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Georg Glasze, Günter Meyer acht hna la rl nw ....... Neue I d I Innen nsmus •• .. pt iba I un Die sommerliche Flucht aus den überhitzten Städten in kühlere Sommerfrische hat im Nahen Osten eine lange Tradition - zumin- dest für die Reichen. Verbrachten die wohlhabenden Binnentouristen die heißen Sommermonate früher in Hotels oder in angemieteten Apartments am Mittelmeer und in höher gelegenen Bergregionen, so zeichnet sich in den letzten Jahr- zehnten ein neuer Trend ab: Die Errichtung bewachter Ferienwohn- anlagen mit Villen und Eigentums- wohnungen boomt. Trotz ähnlicher Erscheinungsformen unterschei- den sich die Rahmenbedingungen für die Entwicklung derartiger Feri- enresidenzen in Ägypten und liba- non erheblich. '-7 - 11 1 1 ,- 'i' 1 ."':1 lJ , Foto 2: Von staatlicher Seite errichtetes Strandresort Maraqia v Foto 1: Strandleben in Alexandria T emperaturen,die in den Sommer- monaten um 5 bis 10 "C niedriger sind als im Binnenland, ein frischer Seewind und ausgedehnte Sandstrände machen die Mittelmeerküste zum attrak- tiven Ziel für den ägyptischen Binnentou- rismus. Die Anfänge reichen bis in die 185 0er Jahre zurück, als Alexandria nach dem Bau der Eisenbahn in wenigen Stun- den von Kairo aus erreichbar wurde. Die Reichen und Herrschenden - der ägypti- sche König ebenso wie die europäischen Kolonialherren - ließen Villen und Paläste entlang des 30 km langen Küstenstreifens im Osten von Alexandria errichten, um dort die heißen Sommermonate zu verbrin- gen. Ihrem Beispiel folgte die ägyptische Oberschicht nach der Unabhängigkeit des Land es. Zu einem Massenphänomen wurde der Sornmerurlaub in Alexandria während der 1960er und 70er Jahre. Bis zu 2 Mio. über- wiegend aus Kairo stammende Feriengäste sowie Zehn tausende von reichen Golf-Ara- bern, die vor allem die größere Freizügig- keit und die vielfältigen Vergnügungs- einrichtungen schätzten, bevölkerten die Strände, Restaurants und Nachtlokale ent- lang der Corniehe alljährlich von Mitte Juli bis in den September hinein (vgl. Foto 1). Hochhäuser mit Ferienapartments schos- sen wie Pilze aus dem Boden. Explodieren- de Mietpreise, eine extrem dichte Bebau- ung und völlig überfüllte Strände zeigten bald an, dass hier die Grenzen des touristi- schen Wachstums erreicht waren. Bewachte Ferienwohnanlagen an der Nordwestküste Ägyptens Als alternativer Standort für die weitere Expansion des sommerlichen Binnentouris- mus bot sich die Nordwestküste an. Dieses dünn besiedelte Gebiet wurde vorwiegend als Weide von den Herden der Aulad "Ali- Beduinen genutzt (vgl. Müller-Mahn 1989, Gole und Altorki 1998) . Hier wurde die Errichtung von Sommerresidenzen für die wohlhabende einheimische Bevölkerung in so genannt en "touristischen Dörfern" geplant, die als bewachte Ferienwohnanla- gen auf einem rund 2 km breiten Streifen entlang der Küste westlich von Alexandria gebaut werden sollten. Der Staat übernahm ab 1976 eine Pionierfunktion durch den Ausbau der Infrastruktur und die Errich - 58 Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4

Georg Glasze, Günter Meyer acht hna · für die Entwicklung derartiger Feri enresidenzen in Ägypten und liba non erheblich. '-7-~~,. -;,~.,11 1 1,-'i' 1."':1 lJ , Foto 2: Von staatlicher

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Georg Glasze, Günter Meyer

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Neue • I d • •I Innen nsmus

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Die sommerliche Flucht aus denüberhitzten Städten in kühlereSommerfrische hat im NahenOsten eine lange Tradition - zumin­dest für die Reichen. Verbrachtendie wohlhabenden Binnentouristendie heißen Sommermonate früherin Hotels oder in angemietetenApartments am Mittelmeer und inhöher gelegenen Bergregionen, sozeichnet sich in den letzten Jahr­zehnten ein neuer Trend ab: DieErrichtung bewachter Ferienwohn­anlagen mit Villen und Eigentums­wohnungen boomt. Trotz ähnlicherErscheinungsformen unte rschei­den sich die Rahmenbedingungenfür die Entwicklung derartiger Feri­enresidenzen in Ägypten und liba­non erheblich.

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Foto 2: Von staatlicher Seite errichtetes Strandresort Maraqia

vFoto 1: Strandleben in Alexandria

Temperaturen, die in den Sommer­monaten um 5 bis 10 "C niedrigersind als im Binnenland, ein frischer

Seewind und ausgedehnte Sandsträndemachen die Mittelmeerküste zum attrak­tiven Ziel für den ägyptischen Binnentou­rism us. Die Anfänge reichen bis in die1850er Jahre zurück, als Alexandria nachdem Bau der Eisenbahn in wenigen Stun­den von Kairo aus erreichbar wurde. DieReichen und Herrschenden - der ägypti­sche König ebenso wie die europäischenKolonialherren - ließen Villen und Palästeentlang des 30 km langen Küstenstreifensim Osten von Alexandria errichten, umdort die heißen Sommermonate zu verbrin­gen. Ihrem Beispiel folgte die ägyptischeOberschicht nach der Unabhängigkeit desLand es.

Zu einem Massenphänomen wurde derSornmerurlaub in Alexandria während der1960er und 70er Jahre. Bis zu 2 Mio. über­wiegend aus Kairo stammende Feriengästesowie Zehn tausende von reichen Golf-Ara­bern , die vor allem die größere Freizügig­keit und die vielfältigen Vergnügungs­einrichtungen schätzten, bevölkerten dieStrände, Restaurants und Nachtlokale ent-

lang der Corniehe alljährlich von Mitte Julibis in den September hinein (vgl. Foto 1).Hochhäuser mit Ferienapartments schos­sen wie Pilze aus dem Boden. Explodieren­de Mietpreise, ein e extrem dichte Bebau­ung und völlig überfüllte Strände zeigtenbald an, das s hier die Grenzen des touristi­sch en Wachstums erreicht waren .

Bewachte Ferienwohnanlagenan der Nordwestküste ÄgyptensAls alternativer Standort für die weitereExpansion des sommerlichen Binnentouris­mus bot sich die Nordwestküste an . Diesesdünn besiedelte Gebiet wurde vorwiegendals Weide von den Herden der Aulad "Ali­Beduinen genutzt (vgl. Müller-Mahn 1989,Gole und Altorki 1998) . Hier wurde dieErrichtung von Sommerresidenzen für diewohlhabende einheimische Bevölkerungin so genannten "touristischen Dörfern"geplant, die als bewachte Ferienwohnanla­gen auf einem rund 2 km breiten Streifenentlang der Küste westlich von Alexandriagebaut werden sollten. Der Staat übernahmab 1976 eine Pionierfunktion durch denAus bau der Infrastruktur und die Errich -

58 Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4

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Marsa CAlam

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Hurghada

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Balüm

Rückschlag für Feriensiedlungenan der NordwestküsteAb 1995 stagnierten die Immobilienpreisein den Strandresorts an der Nordwestküste

bis zwei Monate im Sommer für einenFamilienurlaub. Für den Rest des Jahresstehen die Wohnungen leer.

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78

= Hauptstraße

=- Bahnlinie

Sid i CAbd el- Ruhmän

Marsa Matrüh

• Zielorte des• sommerlichen Binnentourismus

Que lleNortt! Coast Developmenl Aulho rity in Burg el·cArab und Marsa Ma/ruh 1999

Entwicklungsstand

Dgenehmigt

• im Bau

• fertiggeslellt

Entwurf: G. Meyer. Ka rtograph ie : K.Schmidt-Hellerau 2002

Abb. 1: Ziele des sommerlichen Binnentourismus in Ägypten und Ferienwohnanlagen ander Nordwestküste

Das bauliche Spektrum der 30 bis 2 500Wohneinheiten umfassenden "touristi­schen Dörfer" reicht von reinen Villensied­lungen über Reihenhausbebauung bis zusechsstöckigen Apartmentwohnblöcken(vgl. Abb. 2, Foto 3). 70 %bis 100 %derEigentümer in den verschiedenen Strand­resorts stammen aus Kairo. In der Regelnutzen sie die Ferienunterkünfte nur ein

Foto 3: Von einem Privatunternehmen errichtete Ferienwohnanlage westlich Alexandria

tung der ersten drei Strandresorts Marbel­la, Maraqia (vgl. Foto 2) und Marina.

Bei der Veräußerung des übrigen Küs­tenstreifens kamen in erster Linie Angehö­rige von Ministerien - allen voran das Mili­tär - sowie leitende Angestellte von Staats­betrieben und andere einkommensstarkeBevölkerungsgruppen zum Zuge. Wenn siesich zu Genossenschaften zusammenschlos­sen, wurden ihnen extrem günstige Kondi­tionen zum Landerwerb für Feriensiedlun­gen eingeräumt. Eine spätere Veräußerungdes Landes versprach hohe spekulativeGewinne.

Gezieltwurde auch von Seiten derRegierung unter den ägyptischen Arbeits­migranten in Kuwait und Saudi Arabiendafür geworben, die auf Banken in denGolfstaaten deponierten Ersparnisse inFerienwohnungen an der Nordwestküstezu investieren - mit großem Erfolg, wie dieEtablierung zahlreicher Genossenschaftenvon Auslandsägyptern und Remigrantenzeigte. Weitere finanzielle Anreize wurdenfür private Investoren gewährt, meist großeBau- und Immobilienunternehmen mitengen Beziehungen zu Regierungsmitglie­dern. Sie erhielten nicht nur einen Steuer­erlass für die Investitionsphase, sondernauch zinsgünstige Kredite mit einer langenLaufzeitfür den Bau der Feriendörfer.

In den drei von staatlicher Seite errich­teten Strandresorts begann ab 1986 derVerkauf von Villen und Apartments. DieNachfrage nach den hochgradig subventio­nierten Wohneinheiten war so groß, dassalle in kürzester Zeitverkauft waren. Inner­halb der nächsten zehn Jahre schnelltendie Preise für diese Wohnobjekte um bis zu700%in die Höhe. Daraufhin zogenauchdie Genossenschaften und privaten Inves­toren nach und begannen mit dem Baubewachter Ferienwohnanlagen an der Nord­westküste. Inzwischen sinddort 220 Projekte mit mehrals 300000 Wohneinheitengenehmigt, im Bau oderbereits fertig gestellt (vgl.Abb. 1). Entlang eines 70km langen Küstenstreifenswestlich von Alexandria istnirgendwomehr ein öffent­licher Zugang zum Strandmöglich. Hier reiht sichein bewachtes und an dreiSeiten durch hohe Mauernnach außen abgeschirmtesStrandresort an das nächs­te. DieWachtposten anden meist sehr aufwändiggestalteten Eingangstorenüben dabei weniger eineSchutzfunktion aus, son­dern sollen vor allem sicherstellen, dass die Bewoh-ner der Ferienwohnanlageunter sich bleiben und nichtdurch Fremde gestört wer­den.

Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4 59

Georg Glasze, Günter Meyer Bewachte Ferienwohnanlagen - NeueZiele des Binnentourismus in Ägypten und Libanon

und meist von Genossenschaften errichte­ten Siedlungen. In anderen noch im Rohbaubefindlichen Projekten ruht die Arbeit oftschon seit Jahren. Angesichts der geringensaisonalen Nutzungsdauer bei hohen, ganz­jährigen Personal- und Wartungskostenwird vielfach überlegt, die Ferienwohnun­gen außerhalb der Hochsaison des ägypti­schen Binnentourismus an ausländischeTouristen zu vermieten . Dafür fehlt jedochdie sonstige touristische Infrastruktur undein attraktives Hinterland.

Neue Ziel regionen desägyptischen BinnentourismusEin weiterer Grund für die sinkende Nach­frage nach Ferienwohnungen an der Nord­westküste ist darin zu sehen, dass seit Mit­te der 90er Jahre bewachte, mit hohenMauern umgebene Villenviertel in unmit­telbarer Nachbarschaft von Kairo angebo­ten werden. Die nach US-amerikanischemVorbild errichteten gated communitiessind zudem mit Golfanlagen, Schwimm­bädern und anderen Freizeiteinrichtungenausgestattet. Viele wohlhabende Kairenerverkaufen ihre nur kurzzeitig genutztenFerienwohnungen an der Nordwestküste,um mit dem Erlös einen attraktiven Haupt­wohnsitz mit hohem ganzjährigen Freizeit­wert am Rand der ägyptischen Metropolefinanzieren zu können .

Darüber hinaus werden in den letztenJahren immer mehr bewachte Ferienwohn­anlagen an der Küste des Golfs von Sueznördlich und südlich von Ra's el-Sudrgebaut. Die dortigen Villen und Apartmentssind von Kairoaus wesentlich schnellererreichbar als die Strandresorts am Mittel­meer und können deshalb auch außerhalbder sommerlichen Ferienzeit für Tages- undWochenendausflüge genutzt werden.

Vongrößter Bedeutung ist schließlichder zunehmend stärker werdende Trend,dass die städtische Oberschicht die Destina­tionen des internationalen Tourismus amRoten Meer für sich entdeckt. In der erstenHälfte der 90er Jahre hatten die Anschlägegegen ausländische Besucher an den tradi­tionellen Standorten des Kulturtourismusim Niltal eine Verlagerung des internatio­nalen Fremdenverkehrs an die Küste desRoten Meers zur Folge (Meyer 1996). Hier,in sicherer Entfernung von den durch Terro­risten gefährdeten Landesteilen, konzentrie­ren sich seither die Investitionen auf denmassiven Ausbau neuer Zentren des inter­nationalen Bade- und Tauchtourismus. Zwi­schen 1992 und 2000 schnellte am RotenMeer und auf der südlichen Sinai-Halbinselder Anteil an der gesamten Bettenkapazitätin ägyptischen Hotelsvon 10%auf 52 %em­por (Steiner 2002).

Zwar stellen europäische Pauschal­touristen, die vorwiegend im Frühjahrund Herbst einen Bade- und Tauchurlaubbuchen, mit weitem Abstand die größteGästegruppe in Hurghada und Sharm

Baalbek

Bergresort

Skiresort

Strandresort

Entwurf und Zeichnung : Glosze

15 20 25krn= -

~~- - - - - - - -

-Doppel-oder Reihenhäu sermi t drei separa ten Geschos sen(je 91m' oder 130m' )

höhe r cls1.500 m

1985 unter Kontrolle der libanesischen Armeeund christlicherMilizen stehende Region

hö her als 500 m

AutobahnHauptst raße

Coza rverwa ltungsbezirk)landesgrenze

Fertigstellung

noch"1990 1990

o 5 JO- --* z.T. noch im Bau

Frei slehendes Hausmildrei separa ten Geschossen(je 87m' )

Ferienwohnanlagen mit schlechter infra­struktureller Ausstattung.

Als weitere Konsequenz werden geplan­te Ausbauten der Siedlungen zurückgestellt.Notwendige Wartungs- und Reparaturarbei­ten unterbleiben. Immer mehr Läden undRestaurants werden geschlossen, weil sichkeine Pächter finden. Eine verhängnis-volle Spirale der Degradierung und des fort­schreitenden Verfalls kennzeichnet vieleder älteren, relativ einfach ausgestatteten

F e rie nwo h n u ng e n

Fre i steh endes Hausmllzwei separaten Geschossenüe 87m' oder 174m' )

Aley

_ Bewachl esTor

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Abb.2: Ferienwohnanlage an der Nordwestküste Ägyptens

TOURISTISCHES DORF MENA 4

zunächst und verzeichneten zwischen 1998und 2001 Preiseinbrüche von bis zu 40%.DieGründe dafür liegen einerseits in einerweitgehenden Marktsättigung und anderer­seits in einer gesamtwirtschaftlichen Liqui­ditätskrise. In dieser Situation versuchenTausende ihre Ferienwohnungen zu ver­kaufen - meistens ohne Erfolg. Dies giltvor allem für die weniger attraktiven Apart­ments in Wohnblöcken, die relativ weit vomStrand entfernt liegen, und generell für

Abb. 3: Ferienwohnanlagen im Libanon

60 Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4

Abb. 4: Drei Strandresorts in der Region Kesrouane

brachten, sowie in zunehmender Zahl auchTouristen aus westlichen Ländern began­nen, private Strände und jene Küstenhote lszu frequentieren, welche libanesischeInvestoren zunächst an den Sandsträndenunmittelbar südlich von Beirut err ichtethatten. Ende der 1960er Jahre entwickeltesich dann die Küste der Region Kesrouane(vgl. Abb. 3) zu einem zweiten Zentrum desBadetourismus (Glasze 1999).

Bewachte Ferienwohnanlagenals Zufluchtsort im BürgerkriegDer libanesische Bürgerkrieg seit 1975, indem neben verschiedenen libanesischenGruppen auch die syrische und die israe li­sche Armee sowie palästinensische MilizenKriegsparteien waren, endete erst nach 16Jahren. Dabei wechselten sich relativ ruhi­ge und stabile Phasen mit immer neuen"Runden" des Krieges ab. In unterschied­lichen Phasen waren fast alle Regionen desLandes von Kämpfen betroffen - vor allemaber Beirut und der Südlib anon. Dabeiblieb die Küste des Kesrouane weitgehendvon kriegerischen Auseinandersetzungenverschont. Insbesondere wohlhabendechristliche Familien aus Beirut begannendeshalb, die Strandhotels in der von christ­lich-konservativen Milizen kontrolliertenRegion Kesrouane als exklusiven Zu­fluchtsort zu nutzen.

Glasze 2000

_ sonst. Siedlung

Landwirtschaft

~Mittelmeer

Aufschüttung

DieEigentümer der Hotels reagierten aufden Nutzungswandel: Sie bauten die Hotel­zimmer in Apartments um und verkauftendiese. Hotelanlagen, die sich Mitte der1970er Jahre im Bau befanden, wurden alsFerienwohnanlagen fertig gestellt, die auchpermanent bewohnt werden können. NeueProjekte folgten dem erfolgreichen Modell.Während des Bürgerkrieges entstanden ander Küste des Kesrouane 14 solcher Strand­ressorts nach einem weitgehend einheit­lichen Muster: mehrere Gebäude mit insge­samt jeweils 50 bis 800 zumeist kleinerenApartments, in wenigen Fällen auch mitBungalows oder Villen. Alle Ressorts bietenWach- und Hausmeisterservice sowie diver­se Sporteinrichtungen wie Tennisplätze,Fitnessrä ume, Schwimmbäder, an der Küs­te zum Teil auch kleine Yachthäfen (vgl.Abb. 4 ).

Die Investoren profitierten davon,dass die Milizen die staatliche Autoritätverdrängt hatten und die öffentliche Bau­aufsicht ausgefallen war. Einerseits konn­ten viele Bauherren die Fläche ihrer Projek­te daher durch illegale Aufschüttungen insMeer vergrößern und auf diese Weise denKüstensaum und den Zugang zu vormalsöffentlichen Stränden privatisieren. Ande­rerseits sicherten die christlich-konservati­ven Milizen in ihrem Herrschaftsbereichweitgehend stabile Rahmenbedingungenfür Investitionen. Die Führer der Milizen

Schwimmbad

c::::::=J Sandstrand

o Basketballfeld

[TI Tennisplatz

50 100 150 200 250mo

Strandresort

_ Apartmentgebäude

_ Läden_ Grünanlagen

el-Sheikh. Doch bieten die meisten Hotelsbesonders in den Sommermonaten, wennes westlichen Touristen am Roten Meer zuheiß ist, extrem niedrige Übernachtungs­preise für einheimische Gäste an, um soden Auslastungsgrad zu erhöhen. Von die­sen Sonderangeboten machen immer mehrÄgypter Gebrauch und lernen dabei auchdas höchst attraktive Angebot an touristi­schen Einzelhandels- und Vergnügungs­einrichtungen schätzen. Inzwischen ver­leiht - nach Ansicht der Oberschicht inKairo - ein Ferienaufenthalt in El-Counaoder Na' arna Bayden höchsten Prestige­gewinn im Vergleich zu allen anderenägyptischen Urlaubsdestinationen.

Als Konsequenz erfreuen sich dortnicht nur die Hotels steigender Buchungendurch einheimische Touristen, sondernauch die Nachfrage nach komfortablenFerienresidenzen für reiche Ägypter steigtrasch an. Für sie sind mittlerweile zahlrei­che Villen- und Apartmentanlagen inner­halb oder am Rande von Projekten für deninternationalen Tourismus im Bau oderbereits fertig gestellt.

Sommerfrische im Libanongebirgeund an der libanesischen Küste

Mitdem wirtschaftlichen Aufschwung nachdem Ersten Weltkriegbegannen wohlhaben­de Beiruter, Villen in den nahe gelegenenOrten im Libanongebirge zu errichten - viel­fach in den Dörfern, aus denen ihre Fami­lien Ende des 19. und Anfang des 20. Ihs.nach Beirut zugewandert war. Die heißenund schwülen Sommermonate verbrachtedie libanesische Bourgeoisie in der Sommer­frische. In den 1920er Jahren entdecktenAngehörige der städtischen Oberschicht ausÄgypten, Palästina, dem Irak und Syrienebenfalls die Dörferdes Libanongebirges alsUrlaubsort für die Sommermonate. Und abden 1960er Jahren ermöglichte es der wirt­schaftliche Aufschwung in der Golfregionauch einer rasch wachsenden Zahl vonFamilienaus Kuwait, Saudi Arabien undden Emiraten, die Sommermonate in Hotels,möblierten Apartments oder eigenen Villenin der libanesischen Sommerfrische zu ver­bringen. Die Gebirgsdörfer im Osten vonBeirut wurden so zur Sommerfrische-Des­tination der städtischen Oberschicht desgesamten arabischen Nahen Ostens.

Der Tourismus an der libanesischenKüste begann anders als in Ägypten erstin den 1960er Jahren eine größere Rolle zuspielen (vgl. Ritter 1974). Nicht zuletzt dieEinführung von Klimaanlagen machte denAufenthalt an der Küste jetzt attraktiver.Luxushotels in Beirut wurden zum Zieleiner neuen Generation von Golf-Arabern,die Beirut vor allem aufgrund des größerenAngebots an Vergnügungseinrichtungengegenüber den Orten im Gebirge bevorzug­ten. Die westlich orientierte Oberschichtaus Beirut und Auslandslibanesen, die denSommerurlaub in ihrem Herkunftsland ver-

Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4 61

Bewachte Ferienwohnanlagen - Neue Zieledes Binnentourismus in Ägypten und Libanon

Zu der Zeit als Sie sich entschieden zu kaufen oder zu mieten, welche Rolle spielte:

* Unterschied ist signifikant (Signifikanzniveau 5%)

FazitEin Vergleich von Ägypten und Libanonzeigt, dass sich seit den 1970er Jahrenunter den Angehörigen der städtischenOberschicht in beiden Ländern der Trenddurchgesetzt hat, die Sommerfrische abge­schirmt von der übrigen Bevölkerung inbewachten Feriensiedlungen zu verbrin­gen. Gefördert wurde diese Entwicklungin Ägypten durch staatliche Planung underhebliche Subventionen, im Libanon durchdie zusätzliche Funktionen dieser Siedlun­gen als Zufluchtsorte während des Bürger­krieges.

Ferienwohnung zum Arbeitsplatz zu pen­deln. Bis Mitte der 1990er Jahre nahm dieAuslastung der Resorts in den Sommer­monaten zu (vgl.Abb. 6). Nicht zuletzt dieNachfrage von Libanesen, die während desKrieges das Land verlassen hatten und jetztzumindest einen Zweitwohnsitz, einenpiedsa terre für die Sommermonate such­ten, führte dazu, dass die Preise für Apart­ments um die Hälfte stiegen. Die Schwer­punkte der Entwicklung neuer Resortsverlagerten sich dabei in das Umland vonTripoli und Beirut. Nachdem die innereSicherheit sowie die wichtigsten Verkehrs­wege wieder hergestellt waren, profitierenStandorte in der Nähe der städtischen Zen­tren von der guten Erreichbarkeit.

Ebenso wie in Ägypten stagniert seitMitte der 1990er Jahre die Entwicklungder Ressorts. In der anhaltenden Wirt­schaftskrise sahen sich zahlreiche Famili­en gezwungen, ihre Zweitwohnung zu ver­kaufen - vor allem angesichts der hohenNebenkosten. In vielen Fällen kam es we­gen ausstehender Nebenkostenzahlungenzu Konflikten innerhalb der Eigentümerge­meinschaft. Teilweise fehlt den Verwaltun­gen inzwischen Geld, um das Serviceni­veau aufrecht zu erhalten, so dass sich derZustand von Gebäuden, Grün- und Freizeit­anlagen deutlich verschlechterte. Zudembieten neue bewachte Apartmentanlagen,die in den 1990er Jahren in den suburba­nen Höhenlagen um Beirut und Tripolientstanden sind, vergleichbare Annehm­lichkeiten wie die Resorts. Die überwie­gend jungen Familien, die dort eine Woh­nung gekauft haben, verzichten daherzumindest vorläufig auf den Kauf einesZweitwohnsitzes. Die Konsequenz: Von1995 bis 2000 sanken die Preise in denResorts durchschnittlich um mehr als einViertel.

Die Errichtung neuer Strandresorts wirdneben der schwachen Nachfrage auch durchdie Auseinandersetzungen um die Nutzungdes öffentlichen Küstenstreifens gehemmt.Die in der Nachkriegszeit erstarkte Umwelt­schutzbewegung vermochte gegen die Pla­nung von mehreren neuen Strandressortssoviel öffentlichen Widerstand zu organi­sieren, dass die Regierung sich gezwungensah, die Baugenehmigung zu verweigern.

Entwurf Glasze

chen (vgl.Abb. 5). Nicht zuletzt bot dasintensive Gemeinschaftsleben in den Re­sorts zusätzlichen Rückhalt während derKriegsjahre.

Ende der 1980er Jahre, als die Präsenzsyrischer Truppen im Nordlibanon einegewissen Stabilität garantierte, entstandennach den Vorbildern im Kesrouane auchim Nordlibanon mehrere Strandresorts, dievor allem von der sunnitischen Bourgeoisieaus Tripoli nachgefragt wurden.

Vom Zufluchtsort zumZweitwohnsitz - Resortsim NachkriegslibanonMit dem Ende der Kämpfe im Jahr 1991verloren die Resorts ihre Funktion alsZufluchtsort. Die Besitzer kehrten zumeistin die Region Beirut zurück und nutzenihre Apartments nur noch als Zweitwohn­sitz für die Sommermonate - in der Regelvon Juni bis September. Für viele wohl­habende Familien aus Beirut und Tripolihaben die bewachten Ferienwohnanlagendie traditionelle Sommerfrische in den Dör­fern im Gebirge ersetzt. In der Regel ziehtdabei die ganze Familie für mehrere Mona­te in ein Resort, das nicht mehr als 30 kmvom Hauptwohnsitz entfernt liegt. Auf die­se Weise ist es möglich, täglich von der

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E ""h d d B"" kri zeitweise auch EWS im bW; n= 69rstnutzung wa ren es urger neges auschließlich ZWS im bW; n= 77

Erstnutzung nach dem Bürgerkrieg Erstwohnsitz im Libanon; n=174Erstwohnsitz im Ausland; n=41

Abb..5: Zuzugsmotivation in libanesische Ferienwohnanlagen

die Schönheit der Landschaft?

die Möglichkeit für Kinder zu spielen?

die Ruhe im Wohnkomplex?

die Sauberkeit im Wohnkomplex?

der Schutz vor Kriminalität?

der Schutz vor politischen Unruhen?

die sichere Stromversorgung?

die sichere Wasserversorgung?

die Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten?

unterstützten die Immobilienprojekte, dasie Abgaben von den Bauherren erhieltenund zusätzlich eine "Steuer" von den Woh­nungskäufern verlangen konnten. Mit demBau der Strandresorts im Kesrouane wur­den während des Bürgerkriegs hohe Rendi­ten erzielt, so dass mehrere Investoren daserfolgreiche Konzept bewachter und weit­gehend autarker Ferienwohnanlagen auchauf die Gebirgsregionen des Kesrouaneübertrugen.

Die große Nachfrage im Kesrouane warneben der Suche nach einem sicheren Zu­fluchtsort auch dadurch bedingt, dass zahl­reiche Beiruter Familien infolge des vor­ausgegangenen Wirtschaftsbooms sowieder Transferzahlungen libanesischer Gast­arbeiter aus den Golfstaaten über genü­gend Kapital für eine zweite Wohnungverfügten. Der Kauf eines Apartments ineinem Ressort verhieß die Möglichkeit,die Immobilie auch nach einem Ende derKämpfe als Zweitwohnsitz zu nutzen undstimmte mit dem etablierten, prestigeträch­tigen Muster des Erwerbs einer Sommer­residenz überein. Vorteile der Resortswaren zudem die weitgehend autarke Ver­sorgung mit Wasser und Energie auf derBasis eigener Brunnen, großer Wasser­tanks und Generatoren sowie der Schutz,den Umzäunung und Bewachung verspra-

die Hausmeisterdienste?

das gute Klima?

•••62 Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4

Im Vergleich zu einem Apartment bzw.Villa außerhalb spricht für eine Ferienresi­denz innerhalb eines Resorts zum einen,dass Service und Einrichtungen als clubgoods (Comes und Sandler 1993) gemein­schaftlich finanziert werden und so bei­spielsweise ein umfangreiches Freizeit­angebot wie Sportkurse und Animationfür Kinder realisiert werden kann (vgl.Abb. 5). Zum anderen ist der Besitz einesApartments oder einer Villa in einem derResorts ein weithin akzeptiertes Mittelder sozialen Distinktion. Der von Bourdieubeschriebene "Club-Effekt" (1991) ver­schafft den Eigentümern in den Resortseinen Prestigegewinn.

Der Boom bei der Errichtung neuerFerienwohnanlagen an der NordwestküsteÄgyptens und an der Küste des Kesrouanehielt so lange an, wie die städtischen Elitenüber genügend Kapital verfügten und alter­native Investitionsmöglichkeiten fehlten.Dies änderte sich in der zweiten Hälfte der90er Jahre, als sich in beiden Ländern diewirtschaftliche Lage verschlechterte undgleichzeitig attraktive Immobilienprojektein größerer Nähe zur Hauptstadt angebotenwurden. Das Ergebnis für die bisher favo-

risierten aber relativ peripher gelegenenResorts ist eine qualitative Entmischung:Während sich hochwertige Ferienwohn­anlagen noch behaupten können, sind Ver­fallstendenzen in den schlechter ausgestat­teten Resorts unübersehbar.

Dass der jüngste am Roten Meer umsich greifende Trend zu Großprojekten miteiner Kombination von Ferienresidenzenfür die einheimische Oberschicht undHotels für den internationalen Tourismusauch im Libanon Nachahmung finden wird,scheint eher unwahrscheinlich angesichtsder dort relativ geringen Bedeutung desinternationalen Badetourismus. I11III

Autoren

Dr. Georg Glasze. geb. 1969E-Mail: [email protected]/Forschungsschwerpunkte:Sozialgeographische Stadt-, Umwelt- und Tourismus­forschung. Deutschland, Frankreich, Libanon

Prof. Dr. Günter Meyer, geb. 1946E-Mail: [email protected]/Forschungsschwerpunkte:Stadt-, Wirtschafts- und Sozialgeographie in Ägypten,Jemen, Syrien und den neuen Bundesländern

Zentrum für Forschung zur Arabischen Welt (ZEFAW),Geographisches Institut, Universität Mainz, 55099 Mainz

LiteraturBourdieu, P.: Physischer, sozialer und angeeigneterphysischer Raum. In: M. Wentz (Hrsg.): Stadt-Räume.FrankfurtjMain und New York 1991, S. 25-34

Coie, P.D. und S. Altorki: Bedouin, Settlers and Holiday­Makers. Egypt's Changing Northwest Coast. Cairo 1998

Games, R. und T. Sandler: The Theory of Externalities,Public Goods, and Club Goods. Cambridge 1993

Glasze, G.: Vom Touristenziel ersten Ranges ins Abseits?Entwicklung des Tourismus im Libanon. Beiruter Blätter6/7 (1999) S. 84-95

Ders.: Die fragmentierte Stadt. Ursachen und Folgenbewachter Wohnkomplexe im Libanon. Opladen 2003(Stadtforschung aktuell 89)

Meyer, G.: Tourismus in Ägypten - Entwicklung undPerspektiven im Schatten der Nahostpolitik.Geographische Rundschau 48 (1996) S. 97-103

Müller-Mahn, D.: Die Aulad cAli zwischen Stamm undStaat: Entwicklung und sozialer Wandel bei den Beduinenim nordwestlichen Ägypten. Berlin 1989 (Abhandlungen ­Anthropogeographie, Bd. 46)

Ritter, W: Tourism and Recreation in the Islamic Coun­tries. In: J.Matznetter (Hrsg.): Studies in the Geographyof Tourism. Frankfurt 1974, S. 273-281 (FrankfurterWirtschafts- und Sozialgeographische Schriften 17)

Steiner, G.: Ausländische Direktinvestitionen in denTourismussektor Ägyptens und die Strategien multinatio­naler Unternehmen. Mainz 2002 (Diplomarbeit am Geo­graphischen Institut der Johannes Gutenberg-Universität)

Auslastung

80%,-------------------------------,

Gated Holiday Resorts -New Destinations of DomesticTourism in Egypt and Lebenon

by GeorgGlasze and GünterMeyer

Inthe 1980es gated holiday resortswith controlled access and surroundedby high walls started to mushroomalong the northwest coast of Egypt.220 "tourist villages"with more than300000 villasand apartments werebuilt or are still planned. Most of theseaccommodations belong to elite familiesfrom Cairo and are used less than twomonths during the summer holiday, Asimilar development was observed inLebanon during the civil war whenbeach resorts were established alongthe coast of the Kesrouane, an areacontrolled by Christian militia. Theresorts offered shelter and an excellentinfrastructure which attracted manyChristian families from war ridden Beirut.The settlements turned out to be soprofitable investments that furtherresorts were established at the beachfront and in the mountains even afterthe civil war. The boom of these gatedresorts in Egypt and Lebanon came toan end in the late 1990es when newattractive investment opportunities inluxury housing and holiday resorts wereoffered closer to the national metropolis.

19991998199719961995

Quelle:Unterlagen derVerwaltungdesStrandresorts RimalEntwurf: G/asze

199419931992

_Winter

1990 1991

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Foto 4: Wasserballturnier mit Mannschaften verschiedener libanesischer Strandresorts

Geographische Rundschau 55 (2003) Heft 4 63