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GENERALDIREKTION INTERNE POLITIKBEREICHE · PE 451.481 DE. Dieses Dokument wurde vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments

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  • GENERALDIREKTION INTERNE POLITIKBEREICHE FACHABTEILUNG A: WIRTSCHAFTS- UND WISSENSCHAFTSPOLITIK

    ARZNEIMITTEL IN DER EU – UNTERSCHIEDE BEI KOSTEN UND

    ZUGÄNGLICHKEIT

    STUDIE

    Inhalt In dieser Studie sollen die Preisunterschiede bei Arzneimitteln in den Mitgliedstaaten unter Berücksichtigung der Preise für patentgeschützte Arzneimittel sowie für patentfreie Arzneimittel, für die Konkurrenz durch kostengünstigere Generika besteht, untersucht werden. Dabei wird näher beleuchtet, mit welchen unterschiedlichen Strategien die Mitgliedstaaten den Arzneimittelmarkt sowohl angebots- als auch nachfrageseitig zu regulieren versuchen und wie sich diese Maßnahmen auf Arzneimittelpreise, Kostendämpfung und Innovation in der Branche auswirken. Ein weiterer Gesichtspunkt betrifft die Folgen für den Zugang der Patienten zu den Arzneimitteln. Abschließend werden politische Optionen für eine Verstärkung der Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten und den Austausch bewährter Verfahren untersucht.

    IP/A/ENVI/ST/2010-12 2010

    PE 451.481 DE

  • Dieses Dokument wurde vom Ausschuss für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit des Europäischen Parlaments angefordert. VERFASSER Panos Kanavos Sotiris Vandoros Rachel Irwin Elena Nicod Margaret Casson Medical Technology Research Group – LSE Health London School of Economics and Political Science Auf der Grundlage eines Rahmenvertrags mit Milieu Ltd ZUSTÄNDIGER VERWALTUNGSBEAMTER Marcelo Sosa-Iudicissa Fachabteilung Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Europäisches Parlament B-1047 Brüssel E-Mail: [email protected] SPRACHFASSUNGEN Original: EN BG/ES/CS/DA/DE/ET/EL/FR/IT/LV/LT/HU/NL/PL/PT/RO/SK/SL/FI/SV ÜBER DEN HERAUSGEBER Kontaktaufnahme zur Fachabteilung oder zur Bestellung des Newsletters: [email protected] ___________ Redaktionsschluss: März 2011.

    Brüssel, © Europäisches Parlament, 2011. Dieses Dokument ist im Internet unter folgender Adresse abrufbar: http://www.europarl.europa.eu/activities/committees/studies.do?language=DE

    ________

    HAFTUNGSAUSSCHLUSS

    Die hier vertretenen Auffassungen geben die Meinung der Verfasser wieder und entsprechen nicht unbedingt dem offiziellen Standpunkt des Europäischen Parlaments.

    Nachdruck und Übersetzung - außer zu kommerziellen Zwecken - mit Quellenangabe gestattet, sofern der Herausgeber vorab unterrichtet und ihm ein Exemplar übermittelt wird.

    mailto:Poldep-Economy-Scienc%3C0%[email protected]:Poldep-Economy-Scienc%3C0%[email protected]:Poldep-Economy-Scienc%3C0%[email protected]://www.europarl.europa.eu/committees/de/studies.html

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    INHALTSVERZEICHNIS

    INHALTSVERZEICHNIS 3

    ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS 5

    TABELLENVERZEICHNIS 8

    ABBILDUNGSVERZEICHNIS 8

    ZUSAMMENFASSUNG 9

    ALLGEMEINE INFORMATIONEN 16

    1. GESUNDHEITSAUSGABEN UND DER ARZNEIMITTELSEKTOR IN DER EU IM ÜBERBLICK 18

    1.1 Tendenzen in der Gesundheitsversorgung und bei den Arzneimittelausgaben in den EU-Mitgliedstaaten .........................................................................................19

    1.1.1. Finanzierung und Organisation der Gesundheitsleistungen in den EU-Mitgliedstaaten ......... 19 1.1.2 Ausgaben der Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung und Arzneimittel .................. 19 1.1.3 Arzneimittelausgaben................................................................................................ 20 1.1.4 Zusammenhänge zwischen BIP, Gesundheits- und Arzneimittelausgaben .......................... 22

    1.2 Unterschiede bei den Arzneimittelpreisen.......................................................23 1.2.1 Preisunterschiede bei patentgeschützten Arzneimitteln................................................... 24 1.2.2 Preisunterschiede bei nicht patentgeschützten Arzneimitteln ........................................... 26

    1.3 Marktstruktur und Branchenpolitik .................................................................27 1.3.1 Produktionstätigkeiten, Beschäftigung und Handel ......................................................... 27 1.3.2 Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten.. 29 1.3.3 Der Einfluss von Umsatzhöhe und Marketing auf die Preise ............................................. 32

    2. EINFLUSS DER EINZELSTAATLICHEN REGULIERUNG AUF UNTERSCHIEDE BEI ARZNEIMITTELPREISEN UND BEIM ZUGANG ZU ARZNEIMITTELN 33

    2.1 Pro-Kopf-BIP und Arzneimittelpreise ..............................................................34 2.2 Überblick über die Arzneimittelregulierung.....................................................35 2.3 Angebotsseitige Regulierung: .........................................................................36

    2.3.1 Methoden der Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel .......................................... 36 2.3.2 Angebotsseitige Regulierung: Methoden der Preisbildung für patentfreie Arzneimittel.......... 40 2.3.3 Angebotsseitige Regulierung: Erstattungsmethoden....................................................... 42

    2.4 Nachfrageseitige Regulierung .........................................................................48 2.4.1 Maßnahmen in Bezug auf verschreibende Ärzte............................................................. 49 2.4.2 Maßnahmen, die auf die Patienten ausgerichtet sind ...................................................... 51

    3

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

    2.5 Die Vertriebskette ...........................................................................................53 2.5.1 Der Einfluss der Vertriebskette auf die Preise ................................................................ 53 2.5.2 Maßnahmen zur Förderung der Generika-Anwendung..................................................... 55 2.5.3 Direkte Lieferketten .................................................................................................. 56

    2.6 Unterschiede bei den Mehrwertsteuersätzen ..................................................58 2.7 Zugang zu Arzneimitteln .................................................................................58

    2.7.1 Erschwinglichkeit ...................................................................................................... 59 2.7.2 Verfügbarkeit ........................................................................................................... 63

    3. SCHLUSSFOLGERUNGEN UND POLITISCHE OPTIONEN 70 3.1 Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten der EU und ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelbudgets ..................................................................................71

    3.1.1 Erstattung ............................................................................................................... 71 3.1.2 Arzneimittellisten...................................................................................................... 72 3.1.3 Innovative Preisbildungs- und Erstattungssysteme ........................................................ 72

    3.2 Externe Preisreferenzierung und länderübergreifende Vergleiche ..................73 3.3 Technologiefolgenabschätzungen im Gesundheitswesen (HTA) ......................73 3.4 Transparenz ....................................................................................................75 3.5 Zugang zu neuen Medikamenten in den Mitgliedstaaten der EU ......................75 3.6 Zugang zu Generika in den Mitgliedstaaten der EU und die Vorzüge des Wettbewerbs durch Generika................................................................................76

    3.6.1. Zugang zu Generika und Förderung des Einsatzes von Generika ..................................... 76 3.6.2. Förderung des Wettbewerbs im Bereich der Generika.................................................... 77

    3.7 Parallelhandel .................................................................................................77 3.8 Der Wandel der Vertriebskette........................................................................79 3.9 Die Wirkung nachfrageseitiger Maßnahmen auf die ärztliche Leistung ...........79 3.10 Wettbewerbsfähigkeit und die Zukunft des Sektors sowie der biomedizinischen Forschung .................................................................................80 3.11 Zusammenfassung der politischen Optionen auf EU-Ebene ...........................80

    LITERATURHINWEISE 82

    ANHÄNGE 88

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

    AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union

    ASMR Medizinischer Zusatznutzen (Amélioration du Service Medical Rendu)

    BIP Bruttoinlandsprodukt

    BNE Bruttonationaleinkommen

    CEPS Wirtschaftsausschuss für Gesundheitsprodukte (Comité Économique

    des Produits de Santé)

    DH Britisches Gesundheitsministerium

    DTCA Verbraucherorientierte Werbung (Direct to Consumer Advertising)

    dTD Definierte Tagesdosis

    EAEPC Europäischer Dachverband der Arzneimittelimporteure (European

    Association of Euro-Pharmaceutical Companies)

    EDQM Europäische Direktion für die Arzneimittelqualität (European Directorate

    for the Quality of Medicines and HealthCare)

    EFP Herstellerabgabepreis (Ex-Factory Price)

    EFPIA Europäischer Dachverband der nationalen Verbände forschender

    Pharmaunternehmen

    EMA Europäische Arzneimittelagentur

    EuGH Europäischer Gerichthof

    FuE Forschung und Entwicklung

    HAS Nationale französische Gesundheitsbehörde (Haute Autorité de Santé)

    HTA Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

    IKEV Inkrementelles Kosten-Effektivitäts-Verhältnis

    IMI Initiative Innovative Arzneimittel

    INN Internationaler Freiname

    JPMA Japanischer Verband der Arzneimittelhersteller

    KMA Kostenminimierungsanalysis

    KNA Kosten-Nutzen-Analysis

    KNWA Kosten-Nutzwert-Analyse

    KR Kapitalrendite

    KWA Kosten-Wirksamkeits-Analyse

    LQ Lebensqualität

    LYG Gewonnene Lebensjahre

    LYS Gerettete Lebensjahre

    MoSA Ministerium für soziale Angelegenheiten

    MwSt. Mehrwertsteuer

    NHS Nationaler Gesundheitsdienst im Vereinigten Königreich

    NICE Nationales Institut für Gesundheit und klinische Exzellenz

    OTC Freiverkäuflich (Over-the-Counter)

    PhRMA Pharmaceutical Research and Manufacturers of America

    POM Verschreibungspflichtige Arzneimittel

    PPRS Regelung zur Preisfestsetzung und Kostenerstattung für Arzneimittel

    QALY Qualitätsangepasstes Lebensjahr

    RKV Randomisierter kontrollierter Versuch

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    SAM Staatliche Arzneimittelagentur

    SMR Erbrachte medizinische Leistung

    SPC Ergänzendes Schutzzertifikat

    TLV Schwedische Arzneimittelsubventionierungsbehörde (Tandvårds- och

    läkemedelsförmånsverket)

    VBP Wertbasierte Preisfestsetzung

    WE Währungseinheiten

    WTP Zahlungswilligkeit

    ZNS Zentrales Nervensystem

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

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    TABELLENVERZEICHNIS Tabelle 1: Arzneimittelregulierung (Überblick) ........................................................37 Tabelle 2: Preisliche Auswirkungen von Ausschreibungen in den Niederlanden (zehn

    meistverkaufte Packungen nach Umsatz, Mai-Juni 2008) ..................................40 Tabelle 3: Mehrwertsteuersätze für verschreibungspflichtige Arzneimittel, 2009 ....58

    ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abbildung 1: Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel insgesamt (in Euro), 2008 im

    Vergleich zu 2000 ..............................................................................................10 Abbildung 2: Preisvergleich zwischen EU-Mitgliedstaaten (und im Vergleich zu den

    USA) für einen Korb von 150 Arzneimitteln; Preisindex 2008, UK=100 .............11 Abbildung 3: Gesundheitsausgaben und BIP pro Kopf 2008 .....................................20 Abbildung 4: Gesamtausgaben für Arzneimittel pro Kopf im Jahr 2008 im Vergleich

    zum Jahr 2000 (in EUR).....................................................................................21 Abbildung 5: Arzneimittelausgaben (in EUR) und BIP pro Kopf, 2008 ......................22 Abbildung 6: Preisvergleich zwischen EU-Mitgliedstaaten (und im Vergleich zu den

    USA) für einen Korb von 150 Arzneimitteln, Preisindex 2008, UK = 100 ...........23 Abbildung 7: Preise ausgewählter Krebsmittel in Europa, Juni 2009 ........................24 Abbildung 8: Preisunterschiede bei nicht patentgeschütztem Metformin, 1998 - 2009,

    (Durchschnittspreis in EUR)...............................................................................25 Abbildung 9: Durchschnittliche Preisentwicklung bei Generika in zehn EU-

    Mitgliedstaaten (innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Patents des Originalherstellers)............................................................................................27

    Abbildung 10: Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) in der pharmazeutischen Industrie, 2008..................................................................................................28

    Abbildung 11: Pro-Kopf-Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung in Europa, Japan und den USA (in EUR) .................................................................30

    Abbildung 12: Pro-Kopf-Ausgaben für FuE pro Mitgliedstaat im Jahr 2008 in EUR ...31 Abbildung 13: Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung als Anteil

    der Umsätze der Arzneimittelindustrie in EU-Mitgliedstaaten, 1985-2009.........32 Abbildung 14: Kostenanteil der Krankenversicherungen und der Patienten an den

    Arzneimitteln in 17 Mitgliedstaaten ...................................................................52 Abbildung 15: Durchschnittlicher Anteil der Großhandelsspannen an den

    Einzelhandelspreisen in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten................................54 Abbildung 16: Anteil der durchschnittlichen Einzelhandelsspannen der Apotheken am

    Einzelhandelspreis in ausgewählten EU-Mitgliedstaaten....................................55 Abbildung 17: HTA-Ergebnisse für 25 Arzneimittel zur Behandlung von Erkrankungen

    des Zentralen Nervensystems (ZNS) in drei Mitgliedstaaten und zwei Vergleichsländern..............................................................................................61

    Abbildung 18: Verteilung der finanziellen Vorteile aus dem Parallelhandel in ausgewählten Ländern.......................................................................................66

    Abbildung 19: Verfügbarkeit generischer Arzneimittel als Anteil am Gesamtumsatz (für Arzneimittel bei Generika-Markteintritt innerhalb von 24 Monaten nach Auslaufen des Patentschutzes)..........................................................................68

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    ZUSAMMENFASSUNG Dieser Bericht wurde auf Ersuchen des Ausschusses für Umweltfragen, Volksgesundheit und Lebensmittelsicherheit (ENVI) des Europäischen Parlaments erarbeitet. Er soll Aufschluss darüber geben, warum die Arzneimittelpreise und die öffentlichen Arzneimittelausgaben in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch sind. Zwar ist die gesundheitliche Betreuung der EU-Bürger in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten, jedoch wurde der Europäischen Union 2009 durch den Vertrag von Lissabon eine größere Rolle im Bereich der öffentlichen Gesundheit zuerkannt, so auch beim Austausch bewährter Verfahren zwischen den Mitgliedstaaten. Die Arzneimittelpreise sind ein Schlüsselfaktor für die Gesundheitsfürsorge, da die Arzneimittel die drittwichtigste Kostenkomponente in den Gesundheitshaushalten der Mitgliedstaaten darstellen. Diese Kosten sind ganz erheblich und steigen rascher an als das BIP der Mitgliedstaaten, was hauptsächlich auf eine alternde Bevölkerung und den immer größeren Aufwand für die Entwicklung neuer pharmazeutischer Technologien zurückzuführen ist. Zudem nimmt die Branche, auf die sich eine Regulierung der Arzneimittelpreise auswirkt, einen wichtigen Stellenwert in Europas Wirtschaft ein, was Beschäftigung, Produktion sowie Forschung und Entwicklung (FuE) anbetrifft. In diesem Bericht werden die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei wesentlichen Aspekten untersucht:

    Arzneimittelausgaben, die im Rahmen der Gesundheitssysteme erstattet werden; Arzneimittelpreise; pharmazeutische Produktion und Forschung.

    Daran schließen sich Überlegungen zu den möglichen Gründen für die Unterschiede bei den Arzneimittelpreisen an. Es werden die Komplexität der Wechselbeziehungen zwischen den verschiedenen Regulierungsmaßnahmen der Mitgliedstaaten und ihre Auswirkungen auf Preisgestaltung, Kostendämpfung, Innovationen und Zugang zu den Arzneimitteln diskutiert. Unterschiede bei Arzneimittelpreisen und –ausgaben zwischen den Mitgliedstaaten Die Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel unterscheiden sich zwischen den Mitgliedstaaten ganz erheblich (siehe Abbildung 1 unten), wofür offenbar mehrere Faktoren verantwortlich sind, und zwar die Menge der verbrauchten Arzneimittel, der Anteil von Markenmedikamenten bzw. Generika und ihre Preise sowie der Preisanteil, der durch das nationale Gesundheitssystem erstattet wird.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Abbildung 1: Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel insgesamt (in Euro), 2008 im Vergleich zu 2000

    0 100 200 300 400 500 600 700 800

    Poland

    Estonia

    Czech Republic

    Hungary

    United Kingdom

    Slovak Republic

    Slovenia

    Netherlands

    Portugal

    Denmark

    Luxembourg

    Sweden

    Finland

    Italy

    Spain

    Austria

    Germany

    France

    Ireland

    Greece

    Euro per capita

    2008

    2000

    Quelle: OECD Health Data 2010 - Version: Juni 2010 Anmerkung: Angaben für Griechenland von 2009 (aus Quellen der nationalen Krankenversicherung); Angaben für Portugal von 2006; für die Niederlande und Polen Angaben von 2002 statt von 2000. Der Rückgang im Vereinigten Königreich ist auf die Abwertung des Pfund Sterling gegenüber dem Euro zurückzuführen. Auch die Arzneimittelpreise selbst sind in den Mitgliedstaaten sehr uneinheitlich. Eine unlängst durchgeführte Untersuchung zu den Preisen von 150 Arzneimitteln in 11 Mitgliedstaaten ergab, dass der Durchschnittspreis für diesen „Korb“ im teuersten Land 25 % höher war als im billigsten (britisches Gesundheitsministerium, 2009), wie aus nachstehender Abbildung 2 ersichtlich ist. (Die Preise in den USA sind erheblich höher als in jedem der 11 Mitgliedstaaten.) Im Einzelfall kann der Preisunterschied sogar noch größer sein. Es wird grundlegend zwischen patentgeschützten Arzneimitteln und damit verbundenen Formen von Rechten des geistigen Eigentums (einschließlich Zeiten der Marktexklusivität und ergänzende Schutzzertifikate) und nicht derart geschützten Arzneimitteln unterschieden. Bei den erstgenannten Arzneimitteln besitzen die Hersteller das Monopol. Bei patentgeschützten Arzneimitteln wurde beobachtet, dass bei einzelnen Erzeugnissen der Preis zwischen den Mitgliedstaaten bis um dem Faktor Vier variieren kann (Kanavos und Costa-Font, 2005).

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Arzneimittel für seltene Krankheiten können für die Zwecke der Beurteilung der Preisunterschiede den patentgeschützten Arzneimitteln gleichgesetzt werden. Abbildung 2: Preisvergleich zwischen EU-Mitgliedstaaten (und im Vergleich zu den USA) für einen Korb von 150 Arzneimitteln; Preisindex 2008, UK=100

    Britisches Gesundheitsministerium, 2009 Bei Arzneimitteln, die nicht mehr patentgeschützt sind, können Erzeugnisse der ursprünglichen Hersteller Konkurrenz durch Generika erhalten. Diese sind oftmals viel preisgünstiger und kosten in der Regel ein Viertel dessen, was für die ursprünglichen Markenarzneimittel verlangt wird. Auf diesem Markt können die Preisunterschiede sogar noch größer sein. So war der Preis des teuersten Generikums gegen Bluthochdruck 16-mal höher als der Preis des billigsten (Kanavos und Casson, erscheint 2011). Das ist insofern von Bedeutung, als ein Großteil der in den EU-27 verbrauchten Arzneimittel nicht mehr durch Patente geschützt sind. Auch der Anteil der Generika an den insgesamt verkauften Arzneimitteln variiert zwischen den Mitgliedstaaten. Im Vereinigten Königreich, in Deutschland, Dänemark und Schweden machen sie mehr als 50 % aus, in den meisten anderen Mitgliedstaaten ist ihr Anteil geringer. Pharmazeutische Produktion und Forschung Das Niveau der Arzneimittelpreise (und die Methoden der Preisregulierung) werden sich auf den Arzneimittelsektor auswirken, in dem europaweit 633 100 Menschen direkt beschäftigt sind und der jährlich mehr als 26 Mrd. EUR für Forschung und Entwicklung (FuE) aufwendet. Produziert wird in mehreren Mitgliedstaaten, Hauptproduktionsländer sind jedoch nur Deutschland, Frankreich, Irland, Italien, Spanien und das Vereinigte Königreich. Die Standortwahl wird in gewissem Maße durch die Größe der Inlandsmärkte beeinflusst, ein weiterer wichtiger Faktor sind die Rahmenbedingungen, die sich den Unternehmen bieten.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Forschung und Entwicklung sind eine wichtige Komponente des Arzneimittelsektors, und die EU verzeichnet weltweit die höchsten FuE-Ausgaben in diesem Bereich, wobei sie knapp vor den USA liegt. Die Grundlagen- und Arzneimittelforschung ist in einigen wenigen Mitgliedstaaten konzentriert. Auf Pro-Kopf-Basis gesehen, haben Dänemark und Belgien hier die führende Position inne, gefolgt von Schweden, dem Vereinigten Königreich, Frankreich und Deutschland. Die FuE zur Arzneimittelentwicklung (einschließlich klinischer Prüfungen) erfolgt überall in der EU. Die Politik der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Preisfestsetzung und die Bestimmung des Erstattungsstatus bei neuen Arzneimitteln hat zweifellos Auswirkungen auf die Branche und deren Bereitschaft, Ressourcen für Innovationen bereitzustellen. Maßgebliche Faktoren für die Unterschiede bei den Arzneimittelpreisen Die gravierenden Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind auf eine Reihe von Faktoren zurückzuführen. Ein wichtiger Faktor ist das nationale Pro-Kopf-Einkommen. Generell sind die Preise für patentgeschützte Arzneimittel in Mitgliedstaaten mit höherem Pro-Kopf-Einkommen entsprechend höher. Zudem wird in diesen Ländern offenbar mehr für Arzneimittel ausgegeben. Ein zweiter entscheidender Faktor sind die nationalen (und manchmal auch regionalen) Regulierungskonzepte der Mitgliedstaaten. Sie nutzen eine Vielzahl von Instrumenten sowohl auf der Angebotsseite (zur Festsetzung der Preise und des erstattungsfähigen Anteils) als auch auf der Nachfrageseite. Nachfrageseitig können dazu Maßnahmen gehören, mit denen Ärzte und Apotheker angehalten werden, kostengünstigere Generika zu verschreiben bzw. auszugeben, sowie auch Regelungen dahin gehend, dass Patienten einen Teil der Arzneimittelkosten selbst tragen müssen. Auf der Angebotsseite werden normalerweise die Preise von den Gesundheitssystemen der Mitgliedstaaten mit den Herstellern ausgehandelt, wobei verschiedene Methoden und Kriterien zur Anwendung kommen. Das ist ein Faktor für entstehende Preisunterschiede sowohl bei patentgeschützten Arzneimitteln als auch bei Medikamenten, für die das Patent abgelaufen ist. Eine häufig genutzte Methode (in 24 von 27 EU-Mitgliedstaaten) zur Preisfestsetzung ist die externe Preisreferenzierung. Grundlage für die Festlegung des Preises eines Arzneimittels ist dabei der Vergleich mit den Preisen in anderen Mitgliedsstaaten. Dieser Ansatz kann zu niedrigeren Arzneimittelpreisen führen, speziell wenn man sich bei der Entscheidung an den niedrigsten Vergleichspreisen orientiert und nicht am Durchschnitt. Allerdings wird befürchtet, dass dabei andere Aspekte wie beispielsweise die Gesundheitsprioritäten für jedes einzelne Land vernachlässigt und zudem die innovativen Sektoren der Branche verunsichert werden. Ausschreibungen für patentfreie Arzneimittel zur Grundversorgung (d. h. zur ambulanten Betreuung), wie sie in einigen Mitgliedstaaten, darunter den Niederlanden und Deutschland, praktiziert werden, haben zu deutlichen Preissenkungen geführt. Einige Mitgliedstaaten haben Preisobergrenzen für Generika festgelegt, wobei hier allerdings eine Überprüfung ergeben hat, dass das Preisniveau in den Mitgliedstaaten niedriger ist, die diese Methode nicht anwenden (Puig-Junoy 2010).

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Außerdem wird auch in breitem Umfang eine interne Preisreferenzierung vorgenommen, um den Einsatz von Generika zu fördern und damit im Gesundheitssystem Kosteneinsparungen zu bewirken. Darüber hinaus nehmen die Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit Einfluss auf den Preis. Die Mitgliedstaaten können eine Liste derjenigen Arzneimittel aufstellen, die durch die Krankenversicherung erstattet werden (oder auch eine Negativliste nicht erstattungsfähiger Arzneimittel). Eine wichtige Methode für Erstattungsentscheidungen bei patentgeschützten Arzneimitteln ist die Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen (HTA). Sie wird verstärkt genutzt, um einzuschätzen, welcher zusätzlicher klinischer Nutzen mit neuen Arzneimitteln unter Berücksichtigung der jeweiligen Kosten verbunden ist. Die Ergebnisse dieser Bewertungen werden vor allem herangezogen, wenn Entscheidungen über die Erstattungsfähigkeit zu treffen sind. Da jedoch vorhandenes Belegmaterial in den Mitgliedstaaten unterschiedlich akzeptiert und interpretiert wird, werden die HTA-Bewertungen nicht einheitlich angewandt, was wiederum für ein und dasselbe Arzneimittel Preisunterschiede und unterschiedliche Erstattungsvorschriften in verschiedenen Mitgliedstaaten zur Folge hat. Die Höhe der Mehrwertsteuer (MwSt.) beeinflusst auch die Preise, denn sie fällt in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich aus und reicht von Null (z. B. Vereinigtes Königreich und Schweden) bis 25 % in Dänemark. Einige Mitgliedstaaten wie etwa Griechenland haben kürzlich die MwSt.-Sätze für Arzneimittel angehoben. Entscheidend für die Arzneimittelpreise ist auch die Gewinnspanne der Groß- und Einzelhändler, bei der es wiederum zwischen den Mitgliedstaaten große Unterschiede gibt. Der Staat kann gezielt auf diese Margen Einfluss nehmen, kann Auflagen für die Zahl der Apotheken erteilen und den Konsolidierungsprozess auf dem Großhandels- und Endkundenmarkt fördern oder begrenzen. In den Mitgliedstaaten, in denen es erlaubt ist, sind einige Hersteller zum Direktverkauf an Apotheken übergegangen oder arbeiten nur mit einer begrenzten Anzahl von Großhändlern zusammen, wodurch sich indirekt die Gesamtvertriebskosten verringern lassen. Der EU-Binnenmarkt ermöglicht es Vertriebshändlern und anderen Marktakteuren, Arzneimittel in Mitgliedstaaten mit niedrigeren Preisen anzukaufen und sie dann dort weiterzuverkaufen, wo die Preise höher sind. Parallel gehandelte Arzneimittel haben in den wichtigsten Einfuhrmitgliedstaaten einen Marktanteil zwischen 1,7 % (Finnland) und 16,5 % (Dänemark) (EFPIA, 2010). Diese Vorgehensweise, die vom Europäischen Gerichtshof überprüft und anerkannt wurde, gilt als Mechanismus, mit dem die Preise auf den Absatzmärkten gesenkt werden können. Insgesamt jedoch scheint es, dass die endgültigen Verkaufspreise der Arzneimittel durch den Parallelhandel nicht wesentlich reduziert wurden. Folglich liegt die Ursache für die Preisunterschiede zum Großteil bei den Zwischenhändlern (Kanavos und Costa-Font, 2005; Kanavos und Vandoros, 2010). Die Hersteller sind als Reaktion auf den Parallelhandel zu Methoden des Direktverkaufs übergegangen.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Zugang zu Arzneimitteln Die unterschiedlichen Konzepte der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Arzneimittelpreisen und Erstattung haben auch Konsequenzen für den Zugang der Patienten zu den Arzneimitteln, da sie sowohl die Verfügbarkeit als auch die Erschwinglichkeit beeinflussen. Die HTA-Bewertungen für neue patentgeschützte Arzneimittel können in den einzelnen Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich ausfallen, weshalb auch der Zugang der Patienten zu diesen Arzneimitteln EU-weit unterschiedlich ist. Vor allem der Zugang zu bestimmten Kategorien von patentgeschützten Arzneimitteln steht in der Regel in negativer Korrelation zur Marktgröße und zum Pro-Kopf-BIP. Ein niedriger Preis für ein neues Produkt auf einem nationalen Markt kann unter Umständen dazu führen, dass die Hersteller vom Inverkehrbringen dieses Produkts auf anderen Märkten absehen, da aufgrund der umfassenden Anwendung der externen Preisreferenzierung ein solch niedriger Preis ihre Preisgestaltung anderswo nachteilig beeinflussen könnte. Ein anderes Problem ist bei den Generika zu beobachten. Deren Hersteller entscheiden sich möglicherweise gegen kleinere Märkte, sodass Gesundheitssysteme und Patienten auf diesen Märkten keinen Zugang zu diesen preisgünstigen Alternativen haben. Ähnliche Probleme gibt es bei neuen Arzneimitteln für seltene Krankheiten. Auch der Parallelhandel hat Bedenken hinsichtlich des Zugangs aufkommen lassen, da er mit einer Verknappung in den ausführenden Mitgliedstaaten verbunden ist (Kanavos und Costa-Font, 2005, Gainsbury, 2009; Taylor, 2010). Politische Optionen Mit dem Vertrag von Lissabon erhielt die EU eine bedeutendere, wenn auch eingeschränkte, Rolle in der Gesundheitspolitik. Sie kann den Austausch bewährter Verfahren organisieren und fördern und die Überwachung und Evaluierung der Gesundheitssysteme der Mitgliedstaaten vornehmen. Eine Option könnte darin bestehen, zwischen den Mitgliedstaaten verstärkt Informationen und politische Erfahrungen zu den Mechanismen des Kaufs von Arzneimitteln auszutauschen. Dazu könnten bereits bestehende Initiativen wie das Netz der für Preisbildung und Erstattungsfragen zuständigen Behörden genutzt werden. Durch einen Informationsaustausch ließen sich bewährte Verfahren auf einzelstaatlicher Ebene feststellen. Die Anwendung der Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen (HTA) könnte ein Schwerpunktthema künftiger Debatten sein, da sie von immer mehr Mitgliedstaaten angewandt wird, die daraus resultierenden Erstattungsentscheidungen oftmals aber sehr unterschiedlich ausfallen. Die klinische Rentabilität ist einer der Faktoren, der bei der HTA-Analyse ebenfalls berücksichtigt wird. Hier könnten die EU-Organe die Beteiligten miteinander ins Gespräch bringen, damit der Wert der Innovation für Patienten, Gesundheitssysteme und EU-Arzneimittelindustrie und ihre Rolle in der europäischen Wirtschaft leichter bestimmt werden können.

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

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    Durch eine engere Abstimmung zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der biomedizinischen Innovation ließen sich bei den zuständigen nationalen Einrichtungen Überschneidungen in der Forschungsarbeit vermeiden. Ebenso wäre es wünschenswert, die Forschungsprioritäten entsprechend den noch bestehenden medizinischen Versorgungslücken festzulegen. Durch Maßnahmen der EU kann zudem der umfassendere und frühzeitigere Einsatz von Generika gefördert werden, wodurch auf einigen Märkten erhebliche Preissenkungen möglich wären. Zum Parallelhandel sind ebenfalls weitere Untersuchungen und Informationsaustausche auf EU-Ebene notwendig. Andere Optionen, über die nachgedacht werden muss, betreffen das Problem kleiner Märkte, auf denen wegen geringerer Generikakonkurrenz höhere Preise herrschen, und die Probleme im Zusammenhang mit der Nichtverfügbarkeit bestimmter Produkte in einzelnen Mitgliedstaaten. Die EU könnte sich hier um entsprechende Abhilfemaßnahmen bemühen.

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

    ALLGEMEINE INFORMATIONEN Überall in der EU wird die Gesundheitsfürsorge mit öffentlichen Mitteln finanziert und durch Krankenversicherungssysteme gewährleistet, die auf den Grundsätzen der Solidarität und des allgemeinen Zugangs beruhen. Zwar ist die gesundheitliche Betreuung der EU-Bürger in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten, jedoch wurde der Europäischen Union 2009 durch den Vertrag von Lissabon eine größere Rolle im Bereich der öffentlichen Gesundheit zuerkannt. Im Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) heißt es, dass die Tätigkeit der EU „die Politik der Mitgliedstaaten [ergänzt]“ (Artikel 168 Absatz 1). Im Zusammenhang mit den Aufgaben auf EU-Ebene kann die Kommission

    „alle Initiativen ergreifen, die dieser Koordinierung förderlich sind, insbesondere Initiativen, die darauf abzielen, Leitlinien und Indikatoren festzulegen, den Austausch bewährter Verfahren durchzuführen und die erforderlichen Elemente für eine regelmäßige Überwachung und Bewertung auszuarbeiten“ (Artikel 168 Absatz 2).

    Im AEUV wird zudem die primäre Zuständigkeit der Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung bekräftigt, denn in Artikel 168 Absatz 7 heißt es:

    „Bei der Tätigkeit der Union wird die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung gewahrt. Die Verantwortung der Mitgliedstaaten umfasst die Verwaltung des Gesundheitswesens und der medizinischen Versorgung sowie die Zuweisung der dafür bereitgestellten Mittel.“

    Die Regierungen der Mitgliedstaaten sind im Zusammenhang mit der Gesundheitsversorgung mit sehr hohen und weiter steigenden Kosten konfrontiert (die Durchschnittskosten erhöhen sich rascher als das BIP), was hauptsächlich auf eine alternde Bevölkerung und den immer größeren Aufwand für neue medizinische Technologien zurückzuführen ist. Die Arzneimittelkosten sind die drittwichtigste Kostenkomponente in den Gesundheitshaushalten der Mitgliedstaaten. Gleichzeitig ist die Gesundheit für die Bürger Europas von hoher Priorität.1 Außerdem nimmt die Arzneimittelbranche in Europas Wirtschaft einen wichtigen Stellenwert ein, was Beschäftigung, Produktion sowie Forschung und Entwicklung anbetrifft. Die Regierungen der Mitgliedstaaten spielen eine maßgebliche Rolle bei der Regulierung der nationalen Arzneimittelmärkte und nehmen damit auch Einfluss auf die Preisgestaltung.

    1 Trotz zunehmender Sorge über die wirtschaftliche Situation gehören Gesundheit und Gesundheitsfürsorge gemäß Eurobarometer 2009 nach wie vor zu den fünf wichtigsten Hauptanlie en der EU-Bürger (z. B. Nr. 71 Frühjahr 2009, Nr. 72 Herbst 2009). Siehe beispielsweise:

    16

    g

    http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb72/eb72_en.htm.  

    http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/eb/eb72/eb72_en.htm

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    17

    Grund dafür ist, dass sich der Arzneimittelmarkt von den Märkten in anderen Sektoren der Wirtschaft unterscheidet. Erstens können Patienten mit ein und derselben Krankheit auf eine bestimmte Behandlung unterschiedlich reagieren. Zweitens wägen Verbraucher auf dem normalen Markt in der Regel Kosten und Nutzen von alternativen Angeboten ab und treffen dann ihre Entscheidung in Kenntnis der Sachlage. Auf dem Arzneimittelmarkt ist es so, dass die Patienten nur unzulänglich über ihre gesundheitlichen Bedürfnisse informiert sind und weitestgehend dem Arzt die Entscheidung über ihre Behandlung überlassen. Außerdem bezahlen die Patienten in der Regel weder direkt für die medizinischen Leistungen noch für die meisten Arzneimittel, die jeweils durch die Krankenversicherung abgedeckt sind. Auf der Angebotsseite lassen sich die Kosten für die Entwicklung eines neuen Produkts nur schwer einschätzen, da eine jahrelange multidisziplinäre Forschung mit mehreren Projekten erforderlich ist. Hersteller, die neue Arzneimittel entwickeln, genießen für einen bestimmten Zeitraum Schutz durch Patente, wobei ihrem Produkt für eine festgelegte Dauer Marktexklusivität gewährt wird. Regierungen haben versucht, die Arzneimittelkosten durch Regulierungsmaßnahmen einzudämmen, die auf den Preis, die Menge oder beides ausgerichtet sind. Dabei zielen sie entweder auf die Nachfrageseite (d. h. Ärzte, Apotheker oder Patienten) oder aber auf die Angebotsseite (d. h. Preise und Marktexklusivität der Arzneimittel). Nach Ablauf der Patente können Regulierungsmaßnahmen zur Förderung des Marktzugangs und der Akzeptanz von billigeren „generischen“ Versionen der Arzneimittel einer effizienteren Nutzung der Gesundheitsressourcen dienlich sein. Durch solche Kostendämpfungsmaßnahmen sollen ineffiziente Ausgaben verringert und gleichzeitig andere effiziente, oftmals auch preisintensivere Behandlungen zugänglich gemacht werden. Der Bericht untergliedert sich in drei Teile. Gegenstand des ersten Teils sind die Unterschiede bei den Ausgaben für gesundheitliche Betreuung und Arzneimittel sowie bei den Preisen für die Arzneimittel, für die die Gesundheitssysteme eine Erstattung vorsehen. Zudem werden die Hauptmerkmale des europäischen Arzneimittelsektors dargelegt. Im zweiten Teil folgt eine Analyse der Auswirkungen der Regulierungsmaßnahmen auf die Preisgestaltung bei den Arzneimitteln und deren Zugänglichkeit. Der letzte Teil enthält die wichtigsten Erkenntnisse und präsentiert politische Optionen.

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

    1. GESUNDHEITSAUSGABEN UND DER ARZNEIMITTELSEKTOR IN DER EU IM ÜBERBLICK

    WICHTIGSTE ERKENNTNISSE Ausgaben der Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung und Arzneimittel:

    Die Arzneimittelausgaben sind die drittwichtigste Kostenkomponente in den Gesundheitshaushalten der Mitgliedstaaten. Überall in der EU steigt der prozentuale Anteil des BIP, der für die Gesundheits- und Arzneimittelkosten aufgebracht werden muss. Dies wirft Fragen nach der Zukunftsfestigkeit auf; es ist unmittelbar und in stetig zunehmendem Maße geboten, die steigenden Kosten für die Gesundheitsfürsorge einzudämmen, darunter auch die Arzneimittelausgaben, und die knappen Mittel effizient auszugeben.

    Es besteht eine starke Korrelation zwischen dem Pro-Kop-BIP und den Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben. Zwar ist auch ein Zusammenhang zwischen dem Pro-Kopf-BIP und den Pro-Kopf-Arzneimittelausgaben feststellbar, doch haben einige der Mitgliedstaaten mit den höchsten Ausgaben für Arzneimittel nicht die höchsten Kosten für die Gesundheitsversorgung insgesamt.

    Die Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel unterscheiden sich in der EU ganz erheblich: Eine Untersuchung von 20 Mitgliedstaaten ergab, dass die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben mehr als das Dreifache der niedrigsten Ausgaben ausmachen.

    Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten

    Die Arzneimittelpreise unterscheiden sich zwischen den EU-Mitgliedstaaten: Der Durchschnittspreis für einen Korb mit 150 Arzneimitteln war im teuersten Land 25 % höher als im billigsten.

    Bei einzelnen in der EU verkauften Arzneimitteln sind die Preisunterschiede sogar noch größer. Bei patentgeschützten Arzneimitteln wurde beobachtet, dass im Einzelfall der Unterschied zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Preis bis um den Faktor Vier variieren kann.

    Noch größere Preisunterschiede bestehen offenbar bei Arzneimitteln, die nicht mehr patentgeschützt sind, führen doch Generika zu einer Verstärkung des Marktwettbewerbs. Für diese Arzneimittel gilt, dass der Preis für das teuerste Generikum in den untersuchten Mitgliedstaaten im Einzelfall 16-mal höher war als der Preis des billigsten.

    Der europäische Arzneimittelsektor

    Dem Arzneimittelsektor mit seinen 633 100 Arbeitsplätzen kommt in Sachen Beschäftigung und Produktion in Europa eine wichtige Rolle zu und er trägt maßgeblich zu Investitionen in FuE bei.

    Die europäische Pharmaindustrie wendet mehr als 26 Mrd. EUR für die Arzneimittelforschung und –entwicklung auf (Grundlagenforschung, Arzneimittelforschung und –entwicklung).

    Auch wenn aggregierte Daten zu den öffentlichen Ausgaben für die pharmazeutische FuE nicht ohne Weiteres erhältlich sind, dürften die öffentlichen Aufwendungen dafür sowie für die biomedizinische FuE schätzungsweise eine ähnliche Größenordnung erreichen wie die Ausgaben des privaten Sektors.

    18

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Dieser Abschnitt bietet einen Überblick über die Ausgaben der Mitgliedstaaten für die gesundheitliche Betreuung und Arzneimittel. Anschließend werden die Arzneimittelpreise in der EU untersucht. Zudem wird die Rolle des pharmazeutischen Sektors in der EU-Wirtschaft im Überblick dargestellt, und es werden die Mitgliedstaaten genannt, in denen diese Branche am stärksten vertreten ist. 1.1 Tendenzen in der Gesundheitsversorgung und bei den Arzneimittelausgaben in den EU-Mitgliedstaaten

    1.1.1. Finanzierung und Organisation der Gesundheitsleistungen in den EU-Mitgliedstaaten Artikel 152 des EG-Vertrags versetzt die EU-Mitgliedstaaten in die Lage, ihre Sozialversicherungssysteme nach ihren Vorstellungen und entsprechend den Bedürfnissen ihrer Bevölkerung zu organisieren und zu finanzieren. Die Systeme der Gesundheitsversorgung in der EU sind überwiegend öffentlich finanziert; zu ihren Merkmalen gehören der allgemeine Zugang und die Erfassung der gesamten Bevölkerung und je nach Art der in Anspruch genommenen Ware oder Leistung sind bescheidene oder moderate Zuzahlungen zu leisten. Die zwei wichtigsten Finanzierungsquellen des Gesundheitswesens in der EU sind die allgemeine Besteuerung und die Sozialversicherungsbeiträge, wobei auch auf die Finanzierung der privaten Krankenversicherung ein gewisser Prozentsatz entfällt (Mossialos et al., 2002). Sowohl steuer- als auch beitragsfinanzierte Systeme müssen sich mit Fragen der Zukunftsfestigkeit und der unmittelbar bestehenden und stetig zunehmenden Notwendigkeit auseinandersetzen, die steigenden Kosten für die Gesundheitsversorgung einzudämmen, darunter auch die Arzneimittelausgaben, und die knappen Mittel effizient auszugeben. Als Herausforderungen im Zusammenhang mit der Zukunftsfestigkeit erweisen sich die Bevölkerungsalterung, die Entscheidung für einen bestimmten Lebensstil (Ernährung, Alkoholkonsum, sportliche Betätigung) und deren Auswirkungen, technische Innovationen, ungeeignete Veränderungen in der klinischen Praxis, Ressourcenengpässe und steigende Erwartungen der Öffentlichkeit. Beide Systeme erfordern Verfahren der Priorisierung und eine effiziente Nutzung knapper Mittel. Trotz offenkundiger Unterschiede in der Organisation und Erbringung der gesundheitlichen Betreuung auf mitgliedstaatlicher Ebene gleichen sich die Probleme in den Bereichen Arzneimittelausgaben und Erfassung weitgehend und betreffen im weiteren Sinne die Erreichung einer effizienten Mittelverteilung und eines ausgewogenen Kosten-Nutzen-Verhältnisses bei den getätigten Investitionen, Verbesserungen bei der faktengestützten Politikgestaltung, die Optimierung der Regulierung im Arzneimittelbereich und Vorkehrungen dafür, dass die bestmöglichen Ergebnisse für die Patienten erzielt werden. 1.1.2 Ausgaben der Mitgliedstaaten für die Gesundheitsversorgung und Arzneimittel Die Pro-Kopf-Ausgaben der Mitgliedstaaten für die Gesundheit variieren erheblich, es besteht aber eine starke Korrelation mit dem Pro-Kopf-BIP. Wie sich zeigt, handelt es sich um einen positiven Zusammenhang zwischen den Gesundheitsausgaben pro Kopf und dem Pro-Kopf-BIP. Mitgliedstaaten mit höherem Einkommensniveau wie zum Beispiel Deutschland, Frankreich, Österreich und Schweden geben – gemessen am BIP pro Kopf – im Durchschnitt mehr für die Gesundheit aus. In Abbildung 3 wird dieser Zusammenhang für 20 Mitgliedstaaten dargestellt.

    19

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Abbildung 3: Gesundheitsausgaben und BIP pro Kopf 2008

    Italy

    Spain

    Austria

    Finland

    GermanySweden

    Denmark

    Netherlands

    SloveniaPortugal

    United Kingdom

    Slovak RepublicCzech RepublicHungary

    EstoniaPoland

    France

    Luxembourg

    Greece

    Ireland

    0

    1000

    2000

    3000

    4000

    5000

    0 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 80000 90000

    GDP per capita (Euro)

    Tota

    l hea

    lth e

    xpen

    ditu

    re

    per

    capi

    ta (E

    uro)

    Quelle: OECD Health Data 2010 - Fassung: Juni 2010.

    Anmerkung: Die Gerade stellt das durchschnittliche Verhältnis zwischen dem BIP und den Gesamtausgaben für die Gesundheit in den untersuchten Mitgliedstaaten dar. Die Gesamtausgaben für die Gesundheit sind in allen EU-Mitgliedstaaten in den vergangenen zwanzig Jahren sowohl absolut als auch als Anteil am BIP erheblich gestiegen (OECD Health Data, 2010). Während der 1990er Jahre und in den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts war überall in den Mitgliedstaaten ein kontinuierlicher Anstieg zu verzeichnen, der sich bis heute in unterschiedlichem Maße in den einzelnen Mitgliedstaaten fortsetzt und sich in einer Größenordnung von 6,8 % (Luxemburg) bis 12 % (Frankreich) des BIP bewegt; dies bedeutet eine Steigerung von 4,7 % (Tschechische Republik) bis 10 % (Frankreich) seit Anfang der 1990er Jahre. Die Gesundheitsausgaben in den Mitgliedstaaten steigen schneller als das BIP, wobei diese Tendenz Prognosen zufolge aufgrund der Bevölkerungsalterung, kostspieligerer Technologien und steigender Erwartungen an die Leistungen des Gesundheitswesens in den kommenden Jahren anhalten wird. 1.1.3 Arzneimittelausgaben Die Arzneimittelkosten sind nach den Ausgaben für die stationäre und ambulante Versorgung die drittwichtigste Kostenkomponente (Europäische Kommission, 2009). Der Anteil der Arzneimittelausgaben an den Gesundheitsausgaben insgesamt reicht derzeit von unter 10 % in Dänemark bis zu knapp 25 % in Griechenland.

    20

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Abbildung 4: Gesamtausgaben für Arzneimittel pro Kopf im Jahr 2008 im Vergleich zum Jahr 2000 (in EUR)

    0 100 200 300 400 500 600 700 800

    Poland

    Estonia

    Czech Republic

    Hungary

    United Kingdom

    Slovak Republic

    Slovenia

    Netherlands

    Portugal

    Denmark

    Luxembourg

    Sweden

    Finland

    Italy

    Spain

    Austria

    Germany

    France

    Ireland

    Greece

    Euro per capita

    2008

    2000

    Quelle: OECD Health Data 2010 - Version: Juni 2010; Angaben für Griechenland von 2009 (aus Quellen der nationalen Krankenversicherung). Anmerkung: Angaben für Griechenland von 2009; Angaben für Dänemark von 2007; Angaben für Portugal von 2006; für die Niederlande und Polen Angaben von 2002 statt von 2000. Der Rückgang im Vereinigten Königreich ist auf die Abwertung des Pfund Sterling gegenüber dem Euro zurückzuführen. Bei den Pro-Kopf-Arzneimittelausgaben der Mitgliedstaaten bestehen große Unterschiede. Eine Untersuchung in 20 Mitgliedstaaten ergab, dass in dieser Gruppe der Mitgliedstaat mit den höchsten Ausgaben (Griechenland mit 682 EUR pro Kopf) dreimal mehr ausgibt als der Mitgliedstaat mit den niedrigsten Ausgaben (Polen mit 127 EUR pro Kopf) (siehe Abbildung 4). Ein ähnlich positiver Zusammenhang besteht zwischen den Arzneimittelausgaben pro Kopf und dem Pro-Kopf-BIP (OECD Health Data, 2010), der jedoch weniger stark ausgeprägt ist als im Fall der Kosten für die Gesundheitsversorgung (siehe Abbildung 5). So gehören beispielsweise Griechenland, Irland, Frankreich und Deutschland zu den Mitgliedstaaten, die einen höheren prozentualen Anteil des BIP für Arzneimittel aufwenden (d. h. sie liegen oberhalb der Regressionsgeraden), während die Niederlande und das Vereinigte Königreich dem Kreis der Länder zuzuordnen sind, die einen niedrigeren Anteil des BIP dafür aufbringen (d. h. sie liegen unterhalb der Regressionsgeraden).

    21

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Abbildung 5: Arzneimittelausgaben (in EUR) und BIP pro Kopf, 2008

    ItalySpain Austria

    Finland

    Germany

    SwedenDenmark

    NetherlandsSloveniaPortugal

    United KingdomSlovak Republic

    Czech RepublicHungary

    EstoniaPoland

    France

    Luxembourg

    GreeceIreland

    0

    200

    400

    600

    800

    0 10000 20000 30000 40000 50000 60000 70000 80000 90000

    GDP per capita (Euro)

    Tota

    l pha

    rmac

    eutic

    al e

    xpen

    ditu

    re

    per c

    apita

    (Eur

    o)

    Quelle: OECD Health Data 2010 - Version: Juni 2010. Anmerkung: Die Gerade stellt das durchschnittliche Verhältnis zwischen dem BIP und den Gesamtausgaben für die Gesundheit in den untersuchten Mitgliedstaaten dar.

    In absoluten Zahlen steigen die Arzneimittelausgaben, wobei der Anstieg in einigen Mitgliedstaaten, darunter in Griechenland, Irland, Deutschland, Frankreich, der Tschechischen Republik, Estland und Spanien, deutlicher ausfällt. In etlichen Fällen – einschließlich Frankreich, Deutschland und Schweden – deckt sich der Anstieg der Arzneimittelausgaben mit der allgemeinen Verteuerung der Gesundheitsversorgung. Die Arzneimittelausgaben zählen zu den am leichtesten ermittelbaren Komponenten der Gesundheitsausgaben. Daher setzen die Staaten eine Vielzahl verschiedener Regulierungsmaßnahmen im Bereich der Arzneimittelkosten um, mit denen die Ausgaben für das Gesundheitswesen insgesamt eingedämmt werden sollen. 1.1.4 Zusammenhänge zwischen BIP, Gesundheits- und Arzneimittelausgaben In den folgenden Abschnitten dieses Berichtteils werden zwei zentrale Elemente nationaler Arzneimittelmärkte und die diesbezüglichen Strategien untersucht, und zwar: a) die Marktstruktur und die Branchenpolitik und b) die angebots- und nachfrageseitige Regulierung. Maßnahmen auf der Angebotsseite beziehen sich auf die Preisgestaltung und die Erstattungsfähigkeit, während von den Maßnahmen auf der Nachfrageseite Ärzte, Apotheker und Patienten betroffen sind.

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit 1.2 Unterschiede bei den Arzneimittelpreisen Die Arzneimittelpreise sind in den EU-Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich. In diesem Abschnitt werden zunächst die Preisunterschiede bei patentgeschützten und anschließend bei patentfreien Medikamenten untersucht. Für die Untersuchung der Arzneimittelpreise wurden mehrere Ansätze genutzt2 . So musste zum Beispiel geklärt werden, ob die Preise ab Fabrik (Herstellerpreise), auf der Ebene des Großhandels oder des Einzelhandels zu prüfen sind. Einen Überblick über die Preisunterschiede bei patentgeschützten Medikamenten bietet eine Untersuchung der elf am weitesten entwickelten Arzneimittelmärkte in der EU. In Abbildung 6 werden die Preise von Markenmedikamenten im Vereinigten Königreich mit den Preisen in zehn anderen EU-Mitgliedstaaten (und auch mit den Preisen in den USA) verglichen. Als Grundlage dient ein jährlich vom britischen Gesundheitsministerium durchgeführter Vergleich der Preise für 150 führende Markenmedikamente im Vereinigten Königreich und anderen Mitgliedstaaten (in die Analyse einbezogen sind entsprechende Darreichungsformen der Arzneimittel). Abbildung 6: Preisvergleich zwischen EU-Mitgliedstaaten (und im Vergleich zu den USA) für einen Korb von 150 Arzneimitteln, Preisindex 2008, UK = 100

    Anmerkung: Der Preisindex beruht auf den durchschnittlichen 5-Jahres-Wechselkursen. Quelle: Britisches Gesundheitsministerium, 2009. 2 Siehe beispielsweise: Danzon und Chao 2000, Danzon und Furukawa 2008, Roughead et al. 2007, Kanavos und Vandoros 2011.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Im Interesse der Vergleichbarkeit erfolgt eine Kopplung der Preise an den Preis im Vereinigten Königreich (=100). Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass internationale Preisvergleiche in erheblichem Maße durch das Umsatzniveau in den einzelnen Ländern, Wechselkursschwankungen sowie den Anteil (und die Zusammensetzung) der in die Analyse einbezogenen Arzneimittelausgaben beeinflusst werden können (britisches Gesundheitsministerium, 2009). Deutschland, Irland und Schweden zählten 2008 zu den EU-Mitgliedstaaten mit höheren Durchschnittspreisen; in Spanien, Frankreich und Italien waren die Preise niedriger. Die USA nehmen eine Sonderstellung ein, denn dort waren Markenmedikamente 2008 durchweg teurer als in Europa und kosteten mehr als doppelt so viel wie im Vereinigten Königreich. Es ist jedoch unklar, ob diese Preise von den Krankenversicherungen erstattet werden oder sich auf den privaten Selbstzahlermarkt beziehen und somit nicht direkt mit den europäischen Preisindizes vergleichbar sind, die Erstattungspreise wiederspiegeln.

    1.2.1 Preisunterschiede bei patentgeschützten Arzneimitteln

    Ein Vergleich der fünf größten Arzneimittelmärkte in der EU (Deutschland, Vereinigtes Königreich, Frankreich, Italien und Spanien) ergab, dass die Preise für patentgeschützte Medikamente auf dem Endkundenmarkt in Deutschland (23 % über dem Durchschnitt der fünf Länder) am höchsten sind, gefolgt vom Vereinigten Königreich (für das genau der Durchschnitt der fünf Länder ermittelt wurde), Spanien (5 % unter dem Durchschnitt), Italien (6 % weniger) und Frankreich (14 % unter dem Durchschnitt) (Kanavos und Vandoros, 2011).

    Abbildung 7: Preise ausgewählter Krebsmittel in Europa, Juni 2009

    80 100 120 140 160 180 200 220 240

    SUNITINIB (CAPS 50MG 30)

    TEMOZOLOMIDE(CAPS250MG 5)

    LAPATINIB (TABS FOL250MG 70)

    TRASTUZUMAB (VIAL150MG)

    CAPECITABINE (CPRPELLIC 500MG 120)

    CETUXIMAB (INFUSION5MG 20ML)

    ANASTROZOLE (CPRPELLIC 1MG 28)

    Price Index (indexed to lowest price in selected countries, =100)

    Germany

    Czech Rep.

    France

    Netherlands

    UK

    Finland

    Hungary

    *Preis bezogen auf das Land mit dem niedrigsten Preis (=100). Als Index für alle Arzneimittel außer Anastrozol, für das der niedrigste Preis in Ungarn ermittelt wurde, dient das VK. Anmerkung: Spanne zu laufenden Preisen (EUR): Anastrozol (55,80 EUR in Ungarn bis 125,20 EUR in Deutschland); Cetuximab (159,20 EUR im VK bis 214,30 EUR in Finnland); Capecitabin (295,60 EUR im VK bis 424,20 EUR in Deutschland); Trastuzumab (408,10 EUR im VK bis 645,50 EUR in Finnland); Lapatinib (805,70 EUR im VK bis 1343,45 EUR in Ungarn); Temozolomid (850,00 EUR im VK bis 1467.50 EUR in Deutschland); Sunitinib (3368,70 EUR im VK bis 5596,80 EUR in Deutschland). Quelle: Kanavos und Vandoros (2011).

    24

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Im Einzelfall können die Unterschiede sogar noch größer sein. In Abbildung 7 sind die Preisunterschiede bei ausgewählten verschreibungspflichtigen Krebsmitteln dargestellt. Demnach variieren die Preise auf dem Markt für patentgeschützte Medikamente je nach Land und Mittel erheblich: In dieser Stichprobe betragen die größten Abweichungen bei einzelnen Arzneimitteln 50-60 %. In keinem Land wurden durchgängig höhere Preise für alle Produkte festgestellt (Kanavos und Vandoros, 2011). Weitere Belege für Preisunterschiede bei einer Reihe gemeinhin verwendeter älterer Medikamente, deren Patentschutz vielfach noch nicht abgelaufen ist, bei denen deutlich größere Preisunterschiede bestehen und die teuersten Mittel 4-mal soviel kosten können wie die günstigsten, sind Anhang 7 zu entnehmen. Bei patentgeschützten Arzneimitteln scheint in den EU-Ländern dennoch eine gewisse Preisannäherung stattgefunden zu haben, denn die Preisunterschiede zwischen den Mitgliedstaaten sind geringer geworden (Kanavos und Vandoros, 2011). Dies ist möglicherweise auf den Mechanismus der externen Preisreferenzierung zurückzuführen (siehe Abschnitt 3), der inzwischen die gängigste Methode zur Preisfestsetzung bei patentgeschützten Arzneimitteln in den EU-Mitgliedstaaten ist (Kanavos und Vandoros 2011). Bei den Mitteln ohne Patentschutz (Generika) findet hingegen anscheinend keine Annäherung der Preise statt. Abbildung 8: Preisunterschiede bei nicht patentgeschütztem Metformin, 1998 - 2009, (Durchschnittspreis in EUR)

    Quelle: Von den Verfassers der Studie zusammengetragenes Zahlenmaterial.

    25

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik 1.2.2 Preisunterschiede bei nicht patentgeschützten Arzneimitteln Nach dem Ablauf des Patents sind Arzneimittel der Konkurrenz durch Generika ausgesetzt, bei denen es sich um Nachahmerpräparate handelt. Bei Generika muss vor dem Inverkehrbringen der Nachweis für die Bioäquivalenz mit dem Originalmolekül erbracht werden. Die Verkaufspreise für Generika liegen in der Regel erheblich unter dem Preis für das „Markenmedikament“ des ursprünglichen Herstellers. Obwohl die Vorschriften für die Zulassung von Generika vereinheitlicht wurden, bleiben mehrere länderspezifische Bestimmungen bestehen, in denen die Einführung und Verbreitung von Generika geregelt ist (Europäische Kommission 2009). Eine Untersuchung der Preise für Arzneimittel, deren Patentschutz abgelaufen war, ergab sogar ein noch größeres Preisgefälle zwischen den Mitgliedstaaten. Im Falle eines anderen Medikaments (Ramipril) kostete das Generikum im teuersten Land (Griechenland) 16-mal mehr als in dem Land mit dem niedrigsten Preis (Niederlande) (siehe Anhang 8). Ein Grund könnten die unterschiedlichen Patentablaufdaten in den Mitgliedstaaten sein. Ein späteres Auslaufen des Patentschutzes in Frankreich und Italien beispielsweise ist mit höheren Generikapreisen in einem bestimmten Jahr (z. B. 2008 und 2009) verbunden. Hierbei nehmen Griechenland und Portugal eine Ausnahmestellung ein, verharrt doch dort der Preis für Rampiril-Generika im Gegensatz zu anderen Mitgliedstaaten auf einem hohen Niveau. Auch wenn dies ein Extremfall ist, wurde bei einer umfassenden Überprüfung festgestellt, dass die Preise für eine breite Produktpalette in der EU erheblich variieren (Kanavos und Casson, erscheint 2011). Zudem wird die Preisbildung unterschiedlich gehandhabt. Bei Metformin, einem seit langem bestehenden, stark verbreiteten, oral einzunehmenden Antidiabetikum, wurde in einigen Mitgliedstaaten (Schweden, Frankreich, Deutschland) ein allmählicher Preisrückgang festgestellt, während andere (Finnland, Portugal, Italien) relativ stabile Generika-Preise verzeichnen. Diese Tendenzen sind in Abbildung 8 dargestellt. 12 bzw. 24 Monate nach dem Auslaufen des Patentschutzes kosten Generika durchschnittlich 25 % weniger als das Originalpräparat. Eine solche Verallgemeinerung verdeckt jedoch signifikante Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten. Ein Unterschied besteht darin, dass in Sachen Preisbildung bei konkurrierenden Generika größere Abweichungen zwischen den Mitgliedstaaten zu verzeichnen sind als beim zuvor patentgeschützten Originalmedikament (auch als „Markenpräparat“ des „Originalherstellers“ bezeichnet). In einigen Mitgliedstaaten (Frankreich, Italien, Spanien, Niederlande und Portugal) steigt der Durchschnittspreis generischer Konkurrenzmittel innerhalb von 12 bis 24 Monaten nach Ablauf des Patents des Originalherstellers, während er in anderen sinkt (insbesondere im Vereinigten Königreich, in Deutschland und Österreich; in geringerem Maße in Schweden, Griechenland und Finnland). Diese Tendenzen sind aus Abbildung 9 ersichtlich.

    26

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Abbildung 9: Durchschnittliche Preisentwicklung bei Generika in zehn EU-Mitgliedstaaten (innerhalb von 24 Monaten nach Ablauf des Patents des Originalherstellers)

    Quelle: Kanavos und Casson, erscheint 2011. *Als Preisindex fungiert der Preis für das Originalpräparat 12 Monate vor Ablauf des Patentschutzes (=100). 1.3 Marktstruktur und Branchenpolitik Die Arzneimittelpreise werden Auswirkungen auf die Branche haben. In diesem Abschnitt wird die Struktur des Markts, auf dem die Arzneimittelindustrie tätig ist, unter anderem unter den Gesichtspunkten Beschäftigung sowie Forschung und Entwicklung im Überblick dargestellt. 1.3.1 Produktionstätigkeiten, Beschäftigung und Handel Dem Arzneimittelsektor kommt für die produzierende und wissensbasierte Wirtschaft der EU große Bedeutung zu. Sein Anteil an der Wertschöpfung des produzierenden Gewerbes in der EU insgesamt beläuft sich auf etwa 3,5 % und beträgt bei den Investitionen des privaten Sektors in Forschung und Entwicklung 17 % (EFPIA 2010).

    27

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Abbildung 10: Beschäftigung (Vollzeitäquivalente) in der pharmazeutischen Industrie, 2008

    0 20000 40000 60000 80000 100000 120000

    MaltaCyprus

    Slovakia Cxech Republic

    FinlandSloveniaPortugalAustriaGreeceSweden

    NetherlandsDenmarkRomaniaPolandIrelandBelgiumSpainItalyUK

    FranceGermany

    Number employed in the pharmaceutical industry

    Quelle: EFPIA, The Pharmaceutical Industry in Figures- Ausgabe 2010. Überdies waren in diesem Sektor 2008 etwa 633 100 Menschen direkt beschäftigt (1990: 500 000). Im Bereich Forschung und Entwicklung (FuE) waren 113 400 Personen tätig. Die meisten Arbeitsplätze bieten Deutschland und Frankreich, gefolgt vom Vereinigten Königreich und Italien (siehe Abbildung 10). Unberücksichtigt bleiben dabei tausende Forscher an Universitäten, in Krankenhäusern und anderen klinischen Einrichtungen, die eng mit der pharmazeutischen Industrie zusammenarbeiten (EFPIA 2010). In den USA sind 686 422 Menschen direkt in der Arzneimittelindustrie beschäftigt, davon 90 712 Personen in FuE, einschließlich Hilfspersonal3. In Japan bietet die Pharmabranche fast 120 000 Arbeitsplätze.

    3 Zahlen für die USA aus PhRMA (2010); es können sich leichte methodenbedingte Abweichungen bei der Bewertung der Anzahl der direkt und indirekt in der Branche Beschäftigten ergeben.

    28

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Die Europäische Union zählt zu den weltweit führenden Arzneimittelherstellern. Dabei können die Produktionstätigkeiten wie folgt unterteilt werden: Arzneimittel mit Patentschutz und Medikamente mit abgelaufenem Patent, für die gilt, dass Wettbewerber „generische“ Präparate produzieren. Patentgeschützte Arzneimittel werden im mehreren Mitgliedstaaten hergestellt, wobei die meisten von ihnen über Fertigungsstätten oder Räumlichkeiten für die Verpackung und Etikettierung von Fertigerzeugnissen verfügen, die für den Vertrieb in dem Land bestimmt sind, in dem diese Arbeiten erledigt werden. Ein beachtlicher Anteil der Fertigung findet in Mitgliedstaaten mit niedrigen Unternehmenssteuern statt (z. B. Irland). Obwohl es derzeit kaum Anhaltspunkte für einen Zusammenhang zwischen Produktionstätigkeiten und Arzneimittelpreisen in einem bestimmten Mitgliedstaat gibt, deuten die Informationen verschiedener dazu befragter Akteure auf eine gewisse Korrelation hin. Im Gegensatz dazu werden Generika in den meisten Mitgliedstaaten produziert. Die Wertschöpfung der einheimischen Produktion und deren Beitrag zur Beschäftigung spielen bei der Behandlung generischer Mittel und bei der diesbezüglichen Preisbildung auf nationaler Ebene eine gewisse Rolle, wenngleich auch hier kein direkter und vollkommen transparenter Zusammenhang feststellbar ist. 1.3.2 Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung in den einzelnen Mitgliedstaaten Die Gesamtausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten beträchtlich gestiegen. Europa (einschließlich Norwegen und Schweiz) gibt etwas mehr für die pharmazeutische FuE aus als die USA und deutlich mehr als Japan (Europa: 26 Mrd. EUR, USA: 24 Mrd. EUR und Japan: 8,5 Mrd. EUR), obwohl die Pro-Kopf-Ausgaben in Europa (einschließlich der Schweiz) 40 % niedriger sind als in den USA und 20 % geringer als in Japan (siehe Abbildung 11). Während das Vereinigte Königreich, Frankreich und Deutschland mit jeweils etwa 5 Mrd. EUR pro Jahr zu den Mitgliedstaaten mit den höchsten Ausgaben für FuE gehören, verzeichnen Dänemark und Belgien die höchsten Pro-Kopf-Ausgaben, gefolgt von Schweden (siehe Abbildung 11 und 12). Die Aktivitäten im Bereich FuE – vor allem die Grundlagen- und Arzneimittelforschung – sind in den Mitgliedstaaten konzentriert, die über die erforderliche Infrastruktur und die kritische Forschungsmasse verfügen und die zusätzliche Finanzierungsmechanismen und eine Reihe direkter und indirekter Anreize finanzieller und nicht finanzieller Art für diese Tätigkeiten bieten. Eine wichtige Rolle spielen auch die verfügbaren finanziellen Mittel für die kommerzielle Verwertung von geistigem Eigentum, insbesondere in den frühen Phasen der Entwicklungsforschung. Alle diese Faktoren sind notwendige Voraussetzungen für innovationsfördernde wirtschaftliche Rahmenbedingungen.

    29

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Andere Mitgliedstaaten beteiligen sich im Rahmen von Netzen, die klinische Versuche durchführen, an der Entwicklungsforschung. Es besteht keine offenkundige Verbindung zwischen den Standorten, an denen FuE betrieben werden, und den Arzneimittelpreisen, wobei das VK hier möglicherweise eine Ausnahme bildet, sind doch dort gemäß den nationalen Vorschriften – Pharmaceutical Price and Reimbursement Scheme (PPRS, Regelung zur Preisgestaltung und Kostenerstattung für Arzneimittel) – finanzielle Anreize für FuE indirekt an die Kapitalrendite und damit an den Arzneimittelpreis geknüpft.

    Abbildung 11: Pro-Kopf-Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung in Europa, Japan und den USA (in EUR)

    0

    20

    40

    60

    80

    100

    2000 2005 2008 2009 (e)

    Euro  Europe

    USA

    Japan

    Quellen: Auf der Grundlage von EFPIA-Angaben, The Pharmaceutical Industry in Figures- Ausgabe 2010 (Anmerkung: Europa schließt Norwegen und die Schweiz ein); OECD Stat Extracts, ALFS-Übersichtstabellen „Bevölkerung“ Anmerkung:.Für Japan stehen für 2009 keine Angaben zur Verfügung.

    30

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Abbildung 12: Pro-Kopf-Ausgaben für FuE pro Mitgliedstaat im Jahr 2008 in EUR

    Quelle: EFPIA, The Pharmaceutical Industry in Figures- Ausgabe 2010. Anmerkung: Für Dänemark, Frankreich, die Niederlande, Österreich, Rumänien, Slowenien und Zypern wurden Zahlen aus dem Jahr 2007 verwendet.

    Der Anteil der Ausgaben für FuE an den Arzneimittelumsätzen in Europa ist im Zeitrraum 1985-2000 kontinuierlich gestiegen. 2008 und 2009 fiel er jedoch unter den Stand von 1990 (siehe Abbildung 13).

    31

  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

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    Abbildung 13: Ausgaben für die Arzneimittelforschung und -entwicklung als Anteil der Umsätze der Arzneimittelindustrie in EU-Mitgliedstaaten, 1985-2009.

    Quelle: EFPIA, The Pharmaceutical Industry in Figures- Ausgabe 2010. 1.3.3 Der Einfluss von Umsatzhöhe und Marketing auf die Preise Die Arzneimittelhersteller werben in der verordnenden Ärzteschaft umfassend für ihre Produkte. (Die direkte Verbraucherwerbung ist in der EU im Gegensatz zu einigen wenigen anderen Märkten, vor allem in den USA, nicht erlaubt.) Verkaufsfördernde Maßnahmen in der EU beinhalten neben der direkten Information und der Verteilung von Mustern an Ärzte auch das Sponsoring von Vertretern der Gesundheitsberufe. Die Mitgliedstaaten regeln den Umfang dieser Werbemaßnahmen, und sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene bestehen Verhaltenskodizes europäischer (EFPIA, 2004) und einzelstaatlicher Branchenverbände. Die Bedenken in Bezug auf die Werbung und deren Auswirkungen auf die Preise betreffen zwei Punkte: Erstens könnten Werbemaßnahmen das Verordnungsverhalten von Ärzten unangemessen beeinflussen und damit einen unnötigen Anstieg der Arzneimittelkosten bewirken. So könnte zum Beispiel ein Arzt ein teures Markenmedikament anstelle eines Generikums oder auch ein nicht erforderliches Arzneimittel verordnen. Zweitens wird die Ansicht vertreten, dass die Gelder für Werbeaktionen besser für FuE verwendet werden sollten, wobei genaue Zahlen für die Werbeausgaben nicht zur Verfügung stehen. Es gibt nur wenige Belege für die Auswirkungen der Marketingtätigkeit von Arzneimittelherstellern im europäischen Rahmen, auch wenn die Forschung an einer Arzneimittelklasse (Statine zur Einstellung des Cholesterinspiegels) darauf schließen lässt, dass sich verkaufsfördernde Maßnahmen auf die von den Ärzten verordnete Tagesdosis auswirken (Walley et al 2005).

  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit

    2. EINFLUSS DER EINZELSTAATLICHEN REGULIERUNG AUF UNTERSCHIEDE BEI ARZNEIMITTELPREISEN UND BEIM ZUGANG ZU ARZNEIMITTELN

    WICHTIGSTE ERKENNTNISSE

    Der Einfluss der Regulierung auf die Preisunterschiede Die wichtigsten Bestimmungsfaktoren für Preisunterschiede sind das

    Einkommensniveau, nationale (und manchmal auch regionale) Maßnahmen zur Regulierung der Preisbildung und Wertermittlung von Arzneimitteln, die Gestaltung der Regulierung des Groß- und Einzelhandelsvertriebs und die Arzneimittelbesteuerung, darunter insbesondere die Mehrwertsteuer.

    Die Mitgliedstaaten nutzen unterschiedliche Instrumente zur Regulierung von Arzneimittelpreisen und Erstattungssätzen. Bei der externen Preisreferenzierung, die 24 der 27 Mitgliedstaaten anwenden, orientieren sich die Arzneimittelpreise an denen anderer Mitgliedstaaten. Die externe Preisreferenzierung kann bei der Einführung neuer Medikamente angewandt werden, wobei in der Regel der Durchschnittspreis zugrunde gelegt wird. Sie kann aber auch kontinuierlich genutzt werden, wobei in der Regel der jeweils niedrigste Preis zugrunde gelegt wird, sodass im Laufe der Zeit Preissenkungen möglich sind.

    Die Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen (HTA) wird verstärkt genutzt, um neue Arzneimittel einzuschätzen und vergleichbaren vorhandenen Arzneimitteln gegenüberzustellen. Da jedoch vorhandenes Belegmaterial in den Mitgliedstaaten unterschiedlich akzeptiert und interpretiert wird, werden die HTA-Bewertungen nicht einheitlich angewandt, was wiederum bei ein und demselben Arzneimittel Preisunterschiede und unterschiedliche Erstattungsvorschriften in verschiedenen Mitgliedstaaten zur Folge hat.

    Die wichtigsten regulatorischen Ansätze in Bezug auf Arzneimittel, deren Patentschutz ausgelaufen ist und die Konkurrenz durch Generika haben, sind die interne Preisreferenzierung, die Ausschreibung von patentfreien Arzneimitteln und die Preisdeckelung durch Kopplung der Generika-Preise an die Preise der Originalpräparate. Durch diese Maßnahmen können die Gesundheitssysteme Einsparungen bei Arzneimitteln erzielen, da der Kauf der preisgünstigeren Generika gefördert wird.

    Ein weiterer maßgeblicher Faktor sind die Mehrwertsteuersätze, die in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich hoch ausfallen und in den letzten Jahren in einigen Ländern gestiegen sind.

    Zum Teil gehen die länderspezifischen Unterschiede in den Arzneimittelkosten auch auf die Unterschiede in den Vertriebssystemen zurück.

    Der „Parallelhandel“ macht sich das Preisgefälle zwischen den Mitgliedstaaten zunutze. Es wird heftig darüber diskutiert, inwieweit der Parallelhandel die Verringerung oder gänzliche Abschaffung solcher Preisunterschiede begünstigen kann. Nach bisherigen Erkenntnissen werden die im Parallelhandel erzielten Überschüsse zum großen Teil von Zwischenhändlern abgeschöpft und kommen weder den Patienten noch dem Gesundheitswesen zugute. Allem Anschein nach leistet der Parallelhandel in Mitgliedstaaten mit hohen Arzneimittelpreisen keinen wesentlichen Beitrag zur Preissenkung.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik

    Nachfrageseitige Maßnahmen, die auf Patienten, Ärzte und Apotheker ausgerichtet sind, fördern nachweislich einen kosteneffektiven Einsatz von Arzneimitteln.

    Zugang zu Arzneimitteln Unterschiedliche Ergebnisse von Technologiefolgenabschätzungen können dazu führen,

    dass die Patienten in den einzelnen EU-Ländern unterschiedlichen Zugang zu einem Arzneimittel haben.

    Einige Mitgliedstaaten können sich die hohen Kosten bestimmter Behandlungen nicht leisten, was vor allem für bestimmte teure und neu in Verkehr gebrachte Krebsmedikamente oder Arzneimittel für seltene Krankheiten gilt.

    Ein anderes Problem besteht darin, dass ein niedriger Preis auf einem nationalen Markt dazu führen kann, dass die Hersteller von einem Inverkehrbringen dieses Produkts auf anderen Märkten absehen, da aufgrund der umfassenden Anwendung der externen Preisreferenzierung ein solch niedriger Preis ihre Preisgestaltung anderswo nachteilig beeinflussen könnte.

    Die Verfügbarkeit einiger Generika kann von der Größe der geografischen Märkte oder Produktmärkte abhängen. In kleinen nationalen Märkten liegen die erwarteten Verkaufseinnahmen aus einem Generikum möglicherweise nicht über den Markteintrittskosten. Dasselbe gilt für kleine Produktmärkte. Dann gibt es für ein oder mehrere Arzneimittel keine generischen Alternativen.. Folglich stehen den Patienten und den Gesundheitssystemen oft nur die teureren Varianten zur Auswahl.

    Ein bedeutendes Problem liegt darin, dass der Parallelhandel zu Engpässen in den exportierenden Mitgliedstaaten führen kann.

    Allem Anschein nach geht das EU-weite Preisgefälle bei Arzneimitteln vor allem auf zwei Faktoren zurück: Unterschiede in den Gesundheitsausgaben (als Anteil am BIP) sowie Unterschiede in der Preispolitik und -regulierung. In diesem Abschnitt sollen verschiedene Formen der Preisbildung und –regulierung sowie deren Auswirkungen auf die Arzneimittelpreise betrachtet werden. 2.1 Pro-Kopf-BIP und Arzneimittelpreise Die Höhe der Arzneimittelausgaben steht in Beziehung zur Höhe des Pro-Kopf-BIP und zu den Gesundheitsausgaben, aber auch die demografischen Gegebenheiten und nationalen politischen Prioritäten spielen eine Rolle. Diese Faktoren wirken sich auf die Nachfrage aus und können letztendlich die Arzneimittelpreise und die allgemeine Verfügbarkeit von Arzneimitteln in den einzelnen Mitgliedstaaten beeinflussen. Zum einen sind die Arzneimittelpreise offenbar in Mitgliedstaaten mit höherem Pro-Kopf-Einkommen höher, was besonders für patentgeschützte Medikamente gilt.

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Zum anderen scheinen die wohlhabenderen Mitgliedstaaten mehr Geld für Arzneimittel auszugeben. Das könnte an den höheren Durchschnittspreisen der Arzneimittel oder an einem höheren mengenmäßigen Pro-Kopf-Verbrauch liegen (oder auch an beidem). In Mitgliedstaaten mit hohen Erstattungssätzen und umfassendem Versicherungsschutz besteht für die Hersteller ein größerer Anreiz zur Vermarktung neuer Produkte, da bessere Aussichten auf eine ausreichende Nachfrage und damit auf Wirtschaftlichkeit bestehen. Folglich fällt es den einkommensstarken Ländern leichter, für Zugang zu neuen und teuren Arzneimitteln zu sirgeb. Umgekehrt können sich kleinere Mitgliedstaaten mit niedrigerem Pro-Kopf-BIP oft weder einen breiten Versicherungsschutz noch hohe Erstattungssätze leisten und den Herstellern daher nur einen kleineren Markt bieten. Daher verhält sich der Zugang zu bestimmten Kategorien von Arzneimitteln meist umgekehrt proportional zur Marktgröße und zum Pro-Kopf-BIP. 2.2 Überblick über die Arzneimittelregulierung Der Arzneimittelmarkt unterteilt sich wie jeder andere Markt in eine Angebotsseite, bestehend aus den Arzneimittelherstellern, und eine Nachfrageseite, bestehend aus Patienten, Verordnern (d. h. Ärzten) und Arzneimittelvertreibern (d. h. Apotheken). Zur Angebotsseite ist anzumerken, dass pharmazeutische Erfindungen generell einen Patentschutz von 20 Jahren genießen, an den sich höchstebs weitere fünf Jahre durch das ergänzende Schutzzertifikat anschließen. Außerdem gilt ein Alleinvertriebsrecht von bis zu 11 Jahren. In dieser Zeit der Marktexklusivität hat der Erfinder ein Monopol bzw. Quasi-Monopol inne. Die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten nehmen als Käufer wie auch als Regulierungsinstanzen maßgeblichen Einfluss auf die Arzneimittelmärkte. Ihre Interventionen lassen sich drei großen Kategorien zuordnen:

    angebotsseitige Instrumente: Preisbildungsmethoden (vor allem bei patentgeschützten Arzneimitteln),

    angebotsseitige Instrumente: Erstattungsregelungen für Arzneimittel, nachfrageseitige Instrumente: z. B. Regelungen, die Ärzte, Apotheker und Patienten

    betreffen. Bei den staatlichen Maßnahmen auf der Angebotsseite liegt der Schwerpunkt auf der Preisregulierung für patentgeschützte und patentfreie (generische) Arzneimittel. Konkrete Beispiele sind die Steuerung der Arzneimittelpreise durch verschiedene Regulierungsmethoden (u. a. Preisregulierung, feste Erstattungssätze, Gewinn- oder Renditeregulierung) und die Ankurbelung des Preiswettbewerbs durch den Abbau von Markteintrittsbarrieren. Angebotsseitige Maßnahmen zur Mengenregulierung sollen den Einstieg in Arzneimittelmärkte erleichtern, indem beispielsweise Generika schneller auf den Markt gebracht werden können. Auf der Nachfrageseite überwiegt die Mengenregulierung durch Einflussnahme auf die Verschreibung (z. B. finanzielle und andere Anreize für die Ärzte), den Apothekenvertrieb (z. B. Regulierung der Gewinnspannen, Vorschriften für die Generikasubstitution) und das Patientenverhalten (z. B. Selbstbeteiligung bei verschiedenen Arten von Medikamenten).

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik In den Mitgliedstaaten kommen die unterschiedlichsten Methoden zur Anwendung. Die nachstehende Tabelle 1 vermittelt eine Übersicht über die wichtigsten Ansätze mitsamt entsprechenden Länderbeispielen. In den folgenden Abschnitten beschreiben wir die gängigsten Methoden und erörtern anhand aktueller Forschungsergebnisse ihre Auswirkungen auf die Arzneimittelpreise. 2.3 Angebotsseitige Regulierung 2.3.1 Methoden der Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel Die beobachteten Preisdifferenzen bei patentgeschützten wie auch patentfreien Arzneimitteln sind zum Teil auf die unterschiedliche Preispolitik und -regulierung in den einzelnen Mitgliedstaaten zurückzuführen. Zum Ersten besteht ein deutlicher Kontrast zwischen Systemen mit freier Preisbildung und Systemen mit Preiskontrolle, bei denen verschiedene Akteure mit unterschiedlicher Interessenlage Einfluss auf die Einführungspreise von Arzneimitteln nehmen. Eine Regulierung erfolgt auch in Systemen mit freier Preisgestaltung, bei denen die Hersteller die Preise für neue Medikamente selbst festlegen dürfen. Beispiele dafür sind die Gewinnregulierung (VK) (Mrazek und Mossialos, 2004) und die Erstattungsregulierung durch interne Preisreferenzierung und/oder auf Grundlage der Technologiefolgenabschätzung (HTA).

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Tabelle 1: Arzneimittelregulierung (Überblick)

    * Definitionen aus den „PPRI Reports“.

    Regulierungsinstrument Beispiele für Anwenderstaaten

    ANGEBOTSSEITE: Methoden der Preisbildung für patentgeschützte Arzneimittel Preiskontrolle: administrative oder gesetzliche Preisbildung

    alle Mitgliedstaaten außer Deutschland, VK und in gewissem Maße Schweden

    Externe Preisreferenzierung alle Mitgliedstaaten außer VK, Deutschland, Schweden Renditeregulierung VK Verhandlungen und Preis-Mengen-Vereinbarungen

    Frankreich, Italien, Österreich

    Direkte Ausgabenkontrolle: Rückzahlung

    Frankreich, Portugal, Österreich

    Direkte Ausgabenkontrolle: Preis-Mengen-Vereinbarungen

    Frankreich

    Kosten-Plus-Preisbildung indirekte Nutzung einzelner Elemente in Spanien ANGEBOTSSEITE: Methoden der Preisbildung für patentfreie Arzneimittel

    Ausschreibung von Generika für die medizinische Grundversorgung

    Niederlande, Deutschland

    Preisdeckelung für Generika und Kopplung an den Preis des Originalpräparats

    Italien, Griechenland, Frankreich

    ANGEBOTSSEITE: Erstattungsmethoden Positiv- und Negativlisten alle Mitgliedstaaten Interne Preisreferenzierung Deutschland, Niederlande, Tschechische Republik, Italien, Spanien,

    Frankreich, Ungarn Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen (HTA)

    VK, Schweden, Niederlande, Ungarn, Polen, Finnland, Estland, Lettland, Litauen. In Frankreich nur Abschätzung des klinischen Nutzens

    Innovative Preisbildungs- und Erstattungssysteme

    Italien, Deutschland, VK, Finnland

    NACHFRAGESEITE: Strategien gegenüber Ärzten Klinische Leitlinien alle Mitgliedstaaten Obligatorische Verschreibung von Generika

    VK, Dänemark, Estland

    Finanzielle Anreize einige Elemente in Frankreich, VK Überwachung und Kontrolle der Verschreibung

    Belgien, VK, Niederlande, Frankreich, Dänemark, Schweden, Estland

    NACHFRAGESEITE: Strategien gegenüber Apotheken Steuerung der Einnahmen (z. B. Gewinnspannen, Gebühren) u. a. durch vertragliche Vereinbarungen

    alle Mitgliedstaaten

    Ersatz durch Generika Frankreich, Italien, Spanien, Schweden NACHFRAGESEITE: Strategien gegenüber Patienten

    Selbstbeteiligung alle Mitgliedstaaten Förderung der Nutzung von OTC-Medikamenten und „Delisting“ (Ausschluss von der Erstattung)

    VK, Deutschland, Schweden, Niederlande

    Quelle: Verfasser auf der Grundlage der Literatur.

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  • Fachabteilung A: Wirtschafts- und Wissenschaftspolitik Festpreisregelungen, auch als direkte Preiskontrolle bezeichnet, laufen auf die Festsetzung von Höchstpreisen hinaus und können entweder auf alle Arzneimittel (ob erstattungsfähig oder nicht) oder auf spezifische Erzeugniskategorien (z. B. erstattungsfähig, klinisch/ambulant, patentgeschützt/patentfrei) angewandt werden. Das Ziel besteht in der Gewährleistung eines angemessenen bzw. erschwinglichen Preisniveaus, wobei allerdings die Vorstellungen der Länder (teils auch innerhalb der Länder) auseinandergehen. Die Art und Weise der Preisbildung – ob durch Verhandlungen (Frankreich, Italien, Österreich, Portugal, Spanien) oder einseitig durch staatliche Institutionen – wirkt sich darauf aus, welche Preise der Großhandel, die Patienten und letztlich die Krankenversicherungsträger bzw. Staaten zu zahlen haben. Die direkte Preiskontrolle ermöglicht es, Preissteigerungen zu verlangsamen oder insgesamt niedrigere Preise durchzusetzen. Andererseits kann der Anstieg der Gesundheitsausgaben infolge von Mengenzunahmen und innovativen Arzneimitteln schwerer wiegen als der Einfluss der Preiskontrolle (Mrazek und Mossialos, 2004). Zum Zweiten unterscheiden sich die Merkmale der Preisregulierungssysteme und der Mix der Regulierungsmaßnahmen von Land zu Land. In den Preisbildungsstrategien und Regulierungsansätzen spiegeln sich die nationalen Ziele der Gesundheits- und Wirtschaftspolitik wider, wie z. B. die Eindämmung der Arzneimittelausgaben oder die Förderung von FuE, Beschäftigung und Handel. Zum Dritten kann die Preisregulierung auf verschiedenen Stufen der Vertriebskette ansetzen, angefangen vom Hersteller über den Großhändler bis hin zum Apotheker, zum einzelnen Verbraucher oder zum Krankenhaus. Noch dazu unterscheiden sich Art und Grad der Regulierung in mehreren Mitgliedstaaten in Abhängigkeit davon, ob es um patentgeschützte und patentfreie Arzneimittel geht. Im Folgenden wird der Einfluss der wichtigsten Preisbildungsmethoden auf die Arzneimittelpreise in den EU-Mitgliedstaaten erörtert. a) Externe Preisreferenzierung (EPR) Bei der externen Preisreferenzierung (EPR) (auch internationale Preisreferenzierung genannt) wird ein „Korb“ von Ländern gebildet, deren Arzneimittelpreise als Orientierung dienen sollen. Dieser Ansatz ist in 24 EU-Ländern verbreitet (Ausnahmen: VK, Deutschland und Schweden). Die Zahl der in den Korb aufgenommenen Länder kann von drei (wie z. B. in Slowenien) bis 26 (wie z. B. in Lettland und der Tschechischen Republik) reichen. Als Referenzpreis gilt entweder der niedrigste Preis oder der Durchschnitt der niedrigsten Preise im Korb. Mithilfe der EPR werden Höchstpreise für Arzneimittelprodukte festgelegt. Der Tabelle in Anhang 1 ist zu entnehmen, welche Mitgliedstaaten die EPR nutzen, welche Länder zum Vergleich herangezogen werden (Festlegung des Korbes) und welche Preise bei der Preisbildung berücksichtigt werden. Zwar kann die EPR zur Senkung des Preisniveaus und so zur Kostendämpfung beitragen, doch wird sie auch kritisch gesehen, weil es sich um eine willkürliche preisliche Maßnahme handelt. Sie lässt andere Aspekte des Marktes und gesundheitliche Prioritäten der einzelnen Länder außer Acht und schafft Verunsicherung in den innovativen Bereichen der Arzneimittelindustrie, weil nicht zuletzt schwankende Wechselkurse die Referenzpreise beeinflussen.

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  • Arzneimittel in der EU – Unterschiede bei Kosten und Zugänglichkeit Die EPR kann jedoch einen Beitrag zur Senkung der Arzneimittelpreise leisten. Dieser fällt sogar recht deutlich aus, da die meisten Länder den niedrigsten Preis oder den Durchschnitt der niedrigsten Preise in ihrem Länderkorb verwenden und regelmäßige – meist jährliche, teils noch häufigere – Anpassungen vornehmen. Bei der EPR kommt es zu einer Beeinflussung der Preise durch Wechselkursschwankungen, die auf lange Sicht nicht neutral wirken, sondern einen Preisdruck nach unten erzeugen (Kanavos und Vandoros 2010). Eine unbeabsichtigte Folge der EPR ist, dass die Hersteller ein neues Produkt nicht gern in einem Land einführen, dessen Preis den Preis in Drittländern drückt oder so niedrig ist, dass er Anreiz für Parallelexporte bietet. b) Renditeregulierung Das Vereinigte Königreich verwendet die Renditeregulierung zur Festsetzung von Arzneimittelpreisen. Das PPRS (Pharmaceutical Price Regulation Scheme) ist im Grunde ein System zur „Gewinnkontrolle“ bzw. Kontrolle der „Kapitalrendite“ (ROCE) und beruht auf einer freiwilligen Vereinbarung zwischen der Regierung und der Pharmaindustrie. Danach dürfen die Gewinne der Hersteller aus Verkäufen an den staatlichen Gesundheitsdienst (National Health Service, NHS) eine bestimmte Schwelle nicht überschreiten, während unterhalb dieser Grenzen eine flexible Preisbildung möglich ist. Die maximal zulässige Kapitalrendite liegt bei 21 % zuzüglich einer Toleranzmarge. Jeder Überschuss muss entweder an das britische Gesundheitsministerium zurückgezahlt oder über eine Preissenkung zurückgegeben werden (PPRS, 2009; OFT 2007). Die Hersteller können jedoch die Preise in ihrem Preisportfolio so austarieren, dass Änderungen wirkungsneutral bleiben. Die jetzige britische Regierung will das PPRS nach Fristablauf Ende 2013 nicht verlängern, sondern zur wertorientierten Preisbildung übergehen, bei der der Preis ausgehend vom Wert des Produkt