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Arch. Oto-Rhino-Laryng. 218, 79-86 (1977) Archives of Oto-Rhino-Laryngology Springer-Verlag 1977 Gentamyein im Verteilungsgleichgewieht zwisehen Serum, Perilymphe und Liquor beim Meersehweinehen naeh Dosierung im therapeutisehen Bereieh P. Strauss 1, H. Rosin 2, M. Quante a, G. Harari 1, V. Winter 1, S. L6bner 1' a i HNO-Klinik der Universit~it Dtisseldorf (Direktor: Prof. Dr. A. Meyer zum Gottesberge), Moorenstral3e 5, D-4000 D/isseldorf 1 2 Institut ffir Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Universitfit D/isseldorf (Direktor: Prof. Dr. P. Naumann), D-4000 Dfisseldorf 3 Dipl.-Mathematiker Gentamycin in Distributive Balance Between Serum, Perilymph and Liquor in Guinea-Pig after Dosage in Therapeutical Range Summary. Dosage of gentamycin in therapeutical range just as in higher doses results in a distributive balance between serum, perilymph and liquor under the condition of steady serum levels. After high doses the perilymph levels compared to the serum levels are relatively lower than after less doses. The distributive balance is reached after about 7 h in doses, which lead to concentrations of the serum levels of the supposed ototoxic critical range. Afterwards the concentra- tion in the inner ear doesn't increase. In steady state, the concentration in serum is always higher than in perilymph, whereas the perilymph concentration is al- ways higher than the one in liquor. Key words: Gentamycin - Therapeutical dosage - Distributive balance - Serum - Perilymph - Liquor. Zusammenfassung. Gentamycindosierungen im therapeutischen Bereich f/ihren ebenso wie h6here Dosierungen bei gleichbleibend hohen Serumspiegeln zu einem Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor. Nach hohen Dosierungen resultieren Perilymphspiegel, die im Verh/iltnis zum Serum- spiegel relativ niedriger bleiben als die Perilymphspiegel nach geringerer Dosie- rung. Das Verteilungsgleichgewicht wird bei einer Dosierung, die zu Serumkon- zentrationen im vermuteten ototoxischen Grenzbereich f/ihrt, nach ca. 7 Std erreicht. Danach steigt die Innenohrkonzentration nicht weiter an. Die Serumkonzentration im steady state ist immer grfl3er als die Perilymph- konzentration, diese immer gr613er als die Liquorkonzentration. Sehliisselwiirter. Gentamycin - Therapeutische Dosis - Verteilungsgleichge- wicht - Serum - Perilymphe - Liquor. Sonderdruckanfragen an: Dr. P. Strauss (Adresse siehe oben)

Gentamycin im Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor beim Meerschweinchen nach Dosierung im therapeutischen Bereich

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Arch. Oto-Rhino-Laryng. 218, 79-86 (1977) Archives of Oto-Rhino-Laryngology �9 Springer-Verlag 1977

Gentamyein im Verteilungsgleichgewieht zwisehen Serum, Perilymphe und Liquor beim Meersehweinehen naeh Dosierung im therapeutisehen Bereieh

P. Strauss 1, H. Rosin 2, M. Quante a, G. Harar i 1, V. Winter 1, S. L6bner 1' a

i HNO-Klinik der Universit~it Dtisseldorf (Direktor: Prof. Dr. A. Meyer zum Gottesberge), Moorenstral3e 5, D-4000 D/isseldorf 1 2 Institut ffir Medizinische Mikrobiologie und Virologie der Universitfit D/isseldorf (Direktor: Prof. Dr. P. Naumann), D-4000 Dfisseldorf 3 Dipl.-Mathematiker

Gentamycin in Distributive Balance Between Serum, Perilymph and Liquor in Guinea-Pig after Dosage in Therapeutical Range

Summary. Dosage of gentamycin in therapeutical range just as in higher doses results in a distributive balance between serum, perilymph and liquor under the condition of steady serum levels. After high doses the perilymph levels compared to the serum levels are relatively lower than after less doses. The distributive balance is reached after about 7 h in doses, which lead to concentrations of the serum levels of the supposed ototoxic critical range. Afterwards the concentra- tion in the inner ear doesn' t increase. In steady state, the concentration in serum is always higher than in perilymph, whereas the perilymph concentration is al- ways higher than the one in liquor.

Key words: Gentamycin - Therapeutical dosage - Distributive balance - Serum - Peri lymph - Liquor.

Zusammenfassung. Gentamycindosierungen im therapeutischen Bereich f/ihren ebenso wie h6here Dosierungen bei gleichbleibend hohen Serumspiegeln zu einem Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor. Nach hohen Dosierungen resultieren Perilymphspiegel, die im Verh/iltnis zum Serum- spiegel relativ niedriger bleiben als die Perilymphspiegel nach geringerer Dosie- rung. Das Verteilungsgleichgewicht wird bei einer Dosierung, die zu Serumkon- zentrationen im vermuteten ototoxischen Grenzbereich f/ihrt, nach ca. 7 Std erreicht. Danach steigt die Innenohrkonzentrat ion nicht weiter an.

Die Serumkonzentrat ion im steady state ist immer grfl3er als die Perilymph- konzentration, diese immer gr613er als die Liquorkonzentration.

Sehliisselwiirter. Gentamycin - Therapeutische Dosis - Verteilungsgleichge- wicht - Serum - Perilymphe - Liquor.

Sonderdruckanfragen an: Dr. P. Strauss (Adresse siehe oben)

80 P. Strauss et al.

Federspiel (1973) und Stupp (1975) vermuten, dab zwischen der Dosierung, den Serumkonzentrationen und den Innenohrspiegeln beim Gentamycin im therapeuti- schen Bereich eine lineare Beziehung besteht. Die HShe und die Dauer der erreichten Perilymphspiegel sollen f/ir das AusmaB der Ototoxizit~it verantwortlich sein. Den meisten bisher durchgefiihrten Untersuchungen ist gemeinsam, dab sie weit jenseits des beim Menschen therapeutischen Konzentrationsbereiches durchgef/ihrt worden sind. Einer der Gr/inde mag die untere Nachweisgrenze des Gentamycins in den Mikromengen der zu gewinnenden Innenohrflfissigkeit sein.

Naeh Herabsetzen der Nachweisgrenze auf 0,625 ~g/ml bei einer Mindestpro- benmenge yon 1 ~1 F1/issigkeit durch Rosin u. Mitarb. (1977) haben wit Versuchsrei- hen im Bereich therapeutischer Gentamycinkonzentrationen (2 mg/kg i.m.) im Be- reich der Toxizit~itsschwelle beim Mensehen (4 mg/kg i.m.) und eine Kontrollreihe jenseits des therapeutischen Bereiches (16 mg/kg i.m.) durchgeffihrt.

Wir beabsiehtigten, bei einem konstanten, mSglichst gering schwankenden Se- rumspiegel die Gentamycinkonzentrationen im Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor zu messen. Der stetig verlaufende Serumspiegel soll- te zudem dazu dienen, eine Relation des individuellen Serumspiegel-Zeitverlaufes (= Serumangebot) zum erreichten Perilymphspiegel herzustellen, um so pr/ifen zu kSnnen, ob die kontinuierliche individuelle Serumspiegelbestimmung eine pr/izisere Voraussage der zu erwartenden Perilymphkonzentrationen ermSglicht als die Vor- aussage, die sich allein auf Dosis und KSrpergewicht bezieht.

Vorversuche

Vorversuche mit einer einmaligen Injektion und Vorversuche mit wiederholten Injektionen ergaben Serumspiegelverl~iufe, die zu ungleiehm~il3ig waren.

Vorversuehe mit Kathetern und Infusionsmasehinen scheiterten an einer Thrombosierung der punktierten Gef'~iBe.

Naeh einem Vorschlag von Stupp (1974) wurden daher bei den Tieren beide Nieren abgebunden und die renale Ausseheidung verhindert. Es resultierten reproduzierbar anhaltend hohe Serumspie- gel.

Versuehsablauf

Es wurden drei Versuchsreihen durchgeffihrt. A: 2 mg/kg Gentamycin, 14 Meerschweinchen. B: 4 mg/kg Gentamycin, 54 Meerschweinchen. C: 16 mg/kg Gentamycin, 41 Meerschweinchen. Die operativen Eingriffe wurden in Nembutal-Narkose durehgef/ihrt (intraperitoneal 0,8 ml/kg).

Bei jedem Tier wurde vor der Injektion des Gentamycins durch Herzpunktion Kontrollblut gewonnen. AnschlieBend wurde ein 4 em langer Hautschnitt liings verlaufend fiber den Rficken gelegt und von

diesem Schnitt die Rfiekenmuskulatur pr~ipariert. Unterhalb des Rippenbogens neben der geraden Riiekenmuskulatur wurde beiderseits der Bauchraum erSffnet, beide Nieren luxiert und die zu- und abffihrenden Nierengef','if3e unterbunden. Die Nieren wurden zurfickverlagert und der Hautsehnitt verniiht. Die Gentamyeininjekfion erfolgte intramuskul~ir in den Hinterlauf. Die Herzpunktion zur Blutgewinnung wurde in Intervallen (Abb. 1) bis zum individuellen Versuehsende wiederholt. Vor Versuehsende wurde erneut in Nembutalnarkose (0,4 ml/kg) suboccipital Liquor abpunktiert. In dersel- ben Narkose wurden die Tiere danach sofort dekapitiert und innerhalb weniger Minuten die Bullae entnommen und die Perilymphe beider Schneeken blutfrei abpipettiert. Die Perilymphe beider Schnek- ken wurde zusammen ausgewertet. Zur Gewinnung von Perilymphe und Liquor wurden feinste Glaska- pillaren selbst ausgezogen. Die Probenfl/issigkeit wurde dureh die KapiUarkraft mit Pipetten abgezo-

Gentamycin im Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor 81

gen, die, wenn n6tig, durch einen Schlauch mit Mundstiick zum Erzeugen eines Unterdruekes verst/irkt wurde. Von jedem Tier fielen bis zur T6tung mehrere Serumproben an, die den individuellen Serumspie- gelverlauf charakterisieren. Bei der T6tung wurde von jedem Tier eine Perilymph- und eine Liquorpro- be gewonnen. Blutiger Liquor wurde verworfen, blutige Perilymphe kam nach der Dekapitation nicht vor. Das Blut wurde sofort zentrifugiert, Serum, Perilymphe und Liquor wurden bis zur Auswertung tiefgefroren. Kontrollen ergaben, dab hierdureh kein Aktivit/itsverlust entstand. Die mathematisch- statistische Bearbeitung der Daten erfolgte im Rechenzentrum der Universit/it Dfisseldorf mittels EDV (Siemens 4004, Telefunken TR 445),

Ergebnisse

Konzentrations-Zeitverlauf im Serum (Abb. 1, 2). Bei allen drei Dosierungen werden innerhalb der ersten 2 Std die maximalen Serurnwerte erreicht, sowohl f/Jr die Mittel- wertkurve, wie auch ffir die Einzelwerte. Der mittlere h6chste Serurnwert ist direkt proportional zur Dosierung. Der Variationskoeffizient (Standardabweichung s in Prozent des Mittelwertes ~) betr/igt 2 5 - 3 0 % . Nach 2 Std fdllt der Serumspiegel linear ab. Das Intregal des Serumspiegel-Zeitverlaufs, Serumangebot genannt, ist ebenfalls ffir alle Zeitpunkte direkt proportional zur Dosierung.

Konzentrations-Zeitverlauf im Liquor (Abb. 3). Die Liquorkonzentration steigt schnell an, um nach 2 - 4 Std ein Plateau zu erreichen. Dieses ver~indert sich nicht mehr. Die Schwankungen der MeBwerte sind uncharakteristisch. Die Dosissteige- rung yon 2 auf 4 mg/kg f/ihrt zu einer fiberproportionalen Steigerung der erreichten mittleren Liquorwerte des Plateaus. Eine weitere Dosissteigerung yon 4 auf 16 mg/kg ffihrt in etwa zu einer Verdoppelung der mittleren Liquorkonzentration des Plateaus.

Konzentrations-Zeitverlauf in der Perilymphe (Abb. 4). Bei allen Dosierungen stei- gen die Perilyrnphkonzentrationen zun~ichst steil an, um bald ein Plateau zu errei- chen. Der zun~ichst steile Anstieg der Perilyrnphkonzentration ist auf das hohe Kon-

mcg I ml .

50-

n = ~ ! n~34

c ~ 1 6 m g / k g

/ ~ . . . . 4rng/kg

n~3T

, / . 'n=14 " n : 7 n=4

A i 2 ~ e 8 Io i2 fs h

Abb. 1. Mittelwertkurven der Gentamycinkonzentration im Serum beim Meerschweinchen nach einma- liger Injektion, beide Nierenarterien unterbunden, mit Standardabweiehung

82 P. Strauss et al.

�9 - - - , 16mg/kg ~ " - J

. . . . 4mglko J " �9 . . . . 2 m g l k g / T "'~

500-

1oo-

A 1 2 4 6 8 I0 12 15h

Abb. 2. Zeitlicher Verlauf des Serumangebotes von Gentamycin beim Meerschweinchen nach einmali- ger Injektion, beide Nierenarterien unterbunden, mit Standardabweichung

zentrationsgef'~ille Serum-Perilymphe zuriickzufii_hren. Dieses Konzentrationsgef~ille nimmt mit der Zeit ab und damit verringert sich der Anstieg der Perilymphkonzen- tration. Mit steigender Perilymphkonzentration erh6ht sich zudem das Gefiille Peri- lymphe-Liquor, das jetzt zunehmend einen diimpfenden Einflug auf den Anstieg der Perilymphkonzentration gewinnt. Schlieglich stellt sich ein Gleichgewicht zwischen den Konzentrationen im Serum, Perilymphe und Liquor ein.

Mathematisch-statistische Bearbeitung der Ergebnisse

Mathematisch-stat&tisches Verfahren. Ffir die Perilymphkonzentration in Ab- h~ingigkeit von Dosierung, Zeit und verschiedenen Serumwerten wurde eine Regres- sionsanalyse durchgeffihrt, um die optimal m6gliche Voraussage ftir die Perilymph- konzentration zu finden. Bei der Regressionsanalyse werden die angegebenen Vari- ablen nach bestimmten Optimalit~itsbedingungen herangezogen und so schrittweise die Perilymphkonzentration als Funktion einer steigenden Zahl von Variablen be- rechnet. Nach jedem Schritt wird der Standardfehler der Voraussage der Perilymph- konzentration angegeben.

Voraussage aufgrund yon Dosierung und Zeitpunkt der Messung. Fiir die Dosierun- gen 4 mg/kg und 16 mg/kg ergibt sich die Perilymphkonzentration (-- KP) als Funk- tion der Zeit (= Z):

4 rng/kg: KP = 0,506 + 4,88 l~ (Z + 1) (la)

(Standardfehler + 1,24 bei Mittelwerten von ca. 4,0-5,0).

16 mg/kg: KP =--0,504 + 14,23 1~ (Z + 1) (lb)

(Standardfehler + 2,84 bei Mittelwerten von ca. 10,0-12,0).

Gentamycin im Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor 83

c ~ I6 mg I kg . . . . 4mglkg

. . . . . 2mg/kg

mcg/ml

21~ ~/,'".'k'- - - ~ i . . . . - 2 ; "~oo,

1 2 4 6

n=lo

T rl: 3 In=5 ~n.2 'Tn=5

Abb. 3. Gentamycinkonzentrationen im Liquor beim Meerschweinchen nach einmaliger Injektion, beide Nierenarterien unterbunden, mit Standardabweichung

16 rng / kg

15 . . . . 2mo/kg

mcg/ ml l ~ " /

to~

., :

a�82 a .J l

I n~7

I

Abb. 4. Gentamycinkonzentrationen in der Perilymphe beim Meerschweinchen nach einmaliger Injek- tion, beide Nierenarterien unterbunden, mit Standardabweichung

Ffir die Dosierung 2 mg/kg besteht kein signifikanter Zusammenhang zwischen Zeit und Perilymphkonzentration, d. h. der mittlere Fehler der Voraussage ist eben- so grol3 wie die Standardabweichung der Perilymphkonzentrationswerte vom Mittel- wert, n/imlich _+ 0,83 bei Perilymphkonzentrationen von 2,34.

Einbeziehung des maximalen Serumwertes. Die Einbeziehung des maximalen Se- rumwertes (= MS) ergibt f/Jr die Dosierung 2 mg/kg eine wesentliche Verbesserung der Genauigkeit der Voraussage:

KP = 7,73 - 1,3 MS + 0,41 MSZ - 0,64 Z 2. (2)

Die Aussagegenauigkeit betr~igt + 0,30 bei einem Mittelwert yon 2,34.

84 P. Strauss et al.

Ffir die Dosierungen 4 und 16 mg/kg erfolgt keine Verbesserung durch die Einbeziehung yon MS.

Einbeziehung des letzten gemessenen Serumwertes. Der letzte gemessene Serumwert (= KS) wurde unmittelbar vor der Abnahme der Perilymphe gewonnen und gestattet daher eine Voraussage der Konzentration der Perilymphe aufgrund des gleichzeiti- gen Serumspiegels.

Bei einer Dosierung von 2 mg/kg wird hierdurch eine bessere Voraussage er- reicht als aufgrund des einfachen Mittelwertes. Bei den Dosierungen 4 und 16 mg/kg ist das Verh~iltnis der Perilymphkonzentration zum letzten gemessenen Serumwert eine lineare Funktion der Zeit:

KP - - n - - B Z . ( 3 )

KS

Diese Beziehung gestattet jedoch keine genauere Voraussage als die einfache Vor- aussage aufgrund der Kenntnis von Dosierung und Zeitpunkt der Messung.

Einbeziehung des Serumangebotes. Die Einbeziehung des Serumangebotes ffihrt zu keiner Verbesserung der Voraussage bei allen drei Dosierungen. Ein gleich grol3es Serumangebot ffihrt bei unterschiedlich langer Versuchsdauer nicht zu gleich hohen Innenohrspiegeln.

D i s k u s s i o n

Bisher wurde die Pharmakokinetik von Gentamycin in die Perilymphe nach einmali- gen oder wiederholten sehr hoch dosierten Injektionen untersucht. Nach einmaligen Injektionen yon Gentamycin kommt es zu einem schnellen Anstieg der Serumkonzen- tration mit einem Maximum etwa 1 Std nach der Injektion (Federspiel, 1973). Inner- halb yon 3 Std f'~illt der Serumspiegel steil ab. Die Perilymphkonzentration erreicht ihr Maximum nach etwa 2 Std, um dann viel langsamer abzufallen. 5 Std nach Versuchsbeginn ist die Perilymphkonzentration deutlich h6her als der Serumspiegel. Federspiel (1973) gibt die Halbwertzeit des Gentamycin in der Perilymphe mit 11 Std an. Wiederholte Injektionen im Abstand von 8 Std (3 x t~igl. Injektionen) mfiB- ten dann zu einem langsam ansteigenden Innenohrspiegel fiihren, da die Serumkon- zentration nach jeder Injektion kurzzeitig wesentlich fiber dem vonder letzten Injek- tion verbliebenen Perilymphspiegel liegt (Abb 5).

Werden die Folgeinjektionen jedoch in einem Zeitintervall von 24 Std ausge- f/ihrt, steigt der Innenohrspiegel nicht h6her wie nach einer einzigen Injektion an (Federspiel, 1973). Beim Menschen sollen ffir Gentamycin /ihnliche Verh/iltnisse vorliegen (Nordstr6m u. Mitarb., 1973).

Eine solche Versuchsanordnung ist nicht geeignet, die Pharmakokinetik im Ver- teilungsgleichgewicht darzustellen.

Das in unseren Experimenten erreichte Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor entsteht als Folge des mit der Versuchsdauer abneh- menden Konzentrationsgef/illes Serum-Perilymphe und gleichzeitig zunehmenden Konzentrationsgef'~illes Perilymphe-Liquor. Eine Erh6hung der Dosis ffihrt nicht zu einer proportionalen Erh/Shung der Perilymphspiegel, dies zeigt der Verlauf des Quo- tienten aus erreichter Perilymphkonzentration und Serumangebot deutlich (Abb. 6).

Gentamycin im Verteilungsgleichgewicht zwischen Serum, Perilymphe und Liquor

200"

150

meg/rn l

tO0

ii It I

II I II II

I

I I I I I

SERUM- e , . . e

SPIEGEl. *'--= OERI"

85

I i I I I \ j", ',, \ I ,, ', . . _ _ _

8 16 24 h

Abb. 5. Gentamycinspiegel in Serum und Perilymphe beim Meerschweinchen nach wiederholten Injek- tionen (in Anlehnung an Federspiel, 1973)

0,20

PERL KONZ SER ANGEB

0.I0

, =,.....= 1 6 m g / k g i

' . . . . 4 m g / k g

', r . . . . . 2 m g / k g

n=9~ n=6 n I

Abb. 6. Zeitlicher Verlauf des Quotieuten aus Perilymphkonzentration und Serumangebot von Genta- mycin beim Meerschweinchen

Nach 2 Std betr/igt bei 16 mg/kg das Serumangebot etwa 90 (~g/ml �9 h), bei 2 mg/kg etwa 15 (gg/ml. h).

Das anflutende Gentamycin tritt in begrenzter Zeit nicht proportional zur ange- botenen Menge in die Perilymphe fiber, daher ist der Quotient Perilymphkonzentra- tion/Serumangebot bei der hohen Dosierung anfangs kleiner als bei der niedrigen Dosierung.

Nach 5 Std betr/igt dann das Serumangebot bei 16 mg/kg etwa 260 (Fxg/ml �9 h), bei 2 mg/kg etwa 45 (~g/ml. h).

86 P. Strauss et al.

Die Quotienten Perilymphkonzentration/Serumangebot sind jetzt fast gleich grog, da bei der h6heren Dosiertmg nach weiteren 3 Std Versuchszeit so viel mehr Gentamycin in die Perilymphe iibergetreten ist, dag die Gentamycinkonzentration in der Perilymphe weiter angestiegen ist. Bei 2 mg/kg ist die Perilymphkonzentration v o n d e r 2. bis zur 5. Std nicht angestiegen, da das Verteilungsgleichgewicht bereits nach der 2. Std erreicht war.

Entsprechend ist bei gr6ger werdendem Angebot der Quotient kleiner geworden. Vom Augenblick des Verteilungsgleichgewichtes an, wenn der Perilymphspiegel nicht mehr steigt (bei 4 und 16 mg/kg nach ca. 6 bis 8 Std), f~illt der Quotient nur noch langsam entsprechend dem Anstieg des Serumangebotes.

Die Zeitabhfingigkeit des Ubertrittes von Gentamycin in die Perilymphe weist auf einen passiven Transport hin, wie ihn Wagner und Ritter fiir Streptomycin eben- falls annehmen.

F/Jr das untersuchte tierexperimenteUe Modell am Meerschweinchen 1/il3t sich daher mit Kenntnis yon Dosis und Versuchsdauer ffir die geprfiften Dosierungen 4 mg/kg und 16 mg/kg der zu erwartende Perilymphspiegel mit ausreichender Genau- igkeit kalkulieren. Die Einbeziehung weiterer Parameter, wie resultierender Serum- spiegel und individueller Serumspiegelverlauf, f/ihrte nicht zu einer Verbesserung der Voraussage.

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