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GESCHEITER (T) ? Tabuthema und Chance Eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Scheitern

Gescheiter(t)

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Broschuere der gruppe1031 zum Thema Entrepreneurship in Oesterreich

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GESCHEITER(T)? Tabuthema und Chance

Eine konstruktive Auseinandersetzung mit dem wirtschaftlichen Scheitern

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 1

GESCHEITER(T)?

IMPRESSUM:

Herausgeber: gruppe1031Schwarzenbergplatz 4, A-1031 WienTelefon: 0043 1 711 35 2304 (Doris Hirt)Fax: 0043 1 711 35 2917email: [email protected]

Für den Inhalt verantwortlich und Redaktion: Karin KreutzerLayout & Grafik: Mag. Caroline SibitzGrafik U4: Brigitte KnollDruck: SPV-Druck GesmbH

Alle Rechte vorbehalten, auch der auszugsweisenWiedergabe in Print- und elektronischen Medien.

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 2

GESCHEITER(T)?

INHALTSVERZEICHNIS

VORWORTE

Dr. Veit Sorger S 4

Mag. Georg Kapsch S 4

Der Vorstand der gruppe1031 S 5

ERGEBNIS DER GALLUP-UMFRAGE ZUM THEMA SCHEITERN S 6

WAS VERSTEHEN WIR UNTER SCHEITERN? S 10

GESCHEITER(T) – AUS PSYCHOLOGISCHER SI CHT: 13 FALLEN UND WIE MAN SIE VERMEIDET S 12

GESCHEITER(T) – DER GESETZLI CHE ASPEKT: VON KONKURS BIS SANIERUNG S 22

GESCHEITER(T) – DER FINANZIELLE ASPEKT: STEUERKNIGGE S 28

IM GESPRÄCH – ZUSAMMENFASSUNGEN VON D ISKUSSIONEN MIT GÄSTEN DES ARBEITSKREISES

Veit Schmid-Schmidsfelden S 31

Univ. Prof. Dr. Nikolaus Franke S 32

Dr. Hans-Georg Kantner S 34

KARL P. IM GESPRÄCH MIT CHRISTIAN STÜGER S 36

LINKS UND LITERATUR S 38

MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES DER GRUPPE1031 S 39

EXPERTEN UND INTERVIEWPARTNER S 40

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scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 3

GESCHEITER(T)?

Niemand scheitert gerne, weder imWirtschafts- noch im Privatleben.Obwohl sich unsere Gesellschaftzunehmend an Leistung orientiert, ist

Erfolg, gerade wenn es sich um finanziellenErfolg handelt, oft ein Neid- und Tabuthema.Mit dem Scheiten ist es ähnlich: Die Insolvenzoder der Ausgleich eines Unternehmens gehennicht nur mit einem Imageverlust der Firma ein-her, sondern belasten auch die handelnden Per-sonen. Ein Neustart wird schwierig, weil es anOptimismus oder Mut fehlt, die Chance neu zubeginnen bleibt ungenutzt.Diese Broschüre soll helfen, das Scheitern alsChance zu verstehen: Nur wer etwas unter-nimmt, wird zum Unternehmer und nicht zumUnterlasser. Und nur wer etwas unternimmt,kann auch scheitern.Unternehmerisches Scheitern wird im Geschäfts-leben als unerfreulich wahrgenommen, es darfaber nicht zur gesellschaftlichen Ächtung führen.

In jeder Niederlage steckt die Chance des zukünf-tigen Erfolges. Die Voraussetzung dafür ist, dassdie richtigen Schlüsse gezogen werden und ausdem Scheitern gelernt wird.

Der gruppe1031 danke ich für diese Broschüre undvor allem dafür, dass sie uns Mut macht, dasScheitern als Chance und Möglichkeit zu Neuemzu begreifen.

Dr. Veit Sorger e.h.

Präsident der Industriellenvereinigung

Wien, im November 2007

Jeder Mensch sollte in seinem Lebenzumindest einmal wirtschaftlichgescheitert sein. Warum eigentlich?Nur Menschen, die wissen, was

Scheitern bedeutet, können andere, die in Notsi-tuationen geraten sind, verstehen und sind auchselbst in schwierigen Situationen gefestigter alsMenschen, denen das Glück immer hold war.

Scheitern hat sehr viel mit Mut und Glück zu tun.Nur wer die Möglichkeit des Scheiterns akzep-tiert, wird auch bereit sein, genügend Risiko zuübernehmen, Großes zu bewegen. Scheitern istnichts Unehrenhaftes, es geht nur darum, darausetwas zu lernen. Niemand – so erfolgreich sie

oder er auch heute ist – kann vor einem künfti-gen Scheitern gefeit sein. Dies ist kein Aufruf, dieDinge leicht zu nehmen, denn das eigene Schei-tern zieht meist andere mit sich. Aber es ist sehrwohl ein Aufruf, auf Menschen, die Wagnisse –und Unternehmertum ist ein Wagnis – eingegan-gen und dabei gescheitert sind, nicht hinunterzu-schauen, denn manches lässt sich auch mit größ-tem Können und Fleiß nicht vermeiden.

Mag. Georg Kapsch e.h.

Vorsitzender des Vorstandes der Kapsch AG

Präsident der gruppe1031, 1988-1992

Wien, im November 2007

VORWORTE

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scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 4

GESCHEITER(T)?

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Als wir 2006 mit unserem Arbeitskreis „geschei-ter(t)?“ begonnen haben, war der Anlass unteranderem das Ergebnis des „Global Entrepreneur-ship Monitor 2005“*. Der GEM-Report für Öster-reich ist eine Untersuchung der FH Joanneum inKooperation mit der Karl-Franzens UniversitätGraz, global koordiniert von der London BusinessSchool und dem Babson College (USA). Er belegtwissenschaftlich, dass es im Gegensatz zumangelsächsischen Raum bei uns keine „Kultur deswirtschaftlichen Scheiterns“ gibt, sondern dassScheitern vielmehr stigmatisiert und nicht alsLernprozess gesehen wird. So gaben z.B. 46 % der2.200 befragten Österreicherinnen und Österrei-cher an, dass sie Angst davor haben zu scheiternund deshalb lieber ihre Ideen und Talente fürunternehmerische Aktivität ungenutzt lassen,bevor sie das Risiko eingehen zu versagen.

Für eine erfolgreiche, innovative Zukunft, fürwirtschaftliches und unternehmerisches Han-deln bedarf es aber Ideen und Talente. Es bedarfMenschen mit Problemlösungskompetenz, Mutund Widerstandskraft, die mit negativen Kräftenund Erfahrungen konstruktiv umgehen können

und die nicht zerbrechen oder resignieren, wennsie einmal scheitern, sondern daraus lernen können.

Um die eigene Problemlösungskompetenz undWiderstandskraft zu stärken und um für ein„Tabu-Thema“ sensibler und offener zu werden,ist es wichtig, sich mit der Thematik aus unter-schiedlichen Blickwinkeln auseinanderzusetzen.Diese Broschüre, eine Zusammenfassung unsereseinjährigen Arbeitskreises, soll dafür eine Unter-stützung bieten.

Einen Schwerpunkt unserer Arbeit haben wir aufdie psychologische und kommunikative Facettedes Scheiterns gelegt. Sie ist besonders bedeut-sam, um das Thema zu ent-tabuisieren und eine„Kultur des wirtschaftlichen Scheiterns“ zuzulas-sen, denn Misserfolg in anderen Lebensbereichengilt bei weitem nicht so als „gescheitert“, wie dievon uns in Auftrag gegebenen Gallup-Umfrageans Tageslicht brachte (Details siehe Seite 6).

Gäbe es aber eine „Kultur des wirtschaftlichenScheiterns“, dann würde dies zweifellos viel Krea-tivpotenzial und Umsetzungskraft freisetzen. Eswäre legitimer, um Hilfe zu bitten und sie auch

anzunehmen. Erfahrungsgemäß eine der bestenProphylaxen, um mit Misserfolg konstruktivumzugehen und vor allem auch, um Scheitern zuverhindern.

Wir freuen uns auf Rückmeldungen und Diskus-sionen und hoffen, mit dieser Broschüre deneinen oder anderen konstruktiven Gedankenan-stoß geben zu können.

Herzlich

der Vorstand der gruppe 1031

Wien, im November 2007

* Der GEM-Report ist downloadbar unterhttp://www.gemconsortium.org/files.aspx?Ca_ID=183

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v.l.n.r.: 1. Reihe: Doris Hirt, Gernot Essl, Astrid Stüger-Hübner,Karin Kreutzer; 2. Reihe: Joachim Zimmel, Dieter Poller, Konstantin Bitzios

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 5

GESCHEITER(T)?

Schieflage bei Job und Geld bewerten Österrei-cherInnen härter – privates Versagen wird mildergesehen.

Mit dem Begriff „gescheitert“ verbindet Österreichs berufstätige Bevölkerung vor allemArbeitslosigkeit und Arbeitsverlust. Das ist dasErgebnis einer repräsentativen Umfrage des Gallup-Instituts im Auftrag des Wirtschaftsclubsgruppe1031, durchgeführt im Herbst 2007.35 % der Befragten antworteten auf die Frage„Wann wird Ihrer Meinung nach eine Person alsgescheitert angesehen?“ mit „wenn sie arbeitslosist“ bzw. „wenn sie ihre Arbeit verloren hat“.Vor allem Selbständige und Freiberufler sehendies zu 52 % so.

An zweiter Stelle mit 18 % wird mit gescheitert„kein Geld aber dafür Schulden haben“ und„generell Armut“ assoziiert. Wobei dies für Frauen etwas stärker zutrifft (20 %) als für Männer (17 %).

An dritter Stelle mit 16 % wird „nicht erreichenvon Lebenszielen, Aufgaben und Erwartungen“genannt.

Mit 10 % erst an 6. Stelle verbinden Herr und FrauÖsterreicher mit „gescheitert sein“ Einsamkeit,kein soziales Netz – wie Familie und Freunde – zuhaben.

GALLUP-UMFRAGE: „GESCHEITERT“ GELTEN MENSCHEN OHNE ARBEIT

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Wann wird Ihrer Meinung nach eine Person als gescheitert angesehen?

35

18

16

13

13

10

7

2

1

2

35

13

16

16

9

9

5

1

1

3

37

19

16

10

14

11

7

3

1

2

30

20

17

17

14

7

8

2

2

1

0 5 10 15 20 25 30 35 40

Arbeitslosigkeit, Arbeitsverlust

Armut, kein Geld, Schulden

(Lebens-)Ziele, Erwartungen,Aufgaben nicht erreicht

Obdachlosigkeit

Selbstaufgabe, mangelnderLebenssinn, keinGlaube/Hoffnung

Einsamkeit, kein soziales Netz(Familie, Freunde)

Alkohol- und Drogenprobleme

Krankheit

Verbrechen, Straffälligkeit

anderes

Gesamt n=590

bis 30 Jahre n=145

bis 50 Jahre n=337

über 50 Jahre=108

Frage 1Angaben in %

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 6

GESCHEITER(T)?

GEFÜHLE: STARK NEGATIVE EMPFINDUNGEN

MIT WIRTSCHAFTLI CHEM SCHEITERN

ASSOZIIERT

Mit „wirtschaftlich gescheitert“ werden starknegative Gefühle verbunden: 25 % der Befragtennennen Traurigkeit, Depression, Frustration, 14 %geben Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit,Selbstaufgabe an und 13 % finanzielle Sorgen. DerVerlust des Ansehens wird vor allem von Men-schen zwischen 30 und 50 Jahren mit dem Begriff„wirtschaftlich gescheitert“ assoziiert (10 %).

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Welche negativen Gefühle und Konsequenzen verbinden Sie persönlich mit derTatsache, in einer beruflichen / wirtschaftlichen Situation gescheitert zu sein?

25

14

13

11

10

8

7

6

6

4

3

3

2

1

1

16

16

14

8

11

8

4

2

2

2

1

4

2

1

13

13

12

12

13

8

10

7

7

5

3

4

2

1

1

15

15

17

12

3

9

3

6

6

3

3

5

3

1

1

0 5 10 15 20 25 30

Traurigkeit, Depression, Frustration

Hoffnungslosigkeit, Aussichtslosigkeit, Selbstaufgabe

Geldprobleme, finanzielle Sorgen, Armut

Selbstwertprobleme, sich als Versager fühlen

Arbeitslosigkeit, Jobverlust

Einsamkeit, Ausgeschlossenheit

Verlust des Ansehens

Wut, Ärger, Aggression

Angst

Wertlosigkeit, Nutzlosigkeit

Obdachlosigkeit

Drogen- und Alkoholmißbrauch

Verlust des Lebensstandards, kein Luxus mehr

Krankheit

Mitleid

Gesamt n=590

bis 30 Jahre n=145

bis 50 Jahre n=337

über 50 Jahre=108

Frage 2Angaben in %

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 7

GESCHEITER(T)?

80 % DER ÖSTERREI CHERI NNEN HABEN SI CH

NOCH NIE ALS GESCHEITERT GEFÜHLT

Sich selbst als beruflich bzw. wirtschaftlichgescheitert betrachtet haben sich erst 19 % derösterreichischen Bevölkerung – 20 % der Männerund 17 % der Frauen. Der Wert steigt leicht mitdem Alter, aber insgesamt rund 80 % der Österrei-cherInnen geben an, dass sie noch nie das Gefühlhatten, beruflich bzw. wirtschaftlich gescheitert zusein.

8

Haben Sie sich schon einmal beruflich / wirtschaftlich gescheitert gefühlt?

19

8

22

23

20

17

81

92

78

77

80

83

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90 100

Gesamt n=590

bis 30 Jahre n=145

bis 50 Jahre n=337

über 50 Jahre=108

Männer n=333

Frauen n=256

ja nein

Frage 3Angaben in %

scheitern_broschüre 10.12.2007 12:45 Uhr Seite 8

GESCHEITER(T)?

RETTUNGSANKER: FAMILIE UND SELBSTHILFE

Jene, die sich aber schon einmal gescheitertgefühlt haben oder gescheitert sind, konnten ihreSituation vor allem mit Hilfe der Familie meistern.Dies sieht die Hälfte der unter 50jährigen so.Anders ist das für Menschen über 50 Jahren – hiergeben nur mehr 33 % die Familie als Stütze an.38 % der Befragten konnten aus eigener Kraft wieder Oberwasser gewinnen – für Menschenüber 50 Jahren trifft dies sogar zu 45 % zu.Staatliche Institutionen oder offizielle Einrich-tungen scheinen hingegen laut dieser Umfrage alsStütze wenig populär, um aus der gescheitertenLage herauszukommen.

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Wie bzw. mit wessen Hilfe konnten Sie diese Situation meistern?

50

38

8

3

6

55

27

9

55

38

11

1

4

33

45

4

8

9

0 10 20 30 40 50 60

Hilfe der Familie, Eltern etc.

Selbsthilfe

AMS

Schuldenberatung

anderes

Gesamt n=111

bis 30 Jahre n=12

bis 50 Jahre n=74

über 50 Jahre =25

Frage 4Angaben in %

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GESCHEITER(T)?

GEDANKEN, MEINUNGEN

UND DISKUSSIONSBEI-

TRÄGE ZU EINEM

TABUTHEMAScheitern hängt sehr stark von persönlichenErwartungen ab, sind sich die Diskussionsteil-nehmer der gruppe1031 im Arbeitskreis „gescheiter(t)“ erstaunlich rasch einig. Trotzdemgibt es abweichende, aber auch sich ergänzendeSichtweisen.

STATEMENTS AUS DER D ISKUSSION

Christoph Heimerl: „Ob man sich als gescheitertsieht, hängt stark davon ab, was man denkt, dassdie anderen von einem erwarten. Aber meinesErachtens gilt jedenfalls das altbekannte Sprich-wort: Hinfallen ist keine Schande – das Aufstehenist wichtig!“

Johanna Schwetz-Würth: „Scheitern ist das absoluteEnde. Misserfolg ist nicht so absolut, da kann esdurchaus weitergehen.“

Martin Beste: „Im Unternehmersinn kann Schei-tern als ‚Nichtfunktionieren eines Geschäftsmo-dells’ betrachtet werden und sowohl in einerEigentümersituation als auch in einer Manage-mentaufgabe passieren. Es kann aus meiner Sichtauch ein teilweises Scheitern geben – z.B. eineMarkterschließung klappt nicht oder ein Projektmisslingt.“

Alexander Zerkowitz: „Scheitern wird meist perso-nifiziert. Dabei sind es oft die Rahmenbedingun-gen, die eine Person im Kontext nicht erfolgreichsein lassen oder gar zum Scheitern bringen. Eben-so wie es oft die Rahmenbedingungen sind, diejemanden erfolgreich machen. Nicht umsonstsagt man: Zur richtigen Zeit am richtigen Ort.Dennoch nimmt die Umwelt meist keine Rück-sicht auf die Rahmenbedingungen – umso mehrgilt für den Einzelnen,seine innere Balance zu finden.“

Karin Kreutzer: „Gemachte und in Angriff genom-mene Pläne und Wünsche treten nicht so ein wieangepeilt, sie haben noch dazu stark negativeAuswirkungen. Was wann als gescheitert angese-hen wird, hängt auch oft von den Werten, Prinzi-pien und Lebensvorstellungen des Betrachters,des Beurteilers ab.“

Dietmar Müller: „Fehler, aus denen man lernt, kön-nen zum Erfolg beitragen. Wiederholte Fehler, ausdenen man nichts lernt, führen dagegen zumScheitern. Wobei ich Misserfolg und Scheitern alseinen Lebensbestandteil aller Menschen sehe – esmacht uns menschlich, wir sind nun mal keineGötter. Absolute Fehlerfreiheit ist eine unsinnigeErwartungshaltung, die nur zu Niedergeschla-genheit führt.“

Gernot Essl: „Scheitern im Allgemeinen heißt fürmich, gesetzte Ziele dermaßen zu verfehlen, dasseine spätere Erreichung praktisch unmöglichwird. Im Wirtschaftsleben wiederum bedeutetscheitern den Verlust der Existenzfähigkeit desUnternehmens verbunden mit massivem persön-lichem Vermögensschaden.“

Joachim Zimmel: „Im wirtschaftlichen Sinn ver-binde ich mit Scheitern die Insolvenz – imschlimmsten Fall mit persönlicher Haftung desUnternehmers, des Geschäftsführers. Im weiterenSinn steht Scheitern für aufgeben.“

Ines Paska: „Also ich verbinde mit scheitern kei-neswegs nur negative Assoziationen, sondernvielmehr die Möglichkeit eines neuen Anfangs.

WAS VERSTEHEN WIR UNTER SCHEITERN?

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GESCHEITER(T)?

Die Möglichkeit, einen völlig neuen Weg einzu-schlagen, eine Kehrtwende zu machen und Neueszu probieren. Gerade durch das Scheitern bekom-men meiner Erfahrung und Beobachtung nachviele Menschen erst Mut und Kraft, um alles bzw.vieles im Leben, an ihrer Arbeitsweise positiv zuändern, da es von diesem Scheidepunkt aus nurmehr aufwärts gehen kann.“

Romana Wieser: „Mein Zugang ist sehr ähnlich.Auch ich denke, dass Scheitern die Erkenntnis ist,dass ein persönlich gestecktes Ziel nicht erreich-bar ist und eine Neuorientierung notwendigwird. Damit erhält man die Chance, gewohnteMuster abzulegen und ganz neue Wege einzu-schlagen.“

„Es gibt mehr Leute, die kapitulieren, als solche,die scheitern.“Henry Ford, amerikanischer Industrieller

(Ford Motor Company)

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GESCHEITER(T)?

13 FALLEN UND WIE MAN

SIE VERMEIDETVON JOHANNA SCHWETZ-WÜRTH

UND GERNOT ESSL*

Wirtschaftliches Scheitern wird von den meistenBeraterInnen, AutorInnen und Betroffenen viel-fach als etwas höchst Rationales, auf klarbenennbare äußere Umstände oder Entscheidun-gen zurückführbar, beschrieben und behandelt.

Dabei ist scheitern an sich schon eine in höch-stem Maße subjektive Bewertung einer Situation,eigentlich ein Gefühl, auf keinen Fall aber eine anklaren Kriterien unzweifelhaft festzumachendeTatsache. Unsere Psyche hat – ob wir es wahrha-ben wollen oder nicht – in allen Lebensbereicheneinen kaum zu unterschätzenden Einfluss. DieRationalität folgt immer erst ein bis zwei Schrittespäter. Ganz besonders, wenn es um dieses The-ma geht.

Dies soll keine trockene Abhandlung über psy-chologische Faktoren des Scheiterns sein, sonderndie wichtigsten psychologischen Aspekte rund

ums Thema kurz und prägnant in Form von 13„Fallen“ darstellen. Wer sie kennt und sich ihreversteckte Verführungskraft eingesteht, ist nichtvor jeglichem Scheitern geschützt, wird aber mitSicherheit adäquater mit „scheiterverdächtigen“Situationen und Einstellungen bei sich selbst undbei anderen umgehen können.

MINDESTFALLEN

GRUNDEINSTELLUNGEN, DIE IM HINTERGRUND

LAUERN KÖNNEN

1 . D IE OPT I M I SMUSFALLE

„Alles läuft bestens, die Zukunft gehört mir!“

DAS PROBLEM

Positiv denken ist die treibende Kraft für einenEntrepreneur. Optimismus ist die Grundlage,Geschäftschancen zu erkennen und zu verfolgen.Übertriebener Optimismus kann zur Gefahr wer-den. Die Zeichen der Zeit werden zu spät erkannt.Spätestens dann, wenn keine Zweifel mehr beste-hen und mit dem Erfolg praktisch 100%ig gerech-net wird, lauert die Gefahr der (Selbst-)Überschät-zung. Eine Vielzahl von Geschäftsplänen ist über-optimistisch angelegt. Bei der Umsetzung folgt

das böse Erwachen, dass alles doppelt so langedauert und um einiges mehr kostet als erwartet.

D IE KONSEQUENZ

Ähnlich wie bei der Wahrnehmungsfalle führtübertriebener Optimismus zu unrealistischenEinschätzungen der persönlichen unternehmeri-schen Situation. Vor lauter Optimismus werdenWarnsignale schwächer wahrgenommen odereinfach bei Seite geschoben. Marktsegmente,Marktanteile und Umsatzprognosen werden zurosig eingeschätzt, Kosten werden dagegen in zugeringem Ausmaß geplant oder einzelne Positio-nen überhaupt vergessen.

LÖSUNGSANSÄTZE

Nachdenken, überdenken, reflektieren und mitandern diskutieren lautet der nahe liegendeLösungsansatz, um die „Erdung“ wieder herzu-stellen. Dies ist leichter gesagt als getan, da dieUmwelt oft neuen unternehmerischen Plänengegenüber skeptisch eingestellt ist und damitden persönlichen Optimismus gehörig herausfor-dert. Die beste Balance liegt vermutlich darin,einen optimistischen Realismus anzustreben undgelegentlich auch auf kritischen Rat zu horchen.Trotz allem sollte UnternehmerInnen und unter-

GESCHEITER(T) – AUS PSYCHOLOGISCHER SICHT

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GESCHEITER(T)?

nehmerisch denkenden Menschen der Optimis-mus und die Freude am eigenen Schaffen nieabhanden kommen.

2. D IE PESSI M I SMUSFALLE

„Das funktioniert nie und kann nur schief gehen....“

DAS PROBLEM

Das andere Extrem stellt die grundsätzliche undprinzipielle Negativeinstellung dar. ÜbertriebeneKritik an sich selbst und der Umwelt gepaart mitSchwarzmalerei ist nicht der Nährboden, auf demErfolge gedeihen. Durch überkritische Wahrneh-mung der Möglichkeiten werden diese grund-sätzlich bloß als Risiken erkannt. Das Glas istimmer nur halbleer.

D IE KONSEQUENZ

Jegliche Idee wird rasch im Keim erstickt – eskönnen sich keine kreativen Gedankenketten ent-wickeln. Eine negative Grundeinstellung führtdazu, dass der nächste Schritt doch keinen Sinnmacht und daher auch nicht weitergegangenwird. Furcht und Unsicherheit nehmen überhandund der pessimistische Mensch leidet bald daraufunter ängstlichen Zuständen und Unbehagen.

LÖSUNGSANSÄTZE

Das Unternehmertum ist meistens nichts fürchronische PessimistInnen, welche das Leben alsGefahr und die Umwelt im Zweifel immer alsBedrohung wahrnehmen. Ein gesunder Pessimis-mus schützt andererseits vor unnötigem Risikound stellt gewissermaßen ein Sicherheitsnetzdar. Er sollte zum Anlass genommen werden, daseigene Vorhaben nochmals in Ruhe zu überden-ken, um auch die positiven Aspekte der Situationzu erkennen. Dieser Charakterzug kann vor allemdann in eine Stärke umgewandelt werden, wennes darum geht, Aufgaben zu erfüllen, bei denengerade das Erkennen von Risiken und Gefahrenauf dem Programm steht. Das Entdecken vonneuen Geschäftschancen wird wohl nicht zumTätigkeitsbereich pessimistischer Persönlichkei-ten gehören.

3. D IE KOMPETENZFALLE

„Feedback? Ich weiß, was der Markt braucht!“

DAS PROBLEM

Wichtigste Voraussetzung, um ein neues Projektzu starten, ein neues Produkt zu launchen, neueKundInnen anzusprechen, scheint oft das „richtige Image“ zu sein. Zu diesem „richtigenImage“ tragen vor allem unbezweifelbare Kom-petenz, Fachwissen, Erfahrung und ein untrügli-ches Gespür für den Markt bei, meinen manche.Wer professionell dastehen will, zeigt davon soviel wie möglich – je mehr, je besser.

Nun geht es aber bei Innovationen um etwasNeues, etwas, das in dieser Form noch nichtgemacht wurde, wo es also keine oder nur wenigErfahrung und Kompetenz geben kann. Auch hatte der Markt noch keine Möglichkeit, auf dieneue Idee zu antworten. Allzu oft meint man das– vor anderen aber auch vor sich selbst – verber-gen zu müssen. Unsicherheiten passen scheinbarnicht zum „richtigen Image“.

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GESCHEITER(T)?

D IE KONSEQUENZ

Dieses vermeintlich notwendige Image der pro-fessionellen Kompetenz verführt zu einer „Ichweiß das alles selbst ganz genau“-Haltung. Werschon alles weiß, muss nichts mehr erfragen oderüberprüfen. Und so besteht die eigentliche Falledarin, dass eigene Annahmen und Überlegungenfür unumstößliche Wahrheiten gehalten und alssolche präsentiert und verteidigt werden. Die Folge daraus ist ein Mangel an aktiv eingeholtenFeedbacks, Außensichten und Überprüfungs-schleifen durch kritische Profis sowie an realisti-scher Planung.

LÖSUNGSANSÄTZE

Eine differenzierte Einschätzung der eigenenSchwächen, eine rationale Planung und das ak-tive Einholen von Rückmeldungen durch poten-tielle KundInnen, LieferantInnen und Profis ausverwandten Bereichen sind hier Schlüsselbe-griffe, um aus der Falle eine Chance zu machen.

Was an meinem „richtigen Image“ entspricht derRealität – und zwar auch in den Augen meinerschärfsten KritikerInnen? Wie kann ich dieAnnahmen, auf denen ich meine Unternehmungaufbaue, immer wieder kritisch in Frage stellen

und anpassen? Wie sieht ein Worst Case-Szenarioaus? Ja, genau – auch darüber sollte man sich vonAnfang an Gedanken machen!

4. D IE M I SSTR AUENSFALLE

„Ich lass mir doch nicht in die Karten schauen!“

DAS PROBLEM

In der Geschäftswelt kann man fast täglich vonhintergangenen ManagerInnen, Ideenklau,Betriebsspionage oder Ähnlichem lesen undhören. Wer selbst bereits Erfahrungen mit miss-brauchtem Vertrauen oder gar Betrug machenmusste oder Geschädigte kennt, der lässt sichdaher gerne vom Misstrauen leiten.

Gegen eine gesunde Zurückhaltung ist sichernichts zu sagen. Zur Falle wird sie, wenn dieAngst davor, dass Ideen geklaut und Business-pläne abgeschrieben werden oder man von Part-nerInnen hintergangen wird, überhand nimmtund einen großen Teil des Handelns bestimmt.

D IE KONSEQUENZ

Wie in einer „Self-fulfilling prophecy“ wird derMensch, der überall Gefahr und Betrug wittert,auch ständig Beweise dafür finden (siehe Wahr-nehmungsfalle). Die Folge daraus ist einBeschneiden der eigenen Ressourcen: Zum einenist ein Teil der Energie durch das Misstrauengebunden und kann nicht zielgerichtet für dieGeschäftsidee eingesetzt werden. Zum anderenschneidet man sich von möglicherweise nützli-chen UnterstützerInnen, MentorInnen oderpotentiellen PartnerInnen ab. Denn vernetzenheißt Vertrauen schenken.

LÖSUNGSANSÄTZE

Wir tendieren dazu, uns Negatives (egal ob selbstoder von anderen erlebt) lange im Gedächtnis zubewahren, positive Erfahrungen aber kaum zuregistrieren bzw. rasch wieder zu vergessen. EinAusweg aus der Misstrauensfalle ist daher dasbewusste Erinnern an Erlebnisse (eigene odervon anderen), wo sich Vertrauen bezahlt gemachtund Mehrwert geschaffen hat.

Netzwerke sind in der heutigen Wirtschaft einnicht mehr weg zu denkender Erfolgsfaktor – vorallem für GründerInnen. Das gegenseitige Geben

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und Nehmen braucht aber kritisches Vertrauen.Und nicht umsonst steht hier mein Geben anerster Stelle und ist das Nehmen eine Antwortdarauf. Eine Win-Win-Einstellung – ich gewinneund meine PartnerInnen gewinnen – ist einGrundstein für eine erfolgreiche Unternehmung.

STARTFALLENSTOLPERSTEINE DER PLANUNGS- UND

GRÜNDUNGSPHASE

5. D IE ERWARTUNGSFALLE

„...und morgen bin ich Millionär!“

DAS PROBLEM

Erwartungen – Vorstellungen über einen zukünf-tigen Zustand – sind eine treibende Kraft imSchaffen von unternehmerisch denkenden Men-schen. Erwartungen kann man an sich selbst stel-len, aber auch die Umwelt, Familie, FreundInnen,GeschäftspartnerInnen haben Erwartungen anuns. Manchmal ist es nicht immer leicht, diesenErwartungen zu entsprechen.

Erwartungen an den eigenen Erfolg legen die Latte auf ein hohes Niveau. Die Vorstellung derZukunft wird letztendlich mit dem Erreichten der

Gegenwart in Abgleich gebracht werden. DasAusmaß des Erfolges oder Scheiterns wird in denmeisten Fällen in Relation zu den ursprünglichenErwartungen zu setzen sein: sind diese gering, sowird ein Misserfolg auch verschmerzbar sein,werden (zu!) hohe Ziele gesteckt und diese ver-fehlt, so sieht die Sache schon anders aus.

D IE KONSEQUENZ

Sich selbst und seiner Organisation Ziele zugeben, ist sicherlich eine der Kernaufgaben jedesunternehmerisch agierenden Menschen. Ent-scheidend sind jedoch die konkreten Ausprägun-gen der Vorstellungen über die Zukunft. Ziele undErwartungen müssen in Einklang gebracht wer-den. Überhöhte und oftmals unrealistischeErwartungen können bei Nichterreichen der Zielezu Enttäuschung, Frustration, ja sogar totalerResignation führen. Aus zu geringen Erwartun-gen wird man andererseits nicht ausreichendKraft und Antrieb schöpfen, um Erfolge zu erlangen. Das Auseinandersetzen mit Erwartun-gen und die Ableitung von Zielen ist daher keineinfaches Unterfangen.

LÖSUNGSANSÄTZE

Im Bewusstsein, dass Erwartungen sehr wahr-scheinlich über Erfolg oder Misserfolg entschei-den, ist es richtig, sich hierüber in aller RuheGedanken zu machen. Was will ich wirklich? Waserwarte ich von meinem Vorhaben und wieunterscheiden sich womöglich meine Erwartun-gen von jenen, welche meine Umwelt an michhat? In diesem Bereich sollte man sich selbstnicht unter Druck setzen. Trotzdem ist es wichtig,persönliche Erwartungen und Ziele hoch zu set-zen, um Antrieb und Kraft für das eigene Vorha-ben zu schaffen. Große Ambitionen teilt man ambesten nur mit jenen Leuten, die einerseits zurRealisierbarkeit beitragen und andererseits mitkonstruktiver Kritik helfen können. Ansonsten istes von Vorteil, seine Pläne nicht allzu laut hinauszu posaunen. So spart man sich Erklärungsbedarf,wenn sich Dinge anders entwickeln als gedacht.

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GESCHEITER(T)?

6. D IE WAHRNEHMUNGSFALLE

„Meine Einschätzung ist objektiv und die einzig

richtige.“

DAS PROBLEM

Unternehmerische Entscheidungen zu treffen,basiert immer auf einem gewissen Maß der Unsi-cherheit. Keiner kennt sämtliche Informationen,vor allem dann nicht, wenn es um noch nichtentdeckte Geschäftsmöglichkeiten geht. Nichtsist daher leichter, als sich selbst ein X für ein Uvorzumachen und die Umwelt so wahrzuneh-men, wie man sie eben am liebsten sehen möchte. Die Wahrnehmungsfalle führt dazu, dassInformationen zu einseitig, zu selektiv aufgenom-men und daraus nachteilige Schlüsse gezogenwerden.

D IE KONSEQUENZ

Die Folgen daraus sind falsche Entscheidungs-grundlagen. Wird zum Beispiel die Ausgangslagezu rosig wahrgenommen, so baut ein unterneh-merisches Projekt auf Sand und ist voraussicht-lich zum Scheitern verurteilt. Übertriebener Pessi-mismus auf der anderen Seite führt jedoch dazu,dass immer ein Grund gefunden wird, warum einGeschäftskonzept nicht funktionieren kann,wenngleich es grundsätzlich Potenzial hätte.

LÖSUNGSANSÄTZE

Gegen die Wahrnehmungsfalle gibt es keinPatentrezept. Lediglich das Bewusstsein, dass Ent-scheiden immer in Abhängigkeit von Informati-on steht, hilft etwas weiter. Einerseits sollte alsomöglichst viel Information über den Markt, dieKonkurrenz, zukünftige Technologien und Metho-den mit besonderer Gründlichkeit in Erfahrunggebracht werden, andererseits führt ein laufen-der Gedankenaustausch mit berufenen Personendazu, dass eine objektivierte und ausgeglicheneSicht der Dinge gefunden wird.

7. D IE STATUSFALLE

„Um den richtigen Eindruck zu machen, brauche ich

unbedingt...“

DAS PROBLEM

Es geht vielen Menschen im Leben nicht nur da-rum, selbst zufrieden zu sein und FreundInnen zuhaben, sondern vor allem darum, wie sie vonanderen wahrgenommen werden. Weite Teile derKonsumgüterindustrie leben von diesem Phäno-men. Der häufig durch Statussymbole dargestell-te Imageunterschied zwischen erfolgreichen underfolglosen UnternehmerInnen in unseren Brei-ten könnte größer nicht sein.

D IE KONSEQUENZ

Keiner ist vor dieser Falle gefeit. Aber gerade inder Anfangsphase einer unternehmerischenTätigkeit und beim ersten „Erfolgslüftchen“besteht die größte Gefahr, in die Statusfalle zutappen. Passiert ist dies beispielsweise vielenNew Economy GründerInnen, welche bereits inden ersten von massiven Verlusten geprägtenAnlaufjahren schnellen Autos, teuren Uhren undauch sonst einem großzügigen Lebensstil verfal-len sind. Abgesehen von den Kosten macht mansich mit überdurchschnittlich zur Schau getrage-nen Statussymbolen wohl keine wirklichenFreundInnen oder KundInnen, sondern erweckteher nur NeiderInnen, von welchen man alserfolgreiche UnternehmerIn ohnehin bald genughaben wird.

LÖSUNGSANSÄTZE

Ein verbindliches und vertrauenswürdiges Auf-treten ist wohl der beste Eindruck, den manmachen kann. Begeisterungsfähigkeit, inhaltlicheKompetenz und Interesse am Gegenüber sind in Wirk-lichkeit die erfolgsrelevanten Bestandteile unternehmeri-scher Beziehungen.Erfahrene und selbst erfolgreicheGeschäftspartnerInnen lassen sich im Übrigen von Sta-tussymbolen ohnehin nur selten beeindrucken,sondernwerden Verlässlichkeitund Bonität anders ergründen.

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GESCHEITER(T)?

8. D IE GRÖSSENFALLE

„Mit dem Businessplan setzte ich in einem Jahr sicher

eine Million ab – mindestens!“

DAS PROBLEM

Die Frage nach dem zukünftigen Umfang einesUnternehmens ist sehr schwierig zu beantwortenund wohl die entscheidende Kernfrage in jedemBusinessplan. Wie viele Produkt- oder Dienstlei-stungseinheiten in welchen Zeiträumen letztend-lich abgesetzt werden können, determiniert prak-tisch alle anderen Bestandteile einer unterneh-merischen Aktivität. Legt man einmal die Absatz-menge fest, so ist der Rest der Planung nichtmehr sehr kompliziert, da von ersterem alle ande-ren Einsatzfaktoren ganz brauchbar abgeleitetwerden können. Gerade weil die Vorhersage derMengen aber so schwierig ist, wird diesem Punktzu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und mantappt leicht in die Größenfalle – sprich definiertam Papier Entwicklungen, welche nicht zu schaffen sind.

D IE KONSEQUENZ

Die Mehrheit der Businesspläne weist überausoptimistische Planmengen aus, welche zwar mitMarktdaten übereinstimmen mögen, jedoch in

der Praxis nicht in diesem Umfang oder imbesten Fall zeitverzögert eintreten. Ausgehendvon falschen Annahmen wird die Kostenseitenicht mehr in Einklang mit den Umsätzen stehen, was unweigerlich zu wirtschaftlichenMisserfolgen führt.

Wird hingegen das Unternehmen zu kleindimensioniert und kommt die Geschäftsidee besser an als gedacht, so müssen womöglichattraktive „Großaufträge“ mangels Kapazitätabgelehnt werden. Das Unternehmen kommt mitdem Markt nicht mit und verpasst interessanteChancen. Das Dilemma hat somit zwei Seiten.

LÖSUNGSANSÄTZE

„Small can be successful, large can be beautiful,dimensions matter.“ Um die Größenfalle zu ver-meiden, ist es einerseits empfehlenswert, sichmit dieser kritischen Frage ausreichend ausein-ander zu setzen und andererseits auf die Skalier-barkeit des Unternehmens bzw. der Organisationzu achten. Fixkosten sollten zu Beginn – wennmöglich – gering gehalten werden. Die Planungsollte mit einem gewissen Schuss Bescheidenheitund Zurückhaltung vorgenommen werden, indem Bewusstsein, dass Ergebnisse unter dem

Strich immer wichtiger sind als der Umsatz.Nichtsdestotrotz sollten Alternativszenarien mit-berücksichtigt werden, z.B. wie ein überraschen-der Auftragszuwachs verarbeitet werden kann.

KRISENFALLENMÖGLICHE FEHLER, WENN DIE KRISE

AUFGETRETEN IST

9. D IE ERSTARRUNGSFALLE

„Ich schau gar nicht hin...“

DAS PROBLEM

Misserfolge, enttäuschte Erwartungen oder miss-glückte Aufträge können – wenn sie zur selbenZeit geballt auftreten – zu einem tatsächlichenpsychischen Schockzustand führen. Man erlebtdie Situation als Katastrophe, fühlt überwältigen-de Angst, Orientierungslosigkeit, Fassungslosig-keit und weiß nicht, was man jetzt tun kann –man erstarrt buchstäblich. Der Körper versuchtdie Realität als erste Schnellhilfe mit einem „Tod-stellreflex“ abzuwehren. Eine solche Identitätskri-se kann ausgelöst werden, wenn wesentlicheFaktoren der eigenen Selbstdefinition wegfallen,man gezwungen ist, eine neue Identität zu fin-den. Man ist fassungslos.

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GESCHEITER(T)?

D IE KONSEQUENZ

Vor lauter Schreck, dass „es“ passiert ist, tut mangar nichts mehr und kommt weder ins Handelnnoch ins Planen, sondern bleibt in der eigenenLähmung gefangen.

LÖSUNGSANSÄTZE

Gerade bei dieser kaum bewusst steuerbareninneren Reaktion, die per se zumindest für eineZeit die eigene Handlungs- und Entscheidungsfä-higkeit stark einschränkt, ist eine Außenperspek-tive nötig: Einerseits, um gespiegelt zu bekom-men, was und wie man gerade tut – denn allzuoft bemerkt man die eigene Erstarrung nur unzu-reichend; andererseits, um augenblicklich anste-hende Aktivitäten, die eventuell einen noch größeren Misserfolg abwehren können, zu dele-gieren.

10. D IE GEFÜHLSFALLE

„Ach, das stecke ich doch locker weg!“

DAS PROBLEM

So, jetzt ist es klar: Es geht bergab! Alle Versuchegegenzusteuern haben nicht den gewünschtenErfolg gezeigt. Äußerlich versucht man Fassungzu bewahren, aber innerlich sieht es ganz anders

aus. Je nach Persönlichkeit regen sich Enttäu-schung, Wut, Trauer, Verzweiflung, Angst, einGefühl von Ausweglosigkeit oder Scham. Aber diedürfen nicht sein. Nicht vor sich selbst und schongar nicht vor anderen. Was würden die denn den-ken?! Das ausgegebene Kommando an sich selbstund nach außen lautet: „Alles halb so wild, dasstecke ich locker weg, das ist kein wirkliches Problem für mich, das hab ich voll im Griff,...“ –die Liste lässt sich beliebig fortsetzen.

D IE KONSEQUENZ

Leider kann auch das überzeugendste Auftretendie Gefühle, die im Inneren brodeln, nicht zumVerschwinden bringen. Da nur rund zehn Prozentder Kommunikation zwischen Menschen überWorte vermittelt werden und der Rest, also neun-zig Prozent, über Stimme und Körpersprache,können GesprächspartnerInnen rasch spüren,wie optimistisch und locker der/die Betroffenewirklich ist, und haben auch bald zumindest eineAhnung davon, was sich hinter der Fassadeabspielen könnte. Der Effekt: Man wirkt nichtmehr authentisch und bringt sich so um eine der Grundlagen guter (geschäftlicher) Kommuni-kation. Aber auch für das Innenleben kann esschwerwiegende Folgen haben, die – zugegeben

unangenehmen – Gefühle weg zu schieben odersich selbst gar nicht zuzugestehen. Nicht bearbei-tete Gefühle tendieren dazu, stärker zu werden,was wiederum den Wunsch erhöht, sie zu unter-drücken. Ein bekannter Teufelskreis, in den sichin weiterer Folge körperliche Symptome (z.B.Kopfschmerzen, Schlafstörungen oder Magenbe-schwerden) einmischen können. Man kann auchmit immer massiveren Abwehrbestrebungen rea-gieren. Das kann – je nach Persönlichkeit undKonstitution – von übertriebenem Arbeitseinsatzüber extremen Sport bis zu exzessivem Nachtle-ben reichen, in Ausnahmefällen auch begleitetvon Substanzmissbrauch. Finden Gefühle keinadäquates Ventil, drücken sie sich über den Körper aus und machen krank.

LÖSUNGSANSÄTZE

Das Leugnen der eigenen Gefühle führt in einenso genannten „Stuck State“. Man steckt buchstäb-lich fest, etwas Neues kann nicht entstehen.Denn dafür ist es notwendig, die Trauer, die Wut,die Verzweiflung, die Ohnmacht, die Scham zuzu-lassen. Ja, mehr noch: sie als für die Situationadäquate Gefühle zu akzeptieren in dem Wissen,dass sie für einige Zeit ständige Begleiter bleibenwerden. Wohlmeinende Aufmunterungen ande-

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GESCHEITER(T)?

rer – wie „Du musst das positiv sehen!“, „Jetzt reißdich halt zusammen!“, „Ist doch alles nicht soschlimm!“ – sind hier eher kontraproduktiv. Vielunterstützender ist ein schlichtes „Ja, das istwirklich schlimm!“.

11 . D IE JETZT-ERST-RECHT-FALLE

„Es kann nicht sein, dass es mir nicht gelingt – jetzt

ein letztes Mal investiert und gewagt, dann wird das

Projekt abheben!“

DAS PROBLEM

Nach dem Überwinden des ersten Schocks kannes leicht zu einer Gegenreaktion kommen: Manist zutiefst von seiner Geschäftsidee, seinem Pro-dukt, seiner Dienstleistung überzeugt, aber daseigene Feuer springt nicht auf potentielle Kun-dInnen, LieferantInnen oder GeldgeberInnenüber. Die eigene Begeisterung kann dann blindmachen. Man möchte es einfach nicht glauben,dass der Plan, auf den man so stolz ist, die Idee,die man für unwiderstehlich hielt, nicht wieerwartet aufgeht.

D IE KONSEQUENZ

Die Falle besteht darin, den Ausstieg zu verpas-sen: Wie ein/e SpielerIn im Kasino bei einer Pech-strähne setzt man nochmals und nochmals, umseine Verluste wieder hereinzuholen und vergrö-ßert sie so jedes Mal, bis nichts mehr geht. Imunternehmerischen Leben kann das heißen: nochmehr ins Marketing investieren, einen neuenKredit aufnehmen, trotz Verlusten bzw. ausblei-bender Erfolge weitermachen in der Hoffnung,dass „im nächsten Monat sicher der große Kundeanbeißt“. Und nach diesem Monat die Deadlineeben wieder aufs nächste Monat verschieben,denn „dann wird es ganz sicher klappen“. Auf die-se Art schafft man nie den glimpflichenAbsprung, der es ermöglichen könnte, mit dennoch verbleibenden Ressourcen und der Lerner-fahrung etwas Neues zu starten.

LÖSUNGSANSÄTZE

Auf der Seite der Hardfacts braucht es vonAnfang an ein ganz klares Limit – schriftlich fest-gelegt -, bis zu dem man bereit ist, zu investierenund sich zu engagieren. Also die genaue Definiti-on des Ausstiegszeitpunkts, an dem man dieGeschäftsidee in dieser Form begräbt.

Auf der Seite der Softfacts muss man schon in derPlanungsphase die Kraft aufbringen, bei allerAnfangsbegeisterung auch die pessimistischeBrille aufzusetzen und einen möglichen Ausstiegklar und detailreich auszudefinieren. In der Situa-tion selbst bedarf es der inneren Größe, rechtzei-tig vom „Spieltisch aufzustehen“, wenn das eige-ne Limit erreicht und noch nicht überschrittenist, und bewusst der Versuchung des „nur nochein Mal“ zu widerstehen.

Alleine kann das besonders schwer sein, hier sindwohlwollende BeraterInnen und MentorInnenvon großer Hilfe. Sie sollten den definiertenPunkt kennen und die Möglichkeit haben, recht-zeitig ans Aussteigen zu erinnern.

12. D IE SPR ACHLOSIGKEI TSFALLE

„Ähhh, na ja, wissen Sie...“

DAS PROBLEM

Es ist Schadensbegrenzung angesagt. KundInnenmöchte man halten, GeschäftspartnerInnen nichtenttäuschen und das eigene Image als erfolgrei-cher Mensch unter allen Umständen wahren.Eine natürliche Reaktion ist, das eigene Scheiternso gut wie möglich zu verbergen oder zu tarnen

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GESCHEITER(T)?

in der Hoffnung, dass es von relevanten KundIn-nen, LieferantInnen oder GeldgeberInnen nichtbemerkt oder zumindest nicht so kritisch bewer-tet wird.

D IE KONSEQUENZ

Auf Schwierigkeiten angesprochen, verhält mansich reaktiv, verbergend, präsentiert Ausreden.Die Grenze zwischen Wahrheit und Schönfärbe-rei verschwimmt zusehends. Ständig muss manfürchten, ertappt zu werden. Rasch wird – oftganz intuitiv – für das Gegenüber klar, dass da„irgendwas nicht stimmt“. Misstrauen und Vor-sicht schleichen sich ein, die Geschäftsbeziehungist in Gefahr.

LÖSUNGSANSÄTZE

„Alle Fehler, die wir machen, sind leichter zu ver-zeihen als unsere Versuche, sie zu verbergen.“Offenheit, Klarheit, Selbstbewusstsein, Selbstkri-tik und klare Botschaften an die Gesprächspart-nerInnen sind die Strategie der Wahl. Es gilt, einemutige und glasklare Kommunikationsstrategiegerade im Scheitern zu entwickeln und zu verfol-gen. Klar sollen alle relevanten Fakten und derenKonsequenzen offen gelegt und ebenso klar dieeigenen Erwartungen an die jeweiligen Partner-

Innen in der schwierigen Situation formuliertwerden. So fühlen sich die PartnerInnen als sol-che ernst genommen, erhalten den Eindruckeiner gefestigten Persönlichkeit, die adäquat mitSchwierigkeiten umgeht und eigene Fehler ein-gesteht, Vertrauen wird gefördert und die Chanceauf eine Weiterführung einer geschäftlichenBeziehung erhöht.

13 . D IE OPFERFALLE

„Also bei dem Verfall der Marktpreise hatte ich keine

Chance!“

DAS PROBLEM

Das Schwierigste am Misserfolg ist es, den per-sönlichen Beitrag daran zu realisieren. Viele vonuns sind wahre Meister darin, auf „die anderen“zu zeigen, die scheinbar an der Misere schuldsind: der Mitbewerb, der zurückgezogene Auftrag,der unverlässliche Lieferant, der abgesprungeneMitarbeiter, der verwehrte Kredit oder derschlechte Berater. Zugegeben, es kann ungemeinentlastend wirken, „die wirklichen Schuldigen“ zukennen und auch zu benennen. So kann man sichselbst als „unschuldiges“ Opfer eben dieser ande-ren fühlen und darstellen.

D IE KONSEQUENZ

Ist der/die UnternehmerIn aber unschuldigesOpfer, heißt das, dass er/sie selbst alles richtiggemacht hat und kaum Einfluss auf das habenkonnte, was da passiert ist. Die klare und für dieZukunft verhängnisvolle Konsequenz dieserÜberzeugung ist, dass man die vielleicht einzigpositive Chance des Scheiterns vergibt: das per-sönliche Lernen und Wachsen. Wer sich zumOpfer macht, behält seine eigene (fehlerhafte,vielleicht falsche) Strategie bei – mit der Gefahr,beim nächsten Projekt Ähnliches zu erleben.

LÖSUNGSANSÄTZE

Sich nicht als „Opfer“ sondern als „TäterIn“ deseigenen Misslingens zu betrachten, mag anfäng-lich irritierend und schmerzhaft sein. Doch nurauf diese Weise kann es gelingen, „blinde Flecken“ zu erhellen und aus dem Scheitern letzt-lich eine Stärke und bereichernde Erfahrung zumachen. Es gilt also, klar und ungeschönt dengegangenen Weg samt allen Entscheidungen undderen Konsequenzen zu analysieren, aber auchbesonders genau hinzuschauen, welche persönli-chen Muster und Überzeugungen zu eben die-sem Vorgehen verleitet haben, in welche „Fallen“man warum getappt ist und was nötig wäre, um

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GESCHEITER(T)?

beim nächsten Mal anders handeln zu können.Um diese Analyse in der nötigen Tiefe und Kon-sequenz durchführen zu können, braucht es wieso oft eine kritische Außenperspektive, z.B. durcheinen Coach oder eine/n MentorIn, um Schwach-stellen aufzuzeigen und bearbeitbar zu machen.

Es gibt keine todsicheren Rezepte, die vor jedemScheitern bewahren werden. Niemand ist davorgefeit, in die eine oder andere Falle zu tappen,auch nicht wenn man sie theoretisch kennt.Leider.

Die größte und gefährlichste Falle von allenbleibt die Überzeugung, dass mir das niemalspassieren kann. Denn diese Überzeugung ist mitSicherheit falsch.

* Johanna Schwetz-Würth ist selbständige

Unternehmerin und Coach.

Gernot Essl ist Vorstandsmitglied der Palmers

Immobilien Gruppe.

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GESCHEITER(T)?

VON KONKURS BIS

SANIERUNGVON ROMANA WIESER, RI CHTERIN

In juristischer Hinsicht wird „Scheitern“ primärmit „Insolvenz“ und „Konkurs“ assoziiert. Überdiese Begriffe sowie über einige weitergehendeAspekte von „Scheitern im juristischen Sinne“ solldieses Kapitel Aufklärung bringen.

Wenngleich in einer freien Wirtschaftsordnungdas Auftreten von Insolvenzen unvermeidlich istund im Sinne einer Bereinigungswirkung auchnotwendig sein kann, gibt es zunehmend – auchvon Seiten der Gesetzgebung – Bemühungen inRichtung Früherkennung von Unternehmenskri-sen, Insolvenzprophylaxe und Sanierung.

So wurde mit dem Unternehmensreorganisa-tionsgesetz (URG) im Jahr 1997 für Unternehmendie Möglichkeit eines Reorganisationsverfahrens

geschaffen. Der Schuldner (also der Unterneh-mer) kann ein solches gerichtliches Verfahrenbeantragen, wenn er noch nicht insolvent ist,jedoch Reorganisationsbedarf besteht. Letzterer

ist insbesondere bei einer vorausschauend fest-stellbaren wesentlichen und nachhaltigen Ver-schlechterung der Eigenmittelquote anzuneh-men (§ 1 Abs 3 URG). Eine Vermutung des Reorga-nisationsbedarfs besteht bei einer Eigenmittel-quote von weniger als 8 % und einer fiktivenSchuldentilgungsdauer von mehr als 15 Jahren (§ 22ff URG). Das Gericht bestellt einen Reorgani-sationsprüfer, und vom Schuldner ist ein Reorga-nisationsplan vorzulegen, welcher insbesonderedie geplanten Maßnahmen zur Verbesserung derVermögens-, Ertrags- und Finanzlage sowie erfor-derliche Zustimmungserklärungen von betroffe-nen Schuldnern, Arbeitnehmern u.dgl. enthaltenmuss – ein Überstimmen von Gläubigern istnicht möglich. Der Durchführungszeitraum sollzwei Jahre nicht übersteigen. Der Reorganisati-onsprüfer hat ein Gutachten über die Zweckmä-ßigkeit und die Erfolgsaussichten des Planes vor-zulegen und unter Umständen die Durchführungzu überwachen. Eine Publizität des Verfahrensbesteht nicht.

Zentraler Anreiz für die Einleitung eines solchenVerfahrens sind die materiellrechtlichen Wirkun-gen: So können im Reorganisationsverfahrengesetzte Rechtshandlungen (Überbrückungs- und

Reorganisationsmaßnahmen) nur sehr einge-schränkt angefochten werden, weiters unterlie-gen Reorganisationsmaßnahmen nicht denRegeln des Eigenkapitalrechts (§ 20 URG).

Schließlich haften die Organe prüfpflichtiger juri-stischer Personen und bestimmter Personenge-sellschaften im Konkursfall, wenn ein Bericht desAbschlussprüfers in den letzten zwei JahrenKennzahlen enthält, die zur Vermutung einesReorganisationsbedarfs führen (siehe oben).

Die praktische Bedeutung des beschriebenen Ver-fahrens ist allerdings – wohl im Hinblick auf dienicht unbeträchtlichen Kosten und die zweifel-hafte Praktikabilität des Verfahrens – gering.

Eine andere – in der Praxis gängigere – Maßnah-me zur Insolvenzvermeidung ist der außergericht-

liche Ausgleich. Eine gesetzliche Regelung hierfürbesteht nicht, einzig und allein § 183 Abs 2 KOsieht für das Schuldenregulierungsverfahrennatürlicher Personen vor, dass ein Schuldner, derkein Unternehmen betreibt, bescheinigen muss,dass ein außergerichtlicher Ausgleich gescheitertist – der Versuch eines solchen Ausgleichs istdemnach Voraussetzung für eine Konkurseröffnung.

GESCHEITER(T) – DER GESETZLICHE ASPEKT

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GESCHEITER(T)?

Ein außergerichtlicher Ausgleich ist ein Vergleichim zivilrechtlichen Sinne (vgl. § 1380ff ABGB). DerSchuldner schließt demnach mit jedem einzelnenGläubiger eine Vereinbarung über einen teilwei-sen Verzicht auf eine Forderung, über die Stun-dung von Zahlungen oder über Ratenzahlungen.Jeder betroffene Gläubiger muss zustimmen. Einesolche Zustimmung wird nur erreichbar sein,wenn die Gläubiger annehmen, einen größerenAnteil zu erhalten als bei einem drohenden Kon-kurs. Bei Erzielung eines Ausgleichs wird derSchuldner mit Erfüllung der vereinbarten Quotevon der restlichen Schuld befreit.

Grundsätzlich können die Gläubiger sogar ver-schiedene Quoten angeboten bekommen, esmüssen auch nicht alle Gläubiger am Ausgleichteilnehmen. Allerdings ist eine solche Ungleich-behandlung allen Gläubigern gegenüber offenzu-legen. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Zah-lungen, die einzelne Gläubiger begünstigen (d.h.wenn einzelne Gläubiger in höherem Ausmaßbefriedigt werden als andere), angefochten werden.

Dieses Instrument des außergerichtlichen Aus-gleichs stellt eine kostengünstige, diskrete (daher

auch „stiller Ausgleich“ genannt) und flexibleSanierungsmaßnahme dar. Allerdings muss eineÜbereinkunft mit sämtlichen Gläubigern erzieltwerden. In der Praxis sind vor allem Sozialversi-cherungen kaum bereit, einem außergerichtli-chen Ausgleich zuzustimmen, was folglich zumScheitern führt.

Zu beachten ist, dass auch während der Verhand-lungen über einen solchen Ausgleich die 60-Tages-Frist des § 69 Abs 2 KO weiterläuft, binnenwelcher eine Konkurseröffnung beantragt wer-den muss, eine Fristenhemmung findet nichtstatt.

Nicht unerwähnt bleiben soll als Krisenbewälti-gungsinstrument die Möglichkeit einer Wirt-

schaftsmediation. Mediation ist „eine auf Freiwil-ligkeit der Parteien beruhende Tätigkeit, bei derein fachlich ausgebildeter, neutraler Vermittler(Mediator) mit anerkannten Methoden die Kom-munikation zwischen den Parteien systematischmit dem Ziel fördert, eine von den Parteien selbstverantwortete Lösung ihres Konfliktes zu ermög-lichen“ (§ 1 Zivilrechts-Mediations-Gesetz).Wichtige Merkmale sind die Freiwilligkeit derTeilnahme, die Neutralität/Allparteilichkeit des

Mediators, die Offenlegung aller Interessen allerBeteiligten, die Einbeziehung aller Konfliktpartei-en, die Vertraulichkeit der Mediation, die Verein-barungen über die Kommunikation zwischen denParteien, die Selbstverantwortung der Parteien,die Erweiterung des Entscheidungsspielraumsdurch die Erweiterung des Blickfeldes, koopera-tive Lösungsversuche statt Konfrontation sowieder Abschluss durch verbindliche Vereinbarung(Werner Steinacher: „"Mediation in der Unterneh-menskrise und Insolvenz", S 477 ff, Krisenmanage-ment, 2007, siehe Links und Literatur).

Die konkrete Ausgestaltung einer Mediation ist –abhängig von der Ausgangssituation – vielfältig,dasselbe gilt für die Zielsetzung. Es handelt sichum ein überaus flexibles und anpassungsfähigesInstrument, das zu konsens- und zukunftsorien-tierten Lösungen führen soll.

Als letzter Ausweg bleibt schließlich das Insol-

venzverfahren, welches entweder als Konkurs oderAusgleich geführt werden kann.

Voraussetzung ist der Eintritt der Zahlungsunfä-higkeit (= die Unfähigkeit des Schuldners, man-gels flüssiger Mittel binnen angemessener Frist

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GESCHEITER(T)?

und bei redlicher wirtschaftlicher Gebarung alleseine fälligen (!) Verbindlichkeiten zu begleichen)oder der Überschuldung. Dieser für juristischePersonen maßgebliche Konkursgrund liegt vor,wenn das Aktivvermögen (bei Bedachtnahme aufetwaige stille Reserven) nicht die Verbindlichkei-ten deckt und ergänzend eine negative Fortbeste-hensprognose besteht.

Nach § 69 Abs 2 KO hat der Schuldner (also derpersönlich haftende Gesellschafter von Personen-gesellschaften oder der organschaftliche Vertre-ter juristischer Personen, d.i. der Geschäftsführereiner GmbH oder der Vorstand einer AG) diePflicht, ohne schuldhaftes Zögern, spätestens 60Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit einenKonkurs oder Ausgleichsantrag zu stellen.Antragsberechtigt ist aber auch jeder Gläubiger,der eine Konkursforderung glaubhaft macht.

Weitere Eröffnungsvoraussetzung ist das Vorlie-gen eines kostendeckenden Vermögens. Daruntersind die Anlaufkosten des Konkursverfahrens zuverstehen – es ist von rund 4.000 ! auszugehen,die vom Antragsteller (Gläubiger oder Schuldner)vorschussweise zu erlegen sind, falls ein kosten-deckendes Vermögen fehlt.

Die Konkurseröffnung wird samt wichtiger Datenin der Ediktsdatei (www.edikte.justiz.gv.at) veröf-fentlicht, damit treten die Konkurswirkungen ein.

Prinzip eines Konkurses ist, dass das gesamte Ver-mögen des Schuldners („Gemeinschuldner“) füreine gleichmäßige Befriedigung aller Gläubigerherangezogen wird. Unabhängig vom Zeitpunktder Forderungsanmeldung bekommt also jederdie gleiche Quote, und abgesehen von bestimm-ten „konkursfreien“ Vermögensteilen wird dasgesamte Vermögen vom gerichtlich bestelltenMasseverwalter verwertet. Um dies zu ermögli-chen, besteht ab Konkurseröffnung eine Prozess-und Exekutionssperre, die Rechtsverfolgungdurch einzelne Gläubiger ist damit nicht möglich.Weiters verliert der Schuldner die Verwaltungs-und Verfügungsbefugnis über das massezugehö-rige Vermögen, diese geht auf den Masseverwal-ter über. Es wird eine Postsperre verhängt. DemGemeinschuldner ist lediglich zu überlassen, was„zu einer bescheidenen Lebensführung unerläss-lich ist“; Sachen von unbedeutendem Wert kön-nen ausgeschieden und ihm ebenso überlassenwerden.Der Masseverwalter nimmt das Konkursvermö-gen in Besitz, prüft die wirtschaftliche Lage sowie

Anfechtungsmöglichkeiten und verteilt nach derVerwertung den Erlös. Solange ein Unternehmenfortgeführt wird, kann es nur als Ganzes veräu-ßert werden; bei Schließung des Unternehmens(was zu erfolgen hat, wenn anders eine Erhöhungdes Ausfalls nicht zu vermeiden wäre bzw. wennbinnen eines Jahres kein Zwangsausgleich ange-nommen wird) hat die günstigste Art der Verwer-tung zu erfolgen – die Zerschlagung des Unter-nehmens soll dabei letztes Mittel sein. Liegen-schaften und andere massezugehörige Sachenwerden entweder freihändig veräußert odergerichtlich kridamäßig versteigert. Für bestimm-te Handlungen muss der Masseverwalter die kon-kursgerichtliche Genehmigung einholen, erunterliegt der Kontrolle des Gerichts. DerGemeinschuldner ist verpflichtet, dem Massever-walter die erforderlichen Informationen zu erteilen.

Konkursforderungen sind alle Ansprüche, diedem Gläubiger zum Zeitpunkt der Konkurseröff-nung gegen den Gemeinschuldner zustehen; siemüssen im Verfahren angemeldet werden (wobeiein Gläubiger, der die Anmeldung vorwerfbarerst nach Ablauf der gesetzten Frist vornimmt,grundsätzlich die Kosten einer eigens anzuberau-

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GESCHEITER(T)?

menden Prüfungstagsatzung zu tragen hat). DieFeststellung als Konkursforderung durch Aner-kennung des Masseverwalters in der Prüfungs-tagsatzung bewirkt die Teilnahme am Konkurs,also die Berücksichtigung der Forderung bei derquotenmäßigen Befriedigung. Bei Bestreitung istüber das Bestehen der Forderung in einemgerichtlichen Verfahren („Prüfungsprozess“) zuentscheiden.

Nicht anmeldepflichtig sind jedoch Aussonde-rungsrechte (d.i. vor allem das Eigentumsrecht,z.B. wenn sich ein Gläubiger Eigentumsvorbehaltausbedungen hat) und Absonderungsrechte (d.i.vor allem das Pfandrecht), diese bleiben mit eini-gen Ausnahmen bestehen.

Ebenso müssen Masseforderungen nicht ange-meldet werden. Es handelt sich dabei um Ansprü-che gegen die Konkursmasse, die nach Konkurser-öffnung entstehen, sie müssen vorweg (also vorden Konkursforderungen und zur Gänze) befrie-digt werden. Masseforderungen sind im Wesent-lichen die Kosten des Konkursverfahrens, nachder Konkurseröffnung entstandene Steuern, SV-Beiträge und andere öffentliche Abgaben, Forde-rungen der Arbeitnehmer auf laufendes Gehalt

und Ansprüche aus den vom Masseverwalterabgeschlossenen bzw. genehmigten Rechtsge-schäften.Im Übrigen bestehen weitreichende Auswirkun-gen des Konkurses auf bestehende Verträge, ins-besondere Arbeitsverträge, Mietverhältnisse, Auf-rechnungsmöglichkeiten, die in § 19ff KO nachzu-lesen sind.

In § 27ff KO sind mehrere Anfechtungstatbestän-de geregelt. Demnach können bestimmte Rechts-handlungen, die vor der Konkurseröffnunggesetzt wurden und die den Haftungsfonds derGläubiger zu Gunsten eines bevorzugten Gläubi-gers schmälern, angefochten und somit fürunwirksam erklärt werden.

Hinzuweisen ist auf das Haftungsrisiko derorganschaftlichen Vertreter eines Unternehmens:Den persönlich haftenden Gesellschafter, denGeschäftsführer und den Vorstand trifft bei Ver-letzung der Antragspflicht nach § 69 Abs 2 KOgegenüber den Konkursgläubigern eine (persönli-che!) Haftung für den „Quotenschaden“, d.i. eindurch eine spätere Konkurseröffnung entstande-ner höherer Forderungsausfall. Auch für andereaus der Verspätung resultierende Schäden hat er

zu haften. Weiters besteht für den Kostenvor-schuss zur Deckung der Anlaufkosten eine per-sönliche Haftung. Für Pflichtverletzungen gegen-über dem gemeinschuldnerischen Unternehmenkann das vertretungsbefugte Organ ebensoersatzpflichtig werden, besteht doch die Pflicht,die Geschäfte mit der Sorgfalt eines ordentlichenGeschäftsmannes zu führen (vgl. § 25 GmbHG).Bei Verletzung dieser Pflichten kann der Masse-verwalter namens der Konkursmasse Forderun-gen gegen den Geschäftsführer, Vorstand, persön-lich haftenden Gesellschafter geltend machen.Für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträgesowie Abgabenverbindlichkeiten haftet dasOrgan bei Verschulden, sofern der Betrag nichtbeim Unternehmen einbringlich gemacht wer-den kann. Weiters haben die vertretungsbefug-ten Organe, die gleichzeitig Dienstnehmer sind,keinen Anspruch auf Insolvenzausfallgeld nachdem IESG, rückständige Bezüge werden demnachnur mit der Quote befriedigt.

Im Jahr 2000 erfolgte im Zuge einer Strafrechts-novelle eine deutliche Entschärfung des Krida-strafrechts. § 159 StGB normiert bei fahrlässigemHandeln die Straftatbestände, für die der Schuld-ner, der Geschäftsführer, das Vorstandsmitglied,

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GESCHEITER(T)?

der Prokurist oder der leitende Angestellte mitmaßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführungzur Verantwortung gezogen wird. Voraussetzungist ein „kridaträchtiges Handeln“, worunter (imGesetz definierte) grobe Verstöße gegen dieGrundsätze ordentlichen Wirtschaftens zu verste-hen sind (z.B. das Nichterstellen der Jahresab-schlüsse, das Unterlassen der Führung von ord-nungsgemäßen Geschäftsbüchern, das Treibeneines übermäßigen Aufwandes, der in auffallen-dem Missverhältnis zur wirtschaftlichen Lei-stungsfähigkeit steht u.dgl.). Wird wegen solcherkridaträchtiger Handlungen grob fahrlässig dieZahlungsunfähigkeit herbeigeführt oder grobfahrlässig die Befriedigung der Gläubiger inKenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der Zah-lungsunfähigkeit vereitelt, besteht ein strafbaresVerhalten. Strafbarkeit besteht unter diesen Vor-aussetzungen auch, wenn die Zahlungsunfähig-keit nur durch einen helfenden Eingriff deröffentlichen Hand vermieden wurde.

Gemäß § 153c StGB ist weiters das Nichtabführenvon einbehaltenen Dienstnehmerbeiträgen andie Sozialversicherungsanstalt strafbar. Betrügeri-sche (also vorsätzliche) Krida ist weiterhin straf-bar (§ 156 StGB). § 160 StGB stellt bestimmte

„Umtriebe“ während eines Ausgleichs- oder Kon-kursverfahrens unter Strafe.

Eine strafrechtliche Verurteilung wegenbestimmter Kridadelikte ist ein Gewerbeaus-schlussgrund, dasselbe gilt für die Dauer von dreiJahren für die Abweisung des Konkursantragsmangels kostendeckenden Vermögens (§ 13GewO). Es kann weder von der betroffenen juri-stischen Person noch von natürlichen Personen,die einen maßgeblichen Einfluss auf solch einUnternehmen hatten, ein Gewerbe ausgeübtwerden. Das Erwirken einer Nachsicht ist jedochmöglich (§ 26 GewO).

Schlussendlich wird das Konkursverfahren durchdie Verteilung beendet, wobei die Konkursgläubi-ger entsprechend ihrer festgestellten Konkursfor-derung quotenmäßig befriedigt werden und derKonkurs in der Folge aufgehoben wird. Damitgeht die Verwaltung- und Verfügungsbefugniswieder auf den Gemeinschuldner über. Der dieQuote übersteigende Teil der Forderung bleibtjedoch bestehen, eine Restschuldbefreiung erfolgtnicht. Nach Beendigung des Konkurses steht essomit jedem Gläubiger frei, gegen den SchuldnerExekution zu führen und weitere Versuche der

Einbringlichmachung vorzunehmen.Eine Schuldbefreiung kann im Rahmen des Kon-kursverfahrens durch einen Zwangsausgleich

erreicht werden. Die Konkursgläubiger müssendabei binnen zwei Jahren mindestens 20 % ihrerForderungen erhalten. Der Gemeinschuldner hatüber die konkreten Konditionen einen Zwangs-ausgleichsantrag zu stellen, notwendig ist dieZustimmung einer qualifizierten Mehrheit derGläubiger: Mehr als die Hälfte der bei derZwangsausgleichstagsatzung anwesenden Gläu-biger, die mindestens 75 % der Gesamtsumme derForderungen innehaben, müssen zustimmen. BeiErfüllung der Zwangsausgleichsleistungen sinddie Schulden vollständig getilgt und die Entschul-dung ist erreicht, bei qualifiziertem Verzug trittein Wiederaufleben ein.

Als Variante steht natürlichen Personen (alsonicht Unternehmen) ein Zahlungsplan (= Zwangs-ausgleich ohne Mindestquote) oder ein Abschöp-

fungsverfahren offen, dessen Ziel die Restschuldbe-freiung ist (vgl. §§ 181ff KO).

Alternativ zum Konkursverfahren kann der insol-vente Schuldner einen Ausgleich beantragen. Diesist ein Sanierungsverfahren, hat also den Erhalt

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GESCHEITER(T)?

und nicht die Liquidation des Schuldnervermö-gens zum Inhalt. Vom Gericht ist ein Ausgleichs-verwalter einzusetzen, der den Schuldner unddessen Geschäftsführung kontrolliert, inbestimmten Angelegenheiten zustimmen muss,die angemeldeten Forderungen prüft und allen-falls im fortgesetzten Verfahren überwacht. DieGeschäftsfähigkeit des Schuldners unterliegtdaher gewissen Beschränkungen (z.B. bei Disposi-tionen über Liegenschaften oder außergewöhnli-chen Rechtshandlungen).

Der vom Schuldner zu stellende Ausgleichsantragmuss die gesetzliche Mindestquote von 40 % ent-halten, zahlbar binnen zwei Jahren ab Annahmedes Ausgleichs. Wie beim Zwangsausgleich müssen eine absolute Kopfmehrheit und eineSummenmehrheit von mindestens 75 % deranwesenden Gläubiger dem Antrag zustimmen,damit ein Ausgleich als angenommen gilt.

Bei Erfüllung des Ausgleichs kommt es wiederumzur Restschuldbefreiung, bei Säumnis leben dieForderungen wieder auf.

Wurde ein Ausgleich binnen 90 Tagen nichtangenommen, ist das Verfahren einzustellen, eskann zum „Anschlusskonkurs“ kommen.

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GESCHEITER(T)?

STEUERKNIGGE – NÜTZ-

LICHE WIRTSCHAFTLICHE

VERHALTENSWEISEN AUS

DER SICHT DER STEUER-

BERATUNG VON CHRISTOPH J. HEIMERL , STEUERBERATER

Der Zugang des Gesetzgebers zum Thema „Schei-tern“ hat sich in den letzten Jahren verändertund wird nun differenzierter betrachtet als voreinigen Jahren. Dies zeigt sich u.a. darin, dass ein„redliches Scheitern“ gegenüber dem „grob fahr-lässigen Handeln“ straffrei gestellt wurde. Einähnlicher Weg wurde auch im Steuerrechtbeschritten.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jederWirtschaftstreibende darauf achtet, ein wirt-schaftliches Scheitern zu vermeiden und dasUnternehmerrisiko zu minimieren.Basis dafür sind eine fundierte Standortbestim-mung und das Festlegen spezifischer Grundre-

geln, die den Rahmen des eigenen wirtschaftli-chen Handelns bestimmen. Durch diese „Rahmenfunktion“ (wie bei einem Bilderrahmen)wird erst die Möglichkeit geschaffen, das „Bilddes eigenen Wirtschaftens“ zu gestalten.

Speziell für den finanziellen Aspekt sollten dabeifolgende „Rahmen“-Bedingungen festgelegt werden:

! Trennung der Finanzen in eine Berufssphäre und eine Privatsphäre: z.B. getrennte Kontenlassen keine Vermischung dieser beiden Bereiche zu.

! Definieren des Geschäftsmodells für das wirt-schaftliche Handeln: Umsatz, variable Kosten,Fixkosten, Deckungsbeitrag; womit erwirt-schafte ich einen Gewinn? Grundsätzlich lässt sich jedes Geschäftsmodell über wenige Para-meter steuern.

! Definition eines Ausstiegsszenarios bzw. eines -zeitpunkts, wann das bestehende Geschäfts-modell bzw. der -plan aufgegeben wird.

! Beschränkung des eingesetzten Kapitals: Bis zuwelcher Höhe kann ich Kapital einsetzen bzw.aufbringen?

! Beschränkung auch des eingesetzten Haf-

tungskapitals bzw. Festlegung vereinbarer Parameter: Bestimmen, ab wann das Haf-tungskapital wieder zurückgeführt wird, z.B.wann ist keine Simultanhypothek mehr erfor-derlich, ab wann trägt sich die finanzierte Immobilie selbst?

! Erstellung von Businessplänen (für die Erfolgs-ermittlung und Liquiditätsplanung): Eine Hauptfunktion von Businessplänen ist die Reduktion der Komplexität des wirtschaft-lichen Handelns und das Konkretisieren und Ausformulieren des Geschäftsmodells.

! Schwierigen Situationen mit offener Kommu-nikation begegnen, vor allem gegenüber Geld-gebern: Agieren statt Reagieren!

! Fristenkongruenz bei der Finanzierung: Lang-fristige Investitionen sollen ebenfalls lang-fristig finanziert werden.

! Eigenkapitalausstattung festlegen bzw. kri-tisch beleuchten: Die Zeit der Einzelkämpfer istvorbei – Kooperationen sind oft sinnvoll.Andere am Erfolg zu beteiligen, kann viele Vor-teile haben, u.a. die Mithilfe, gesteckte Ziele zu erreichen.

GESCHEITER(T) – DER FINANZIELLE ASPEKT

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GESCHEITER(T)?

STRAFRECHTLI CHE ASPEKTE DER INSOLVENZ

Bei aller Lockerung durch den Gesetzgeber: DieSanktionen bzw. die Berührungspunkte der straf-rechtlichen Verfolgung des „wirtschaftlichenScheiterns“ hinterlassen eine stigmatisierendeWirkung bei den Betroffenen bzw. in unsererGesellschaft.

Unter strafrechtlichen Aspekten im Zuge derInsolvenz sind hauptsächlich die Gläubiger-schutzdelikte der § 156 bis 163 StGB zu verstehen.Daneben können natürlich auch noch andereStraftatbestände verwirklicht werden, wie bei-spielsweise Betrug (§ 146 StGB), Veruntreuung (§ 133 StGB) oder Untreue (§ 153 StGB).

Betroffene werden meistens mit folgenden straf-rechtlichen Aspekten in Krisensituationen kon-frontiert:

! Betrügerische Krida gemäß § 156 Abs 1 StGB („ ...wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlich-keit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert

und dadurch die Befriedigung seiner Gläubigeroder wenigstens eines von ihnen vereitelt oderschmälert ...“)

! Schädigung fremder Gläubiger

! Begünstigung eines Gläubigers

! Grob fahrlässige Beeinträchtigung von

Gläubigerinteressen

Dazu zählen auch kridaträchtiges Handeln,d.h. Handlungen gegen Grundsätze ordentli-chen Wirtschaftens wie etwa

! das Unterlassen von Führen von Geschäfts-büchern oder geschäftlichen Aufzeichnungen oder wenn man diese „ ...so führt, dass ein zeit-naher Überblick über seine wahre Vermögens-,Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, oder sonstige geeignete und erforder-liche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschaffen, unterlässt ...“ oder

! „ ... Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet ist, zu erstellen unterlässt oder auf eine solche Weise oder so spät erstellt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermö-gens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird...“

! „Umtriebe“ während einer Geschäftsaufsicht

im Ausgleichs- oder Konkursverfahren (z.B.

Geltendmachung von nicht bestehenden For-derungen, in der Absicht, einen nicht zuste-henden Einfluss im Insolvenzverfahren zu erlangen)

! Vollstreckungsvereitelung

! § 153c StGB: Ein Dienstgeber macht sich straf-bar, wenn er die Beiträge eines Dienstnehmers (Dienstnehmeranteil der Sozialversicherung - jener Anteil, welcher vom Bruttogehalt des Dienstnehmers einbehalten wird) nicht an denberechtigten Versicherungsträger abführt.

Durch die Novellierung des § 159 StGB im Jahr2000 wurde das „redliche Scheitern“ straffrei undnur mehr das „grob fahrlässige Handeln“ unter Strafe

gestellt.

ERTRAGSSTEUERLI CHE ASPEKTE

Durch das Abgabenänderungsgesetz 2005 wurdemit Wirkung ab der Veranlagung 2006 dieBesteuerung des Schuldenerlasses in einem Insol-venzverfahren neu geregelt.

Beim gerichtlichen Ausgleich, Zwangsausgleichund im Zahlungsplanverfahren oder durch Ertei-lung einer Restschuldbefreiung nach Durchfüh-

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GESCHEITER(T)?

rung eines Abschöpfungsverfahrens (siehe dazuBeitrag „Der gesetzliche Aspekte: Von Konkurs bisSanierung“) hat bei Schuldennachlässen eineSteuerfestsetzung in Höhe der auf die nachgelas-sene Quote entfallenden Einkommenssteuer zuunterbleiben. Es ist nicht mehr erforderlich, dassder Schuldennachlass die Merkmale eines Sanie-rungsgewinnes erfüllen muss.

Im Rahmen eines außergerichtlichen Ausgleicheswurde die Abgabenbehörde befugt, in gleicherWeise von einer Abgabenfestsetzung wie beimgerichtlichen Insolvenzverfahren Abstand zunehmen. Bei diesem Verfahren ist jedoch daraufBedacht zu nehmen, inwieweit die wirtschaftli-che Situation auf unangemessen hohe Entnah-men zurückzuführen ist oder ob die zum Schul-dennachlass Anlass gebenden Verluste sichbereits steuerlich ausgewirkt haben.

AUSGEWÄHLTE ABGABENRECHTLI CHE

HAFTUNGEN

Aus der Fülle von Haftungen, die das Abgaben-recht festlegt, wird nachfolgend auf jene einge-gangen, die vermehrt Berührungspunkte zu Krisensituationen aufweisen.

! Haftung bei Zession:

Bei einer Mantel- oder Globalzession von For-derungen sollte vereinbart werden, dass die Zession nicht die Umsatzsteuer erfassen darf,da anderenfalls der Geschäftsführer für die nicht entrichtete Umsatzsteuer haftet.

! Treuhändig abzuführende Abgaben:

Äquivalent zu den treuhändig einbehaltenen Sozialversicherungsbeiträgen haftet der Unter-nehmer auch für die treuhändig einbehaltene

Lohnsteuer. Gleiches gilt für die Kapitaler-

tragssteuer bei Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften und die Abzugssteuer

bei beschränkt Steuerpflichtigen.

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GESCHEITER(T)?

„STERBEN UND WERDEN“

– DAS IST GANZ

NATÜRLICH UND KEIN

SCHEITERN

Ein Unternehmen ist für mich gescheitert, wennes Konkurs anmelden muss. Keineswegs aber,wenn der Unternehmer erkennt, dass die Zeit fürdiese Art von Unternehmen, für diese Art vonProdukten und Leistungen vorbei ist. Liquidie-rung ist kein Scheitern. Glücklich und klug ist der-jenige, der rechtzeitig entdeckt, wenn es für ihnund seine Firma keinen (Markt-)Platz mehr gibt.Eine frühzeitige, realistische und mutige Einsichtdahingehend könnte sicher so manches Scheiternverhindern.

Aber scheitern kann ja nicht nur ein Unterneh-mer, das kann jeder. Für mich ist ein Menschdann gescheitert, wenn er seine Begabungen seinganzes Leben lang nicht sinnvoll einsetzen konn-te. Ein Unternehmer, der aus einer Krise gestärktherauskommt, ist hingegen nicht gescheitert.

Dieser Zugang ist im angelsächsischen Raum –und allen voran in den USA – seit langem schonüblich, bei uns steckt er leider noch in den Kin-derschuhen.

Meine Familie ist seit 1710 unternehmerisch tätig.Da gab es sehr unterschiedliche Zeiten. Sehr rei-che und sehr krisengeschüttelte Phasen. Auchmein eigener Einstieg in das Unternehmertumwar in einer krisenvollen Zeit und es gab Phasen,in der wir Mitarbeiterabbau, Schließungen undKonsolidierungen durchführen mussten. Ich warund bin mir immer einer breiten Verantwortungbewusst gewesen und überzeugt, dass Verläss-lichkeit, Nachvollziehbarkeit und Berechenbarkeitfür einen Unternehmer wichtige Eigenschaftensind.

Als „gescheitert“ habe ich mich in keiner noch soschwierigen Phase gefühlt – ich denke, weil ichimmer aktiv war, nach vorne geschaut und unter-nehmerische Möglichkeiten gefunden habe. EinZugang, der mir von meiner Familie mitgegebenwurde – ganz natürlich im Alltag. Das machtsicher vieles einfacher. Aber ich bin überzeugt,dass man seine Werte auch selbst entwickelnkann – durch Zuhören, Reflektieren und durch

Kommunikation. Einen Wertemaßstab als „Navi-gator“ für sein Agieren zu haben und einzuset-zen, ist jedenfalls weder Zeitverschwendung noch„altmodischer“ Luxus, sondern eine wichtige Ori-entierungshilfe, die einem auch über schwierigeZeiten helfen kann.

Dialog halte ich generell für etwas ganz Wichti-ges. Dinge auszusprechen und allgemein ver-ständlich darüber zu diskutieren – das stärkt undgibt vor allem auch viel Kraft in Krisenzeiten. Dasbedeutet ständige Kommunikation nicht nur imberuflichen Bereich, sondern auch innerhalb derFamilie. So gibt man Werte weiter, so macht manEntscheidungen greifbar und rüstet sich, undauch seine Partner und Kinder, gegen potenzielleAngreifer, die einem Neid und Schadenfreudeentgegenbringen oder als gescheitert sehen wol-len. Ich persönlich habe mich von solchen Men-schen nie irritieren lassen – nicht in guten undnicht in schlechteren Zeiten –, denn solche Men-schen finden immer etwas, worüber sie negativreden können bzw. wollen.

VEIT SCHMID-SCHMIDSFELDEN, RUPERT FERTINGER GMBH

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GESCHEITER(T)?

SCHEITERN IST IN INNO-

VATIVEN PROZESSEN

UNUMGÄNGLICH

Unternehmerisch tätig sein bedeutet, sich perma-nent mit Veränderungen zu beschäftigen bzw.diese auch selbst zu initiieren. Wer unternehme-risch handelt, ist daher unweigerlich mit Wider-ständen und oftmals auch mit Niederlagen kon-frontiert. Wobei ja Niederlagen generell zumLeben gehören – nicht nur zum Arbeitsleben.Aber vor allem als unternehmerischer Menschmuss man den Gedanken, dass man scheiternkann, ertragen und mit Rückschlägen umgehenkönnen. Deshalb üben wir mit unseren Studen-ten in Praxisprojekten solche Situationen undladen neben erfolgreichen Unternehmern auchganz bewusst Gastreferenten ein, die mit einemUnternehmen oder einem Projekt gescheitertsind. Es ist wichtig zu hören, wie sich diese Perso-nen wieder motiviert und was sie aus der Situati-on gelernt haben.Die Stigmatisierung von Scheitern hat in unserenBreiten sicher sehr viel mit der Geschichte, der

Kultur, der Religion zu tun. Wir sind noch immerstark vom feudalistischen System geprägt. Auchwird vielfach in der Dimension „alle sollen gleichsein und gleich behandelt werden“ gedacht statt„leistungsgerechte Unterschiede sind o.k.“. Unddas Neidpotenzial ist in Österreich auch ziemlichgroß – geht oftmals bis zur Häme – und ist sicherein Einfluss, der die Angst, als gescheitert zu gel-ten, verstärkt. Ein Einfluss, der auch die unterneh-merische Dynamik behindert. Aber ich bemerkeeinen Wandel. Unis sind ja oft Frühindikatorenvon gesellschaftlichen Entwicklungen. So hatzum Beispiel eine Umfrage des Instituts ergeben,dass 61 % der Studenten als größten Makel inihrem Lebenslauf eine Vorstrafe wegen Trunken-heit am Steuer sehen, aber nur 8 % eine geschei-terte Unternehmerkarriere. Die Antworten wärenvor wenigen Jahren sicherlich noch anders aus-gefallen. In einer repräsentativen Befragunghaben wir ermittelt, dass respektable 36 % derWU-Studenten das Ziel haben, sich selbständigzu machen. Pragmatisierter Beamter nach demStudienabschluss zu werden, lag in diesem Ran-king als Zielwunsch an letzter Stelle.

Mir ist wichtig zu betonen, dass Unternehmer-tum eine Geisteshaltung ist und auch von Ange-

stellten gelebt werden kann und sollte. Natürlichbedarf es dafür auch in den Unternehmen ent-sprechender Strukturen. Der Gründungsakt alssolcher ist nicht unbedingt relevant. Das siehtman beispielsweise in den oftmals publizierten,stark steigenden Selbständigenquoten. Es isterfreulich, dass sie steigen und sicherlich spie-geln sie auch einen positiven Trend wieder. Aberwenn man ehrlich ist, muss man sagen, dass vonden jährlichen 30.000 Neugründungen vermut-lich 95 % wenig volkswirtschaftliche Relevanzhaben, weil sie nicht innovativ und wachstums-orientiert sind. Als relevantere Zahl sehe ich dieAnzahl jener Unternehmer, die Neues entwickelnund umsetzen wollen. Sich in technologienahenBereichen selbständig zu machen, ist aber nachwie vor nicht besonders populär in Österreich,und speziell bei den Wirtschaftswissenschafterngibt es viele Berührungsängste. Ressentimentszwischen den Disziplinen müssen abgebaut wer-den, denn in der Vernetzung und in der Kombina-tion von unterschiedlichen Wissensbereichenund Talenten liegt ein enorm großes Erfolgspo-tenzial, das die Wahrscheinlichkeit zu scheiternverringert, wie empirische Untersuchungenimmer wieder belegen. Deshalb initiiere undunterstütze ich die diversen Kooperationen der

UNIV.-PROF. DR. NIKOLAUS FRANKE, WIRTSCHAFTSUNIVERSITÄT WIEN – LEHRSTUHL FÜR ENTREPRENEURSHIP

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GESCHEITER(T)?

WU mit technischen und naturwissenschaftli-chen Universitäten, allen voran das gemeinsameEntrepreneurship Center mit der TU, wo wirsogar schon einen gemeinsamen MBA zu Entre-preneurship und Innovation haben. Gemeinsa-mes Arbeiten schafft Verständnis und Anerken-nung.

PROBLEMLÖSUNGSFÄHIGKEIT IST SCHLÜSSEL-

QUALIFIKATION

Es sollte nicht das Ziel sein, Scheitern um jedenPreis zu verhindern. Was nicht passend für denMarkt ist, sollte nicht durchgetragen, sondernbeendet werden, und die Energie sollte besser fürandere bzw. neue Aktivitäten verwendet werden.Die Austrian School of Economics hat dafür dasSchlagwort vom „Markt als Entdeckungsverfah-ren“ geprägt. Dafür ist es natürlich auch notwen-dig, das Scheitern zu entstigmatisieren. Was brau-chen wir dafür? Öffentlichkeit, Diskussion, Vorbil-der – hier sind sicher auch die Medien und Jour-nalisten gefordert. Wir brauchen neue Finanzie-rungsformen, wir brauchen weniger juristischeRegeln – Liberalisierung macht in diesem BereichSinn, denn der Geist „Unternehmer zu zügeln“ istschon noch vielfach erkennbar. Wir brauchen

aber vor allem neue Ansätze und Unterrichtsfor-men im Bildungssystem. Weg vom Auswendig-lernen hin zum Ausprobieren! Und das bereits abdem Kindergarten und nicht erst im Studium.Nicht die Wissenden sind die Erfolgreichsten,sondern jene mit hoher Problemlösungsfähigkeit.An US-Schulen wird kreatives Problemlösenbereits als Unterrichtsfach angeboten – es auchan Österreichs Schulen einzuführen, hielte ich fürsehr wichtig.

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GESCHEITER(T)?

GEGEN KONKURS GIBT ES

KEINE IMPFUNG

Fleißig und anständig zu sein, reicht in der heuti-gen Zeit nicht mehr aus, um auf lange Sicht einerfolgreicher Unternehmer zu sein. Man mussständig zumindest zur besseren Hälfte der Bran-che gehören, um nicht abzurutschen; man mussinnovativ sein. Aber Innovation birgt natürlichauch Risiko. So braucht man für Innovationenhäufig viel Geld. Geld, das im Unternehmen oftnicht vorhanden ist. Kredite bekommen abererfahrungsgemäß am leichtesten jene, die frem-des Geld scheinbar gar nicht brauchen. Also prä-sentieren sich viele Unternehmer so, als ginge esihnen finanziell ohnedies prächtig. Oft so lange,bis sie es selbst glauben, auch wenn es demUnternehmen finanziell ganz und gar nicht(mehr) gut geht.

Es stellt sich daher die Frage: Wie lange darf einUnternehmer diesen Schein der Normalität auf-rechterhalten, um das Unternehmen und denGlauben daran zu erhalten? Ich vergleiche dasgerne mit einem Autofahrer, der plötzlich in den

Nebel kommt: Eine Vollbremsung ist wegen dernachfolgenden Fahrzeuge sehr gefährlich, abermit ungebremster Geschwindigkeit weiter zufahren ebenso. Wichtig ist in solchen Momenten:Nerven behalten, Geschwindigkeit reduzieren,aber mit voller Aufmerksamkeit weiterfahren.Zumindest so weit, um in geregelter Form undbewusst an der passenden Stelle anzuhalten.

Und das gilt auch für ein Unternehmen, das sichin wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet. DerUnternehmer muss sich also fragen: Wie lange istes noch vertretbar weiterzumachen?

Man muss für den Erfolg als Unternehmer heutesicher mehr Risiko eingehen als früher. Aberdafür fehlt in der Gesellschaft oft das Verständnisund auch der Mut. Das hat mit unserer eigenenGeschichte zu tun. Österreich hat ja keine wirkli-che Vergangenheit als „kapitalistischer Markt“ -unsere Tradition bestand bis in die jüngere Ver-gangenheit zu einem großen Teil aus Bauern-und Beamtentum. Beides keine Tätigkeitsfelder,in denen viel mit Risiko gearbeitet werden muss.Und was man nicht kennt, macht einem Angst.Das ist in allen Bereichen so – gerade auch hin-sichtlich kapitalistischer Zugänge.

Bis vor recht kurzer Zeit wurden Unternehmer,die in Konkurs gegangen sind, von der Gewerbe-ordnung (§ 13 GewO) mit Betrügern, Schmugglernund Steuerhinterziehern in einem Satz genanntund somit gewissermaßen gleichgestellt. Dableibt selbst noch Jahre nach Aufhebung diesergesetzlichen Regelung (die Änderung erfolgte imJahr 2000) das Vorurteil in den Köpfen: „Der ist inKonkurs gegangen? Das kann kein Guter sein!“.Dabei sind unter den Unternehmern, die in Kon-kurs gehen, nur rund 5 % betrügerisch unterwegs.Leider hat diese geringe Anzahl aber extremschlechte Auswirkungen auf das Image der über-wiegenden Mehrheit von 95 % „redlicher“ Kon-kurse. Solange die schwarzen Schafe von den weißen nicht getrennt worden sind, erscheinenalle irgendwie grau. Diese 5 % zu finden und zubestrafen, halte ich deshalb für ganz wichtig.

KONKURS NI CHT KRIMINALISIEREN – RECHTS-

BEWUSSTSEIN GENERELL ABER SCHÄRFEN

Gleichzeitig ist es aus meiner Sicht unbedingtnotwendig, das Rechtsbewusstsein in Österreichzu stärken. Noch allzu oft erlebe ich einen sehrlockeren, selektiven Umgang mit der Rechtsord-nung. Vieles gilt unter der Bevölkerung als Kava-

DR. HANS-GEORG KANTNER, KSV

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GESCHEITER(T)?

liersdelikt und gar nicht als Rechtsbruch – wich-tig wäre es hier meines Erachtens, sensibler mitder Wahrheit umgehen.

Dann könnten wir im Wirtschaftsleben generellleichter vertrauen. Und es würde einem Unter-nehmer auch leichter das „redliche Scheitern“geglaubt – und nicht sofort unterstellt, er habe„sich’s gerichtet“ –, wenn die Leute nicht mehrvom möglicherweise eigenen sehr freizügigenUmgang mit dem Gesetz auf andere schließen.

ZWANGSAUSGLEI CH POPULÄRER MACHEN

Wichtig ist mir zu betonen, dass der Konkursnicht automatisch der Tod eines Unternehmenssein muss. Gegen Konkurs gibt es keine Impfung,er ist ja auch keine Krankheit. Aber kein Unter-nehmer ist wirklich davor gefeit. Es gilt: KeineFurcht, sondern positiver Blick nach vorne. Ausvolkswirtschaftlicher Sicht ist ein Stopp von Ver-lustproduktion sicher früher als später sinnvollbzw. auch ein Zwangsausgleich, der eine sehrhilfreiche Sache sein kann, aber offenbar immernoch zu wenig bekannt ist. Über einen Zwangs-ausgleich können derzeit bereits ca. 33 % der inKonkurs gegangenen Unternehmen weiterma-

chen oder zumindest entschuldet werden. Das isteine Quote, die ich in keinem anderen Land derWelt beobachtet habe. Das unternehmerischeScheitern wird also von der Rechtsordnungwesentlich weniger stigmatisiert, als von denKöpfen und Herzen der Bevölkerung.

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GESCHEITER(T)?

DIE GESCHICHTE

EINES MANNES, DER

GESCHEITERT IST UND

DARAUS GELERNT HAT.DAS GESPRÄCH FÜHRTE CHRISTIAN

STÜGER, SAP BUSINESS SCHOOL VIENNA,

PRÄSIDENT DER GRUPPE1031 , 2003-200 7

Karl P. war vor zehn Jahren für ein weltweitesSpeditionsunternehmen tätig und drauf unddran Karriere zu machen. Er hatte allerdings einmassives Drogenproblem und wurde deswegengekündigt. Dieser Rausschmiss kam einem beruf-lichen, gesellschaftlichen, sozialen und somitauch privaten Scheitern gleich.

Seit zehn Jahren ist Karl P. nun erfolgreich vonden Drogen weg und als Geschäftsführer eineseigenen Speditionsunternehmens mit etlichenMitarbeitern und guten wirtschaftlichen Ergeb-nissen auch geschäftlich erfolgreich.

WIE IST ES IHNEN NACH DEM RAUSSCHMISS

GEGANGEN?

Es ging mir mit meiner Situation unmittelbarnach dem Rausschmiss gar nicht schlecht, weilich nicht unglücklich darüber war, einen Job zuverlieren, der mir ohnedies nicht gefiel. Und heute kann ich sagen: Das Ganze hatte wirklichnur Positives zur Folge, denn ich wurde zu einemNeustart gezwungen! Das heißt, der Rausschmisshat es mir ermöglicht, mein Drogenproblemernsthaft anzugehen. Im Job hätte ich aus Zeit-und Erklärungsnotstand keine Möglichkeitgehabt, an meinem Problem zu arbeiten.

WIE WÜRDEN SIE DAHER AUS IHRER EIGENEN

HISTORIE HERAUS „GESCHEITERT SEIN“

DEFINIEREN?

Gescheitert ist man dann, wenn man ein Ziel, dasman unbedingt erreichen will, verfehlt UND dar-an innerlich zerbricht! Sofern man aus Fehlernlernt, ist man nicht gescheitert – ganz im Gegen-teil, man ist gescheiter!

WIE HAT IHRE UMWELT AUF DEN RAUS-

SCHMISS REAGIERT?

Die Situation hat sich nach dem Rausschmiss erstrichtig zugespitzt. Ich habe mich noch mehrgehen lassen und war vor dem totalen Absturz.Irgendwann bin ich an dem Punkt angekommen,an dem ich mein noch intaktes Umfeld an michherangelassen habe. Ich konnte und wollte nichtnoch mehr aufs Spiel setzen und habe erstmalsfremde Hilfe zugelassen und bin mit eisernemWillen mein Drogenproblem angegangen. Ichhatte erkannt, dass es meine Orientierungslosig-keit war, die mich in die Sucht getrieben hatte.Ich habe mich auf die Suche nach mir selbstbegeben und habe mir mein eigenes Ich geschaf-fen und Fremdbilder nicht mehr unkritisch zuEigenbildern gemacht.

GESCHEITERT! GESCHEITER!!

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GESCHEITER(T)?

WAS HABEN SIE DAMALS BESONDERS NEGA-

TIV WAHRGENOMMEN?

Mein Umfeld hat mir zaghaft positiv Mut zuge-sprochen, aber eigentlich haben damals alleschwarz für mich gesehen. Leider konnte mir keiner die Wahrheit ins Gesicht sagen, aber etliche haben es mich spüren lassen, mich abge-schrieben und sich abgewandt.

WAS HAT SI CH FÜR SIE DURCH D IESES ERLEB-

NIS VERÄNDERT?

Man muss Scheitern als Chance sehen. Jeder hateine neue Chance verdient – ich würde über nie-manden voreilig den Stab brechen. Auch soge-nannte gescheiterte Existenzen finden in mei-nem Unternehmen grundsätzlich einen Platz.Sicher müssen sie gute Arbeit leisten, sonst sindsie draußen, denn eine geschützte Werkstätte binauch ich nicht.

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GESCHEITER(T)?

WEBSITES ZUM THEMENKOMPLEX „SCHEITERN“:

w w w . u n t e r n e h m e r - i n - n o t . a tw w w . s c h e i t e r n . d ew w w . k r i s e n n a v i g a t o r . d ew w w . p o l i t i k - p o k e r . d e / w a s - k o s t e t - d a s - s t i g m a - d e s - s c h e i t e r n s . p h pw w w . r e s t r u k t u r i e r u n g . a t

LITERATUR ZUM THEMENKOMPLEX „SCHEITERN“:

FRÜHERKENNUNG VON UNTERNEHMENSKRISEN UND INSOLVENZGEFAHR

Dr. Guido Leidig/Dr. André Jordan/Joachim Merzbach

Verleger-Ausschuss; Börsenverein des Deutschen Buchhandels

D IE 2 . CHANCE – LEITFADEN FÜR RESTARTER

Gesellschaft für Innovative Beschäftigungsförderung mbH

ANGST VOR FEHLERN? SCHWERER FEHLER!

Karin Kreutzer, Leykam

KRISENMANAGEMENT

Birgit Feldbauer-Durstmüller, Josef Schlager (Hrsg.), Linde Verlag

LINKS UND LITERATUR

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GESCHEITER(T)?

KARIN KREUTZER konzept pr (Arbeitskreis-Leitung)

MARTIN BESTE Intern. Versicherungsmakler Kiefhaber GmbH

GERNOT ESSL Palmers Immobilien Gruppe

CHRISTOPH HEIMERL HS-Steuerberatung

DORIS HIRT Industriellenvereinigung

DIETMAR MÜLLER Berndorf Hueck GmbH

INES C.M. PASKA Austria Wirtschaftsservice GmbH

JOHANNA SCHWETZ-WÜRTH blaufeuer - Beratungsagentur für Führungskompetenz

CHRISTIAN STÜGER SAP Business School Vienna

ROMANA WIESER Bezirksgericht Liesing

ALEXANDER ZERKOWITZ Raiffeisen-Landesbank Steiermark AG

JOACHIM ZIMMEL RHI AG

Die gruppe1031 ist ein österreichisches Netzwerk junger Unternehmer und Führungskräfte und versteht sich als Plattform und Diskussionsforum für wirtschafts- und gesellschaftspolitische Fragestellungen.

Die gruppe1031 ist Mitglied der YES – Young Entrepreneurs for Europe, der größten europäischen Dachorganisation junger Unternehmer.

www.grupp e1031 .a t

MITGLIEDER DES ARBEITSKREISES „GESCHEITER(T)?“ DER GRUPPE1031

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UNIV.-PROF. DR. NIKOLAUS FRANKE Wirtschaftsuniversität Wien, Vorstand des Instituts für Entrepreneurship und Innovation

Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 17.4.2007

DR. HANS-GEORG KANTNER KSV - Kreditschutzverband von 1870, Leiter KSV Insolvenz

Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 15.5.2007

VEIT SCHMID-SCHMIDSFELDEN Rupert Fertinger GmbH, Geschäftsführer

Präsident der gruppe1031, 1992-1996

Gast in der Arbeitskreis-Sitzung vom 30.1.2007

EXPERTEN UND INTERVIEWPARTNER

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DER MUT ZU SCHEI TERN

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