Eiskralle.

Fartuloon ließ sich nicht ablenken. Corp­kor lieferte ihm alle notwenigen Daten über das System, in das sie nun eindrangen. Die drei äußeren Planeten waren zu weit von ih­rer Sonne entfernt, um intelligentes Leben hervorzubringen oder tragen zu können, doch das war kaum anders zu erwarten ge­wesen.

»Zwischen Kryrot und dem zweiten Pla­neten schwirren ein paar Objekte herum«, gab Corpkor von den Ortern her durch. »Zu klein und zu weit entfernt, um sie schon de­finieren zu können.«

»Andere Schiffe?« fragte Fartuloon ge­spannt.

»Kaum, höchstens Asteroiden. In einer halben Stunde kann ich vielleicht mehr dar­über sagen.«

In fast jedem Sonnensystem gab es Trüm­merstücke zerplatzter Monde oder gar Pla­neten, deren Bahnen man vorausberechnen konnte. Aus diesem Grund war Ischtar auch über Corpkors Mitteilung nicht beunruhigt.

Das Schiff überquerte die Bahnen der äu­ßeren Planeten, Fartuloon drosselte die Ge­schwindigkeit und fragte ungeduldig:

»Immer noch nichts, Corpkor?« »Hm, ich weiß nicht recht, aber für Aste­

roiden verhalten sie sich recht merkwürdig. Ihre Bahn führt in ungewöhnlich großem Abstand um Kryrot, nicht um die Sonne. Aber das ist es nicht, was mich stört. Es ist ihre Anordnung.«

»Anordnung?« Fartuloon sah auf den Panoramaschirm. Die rote Sonne war nicht mehr zu sehen, denn sie stand nun hinter dem Schiff. Der Planet Kryrot hingegen wurde von Minute zu Minute größer und deutlicher. »Kannst du mir die Orterechos auf den großen Schirm geben?«

»Sicher, aber viel deutlicher werden sie dadurch auch nicht.«

Fartuloon wartete, bis das Bild wechselte. Ischtar war hinter ihn getreten. Eiskralle markierte Interesselosigkeit, was ihm jedoch niemand abnahm.

Die vier Echos hatten so undeutliche Kon­turen, daß auf ihre wirkliche Form keine Rückschlüsse gezogen werden konnten. Im­merhin ließ sich erraten, daß sie alle unge­fähr gleich groß sein mußten. Und noch et­was schien bemerkenswert: sie bildeten ein Quadrat.

»Wenn das ein Zufall ist«, murmelte Far­tuloon, »dann soll mir jemand ein Quirrel braten!«

Corpkor knurrte von seinen Ortern her: »Du bekommst dein Quirrel nicht, denn

das dort ist niemals ein Zufall! Solche Zufäl­le gibt es überhaupt nicht!«

Ischtar studierte schweigend die vier Ob­jekte, deren Umrisse sich nur allmählich sta­bilisierten. Das, was sie von Anfang an nur vermutet hatte, begann sich als Realität her­auszuschälen. Aber sie wartete, bis Fartu­loon plötzlich rief:

»Schiffe! Das sind vier Doppelpyrami­denschiffe der Varganen! Wie kommen denn die hierher?«

»Sie befinden sich im Orbit«, erinnerte ihn Corpkor. »Antriebslos!«

»Vielleicht auch ohne Besatzung?« »Das werden wir bald wissen«, sagte Cor­

pkor. »Wir können sie ja über Normalfunk anrufen.«

»Abwarten!« bat Ischtar und brach damit ihr Schweigen. »Wir müssen noch näher an sie herankommen. Vielleicht handelt es sich um unbemannte Stationen, die schon seit langer Zeit kreisen. Es könnten Abwehrforts sein, die uns keinen freundlichen Empfang bereiten, wenn wir auf Kryrot landen wol­len.«

Das klang einleuchtend, und gleichzeitig erhöhte sich die Wahrscheinlichkeit, daß Kryrot ein sehr wichtiger Planet war – eben jener Planet, auf dem die Experimente einst stattgefunden hatten.

34

Nach weiteren zehn Minuten konnte kein Zweifel mehr daran bestehen, daß die vier Pyramidenschiffe ein genaues Quadrat mit einer Seitenlänge von hundert Kilometern bildeten. Durch unsichtbare Gravitationsfel­der miteinander verbunden, trieben sie in großer Entfernung in einer stabilen Bahn um Kryrot herum. Auf Corpkors Funksprüche erfolgte keine Reaktion.

Ischtar biß sich auf die Lippen, als sie die vier scheinbar bewegungslos im All stehen­den Schiffe beobachtete. Vielleicht waren sie tatsächlich schwer bewaffnete Abwehr­stationen, deren Automatik jedoch längst au­ßer Betrieb gesetzt worden war.

Oder waren sie mehr? Fartuloon hatte inzwischen ihre eigene

Geschwindigkeit jener der vier Schiffe ange­paßt. Die Entfernung zum ersten betrug nur noch einige hundert Kilometer. Nichts ge­schah.

»Kann sein«, vermutete Fartuloon, »daß ihre Abwehrschaltung nur dann reagiert, wenn ein Objekt sich in einer ganz bestimm­ten Entfernung von ihnen aufhält. Wir soll­ten den Schutzschirm einschalten.« Seine Hand näherte sich dem entsprechenden Schalter. »Soll ich?«

»Es kann nicht schaden«, stimmte Ischtar zu.

Der energetische Schutzschirm konnte das Feuer von zwei Schiffen leicht verkraften, aber wenn zu viele Geschütze gleichzeitig in Aktion traten und ihr Feuer auf einen einzi­gen Punkt des Energieschirms konzentrier­ten, war es durchaus möglich, daß dieser wegen Überlastung zusammenbrach. Die Frage war nun: Falls die Abwehrautomatik sich einschaltete, würden alle vier Schiffe aktiv werden – oder nur eines von ihnen?

Von den Ortern her sagte Corpkor: »Unsere Bahn kreuzt die des nächsten

Schiffes in einer Entfernung von fünfhun­derttausend. Wir nähern uns ihr zehn Meter pro Sekunde.«

»Ich bin auf alles vorbereitet!« Fartuloon saß dicht vor den Kontrollen, beide Hände zum sofortigen Handeln bereit. »Wir können

Clark Darlton

ihnen im Bruchteil einer Sekunde das Heck zeigen …«

Natürlich wäre es auch möglich gewesen, die vier Schiffe einfach zu ignorieren und sich Kryrot von der anderen Seite her zu nä­hern, aber in Wirklichkeit wären sie damit ein noch viel größeres Risiko eingegangen. Wenn es sich wirklich um automatische Ab­wehrforts handelte, und wenn sie dann an­griffen, gab es für Ischtars Schiff zu wenig Bewegungsfreiheit, falls es sich innerhalb der Atmosphäre aufhielt oder gar schon ge­landet war. Es war vernünftiger, schon jetzt die Probe aufs Exempel zu machen.

Die Minuten vergingen nur langsam. Corpkor beschränkte sich nicht mehr dar­

auf, nur die vier Schiffe zu beobachten und Daten über sie zu sammeln, sondern begann, die übrigen Sektoren zwischen dem eigenen Standort und dem Planeten abzusuchen. Au­ßerdem war die Oberfläche nun besser er­kennbar, die nur aus Landfläche bestand. Es gab keine Meere oder Flüsse. Vielleicht gab es überhaupt kein Wasser auf Kryrot.

Ischtar schwieg verbissen. Einmal stand sie auf und stellte sich hinter Corpkor. Er drehte sich um und bemerkte ihren fragen­den Blick. Stumm schüttelte er den Kopf und machte eine bedauernde Geste.

Sie kehrte an ihren alten Platz neben Far­tuloon zurück und setzte sich wieder. Ver­geblich versuchte sie, ihre Enttäuschung zu verbergen.

Eiskralle sagte zu ihr: »Du mußt bedenken, daß die Experimente

schon vor langer Zeit stattfanden. Alle Spu­ren werden verwischt worden sein – eben durch diese große Zeitspanne, vielleicht auch durch die Varganen selbst. Aber die vier Schiffe beweisen einwandfrei, daß Kry­rot der gesuchte Planet ist.«

»Ich muß den Umsetzer finden!« entgeg­nete sie, mehr nicht.

Nach drei Stunden waren sie nur noch knapp dreißig Kilometer von dem nächsten Schiff entfernt.

Fartuloon lehnte sich entspannt zurück. »Nichts!« stellte er kategorisch fest.

35 Geheimprojekt der Varganen

»Wenn das wirklich Abwehrforts wären, hätten sie längst reagieren müssen. Entweder sind es keine, oder sie sind defekt. Ich schla­ge vor, wir verlassen ihre Umlaufbahn und sehen uns Kryrot näher an.«

Corpkor rief von den Ortern her: »Das wird eine herbe Enttäuschung wer­

den, soweit ich das beurteilen kann. Eine felsige, vertrocknete Wüste. Vereinzelte Erzlager unter der Oberfläche, aber keine Anzeichen irgendwelcher Anlagen. Eine heiße, tote Welt. Äußerst uninteressant.«

Fartuloon rief zurück: »Kümmere du dich um die Ortung und

Daten, während wir mit dem Abstieg begin­nen. Vielleicht ist da noch etwas im Orbit, das wir bisher nicht registrierten. Ich halte Kryrot allmählich für ein Ablenkungsmanö­ver, wenn du verstehst, wie ich das meine.«

Corpkor verstand allerdings, was Fartu­loon meinte. Die gleiche Idee hatte er auch schon gehabt, sie aber nicht ausgesprochen. Es konnte gut sein, daß der gesuchte Umset­zer auf dem zweiten oder dritten Planeten ausgebaut worden war.

Die vier Schiffe waren nun schneller als Ischtars Pyramidenschiff, sie entfernten sich allmählich auf ihrem Orbit. Fartuloon ver­folgte sie noch eine Zeitlang auf dem Pan­oramaschirm, dann widmete er sich intensi­ver der Beobachtung Kryrots. Er mußte Cor­pkor recht geben: eine ungastlichere Welt hätten sich die Varganen für ihr Experiment nicht aussuchen können – auf der anderen Seite aber auch keine unauffälligere.

Etwa zweihundert Kilometer über der Oberfläche rief Corpkor plötzlich aufgeregt:

»Da ist wirklich noch etwas in Orbit, hin­ter uns! Die Daten kommen gerade herein. Ich gebe das Bild auf den Monitor!«

Fartuloon und Ischtar warteten, bis der kleine Monitor sich aufhellte. Auch Eiskral­le beugte sich vor, um besser sehen zu kön­nen.

Das Bild war noch unscharf und wirkte fast konturlos. Der Gegenstand schien trans­parent zu sein, wenigstens zum größten Teil.

»Kannst du das nicht deutlicher machen?«

fragte Fartuloon. Corpkor manipulierte an seinen Kontrol­

len. »Geht nicht, aber das Ding holt auf. Wir

scheinen langsamer geworden zu sein.« »Stimmt, ich hatte die Geschwindigkeit

herabgesetzt, um besser beobachten zu kön­nen. Ist es ein Schiff?«

»Das glaube ich nicht. Es scheint durch­sichtig zu sein, darum bekomme ich auch kein klares Bild.«

Fartuloon wandte sich an Ischtar: »Sollen wir es uns näher betrachten?« Sie nickte stumm. Fartuloon nahm einige Schaltungen vor,

dann schwenkte das Schiff seitwärts aus der Landebahn, beschrieb einen großen Bogen und kehrte wieder zurück. Diesmal schwebte der unbekannte Gegenstand genau vor dem Bug.

»Das ist doch nicht möglich!« entfuhr es Fartuloon, als er das Objekt nun auf dem größeren Panoramaschirm erblickte. »Ischtar, was ist das …?«

Es wirkte durchaus harmlos, wenigstens auf den ersten Blick.

Soweit auf dem Bildschirm zu erkennen war, handelte es sich um eine ovalförmige transparente Blase, kaum mehr als fünf Me­ter lang, in deren Innern dunkle Gegenstän­de sichtbar waren. Wahrscheinlich Instru­mente oder Energieaggregate.

Besonders auffällig war ein länglicher Gegenstand, der sich genau in der Mitte der Blase befand und auf einem flachen Gestell ruhte. Fartuloon glaubte seinen Augen nicht zu trauen, bis Ischtar ruhig sagte:

»Das ist Haitaschar! Es kann niemand an­derer sein!«

Und Corpkor fügte hinzu: »Die Blase besteht aus konstanter Ener­

gie. Ein Raumschiff aus Energie! Aber der Pilot ist tot. Ich kann keine Lebensfunktion feststellen, aber vielleicht sind isolierende Schichten vorhanden, die alles abschirmen.«

Fartuloon schaute Ischtar fragend an. Die Varganin wußte mehr über die verschollene Technik ihres Volkes als er.

36

Sie nickte langsam, als könne sie sich er­innern.

»Eine Energieblase, in der Haitaschar ruht. Sie hat sich selbst in Tiefschlaf versetzt – oder sie wurde dazu gezwungen. Sie ist die Wächterin der Absoluten Bewegung, des größten Geheimnisses meines unglücklichen Volkes.«

»Und warum dann Tiefschlaf, wenn sie ohnehin unsterblich ist?«

»Ich weiß es nicht, Fartuloon. Die vier Schiffe sind wahrscheinlich zu ihrer Bewa­chung da, aber wie wir sahen, ziemlich er­folglos. Jeder könnte kommen und Haita­schar samt der Energieblase vernichten. Ich glaube, eine Landung auf Kryrot ist nun vor­erst überflüssig geworden.«

»Was hast du vor?« »Wir müssen Haitaschar zu uns an Bord

holen.« Eiskralle fuhr zusammen und warf ihr

einen entsetzten Blick zu. Auch Corpkor sah nicht gerade begeistert aus. Fartuloon sagte:

»Das ist zu riskant, Ischtar. Vielleicht brächten wir den Tod ins Schiff.«

Sie schüttelte den Kopf. »Wie ihr selbst sehen könnt, ist die Blase

transparent. Sie enthält außer Haitaschar nur die notwendigen Geräte zur Lebenserhal­tung. Ich kann keine Waffen oder Vernich­tungsanlagen entdecken. Die Blase paßt leicht in den Hangar.«

Fartuloon blieb skeptisch, sagte aber: »Gut, ich mache dir einen Vorschlag: ich

werde hinausgehen und mir das Ding aus der Nähe ansehen. Wenn ich davon über­zeugt bin, daß keine Gefahr von ihm aus­geht, habe ich nichts dagegen, wenn wir ver­suchen, es ins Schiff zu bugsieren. Das dürf­te nicht so schwierig sein, wenn wir unsere Geschwindigkeit anpassen.«

»Ich begleite dich«, sagte sie. Er schüttelte den Kopf und erwiderte in

einem Tonfall, der keinen Widerspruch dul­dete:

»Niemand begleitet mich, ich gehe allein! Wir stehen durch Funk in Verbindung. Cor­pkor bleibt an den Ortern und meldet jede

Clark Darlton

Veränderung. Eiskralle hält sich zu einer eventuellen Rettungsaktion bereit. Ischtar, du übernimmst bitte in der Zwischenzeit die Kontrollen des Schiffes.«

Er stand auf und verließ die Kommando­zentrale, ohne auf eine Antwort zu warten.

*

Schiff und Energieblase rasten nun mit gleicher Geschwindigkeit in der Umlauf­bahn dahin, die Entfernung zwischen den beiden Körpern betrug nur einige hundert Meter.

Fartuloon schwebte dazwischen und nä­herte sich der Energieblase.

Da er ziemlich korpulent war, wirkte er im Raumanzug, der ihn noch unförmiger machte, wie eine Kugel mit Auswüchsen. Er selbst kam sich allerdings nicht so unförmig und unbeweglich vor, zumal er nun völlig schwerelos war und nach Belieben Richtung und Geschwindigkeit ändern konnte, ohne sich im mindesten anstrengen zu müssen.

Dicht vor der Energieblase bremste er ab und umkreiste das geheimnisvolle Objekt mit aller Vorsicht.

Auf einem wannenförmigen Lager, an das eine Menge Leitungen angeschlossen waren, lag eine noch jung erscheinende und unge­wöhnlich hübsche Varganin. Sie trug nur einen kurzen, silbernen Rock, sonst war sie unbekleidet. Auf ihrem schönen Gesicht lag ein Lächeln, das darauf schließen ließ, daß sie die Prozedur des Tiefschlafs freiwillig auf sich genommen hatte.

Fartuloon sah, daß die Leitungen in einem Behälter endeten, der wiederum an Aggrega­te angeschlossen war. Sonst konnte er keine Kontrollinstrumente oder gar so etwas wie einen Antrieb entdecken.

Lange betrachtete er das Mädchen. Wie­viel Ewigkeiten mochte sie schon in ihrer Energieblase ruhen und den Planeten Kryrot umkreisen?

Und warum? Ischtar hatte recht: Man mußte sie zurück­

holen aus ihrem scheinbaren Todesschlaf

37 Geheimprojekt der Varganen

und mit der Wirklichkeit konfrontieren. Ihre Erinnerung würde noch frisch sein, und nur sie konnte das Geheimnis enthüllen, hinter dem sie alle her waren.

Er warf einen letzten Blick auf ihr Gesicht und nahm Kurs auf das Pyramidenschiff.

Ischtar empfing ihn zusammen mit dem einsatzbereiten Chretkor in der Luftschleuse. Während der ganzen Zeit hatte er sein Funk­gerät nicht eingeschaltet gehabt. Als er den Helm öffnete, hörte er Ischtar sagen:

»Wir haben auf ein Wort von dir gewar­tet, Fartuloon. Warum hast du nichts gesagt? Es hätte doch etwas passieren können …«

»Ich wollte schon zu dir kommen«, knurr­te Eiskralle vorwurfsvoll.

Er nahm den Helm ab. »Kein Grund zur Besorgnis. Ich wollte

bei meinen Beobachtungen nur nicht gestört oder abgelenkt werden, das ist alles. Um es kurz zu machen, Ischtar: ich habe keine Be­denken, den Versuch zu unternehmen, die Energieblase in unser Schiff zu bringen. Ob es uns gelingt, ist eine andere Frage.«

»Wie sieht sie aus – ich meine Haita­schar?«

Er lächelte und betrachtete sie von oben bis unten.

»Ehrlich gestanden – sie ist fast so schön wie du.«

Sie lächelte geschmeichelt zurück, wurde aber sofort wieder ernst.

»Wir wollen keine Zeit verlieren und mit den Vorbereitungen beginnen.«

Sie gingen in die Kommandozentrale.

5.

Nach einigen notwendigen Kurskorrektu­ren flogen die Energieblase und Ischtars Schiff mit gleicher Geschwindigkeit dahin, wobei die große Ladeluke in Richtung der schlafenden Haitaschar zeigte. Vorsichtshal­ber blieb Corpkor jedoch in der Kommando­zentrale, während Ischtar ebenfalls ihren Raumanzug anlegte. Sie traf Fartuloon und Eiskralle in dem Laderaum, der zur Aufnah­me der Energieblase bestimmt war.

Der Raum, der bei Gelegenheit auch als Hangar für den Gleiter benutzt wurde, besaß keine Schleuse. Man mußte also die in ihm vorhandene Luft absaugen, bevor die Au­ßenluke geöffnet wurde.

»Du bleibst hier, Eiskralle, und beobach­test uns. Ischtar und ich werden das Ding holen. Der Antrieb unserer Anzüge wird rei­chen. Sobald wir im Laderaum sind, schließ die Luke und setz die Pumpen in Betrieb. Fertig?«

Sie verschlossen die Helme und schalte­ten die Sprechfunkgeräte ein, um sich ver­ständigen zu können. Die Luft wurde schnell abgesaugt, und dann öffnete Fartuloon die Außenluke. Die Energieblase mit der schla­fenden Haitaschar schwebte scheinbar bewe­gungslos nur einige Dutzend Meter von ih­nen entfernt im Raum.

Fartuloon blieb etwas zurück, als Ischtar vorsichtig das seltsame Behältnis umkreiste und Beobachtungen anstellte. Lange ruhte ihr Blick auf der unbeweglich daliegenden Varganin, als wolle sie sich ihr Aussehen für alle Zeiten einprägen.

Vom Kontrollraum des Schiffes her kam Corpkors Stimme. Sie klang ungeduldig.

»Wie lange dauert das denn noch? Wenn jetzt irgend etwas passiert, seid ihr erledigt.«

»Was soll schon passieren?« knurrte Far­tuloon und winkte Ischtar zu. »Können wir jetzt?«

»Komm her und hilf mir«, gab sie knapp zurück.

Fartuloon näherte sich ihr langsam und stoppte dicht hinter ihr. Die transparente Hülle der Energieblase war nur durch die geringfügige Lichtbrechung zu ahnen, aber völlig unsichtbar war sie nicht. Die Frage blieb, was geschehen würde, wenn man sie berührte. Der Raumanzug isolierte, also ge­schah wahrscheinlich gar nichts.

Es war Ischtar, die zuerst die Blase be­rührte.

»Los, mach schon, es ist ungefährlich«, ermunterte sie Fartuloon. »Mit doppeltem Schub geht es auch doppelt so schnell …«

In der offenen Luke stand Eiskralle und

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gab gute Ratschläge und Anweisungen für Richtungsänderungen. Ganz langsam nur schwebte die Energieblase auf das Schiff zu und glitt dann durch die Luke in sein Inne­res. Eiskralle sorgte nun seinerseits dafür, daß die Blase rechtzeitig, abgebremst wurde und nicht gegen die Wand stieß.

Ischtar schloß die Luke, schaltete die Pumpen ein und danach das Antigravfeld. Haitaschar sank mit ihrer Energieblase auf den Boden des Laderaums und erhielt all­mählich ihr ursprüngliches Gewicht zurück.

Als die Instrumente normalen Druck an­zeigten und Fartuloon seinen Helm öffnen wollte, erhielt er plötzlich einen heftigen Schlag vor die Brust. Er taumelte zurück, bis er gegen die Wand prallte und sich auf den Boden setzte. Er sah, daß auch Ischtar und Eiskralle ihren Halt verloren und stürzten. Sie hatten die Helme noch geschlossen, und er konnte ihre überraschten Ausrufe über das Funkgerät vernehmen. Auch Corpkor schal­tete sich ein und wollte wissen, was passiert sei.

Sie sahen es nicht sofort. Ischtar hatte sich zuerst wieder erhoben und ging zu der Ener­gieblase, ehe Fartuloon sie warnen konnte. Aber dann schwieg er verdutzt uns sah zu, wie Ischtar zu der schlafenden Varganin trat und sich über sie beugte.

Die Energieblase war nicht mehr vorhan­den. Sie war, als der Laderaum sich mit Luft gefüllt hatte, einfach geplatzt.

»Es ist nichts«, beruhigte Fartuloon den unaufhörlich fragenden Corpkor. »Alles in Ordnung. Bleib in der Umlaufbahn. Wir melden uns bald bei dir.«

Er kam wieder auf die Beine und näherte sich vorsichtig Ischtar, gefolgt von Eiskralle, der nun ebenfalls seinen Helm öffnete. Die Varganin hatte ihn bereits abgenommen.

»Warum ist das Ding geplatzt?« wollte Fartuloon wissen.

»Eine Art Sicherheitsschaltung, nehme ich an.« Ischtar überprüfte die Leitungen, die von der Wanne aus in die Aggregate führten. »Sobald die Blase von einer Atmo­sphäre und entsprechendem Druck umgeben

Clark Darlton

ist, verschwindet sie. Es sieht so aus, als wä­ren die Instrumente und Geräte unbeschä­digt. Vielleicht ist durch das Platzen der Energieblase automatisch der Weckprozeß eingeleitet worden.«

»Du solltest mehr darüber wissen als wir«, erklärte Fartuloon, beteiligte sich aber an der Untersuchung, wobei er jedoch im­mer wieder von dem Anblick der schlafen­den Schönheit abgelenkt wurde, die noch keine Lebenszeichen von sich gab. »Hoffentlich bekommen wir sie wieder wach.«

Eiskralle verfolgte die Leitungen und in­spizierte das Aggregat, an das sie ange­schlossen waren. Ischtar kam zu ihm und sagte dann:

»Die Instrumente zeigen zu wenig Ener­gie an, glaube ich. Wir müssen von uns aus welche zuführen, sonst können wir ewig warten.«

Fartuloon und Eiskralle holten eine der Speicherbatterien aus dem Ersatzteillager und schlossen sie unter Anleitung Ischtars an. Schon wenige Minuten später leuchteten einige der Kontrollampen auf. Die Zeiger auf den Skalen kletterten nach oben.

Ischtar richtete sich auf. »Ich glaube, wir schaffen es. Natürlich

geht es nicht so schnell, wie sich unser un­geduldiger Fartuloon das wünscht, aber um so länger kann er seine Prinzessin aus der Vergangenheit ungeniert bewundern.«

»Unsinn!« entfuhr es Fartuloon, aber so ganz vermochte er seine Verlegenheit nicht zu verbergen. Als Eiskralle ihn auch noch unverschämt angrinste, sagte er: »Was wollt ihr denn? Ist sie nicht sehr schön, unsere Unsterbliche? Außerdem handelt es sich bei mir in erster Linie um wissenschaftliches In­teresse.«

»Sicherlich!« lachte Eiskralle. »Aber wie wäre es, wenn wir Corpkor informierten? Er wird vor Neugierde fast sterben.«

»Ja, ja«, nickte Fartuloon. »Mach du das inzwischen …«

Eiskralle entfernte sich, um Corpkor nicht noch länger im Ungewissen zu lassen.

39 Geheimprojekt der Varganen

Ischtar setzte sich auf eine herangescho­bene Kiste unmittelbar neben Haitaschar und studierte deren blasses, regloses Ge­sicht. Dann sah sie auf.

»Die Methode des Tiefschlafs wurde bei uns in den Anfängen der Raumfahrt oft an­gewandt, wenn es sich um längere Flüge handelte und unsere Schiffe noch unter der Geschwindigkeit des Lichtes flogen. In die­ser Zeit gab es den Berichten zufolge viele Unglücksfälle, die mit der Perfektionierung des Systems jedoch weniger wurden und schließlich ganz ausblieben. Später wurde die Methode des Tiefschlafs nicht mehr be­nötigt, aber die wissenschaftlichen Unterla­gen blieben erhalten. Man benötigte sie für gewisse Experimente, und es gab auch Fälle, in denen sich Varganen freiwillig einschlä­fern und Hunderte von Jahren danach wieder aufwecken ließen.«

»Ihnen paßte wohl die Zeit nicht, in der sie lebten?« vermutete Fartuloon ironisch.

»Das – und andere Gründe«, gab sie kurz zurück und deutete damit an, daß sie nicht mehr über das Thema sprechen wollte.

Er blieb hartnäckig. »Mit anderen Worten: du wolltest mich

beruhigen und mir versichern, daß Haita­schar auf jeden Fall durchkommen und er­wachen wird. Na, hoffen wir es. Was zeigen die Instrumente?«

Sie las sie ab und richtete sich wieder auf. »Der Vorgang läuft«, teilte sie ihm nur

mit. »Wir müssen Geduld haben.«

*

Daquomart fuhr erschrocken zusammen, als sich seine Kabinentür ohne Ankündigung öffnete, aber es war nur Eiskralle, der ihm das Essen brachte.

»Was ist mit diesem Planeten Kryrot?« fragte der Gefangene. »Habt ihr gefunden, was ihr suchtet?«

Eiskralle blieb an der Tür stehen. »Wir hoffen es. Interessiert es dich?« Daquomart nickte. »Sehr sogar, schließlich hängt mein Le­

ben davon ab. Wenn es wieder die falsche Welt ist, wird Corpkor seine Biester auf mich hetzen.«

Eiskralle berichtete ihm bereitwillig, was sie bisher entdeckt hatten. Die vier Stations­schiffe regten Daquomart weiter nicht auf, aber als er von der Energieblase und Haita­schar erfuhr, konnte er seine Erregung kaum noch kontrollieren.

»Sie wird leben?« vergewisserte er sich nervös. »Und sie wird euch sagen, wo der Umsetzer ist? Was werdet ihr dann tun?«

Eiskralle ahnte, daß er vorsichtig sein mußte. Der Rebell zeigte zuviel Anteilnah­me an dem Geschehen, das ihn eigentlich nichts anging. Mit keiner Frage erkundigte er sich nach den Lebensbedingungen auf Kryrot, obwohl er damit rechnen mußte, daß man ihn dort aussetzte, wenn alles vorüber war. Oder war er davon überzeugt, daß man diese Drohung nicht wahrmachen würde?

»Kann ich Haitaschar sehen?« fragte er ohne Übergang.

Eiskralle hob die Arme, als Daquomart aufstand und auf ihn zuging.

»Bleib dort, wenn dir dein Leben lieb ist. Ein Händedruck von mir, und du erstarrst zur Kristallsäule – aber das kannst du ja nicht wissen. Ich bin ein Chretkor, vergiß das nicht, und wir haben seltsame Eigen­schaften. Was deinen Wunsch angeht, so kann ich nicht allein entscheiden. Gedulde dich!«

Daquomart setzte sich wieder hin. Jetzt zeigte sich seine ungemeine Selbstbeherr­schung, denn er wirkte mit einmal ruhig und gelassen. Fast gleichmütig sagte er:

»Ich hätte nur gern mit Haitaschar gespro­chen, schließlich ist sie eine Rebellin wie ich.«

»Das ist Ischtar auch, aber niemand wird behaupten können, du wärest besonders freundlich zu ihr gewesen.«

»Das ist etwas anderes, ich wollte ihr Schiff haben.«

Eiskralle zuckte die Schultern, trat in den Korridor und verschloß die Tür.

Im Kontrollraum berichtete er den ande­

40

ren von seinem Gespräch mit dem Gefange­nen. Ischtar war noch immer im Lagerraum bei der schlafenden Varganin, aber sie teilte über Interkom mit, daß Haitaschars Haut sich bereits zu röten begann. Das Leben kehrte allmählich in sie zurück.

»Ich traue dem Kerl nicht«, ließ sich Cor­pkor vernehmen. »Er soll in seiner Kabine bleiben. Wir werden schon einen Planeten finden, auf dem wir ihn absetzen können.«

Fartuloon sah unentwegt auf den kleinen Interkom-Schirm, der die Sichtverbindung zu Ischtar herstellte. Zwar bewegte sich Hai­taschar noch nicht, aber es war eindeutig, daß das Leben in ihren Körper zurückkehrte.

Die Orteranlage meldete sich durch ein Alarmzeichen, als die vier Schiffe hinter der Rückseite von Kryrot wieder auftauchten. Ihre Position zueinander war unverändert geblieben. Sie umkreisten den Planeten auf ihrer ursprünglichen Bahn.

Aus dem Lautsprecher kam Ischtars Stim­me:

»Ich glaube, sie erwacht jetzt! Kann mir jemand helfen?«

Fartuloon sprang so hastig auf, daß er fast über den Sessel und Eiskralle stolperte, der ihm im Weg stand. Er war draußen im Gang, ehe jemand antworten konnte.

»Nicht einmal die Tür kann er schließen«, protestierte Eiskralle und holte das Ver­säumte nach. »Diese Haitaschar scheint ihm ja mächtig zu gefallen. Hoffentlich verliebt er sich nicht in sie.«

»Ischtar würde ihm das Lederwams ver­sohlen«, vermutete Corpkor. »Aber wir wol­len nicht zu engherzig sein, Eiskralle. Du würdest dich auch freuen, einer hübschen Chretkorin mit eiskalten Händchen zu be­gegnen, oder nicht?«

Eiskralle betrachtete seine fast durchsich­tigen Hände und lächelte nachsichtig.

»Möglich«, gab er dann zu. Inzwischen stürmte Fartuloon in den La­

gerraum und verlangsamte sein Tempo erst, als Ischtar protestierte:

»Du erschreckst sie, wenn du wie ein Raubtier herumspringst. Sie kann jeden Au-

Clark Darlton

genblick die Augen aufschlagen, und sie muß ja nicht als erstes gleich einen Barbaren zu Gesicht bekommen.«

Fartuloon verbarg seine Verlegenheit, dann siegte sein Mitgefühl.

»Bin gleich wieder da«, verkündete er, verschwand, und kehrte nach einer Minute mit ein paar Decken zurück, die er behutsam über den Körper der Schlafenden breitete. »Sie soll sich wenigstens nicht schämen.«

»Daran hättest du auch früher denken können. Sieh nur, ihre Finger bewegen sich. Ihr Blut beginnt zu kreisen.« Sie atmete er­leichtert auf. »Wir haben es geschafft, glau­be ich. Es wird jedoch noch einige Zeit dau­ern, bis sie sich erholt hat. Richte dich da­nach und falle nicht gleich mit Dutzenden von Fragen über sie her.«

»Der Umsetzer interessiert dich doch auch«, erinnerte sie Fartuloon ein wenig be­leidigt.

Haitaschar schlug die Augen auf und starrte verständnislos zuerst gegen die Decke, dann auf Ischtar und Fartuloon. Ihr Mund öffnete sich wie zu einem Schrei, aber kein Laut kam über ihre Lippen. Noch im­mer verkrampften sich ihre Hände und öff­neten sich wieder, so als wollten sie das Blut schneller durch die Adern pumpen.

Die Augen schlossen sich wieder für einen Moment.

Dann sahen sie Ischtar fragend an. Ischtar sagte mit sanfter, beruhigender

Stimme: »Du bist in Sicherheit, Haitaschar. Wir

sind Freunde. Wir werden dir alles erklären, sobald du kräftig genug bist. Ruhe dich aus.«

Haitaschar öffnete die Lippen, und dies­mal flüsterte sie einige Worte, die Fartuloon jedoch nicht verstand, weil er weiter weg war als Ischtar. Er sah nur, daß Ischtar den Kopf schüttelte und beruhigend die Hand auf den Arm der Varganin legte.

»Nein, wir sind Freunde. Es sind wir, die dich gefunden haben, kein Rächer oder Hen­ker, Haitaschar. Doch sprich jetzt nicht, du mußt ruhen. Bald wirst du essen und trinken

41 Geheimprojekt der Varganen

können, und danach erst kannst du reden und Fragen stellen.«

Sie nickte, sah Ischtar dankbar an und schloß wieder die Augen.

Ischtar richtete sich auf. »Es ist merkwürdig, daß jemand nach ei­

nem so langen Schlaf erwacht und dann er­schöpft ist – und wieder schlafen will. Wir lassen sie vorerst hier, um sie nicht zu stö­ren. Später bringen wir sie in eine der freien Kabinen, am besten in die neben der mei­nen. Komm jetzt, sie muß ihre Ruhe haben.«

Sie verließen den Raum und kehrten in die Kommandozentrale zurück.

Hier empfing sie Corpkor mit einer Neu­igkeit.

»Die vier Schiffe«, sagte er und deutete auf die Meßinstrumente in der Kontrolltafel, »befinden sich noch immer in ihrer ur­sprünglichen Kreisbahn, aber sie haben vor wenigen Minuten damit begonnen, Impulse auszusenden.«

Fartuloon setzte sich. »Impulse? Was für Impulse?« »Energieimpulse, mehr weiß ich auch

nicht. Es begann in dem Augenblick, in dem Haitaschar erwachte. Sieht so aus, als be­stünde da ein Zusammenhang …«

Ischtar sah ihn nachdenklich an. Dann sagte sie: »Der Zusammenhang ist mir klar. Diese

vier Schiffe sind keine Abwehrforts. Sie wurden so programmiert, daß ihre Funktio­nen aktiviert werden, sobald Haitaschar ge­weckt wurde. Wißt ihr, was sie sind?«

Niemand antwortete. Alle blickten sie ge­spannt an.

»Dann will ich es euch sagen: sie sind der Umsetzer, den wir suchen …«

6.

Die Erkenntnis traf sie wie ein Schock, der jedoch nur wenige Sekunden dauerte. Ischtars Schluß war so zwingend und lo­gisch, daß kein Zweifel an ihrer Behauptung aufkommen konnte. Zu offensichtlich waren die Zusammenhänge zwischen dem Erwa­

chen Haitaschars und der zugleich beginnen­den Tätigkeit der vier Schiffe, die sich durch Energieabstrahlung bemerkbar machte.

»Nur Haitaschar kann uns sagen, was nun zu tun ist. Sie muß alle entsprechenden In­formationen erhalten haben, bevor man sie in Tiefschlaf versetzte – oder bevor sie es selbst tat.« Ischtar war aufgestanden. »Ich sehe nach ihr.«

Sie verließ die Kommandozentrale. Fartu­loon schaltete den Interkom ein. Haitaschar lag noch immer in ihrer flachen Wanne und schien zu schlafen.

»Wir müssen die vier Schiffe unter ständi­ger Beobachtung halten«, mahnte Corpkor. »Die Instrumente registrieren jede Verände­rung. Hoffentlich kann Haitaschar uns bald mehr Informationen geben.«

Fartuloon sah noch immer auf den Bild­schirm des Interkoms.

»Ischtar ist noch nicht im Lagerraum auf­getaucht. Eigentlich müßte sie schon längst dort sein.«

Eiskralle schien etwas sagen zu wollen, schwieg aber dann doch.

Nach fünf Minuten stand Fartuloon mit einem Ruck auf.

»Da stimmt etwas nicht! Ich sehe nach.« Eiskralle wartete, bis sich die Tür hinter

ihm geschlossen hatte, dann schaltete er den Bordinterkom ein. Seine Stimme konnte nun überall im Schiff gehört werden.

»Ischtar, wo steckst du? Melde dich! Dringend!«

Aber es war nur Fartuloon, der auf seinem Weg zum Lagerraum den Knopf der näch­sten Sprechstelle eindrückte und sagte:

»Sucht sie mit den Kameras und überprüft Daquomart. Ich kümmere mich um Haita­schar. Keine weiteren Informationen mehr über Interkom, verstanden?«

Eiskralle ahnte sofort, was Fartuloon an­deuten wollte. Mit hastigen Bewegungen drückte er auf die Wahltasten des Bordinter­koms und aktivierte eine Kamera nach der anderen, bis endlich Daquomarts Kabine auf dem Bildschirm erschien.

»Was ist denn los?« fragte Corpkor von

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den Ortern her, als Eiskralle mit einem er­stickten Schrei aufsprang, sich aber sofort wieder hinsetzte und trotz Fartuloons War­nung die gesamte Interkomanlage einschal­tete. Statt Corpkor zu antworten, rief er:

»Achtung, Fartuloon! Daquomart ist ent­flohen und muß irgendwo im Schiff sein! Ischtar liegt auf dem Boden seiner Kabine, wahrscheinlich bewußtlos. Ich kümmere mich um sie.«

Er wartete nicht ab, um Fartuloons Bestä­tigung zu hören, sondern sprang auf, bewaff­nete sich mit einem Handstrahler und rannte aus der Kommandozentrale.

Corpkor blieb an seinem Platz, aber auch er bewaffnete sich und legte den Strahler vor sich auf den Instrumententisch.

Daquomart würde versuchen, das Schiff zu kapern, daran konnte kein Zweifel beste­hen.

Diesmal, so schwor sich Corpkor, würde er kurzen Prozeß mit ihm machen. Die Quir­rels würden ihn schon finden …

*

Daquomarts Unruhe wuchs von Minute zu Minute. Haitaschar mußte daran gehin­dert werden, ihr Geheimnis zu verraten, ko­ste es, was es wolle. Der Umsetzer durfte niemals aktiviert werden. Das würde die Varganen und den Henker nur auf seine Spur bringen. Ischtar mußte verrückt sein, ein solches Risiko einzugehen.

Er untersuchte die Kabinentür, stellte aber dann fest, daß er sie ohne Werkzeug niemals öffnen konnte. Blieb also nur die Möglich­keit, einen Fluchtversuch dann zu wagen, wenn ihm das Essen gebracht wurde. Er hät­te das schon früher tun sollen, vielleicht war es jetzt bereits zu spät.

Über die Interkom-Kamera in der Wand konnte man ihn jederzeit beobachten, aber jetzt leuchtete das rote Kontrollicht nicht. Es blieb auch dunkel, als er draußen auf dem Gang Schritte hörte, die sich schnell näher­ten.

Er blieb auf dem Bett sitzen, als sich die

Clark Darlton

Tür öffnete. Es war Ischtar. Sie blieb in der Tür stehen und sagte: »Ich weiß, daß dir meine Absicht nicht

gefällt, und ich nehme an, du weißt mehr über den Umsetzer, als du bisher zugibst. Beantworte meine Fragen, und ich sorge da­für, daß man dich nicht auf Kryrot absetzt. Der Planet ist die Hölle.«

Er stand auf und tat, als überlege er. In Ischtars Gürtel war der Handstrahler.

»Hat Haitaschar noch nicht gesprochen? Sie weiß mehr als ich.«

»Sie schläft noch und …« Weiter kam Ischtar nicht. Daquomart hatte sich mit ei­nem Satz auf sie geworfen und zu Boden ge­schleudert. Sie fiel so unglücklich, daß sie mit dem Hinterkopf gegen die Wand schlug und sofort die Besinnung verlor. Daquomart nahm ihr den Handstrahler ab, untersuchte ihn und richtete ihn dann auf die wehrlose Varganin.

In diesem Augenblick kam Eiskralles Stimme aus dem Lautsprecher des Inter­koms:

»Ischtar, wo steckst du? Melde dich! Dringend!«

Daquomart hörte Fartuloons Antwort nicht mehr. Er ließ Ischtar liegen und rannte hinaus auf den Korridor. Er mußte sich beei­len, ehe seine Flucht entdeckt wurde. Wenn diese Quirrels erst einmal auf seiner Spur waren …

Er hatte keine Ahnung, wo er die schla­fende Haitaschar finden sollte, aber wenn er sich nicht irrte, mußte sie noch an die Appa­raturen der Überlebensanlage angeschlossen sein. Und die wiederum war zu groß, um in einer Kabine Platz zu finden.

Er schlug den Weg zu den Hangars und Lagerräumen ein.

Dann dröhnte der Lautsprecher wieder auf. Eiskralle war unterwegs zu seiner Zelle. Dort würde er Ischtar finden und sich den Rest zusammenreimen können.

*

43 Geheimprojekt der Varganen

Inzwischen erreichte Fartuloon den La­gerraum und atmete erleichtert auf, als er al­les unverändert vorfand. Haitaschar schlief noch immer, doch die Zeiger der ange­schlossenen Instrumente verrieten keine überflüssige Energiezufuhr mehr. Die Var­ganin war unabhängig von ihnen geworden.

Ischtar bereitete ihm Sorgen, aber Eiskral­le würde sich jetzt um sie kümmern. Wichtig war nur, daß Daquomart rechtzeitig gefun­den wurde, ehe er Gelegenheit erhielt, seine aus der Verzweiflung geborenen Absichten in die Tat umzusetzen.

Er zog sich in den Hintergrund des Raum-es zurück und setzte sich auf eine der vielen Metallkisten, die Vorräte und Werkzeuge enthielten. Von hier aus konnte er den Raum unter Beobachtung halten. Die beiden Ein­gangstüren lagen ihm genau gegenüber.

Den entsicherten Strahler hielt er schuß­bereit in der Hand.

*

Eiskralle richtete sich erleichtert auf, als er Ischtar untersucht hatte. Sie kam schon wieder allmählich zu sich und berichtete, was geschehen war. Dann riß sie plötzlich die Augen im jähen Schreck auf.

»Haitaschar! Er will sie umbringen!« »Fartuloon ist bei ihr«, berichtete Eiskral­

le sie. »Daquomart wird den Versuch nicht überleben. Kannst du aufstehen?«

»Ich muß zu ihr!« stöhnte sie und stützte sich auf seinen Arm. »Oh, mein Kopf!«

»Du kannst von Glück reden, daß er dich nicht, tötete.«

Ein Stück weiter war eine Interkomanla­ge. Eiskralle schaltete auf Direktverbindung zur Kommandozentrale, damit niemand sonst im Schiff mithören konnte. Corpkors Suche nach Daquomart war bisher ohne Er­folg geblieben. Fartuloon lag im Lagerraum auf der Lauer.

»Wir sollten Daquomart einen Hinweis geben«, schlug Eiskralle vor. »Damit erspa­ren wir ihm das Suchen – und Fartuloon eine lange Wartezeit.«

Ischtar wollte protestieren, aber dann nickte sie. »Machen wir«, stimmte Corpkor zu.

*

Fartuloon erschrak, als er Corpkor sagen hörte:

»Hallo, Fartuloon! Statt dich um die An­triebsräume zu kümmern, solltest du lieber mal nach Haitaschar in Lagerraum 7-B se­hen. Vielleicht ist sie schon erwacht. Um Daquomart kümmern sich meine Quirrels.«

An der Wand des Lagerraums stand groß und deutlich die Bezeichnung 7-B. Daquo­mart wußte jetzt, wo er Haitaschar finden würde.

Fartuloon begriff, was Corpkor bezwecken wollte. Er lächelte grimmig und wartete, bis er Schritte hörte, die sich schnell näherten. Dann wurde die nur angelehnte Tür aufgestoßen, Daquomart kam in den La­gerraum, sah kurz zu Haitaschar hinüber und blickten sich dann hastig nach allen Seiten um, konnte aber niemanden entdecken. Den Strahler feuerbereit, ging er langsam auf die schlafende Varganin zu, einen Ausdruck fe­ster Entschlossenheit im Gesicht. An seiner Absicht konnte kein Zweifel bestehen.

Fartuloon wartete, bis Daquomart in gün­stigster Schußposition war und die Waffe in Anschlag brachte. Versuchter Mord war ge­nauso verwerflich wie ein geglückter Mord. In dieser Situation wäre auch eine Warnung nicht nur überflüssig, sondern lebensgefähr­lich gewesen.

Noch nie in seinem Leben hatte Fartuloon so sorgfältig Ziel genommen wie jetzt. Der Lauf der Waffe schwankte um keinen Milli­meter, als er abdrückte.

Das stark konzentrierte Energiebündel hüllte Daquomart völlig ein und tötete ihn, ehe er begriff, was geschah. Er starb mit der Waffe in der Hand, die noch immer auf Hai­taschar gerichtet war. Doch schon in der nächsten Sekunde hatte sich diese Waffe in einen Klumpen geschmolzenen Metalls ver­wandelt, während von Daquomart nichts als

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eine langsam erlöschende Molekularwolke übriggeblieben war.

Fartuloon kam aus seinem Versteck. »Du hast Talent für dramatische Auftrit­

te«, hörte er Corpkors Stimme aus dem Lautsprecher neben der Tür. »Ein Glück, daß du meinen Hinweis für Daquomart nicht falsch verstanden hast.«

Haitaschar hatte die Augen geöffnet. Sie blieb liegen, aber sie beobachtete Fartuloon, der sich vorsichtig näherte. Sie konnte nicht beobachtet haben, was inzwischen gesche­hen war, und sie brauchte auch nicht zu wis­sen, in welcher Gefahr sie geschwebt hatte.

Ehe Fartuloon sie ansprechen konnte, er­schienen Ischtar und Eiskralle. Die Varganin setzte sich sofort auf die noch immer neben der Anlage stehende Kiste. Mit einer Hand bedeckte sie die Beule am Hinterkopf.

»Es geht dir gut, Haitaschar, wie ich sehe. Verzeih, wenn ich dir gleich einige Fragen stellen muß, aber die Zeit drängt. Du bist die Wächterin der Absoluten Bewegung und weißt, wie der Umsetzer in Betrieb genom­men wird. Wirst du uns dabei helfen?«

Haitaschar sah sie verständnislos an. »Umsetzer …?« stammelte sie. »Absolute

Bewegung? Was ist das?« Wenn Ischtar enttäuscht war, dann zeigte

sie es nicht. »Es wird dir schon wieder einfallen. Du

bist noch zu verwirrt, vielleicht bist du auch zu schnell geweckt worden. Aber versuche dich bitte zu erinnern, es ist ungeheuer wich­tig – vielleicht auch für dich. Draußen krei­sen vier Schiffe um Kryrot. Sind sie der Umsetzer für die Absolute Bewegung?«

Haitaschar sagte tonlos: »Kryrot …?« Fartuloon nahm Ischtars Arm. »Laß ihr Zeit, Ischtar. So schnell kann die

Erinnerung nicht zurückkehren. Vielleicht sollten wir uns inzwischen die vier Schiffe ansehen. Kann sein, daß wir dann mehr wis­sen.«

Ischtar war einverstanden. Sie lösten alle Verbindungsleitungen der Apparatur und schafften Haitaschar in die freie Kabine. Sie

Clark Darlton

ließ apathisch alles mit sich geschehen, ohne Fragen zu stellen.

Corpkor hatte inzwischen Kurs und Ge­schwindigkeit so geändert, daß sich das Schiff der Umlaufbahn der vier Stationen näherte und schließlich in sie einschwenkte. Fartuloon und Ischtar legten ihre Raumanzü­ge wieder an. Wenn es sich bei den vier Schiffen nicht um Sonderkonstruktionen handelte, würde das Eindringen keine Pro­bleme mit sich bringen.

»Wir sind stabil«, sagte Corpkor. »Entfernung zum ersten Objekt beträgt fünf­hundert Meter. Energieabstrahlung gleich­bleibend.«

Bevor sie in der Luftschleuse ihre Helme schlossen und die Funksprechgeräte ein­schalteten, sagte Fartuloon:

»Es könnte Abwehrsicherungen geben, die erst dann einsetzen, wenn wir gewaltsam einzudringen versuchen – hast du daran ge­dacht?«

»Natürlich habe ich daran gedacht. Leider konnte Haitaschar uns keine Informationen geben, aber wir können auch nicht warten, bis ihr alles wieder einfällt. Doch du kannst beruhigt sein: ich verstehe ziemlich viel von varganischer Technik. Wir schaffen es schon.«

»Hoffentlich«, entgegnete Fartuloon skep­tisch.

Die Luft wurde abgesaugt, und dann öff­nete sich die äußere Luke. In fünfhundert Meter Entfernung schwebte das Doppelpyra­midenschiff. Es war Fartuloon, als ginge ei­ne Drohung von ihm aus.

Zweimal umkreisten sie es, ehe sie sanft auf der Hülle landeten. Ischtar stellte fest:

»Gleiche Konstruktion wie mein Schiff. Hier ist die Hauptluke. Keine Sicherung vor­handen. Werden wir gleich haben …«

Fartuloon sah zu, wie sie neben der Luke einen kleinen Schaltkasten öffnete und auf mehrere darin versenkte Knöpfe drückte.

Die Luke schwang nach außen auf. Da­hinter wurde ein dunkler Raum sichtbar, in dem erst dann Licht aufflammte, als Ischtar hineinschwebte. Fartuloon folgte ihr vor­

45 Geheimprojekt der Varganen

sichtig und landete bei einsetzender Schwer­kraft dicht neben ihr. Die Luke schloß sich. Luft strömte in die Schleusenkammer.

»Als wären wir erwartet worden«, mur­melte Ischtar, ohne den Helm zu öffnen. »Gehen wir.«

Fartuloon folgte ihr mit gemischten Ge­fühlen auf den Korridor, der mit dem im ei­genen Schiff identisch zu sein schien. Auch hier war es hell. Unter den Füßen war ein gleichmäßiges Vibrieren wie von laufenden Maschinen oder Generatoren.

Die Kommandozentrale war umgebaut worden und bestand praktisch nur aus riesi­gen Schalttafeln und Hunderten von Instru­menten an den Wänden. Dafür fehlten die üblichen Bildschirme, so daß es keine Sicht nach außen gab. Die Schiffe waren nicht für den normalen Raumflug bestimmt, sondern stellten zweifellos Stationen dar.

»Sehen wir uns den Rest auch noch an«, schlug Ischtar mit gepreßter Stimme vor. »Wir müssen Gewißheit haben.«

Zu beiden Seiten des Hauptkorridors wa­ren die Kabinen entfernt oder erst gar nicht eingebaut worden, um Platz für gewaltige Maschinenanlagen zu schaffen. Vergeblich versuchte Fartuloon, ihre Funktion zu be­stimmen, denn derartig konstruierte techni­sche Anlagen hatte er noch nie gesehen. Dennoch glaubte er gewisse Formen zu er­kennen oder zumindest ihren Zweck erraten zu können.

Da waren metallene Halbkugeln, die an primitive Orterantennen erinnerten, aber mit Sicherheit keine sein konnten. Auch ihre Anordnung war auffällig. Mit den Maschi­nenblöcken und Generatoren verbanden sie dicke Kabelleitungen aus silberschimmern-dem Kunststoff.

»Das müssen die Projektoren sein«, sagte Ischtar.

»Projektoren?« »Sie erzeugen die Absolute Bewegung

und ermöglichen den Übergang in den Mi­krokosmos. Zugleich bewirken sie eine Orts­versetzung in das Universum der Varganen, denn es befindet sich ja logischerweise nicht

gerade hier im System Kryrot. Wir müssen herausfinden, von welchem der vier Schiffe aus die Gesamtanlage aktiviert wird.«

»Hat Haitaschars Erwachen diesen Prozeß nicht bereits eingeleitet?«

»Nicht vollständig. Ich glaube, es wurde nur eine … nun, sagen wir mal Bereitschaft ausgelöst. Die eigentliche Aktivierung muß von einer Hauptschaltung ausgehen. Sie ist es, die wir suchen.«

Fartuloon betrachtete die Projektoren mißtrauisch.

»Gehen wir nicht ein ziemliches Risiko ein, Ischtar? Schließlich experimentieren wir mit unbekannten Kräften. Ich wage nicht, mir eventuelle Folgen vorzustellen, wenn wir einen Fehler machen.«

»Wir dürfen eben keinen Fehler machen!« erwiderte Ischtar.

Fartuloon gab es auf. Er kannte die un­glaubliche Willenskraft der Varganin und die Energie, die in ihr steckte, wenn sie ein Ziel verfolgte. Nichts würde sie davon ab­bringen können, den gefährlichen Versuch zu unternehmen, in den Mikrokosmos einzu­dringen, wenn dadurch die vage Möglichkeit gegeben wurde, Atlan zu finden.

Sie liebte Atlan, auch das wußte Fartu­loon, und so verstand er ihre Motive, wenn­gleich er mit ihren Methoden nicht immer ganz einverstanden sein konnte. Seiner An­sicht nach ging Ischtar zu viele Risiken ein.

Sie durchsuchten noch den Rest des Schiffes, fanden aber außer weiteren Anla­gen und automatisch arbeitenden Schaltele­menten keine sicheren Anhaltspunkte, mit denen sie etwas hätten anfangen können.

Als sie in der Luftschleuse standen und warteten, daß sich die Außenluke öffnete, sagte Fartuloon:

»Sehen wir uns die anderen Schiffe jetzt sofort an, oder versuchen wir vorher noch einmal, etwas von Haitaschar zu erfahren?«

Sie zögerte. Eiskralle, der inzwischen die Wache in der Zentrale übernommen hatte und auf Funkempfang geblieben war, nahm ihr die Entscheidung ab.

»Ich habe versucht, mit Haitaschar zu

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sprechen. Sie hat keine Erinnerung, sie weiß nichts. Sie hat mir nicht einmal sagen kön­nen, warum sie im Tiefschlaf lag und wer es veranlaßte. Wir müssen ihr Zeit lassen …«

»Zeit ist das, was wir nicht haben!« unter­brach ihn Ischtar ungeduldig. »Dann versu­chen wir es eben ohne sie.«

Sie nickte Fartuloon zu, denn die Luke öffnete sich.

Wortlos schwebten sie zum eigenen Schiff zurück, das Fahrt aufnahm, sobald sie in der Luftschleuse angelangt waren. Der Flug über die Entfernung von hundert Kilo­meter dauerte nur wenige Minuten. Sie nä­herten sich anschließend dem zweiten zu un­tersuchenden Schiff und drangen genauso leicht in es ein wie in das erste.

Fartuloon konzentrierte sich in der Haupt­sache darauf, einen Unterschied zu dem zu entdecken, was sie in diesem ersten Schiff gefunden hatten, aber es gelang ihm nicht. Die technischen Anlagen und ihre Anord­nung waren identisch, daran konnte kein Zweifel bestehen. Beide befanden sich im Stadium der Betriebsbereitschaft und muß­ten nur noch endgültig aktiviert werden, um mit ihrer unheimlichen Arbeit beginnen zu können.

Ischtar betrachtete sehr lange die Projek­toren und prägte sich die Projektionsrich­tung ein. Schließlich machte sie sich noch einige Notizen, ehe sie sagte:

»Nun das dritte Schiff, mein Freund, dann haben wir schon fast Gewißheit. Ich glaube, ich habe etwas Wichtiges entdeckt.«

»Und das wäre?« »Später, erst muß ich Gewißheit haben.

Kehren wir zu den anderen zurück und flie­gen das dritte Schiff an.

Wenn sich meine Vermutung dort bestäti­gen sollte, werden wir das letzte nicht unter­suchen müssen.«

Er folgte ihr, reichlich unzufrieden und voller Skepsis. Ischtars plötzlicher Optimis­mus stimmte ihn alles andere als zuversicht­lich. Er war davon überzeugt, daß bei ihr der Wunsch der Vater des Gedankens war.

Das dritte Schiff wies einige Unterschiede

Clark Darlton

auf. Auch hier war die eigentliche Komman­dozentrale eingerichtet wie in den anderen, doch es gab einen großen Bildschirm, der den Blick nach draußen gestattete. Als Ischt­ar ihn trotz Fartuloons Bedenken einschalte­te, erlebten sie eine Überraschung, die je­doch gleichzeitig den Zusammenhang der vier unabhängig erscheinenden Anlagen be­stätigte.

Der Schirm wurde hell. Fünf Pyramiden­schiffe erschienen auf ihm, als stünde die Aufnahmekamera hoch über ihnen, minde­stens zweihundert Kilometer oder noch mehr. Vier der Schiffe bildeten ein Quadrat, das fünfte schien neben einem von ihnen zu kleben, so gering war der Abstand.

»Die vier Stationen – und wir«, murmelte Fartuloon verblüfft. »Sie sind durch positro­nisch gezeichnete Linien miteinander ver­bunden … was bedeutet das?«

Ischtar nahm ihre Notizen und studierte sie aufmerksam, dann nickte sie.

»Ja, das muß es sein! Meine Berechnun­gen beweisen es eindeutig. Wir brauchen uns das vierte Schiff nicht mehr anzusehen, dies hier ist der Kommandoteil. Von hier aus läßt sich der Umsetzer aktivieren.«

»Und wo ist der Umsetzer?« Ischtar deutete auf den Bildschirm. »Die positronischen Linien verbinden die

vier Schiffe, und sie schneiden sich exakt im Mittelpunkt. Der Schnittpunkt der beiden Diagonalen – das ist der Umsetzer!« Sie gab ihm ihre Notizen. »Du siehst, daß ich die Richtung der Projektoren eingezeichnet ha­be, sie entsprechen der Richtung der Diago­nalen. Wenn sie eingeschaltet werden, tref­fen sich die Strahlungsfelder im Schnitt­punkt der Linien. Dort beginnt dann die Um­wandlung, die Absolute Bewegung von ei­nem Kosmos in den anderen.«

Fartuloon betrachtete die Unzahl der Schaltelemente auf der halbrunden Tafel rings um den Bildschirm. Es gab Hunderte von Knöpfen, die man eindrücken und min­destens ebenso viele Hebel, die man umle­gen konnte.

Welches waren die richtigen?

47 Geheimprojekt der Varganen

Ischtar hatte seine Gedanken erraten. Sie deutete auf einen metallenen Kasten, der auf dem Tisch befestigt war. Er trug ein eingra­viertes Zeichen unbekannter Bedeutung.

»Dort, Fartuloon! Wer ihn öffnet, akti­viert den Umsetzer.«

»Das ist doch nur eine Vermutung! Wer weiß, was du aktivierst, wenn du ihn zu öff­nen versuchst!«

Sie lächelte hinter ihrer Helmscheibe. »Wir werden es bald wissen, aber beruhi­

ge dich, wir versuchen erst noch einmal, Haitaschar auszufragen. Vielleicht hat sie sich inzwischen erholt. Es ist doch unmög­lich, daß sie jede Erinnerung verloren hat.«

Schweigend machten sie sich auf den Rückweg.

7.

Ischtar war zu Haitaschar gegangen. Die drei Männer saßen in der Kommandozentra­le zusammen und hatten den Interkom blockiert, um ungestört reden zu können.

»Ich habe keine große Lust, in den Be­wohner eines Elektrons verwandelt zu wer­den«, sagte Eiskralle mißmutig. »Wenn ich mir das nur vorstelle, verändert sich schon jetzt meine Molekularstruktur.«

»Nicht nur deine«, stimmte Corpkor ihm zu. »Auf der anderen Seite denke ich an At­lan. Wer weiß, was inzwischen mit ihm pas­siert ist! Er ist im Mikrokosmos, daran kann kein Zweifel bestehen, aber müssen wir das auch, um ihm zu helfen? Gibt es denn kei­nen anderen Weg?«

Fartuloon lag zurückgelehnt im Kontur­sessel. Er streifte Ischtars Notizen auf dem Tisch mit einem gleichgültigen Blick.

»Ich bin nicht weniger besorgt als ihr, was Atlan anbetrifft. Wir haben diesmal eine Chance, ihn zu finden, aber ich gebe zu, es ist eine verdammt geringe Chance, und eine unsichere dazu. Ischtar ist viel zu eifersüch­tig. Sie könnte unüberlegt handeln. Es liegt an uns, die endgültige Entscheidung zu fäl­len. Unternehmen wir den Versuch – oder unternehmen wir ihn nicht?«

»Ohne Ischtar zu hören?« fragte Corpkor erschrocken. »Wir befinden uns immerhin auf ihrem Schiff. Sie ist die Kommandan­tin.«

»Aber nicht unser Diktator!« warf Eis­kralle ein.

Fartuloon versuchte ruhig zu bleiben. »Es geht um Atlan, um nicht mehr und

nicht weniger. Aber ich gebe zu, daß ich dem Experiment skeptisch gegenüberstehe. Mir ist nicht wohl in meiner Haut. Aber die Frage lautet: Riskieren wir es trotzdem oder nicht? Habt ihr Kompromißvorschläge, ir­gendwelche Alternativen anzubieten?«

Eiskralle schüttelte entschieden den Kopf, während Corpkor nach einigem Überlegen meinte:

»Diese Haitaschar muß etwas wissen, aber sie hat ihre Erinnerung verloren. Vielleicht wäre es gut, wenn wir ein wenig nachhelfen. Wir haben Medikamente an Bord, die das Gedächtnis auffrischen. Außerdem kann Ischtar ihr helfen, wenn sie ihr von der Ver­gangenheit erzählt.«

Fartuloon nickte ihm anerkennend zu. »Ein guter Gedanke, Corpkor. Und auf je-

den Fall ein Vorschlag, den sich Ischtar zu­mindest anhören muß. Wir stellen ihr eine Frist. Wenn diese verstrichen ist, legen wir ihr keine Hindernisse mehr in den Weg.«

»Ihr seid die reinsten Selbstmörder!« rief der Chretkor.

»Mag sein, Eiskralle«, gab Fartuloon zu. »Aber wir haben mehrere Beiboote an Bord. Du kannst eines davon nehmen und uns ver­lassen. Aus sicherer Entfernung könntest du dann beobachten, was mit uns geschieht. Vielleicht wäre das sogar eine gute Idee.«

Eiskralle sah ihn an, als habe er ein Ge­spenst vor sich.

»Ich soll kneifen? Du weißt, das würde ich nie tun, Fartuloon! Ich habe nur meine Meinung gesagt, das ist alles. Ich habe Angst! Warum soll ich das verschweigen? Wenn ihr alle dafür seid, daß wir Ischtar fol­gen, dann bin auch ich dabei. Aber die War­tezeit sollten wir ihr vorschlagen.«

»Dann wären wir uns einig«, stellte Fartu­

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loon fest. Er sah auf den Bildschirm. Die vier Schif­

fe schwebten in einigen hundert Kilometern Entfernung. Nichts geschah dort, was zu re­gistrieren gewesen wäre. Nur eine leichte Energieabstrahlung konnte gemessen wer­den.

Ischtar kam in die Kommandozentrale und setzte sich. Sie sah die fragenden Ge­sichter der Männer und lächelte flüchtig.

»Habt ihr ein Komplott gegen mich ge­schmiedet? Dann rückt heraus mit der Spra­che!«

Fartuloon sagte für sie alle: »Zuerst berichte uns, was du erreicht hast.

Hat Haitaschar geredet? Hast du etwas in Erfahrung bringen können?«

»Nicht viel, das muß ich zugeben, aber immerhin gab es einige Hinweise, die uns weiterhelfen können. Außerdem scheint sie sich zu erholen, wenn sie scheinbar auch nur sinnloses Zeug redet. Sie hat zweifellos einen schweren Schock erlitten. Die Frage ist nur, ob er bei der Einleitung des Tief­schlafs eintrat – oder erst beim Erwachen.«

»In einigen Tagen also«, sagte Corpkor lauernd, »wüßten wir vielleicht mehr?«

Sie nickte. »Natürlich – wenigstens neh­me ich es an. Aber soviel Zeit haben wir nicht zur Verfügung. Sie kann uns ihre Aus­künfte im Mikrokosmos geben, wenn wir sie dann noch brauchen.«

Fartuloon wandte sich ihr zu. »Wir haben dir einen Vorschlag zu ma­

chen, Ischtar. Wir sind mit dem Einschalten der Projektoren einverstanden, aber erst in drei Tagen. Bis dahin kann Haitaschar uns mehr verraten haben, und wenn nicht, hast du freie Hand. Aber wir wünschen, daß du dich diese drei Tage geduldest. Sie bedeuten keinen großen Zeitverlust.«

»Aber …« »Am Schicksal Atlans ist uns genauso ge­

legen wie dir, Ischtar, vergiß das nicht. Du weißt, was für uns alle von seiner Rückkehr abhängt. Aber ihm nützt es nichts, wenn wir uns unüberlegt in ein Abenteuer stürzen, das leicht unser Ende bedeuten kann. Darum bit-

Clark Darlton

ten wir dich, auf unseren Vorschlag einzuge­hen.«

»Dies ist mein Schiff!« sagte sie kalt. »Eben, deshalb bitten wir dich ja. Wir

würden sonst befehlen, weil wir in der Mehrheit sind.«

Sie schwieg lange, sah von einem zum an­deren und las in ihren Mienen die feste Ent­schlossenheit, jetzt nicht mehr nachzugeben.

Schließlich nickte sie. »Gut, drei Tage, aber keine Stunde länger. Wir ruhen uns aus, ich kümmere mich um Haitaschar. Und dann … nun, dann werden wir ja sehen.«

»Ja, dann werden wir sehen«, bekräftigte Fartuloon.

*

In diesen drei Tagen veränderte sich nicht viel.

Ischtar saß stundenlang an Haitaschars Lager und versuchte, die Vergangenheit in ihr wachzurufen. Immer und immer wieder berichtete sie ihr von den Geschehnissen, die sie selbst schon beinahe vergessen hatte, aber es erfolgte keine positive Reaktion.

Haitaschar blieb teilnahmslos, auch wenn sie zuhörte. Selbst stärkende Medikamente und Stimulanzmittel blieben ohne jede Wir­kung, wenn man von wenigen zusammen­hanglosen Informationen absah.

Aber sie nahm wieder Nahrung zu sich und schien auch keine Angst vor Fartuloon zu haben, der sich ebenfalls um sie bemühte.

Doch das alles half nicht weiter, und bald näherte sich die vereinbarte Frist ihrem En­de. Ischtar erschien auf die Minute genau in der Kommandozentrale und sagte:

»Es ist überflüssig, daß mich jemand be­gleitet, ich gehe allein. Du hast die Unterla­gen, Fartuloon. Sobald ich dir über Interkom mitteile, daß ich zurück bin und die Luke geschlossen habe, mußt du Fahrt aufneh­men. Die Daten sind dir bekannt. Wir kön­nen in wenigen Minuten den Schnittpunkt erreicht haben.«

»Und wenn der Umsetzer vorher zu arbei­ten beginnt?«

49 Geheimprojekt der Varganen

»Diese Sicherheitsfrist ist einprogram­miert, nehme ich an. Er wird erst dann zu ar­beiten beginnen, wenn wir den Schnittpunkt berühren. Die Felder müssen Materie tref­fen, um wirksam zu werden.«

»Alles nur Vermutungen«, knurrte Eis­kralle im Hintergrund.

Ischtar beachtete ihn nicht. »In zehn Mi­nuten verlasse ich das Schiff und bin in zwanzig Minuten wieder zurück. Bereitet al­les für den Start vor.«

»Viel Glück!« rief Fartuloon hinter ihr her, aber sie hörte ihn schon nicht mehr. Er seufzte und schaltete die Normalfunkanlage ein, damit Ischtar ihn jederzeit erreichen konnte. Dann programmierte er den kurzen Flug zum Umsetzer-Schnittpunkt und lehnte sich in seinem Sessel zurück. »So, nun kön­nen wir nichts anderes tun als abwarten.«

»Hoffentlich gehorchen mir im Mikrokos­mos wenigstens die Bakterien«, murmelte Corpkor.

*

»Ich bin bei der Hauptkontrolle«, gab Ischtar über Funk bekannt. »Jetzt öffne ich den Deckel des Schaltkastens. Die Lampen glühen auf. Aktivierungsprozeß beginnt. Ein Zeitnehmer läuft. Ich komme zurück!«

»Aber schnell!« riet Fartuloon ihr noch, ehe er sich auf seine Aufgabe konzentrierte, das Schiff über die geringe Entfernung von ziemlich genau siebzig Kilometer zum Schnittpunkt des Umsetzers zu bringen.

Die Kontrollampe der Luftschleuse leuch­tete auf. Die Außenluke war geschlossen.

Fartuloon zögerte nun keine Sekunde mehr, obwohl die Gesichter von Corpkor und Eiskralle noch meiner Bedenken verrie­ten.

Das Schiff nahm langsam Fahrt auf und glitt auf den imaginären Punkt zu, an dem sich die vier nun aktivierten Energiefelder schnitten. Als es die Hälfte der Strecke zu­rückgelegt hatte, kam Ischtar in die Zentrale. Sie mußte sich während des Herbeieilens ih­res Raumanzuges entledigt haben, denn sie

trug nur noch ihre Kombination. Ohne ein Wort zu sagen, setzte sie sich

neben Fartuloon und sah mit ihm und den anderen auf den Bildschirm.

Die vier Schiffe waren deutlich zu erken­nen – das eine genau vor dem Bug, noch hundert Kilometer entfernt, zwei weitere rechts und links, und das vierte auf der Heckprojektion.

»Noch dreißig Kilometer«, sagte Fartu­loon und schloß geblendet die Augen.

Fast blind schaltete er die Energiezufuhr ab, denn das Schiff hatte die Zielregion er­reicht. Dann versuchte er vorsichtig, die Au­gen wieder zu öffnen.

Neben ihm stöhnte Ischtar: »Die vier Schiffe …!«

Corpkor, der bei den Ortern gewesen war, hatte nicht so sehr in den flammenden Blitz gesehen wie die anderen.

»Sie sind detoniert, Fartuloon! Alle vier in der selben Sekunde! Ein Glück, daß wir weit genug von ihnen entfernt waren.«

Langsam öffnete Fartuloon wieder die Augen. Auf dem Bildschirm sah er vier ato­mare Leuchtwolken, die sich allmählich aus­dehnten und dabei dunkler wurden.

Hastig schaltete er die Energiezufuhr wie­der ein, und ehe Ischtar ihn daran zu hindern vermochte, legte er den Hebel für den Not­start auf volle Kraft.

»Fartuloon!« rief die Varganin und wollte ihn daran hindern, aber sie kam zu spät. Die Lampen unter den Instrumenten zeigten be­reits an, daß der Antrieb aktiviert worden war.

»Warum hast du das getan?« Sie schluchzte vor Wut und Enttäuschung. »Nun hast du alles verdorben …!«

Aber dann schwieg sie und sagte nichts mehr. Das Schiff machte keine Fahrt. Alle Aggregate und Reaktoren waren wie tot, ob­wohl die Instrumente volle Arbeitsleistun­gen anzeigten.

Das Schiff trieb unaufhaltsam in das Zen­trum des inzwischen verschwundenen Qua­drats hinein, und dann schien es von unsicht­baren Mächten gepackt und angehalten zu

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werden. Alle Kontrollampen erloschen. Die Anzeigeinstrumente blieben ohne

Funktion. Fartuloon biß sich auf die Lippen und ließ

Ischtar gewähren, die verzweifelt die Kon­trollen betätigte und nach einem Fehler suchte, aber dann gab sie es schließlich ebenfalls auf.

»Du hast, was du wolltest«, sagte Fartu­loon ruhig. »Der Antrieb läßt uns im Stich. Wir sitzen fest – und das, nachdem die vier Schiffe vernichtet wurden. Was also habe ich verdorben?«

Sie sah ihn ohne Groll an. »Nichts, Fartu­loon, gar nichts! Die Projektoren haben sich selbst zerstört, aber bevor sie das taten, konnten sie ihren Auftrag noch ausführen. Wir befinden uns innerhalb dessen, was als Absolute Bewegung bezeichnet wird. Es ist genau wie damals …«

»Damals?« Sie nickte. »Ich habe es bereits erlebt,

vergiß das nicht. Das Experiment ist ge­glückt. Bald werden wir in meiner Urheimat sein, dort, wo auch Atlan sich aufhält. Wir werden ihn finden!«

Eiskralle umklammerte die Armlehnen seines Sessels.

»Ich weiß nicht – mir wird übel. Ich glau­be, ich bin auch schon ein Stückchen ge­schrumpft …«

Ischtar teilte ihm nüchtern mit: »Selbst wenn, so könntest du es nicht be­

merken, denn wir werden alle kleiner, auch das Schiff und alles, was in ihm ist. Nur das All draußen bleibt und verändert sich nicht – nur subjektiv. Für uns wird es immer größer werden, sich bis ins Unermeßliche ausdeh­nen, und es wird aus uns so winzige Mate­rieteilchen machen, daß wir selbst mit dem besten Positronenmikroskop nicht mehr zu erkennen sind.«

»Deine Art, jemanden zu trösten, ist um­werfend«, stellte Fartuloon fest. »Aber im. Ernst: Ich spüre auch eine leichte Übelkeit. Gehört das dazu?«

»Sie ist nicht zu vermeiden, soweit ich

Clark Darlton

mich erinnere. Es kann sogar sein, daß wir für eine gewisse Zeit das Bewußtsein verlie­ren.«

»Was ist mit Haitaschar?« fragte Corpkor besorgt.

»Sie wird nichts bemerken, denn sie schläft jetzt«, beruhigte Ischtar ihn. Der In­terkom funktionierte noch einwandfrei und bestätigte ihre Behauptung. »Was zeigen die Instrumente an, Fartuloon?«

»Ihnen nach zu urteilen, befinden wir uns in einer energetischen Strömung, die nicht zu identifizieren ist. Sie ist stärker als unser Antrieb. Auf dem Bildschirm … ja, was ist damit?«

Die Sterne auf dem Schirm schienen grö­ßer zu werden, gleichzeitig jedoch rückten sie in immer größere Entfernungen und ver­blaßten allmählich. Das mochte ein uner­klärliches Phänomen sein, aber eine optische Täuschung war auch nicht auszuschließen.

Fartuloon begann sich Vorwürfe zu ma­chen, Ischtar nicht energischer entgegenge­treten zu sein und das Experiment verhindert zu haben. Aber nun war es zu spät.

Der Strom der Absoluten Bewegung riß sie alle mit sich fort, hinein in die unbegreif­liche Welt des Mikrokosmos, in ein anderes Universum, wo eigene Naturgesetze galten.

Und dann begannen sie alle transparent zu werden.

Es war, als lösten sich ihre Körper lang­sam und ohne physischen Schmerz auf, aber sie wurden alle von einem Schwindelgefühl befallen, das jede normale Denkfähigkeit be­hinderte und schließlich völlig ausschaltete.

Mit letzter Kraft raffte Fartuloon sich noch einmal auf, aber er konnte nur noch feststellen, daß Ischtar neben ihm das Be­wußtsein verloren hatte. In sich zusammen­gesunken, lag sie in ihrem Sessel, die Augen geschlossen und ein Lächeln des Triumphs um ihre Lippen.

Auch Eiskralle und Corpkor waren ohn­mächtig geworden, letzterer mit seinem schlafenden Quirrel auf dem Schoß.

Dann wurde es auch vor Fartuloons Au­gen schwarz.

51 Geheimprojekt der Varganen

Sein letzter Eindruck war, in ein dunkles, bodenloses Universum zu stürzen, das weder Anfang noch Ende besaß und sich vom Be­ginn der Zeit bis zu ihrem fernen Ende er­streckte – und damit bis zum Ende der Ewigkeit …

E N D E

ENDE