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Geologische Beschreibung zu einer archäologischen Grabung in Stöttham, Chiemgau, und der Bezug zum Chiemgau-Impakt
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Bericht Grabung Stöttham 2008
Bericht zur Geologie und Petrographie an der Grabung Stöttham
Dipl.-Geol. A. NeumairStand: 04.09.2008
1. AllgemeinesDie Grabungsfläche befindet sich am nördlichen Ortsausgang von Stöttham, Gde.
Chieming, östlich der Straße (vgl. Kartenanlagen) und umfasst ca. 300 m² mit
trapezförmigen Grundriss (Baufenster, orientiert an der angrenzenden Strasse). Durch-
geführt wurde die archäologische Grabung von Hr. Dr. Möslein auf Veranlassung des
BLfD im Zeitraum von Herbst 2007 bis Sommer 2008 mit witterungsbedingten Unterbre-
chungen. Als Unterkante der Grabung war eine mit Sicherheit kulturfreie Schicht ange-
strebt, in diesem Fall der pleistozäne Untergrund, der in Tiefen von ca. 1 m bis zu ca. 4 m
angetroffen wurde. Dieser wurde auf ca. 80 – 85 % der Fläche durch die archäologische
Grabung freigelegt.
2. TopographieDie Fläche mit Umgriff ist schwach nach Südwesten in Richtung Chiemsee geneigt.
Gegenüber der Strasse ist ein nahezu spiegelbildliches Oberflächenrelief vorhanden, so
dass die Strasse in diesem Bereich eine Nordost - Südwest gerichtete Rinne
nachzeichnet, die einen schwach ausgeprägten Höhenzug in rechtem Winkel quert.
3. GeologieIn der geologischen Karte (vgl. Kartenanlagen) liegt die Fläche in der Einheit würmeiszeit-
liche Moräne (W, g; weit gepunktet), den Höhenzug in der Topographie bilden End- bzw.
Rückzugsmoränen (eng gepunktet). Zum Chiemsee hin beginnt nach einigen Metern eine
ältere Terrassenkante.
Die Grabungsergebnisse zeigen hier zumindest für die untersuchte Fläche einen aus der
geologischen Karte nicht ersichtlichen Aufbau des Untergrundes.
Glazigene AblagerungenIm Grabungsbereich befindet sich die Oberfläche des Untergrundes glazialen Ursprungs
im Nordosten bei ca. 1 m, im Südosten bei ca. 1,3 m, im Südwesten bei ca. 2 m und im
Nordwesten bei voraussichtlich ca. 3 m unter Gelände, sie zeichnet damit ein deutlich
stärkeres Gefälle nach als die heutige Oberfläche. Das gelbbraune Material wechselt
generell von Ost nach West von kiesigem Sand zu einem Ton-Schluff-Gemisch mit
vereinzelten Steinen bis Blöcken. An der Oberfläche der Ablagerungen zeigen die
gröberen, meist gerundeten Bestandteile, insbesonders im Südwesten, teilweise
Rißbildung oder sind zerbrochen, auch Zermürbung mit sekundärer, nahezu vollständiger
Bericht Grabung Stöttham 2008
Mineralumbildung sind hier vereinzelt zu beobachten. Auffällig über große Flächenanteile
ist ebenfalls das Fehlen eines Verwitterungshorizontes, der eine Bodenbildung
kennzeichnet.
Das Oberflächenrelief der glazigenen Ablagerungen ist kleinräumig deutlich bewegter als
die heutige Oberfläche, besonders ausgeprägt ist eine nahezu Ost - West verlaufende
tiefe Rinne, die im Randbereich eine deutliche, parallel verlaufende Kante aufweist. Im
Vergleich zum jetzigen Relief ist das Gefälle der Rinne in Abflußrichtung deutlich
geringer.
Zur genannten Kante ist festzustellen, dass ab dieser bis zu zwei Meter in die steiler
einfallende Böschung der Rinne ein rötlichbrauner Horizont mit ca. 0,2 m Mächtigkeit
über den gleichartig zusammengesetzten glazigenen Ablagerungen vorhanden ist. Dieser
Horizont konnte von Nord nach Süd bis ca. 4 m vor der südlichen Begrenzung der
Grabung verfolgt werden.
Holozäne Schichten
In allen diesen Schichten sind z. T. anthropogene Artefakte, Holz bzw. Holzkohle und
Knochen eingelagert.
• Auf den glazigenen Ablagerungen bzw. dem oben beschriebenen Horizont liegt im
Bereich der oben beschriebenen Rinne ein Gemenge aus Ton und Schluff mit wenig
Sand in dichter Lagerung, die Matrix dunkel gefärbt und die wenigen Grobanteile zum Teil
zerbrochen oder korrodiert. Die Mächtigkeit beträgt maximal ca. 1,5 m in der Rinnentiefe
und nimmt zu den Senkungsrändern proportional ab, so dass ein deutlicher
Reliefausgleich vorliegt.
Im Grenzbereich glazigenes Material – Gemenge sind vereinzelt Steine mit Striemungen
und Oberflächenpolitur vorhanden, die zum Teil in das Moränenmaterial eingedrungen
sind.
Außerhalb der Rinne wurden im westlichen Bereich Siedlungsspuren festgestellt (Pflaster,
Pfostenlöcher), die von dem unten beschriebenen Horizont überlagert werden. Ein
(abgeschnittener ?) Baumstumpf, der im Unterliegendem wurzelte, konnte aus dieser
Lage geborgen werden.
• Über diesem Horizont befindet sich mit einem unscharfen Übergangsbereich bzw.
ausstreichend über den glazigenen Ablagerungen ein ähnliches dichtes, heterogenes
Gemenge mit gleicher Matrix (ca. 30 %), jedoch mit einem wesentlich höheren Anteil an
Sand (ca. 20 %), Kies sowie einigen Steinen (zusammen ca. 50 %), primär gerundet,
unsortiert in ungeregelter Lagerung. Die Mächtigkeit beträgt ca. 0,6 m und wird von West
Bericht Grabung Stöttham 2008
nach Ost geringer. Über die Fläche ist das Erscheinungsbild aufgrund schwankenden
Anteils an gröberen Komponenten - insbesonders im Bereich der tieferen Rinne ist der
Grobanteil deutlich geringer - nicht einheitlich. In einem kompakten Bereich erreichen die
Grobanteile eine Größe bis zu ca. 40 mm, unmittelbar darüber sowie im ausgedünnten
Bereich der Rinnenstruktur bis zu 100 mm.
Der Grobanteil weist an etlichen Exemplaren, überwiegend Kalkstein, Merkmale auf, die
für den glazial/fluviatil geprägten Ablagerungsbereich im Voralpenland untypisch sind.
Dazu gehören
Druckbeanspruchungen- zerbrochene Gerölle mit scharfen Kanten, Bruchstücke zum Teil noch direkt aneinander-
liegend
- Rißbildungen (Spallation)
- Vergriesungserscheinungen bis zur Mörteltextur an Karbonatgeröllen
- „mylonitisiertes“ Material ohne Hinweis auf ursprüngliche Zusammensetzung
Komponenten mit deutlichem Temperatureinfluß- Rotfärbung an Karbonaten und Sandsteinen
- ebenfalls an Kalk (gerundet oder gebrochen) eine weiße, in naturfeuchtem Zustand
breiige Umhüllung unterschiedlicher Dicke (zehntel-mm bis Gesamtexemplar), die aus
unverfestigtem Kalk besteht, der in trockenem Zustand Kreidepulver ähnelt (Leitmerkmal
in dieser Grabung durch Verschmieren des Kalkbreis auf der dunklen Matrix)
- hitzebedingte, scharfkantige Risse im Oberflächenbereich von Geröllen
- mürber Sandstein
- Austreibung von Kristallwasser in Silikatmineralen
- erste Übergänge zu Schmelzbildungen
Korrosionserscheinungen- Erscheinungen an Kalk- und Dolomitgeröllen ähnlich im Karst
- Freistellung von fragilen Calcitäderchen (bis mehrere cm) durch Entfernung des
Feinkornbereiches an Kalkgeröllen
- Freistellung von Calcitäderchen in dolomitischen Material
- deutliche Zersetzungen an silikatischem Material (Loch- bzw. Rißfraß, besonders an
Bericht Grabung Stöttham 2008
Übergangs- oder Bruchstellen)
Weitere Merkmale dieses Horizontes sind vermutliche Neubildungen, wie sie z. B. als
rundliche, schwach calcitisch gebundene, mehrere cm große Kristallagglomerate (Calcit-
kriställchen im Zehntelmillimeterbereich) auftreten.
Allein aus dieser Vielfalt von diversen, oft bruchstückhaften Komponenten ergibt sich kon-
sequenterweise die Bezeichnung als Brekzie für diesen Horizont.
Ein Keramikartefakt in dieser Schicht aus einem kompakten, unberührten Bereich
konnte auf das 5. Jahrhundert B.C. datiert werden.
Eine Untersuchung des Grobanteils (> 4 mm) aus kompakter Brekzie ergab einen
Kalkanteil von ca. 50 Gew.-%, der deutlich unter dem Kalkanteil des benachbarten
Baufensters von geschätzt 80 % oder mehr liegt. Zusätzlich zeigen alle Kalkanteile eine
Beeinflussung überwiegendst in Form einer Kalkpulverumhüllung, in geringem Maß
Lösungserscheinungen. Ebenfalls untypisch für glazial-fluviatile Ablagerungen ist der
Anteil an gerundeten Exemplaren, die bei den Kalkbestandteilen im Grobanteil bei
deutlich unter 30 % liegt. Bei den nicht Kalkkomponenten ist der Anteil gerundeter
Komponenten noch wesentlich geringer, wie auch der Anteil an unverändertem Material.
Die Kalkkomponenten sind nur gering verwitterungsbeständig. Im Aushubmaterial, das
nur wenige Monate der Witterung ausgesetzt war, sind diese bereits so verwittert, dass
auch der Kern zerfällt und nur noch kleinstückige Reste erkennbar sind. Innerhalb der
Grabung zeigt sich an den Profilen bei frisch angeschnittener Brekzie kein derartiges Bild.
Wie bereits im darüberliegenden Horizont beschrieben, waren auch an denselben
Gegebenheiten Siedlungsspuren erkennbar, die in die Brekzie eingreifen wie
Pfostenlöcher.
• Über der Brekzie liegt wieder ein Gemenge, das dem über der Basis ähnelt, jedoch mehr
der oben beschriebenen untypischen Komponenten aufweist, wenn auch in deutlich
geringerem Prozentanteil – im Bereich der tieferen Rinne besteht zum Liegenden der
Brekzie stellenweise ein stufenloser Übergang. Zur Geländeoberkante hin nimmt der
Grobanteil aufgrund landwirtschaftlicher Nutzung deutlich ab.
Im Bereich der Grabung sind punktuell bis kleinflächig Eingriffe durch den Menschen in
geschichtlicher/vorgeschichtlicher Zeit vorgenommen worden, die stratigraphisch alle
Horizonte betreffen.
4. DiskussionDie glazigene Oberfläche wurde vor oder bei der Ablagerung der holozänen Schichten in
Bericht Grabung Stöttham 2008
deutlichem Maß erodiert, nur größere Steine wurden nicht abtransportiert. Für den Unter-
suchungsraum im Voralpenland wären über den glazigenen Materialien typische Boden-
bildungen zu erwarten, die bis auf die geringen Verbraunungsbereiche jedoch fehlen.
Statt dessen liegt, abgesehen von dem Bereich mit dazwischengeschaltetem Gemenge,
eine Brekzie auf, die aufgrund ihrer heterogenen Zusammensetzung mit unterschiedlichst
beeinflussten Komponenten und der großen Ähnlichkeit mit der Bunten Brekzie des Nörd-
linger Rieses wohl als Impaktbrekzie anzusprechen ist. Die in die Matrix eingebundenen
Bestandteile sind häufig derart gestaltet, dass nur kurze Transportweiten, wenn über-
haupt, in Frage kommen. Der stellenweise unterlagernde rötlich gefärbte Horizont nimmt
eine Sonderstellung ein, die zu klären ist.
Damit liegt die Grabungsfläche vermutlich im Einflussbereich eines Impaktes, der wieder-
um als Ursache für die Erosion der Basis herangezogen werden kann.
Mit einem Impakt kann auch die in der Brekzie vorliegende Vielfalt der Veränderungen an
ehemals glazigenem Material erklärt werden, im Gegensatz zum Versuch, geogene Pro-
zesse oder anthropogene Ursachen heranzuziehen. Die Druckbeanspruchungen – auch
im Bereich der glazigenen Oberfläche - sprechen für eine Schockwelle, da in weiterem
Umfeld keine anderen plausiblen Ursachen wie Hangrutschungen, tektonische Ereignisse
oder ähnliche vorliegen. Auch für die deutlichen Temperatureinflüsse und die
Korrosionserscheinungen an den vorhandenen Geröll(bruchstück)en liegen keine Hinwei-
se auf eine anderweitige Entstehung als durch einen Impakt vor.
HypotheseDie einem Impakt vorausgehende Schockwelle kann die Ursache für die Bodenerosion an
der ursprünglichen glazigenen Oberfläche darstellen. Auf dieser verblieben nur einzelne
größere Steine, die aufgrund ihres Gewichtes nicht weitertransportiert wurden. Die
Rotfärbung des Untergrundes im Bereich der früheren Rinnenkante könnte eine
Hitzeeinwirkung als Ursache haben,
Das Gemenge unter der Brekzie im Bereich der Senke kann mit einer Einschwemmung
von Erosionsmaterial wie Bodenbestandteilen etc. aus östlicher Richtung erklärt werden.
Möglicherweise hat anschließend eine Art impaktogener Schlammstrom, bestehend aus
Boden und Auswurfmaterial in einer hangabwärts gerichteten Bewegung restliches
Bodenmaterial inklusive Verbraunungshorizont erodiert und die Bestandteile aufgenom-
men. Bei der Ablagerung wurde die kleinräumige Oberflächenmorphologie einigermaßen
ausgeglichen, was sich in unterschiedlichen Mächtigkeiten widerspiegelt.
Bericht Grabung Stöttham 2008
Das darüber liegende Gemenge ist danach wahrscheinlich durch Erosion der Brekzien-
oberfläche mit Vermischung von antransportiertem Bodenmaterial entstanden. Im
Westen der Grabungsfläche ist vermutlich eine dazugehörige Erosionsrinne
angeschnitten, durch die Brekzienmaterial abgeführt und durch Matrix mit weniger
Grobkorn ersetzt wurde. Diese Vorgänge würden auch erklären, dass die dunkel gefärbte
Matrix in allen Tiefen und über die Fläche von nahezu gleicher Zusammensetzung ist, da
das Ausgangsmaterial hierfür sehr ähnlich war. Unter der Geländeoberkante ist rein geo-
logisch eine eindeutige Trennung von Bodenhorizonten verschiedener Entwicklungsstu-
fen nicht ersichtlich.
In der Literatur sind Ausbildungen wie der Brekzienhorizont aus verschiedenen
Impaktstrukturen beschrieben (neuere Arbeiten):
• Herd et al., 2008, The Discovery of a late Holocene Impact Crater Near Whitecourt,
Alberta, Met. & Plan. Sci. 43, Nr 7, Supplement, A 54 hier: pebble diamict
• Herd et al., 2008, Anatomy of a young impact event in central Alberta, Canada:
Prospects for the missing Holocene impact record, Geology, 36, Nr.12, 955-958 hier:
pebble diamict
• Horton et al., 2008, Impactites in the Chesapeake Bay impact structure, Virginia, USA,
in: Evans et al. (Hrsg.), The Sedimentary Record of Meteorite Impacts, GSA spec.
Paper 437, 73-97 hier: Polymict diamicton
• Kalleson et. al., 2008, Postimpact sediments in the Gardnos impact structure, Norway,
in: Evans et al. (Hrsg.), The Sedimentary Record of Meteorite Impacts, GSA spec.
Paper 437, 19-41 hier: Postimpact Breccias – Facies 1
• Kofman et al.,2008, A Geologic Overview of the late Holocene Whitecourt Meteorite
Impact Crater, Met. & Plan. Sci. 43, Nr 7, Supplement, A 78 hier: pebble diamict
Das Ereignis kann durch die Datierung der Brekzie durch Artefakte auf einen Zeitraum
vor ca. 2.500 Jahren eingestuft werden.
Für die zeitliche Einstufung im Holozän und anthropogene Eingriffe wird auf den Bericht
zur Archäologie von Hr. Dr. Möslein verwiesen.
Bericht Grabung Stöttham 2008
Bericht Grabung Stöttham 2008
Anlage Kartenmaterial
Ausschnitt aus der topografischer Karte von Bayern (CD-ROM des BayerischenLandesvermessungsamtes), ohne Maßstab, Pfeil: Lage der Grabung
Ausschnitt aus der geologischen Karte von Bayern 1:25.000, Blatt 8041 TraunreutBayerisches Geologisches Landesamt, München 1999Bildbreite ca. 2,5 km, Pfeil: Lage der Grabung
Bericht Grabung Stöttham 2008
Kartenausschnitt aus dem BayernViewer mit möglichem Impaktbereich und dem
morphologischem Gefälle zum Chiemsee als Transportweg für die Brekzie
rundliche Struktur (im Kartenausschnitt oben blau dargestellt)
möglicher Ursprung
Fließrichtung Brekzie
Bericht Grabung Stöttham 2008
Anlage Fotomaterial
Bericht Grabung Stöttham 2008
Bericht Grabung Stöttham 2008