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Gemeinsame Aufzucht von fünf jungen Tannenmeisen (Parus ater) durch Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) und Tannenmeisen

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Page 1: Gemeinsame Aufzucht von fünf jungen Tannenmeisen (Parus ater) durch Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) und Tannenmeisen

Heft 4 ] 1991 / 439

Kurze Mitteilungen

J. Orn. 132, 1991: S. 439--440

Aus dem Kreis der ehrenamtlichen Mitarbeiter der Vogelwarte Radolfzell (12)

Gemeinsame Aufzucht von fünf jungen Tannenmeisen (Parus ater) durch Trauerschnäp- per (Ficedula hypoleuca) und Tannenmeisen

Dieter und Ute Hoffmann, Roland Rost

Die in unseren Breiten heimischen Trauerschnäpper (Ficedula hypoleuca) kehren zwischen Mitte April und Mitte Mai ins Brutgebiet zurück, wenn u. a. Kleiber (Sitta europaea) und Mei- sen (Parus sp.) mit Nestbau bzw. Brutgeschäft schon begonnen haben. Wegen des späten Ankunftstermin besteht akuter Mangel an Brutraum. Dies hat zur Folge, daß brutwillige Schnäpper-9 bereits fertiggestellte Nester und Gelege anderer Vogelarten überbauen. Bis zu 10 %, in manchen Fällen sogar 12 % der 9 einer Trauerschnäpperpopulation verfahren auf diese Weise (vorläufiges Ergebnis der ,Populationsuntersuchungen an Höhlenbrütern" der Vogelwarte Radolfzell bzw. SCHMIDT 1957). Wie die Okkupation einer von einer anderen Art bereits besetzten Bruthöhle durch den Trauerschnäpper im einzelnen erfolgt, haben Lö•RL (1950), C~EU~Z (1955) und CuRio (1959) beschrieben. In nahezu allen bekannt gewordenen Fällen gelang die Übernahme einer Bruthöhle während der Eiablage des Höhlenvorbesitzers; nur in Ausnahmefällen okkupierten Trauerschnäpper dagegen Höhlen während des Nestbaues oder nachdem der Nachwuchs des Vorbesitzers geschlüpft war (Busse & •OrZMAN 1962). Nach einer erfolgreichen Übernahme kann es allerdings vorkommen, daß Trauerschnäpper zusammen mit den eigenen Nachkommen auch Jungvögel des Vorbesitzers erbrüten und auf- ziehen, wenn das 62 des Vorbesitzerpaares bereits mit der Eiablage begonnen hatte (SCHMIDT 1956). Andererseits ist bekannt, daß Kohlmeisen (Parus major) als Höhlenvorbesitzer gegen- über Trauerschnäppern letztlich doch die Oberhand behielten, neben den eigenen auch bereits vom Schnäpper-62 in das betreffende Nest abgelegte Eier bebrüteten und anschließend die Jungvögel beider Arten aufzogen (CURRY-LINDAHL 1963).

Am 5. 5. 1990 kontrollierten wir (D. & U. H.) die von uns seit 1974 betreuten 240 Nistkä- sten der Probefläche ,Gemeindewald Harthausen" (Rheinland-Pfalz) und fanden ein Nest der Tannenmeise (Parus ater) mit zwei Eiern und fünf frisch geschlüpften Jungvögeln. Bei der nächsten Kontrolle am 12.5. war das Tannenmeisennest von Trauerschnäppern überbaut wor- den (Höhe des Schnäppernestes 7--8 cm). Neben vier Trauerschnäppereiern befanden sich aber auch noch die fünf, nunmehr einwöchigen Tannenmeisen in besagtem Nest. Am 17. 5. waren die jungen Tannenmeisen noch am Leben und wurden beringt; die vier Trauerschnäp- pereier lagen noch im Nest. Die jungen Tannenmeisen wurden im Wechsel von den beiden Trauerschnäppern und ihren leiblichen Eltern mit Futter versorgt. Sie gediehen bei dieser Art der Nahrungsversorgung prächtig und flogen wenige Tage später aus.

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Leider entzieht sich unserer Kenntnis, was sich zwischen dem 5. und 12.5. im Nistkasten genau abgespielt hat. Wir vermuten jedoch, daß die jungen Tannenmeisen, durch ihre Eitern ausreichend mit Nahrung versorgt, zusammen mit dem in einer Bauzeit von nur wenigen Tagen (6.--8. 5.) entstandenen Trauerschnäppernest kontinuierlich ,hoch gebaut" wurden. Nach Fertigstellung des Nestes hat dann das Schnäpper- 9 , trotz der im Nest befindlichen jun- gen Tannenmeisen, vier Eier gelegt (je eines am 9., 10., 11. und 12. 5.). Da in 17 Jahren etwa 3 % der Vollgelege im Untersuchungsgebiet nur aus 4 Eiern bestanden, kann das Gelege durch- aus als Vollgelege eingestuft werden. Eine Bebrütung des Geleges durch das Trauerschnäpper- 9 unterblieb jedoch. Stattdessen begann das Schnäpperpaar sofort nach Abschluß der Eiab- lage mit der Aufzucht ,seines" Nachwuchses. Als Ursache für die unterlassene Bebrütung des eigenen Geleges bzw. den direkten Anschluß des Fütterns an die abgeschlossene Eiablage kommt unseres Erachtes nur das heftige Betteln der jungen Tannenmeisen in Frage.

S u m m a r y

Joint rearing of live Coal Tit chicks (Parus ater) by a pair of Pied Flycatchers (Ficedula hypoleuca) and a pair of Coal Tits. -- A female Pied Flycatcher (Ficedula hypoleuca) built over a Coal Tits' (Parus ater) nest containing five chicks. Nevertheless, the nestlings survived on account of their patents' feedings, and because they were probably lifted up in the nest-box sitting on top of the material brought into the box by the flycatcher- 9 . After nest-completion the Pied Flycatcher- 9 layed four eggs, but refused breeding. Instead, and probably due to the intense begging of the five Coal Tit chicks, the Flycatcher-pair immediatly started to rear "its" young. Based on the good care the chicks were given by their patents and foster-parents they came along nicely and fledged some days later.

L i t e r a t u r

BussE, P., & J. GOTZMA~ (1962): Nesting competition and mixed clutches among some birds inhabiting the nest-boxes. Acta orn. 7: 1--32. • C~~uTz, G. (1955): Der Trauerschnäpper (Muscicapa hypoleuca [Paltas]). J. Orn. 96: 241--326. • CuRIo, E. (1959): Verhaltensstudien am Trauerschnäpper. Z. Tierpsychol. Suppl. 3: 1--118. • CURRY-LtNDAIqL, K. (1963): Vära Fäglar i Norden, IV. Stockholm. • LöHt~L, H. (1950): Zur ,Nerdrängung" von Meisen durch Fliegenschnäpper. Vogelwelt 71: 39--41. • SCHMIDT, E (1956): Mischgelege von Kohlmeise (Parus major) und Trauerschnäpper (Muscicapa hypoleuca). Orn. Mitt. 8: 35. • Ders. (1957): Doppelgelege von Blaumeise und Trauerschnäpper. Orn. Mitt. 9: 192. • SLACSVOLD, T. (1975): Competition between the Great Tit Parus major and the Pied Flycatcher Ficedula hypo- leuca in the breeding season. Ornis Scand. 6: 179-190.

Anschrift der Verfasser: (D. & U. H.) Rüsterweg 4, DW-6733 Haßloch; (R. R.) Max-Planck- Institut für Verhaltensphysiologie, Vogelwarte Radolfzell, Am Obstberg, DW-7760 Radolfzeli- Möggingen.