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Deutscher Bundestag Drucksache 15/3640 15. Wahlperiode 12. 08. 2004 Gesetzentwurf der Bundesregierung Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen A. Problem und Ziel Mit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs- beschränkungen wird das deutsche Recht der wettbewerbsbeschränkenden Ver- einbarungen an das europäische Wettbewerbsrecht, insbesondere an die Verord- nung (EG) Nr. 1/2003 vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 des EG-Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln an- gepasst. Darüber hinaus enthält das Gesetz notwendige Ergänzungen zur Durchsetzung einer effektiven Wettbewerbskontrolle bei Kartellverstößen. Im Bereich der Zusammenschlusskontrolle werden die Verfahrensregeln und die Vorschriften über den vorläufigen Rechtsschutz überarbeitet. Außerdem erfordert die wirtschaftlich schwierige Lage der Pressebranche eine Änderung der pressespezifischen Regelungen im Wettbewerbsrecht. B. Lösung Mit der Novelle wird die Ausgestaltung des Verbots wettbewerbsbeschränken- der Vereinbarungen und der Ausnahmen von diesem Verbot an das europäische Recht (Artikel 81 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft) angepasst. Wie im europäischen Recht wird das bisherige Anmelde- und Genehmigungssystem für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen abge- schafft. Auch die kartellbehördlichen Befugnisse werden dem europäischen Recht angepasst. Damit verbunden ist die Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtsschutzmöglichkeiten von Marktbeteiligten und Verbänden sowie der bußgeldrechtlichen Sanktionen. Im Bereich der Zusammenschlusskontrolle wird der vorläufige Rechtsschutz gegen Freigabeentscheidungen des Bundes- kartellamts und Erlaubnisse des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit an die Rechtsschutzanforderungen des allgemeinen Verwaltungsprozessrechts an- geglichen. Für Presseunternehmen werden Anzeigenkooperationen vom Kartellverbot freigestellt. Außerdem ermöglicht das Gesetz den Zusammenschluss von Zei- tungen und Zeitungsverlagen, auch wenn dieser zu einer marktbeherrschenden Stellung führt. Voraussetzung ist, dass die beteiligten Zeitungen langfristig als publizistische Einheiten erhalten bleiben.

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Deutscher Bundestag Drucksache 15/364015. Wahlperiode 12. 08. 2004

Gesetzentwurfder Bundesregierung

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen

A. Problem und ZielMit dem Siebten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbs-beschränkungen wird das deutsche Recht der wettbewerbsbeschränkenden Ver-einbarungen an das europäische Wettbewerbsrecht, insbesondere an die Verord-nung (EG) Nr. 1/2003 vom 16. Dezember 2002 zur Durchführung der in denArtikeln 81 und 82 des EG-Vertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln an-gepasst. Darüber hinaus enthält das Gesetz notwendige Ergänzungen zurDurchsetzung einer effektiven Wettbewerbskontrolle bei Kartellverstößen. ImBereich der Zusammenschlusskontrolle werden die Verfahrensregeln und dieVorschriften über den vorläufigen Rechtsschutz überarbeitet.Außerdem erfordert die wirtschaftlich schwierige Lage der Pressebranche eineÄnderung der pressespezifischen Regelungen im Wettbewerbsrecht.

B. LösungMit der Novelle wird die Ausgestaltung des Verbots wettbewerbsbeschränken-der Vereinbarungen und der Ausnahmen von diesem Verbot an das europäischeRecht (Artikel 81 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft)angepasst. Wie im europäischen Recht wird das bisherige Anmelde- undGenehmigungssystem für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen abge-schafft. Auch die kartellbehördlichen Befugnisse werden dem europäischenRecht angepasst. Damit verbunden ist die Verbesserung der zivilrechtlichenRechtsschutzmöglichkeiten von Marktbeteiligten und Verbänden sowie derbußgeldrechtlichen Sanktionen. Im Bereich der Zusammenschlusskontrollewird der vorläufige Rechtsschutz gegen Freigabeentscheidungen des Bundes-kartellamts und Erlaubnisse des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit andie Rechtsschutzanforderungen des allgemeinen Verwaltungsprozessrechts an-geglichen.Für Presseunternehmen werden Anzeigenkooperationen vom Kartellverbotfreigestellt. Außerdem ermöglicht das Gesetz den Zusammenschluss von Zei-tungen und Zeitungsverlagen, auch wenn dieser zu einer marktbeherrschendenStellung führt. Voraussetzung ist, dass die beteiligten Zeitungen langfristig alspublizistische Einheiten erhalten bleiben.

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Drucksache 15/3640 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. AlternativenKeine

D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte1. Haushaltsausgaben ohne VollzugsaufwandBund, Länder und Gemeinden werden voraussichtlich nicht mit Mehrkostenbelastet.2. VollzugsaufwandDie Abschaffung des Anmelde- und Genehmigungssystems für wettbewerbs-beschränkende Vereinbarungen führt zu einer Entlastung der Kartellbehördendes Bundes und der Länder von Vollzugsaufgaben. Dem stehen neue Vollzugs-aufgaben insbesondere im Rahmen des Netzwerks der europäischen Wett-bewerbsbehörden gegenüber. Insgesamt ist kein nennenswerter Mehraufwandzu erwarten.

E. Sonstige KostenFür die Wirtschaft entstehen insgesamt keine messbaren Mehrkosten. Die Ab-schaffung des Anmelde- und Genehmigungssystems für wettbewerbsbeschrän-kende Vereinbarungen führt einerseits zu einer Internalisierung der Kosten fürdie präventive Rechtskontrolle dieser Vereinbarungen. Dem steht andererseitsdie Entlastung von Bürokratiekosten gegenüber. Die Verbesserung der zivil-und bußgeldrechtlichen Sanktionen dient insbesondere der Abschreckung vonKartellrechtsverstößen. Gesetzeskonform handelnde Unternehmen haben nichtmit Mehrbelastungen zu rechnen.Auswirkungen auf die Einzelpreise sowie das Preisniveau, insbesondere aufdas Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu erwarten.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/3640

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/3640

Anlage 1

Entwurf eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates dasfolgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1Änderung des Gesetzes

gegen WettbewerbsbeschränkungenDas Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der

Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1998(BGBl. I S. 2546), zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 63des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. I S. 718), wird wiefolgt geändert:1. Vor der Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten

Teils wird folgende Inhaltsübersicht eingefügt:

I n h a l t s ü b e r s i c h tErster Teil

WettbewerbsbeschränkungenErster Abschnitt

Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen,Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen

§ 1 Verbot wettbewerbsbeschränkender Verein-barungen

§ 2 Freigestellte Vereinbarungen§ 3 Mittelstandskartelle§ 4 Verbot von Preisbindungen§§ 5–18 (weggefallen)

Zweiter AbschnittMarktbeherrschung,

wettbewerbsbeschränkendes Verhalten§ 19 Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung§ 20 Diskriminierungsverbot, Verbot unbilliger

Behinderung§ 21 Boykottverbot, Verbot sonstigen wettbewerbs-

beschränkenden Verhaltens

Dritter AbschnittAnwendung des europäischen Wettbewerbsrechts

§ 22 Verhältnis dieses Gesetzes zu den Artikeln 81und 82 des Vertrages zur Gründung derEuropäischen Gemeinschaft

§ 23 Europafreundliche Anwendung

Vierter AbschnittWettbewerbsregeln

§ 24 Begriff, Antrag auf Anerkennung§ 25 Stellungnahme Dritter

§ 26 Anerkennung§ 27 Veröffentlichung von Wettbewerbsregeln,

Bekanntmachungen

Fünfter AbschnittSonderregeln für bestimmte Wirtschaftsbereiche

§ 28 Landwirtschaft§ 29 Kredit- und Versicherungswirtschaft§ 30 Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften§ 31 Anzeigenkooperationen

Sechster AbschnittBefugnisse der Kartellbehörden, Sanktionen

§ 32 Abstellung und nachträgliche Feststellung vonZuwiderhandlungen

§ 32a Einstweilige Maßnahmen§ 32b Verpflichtungszusagen§ 32c Kein Anlass zum Tätigwerden§ 32d Entzug der Freistellung§ 32e Untersuchungen einzelner Wirtschaftszweige und

einzelner Arten von Vereinbarungen§ 33 Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht§ 34 Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde§ 34a Vorteilsabschöpfung durch Verbände und

Einrichtungen

Siebenter AbschnittZusammenschlusskontrolle

§ 35 Geltungsbereich der Zusammenschlusskontrolle§ 36 Grundsätze für die Beurteilung von Zusammen-

schlüssen§ 37 Zusammenschluss§ 38 Berechnung der Umsatzerlöse und der Markt-

anteile§ 39 Anmelde- und Anzeigepflicht§ 40 Verfahren der Zusammenschlusskontrolle§ 41 Vollzugsverbot, Entflechtung§ 42 Ministererlaubnis§ 43 Bekanntmachungen

Achter AbschnittMonopolkommission

§ 44 Aufgaben§ 45 Mitglieder

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Drucksache 15/3640 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

§ 46 Beschlüsse, Organisation, Rechte und Pflichtender Mitglieder

§ 47 Übermittlung statistischer Daten

Zweiter TeilKartellbehörden

Erster AbschnittAllgemeine Vorschriften

§ 48 Zuständigkeit

§ 49 Bundeskartellamt und oberste Landesbehörde

§ 50 Vollzug des europäischen Rechts

§ 50a Zusammenarbeit im Netzwerk der europäischenWettbewerbsbehörden

§ 50b Sonstige Zusammenarbeit mit ausländischenWettbewerbsbehörden

§ 50c Behördenzusammenarbeit

Zweiter AbschnittBundeskartellamt

§ 51 Sitz, Organisation

§ 52 Veröffentlichung allgemeiner Weisungen

§ 53 Tätigkeitsbericht

Dritter TeilVerfahren

Erster AbschnittVerwaltungssachen

I. Verfahren vor den Kartellbehörden

§ 54 Einleitung des Verfahrens, Beteiligte

§ 55 Vorabentscheidung über Zuständigkeit

§ 56 Anhörung, mündliche Verhandlung

§ 57 Ermittlungen, Beweiserhebung

§ 58 Beschlagnahme

§ 59 Auskunftsverlangen

§ 60 Einstweilige Anordnungen

§ 61 Verfahrensabschluss, Begründung der Verfügung,Zustellung

§ 62 Bekanntmachung von Verfügungen

II. Beschwerde

§ 63 Zulässigkeit, Zuständigkeit

§ 64 Aufschiebende Wirkung

§ 65 Anordnung der sofortigen Vollziehung

§ 66 Frist und Form

§ 67 Beteiligte am Beschwerdeverfahren

§ 68 Anwaltszwang

§ 69 Mündliche Verhandlung

§ 70 Untersuchungsgrundsatz

§ 71 Beschwerdeentscheidung§ 72 Akteneinsicht§ 73 Geltung der Vorschriften des GVG und der ZPO

III. Rechtsbeschwerde§ 74 Zulassung, absolute Rechtsbeschwerdegründe§ 75 Nichtzulassungsbeschwerde§ 76 Beschwerdeberechtigte, Form und Frist

IV. Gemeinsame Bestimmungen§ 77 Beteiligtenfähigkeit§ 78 Kostentragung und -festsetzung§ 79 Rechtsverordnungen§ 80 Gebührenpflichtige Handlungen

Zweiter AbschnittBußgeldverfahren

§ 81 Bußgeldvorschriften§ 82 Zuständigkeit für Verfahren wegen der Fest-

setzung einer Geldbuße gegen eine juristischePerson oder Personenvereinigung

§ 82a Befugnisse und Zuständigkeiten im gerichtlichenBußgeldverfahren

§ 83 Zuständigkeit des OLG im gerichtlichen Ver-fahren

§ 84 Rechtsbeschwerde zum BGH§ 85 Wiederaufnahmeverfahren gegen Bußgeld-

bescheid§ 86 Gerichtliche Entscheidungen bei der Voll-

streckung

Dritter AbschnittVollstreckung

§ 86a Vollstreckung

Vierter AbschnittBürgerliche Rechtsstreitigkeiten

§ 87 Ausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte§ 88 Klageverbindung§ 89 Zuständigkeit eines Landgerichts für mehrere

Gerichtsbezirke§ 89a Streitwertanpassung

Fünfter AbschnittGemeinsame Bestimmungen

§ 90 Benachrichtigung und Beteiligung der Kartell-behörden

§ 90a Zusammenarbeit der Gerichte mit der Kommis-sion der Europäischen Gemeinschaft und denKartellbehörden

§ 91 Kartellsenat beim OLG

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/3640

§ 92 Zuständigkeit eines OLG oder des ObLG fürmehrere Gerichtsbezirke in Verwaltungs- undBußgeldsachen

§ 93 Zuständigkeit für Berufung und Beschwerde

§ 94 Kartellsenat beim BGH

§ 95 Ausschließliche Zuständigkeit

§ 96 (weggefallen)

Vierter TeilVergabe öffentlicher Aufträge

Erster AbschnittVergabeverfahren

§ 97 Allgemeine Grundsätze

§ 98 Auftraggeber

§ 99 Öffentliche Aufträge

§ 100 Anwendungsbereich

§ 101 Arten der Vergabe

Zweiter AbschnittNachprüfungsverfahren

I. Nachprüfungsbehörden

§ 102 Grundsatz

§ 103 Vergabeprüfstellen

§ 104 Vergabekammern

§ 105 Besetzung, Unabhängigkeit

§ 106 Einrichtung, Organisation

II. Verfahren vor der Vergabekammer

§ 107 Einleitung, Antrag

§ 108 Form

§ 109 Verfahrensbeteiligte, Beiladung

§ 110 Untersuchungsgrundsatz

§ 111 Akteneinsicht

§ 112 Mündliche Verhandlung

§ 113 Beschleunigung

§ 114 Entscheidung der Vergabekammer

§ 115 Aussetzung des Vergabeverfahrens

III. Sofortige Beschwerde

§ 116 Zulässigkeit, Zuständigkeit

§ 117 Frist, Form

§ 118 Wirkung

§ 119 Beteiligte am Beschwerdeverfahren

§ 120 Verfahrensvorschriften

§ 121 Vorabentscheidung über den Zuschlag

§ 122 Ende des Vergabeverfahrens nach Entscheidungdes Beschwerdegerichts

§ 123 Beschwerdeentscheidung

§ 124 Bindungswirkung und Vorlagepflicht

Dritter AbschnittSonstige Regelungen

§ 125 Schadensersatz bei Rechtsmissbrauch

§ 126 Anspruch auf Ersatz des Vertrauensschadens

§ 127 Ermächtigungen

§ 128 Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer

§ 129 Kosten der Vergabeprüfstelle

Fünfter TeilAnwendungsbereich des Gesetzes

§ 130 Unternehmen der öffentlichen Hand, Geltungs-bereich

Sechster TeilÜbergangs- und Schlussbestimmungen

§ 131 Übergangsbestimmungen

2. Die Überschrift des Ersten Abschnitts des Ersten Teilswird wie folgt gefasst:

„Erster AbschnittWettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen,

Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisen“

3. In § 1 werden die Wörter „miteinander im Wettbewerbstehenden“ gestrichen.

4. Die §§ 2 bis 4 werden wie folgt gefasst:

㤠2Freigestellte Vereinbarungen

(1) Vom Verbot des § 1 freigestellt sind Vereinbarun-gen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unterneh-mensvereinigungen oder aufeinander abgestimmte Ver-haltensweisen, die unter angemessener Beteiligung derVerbraucher an dem entstehenden Gewinn zur Verbesse-rung der Warenerzeugung oder -verteilung oder zur För-derung des technischen oder wirtschaftlichen Fortschrittsbeitragen, ohne dass den beteiligten Unternehmen

1. Beschränkungen auferlegt werden, die für die Ver-wirklichung dieser Ziele nicht unerlässlich sind oder

2. Möglichkeiten eröffnet werden, für einen wesent-lichen Teil der betreffenden Waren den Wettbewerbauszuschalten.

(2) Bei der Anwendung von Absatz 1 gelten die Ver-ordnungen des Rates oder der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaft über die Anwendung von Artikel 81Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft auf bestimmte Gruppen von Vereinbarun-gen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen undaufeinander abgestimmte Verhaltensweisen (Gruppen-freistellungsverordnungen) entsprechend. Dies gilt auch,soweit die dort genannten Vereinbarungen, Beschlüsseund Verhaltensweisen nicht geeignet sind, den Handelzwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Ge-meinschaft zu beeinträchtigen.

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Drucksache 15/3640 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

§ 3Mittelstandskartelle

Vereinbarungen zwischen miteinander im Wettbewerbstehenden Unternehmen und Beschlüsse von Unterneh-mensvereinigungen, die die Rationalisierung wirtschaft-licher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammen-arbeit zum Gegenstand haben, erfüllen die Voraussetzun-gen des § 2 Abs. 1, wenn

1. dadurch der Wettbewerb auf dem Markt nicht we-sentlich beeinträchtigt wird und

2. die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, dieWettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unter-nehmen zu verbessern.

§ 4Verbot von Preisbindungen

Verboten sind vertikale Vereinbarungen, die unmittel-bar oder mittelbar, für sich allein oder in Verbindung mitanderen Umständen unter der Kontrolle der Vertragspar-teien bezwecken, die Möglichkeiten des Beziehers zubeschränken, seinen Preis selbst festzusetzen. Für dieBefugnis des Lieferanten, Höchstpreise festzusetzenoder Preisempfehlungen auszusprechen, sofern sichdiese nicht infolge der Ausübung von Druck oder derGewährung von Anreizen durch eine der Vertragspar-teien tatsächlich wie Fest- oder Mindestpreise auswir-ken, gelten die §§ 1 und 2.“

5. Die §§ 5 bis 18 werden aufgehoben.

6. Der bisherige Dritte Abschnitt „Marktbeherrschung,wettbewerbsbeschränkendes Verhalten“ wird ZweiterAbschnitt.

7. § 19 Abs. 2 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 1 werden im einleitenden Satzteil nach denWörtern „gewerblichen Leistungen“ die Wörter „aufdem sachlich und räumlich relevanten Markt“ einge-fügt.

b) Folgender Satz wird angefügt:

„Der räumlich relevante Markt im Sinne dieses Ge-setzes kann weiter sein als der Geltungsbereich die-ses Gesetzes.“

8. § 20 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 werden nach den Wörtern „Vereinigun-gen von“ die Wörter „miteinander im Wettbewerbstehenden“ eingefügt, die Angabe „§§ 2 bis 8, 28Abs. 1 sowie § 29“ durch die Angabe „§§ 2, 3, 28Abs. 1 und § 31“ und die Angabe „§§ 15, 28 Abs. 2,§ 29 Abs. 2 und § 30 Abs. 1“ durch die Angabe „§ 28Abs. 2, §§ 29 oder 30 Abs. 1 Satz 1“ ersetzt.

b) In Absatz 5 wird die Angabe „§ 33“ durch die An-gabe „§ 33 Abs. 2 Nr. 1“ ersetzt.

9. In § 21 Abs. 3 Nr. 1 wird die Angabe „§§ 2 bis 8, 28Abs. 1 oder § 29“ durch die Angabe „§§ 2, 3, 28 Abs. 1oder § 31“ ersetzt.

10. Nach § 21 wird folgende Überschrift eingefügt:

„Dritter AbschnittAnwendung des europäischen

Wettbewerbsrechts“.

11. Die §§ 22 und 23 werden wie folgt gefasst:

„§ 22Verhältnis dieses Gesetzes zu den Artikeln 81

und 82 des Vertrages zur Gründungder Europäischen Gemeinschaft

(1) Auf Vereinbarungen zwischen Unternehmen,Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und auf-einander abgestimmte Verhaltensweisen im Sinne desArtikels 81 Abs. 1 des Vertrages zur Gründung der Eu-ropäischen Gemeinschaft, die den Handel zwischenden Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaftim Sinne dieser Bestimmung beeinträchtigen können,können auch die Vorschriften dieses Gesetzes ange-wandt werden. Ist dies der Fall, ist daneben gemäß Ar-tikel 3 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003des Rates vom 16. Dezember 2002 zur Durchführungder in den Artikeln 81 und 82 des Vertrages niederge-legten Wettbewerbsregeln (ABl. EG 2003 Nr. L 1 S.1)auch Artikel 81 des Vertrages zur Gründung der Euro-päischen Gemeinschaft anzuwenden.

(2) Die Anwendung der Vorschriften dieses Geset-zes darf gemäß Artikel 3 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung(EG) Nr. 1/2003 nicht zum Verbot von Vereinbarungenzwischen Unternehmen, Beschlüssen von Unterneh-mensvereinigungen und aufeinander abgestimmtenVerhaltensweisen führen, welche den Handel zwischenden Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft zubeeinträchtigen geeignet sind, aber den Wettbewerb imSinne des Artikels 81 Abs. 1 des Vertrages zur Grün-dung der Europäischen Gemeinschaft nicht beschrän-ken oder die Bedingungen des Artikels 81 Abs. 3 desVertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft erfüllen oder durch eine Verordnung zur Anwen-dung des Artikels 81 Abs. 3 des Vertrages zur Grün-dung der Europäischen Gemeinschaft erfasst sind. DieVorschriften des Zweiten Abschnitts bleiben unbe-rührt. In anderen Fällen richtet sich der Vorrang vonArtikel 81 des Vertrages zur Gründung der Europäi-schen Gemeinschaft nach dem insoweit maßgeblicheneuropäischen Gemeinschaftsrecht.

(3) Auf Handlungen, die einen nach Artikel 82 desVertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft verbotenen Missbrauch darstellen, können auchdie Vorschriften dieses Gesetzes angewandt werden. Istdies der Fall, ist daneben gemäß Artikel 3 Abs. 1 Satz 2der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 auch Artikel 82 desVertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft anzuwenden. Die Anwendung weitergehenderVorschriften dieses Gesetzes bleibt unberührt.

(4) Die Absätze 1 bis 3 gelten unbeschadet des euro-päischen Gemeinschaftsrechts nicht, soweit die Vor-schriften über die Zusammenschlusskontrolle ange-wendet werden. Vorschriften, die überwiegend ein vonden Artikeln 81 und 82 des Vertrages zur Gründungder Europäischen Gemeinschaft abweichendes Ziel

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/3640

verfolgen, bleiben von den Vorschriften dieses Ab-schnitts unberührt.

§ 23Europafreundliche Anwendung

Die Grundsätze des europäischen Wettbewerbs-rechts sind bei der Anwendung der §§ 1 bis 4 und 19maßgeblich zugrunde zu legen, soweit hierzu nicht indiesem Gesetz besondere Regelungen enthalten sind.“

12. In § 25 wird nach Satz 1 folgender Satz eingefügt:

„Gleiches gilt für Verbraucherzentralen und andereVerbraucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln ge-fördert werden, wenn die Interessen der Verbrauchererheblich berührt sind.“

13. § 26 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Sie hat zum Inhalt, dass die Kartellbehörde vonden ihr nach dem Sechsten Abschnitt zustehendenBefugnissen keinen Gebrauch machen wird.“

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Soweit eine Wettbewerbsregel gegen dasVerbot des § 1 verstößt und nicht nach den §§ 2und 3 freigestellt ist oder andere Bestimmungendieses Gesetzes, des Gesetzes gegen den unlauterenWettbewerb oder eine andere Rechtsvorschrift ver-letzt, hat die Kartellbehörde den Antrag auf Aner-kennung abzulehnen.“

c) In Absatz 3 werden nach dem Wort „Wettbewerbs-regeln“ das Wort „bei“ gestrichen und das Wort„anzumelden“ durch das Wort „mitzuteilen“ ersetzt.

14. § 27 wird wie folgt geändert:

a) Die Überschrift wird wie folgt gefasst:

„§ 27Veröffentlichung von Wettbewerbsregeln,

Bekanntmachungen“.

b) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Anerkannte Wettbewerbsregeln sind imBundesanzeiger oder im elektronischen Bundes-anzeiger1) zu veröffentlichen.“

c) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) Im einleitenden Satzteil werden nach den Wör-tern „Im Bundesanzeiger“ die Wörter „oder imelektronischen Bundesanzeiger“ eingefügt.

bb) In Nummer 2 wird die Angabe „§ 25 Satz 2“durch die Angabe „§ 25 Satz 3“ ersetzt.

cc) Nummer 4 wird wie folgt gefasst:

„4. die Ablehnung der Anerkennung nach § 26Abs. 2, die Rücknahme oder der Widerrufder Anerkennung von Wettbewerbsregelnnach § 26 Abs. 4.“

d) Folgender Absatz 5 wird angefügt:

„(5) Die Kartellbehörde erteilt zu anerkanntenWettbewerbsregeln, die nicht nach Absatz 1 veröf-fentlicht worden sind, auf Anfrage Auskunft überdie Angaben nach § 24 Abs. 4 Satz 1.“

15. § 28 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 Satz 2 wird aufgehoben.

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Für vertikale Preisbindungen, die die Sortie-rung, Kennzeichnung oder Verpackung von land-wirtschaftlichen Erzeugnissen betreffen, gelten die§§ 1 und 4 nicht.“

c) In Absatz 3 wird die Angabe „Anhang II“ durch dieAngabe „Anhang I“ ersetzt.

d) Absatz 4 wird aufgehoben.

16. § 29 wird wie folgt gefasst:

㤠29Kredit- und Versicherungswirtschaft

Für Vereinbarungen von Kreditinstituten oder Ver-sicherungsunternehmen gilt § 4 nicht. Die §§ 1 und 2bleiben unberührt.“

17. § 30 wird wie folgt gefasst:

㤠30Preisbindung bei Zeitungen und Zeitschriften

(1) Die §§ 1 und 4 gelten nicht für vertikale Preis-bindungen, durch die ein Unternehmen, das Zeitungenoder Zeitschriften herstellt, die Abnehmer dieser Er-zeugnisse rechtlich oder wirtschaftlich bindet, bei derWeiterveräußerung bestimmte Preise zu vereinbarenoder ihren Abnehmern die gleiche Bindung bis zurWeiterveräußerung an den letzten Verbraucher aufzu-erlegen. Zu Zeitungen und Zeitschriften zählen auchProdukte, die Zeitungen oder Zeitschriften reproduzie-ren oder substituieren und bei Würdigung der Ge-samtumstände als überwiegend verlagstypisch anzuse-hen sind, sowie kombinierte Produkte, bei denen eineZeitung oder eine Zeitschrift im Vordergrund steht.

(2) Vereinbarungen der in Absatz 1 bezeichneten Artsind, soweit sie Preise und Preisbestandteile betreffen,schriftlich abzufassen. Es genügt, wenn die BeteiligtenUrkunden unterzeichnen, die auf eine Preisliste oderauf Preismitteilungen Bezug nehmen. § 126 Abs. 2 desBürgerlichen Gesetzbuchs findet keine Anwendung.

(3) Das Bundeskartellamt kann von Amts wegenoder auf Antrag eines gebundenen Abnehmers diePreisbindung für unwirksam erklären und die Anwen-dung einer neuen gleichartigen Preisbindung verbieten,wenn

1. die Preisbindung missbräuchlich gehandhabt wirdoder

2. die Preisbindung oder ihre Verbindung mit anderenWettbewerbsbeschränkungen geeignet ist, die ge-bundenen Waren zu verteuern oder ein Sinken ihrerPreise zu verhindern oder ihre Erzeugung oderihren Absatz zu beschränken.“1) Amtlicher Hinweis: www.ebundesanzeiger.de

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Drucksache 15/3640 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

18. § 31 wird wie folgt gefasst:„§ 31

Anzeigenkooperationen§ 1 gilt nicht für Vereinbarungen von Unternehmen,

die jeweils Zeitungen oder deren Bestandteile verle-gen, herstellen oder vertreiben, über eine Zusammenar-beit im Anzeigenbereich. Auf Zusammenschlüsse zumZwecke der in Satz 1 genannten Zusammenarbeit fin-den die Vorschriften des Siebenten Abschnitts im Hin-blick auf die betroffenen Anzeigenmärkte keine An-wendung. Die §§ 19 und 20 bleiben unberührt.“

19. Der Sechste Abschnitt wird wie folgt gefasst:„Sechster Abschnitt

Befugnisse der Kartellbehörden, Sanktionen§ 32

Abstellung und nachträgliche Feststellungvon Zuwiderhandlungen

(1) Die Kartellbehörde kann Unternehmen oder Ver-einigungen von Unternehmen verpflichten, eine Zuwi-derhandlung gegen eine Vorschrift dieses Gesetzesoder gegen die Artikel 81 oder 82 des Vertrages zurGründung der Europäischen Gemeinschaft abzustellen.

(2) Sie kann hierzu den Unternehmen oder Vereini-gungen von Unternehmen alle Maßnahmen aufgeben,die für eine wirksame Abstellung der Zuwiderhand-lung erforderlich und gegenüber dem festgestelltenVerstoß verhältnismäßig sind.

(3) Soweit ein berechtigtes Interesse besteht, kanndie Kartellbehörde auch eine Zuwiderhandlung fest-stellen, nachdem diese beendet ist.

§ 32aEinstweilige Maßnahmen

(1) Die Kartellbehörde kann in dringenden Fällen,wenn die Gefahr eines ernsten, nicht wieder gutzuma-chenden Schadens für den Wettbewerb besteht, vonAmts wegen einstweilige Maßnahmen anordnen.

(2) Die Anordnung gemäß Absatz 1 ist zu befristen.Die Frist kann verlängert werden. Sie soll insgesamtein Jahr nicht überschreiten.

§ 32bVerpflichtungszusagen

(1) Bieten Unternehmen im Rahmen eines Verfah-rens nach § 32 an, Verpflichtungen einzugehen, die ge-eignet sind, die ihnen von der Kartellbehörde nach vor-läufiger Beurteilung mitgeteilten Bedenken auszuräu-men, so kann die Kartellbehörde für diese Unterneh-men die Verpflichtungszusagen durch Verfügung fürbindend erklären. Die Verfügung hat zum Inhalt, dassdie Kartellbehörde vorbehaltlich des Absatzes 2 vonihren Befugnissen nach den §§ 32 und 32a keinen Ge-brauch machen wird. Sie kann befristet werden.

(2) Die Kartellbehörde kann die Verfügung nach Ab-satz 1 aufheben und das Verfahren wieder aufnehmen,wenn1. sich die tatsächlichen Verhältnisse in einem für die

Verfügung wesentlichen Punkt nachträglich geän-dert haben,

2. die beteiligten Unternehmen ihre Verpflichtungennicht einhalten oder

3. die Verfügung auf unvollständigen, unrichtigenoder irreführenden Angaben der Parteien beruht.

§ 32cKein Anlass zum Tätigwerden

Sind die Voraussetzungen für ein Verbot nach den§§ 1, 4 und 19 bis 21, nach Artikel 81 Abs. 1 oder Arti-kel 82 des Vertrages zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft nach den der Kartellbehörde vorliegen-den Erkenntnissen nicht gegeben, so kann sie entschei-den, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden.Die Entscheidung hat zum Inhalt, dass die Kartellbe-hörde vorbehaltlich neuer Erkenntnisse von ihren Be-fugnissen nach den §§ 32 und 32a keinen Gebrauchmachen wird. Sie hat keine Freistellung von einemVerbot im Sinne des Satzes 1 zum Inhalt.

§ 32dEntzug der Freistellung

Haben Vereinbarungen, Beschlüsse von Unterneh-mensvereinigungen oder aufeinander abgestimmteVerhaltensweisen, die unter eine Gruppenfreistellungs-verordnung fallen, in einem Einzelfall Wirkungen, diemit § 2 Abs. 1 oder mit Artikel 81 Abs. 3 des Vertrageszur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unver-einbar sind und auf einem Gebiet im Inland auftreten,das alle Merkmale eines gesonderten räumlichenMarktes aufweist, so kann die Kartellbehörde denRechtsvorteil der Gruppenfreistellung in diesem Ge-biet entziehen.

§ 32eUntersuchungen einzelner Wirtschaftszweige

und einzelner Arten von Vereinbarungen(1) Lassen starre Preise oder andere Umstände ver-

muten, dass der Wettbewerb im Inland möglicherweiseeingeschränkt oder verfälscht ist, kann das Bundeskar-tellamt die Untersuchung eines bestimmten Wirt-schaftszweiges oder – Sektor übergreifend – einer be-stimmten Art von Vereinbarungen durchführen.

(2) Im Rahmen dieser Untersuchung kann das Bun-deskartellamt die zur Anwendung dieses Gesetzes oderder Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung derEuropäischen Gemeinschaft erforderlichen Ermittlun-gen durchführen. Es kann dabei von den betreffendenUnternehmen und Vereinigungen Auskünfte verlan-gen, insbesondere die Unterrichtung über sämtlicheVereinbarungen, Beschlüsse und aufeinander abge-stimmte Verhaltensweisen.

(3) Das Bundeskartellamt kann einen Bericht überdie Ergebnisse der Untersuchung nach Absatz 1 veröf-fentlichen und Dritte um Stellungnahme bitten.

(4) Die §§ 57 und 59 bis 62 gelten entsprechend.§ 33

Unterlassungsanspruch, Schadensersatzpflicht(1) Wer gegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, ge-

gen die Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründungder Europäischen Gemeinschaft oder eine Verfügungder Kartellbehörde verstößt, ist, sofern die Vorschrift

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oder die Verfügung den Schutz eines anderen be-zweckt, diesem zur Beseitigung und bei Wiederho-lungsgefahr zur Unterlassung verpflichtet. Der An-spruch auf Unterlassung besteht bereits dann, wenneine Zuwiderhandlung droht. Die Artikel 81 und 82des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft sowie die Vorschriften des Ersten und ZweitenAbschnitts dienen auch dann dem Schutz andererMarktbeteiligter, wenn sich der Verstoß nicht gezieltgegen diese richtet. Ein Anspruch ist nicht deswegenausgeschlossen, weil der andere Marktbeteiligte andem Verstoß mitgewirkt hat.

(2) Die Ansprüche aus Absatz 1 können auch gel-tend gemacht werden von:1. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerb-

licher oder selbständiger beruflicher Interessen, so-weit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmenangehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicheroder verwandter Art auf demselben Markt vertrei-ben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen,sachlichen und finanziellen Ausstattung imstandesind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfol-gung gewerblicher oder selbständiger beruflicherInteressen tatsächlich wahrzunehmen und soweitdie Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglie-der berührt;

2. qualifizierten Einrichtungen, die nachweisen, dasssie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4des Unterlassungsklagengesetzes oder in dem Ver-zeichnis der Kommission der Europäischen Ge-meinschaft nach Artikel 4 der Richtlinie 98/27/EGdes Europäischen Parlaments und des Rates vom19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zumSchutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr.L 166 S. 51), zuletzt geändert durch Richtlinie2002/65/EG des Europäischen Parlaments und desRates vom 23. September 2002 (ABl. EG Nr. L 271S. 16), eingetragen sind.

(3) Wer einen Verstoß nach Absatz 1 vorsätzlichoder fahrlässig begeht, ist zum Ersatz des daraus ent-stehenden Schadens verpflichtet. Bei der Entscheidungüber den Umfang des Schadens nach § 287 der Zivil-prozessordnung kann insbesondere der anteilige Ge-winn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangthat, berücksichtigt werden. Geldschulden nach Satz 1hat das Unternehmen ab Eintritt des Schadens zu ver-zinsen. Die §§ 288 und 289 Satz 1 des BürgerlichenGesetzbuchs finden entsprechende Anwendung.

(4) Wird wegen eines Verstoßes gegen eine Vor-schrift dieses Gesetzes oder Artikel 81 oder 82 desVertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft Schadensersatz begehrt, ist das Gericht insoweitan die Feststellung des Verstoßes gebunden, wie sie ineiner bestandskräftigen Entscheidung der Kartellbe-hörde, der Kommission der Europäischen Gemein-schaft oder der Wettbewerbsbehörde oder des als sol-che handelnden Gerichts in einem anderen Mitglied-staat der Europäischen Gemeinschaft getroffen wurde.Das Gleiche gilt für entsprechende Feststellungen inrechtskräftigen Gerichtsentscheidungen, die infolgeder Anfechtung von Entscheidungen nach Satz 1 er-

gangen sind. Entsprechend Artikel 16 Abs. 1 Satz 4 derVerordnung (EG) Nr. 1/2003 gilt diese Verpflichtungunbeschadet der Rechte und Pflichten nach Artikel 234des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft.

(5) Die Verjährung eines Schadensersatzanspruchsnach Absatz 2 wird gehemmt, wenn die Kartellbehördewegen eines Verstoßes im Sinne des Absatzes 1 oderdie Kommission der Europäischen Gemeinschaft oderdie Wettbewerbsbehörde eines anderen Mitgliedstaatsder Europäischen Gemeinschaft wegen eines Verstoßesgegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründungder Europäischen Gemeinschaft ein Verfahren einlei-tet. § 204 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs giltentsprechend.

§ 34Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde

(1) Hat ein Unternehmen vorsätzlich oder fahrlässiggegen eine Vorschrift dieses Gesetzes, gegen Artikel 81oder 82 des Vertrages zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft oder eine Verfügung der Kartellbehördeverstoßen und dadurch einen wirtschaftlichen Vorteilerlangt, kann die Kartellbehörde die Abschöpfung deswirtschaftlichen Vorteils anordnen und dem Unterneh-men die Zahlung eines entsprechenden Geldbetragsauferlegen.

(2) Absatz 1 gilt nicht, sofern der wirtschaftlicheVorteil durch Schadensersatzleistungen oder durch dieVerhängung der Geldbuße oder die Anordnung desVerfalls abgeschöpft ist. Soweit das UnternehmenLeistungen nach Satz 1 erst nach der Vorteilsabschöp-fung erbringt, ist der abgeführte Geldbetrag in Höheder nachgewiesenen Zahlungen an das Unternehmenzurückzuerstatten.

(3) Wäre die Durchführung der Vorteilsabschöpfungeine unbillige Härte, soll die Anordnung auf einen an-gemessenen Geldbetrag beschränkt werden oder ganzunterbleiben. Sie soll auch unterbleiben, wenn derwirtschaftliche Vorteil gering ist.

(4) Die Höhe des wirtschaftlichen Vorteils kann ge-schätzt werden. Der abzuführende Geldbetrag ist zah-lenmäßig zu bestimmen.

(5) Die Vorteilsabschöpfung kann nur innerhalbeiner Frist von bis zu fünf Jahren seit Beendigung derZuwiderhandlung und längstens für einen Zeitraumvon fünf Jahren angeordnet werden. § 81 Abs. 9 giltentsprechend.

§ 34aVorteilsabschöpfung durch Verbände

und Einrichtungen(1) Wer einen Verstoß im Sinne des § 34 Abs. 1 vor-

sätzlich begeht und hierdurch zu Lasten einer Vielzahlvon Abnehmern einen wirtschaftlichen Vorteil erlangt,kann von den gemäß § 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 zur Gel-tendmachung eines Unterlassungsanspruchs Berechtig-ten auf Herausgabe dieses wirtschaftlichen Vorteils anden Bundeshaushalt in Anspruch genommen werden,soweit nicht die Kartellbehörde die Abschöpfung deswirtschaftlichen Vorteils durch Verhängung einer

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Geldbuße, durch Verfall oder nach § 34 Abs. 1 anord-net.

(2) Auf den Anspruch sind Leistungen anzurechnen,die das Unternehmen auf Grund des Verstoßes erbrachthat. § 34 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Beanspruchen mehrere Gläubiger die Vorteilsab-schöpfung, gelten die §§ 428 bis 430 des BürgerlichenGesetzbuchs entsprechend.

(4) Die Gläubiger haben dem Bundeskartellamt überdie Geltendmachung von Ansprüchen nach Absatz 1Auskunft zu erteilen. Sie können vom Bundeskartell-amt Erstattung der für die Geltendmachung des An-spruchs erforderlichen Aufwendungen verlangen, so-weit sie vom Schuldner keinen Ausgleich erlangenkönnen. Der Erstattungsanspruch ist auf die Höhe desan den Bundeshaushalt abgeführten wirtschaftlichenVorteils beschränkt.

(5) § 33 Abs. 4 und 5 ist entsprechend anzuwen-den.“

20. In § 35 Abs. 2 Satz 2 werden die Wörter „gilt nur Satz 1Nr. 2“ durch die Wörter „gelten für Satz 1 Nr. 1Umsatzerlöse von weniger als zwei Millionen Euro“ er-setzt.

21. In § 36 werden nach Absatz 1 folgende Absätze 1a und1b eingefügt:

„(1a) Ein Zusammenschluss von Unternehmen, diejeweils Zeitungen oder deren Bestandteile verlegen,herstellen oder vertreiben, von dem zu erwarten ist,dass er eine marktbeherrschende Stellung begründetoder verstärkt, ist abweichend von Absatz 1 nicht zuuntersagen, wenn Vorkehrungen dafür getroffen sind,dass die erworbene Zeitung langfristig neben dererwerbenden mit ihren redaktionellen Ausgaben alseigenständige redaktionelle Einheit erhalten bleibt.Dies wird vermutet, wenn

1. der Veräußerer oder ein Dritter, auf die der Erwer-ber weder durch Anteilsbesitz oder Stimmrechtenoch auf Grund sonstiger Verbindungen einen wett-bewerblich erheblichen Einfluss ausüben kann, andem erworbenen Unternehmen mit mehr als 25 Pro-zent des Kapitals und der Stimmrechte beteiligt ist,

2. dem Veräußerer oder dem Dritten das Titelrecht fürdie erworbene Zeitung gehört und

3. dem Veräußerer oder dem Dritten ein Mitbestim-mungs- oder Vetorecht für Entscheidungen zusteht,die für die Erhaltung der erworbenen Zeitung nebender erwerbenden mit ihren redaktionellen Ausgabenals eigenständige redaktionelle Einheit wesentlichsind; dazu zählen insbesondere Entscheidungenüber

a) die Änderung der redaktionellen Grundhaltungder erworbenen Zeitung,

b) die Bestellung oder Abberufung von Mitglie-dern der Chefredaktion der erworbenen Zeitungund

c) die Einstellung der erworbenen oder der erwer-benden Zeitung oder ihrer redaktionellen Aus-gaben.

Die Einhaltung der nach Satz 1 erforderlichen Vorkeh-rungen ist durch eine für die beteiligten Unternehmenjederzeit durchsetzbare Vereinbarung zu gewährleis-ten. Der Abschluss und die Aufrechterhaltung der Ver-einbarung ist durch Bedingungen oder Auflagen nach§ 40 Abs. 3 Satz 1 abzusichern. Im Falle des Satzes 2Nr. 3 Buchstabe c gilt dies auch für die Einhaltung derVorkehrungen. Erfolgt der Zusammenschluss durcheine sonstige Verbindung nach § 37 Abs. 1 Nr. 4, stehtdem Erwerber im Sinne des Satzes 1 gleich, wer einenwettbewerblich erheblichen Einfluss auf das andereUnternehmen ausüben kann.

(1b) Absatz 1a ist nicht anzuwenden, wenn

1. der Zusammenschluss für die langfristige Sicherungder wirtschaftlichen Grundlage der erworbenen odererwerbenden Zeitung mit ihren redaktionellen Aus-gaben als eigenständige redaktionelle Einheit nichterforderlich ist; die Erforderlichkeit wird vermutet,wenn in den letzten drei abgeschlossenen Geschäfts-jahren vor Anmeldung des Zusammenschlusses dieder erworbenen oder erwerbenden Zeitung zuzu-rechnenden Anzeigen- und Beilagenerlöse pro Mo-natsstück jeweils rückläufig waren oder erheblichunter dem Durchschnitt vergleichbarer Zeitungenlagen oder

2. die wiederholte, zeitlich eng aufeinander folgendeAnwendung des Absatzes 1a zur Begründung oderVerstärkung marktbeherrschender Stellungen der-selben Unternehmen auf räumlich benachbartenMärkten führt.“

22. In § 38 Abs. 3 werden nach den Wörtern „deren Be-standteilen“ das Komma gestrichen und die Wörter „istdas Zehnfache, für“ eingefügt.

23. § 39 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 3 wird nach Satz 2 folgender Satz einge-fügt:

„In den Fällen des § 37 Abs. 1 Nr. 1 oder 3 sind dieAngaben nach Satz 2 Nr. 1 und 6 auch für den Ver-äußerer zu machen.“

b) In Absatz 4 Satz 2 wird der Punkt am Ende des Sat-zes gestrichen und die Wörter „und unterrichtet siezugleich darüber, inwieweit die nach Absatz 3 er-forderlichen Angaben in deutscher Sprache vorlie-gen“ angefügt.

c) In Absatz 6 werden nach dem Wort „Die“ die Wör-ter „am Zusammenschluss“ eingefügt.

24. § 40 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 2 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Wird die Verfügung nicht innerhalb von vierMonaten nach Eingang der vollständigen An-meldung den anmeldenden Unternehmen zuge-

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stellt, gilt der Zusammenschluss als freigege-ben.“

bb) Nach Satz 2 wird folgender Satz eingefügt:„Die Verfahrensbeteiligten sind unverzüglichüber den Zeitpunkt der Zustellung der Verfü-gung zu unterrichten.“

cc) In dem neuen Satz 4 wird in der Nummer 2 dieAngabe „§ 50“ durch die Angabe „§ 59“ er-setzt.

b) Absatz 3 Satz 3 wird aufgehoben.c) Nach Absatz 3 wird folgender Absatz 3a eingefügt:

„(3a) Die Freigabe kann widerrufen oder geän-dert werden, wenn sie auf unrichtigen Angaben be-ruht, arglistig herbeigeführt worden ist oder die be-teiligten Unternehmen einer mit ihr verbundenenAuflage zuwiderhandeln. Im Falle der Nichterfül-lung einer Auflage gilt § 41 Abs. 4 entsprechend.“

d) Absatz 5 wird wie folgt gefasst:„(5) Die Fristen nach den Absätzen 1 und 2 Satz 2

beginnen in den Fällen des § 39 Abs. 4 Satz 1, wenndie Verweisungsentscheidung beim Bundeskartell-amt eingegangen ist und die nach § 39 Abs. 3erforderlichen Angaben in deutscher Sprache vorlie-gen.“

25. § 41 wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 Satz 3 werden nach den Wörtern „Dies

gilt nicht“ die Wörter „für Verträge über Grund-stücksgeschäfte, sobald sie durch Eintragung in dasGrundbuch rechtswirksam geworden sind, sowie“eingefügt.

b) In Absatz 2 Satz 3 wird die Angabe „§ 12 Abs. 2Satz 1 Nr. 2 und 3“ durch die Angabe „§ 40Abs. 3a“ ersetzt.

c) In Absatz 3 Satz 1 werden die Wörter „den dasBundeskartellamt untersagt oder dessen Freigabe eswiderrufen hat“ durch die Wörter „der die Unter-sagungsvoraussetzungen nach § 36 Abs. 1 erfüllt“ersetzt.

d) Absatz 4 Nr. 1 wird aufgehoben.26. In § 42 Abs. 2 Satz 2 wird die Angabe „§ 40 Abs. 3“

durch die Angabe „§ 40 Abs. 3 und 3a“ ersetzt.27. § 43 wird wie folgt gefasst:

㤠43Bekanntmachungen

(1) Die Einleitung des Hauptprüfverfahrens durchdas Bundeskartellamt nach § 40 Abs. 1 Satz 1 und derAntrag auf Erteilung einer Ministererlaubnis sind un-verzüglich im Bundesanzeiger oder im elektronischenBundesanzeiger bekannt zu machen.

(2) Im Bundesanzeiger oder im elektronischen Bun-desanzeiger sind bekannt zu machen1. die Verfügung des Bundeskartellamts nach § 40

Abs. 2,2. die Ministererlaubnis, deren Ablehnung und Ände-

rung,

3. die Rücknahme und der Widerruf der Freigabe desBundeskartellamts oder der Ministererlaubnis,

4. die Auflösung eines Zusammenschlusses und diesonstigen Anordnungen des Bundeskartellamtsnach § 41 Abs. 3 und 4.

(3) Bekannt zu machen nach Absatz 1 und 2 sindjeweils die Angaben nach § 39 Abs. 3 Satz 1 sowieSatz 2 Nr. 1 und 2.“

28. § 46 wird wie folgt geändert:a) Nach Absatz 2 wird folgender Absatz 2a eingefügt:

„(2a) Die Monopolkommission kann Einsicht indie von der Kartellbehörde geführten Akten ein-schließlich Betriebs- und Geschäftsgeheimnisseund personenbezogener Daten nehmen, soweit dieszur ordnungsgemäßen Erfüllung ihrer Aufgaben er-forderlich ist.“

b) In Absatz 3 Satz 2 werden nach den Wörtern „be-zeichnet werden“ die Wörter „oder die gemäß Ab-satz 2a erlangt worden sind“ eingefügt.

29. In § 48 Abs. 2 Satz 1 werden nach dem Wort „Wir-kung“ die Wörter „der Marktbeeinflussung oder“ ge-strichen.

30. Dem § 49 werden die folgenden Absätze 3 und 4 ange-fügt:

„(3) Auf Antrag des Bundeskartellamts kann dieoberste Landesbehörde eine Sache, für die nach § 48Abs. 2 Satz 2 ihre Zuständigkeit begründet ist, an dasBundeskartellamt abgeben, wenn dies aufgrund derUmstände der Sache angezeigt ist. Mit der Abgabewird das Bundeskartellamt zuständige Kartellbehörde.

(4) Auf Antrag der obersten Landesbehörde kanndas Bundeskartellamt eine Sache, für die nach § 48Abs. 2 Satz 1 seine Zuständigkeit begründet ist, an dieoberste Landesbehörde abgeben, wenn dies aufgrundder Umstände der Sache angezeigt ist. Mit der Abgabewird die oberste Landesbehörde zuständige Kartell-behörde. Vor der Abgabe benachrichtigt das Bundes-kartellamt die übrigen betroffenen obersten Landes-behörden. Die Abgabe erfolgt nicht, sofern ihr eine be-troffene oberste Landesbehörde innerhalb einer vomBundeskartellamt zu setzenden Frist widerspricht.“

31. § 50 wird wie folgt gefasst:„§ 50

Vollzug des europäischen Rechts(1) Soweit ihre Zuständigkeit nach den §§ 48 und 49

begründet ist, sind das Bundeskartellamt und dieobersten Landesbehörden für die Anwendung der Arti-kel 81 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäi-schen Gemeinschaft zuständige Wettbewerbsbehördenim Sinne des Artikels 35 Abs. 1 der Verordnung (EG)Nr. 1/2003.

(2) Wenden die obersten Landesbehörden die Arti-kel 81 und 82 des Vertrages zur Gründung der Europäi-schen Gemeinschaft an, erfolgt der Geschäftsverkehrmit der Kommission der Europäischen Gemeinschaftoder den Wettbewerbsbehörden der anderen Mitglied-staaten der Europäischen Gemeinschaft über das Bun-

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Drucksache 15/3640 – 14 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

deskartellamt. Das Bundeskartellamt kann den obers-ten Landesbehörden Hinweise zur Durchführung desGeschäftsverkehrs geben. Das Bundeskartellamtnimmt auch in diesen Fällen die Vertretung im Bera-tenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragennach Artikel 14 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 der Verord-nung (EG) Nr. 1/2003 wahr.

(3) Für die Mitwirkung an Verfahren der Kommis-sion der Europäischen Gemeinschaft oder der Wettbe-werbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten der Euro-päischen Gemeinschaft zur Anwendung der Artikel 81und 82 des Vertrages zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft ist ausschließlich das Bundeskartellamtzuständige Wettbewerbsbehörde. Es gelten die bei derAnwendung dieses Gesetzes maßgeblichen Verfah-rensvorschriften.

(4) Das Bundeskartellamt kann den Bediensteten derWettbewerbsbehörde eines Mitgliedstaats der Europäi-schen Gemeinschaft und anderen von dieser ermächtig-ten Begleitpersonen gestatten, bei Durchsuchungennach Artikel 22 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003dessen Bedienstete zu begleiten.

(5) In anderen als in den Absätzen 1 bis 4 bezeichne-ten Fällen nimmt das Bundeskartellamt die Aufgabenwahr, die den Behörden der Mitgliedstaaten der Euro-päischen Gemeinschaft in den Artikeln 84 und 85 desVertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft sowie in Verordnungen nach Artikel 83 des Ver-trages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft,auch in Verbindung mit anderen Ermächtigungsgrund-lagen des Vertrages zur Gründung der EuropäischenGemeinschaft, übertragen sind. Absatz 3 Satz 2 giltentsprechend.“

32. Nach § 50 werden folgende §§ 50a bis 50c eingefügt:„§ 50a

Zusammenarbeit im Netzwerkder europäischen Wettbewerbsbehörden

(1) Die Kartellbehörde ist gemäß Artikel 12 Abs. 1der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 befugt, zum Zweckder Anwendung der Artikel 81 und 82 des Vertrageszur Gründung der Europäischen Gemeinschaft derKommission der Europäischen Gemeinschaft und denWettbewerbsbehörden der anderen Mitgliedstaaten derEuropäischen Gemeinschaft tatsächliche und recht-liche Umstände einschließlich vertraulicher Angaben,insbesondere Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse,mitzuteilen, entsprechende Dokumente und Daten zuübermitteln, diese Wettbewerbsbehörden um die Über-mittlung solcher Informationen zu ersuchen, diese zuempfangen und als Beweismittel zu verwenden. § 50Abs. 2 gilt entsprechend.

(2) Die Kartellbehörde darf die empfangenen In-formationen nur zum Zweck der Anwendung von Arti-kel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Euro-päischen Gemeinschaft sowie in Bezug auf den Unter-suchungsgegenstand als Beweismittel verwenden, fürden sie von der übermittelnden Behörde erhoben wur-den. Werden Vorschriften dieses Gesetzes jedoch nachMaßgabe des Artikels 12 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung(EG) Nr. 1/2003 angewandt, so können nach Absatz 1

ausgetauschte Informationen auch für die Anwendungdieses Gesetzes verwendet werden.

(3) Informationen, die die Kartellbehörde nach Ab-satz 1 erhalten hat, können zum Zweck der Verhän-gung von Sanktionen gegen natürliche Personen nurals Beweismittel verwendet werden, wenn das Rechtder übermittelnden Behörde ähnlich geartete Sanktio-nen in Bezug auf Verstöße gegen Artikel 81 oder 82des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft vorsieht. Falls die Voraussetzungen des Satzes 1nicht erfüllt sind, ist eine Verwendung als Beweismittelauch dann möglich, wenn die Informationen in einerWeise erhoben worden sind, die hinsichtlich der Wah-rung der Verteidigungsrechte natürlicher Personen dasgleiche Schutzniveau wie nach dem für die Kartellbe-hörde geltenden Recht gewährleistet. Das Beweisver-wertungsverbot nach Satz 1 steht einer Verwendungder Beweise gegen juristische Personen oder Personen-vereinigungen nicht entgegen. Die Beachtung verfas-sungsrechtlich begründeter Verwertungsverbote bleibtunberührt.

§ 50bSonstige Zusammenarbeit

mit ausländischen Wettbewerbsbehörden(1) Das Bundeskartellamt hat die in § 50a Abs. 1 ge-

nannten Befugnisse auch in anderen Fällen, in denen eszum Zweck der Anwendung kartellrechtlicher Vor-schriften mit der Kommission der Europäischen Ge-meinschaft oder den Wettbewerbsbehörden andererStaaten zusammenarbeitet.

(2) Das Bundeskartellamt darf Informationen nach§ 50a Abs. 1 nur unter dem Vorbehalt übermitteln, dassdie empfangende Wettbewerbsbehörde1. die Informationen nur zum Zweck der Anwendung

kartellrechtlicher Vorschriften sowie in Bezug aufden Untersuchungsgegenstand als Beweismittelverwendet, für den sie das Bundeskartellamt erho-ben hat, und

2. den Schutz vertraulicher Informationen wahrt unddiese nur an Dritte übermittelt, wenn das Bundes-kartellamt der Übermittlung zustimmt; das gilt auchfür die Offenlegung von vertraulichen Informatio-nen in Gerichts- oder Verwaltungsverfahren.

Vertrauliche Angaben, einschließlich Betriebs- undGeschäftsgeheimnisse, aus Verfahren der Zusammen-schlusskontrolle dürfen durch das Bundeskartellamtnur mit Zustimmung des Unternehmens übermitteltwerden, das diese Angaben vorgelegt hat.

(3) Die Regelungen über die Rechtshilfe in Strafsa-chen sowie Amts- und Rechtshilfeabkommen bleibenunberührt.

§ 50cBehördenzusammenarbeit

(1) Die Kartellbehörden und Regulierungsbehördenkönnen unabhängig von der jeweils gewählten Verfah-rensart untereinander Informationen einschließlich per-sonenbezogener Daten und Betriebs- und Geschäftsge-heimnisse austauschen, soweit dies zur Erfüllung ihrerjeweiligen wettbewerbsrechtlichen Aufgaben erforder-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/3640

lich ist, sowie diese in ihren Verfahren verwerten. Be-weisverwertungsverbote bleiben unberührt.

(2) Die Kartellbehörden arbeiten im Rahmen derErfüllung ihrer Aufgaben mit der Bundesanstalt fürFinanzdienstleistungsaufsicht, der Bundesbank undden Landesmedienanstalten zusammen. Die in Satz 1genannten Behörden können auf Anfrage gegenseitigErkenntnisse austauschen, soweit dies für die Erfül-lung ihrer jeweiligen Aufgaben erforderlich ist. Diesgilt nicht für vertrauliche Informationen, insbesondereBetriebs- und Geschäftsgeheimnisse, sowie Informa-tionen, die nach § 50a oder nach Artikel 12 der Verord-nung (EG) Nr. 1/2003 erlangt worden sind.“

33. In der Überschrift von § 52 werden die Wörter „desBundesministeriums für Wirtschaft“ gestrichen.

34. In § 54 Abs. 2 Nr. 3 wird folgender Halbsatz angefügt:„Interessen der Verbraucherzentralen und anderer Ver-braucherverbände, die mit öffentlichen Mitteln geför-dert werden, werden auch dann erheblich berührt, wennsich die Entscheidung auf eine Vielzahl von Verbrau-chern auswirkt und dadurch die Interessen der Verbrau-cher insgesamt erheblich berührt werden.“

35. In § 55 Abs. 2 werden die Wörter „mit Unrecht“ durchdie Wörter „zu Unrecht“ ersetzt.

36. § 56 wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 werden die Wörter „und sie auf Antrag

eines Beteiligten zu einer mündlichen Verhandlungzu laden“ gestrichen.

b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:„(3) Auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts

wegen kann die Kartellbehörde eine öffentlichemündliche Verhandlung durchführen. Für die Ver-handlung oder für einen Teil davon ist die Öffent-lichkeit auszuschließen, wenn sie eine Gefährdungder öffentlichen Ordnung, insbesondere der Staats-sicherheit, oder die Gefährdung eines wichtigenGeschäfts- oder Betriebsgeheimnisses besorgenlässt. In den Fällen des § 42 hat das Bundesministe-rium für Wirtschaft und Arbeit eine öffentlichemündliche Verhandlung durchzuführen; mit Einver-ständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Ver-handlung entschieden werden.“

c) Folgender Absatz 4 wird angefügt:„(4) Die §§ 45 und 46 des Verwaltungsverfah-

rensgesetzes sind anzuwenden.“37. § 59 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:„(1) Soweit es zur Erfüllung der in diesem Ge-

setz der Kartellbehörde übertragenen Aufgaben er-forderlich ist, kann die Kartellbehörde bis zum Ein-tritt der Bestandskraft ihrer Entscheidung1. von Unternehmen und Vereinigungen von Un-

ternehmen Auskunft über ihre wirtschaftlichenVerhältnisse sowie die Herausgabe von Unter-lagen verlangen; dies umfasst auch allgemeineMarktstudien, die der Einschätzung oder Ana-lyse der Wettbewerbsbedingungen oder der

Marktlage dienen und sich im Besitz des Unter-nehmens oder der Unternehmensvereinigungbefinden;

2. von Unternehmen und Vereinigungen von Un-ternehmen Auskunft über die wirtschaftlichenVerhältnisse von mit ihnen nach § 36 Abs. 2verbundenen Unternehmen sowie die Heraus-gabe von Unterlagen dieser Unternehmen ver-langen, soweit sie die Informationen zur Verfü-gung haben oder soweit sie aufgrund bestehen-der rechtlicher Verbindungen zur Beschaffungder verlangten Informationen über die verbun-denen Unternehmen in der Lage sind;

3. bei Unternehmen und Vereinigungen von Unter-nehmen innerhalb der üblichen Geschäftszeitendie geschäftlichen Unterlagen einsehen und prü-fen.

Gegenüber Wirtschafts- und Berufsvereinigungengilt Satz 1 Nr. 1 und 3 entsprechend hinsichtlichihrer Tätigkeit, Satzung, Beschlüsse sowie Anzahlund Namen der Mitglieder, für die die Beschlüssebestimmt sind.“

b) In Absatz 2 werden die Wörter „sowie die gemäߧ 13 Abs. 2 Satz 1 zur Vertretung bestellten Perso-nen“ gestrichen.

38. § 60 wird wie folgt geändert:

a) Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„1. eine Verfügung nach § 40 Abs. 2, § 41 Abs. 3oder einen Widerruf oder eine Änderung einerFreigabe nach § 40 Abs. 3a,“

b) In Nummer 3 wird die Angabe „§ 12 Abs. 1, § 15Abs. 3, §§ 16, 22 Abs. 6, § 23 Abs. 3, § 26 Abs. 4,§ 29 Abs. 3 oder 4, §§ 32, 36 Abs. 1, § 40 Abs. 3,oder § 42 Abs. 2“ durch die Angabe „§ 26 Abs. 4,§ 30 Abs. 3 oder § 34 Abs. 1“ ersetzt.

39. § 62 wird wie folgt gefasst:

„§ 62Bekanntmachung von Verfügungen

Verfügungen der Kartellbehörde nach § 30 Abs. 3,§§ 32 bis 32b und § 32d sind im Bundesanzeiger oderim elektronischen Bundesanzeiger bekannt zu machen.Entscheidungen nach § 32c können von der Kartellbe-hörde bekannt gemacht werden.“

40. § 64 wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt gefasst:

„(1) Die Beschwerde hat aufschiebende Wir-kung, soweit durch die angefochtene Verfügung

1. eine Verfügung nach § 32 in Verbindung mit den§§ 19 bis 21 getroffen wird; dies gilt nicht fürVerfügungen nach § 32 in Verbindung mit § 19Abs. 4, die die missbräuchliche Ausnutzungeiner marktbeherrschenden Stellung bei Elektri-zitäts- oder Gasversorgungsnetzen betreffen,

2. eine Verfügung nach § 26 Abs. 4, § 30 Abs. 3oder § 34 Abs. 1 getroffen oder

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Drucksache 15/3640 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. eine Erlaubnis nach § 42 Abs. 2 Satz 2 wider-rufen oder geändert wird.“

b) Dem Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:„Dies gilt nicht für die Fälle des § 65.“

41. § 65 wird wie folgt geändert:a) Dem Absatz 3 wird folgender Satz angefügt:

„Hat ein Dritter Beschwerde gegen eine Verfügungnach § 40 Abs. 2 oder eine Erlaubnis nach § 42Abs. 1 eingelegt, ist der Antrag des Dritten auf Er-lass einer Anordnung nach Satz 3 nur zulässig,wenn dieser geltend macht, durch die Verfügungoder Erlaubnis in seinen Rechten verletzt zu sein.“

b) Absatz 5 Satz 2 wird aufgehoben.42. § 66 Abs. 3 wird wie folgt gefasst:

„(3) Die Beschwerde ist innerhalb von zwei Mona-ten nach Zustellung der angefochtenen Verfügung zubegründen. Im Fall des Absatzes 2 beträgt die Fristeinen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Be-schwerde. Die Frist kann auf Antrag von dem oder derVorsitzenden des Beschwerdegerichts verlängert wer-den.“

43. § 71 wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 Satz 3 werden die Wörter „von Fabri-

kations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen“durch die Wörter „von Betriebs- oder Geschäfts-geheimnissen“ ersetzt.

b) In Absatz 3 wird die Angabe „§ 32“ durch die An-gabe „den §§ 32 bis 32b oder § 32d“ ersetzt.

44. In § 72 Abs. 2 Satz 2 und 4 werden die Wörter „vonFabrikations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen“durch die Wörter „von Betriebs- oder Geschäfts-geheimnissen“ ersetzt.

45. In § 76 Abs. 2 Satz 2 werden die Wörter „mit Unrecht“durch die Wörter „zu Unrecht“ ersetzt.

46. § 80 wird wie folgt geändert:a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 2 Nr. 1 wird die Angabe „§ 9 Abs. 1,§ 22 Abs. 4, § 28 Abs. 1 Satz 2, § 29 Abs. 3oder 4, § 30 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mitSatz 1, § 39 Abs. 1 sowie des § 8 Abs. 3 Satz 5bis 7 des Personenbeförderungsgesetzes und§ 12 Abs. 7 des Allgemeinen Eisenbahngeset-zes“ durch die Angabe „§ 39 Abs. 1“ ersetzt.

bb) In Satz 2 Nr. 2 wird die Angabe „§§ 10, 12, 15bis 18, 22 Abs. 6, § 23 Abs. 3, §§ 24, 26, 29,32, 36, 40, 41, 42 und 60“ durch die Angabe„§§ 26, 30 Abs. 3, §§ 32 bis 32d auch in Ver-bindung mit den §§ 50 bis 50b, §§ 36, 39, 40,41, 42 und 60“ ersetzt.

cc) In Satz 2 Nr. 3 wird nach den Wörtern „Ertei-lung von“ das Wort „beglaubigten“ eingefügt.

dd) Satz 3 wird wie folgt gefasst:„Daneben werden als Auslagen die Kosten derVeröffentlichungen, der öffentlichen Bekannt-machungen und von weiteren Ausfertigungen,

Kopien und Auszügen sowie die in entspre-chender Anwendung des Justizvergütungs- und-entschädigungsgesetzes zu zahlenden Beträgeerhoben.“

ee) In Satz 4 werden nach den Wörtern „Auf dieGebühr für die“ die Wörter „Freigabe oder“eingefügt.

b) Absatz 2 Satz 2 wird wie folgt geändert:aa) In Nummer 1 wird die Angabe „§§ 36, 39, 40,

41 und 42“ durch die Angabe „§§ 36, 39, 40,41 Abs. 3 und 4 und § 42“ ersetzt.

bb) In Nummer 2 wird die Angabe „§§ 10, 29Abs. 1 – auch in Verbindung mit Abs. 3 – unddes § 32“ durch die Angabe „§§ 32, 32d und§ 41 Abs. 2 Satz 1 und 2“ ersetzt.

cc) In Nummer 3 wird die Angabe „der §§ 9 und29 Abs. 4“ durch die Angabe „des § 32b Abs. 1und § 32c“ ersetzt.

dd) In Nummer 4 wird die Angabe „§ 15 Abs. 3,der §§ 16, 17 Abs. 3, §§ 18, 22 Abs. 6, des § 23Abs. 3, § 26 Abs. 1 und § 29 Abs. 2 – auch inVerbindung mit Abs. 3 –“ durch die Angabe„§ 26 Abs. 1 und 2 und § 30 Abs. 3“ ersetzt.

ee) Die Nummern 5 bis 7 werden aufgehoben.ff) Die bisherigen Nummern 8 und 9 werden

Nummern 5 und 6.gg) In der neuen Nummer 6 Buchstabe a wird die

Angabe „§ 12 Abs. 2“ durch die Angabe „§ 40Abs. 3a auch in Verbindung mit § 41 Abs. 2Satz 3 und § 42 Abs. 2 Satz 2“ ersetzt.

hh) In der neuen Nummer 6 Buchstabe b werdendie Wörter „in den Fällen des § 12 Abs. 1 und§ 29 Abs. 3 und 4 den Betrag für die Anmel-dung (Nr. 2 bis 5), 7 500 Euro für Verfügungenin bezug auf Vereinbarungen oder Beschlüsseder in § 4 Abs. 2 bezeichneten Art und“ gestri-chen.

ii) In der neuen Nummer 6 Buchstabe d wird dieAngabe „des § 60“ durch die Angabe „der§§ 32a und 60“ ersetzt.

c) In Absatz 6 Satz 1 Nr. 2 werden nach dem Wort„Antrag“ die Wörter „oder eine Anmeldung“ einge-fügt.

47. § 81 wird wie folgt geändert:a) Folgender neuer Absatz 1 wird eingefügt:

„(1) Ordnungswidrig handelt, wer gegen denVertrag zur Gründung der Europäischen Gemein-schaft in der Fassung der Bekanntmachung vom24. Dezember 2002 (ABl. EG Nr. C 325 S. 33) ver-stößt, indem er vorsätzlich oder fahrlässig1. entgegen Artikel 81 Abs. 1 eine Vereinbarung

trifft, einen Beschluss fasst oder Verhaltenswei-sen aufeinander abstimmt oder

2. entgegen Artikel 82 Satz 1 eine beherrschendeStellung missbräuchlich ausnutzt.“

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/3640

b) Der bisherige Absatz 1 wird neuer Absatz 2 undwie folgt geändert:aa) Nummer 1 wird wie folgt gefasst:

„1. einer Vorschrift des § 1, § 4 Satz 1, § 19Abs. 1, § 20 Abs. 1, auch in Verbindung mitAbs. 2 Satz 1, § 20 Abs. 3 Satz 1, auch inVerbindung mit Satz 2, § 20 Abs. 4 Satz 1oder Abs. 6, § 21 Abs. 3 oder 4 oder § 41Abs. 1 Satz 1 über das Verbot einer dortgenannten Vereinbarung, eines dort ge-nannten Beschlusses, einer aufeinander ab-gestimmten Verhaltensweise, der miss-bräuchlichen Ausnutzung einer marktbe-herrschenden Stellung, einer Marktstellungoder einer überlegenen Marktmacht, einerunbilligen Behinderung oder unterschied-lichen Behandlung, der Ablehnung derAufnahme eines Unternehmens, der Aus-übung eines Zwangs, der Zufügung eineswirtschaftlichen Nachteils oder des Voll-zugs eines Zusammenschlusses zuwider-handelt,“.

bb) Die Nummer 6 wird die neue Nummer 2.cc) In der neuen Nummer 2 wird Buchstabe a wie

folgt gefasst:„a) § 30 Abs. 3, § 32 Abs. 1, § 32a Abs. 1,

§ 32b Abs. 1 Satz 1 oder § 41 Abs. 4 Nr. 2,auch in Verbindung mit § 40 Abs. 3aSatz 2, auch in Verbindung mit § 41 Abs. 2Satz 3 oder § 42 Abs. 2 Satz 2, oder § 60oder“.

dd) Die Nummer 7 wird die neue Nummer 3.ee) In der neuen Nummer 3 werden die Wörter

„nicht, nicht richtig, nicht vollständig odernicht rechtzeitig“ durch die Wörter „nicht rich-tig oder nicht vollständig“ ersetzt.

ff) Die bisherigen Nummern 2, 3 und 9 werdenaufgehoben.

gg) In Nummer 4 wird die Angabe „§ 9 Abs. 4Satz 3 oder“ gestrichen.

hh) In Nummer 5 werden die Wörter „§ 10 Abs. 4Satz 3, § 12 Abs. 2 Satz 1, jeweils auch in Ver-bindung mit § 17 Abs. 3 Satz 3,“ gestrichenund am Ende das Komma durch das Wort„oder“ ersetzt.

ii) Die Nummer 8 wird die neue Nummer 6.jj) In der neuen Nummer 6 wird am Ende das

Wort „oder“ durch einen Punkt ersetzt.c) Nach dem neuen Absatz 2 wird folgender neuer

Absatz 3 eingefügt:„(3) Ordnungswidrig handelt, wer

1. entgegen § 21 Abs. 1 zu einer Liefersperre oderBezugssperre auffordert,

2. entgegen § 21 Abs. 2 einen Nachteil androhtoder zufügt oder einen Vorteil verspricht odergewährt oder

3. entgegen § 24 Abs. 4 Satz 3 oder § 39 Abs. 3Satz 5 eine Angabe macht oder benutzt.“

d) Der bisherige Absatz 2 wird neuer Absatz 4 und inSatz 1 wie folgt geändert:aa) Die Angabe „Absatzes 1 Nr. 1, 2, 5, 6 Buch-

stabe a und Nr. 9“ wird durch die Angabe „Ab-satzes 1, des Absatzes 2 Nr. 1, 2 Buchstabe aund Nr. 5 und des Absatzes 3“ ersetzt.

bb) Die Wörter „fünfhunderttausend Euro“ werdendurch die Wörter „einer Million Euro“ und dieWörter „fünfundzwanzigtausend Euro“ durchdie Wörter „hunderttausend Euro“ ersetzt.“

e) Nach dem neuen Absatz 4 werden folgende neueAbsätze 5 bis 7 eingefügt:

„(5) Bei der Zumessung der Geldbuße findet§ 17 Abs. 4 des Gesetzes über Ordnungswidrigkei-ten mit der Maßgabe Anwendung, dass der wirt-schaftliche Vorteil, der aus der Ordnungswidrigkeitgezogen wurde, durch die Geldbuße nach Absatz 4abgeschöpft werden kann. Dient die Geldbuße al-lein der Ahndung, ist dies bei der Zumessung ent-sprechend zu berücksichtigen.

(6) Im Bußgeldbescheid festgesetzte Geldbußengegen juristische Personen und Personenvereini-gungen sind zu verzinsen; die Verzinsung beginntzwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbeschei-des. § 288 Abs. 1 Satz 2 und § 289 Satz 1 des Bür-gerlichen Gesetzbuchs sind entsprechend anzuwen-den.

(7) Das Bundeskartellamt kann allgemeine Ver-waltungsgrundsätze über die Ausübung seines Er-messens bei der Bemessung der Geldbuße auch fürdie Zusammenarbeit mit ausländischen Wettbe-werbsbehörden festlegen.“

f) Der bisherige Absatz 3 wird Absatz 8.g) Der neue Absatz 8 wird wie folgt geändert:

aa) In Satz 1 wird die Angabe „Absatz 1“ durchdie Angabe „den Absätzen 1 bis 3“ ersetzt.

bb) In Satz 2 wird die Angabe „Absatz 1 Nr. 1“durch die Angabe „Absatz 1, Absatz 2 Nr. 1und Absatz 3“ ersetzt.

h) Nach dem neuen Absatz 8 wird folgender neuerAbsatz 9 eingefügt:

„(9) Ist die Kommission der Europäischen Ge-meinschaft oder sind die Wettbewerbsbehörden an-derer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemein-schaft aufgrund einer Beschwerde oder von Amtswegen mit einem Verfahren wegen eines Verstoßesgegen Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Grün-dung der Europäischen Gemeinschaft gegen die-selbe Vereinbarung, denselben Beschluss oder die-selbe Verhaltensweise wie die Kartellbehördebefasst, wird für Ordnungswidrigkeiten nach § 81Abs. 1 die Verjährung durch die den § 33 Abs. 1des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten entspre-chenden Handlungen dieser Wettbewerbsbehördenunterbrochen.“

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Drucksache 15/3640 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

i) Der bisherige Absatz 4 wird Absatz 10.j) In dem neuen Absatz 10 werden die Nummern 1

und 2 durch die Wörter „die nach § 48, auch in Ver-bindung mit § 49 Abs. 3 und 4, oder § 50 zustän-dige Behörde“ ersetzt.

k) Der bisherige Absatz 5 wird aufgehoben.48. § 82 Satz 1 wird wie folgt geändert:

a) Im einleitenden Satzteil werden die Wörter „Dienach § 48 zuständige Behörde“ durch die Wörter„Die Kartellbehörde“ ersetzt.

b) In den Nummern 1 und 2 wird die Angabe „§ 81Abs. 1 Nr. 1“ jeweils durch die Angabe „§ 81Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3“ ersetzt.

49. Nach § 82 wird folgender § 82a eingefügt:„§ 82a

Befugnisse und Zuständigkeiten imgerichtlichen Bußgeldverfahren

(1) Im gerichtlichen Bußgeldverfahren kann demVertreter der Kartellbehörde gestattet werden, Fragenan Betroffene, Zeugen und Sachverständige zu richten.

(2) Sofern das Bundeskartellamt als Verwaltungsbe-hörde des Vorverfahrens tätig war, erfolgt die Vollstre-ckung der Geldbuße und des Geldbetrages, dessen Ver-fall angeordnet wurde, durch das Bundeskartellamt alsVollstreckungsbehörde aufgrund einer von dem Ur-kundsbeamten der Geschäftsstelle des Gerichts zu er-teilenden, mit der Bescheinigung der Vollstreckbarkeitversehenen beglaubigten Abschrift der Urteilsformelentsprechend den Vorschriften über die Vollstreckungvon Bußgeldbescheiden. Die Geldbußen und die Geld-beträge, deren Verfall angeordnet wurde, fließen derBundeskasse zu, die auch die der Staatskasse auferleg-ten Kosten trägt.“

50. Nach § 86 wird folgender neuer Dritter Abschnitt ein-gefügt:

„Dritter AbschnittVollstreckung

§ 86aVollstreckung

Die Kartellbehörde kann ihre Anordnungen nachden für die Vollstreckung von Verwaltungsmaßnahmengeltenden Vorschriften durchsetzen. Die Höhe desZwangsgeldes beträgt mindestens 1 000 Euro undhöchstens 10 Millionen Euro.“

51. Der Dritte Abschnitt „Bürgerliche Rechtsstreitigkei-ten“ wird Vierter Abschnitt.

52. § 87 Abs. 1 Satz 1 und 2 wird wie folgt gefasst:„Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwen-dung dieses Gesetzes, der Artikel 81 oder 82 des Ver-trages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaftoder der Artikel 53 oder 54 des Abkommens über denEuropäischen Wirtschaftsraum betreffen, sind ohneRücksicht auf den Wert des Streitgegenstands dieLandgerichte ausschließlich zuständig. Satz 1 giltauch, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganzoder teilweise von einer Entscheidung, die nach die-

sem Gesetz zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeitder Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung derEuropäischen Gemeinschaft oder der Artikel 53 oder54 des Abkommens über den Europäischen Wirt-schaftsraum abhängt.“

53. In § 88 werden die Wörter „aus diesem Gesetz oderaus Kartellverträgen und aus Kartellbeschlüssen(§ 87)“ durch die Angabe „nach § 87 Abs. 1“ ersetzt.

54. Nach § 89 wird folgender § 89a eingefügt:

㤠89aStreitwertanpassung

(1) Macht in einer Rechtsstreitigkeit, in der ein An-spruch nach den §§ 33 oder 34a geltend gemacht wird,eine Partei glaubhaft, dass die Belastung mit den Pro-zesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaft-liche Lage erheblich gefährden würde, so kann das Ge-richt auf ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtungdieser Partei zur Zahlung von Gerichtskosten sich nacheinem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil desStreitwerts bemisst. Das Gericht kann die Anordnungdavon abhängig machen, dass die Partei glaubhaftmacht, dass die von ihr zu tragenden Kosten desRechtsstreits weder unmittelbar noch mittelbar voneinem Dritten übernommen werden. Die Anordnunghat zur Folge, dass die begünstigte Partei die Gebührenihres Rechtsanwalts ebenfalls nur nach diesem Teil desStreitwerts zu entrichten hat. Soweit ihr Kosten desRechtsstreits auferlegt werden oder soweit sie dieseübernimmt, hat sie die von dem Gegner entrichtetenGerichtsgebühren und die Gebühren seines Rechtsan-walts nur nach dem Teil des Streitwerts zu erstatten.Soweit die außergerichtlichen Kosten dem Gegner auf-erlegt oder von ihm übernommen werden, kann derRechtsanwalt der begünstigten Partei seine Gebührenvon dem Gegner nach dem für diesen geltenden Streit-wert beitreiben.

(2) Der Antrag nach Absatz 1 kann vor der Ge-schäftsstelle des Gerichts zur Niederschrift erklärt wer-den. Er ist vor der Verhandlung zur Hauptsache anzu-bringen. Danach ist er nur zulässig, wenn der ange-nommene oder festgesetzte Streitwert später durch dasGericht heraufgesetzt wird. Vor der Entscheidung überden Antrag ist der Gegner zu hören.“

55. Nach dem neuen § 89a wird folgende Abschnittsüber-schrift eingefügt:

„Fünfter AbschnittGemeinsame Bestimmungen“.

56. § 90 wird wie folgt geändert:

a) In der Überschrift werden die Wörter „des Bundes-kartellamts“ durch die Wörter „der Kartellbehör-den“ ersetzt.

b) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Das Bundeskartellamt ist über alle Rechts-streitigkeiten nach § 87 Abs. 1 durch das Ge-richt zu unterrichten.“

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/3640

bb) Folgender Satz wird angefügt:„Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend insonstigen Rechtsstreitigkeiten, die die Anwen-dung der Artikel 81 oder 82 des Vertrages zurGründung der Europäischen Gemeinschaft be-treffen.“

c) In Absatz 4 wird die Angabe „§ 15“ durch die An-gabe „§ 30“ ersetzt.

57. Die Überschrift des bisherigen Vierten Abschnitts wirdgestrichen.

58. Nach § 90 wird folgender § 90a eingefügt:„§ 90a

Zusammenarbeit der Gerichte mit derKommission der Europäischen Gemeinschaft

und den Kartellbehörden(1) In allen gerichtlichen Verfahren, in denen die Ar-

tikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung der Euro-päischen Gemeinschaft zur Anwendung kommen,übermittelt das Gericht der Kommission der Europäi-schen Gemeinschaft über das Bundeskartellamt eineAbschrift jeder Entscheidung unverzüglich nach derenZustellung an die Parteien. Das Bundeskartellamt darfder Kommission der Europäischen Gemeinschaft dieUnterlagen übermitteln, die es nach § 90 Abs. 1 Satz 2erhalten hat.

(2) Die Kommission der Europäischen Gemein-schaft kann in Verfahren nach Absatz 1 aus eigenerInitiative dem Gericht schriftliche Stellungnahmenübermitteln. Das Gericht übermittelt der Kommissionder Europäischen Gemeinschaft alle zur Beurteilungdes Falls notwendigen Schriftstücke einschließlich derKopien aller Schriftsätze sowie der Abschriften allerProtokolle, Verfügungen und Entscheidungen, wenndiese darum nach Artikel 15 Abs. 3 Satz 5 der Verord-nung (EG) Nr. 1/2003 ersucht. § 4b Abs. 5 und 6 desBundesdatenschutzgesetzes gilt entsprechend. DasGericht übermittelt dem Bundeskartellamt und denParteien eine Kopie einer Stellungnahme der Kommis-sion der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 15Abs. 3 Satz 3 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003. DieKommission der Europäischen Gemeinschaft kann inder mündlichen Verhandlung auch mündlich Stellungnehmen.

(3) Das Gericht kann in Verfahren nach Absatz 1 dieKommission der Europäischen Gemeinschaft um dieÜbermittlung ihr vorliegender Informationen oder umStellungnahmen zu Fragen bitten, die die Anwendungder Artikel 81 oder 82 des Vertrages zur Gründung derEuropäischen Gemeinschaft betreffen. Das Gericht un-terrichtet die Parteien über ein Ersuchen nach Satz 1und übermittelt diesen und dem Bundeskartellamt eineKopie der Antwort der Kommission der EuropäischenGemeinschaft.

(4) In den Fällen der Absätze 2 und 3 kann der Ge-schäftsverkehr zwischen dem Gericht und der Kom-mission der Europäischen Gemeinschaft auch über dasBundeskartellamt erfolgen.“

59. In § 94 Abs. 1 Nr. 3 werden die Wörter „Rechtsstrei-tigkeiten, die sich aus diesem Gesetz oder aus Verein-

barungen und Beschlüssen der in den §§ 1 bis 8 be-zeichneten Art ergeben,“ durch die Wörter „Rechts-streitigkeiten nach § 87 Abs. 1“ ersetzt.

60. § 96 wird aufgehoben.61. In § 100 Abs. 2 Buchstabe e wird die Angabe „des

Artikels 223 Abs. 1 Buchstabe b“ durch die Angabe„des Artikels 296 Abs. 1 Buchstabe b“ ersetzt.

62. In § 111 Abs. 2 Satz 1 werden die Wörter „von Fabri-kations-, Betriebs- oder Geschäftsgeheimnissen“ durchdie Wörter „von Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis-sen“ ersetzt.

63. § 131 wird wie folgt gefasst:„§ 131

Übergangsbestimmungen(1) Freistellungen von Vereinbarungen und Be-

schlüssen nach § 4 Abs. 2 und § 9 Abs. 3 Satz 1 und 4,Freistellungen von Lizenzverträgen nach § 17 Abs. 3und Freistellungen von Mittelstandsempfehlungennach § 22 Abs. 4 in der am 31. Dezember 2004 gelten-den Fassung werden am 31. Dezember 2005 unwirk-sam. Bis dahin sind § 11 Abs. 1, §§ 12 und 22 Abs. 6in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fassung wei-ter anzuwenden.

(2) Verfügungen der Kartellbehörde, durch die Ver-einbarungen und Beschlüsse nach § 10 Abs. 1 in deram 31. Dezember 2004 geltenden Fassung freigestelltsind, werden am 31. Dezember 2005 unwirksam. Istdie Freistellungsverfügung der Kartellbehörde kürzerbefristet, bleibt es dabei. Bis zum in Satz 1 genanntenZeitpunkt sind § 11 Abs. 1 und § 12 in der am 31. De-zember 2004 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

(3) Absatz 2 Satz 1 und 2 gilt entsprechend für Ver-fügungen der Kartellbehörde, durch die Wettbewerbs-regeln nach § 26 Abs. 1 und 2 Satz 1 in der am 31. De-zember 2004 geltenden Fassung freigestellt sind.

(4) Auf einen Verstoß gegen eine wettbewerbsrecht-liche Vorschrift oder eine Verfügung der Kartellbe-hörde, der bis zum 31. Dezember 2004 begangen wor-den ist, ist anstelle der §§ 34 und 34a nur § 34 in deram 31. Dezember 2004 geltenden Fassung anzuwen-den.

(5) § 82a Abs. 1 findet auf Verfahren Anwendung,in denen das Gericht bis zum Inkrafttreten dieses Ge-setzes noch keine mündliche Verhandlung terminierthat. § 82a Abs. 2 gilt für alle Urteile, die nach Inkraft-treten dieses Gesetzes erlassen worden sind.

(6) Soweit sie die öffentliche Versorgung mit Was-ser regeln, sind die §§ 103, 103a und 105 sowie die aufsie verweisenden anderen Vorschriften des Gesetzesgegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung derBekanntmachung vom 20. Februar 1990 (BGBl. IS. 235), zuletzt geändert durch Artikel 1 und 2 Abs. 3des Gesetzes vom 26. August 1998 (BGBl. I S. 2512),weiter anzuwenden. Das gilt insoweit auch für die Vor-schriften, auf welche die genannten Vorschriften ver-weisen.

(7) Die Bundesregierung hat den gesetzgebendenKörperschaften bis zum 31. Dezember 2008 einen Be-

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Drucksache 15/3640 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

richt über die Erfahrungen mit der Vorteilsabschöpfungdurch die Kartellbehörde nach § 34 und der Vorteils-abschöpfung durch Verbände und Einrichtungen nach§ 34a vorzulegen. Soweit sich aus dem Bericht dieNotwendigkeit von gesetzgeberischen Maßnahmen er-gibt, soll die Bundesregierung einen Vorschlag ma-chen.“

Artikel 2Änderung anderer Rechtsvorschriften

(1) § 12a Abs. 1 Satz 2 des Gerichtskostengesetzes in derFassung der Bekanntmachung vom 15. Dezember 1975(BGBl. I S. 3047), das zuletzt durch Artikel 3 Abs. 1 desGesetzes vom 14. März 2003 (BGBl. I S. 345) geändertworden ist, wird wie folgt gefasst:

„Im Verfahren über Beschwerden eines Beigeladenen (§ 54Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen) ist der Streitwert unter Berücksichtigung der sich fürden Beigeladenen ergebenden Bedeutung der Sache nachErmessen zu bestimmen.“

(2) In § 150a Abs. 2 der Gewerbeordnung in der Fassungder Bekanntmachung vom 22. Februar 1999 (BGBl. IS. 202), die zuletzt durch Artikel 35a des Gesetzes vom24. Dezember 2003 (BGBl. I S. 2954) geändert worden ist,wird nach Nummer 3 folgende Nummer 4 eingefügt:

„4. den nach § 81 Abs. 10 des Gesetzes gegen Wettbe-werbsbeschränkungen zuständigen Behörden zur Ver-folgung von Ordnungswidrigkeiten nach § 81 Abs. 1bis Abs. 3 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschrän-kungen die in § 149 Abs. 2 Nr. 3 bezeichneten Eintra-gungen,“.

(3) § 3 des Gesetzes über den Ladenschluss in der Fas-sung der Bekanntmachung vom 2. Juni 2003 (BGBl. IS. 744) wird wie folgt geändert:

1. Die Absatzbezeichnung „(1)“ wird gestrichen.

2. Absatz 2 wird aufgehoben.

(4) § 23b des Tierzuchtgesetzes in der Fassung der Be-kanntmachung vom 22. Januar 1998 (BGBl. I S. 145), daszuletzt durch Artikel 187 der Verordnung vom 29. Oktober2001 (BGBl. I S. 2785) geändert worden ist, wird wie folgtgeändert:

1. Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Die §§ 1 und 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbs-beschränkungen gelten insoweit nicht.“

2. Folgender Satz wird angefügt:

„Im Übrigen bleiben die Vorschriften des Gesetzes ge-gen Wettbewerbsbeschränkungen unberührt.“

(5) § 40 Abs. 3 Satz 2 des Bundeswaldgesetzes vom2. Mai 1975 (BGBl. I S. 1037), das zuletzt durch Artikel 204

der Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S. 2785) ge-ändert worden ist, wird aufgehoben.

(6) § 11 Abs. 3 Satz 2 des Marktstrukturgesetzes in derFassung der Bekanntmachung vom 26. September 1990(BGBl. I S. 2134), das zuletzt durch Artikel 15 der Verord-nung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) geändertworden ist, wird aufgehoben.

(7) § 8 Abs. 3 des Personenbeförderungsgesetzes in derFassung der Bekanntmachung vom 8. August 1990(BGBl. I S. 1690), das zuletzt durch Artikel 24 des Gesetzesvom 29. Dezember 2003 (BGBl. I S. 3076) geändert wor-den ist, wird wie folgt geändert:1. In Satz 7 wird die Angabe „gelten die §§ 1 und 22

Abs. 1“ durch die Angabe „gilt § 1“ ersetzt.2. Satz 8 wird aufgehoben.3. Der neue Satz 8 wird wie folgt gefasst:

„Für Vereinigungen von Unternehmen, die Vereinbarun-gen, Beschlüsse und Empfehlungen im Sinne von Satz 7treffen, gilt § 20 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbe-werbsbeschränkungen entsprechend.“(8) § 12 Abs. 7 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom

27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378, 2396, 1994 I S. 2439),das zuletzt durch Artikel 26 des Gesetzes vom 29. Dezember2003 (BGBl. I S. 3076) geändert worden ist, wird wie folgtgeändert:1. In Satz 1 wird die Angabe „gelten die §§ 1 und 22

Abs. 1“ durch die Angabe „gilt § 1“ ersetzt.2. Satz 2 wird aufgehoben.3. Der neue Satz 2 wird wie folgt gefasst:

„Für Vereinigungen von Unternehmen, die Vereinbarun-gen, Beschlüsse und Empfehlungen im Sinne von Satz 1treffen, gilt § 20 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbe-werbsbeschränkungen entsprechend.“(9) § 13 des Energiesicherungsgesetzes vom 20. Dezem-

ber 1974 (BGBl. I S. 3681), das zuletzt durch Artikel 128 derVerordnung vom 25. November 2003 (BGBl. I S. 2304) ge-ändert worden ist, wird aufgehoben.

Artikel 3Neubekanntmachung

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit kannden Wortlaut des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen in der vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an geltendenFassung im Bundesgesetzblatt neu bekannt machen.

Artikel 4Inkrafttreten

Dieses Gesetz tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/3640

Begründung

A. Allgemeines1. VorgeschichteNach der Ankündigung im Jahreswirtschaftsbericht 2003hat die Bundesregierung das Gesetz gegen Wettbewerbs-beschränkungen (GWB) umfassend überprüft mit dem vor-rangigen Ziel der Angleichung des nationalen Kartellrechtsan das europäische Recht. Weiteres wichtiges Ziel war dieErhaltung und Stärkung des Wettbewerbsprinzips. DieÜberprüfung wurde fachlich begleitet von der im März2003 eingerichteten „Expertengruppe 7. GWB-Novelle“.Am 4. März 2003 veröffentlichte das Bundesministeriumfür Wirtschaft und Arbeit den Entwurf von Eckpunkten füreine 7. GWB-Novelle und gab den beteiligten Wirtschafts-kreisen sowie den Bundesressorts und Ländern Gelegenheitzur Stellungnahme. Am 11. Juni 2003 wurden die betroffe-nen Verbände zum Entwurf der Eckpunkte angehört. Am18. Dezember 2003 veröffentlichte das Bundesministeriumfür Wirtschaft und Arbeit den Referentenentwurf für einSiebtes Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und gabden beteiligten Bundesressorts, den Ländern und den betrof-fenen Verbänden Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Bun-desressorts haben dem Entwurf zugestimmt. Mit den betrof-fenen Verbänden ist der Entwurf in der Anhörung am17. Mai 2004 eingehend erörtert worden. Das wesentlicheZiel der Novelle, die Anpassung des deutschen Wett-bewerbsrechts an das neue europäische Wettbewerbsrecht,wurde dabei nahezu einhellig unterstützt.

2. Anlass und Ziele des GesetzesAnlass dieser Novellierung des GWB ist die Verabschie-dung der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 vom 16. Dezember2002 zur Durchführung der in den Artikeln 81 und 82 desVertrages niedergelegten Wettbewerbsregeln (im Folgen-den: VO 1/2003) durch den Rat der Europäischen Union.Diese Verordnung ist am 1. Mai 2004 in Kraft getreten. Diebislang bestehende grundsätzliche Anmelde- und Genehmi-gungspflicht für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarun-gen wird überführt in ein System der Legalausnahme. Wett-bewerbsbeschränkende Vereinbarungen gelten danach auto-matisch als freigestellt, wenn sie die Freistellungsvoraus-setzungen des Artikels 81 Abs. 3 des EG-Vertrages (imFolgenden: EG) erfüllen. Gleichzeitig wird der Vorrang deseuropäischen Rechts hinsichtlich der Zulässigkeit wettbe-werbsbeschränkender Vereinbarungen, Beschlüsse von Un-ternehmensvereinigungen und abgestimmter Verhaltenswei-sen im Sinne des Artikels 81 Abs. 1 EG (im Folgenden„wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen“) erheblicherweitert.Die Neuregelung auf EU-Ebene hat erhebliche Auswirkun-gen auf das deutsche Recht der wettbewerbsbeschränkendenVereinbarungen. Zahlreiche Unternehmensabsprachen ha-ben Auswirkungen auf den zwischenstaatlichen Handel undsind daher nach Artikel 81 EG zu beurteilen. EigenständigeBedeutung wird dem deutschen Wettbewerbsrecht zu Ver-einbarungen künftig nur noch in den Fällen zukommen, dierein lokale oder regionale Auswirkungen haben und keinezwischenstaatliche Relevanz aufweisen. Die Fusionskon-

trolle und Missbrauchsaufsicht im GWB bleiben hiervonunberührt.Durch die Novelle werden die Regelungen im GWB fürUnternehmenskooperationen an die neue Konzeption deseuropäischen Wettbewerbsrechts angepasst. Wie im euro-päischen Recht wird damit die Rechtsanwendung entbüro-kratisiert und vereinfacht. Für die Unternehmen ergibt sichdaraus ein größerer Freiraum, aber auch eine höhere Eigen-verantwortung.Die Angleichung an das europäische Recht erfasst auch dieBehandlung vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen. Nacheuropäischem Recht (Artikel 81 EG) unterliegen vertikaleVereinbarungen, die den Wettbewerb beschränken (Ver-triebsbindungen), ebenso wie horizontale Vereinbarungeneinem Verbot mit Legalausnahme. Im bisherigen GWB sinddagegen sog. Inhaltsbindungen (für Preise und Konditio-nen) per se verboten; andere Vertriebsbindungen sindgrundsätzlich erlaubt, unterliegen aber einer Missbrauchs-aufsicht. Die bisherige deutsche Systematik ist zwar wettbe-werbspolitisch sachgerecht und führt auch zu praktisch be-friedigenden Ergebnissen. Angesichts des erweiterten Vor-rangs des europäischen Rechts wird jedoch zukünftig imGrundsatz das europäische Modell für vertikale Wettbe-werbsbeschränkungen übernommen, um die Einheit desWettbewerbsrechts zu bewahren.In die Neuregelung werden auch horizontale und vertikaleVereinbarungen einbezogen, die keine zwischenstaatlichenAuswirkungen haben und deshalb allein dem deutschenRecht unterliegen. Um eine unterschiedliche Behandlungkleiner und mittlerer Unternehmen – oftmals zu ihren Las-ten – zu vermeiden, sind lokale und regionale Sachverhaltenicht anders zu behandeln als solche mit grenzüberschrei-tenden Auswirkungen. Nur in Ausnahmefällen ist es sach-gerecht, spezifische Regelungen des deutschen Wettbe-werbsrechts aufrechtzuerhalten.Der unbedingte Vorrang des europäischen Wettbewerbs-rechts gilt nicht für die Missbrauchsaufsicht bei einseitigemwettbewerbsbeschränkenden Verhalten. Diese Fälle könnendaher im deutschen Recht anders geregelt werden als in Ar-tikel 82 EG. Von dieser Möglichkeit wird auch weiterhinGebrauch gemacht. Die Bestimmungen in § 19 zur Miss-brauchsaufsicht über marktbeherrschende Unternehmenstimmen zwar weitgehend mit Artikel 82 EG überein, ent-halten zum Teil aber auch spezielle Regelungen über Artikel82 EG hinaus, insbesondere hinsichtlich der Verweigerungdes Zugangs zu wesentlichen Einrichtungen (§ 19 Abs. 4Nr. 4). Diese Regelungen haben in der Praxis erheblicheBedeutung, vor allem im Bereich der Netzindustrien. DieVorschriften über das Verbot missbräuchlichen Verhaltensgegenüber wirtschaftlich abhängigen kleinen und mittlerenUnternehmen (§ 20) erfüllen eine wichtige wettbewerbs-und mittelstandspolitische Funktion. Das gilt insbesonderefür das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreis. Diese Re-gelungen, die in Artikel 82 EG keine Entsprechung haben,bleiben daher aufrechterhalten.Die Europäische Kommission (im Folgenden: Kommission)und die nationalen Wettbewerbsbehörden werden künftig

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mit dem Ziel einer effektiven Durchsetzung des Wettbe-werbsrechts in einem „Netzwerk“ eng zusammenarbeiten.Durch die Reform werden daher Verfahrensregelungen undErmittlungsbefugnisse im GWB an die Neuregelungen inder VO 1/2003 angepasst. Dies ist erforderlich, damit dieKooperation der Kartellbehörden mit den anderen Behördendes europäischen Netzwerkes möglichst reibungslos funk-tionieren kann.

Darüber hinaus enthält die Novelle geänderte Bestimmun-gen für Presseunternehmen. Grund hierfür ist die wirtschaft-lich schwierige Lage, in der sich die Printbranche befindet.Die neuen Regelungen sollen den Unternehmen vor allemdie Möglichkeit bieten, ihre wirtschaftliche Basis zu ver-breitern, und so das Überleben der vielfältigen deutschenPresselandschaft sichern.

Im Bereich der Zusammenschlusskontrolle sind einigeverfahrensrechtliche Änderungen vorgesehen. Die mit der6. GWB-Novelle eingeführte Möglichkeit von Drittklagengegen förmliche Freigabeentscheidungen des Bundeskar-tellamts hat sich in der Praxis teilweise als Vollzugshinder-nis für Fusionen erwiesen. Dies kann zu einem Investitions-hemmnis mit erheblichen nachteiligen Folgen für denStandort Deutschland führen. Insbesondere die weitgehendeGewährung von vorläufigem Rechtsschutz im Fall der ge-richtlichen Anfechtung war daher zu überprüfen. In Zukunftwird maßgebliches Kriterium für die Gewährung vorläufi-gen Rechtsschutzes die Verletzung eigener Rechte des Be-schwerdeführers sein. Insoweit folgt das Gesetz den Grund-sätzen, die für den gerichtlichen Rechtsschutz im allgemei-nen Verwaltungsrecht gelten. Weitergehende Einschränkun-gen sind nicht notwendig. Insbesondere der Rechtsschutz inder Hauptsache bleibt unverändert.

Für eine Anpassung der materiellen Regelungen der Zusam-menschlusskontrolle insgesamt besteht derzeit keine Not-wendigkeit. Ob und inwieweit nach Verabschiedung derVerordnung (EG) Nr. 139/2004 vom 20. Januar 2004 überdie Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (imFolgenden: VO 139/2004) eine Weiterentwicklung desdeutschen Rechts angezeigt ist, kann erst zu einem späterenZeitpunkt entschieden werden.

3. GesetzgebungskompetenzDie Gesetzgebungskompetenz des Bundes für die Novellie-rung des GWB beruht auf Artikel 74 Abs. 1 Nr. 16 GG(Verhütung des Missbrauchs wirtschaftlicher Machtstel-lung) und Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (Gerichtliches Verfah-ren). Eine bundesgesetzliche Regelung ist auch im Sinnedes Artikels 72 Abs. 2 GG sowohl bezogen auf das Gesamt-vorhaben als auch auf die wichtigsten Einzelregelungen zurWahrung der Rechtseinheit erforderlich. Die grundsätzlicheNeuordnung, insbesondere des Rechts der wettbewerbsbe-schränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen, ist imBinnenmarkt weitgehend durch europäisches Recht vorge-geben und kann für den Bereich der BundesrepublikDeutschland in sachgerechter Weise auch nur einheitlichdurch den Bundesgesetzgeber erfolgen. Eine Gesetzesviel-falt auf Länderebene in diesem Bereich würde in einem engverflochtenen Wirtschaftsraum wie der BundesrepublikDeutschland zu grundsätzlich unterschiedlichen wettbe-werbsrechtlichen und für die Unternehmen untragbarenStandards führen, was weder im Interesse des Bundes noch

der Länder hingenommen werden kann. Ausnahmen füreinzelne Sachgebiete sind nicht möglich. Auch soweit dasGWB von den Ländern als eigene Angelegenheit ausgeführtwird, ist eine einheitliche Regelung des Verwaltungsverfah-rens für die Landeskartellbehörden aus Gründen der Wett-bewerbsgleichheit unerlässlich.

4. Grundzüge der Novellierunga) Im Hinblick auf das Verbot wettbewerbsbeschränkender

Vereinbarungen und die Ausnahmen von diesem Verbotbleiben dem nationalen Gesetzgeber aufgrund des er-weiterten Vorrangs des europäischen Wettbewerbsrechts(Artikel 3 VO 1/2003) zwei Wahlmöglichkeiten: für Ver-einbarungen mit zwischenstaatlicher Bedeutung bestehtdie Möglichkeit, entweder nur europäisches Recht anzu-wenden oder die parallele Anwendung von europäi-schem und nationalem Recht vorzusehen (wobei natio-nales Recht im Ergebnis nicht vom europäischen Rechtabweichen darf). Bei Vereinbarungen ohne zwischen-staatliche Auswirkungen ist der nationale Gesetzgeberfrei und kann in eigener Souveränität entscheiden, ob esnotwendig ist, dass das nationale Recht dem europäi-schen Vorbild folgt. In der Novelle ist für Vereinbarun-gen mit zwischenstaatlichen Auswirkungen die Mög-lichkeit der parallelen Anwendung der Vorschriften desGWB neben dem zwingend anzuwendenden europäi-schen Wettbewerbsrecht vorgesehen. Ein wesentlicherGrund hierfür ist die fehlende begriffliche Schärfe derZwischenstaatlichkeitsklausel nach Artikel 81 EG. IhreDefinition insbesondere durch die Rechtsprechung desEuropäischen Gerichtshofes folgt weiten, letztlich wer-tenden Gesichtspunkten. Danach ist die Eignung zur Be-einträchtigung des zwischenstaatlichen Handels bereitsdann gegeben, wenn sich anhand einer Gesamtheit ob-jektiver, rechtlicher oder tatsächlicher Umstände mithinreichender Wahrscheinlichkeit voraussehen lässt,dass die Vereinbarung unmittelbar und mittelbar, tat-sächlich oder der Möglichkeit nach den Warenverkehrzwischen Mitgliedstaaten beeinflussen kann (vgl.EuGH; Urteil vom 11. Dezember 1980, „L’Oréal“, Slg.1980, 3775, 3791). Die Zwischenstaatlichkeitsklauselwürde somit keine scharfe Grenze ziehen zwischen derAnwendbarkeit des europäischen Wettbewerbsrechtsund dem Bereich, der allein der nationalen Wettbewerbs-ordnung vorbehalten ist. Die parallele Anwendung deseuropäischen und nationalen Rechts auf Vereinbarungenmit Zwischenstaatlichkeitsbezug stellt sicher, dass insbe-sondere in Zweifelsfällen der Anwendbarkeit europäi-schen oder nationalen Wettbewerbsrechts („Graube-reich“) die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entschei-dungen nicht infrage gestellt ist, sofern nationales undeuropäisches Wettbewerbsrecht (wie im Regelfall) zumgleichen Ergebnis führen.Für Vereinbarungen ohne zwischenstaatliche Auswir-kungen ist die weitestgehende Übernahme des europäi-schen Rechts vorgeschrieben. Nur so kann eine uner-wünschte Zweiteilung des deutschen Wettbewerbsrechtsin europäische Regelungen für Fälle mit Zwischenstaat-lichkeitsbezug und abweichende nationale Regelungenfür Fälle ohne Zwischenstaatlichkeitsbezug vermiedenwerden. Eine solche Zweiteilung wäre zum einen wegender begrifflichen Unschärfe der Zwischenstaatlichkeits-

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klausel nur schwer handhabbar. Sie ist aber auch nichtsachgerecht. Um eine unterschiedliche Behandlung klei-ner und mittlerer Unternehmen gegenüber Großunter-nehmen – oft zu Lasten der kleinen und mittleren Unter-nehmen – zu vermeiden, sind lokale und regionaleSachverhalte nicht anders zu behandeln als solche mitgrenzüberschreitenden Auswirkungen. Nur in Ausnah-mefällen kann es gerechtfertigt sein, spezifische Rege-lungen des deutschen Wettbewerbsrechts aufrechtzuer-halten. Dies folgt dem Beispiel vieler Mitgliedstaaten,die bereits in ihrem geltenden Recht das europäischeRecht ganz oder teilweise übernommen haben; andereMitgliedstaaten werden dies mit der Anpassung an dieVO 1/2003 nachholen. Damit entsteht in Europa für denBereich der wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarun-gen ein nahezu identisches Recht. Einheitliche Regelun-gen im europäischen Wettbewerbsrecht und im Wettbe-werbsrecht der 25 Mitgliedstaaten sind im Hinblick aufdie Anforderungen an einen integrierten Binnenmarktgeboten. Für die Unternehmen ist die Schaffung einesderartigen „level playing field“ mit erheblichen Vortei-len verbunden. Die Wirtschaft unterstützt deshalb denSystemwechsel, auch soweit dadurch das deutsche Rechtwie z. B. bei den vertikalen Vereinbarungen ausnahms-weise verschärft wird.

Bei der Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 1,auch soweit sie schon bisher in dieser Vorschrift enthal-ten waren, wie etwa der Definition von Unternehmenund Unternehmensvereinigungen oder dem Merkmal ei-ner Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung desWettbewerbs, sind die Grundsätze des europäischenWettbewerbsrechts auch weiterhin zu berücksichtigen.Diese Rechtsfolge, die sich durch die Angleichung desWortlauts bereits seit der 6. GWB-Novelle ergibt, wirddurch den Grundsatz der europafreundlichen Anwen-dung nach Maßgabe der neuen Vorschrift des § 23 be-kräftigt. Darin einbezogen sind auch Bekanntmachungenund Leitlinien der Kommission. Solche Hinweise zurAuslegung des Artikels 81 Abs. 1 EG sind etwa enthal-ten in den Leitlinien zu horizontalen Vereinbarungen(ABl. EG Nr. C 3 vom 6. Januar 2001; S. 2) oder zu ver-tikalen Vereinbarungen (ABl. EG Nr. C 291 vom 13. Ok-tober 2000; S. 1) ebenso wie in speziellen sektorspezifi-schen Regelungen. Maßstäbe für die Verwaltungspraxisder Kommission zur Anwendung von Artikel 81 Abs. 1EG enthält auch die Bekanntmachung der Kommissionüber Vereinbarungen von geringer Bedeutung (sog.De-minimis-Bekanntmachung, ABl. EG Nr. C 368 vom22. Dezember 2001; S. 13), die insbesondere quantita-tive Kriterien für die Spürbarkeit einer Wettbewerbsbe-schränkung aufstellt.

Auch die Beweislastverteilung folgt im Grundsatz demeuropäischen Recht: danach trägt die Beweislast für eineZuwiderhandlung gegen das Kartellverbot des § 1 diePartei oder die Behörde, die diesen Vorwurf erhebt. DieBeweislast dafür, dass die Freistellungsvoraussetzungennach dem neuen § 2 vorliegen, obliegt den Unternehmenoder Unternehmensvereinigungen, die sich auf diese Be-stimmung berufen. Hiervon unberührt bleiben jedochder Untersuchungsgrundsatz in kartellrechtlichen Buß-geld- und Untersagungsverfahren sowie die Unschulds-vermutung in Bußgeldverfahren.

Im Einzelnen sind folgende Neuerungen vorgesehen:– Erstreckung des Verbots wettbewerbsbeschränkender

Vereinbarungen nach § 1 auf vertikale Wett-bewerbsbeschränkungen entsprechend Artikel 81Abs. 1 EG (dazu siehe Doppelbuchstabe aa),

– Schaffung einer dem Artikel 81 Abs. 3 EG entspre-chenden Generalklausel für die Freistellung vonwettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen undVerhaltensweisen (dazu siehe Doppelbuchstabe bb),

– Aufhebung der meisten speziellen Freistellungstatbe-stände im bisherigen deutschen Recht mit Ausnahmeeiner Sonderregelung für die Freistellung von Mittel-standskartellen (dazu siehe Doppelbuchstabe cc),

– Aufrechterhaltung des Per-se-Verbots für Preisbin-dungen der 2. Hand entsprechend dem bisherigen§ 14; inhaltlich wird dieses Verbot jedoch an die eu-ropäische Regelung in der Vertikal-GVO angepasst(dazu siehe Doppelbuchstabe dd),

– Beseitigung des bisherigen Verfahrens der grundsätz-lichen Administrativfreistellung und Einführung desSystems der Legalausnahme wie im europäischenRecht (dazu siehe Doppelbuchstabe ee).

aa) Bereits im Rahmen der 6. Novelle des GWB wurdeder Wortlaut des Kartellverbots im bisherigen § 1 anArtikel 81 Abs. 1 EG angeglichen. Die Angleichungerfasste jedoch nur Horizontalvereinbarungen. Ent-sprechend Artikel 81 Abs. 1 EG wird nunmehr auchim deutschen Recht das Verbot wettbewerbsbe-schränkender Vereinbarungen auf vertikale Wett-bewerbsbeschränkungen erstreckt. Hierzu wird ins-besondere das Erfordernis eines Wettbewerbsver-hältnisses zwischen den an einer Vereinbarung betei-ligten Unternehmen für die Anwendung derVerbotsnorm des § 1 gestrichen. § 1 hat damit zu-künftig den gleichen Regelungsgehalt wie Artikel 81Abs. 1 EG. Daher sind bei der Auslegung und An-wendung von § 1 auch die Regelbeispiele des Arti-kels 81 Abs. 1 EG heranzuziehen, auch wenn sienicht ausdrücklich im Text des § 1 aufgeführt sind.Aus ihnen wird zum Beispiel die Anwendbarkeit desVerbots wettbewerbsbeschränkender Vereinbarun-gen auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen deut-lich. So erfasst das Verbot der unmittelbaren odermittelbaren Festsetzung der An- oder Verkaufspreiseoder sonstiger Geschäftsbedingungen (Beispiel inBuchstabe a in Artikel 81 Abs. 1 EG) sowohl hori-zontale wie auch vertikale Preis- und Konditionen-bindungen. Dagegen unterscheiden sich die Anwen-dungsbereiche beider Vorschriften. Artikel 81Abs. 1 EG erfasst nur Vereinbarungen, die geeignetsind, den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträch-tigen. § 1 gilt dagegen einerseits für Vereinbarun-gen, bei denen diese Voraussetzung nicht erfüllt ist,zum andern aber auch parallel zu Artikel 81 Abs. 1EG für zwischenstaatlich relevante Vereinbarungen.Die Übernahme der europäischen Systematik beider Behandlung vertikaler Wettbewerbsbeschrän-kungen ist in erster Linie dem durch die neueVO 1/2003 weiter gestärkten Vorrang des europäi-schen Rechts geschuldet. Nach bisherigem deut-

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schen Recht unterliegen vertikale Wettbewerbsbe-schränkungen – abgesehen vom Preis- und Kondi-tionenbindungsverbot des bisherigen § 14 – nureiner mit hohen Eingriffsschwellen verbundenenMissbrauchsaufsicht. Damit trägt das bisherigedeutsche Recht der im Vergleich zu Horizontalver-einbarungen grundsätzlich geringeren wettbewerbs-politischen Schädlichkeit vertikaler Wettbewerbs-beschränkungen angemessen Rechnung. Dies führtin der Praxis auch zu sachgerechten Ergebnissen. Imeuropäischen Recht hat die Erstreckung des Verbotswettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen aufvertikale Vereinbarungen in erster Linie integra-tionspolitische Ziele, insbesondere um sicherzustel-len, dass der Abbau staatlich veranlasster Beschrän-kungen des Binnenmarkts nicht durch privatrecht-liche Beschränkungen (z. B. durch Gebietsschutz)unterlaufen wird. Angesichts des erweiterten Vor-rangs des europäischen Rechts kann sich aber auchdas deutsche Recht der systematischen Einordnungvertikaler Wettbewerbsbeschränkungen auf europäi-scher Ebene nicht entziehen.Hinzu kommt, dass sich das deutsche und euro-päische Verständnis von vertikalen Wettbewerbs-beschränkungen weitgehend angenähert haben. Dieneue Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommis-sion vom 22. Dezember 1999 über die Anwendungvon Artikel 81 Abs. 3 EG auf Gruppen von vertika-len Vereinbarungen und aufeinander abgestimmtenVerhaltensweisen (sog. Vertikal-GVO, ABl. EGNr. L 336 vom 29. Dezember 1999; S. 21) geht auf-grund der bisher gewonnenen Erfahrungen zu verti-kalen Vereinbarungen davon aus, dass bestimmteVereinbarungen mit vertikalen Wettbewerbsbe-schränkungen die wirtschaftliche Effizienz inner-halb einer Produktions- oder Vertriebskette erhöhen,weil sie eine bessere Koordinierung zwischen denbeteiligten Unternehmen ermöglichen. Die Wahr-scheinlichkeit, dass derartige effizienzsteigerndeWirkungen stärker ins Gewicht fallen als die wettbe-werbsschädlichen Wirkungen, die von Beschränkun-gen in den vertikalen Vereinbarungen verursachtwerden, hängt davon ab, in welchem Ausmaß dieUnternehmen dem Wettbewerb anderer Lieferantenvon Waren oder Dienstleistungen ausgesetzt sind(sog. Inter-brand-Wettbewerb). Die Vertikal-GVOgeht im Rahmen einer wirtschaftlichen Betrach-tungsweise von der Vermutung aus, dass positiveWirkungen eintreten, wenn der auf den Lieferantenentfallende Anteil bzw. bei Alleinvertriebsvereinba-rungen der auf den Abnehmer entfallende Anteil andem relevanten Markt 30 % nicht überschreitet. Be-stimmte Arten schwerwiegender Wettbewerbsbe-schränkungen werden als so negativ beurteilt, dassdie Freistellungswirkung ausgeschlossen ist. ImKern führt die Vertikal-GVO – ebenso wie das bis-herige deutsche Recht – zur grundsätzlichen Frei-stellung der überwiegenden Anzahl vertikaler Wett-bewerbsbeschränkungen. Da § 2 die Anpassung andie europäische Verbotsnorm des Artikels 81 Abs. 1EG unmittelbar mit der Anpassung an die europäi-schen Freistellungstatbestände (einschließlich der

Gruppenfreistellungsverordnungen) verknüpft, führtdie Erstreckung des Kartellverbots des bisherigen§ 1 auf vertikale Wettbewerbsbeschränkungen sach-lich zu angemessenen Ergebnissen.

Folge dieser Anpassung ist, dass die bisherigen§§ 14 bis 18 aufgehoben werden. Die bisherigeRegelung zur Missbrauchsaufsicht über vertikaleVereinbarungen (§ 16) fällt ersatzlos weg. Zu denLizenzverträgen (§ 17) und Verträgen über andereLeistungen und Saatgut (§ 18) siehe nachfolgendunter Doppelbuchstabe bb. Zum Verbot der Preis-bindung, das bisher in § 14 geregelt war, siehe § 4(unten Doppelbuchstabe dd). Die Ausnahmerege-lung für Zeitungen und Zeitschriften (bislang § 15)findet sich nunmehr in den Ausnahmebereichen(§ 30).

Mit der Erstreckung des Kartellverbots auf vertikalewettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen entfälltzukünftig auch die Notwendigkeit, den Anwen-dungsbereich des § 1 von jenem der bislang für ver-tikale Wettbewerbsbeschränkungen geltenden Vor-schriften (§§ 14 ff.) abzugrenzen. Die neuere Recht-sprechung des BGH verwendete hierzu das Krite-rium des „anzuerkennenden Interesses“ (vgl. BGH;Beschluss vom 18. Februar 2003 – KVR 24/01 –Verbundnetz II). Danach unterfallen Austauschver-träge unter Wettbewerbern mit wettbewerbsbe-schränkendem Inhalt dem § 1, wenn für die be-schränkende Abrede kein das Austauschverhältnisförderndes anzuerkennendes Interesse gefundenwerden kann. Ist dies jedoch der Fall, ist der Vertragausschließlich als Vertikalvereinbarung zu behan-deln und unterfällt damit bislang dem Regime der§§ 14 ff. Mit der Neufassung des § 1 können verti-kale Wettbewerbsbeschränkungen auch dann grund-sätzlich vom Verbot wettbewerbsbeschränkenderVereinbarungen erfasst sein, wenn für sie ein anzu-erkennendes Interesse zu bejahen ist.

bb) Für die Ausnahmen vom Verbot wettbewerbsbe-schränkender Vereinbarungen sieht die Novelle eineweitestgehende Übernahme des Generalklauselprin-zips in Anlehnung an Artikel 81 Abs. 3 EG vor. Dasbisherige deutsche Recht verfolgt den Ansatz kasuis-tisch ausgestalteter Tatbestände, ergänzt um einenAuffangtatbestand, der sich bereits an Artikel 81Abs. 3 EG orientiert hat (§ 7). Sowohl ein General-klauselprinzip wie auch ein kasuistisch ausgestal-tetes System von Freistellungstatbeständen habenjeweils unterschiedliche Vorteile. Ein kasuistischausgestaltetes System bietet, insbesondere in Verbin-dung mit dem bislang geltenden Administrativfrei-stellungssystem, den Vorteil höherer Rechts-sicherheit, während ein Generalklauselprinzip insge-samt besser geeignet ist, auf in komplexen Volkswirt-schaften sehr unterschiedliche Sachverhaltskon-stellationen angemessen reagieren zu können.

Ähnlich wie bei der Ausgestaltung des Verbots wett-bewerbsbeschränkender Vereinbarungen (siehe obenzu Doppelbuchstabe aa) muss auch bei der Ausgestal-tung der Freistellungstatbestände die Rechtsentwick-lung auf europäischer Ebene angemessen berücksich-

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tigt werden. Angesichts der obligatorischen Anwen-dung des europäischen Wettbewerbsrechts parallelzum nationalen Wettbewerbsrecht bei allen Fällenmit Zwischenstaatlichkeitsbezug (vgl. Artikel 3Abs. 1 VO 1/2003) und angesichts des Vorrangs desnun als Legalausnahme anzuwendenden Artikel 81Abs. 3 EG gegenüber entgegenstehendem – auchstrengerem – nationalem Wettbewerbsrecht erscheintfür das deutsche Recht die Aufrechterhaltung einesvom Generalklauselprinzip des Artikels 81 Abs. 3EG abweichenden Systems nicht mehr sachgerecht.§ 2 übernimmt daher die Tatbestandsvoraussetzun-gen von Artikel 81 Abs. 3 EG. Dabei ist der Freistel-lungstatbestand des § 2 wie das Verbot wettbewerbs-beschränkender Vereinbarungen des § 1 auch aufsolche Fälle anwendbar, die nicht geeignet sind, denHandel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträch-tigen. Dadurch bleibt die Einheitlichkeit des deut-schen Wettbewerbsrechts sichergestellt.

Entsprechend Artikel 81 Abs. 3 EG hängt eine Frei-stellung von dem kumulativen Vorliegen der zwei„positiven“ und zwei „negativen“ Voraussetzungender Freistellung ab: Zum einen muss in positiverHinsicht ein Beitrag zur Verbesserung der Warener-zeugung oder -verteilung oder zur Förderung destechnischen oder wirtschaftlichen Fortschritts ge-leistet werden. Zum anderen muss eine angemesseneBeteiligung der Verbraucher an dem entstehenden„Gewinn“, womit die sich aus der Vereinbarung er-gebenden wirtschaftlichen Vorteile gemeint sind, ge-währleistet sein. In negativer Hinsicht ist zunächstdie Unerlässlichkeit der auferlegten Wettbewerbsbe-schränkung erforderlich. Ferner darf die Vereinba-rung nicht dazu führen, dass für einen wesentlichenTeil der betreffenden Waren der Wettbewerb ausge-schaltet werden kann. Wie beim Verbot wettbe-werbsbeschränkender Vereinbarungen nach § 1 be-deutet künftig auch für die Freistellungsfähigkeitwettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen dieweitestgehende Übernahme der europäischen Termi-nologie eine Anknüpfung an die zu Artikel 81Abs. 3 EG ergangene Rechtsprechung und Praxis.

Eine zentrale Bedeutung bei der Anwendung vonArtikel 81 Abs. 3 EG nehmen die von der Kommis-sion erlassenen Freistellungsverordnungen für Grup-pen von Vereinbarungen (im Folgenden: GVO) ein.„Gruppen“ in diesem Sinne sind Vereinbarungen,denen gemeinsame oder vergleichbare Tatbeständezugrunde liegen, die angesichts der weitgehendenGleichförmigkeit der Interessen der Beteiligtenselbst, ihrer Handelspartner, ihrer Wettbewerber so-wie der Verbraucher einer typisierenden Beurteilungzugänglich sind. Die GVO sind Verordnungen imSinne des Artikels 249 Abs. 2 EG. Das bedeutet, siesind Rechtsnormen, die als solche nationale Ge-richte und Wettbewerbsbehörden binden. Dies giltauch im zukünftigen System der Legalausnahme.Vereinbarungen, die die Voraussetzungen für dieAnwendung der GVO erfüllen, sind ohne weiteresfreigestellt. Die Tatsache, dass eine Vereinbarungvon der GVO nicht gedeckt ist, begründet aber keineVermutung für die Unvereinbarkeit mit Artikel 81

Abs. 3 EG. Sie bedeutet nur, dass in diesem Fall dieFreistellungsfähigkeit der Absprache nicht offen-sichtlich ist, sondern individuell untersucht werdenmuss. Ist in einer Vereinbarung allerdings eine Klau-sel enthalten, die in einer sog. schwarzen Liste einerGVO aufgeführt ist, begründet dies eine Vermutungfür die Unvereinbarkeit mit Artikel 81 Abs. 3 EGund die fehlende Freistellungsfähigkeit.§ 2 Abs. 2 überträgt den Regelungsgehalt der GVOim Wege einer dynamischen Verweisung in dasdeutsche Recht. Die GVO sind daher entsprechendanzuwenden. Dies bedeutet – insbesondere außer-halb der materiellrechtlichen Bestimmungen – nichtin jedem Falle eine wörtliche Anwendung. Sofernetwa eine GVO der Kommission die Befugnis ein-räumt, die GVO in bestimmten Fällen durch Verord-nung für nicht anwendbar zu erklären (vgl. Artikel 8Vertikal-GVO), so richtet sich diese Befugnis zueiner normativen Änderung der GVO allein an dieKommission. Eine entsprechende Anwendung imdeutschen Recht ist insoweit nicht möglich. Soferndie Kommission jedoch eine derartige Verordnungerlässt, findet diese über § 2 Abs. 2 Eingang in dasdeutsche Recht.Artikel 29 VO 1/2003 sieht die Möglichkeit des Ent-zugs des Vorteils einer GVO durch die Kommissionbzw. mitgliedstaatliche Wettbewerbsbehörden vor,wenn im Einzelfall die Anwendung der betreffendenGVO zu Ergebnissen führt, die mit Artikel 81 Abs. 3EG unvereinbar sind. Diese Kompetenz der Kartell-behörden wird in das GWB übernommen und er-gänzt um die Kompetenz zum entsprechenden Vor-teilsentzug hinsichtlich der nach § 2 Abs. 2 für dasdeutsche Recht geltenden GVO (§ 32d).Soweit eine wettbewerbsbeschränkende Vereinba-rung oder Verhaltensweise geeignet ist, den zwi-schenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, sind dieGVO der Kommission als solche unmittelbar an-wendbar. Gleichwohl ist auch insoweit eine Über-tragung des Regelungsgehalts von GVO in dasdeutsche Recht sachgerecht, weil sie den parallelanwendbaren deutschen Freistellungstatbestandnach § 2 Abs. 1 konkretisiert (vgl. Artikel 3 Abs. 1VO 1/2003). Soweit eine wettbewerbsbeschrän-kende Vereinbarung oder Verhaltensweise nicht ge-eignet ist, den zwischenstaatlichen Handel zu beein-trächtigen, wird der Anwendungsbereich der GVOdurch § 2 Abs. 2 mit konstitutiver Wirkung auf dieseVereinbarungen oder Verhaltensweisen erstreckt.Von den derzeit geltenden GVO der Kommissionsind insbesondere folgende hervorzuheben:– für horizontale Vereinbarungen:

Verordnung (EG) Nr. 2658/2000 vom 29. Novem-ber 2000 über die Anwendung von Artikel 81Abs. 3 EG auf Gruppen von Spezialisierungsver-einbarungen (ABl. EG Nr. L 304 vom 5. Dezem-ber 2000; S. 3);Verordnung (EG) Nr. 2659/2000 vom 29. Novem-ber 2000 über die Anwendung von Artikel 81Abs. 3 EG auf Gruppen von Vereinbarungen über

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Forschung und Entwicklung (ABl. EG Nr. L 304vom 5. Dezember 2000; S. 7).

– für vertikale Vereinbarungen:

Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 vom 22. Dezem-ber 1999 über die Anwendung von Artikel 81Abs. 3 EG auf Gruppen von vertikalen Vereinba-rungen und aufeinander abgestimmten Verhal-tensweisen (ABl. EG Nr. L 336 vom 29. Dezem-ber 1999; S. 21);

– für einzelne Sektoren:

Verordnung (EG) Nr. 358/2003 vom 27. Februar2003 über die Anwendung von Artikel 81 Abs. 3EG auf Gruppen von Vereinbarungen, Beschlüs-sen und aufeinander abgestimmten Verhaltens-weisen im Versicherungssektor (ABl. EUNr. L 53 vom 28. Februar 2003; S. 8);

Verordnung (EG) Nr. 1400/2002 vom 31. Juli2002 über die Anwendung von Artikel 81 Abs. 3EG auf Gruppen von vertikalen Vereinbarungenund aufeinander abgestimmten Verhaltensweisenim Kraftfahrzeugssektor (ABl. EG Nr. L 202vom 1. August 2002; S. 30).

Von Bedeutung ist ferner die neue Verordnung (EG)Nr. 772/2004 vom 27. April 2004 betreffendTechnologietransfervereinbarungen (ABl. EUNr. L 123 vom 27. April 2004; S. 11). Die bisherigeVerordnung (EG) Nr. 240/96 vom 31. Januar 1996(ABl. EG Nr. L 31 vom 9. Dezember 1996; S. 2) fürTechnologietransfervereinbarungen hatte bereits diedeutschen Vorschriften über Lizenzverträge (§ 17)und Verträge über andere geschützte und nicht ge-schützte Leistungen (§ 18) weitgehend überlagert.Angesichts des verstärkten Vorrangs des europäi-schen Wettbewerbsrechts haben diese Vorschriftenkünftig keine Bedeutung mehr. Sie werden daheraufgehoben.

cc) Die Übernahme des Generalklauselprinzips entspre-chend Artikel 81 Abs. 3 EG hat zur Folge, dass diekasuistisch ausgestalteten Freistellungstatbeständeim deutschen Recht weitgehend keine Berechtigungmehr haben. Sie werden daher mit Ausnahme derRegelung für Mittelstandskartelle im bisherigen § 4Abs. 1 aufgehoben. Eine sachliche Änderung ist da-mit in aller Regel nicht verbunden, da sich die Frei-stellungsvoraussetzungen in Artikel 81 Abs. 3 EGim Ergebnis weitgehend mit den speziellen gesetzli-chen Regelungen in den bisherigen §§ 2 ff. decken.

Normen- und Typenkartelle bzw. Konditionenkar-telle nach dem bisherigen § 2 haben regelmäßigAuswirkungen, die über den lokalen und regionalenBereich hinausgehen. Sie sind daher geeignet, denzwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen.Aufgrund des erweiterten Vorrangs des europäi-schen Rechts kann deutsches Recht insoweit nichtvom europäischen Recht abweichen. Daher ist eineeigenständige Regelung im deutschen Recht hierzuentbehrlich. Auslegungshilfen für die Beurteilungvon Vereinbarungen über Normen finden sich insbe-sondere in den Leitlinien der Kommission zur An-

wendbarkeit von Artikel 81 EG auf Vereinbarungenüber horizontale Zusammenarbeit, dort insbesondereNr. 6 (Rn. 159 bis 178).

Im Bereich der Konditionenkartelle und -empfeh-lungen sind nach bisherigem Recht auch Vereinba-rungen über Skonti freistellungsfähig. Unter einemSkonto ist eine besondere Vergütung für Zahlungvor Fälligkeit zu verstehen. Vereinbarungen überSkonti werden häufig für bestimmte Wirtschaftssek-toren – z. B. für die Textilindustrie – mit Wirkungfür das gesamte Bundesgebiet geschlossen. Sie un-terliegen daher künftig dem Maßstab des Artikels 81EG, den die deutschen Kartellbehörden und Ge-richte zumindest parallel zum deutschen Wettbe-werbsrecht anwenden müssen. Wegen des erweiter-ten Vorrangs nach Artikel 3 Abs. 2 VO 1/2003 istauch insoweit keine von der europäischen Rechts-lage abweichende Regelung im deutschen Rechtmöglich. Konditionenkartelle und -empfehlungenbleiben jedoch weiterhin, auch soweit sie dem euro-päischen Recht unterfallen, nach Artikel 81 Abs. 3EG – vorbehaltlich einer Prüfung der Klauseln imEinzelfall – grundsätzlich zulässig. Darüber hinauskönnen sie auch nach § 3, sofern die Voraussetzun-gen dieser Vorschrift erfüllt sind, freigestellt sein.

Aufgehoben wird ferner die Regelung des bisherigen§ 3 zu Spezialisierungskartellen. Die dort festgeleg-ten Freistellungsvoraussetzungen entsprechen imAllgemeinen den tatbestandlichen Voraussetzungendes Artikels 81 Abs. 3 EG. Eine spezielle Regelungenthält die GVO über die Anwendung von Artikel 81Abs. 3 EG auf Gruppen von Spezialisierungsverein-barungen. Sie stellt grundsätzlich Vereinbarungeninsbesondere über Produktionsspezialisierungen odereine gemeinsame Produktion vom Kartellverbot frei,soweit die Summe der Marktanteile der beteiligtenUnternehmen am relevanten Markt 20 % nicht über-schreitet. Darüber hinaus bleibt die Einzelfreistellungnach den Kriterien des Artikels 81 Abs. 3 EG mög-lich. Dies entspricht weitgehend dem bisherigen § 3,der die Freistellungsfähigkeit von Spezialisierungs-kartellen an den Ausschluss der Entstehung oderVerstärkung einer marktbeherrschenden Stellungknüpft. Über § 2 Abs. 2 findet die GVO über Spezia-lisierungsvereinbarungen künftig Anwendung imdeutschen Recht, auch soweit der zwischenstaatlicheHandel nicht berührt ist.

Aus den gleichen Gründen wird die besondere Rege-lung über Einkaufskooperationen im bisherigen § 4Abs. 2 aufgehoben. Sie ist bislang als Legalaus-nahme für Einkaufskooperationen im Wesentlichenvon kleinen und mittleren Unternehmen ausgestal-tet; daneben bietet der bisherige § 5 grundsätzlichdie Möglichkeit zur Einzelfreistellung von weiterge-henden Einkaufskooperationen. Maßgeblich für dieAufhebung des bisherigen § 4 Abs. 2 ist insbeson-dere der erweiterte Vorrang des europäischenRechts. In aller Regel haben Einkaufskooperationenspürbare Auswirkungen auf den Handel zwischenden Mitgliedstaaten. Denn vielfach sind Ein-kaufskooperationen über größere regionale Räume

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 27 – Drucksache 15/3640

tätig und schon deshalb grenzüberschreitend imSinne des Artikels 81 EG. Selbst wo dies ausnahms-weise nicht der Fall ist, stehen sie im Wettbewerbzu zwischenstaatlich relevanten Marktteilnehmern.Außerdem sind häufig auch ausländische Produktebzw. Lieferanten betroffen.

Einkaufskooperationen sind im künftig maßgebli-chen europäischen Recht eingehend geregelt. So hatdie Kommission in den Leitlinien zur Anwendbarkeitvon Artikel 81 EG auf Vereinbarungen über horizon-tale Zusammenarbeit Auslegungsgrundsätze zur kar-tellrechtlichen Beurteilung von Einkaufskooperatio-nen entwickelt (vgl. Rn. 115 bis 138). Ein wesent-liches Kriterium für die Beurteilung von Einkaufs-kooperationen ist danach die durch die Bündelungentstehende Marktmacht. Die Leitlinien gehen davonaus, dass Einkaufskooperationen mit einem kumulier-ten Marktanteil der Beteiligten von weniger als 15 %jedenfalls regelmäßig die Voraussetzungen des Arti-kels 81 Abs. 3 EG erfüllen (Rn. 130). Bei kumuliertenMarktanteilen jenseits dieser Grenze ist eine ein-gehendere Betrachtung des Einzelfalls erforderlich(Rn. 131). Nach den Leitlinien wird dabei – anders alsnach dem bisherigen § 4 Abs. 2 – ein über den Ein-zelfall hinausgehender Bezugszwang nicht als grund-sätzlich unzulässig angesehen (Rn. 133). Diese Aus-legungsgrundsätze, die weitergehenden Spielraumfür die Bildung und Tätigkeit von Einkaufskoopera-tionen als der bisherige § 4 Abs. 2 bieten, sind künftigauch für die Beurteilung von Einkaufskooperationenvon kleinen und mittleren Unternehmen im deutschenRecht zu berücksichtigen.

Die dargestellten Grundsätze gelten ebenfalls für dieFreistellung von Rationalisierungskartellen, die bis-her in § 5 geregelt ist. In vielen Fällen haben derar-tige Vereinbarungen zwischenstaatliche Auswirkun-gen und werden daher vom erweiterten Vorrang deseuropäischen Rechts erfasst. Im Regelfall ist vomVorliegen der Freistellungsvoraussetzungen des Ar-tikels 81 Abs. 3 EG auszugehen, wenn bei Vereinba-rungen, die zu nachweisbaren Kosteneinsparungenführen, die Weitergabe des Rationalisierungserfolgsan den Verbraucher durch das Bestehen wesentli-chen Wettbewerbs gesichert erscheint. Sonderfällevon Rationalisierungskartellen werden von der GVOüber Spezialisierungsvereinbarungen und der GVOüber Vereinbarungen über Forschung und Entwick-lung erfasst. Gemäß § 2 Abs. 2 gilt Entsprechendeskünftig auch dann im deutschen Recht, wenn Ratio-nalisierungskartelle keine zwischenstaatlichen Aus-wirkungen haben und daher allein deutsches Rechtanzuwenden ist.

Für die Regelung über Strukturkrisenkartelle nachdem bisherigen § 6 besteht ebenfalls kein Bedürfnismehr. Diese Vorschrift hat in der Praxis nur zu weni-gen formellen Verfahren geführt. Häufig scheiterngeplante Strukturkrisenkartelle an der fehlendenbrancheninternen Einigung. In der Regel berührenStrukturkrisenkartelle den zwischenstaatlichen Han-del und können daher wegen des erweiterten Vor-rangs von Artikel 81 Abs. 3 EG weder großzügiger

noch strenger als im europäischen Recht behandeltwerden. Die Kommission hat genauere Angabendarüber, wann sie derartige Krisenkartelle im Ein-zelnen für zulässig ansieht bzw. welche weiteren Vo-raussetzungen unter Umständen erfüllt sein müssen,in den „Wettbewerbsregeln und Maßnahmen zumAbbau struktureller Überkapazitäten“ im 12. Wett-bewerbsbericht, Ziffern 38 bis 41 aufgezeigt (vgl.auch 13. Wettbewerbsbericht, Ziffern 56 bis 61).

Mit der Neuregelung wird ferner der bisherige § 7entfallen. Durch die Einführung dieser Vorschrift imRahmen der letzten GWB-Novelle hat sich der Ge-setzgeber bereits vom System der kasuistischen Auf-zählung von Freistellungstatbeständen gelöst und ei-nen an Artikel 81 Abs. 3 EG angelehnten Auffang-tatbestand geschaffen. Gleichwohl erfolgte keinevollständige Angleichung an den Wortlaut von Arti-kel 81 Abs. 3 EG. So wurde zum Beispiel auf dieÜbernahme des in Artikel 81 Abs. 3 EG enthaltenenMerkmals der „Förderung des technischen oderwirtschaftlichen Fortschritts“ verzichtet, insbeson-dere um industriepolitisch oder sonstige nicht wett-bewerbspolitisch motivierte Fehlinterpretationen zuvermeiden.

Durch § 2 erfolgt nunmehr eine vollständige Über-nahme der Freistellungskriterien des Artikels 81Abs. 3 EG. Diese weitgehende „Synchronisierung“des deutschen Kartellrechts mit dem europäischenWettbewerbsrecht macht die Regelung in § 7 ent-behrlich. Eine sachliche Änderung tritt damit nichtein. Das Kriterium der „Förderung des technischenoder wirtschaftlichen Fortschritts“ ist in der bisheri-gen Entscheidungspraxis der Kommission ganzüberwiegend anhand wettbewerblicher Maßstäbeausgelegt worden. Soweit die bislang in § 7 genann-ten Vereinbarungen und Beschlüsse zur Verbesse-rung der Rücknahme oder Entsorgung von Warenbetroffen sind, können ergänzend die Auslegungs-kriterien zu Umweltschutzvereinbarungen in denHorizontalleitlinien der Kommission (Rn. 179 ff.)herangezogen werden. Mit der Streichung der bishe-rigen Sonderfreistellungstatbestände entfällt auch dieNotwendigkeit zur Aufrechterhaltung des bisherigen§ 7 Abs. 2.

Aufgehoben wird schließlich die Regelung über Mi-nisterkartelle im bisherigen § 8. Von dieser Legali-sierungsmöglichkeit hat der Bundesminister fürWirtschaft und Arbeit bisher nur in vier Fällen undseit 1984 überhaupt nicht mehr Gebrauch gemacht.Die Vorschrift hat daher keine nennenswerte prakti-sche Bedeutung mehr. Wegen des Vorrangs des eu-ropäischen Rechts ist eine Ministererlaubnis in Zu-kunft bei Vereinbarungen mit grenzüberschreitendenAuswirkungen nicht mehr zulässig. In den anderenFällen von Vereinbarungen mit rein lokalen oder re-gionalen Auswirkungen ist kaum vorstellbar, dassein überragendes Gemeinwohlinteresse im Sinne desbisherigen § 8 besteht.

Abweichend vom Prinzip der grundsätzlichen Über-nahme des europäischen Rechts soll ausnahmsweiseder Freistellungstatbestand für Mittelstandskartelle

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nach dem bisherigen § 4 Abs. 1 aufrechterhaltenwerden. Diese Vorschrift findet sich nunmehr imneuen § 3. Hiermit bringt der Gesetzgeber insbeson-dere zum Ausdruck, dass Kooperationen der mittel-ständischen Wirtschaft, auch wenn sie den Wettbe-werb beschränken, nützlich und strukturell wettbe-werbsfördernd sein können. § 3 legt daher fest, dassbei Erfüllung seiner Tatbestandsvoraussetzungen dieVoraussetzungen des allgemeinen Freistellungstat-bestands nach § 2 Abs. 1 erfüllt sind. Bei Vereinba-rungen zwischen kleinen und mittleren Unterneh-men überwiegen häufig die positiven Wirkungen aufden Wettbewerb, sodass eine gesetzliche Freistel-lung im Rahmen des bisherigen § 4 Abs. 1 gerecht-fertigt ist. Die Unternehmen sollen dadurch Rechts-sicherheit erhalten und zu Kooperationen ermuntertwerden, die die Wettbewerbschancen von kleinenund mittleren Unternehmen gegenüber großen Un-ternehmen verbessern.

Einer besonderen Regelung für Mittelstandskoope-rationen steht europäisches Recht nicht entgegen.Vereinbarungen zwischen kleinen und mittleren Un-ternehmen sind nach Auffassung der Kommissionnur selten geeignet, den Handel zwischen den Mit-gliedstaaten spürbar zu beeinträchtigen (De-mini-mis-Bekanntmachung, Nr. 3; s. o. unter 4. Buch-stabe a). Für derartige Vereinbarungen gilt daher imRegelfall nicht der Vorrang des europäischenRechts; der nationale Gesetzgeber hat hier einenweiten Spielraum für eigenständige Regelungen. Eserscheint sachgerecht, dass dieser Spielraum vomGWB genutzt wird. Soweit Mittelstandskartelle aus-nahmsweise zwischenstaatliche Auswirkungen ha-ben, ist jedoch Artikel 81 Abs. 3 EG maßgeblich.

Insgesamt ist zu erwarten, dass die Anwendung desneuen § 3 im Wesentlichen zu gleichen Ergebnissenführt wie die Entscheidungspraxis zum bisherigen§ 4 Abs. 1. Dabei ist jedoch auch zu berücksichti-gen, dass die Vorschrift des § 3 in den neuen euro-päischen Kontext einzuordnen ist. Vereinbarungenzwischen Wettbewerbern, die nicht einen kumulier-ten Marktanteil von 10 % überschreiten, sind nichtspürbare Wettbewerbsbeschränkungen im Sinne derDe-minimis-Bekanntmachung der Kommission unddamit grundsätzlich auch nicht nach § 1, sofern sienicht grundsätzlich bedenkliche Kernbeschränkun-gen enthalten. Dies ist bei der Prüfung der Freistel-lungsfähigkeit von spürbaren wettbewerbsbeschrän-kenden Vereinbarungen nach dem neuen § 3, insbe-sondere mit Blick auf die dann relevanten Markt-anteilsgrenzen, zu berücksichtigen.

dd) Eine weitere Sonderregelung, die in den rechtlichenWirkungen in Einzelfällen über das europäischeRecht hinausgehen kann, stellt das Verbot von verti-kalen Preisbindungen (Preisbindung der 2. Hand) in§ 4 dar. Bereits im bisherigen Recht war diese Preis-bindung in § 14 besonders geregelt. Während bis-lang vertikale Wettbewerbsbeschränkungen grund-sätzlich nur einer Missbrauchsaufsicht unterliegen,sind Preis- und Konditionenbindungen wegen ihrerbesonderen wettbewerblichen Schädlichkeit einem

strikten Verbot unterworfen. Um den schwerwiegen-den wettbewerbspolitischen Gefahren von Preisbin-dungen auch künftig Rechnung zu tragen, soll in dasneue Gesetz eine besondere Regelung zu vertikalenPreisbindungen aufgenommen werden. Im Grund-satz ist das Verbot von Preisbindungen bereits in § 1enthalten (s. o.). § 4 geht aber darüber hinaus, indemer ein Per-se-Verbot schafft, das keine Freistellungim Einzelfall zulässt. In der Wirkung entspricht diesdem bisherigen § 14. In Fällen mit zwischenstaatli-chen Auswirkungen gilt der erweiterte Vorrang deseuropäischen Rechts.

Der Anwendungsbereich des Preisbindungsverbots in§ 4 ist an das europäische Recht angepasst. Die neueVorschrift übernimmt die Regelung in Artikel 4 Buch-stabe a der Vertikal-GVO. Danach sind – insoweit ab-weichend vom bisherigen § 14 – Höchstpreisbindun-gen und Preisempfehlungen entsprechend den Regelndes europäischen Gemeinschaftsrechts vom Verbotder Preisbindung ausgenommen. Dies ergibt sich ausder Anwendung der §§ 1 und 2 in Verbindung mit derVertikal-GVO. Das Verbot des § 4 gilt (wie Artikel 4Buchstabe a Vertikal-GVO) nur für Preisbindungendes Käufers (Abnehmers). Bindungen des Verkäufers(Lieferanten), z. B. durch Meistbegünstigungsklau-seln, sind daher im Gegensatz zum bisherigen § 14ebenfalls nicht vom Verbot des § 4 erfasst. Insoweitverbleibt es bei den allgemeinen Regelungen in den§§ 1 und 2.

Von der Regelung des § 4 sind Ausnahmen vorgese-hen, soweit aus sachlichen Gründen eine vollständigeÜbereinstimmung mit dem europäischen Recht gebo-ten ist (vgl. hierzu im Folgenden unter Buchstabe e).

ee) Von erheblicher Bedeutung ist schließlich der Über-gang vom bisherigen System der Notifizierung undAdministrativfreistellung zum System der Legalaus-nahme wie im europäischen Recht. Beide Systemehaben durchaus ihre jeweils eigenen Vorteile. DasSystem der Administrativfreistellung stärkt dasWettbewerbsprinzip, indem grundsätzlich alle wett-bewerbsbeschränkenden Vereinbarungen und Ver-haltensweisen als verboten gelten, bis sie durch ad-ministrativen Akt von diesem Verbot freigestelltwerden. Die Anmeldungen wettbewerbsbeschrän-kender Vereinbarungen verschaffen den Kartellbe-hörden einen umfassenden Überblick über dasMarktgeschehen. Gleichzeitig geben konstitutiveFreistellungsentscheidungen der Kartellbehördenden betroffenen Unternehmen Rechtssicherheit.

Das System der Legalausnahme wiederum entlastetdie Unternehmen vom bürokratischen Aufwand vonAnmeldungen, die in vielen Fällen nur wettbewerb-lich unproblematische Vereinbarungen oder Verhal-tensweisen betreffen. Wie auf anderen Feldern desWirtschaftsrechts – etwa im Bereich des Rechts desunlauteren Wettbewerbs – haben die Unternehmengrundsätzlich selbst zu prüfen, ob ihr Verhalten amMarkt rechtmäßig ist. Damit führt das System der Le-galausnahme zu einer Internalisierung der Kosten fürdie präventive Rechtskontrolle von wettbewerbsbe-schränkenden Vereinbarungen und Verhaltensweisen.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/3640

Mit dem Systemwechsel auf europäischer Ebene istdie Aufrechterhaltung eines Systems konstitutiverFreistellungsentscheidungen auf nationaler Ebenenicht mehr möglich, soweit wettbewerbsbeschrän-kende Vereinbarungen und Verhaltensweisen imSinne des Artikels 81 Abs. 1 EG betroffen sind, dieden zwischenstaatlichen Handel berühren. Da inDeutschland eine erhebliche Anzahl wettbewerbsbe-schränkender Vereinbarungen und Verhaltenswei-sen unter diese Kategorie fällt, wäre die Aufrechter-haltung eines Systems der Administrativfreistellung,das nur noch für Vereinbarungen mit lokaler oder re-gionaler Bedeutung anwendbar wäre, nicht sinnvoll.Dies gilt auch wegen der dann erforderlichen Ab-grenzung von Vereinbarungen mit und ohne zwi-schenstaatlichen Bezug, was mit erheblicher Rechts-unsicherheit verbunden wäre (s. o.). Außerdemwürde dies insbesondere kleinen und mittlerenUnternehmen zusätzliche Lasten aufbürden. Dieserscheint nicht sachgerecht. Die Neuregelung gehtdaher von einer vollständigen Beseitigung des bishe-rigen Systems der Administrativfreistellung aus. Diebisherigen §§ 9 bis 13 werden aufgehoben. Wie imeuropäischen Recht sind wettbewerbsbeschränkendeVereinbarungen und Verhaltensweisen nach § 1 inZukunft erlaubt, wenn sie die Voraussetzungen des§ 2 erfüllen. Eine vorherige Entscheidung einer Kar-tellbehörde ist nicht mehr erforderlich.

Durch den Systemwechsel werden sich für Behör-den und Unternehmen in der praktischen Anwen-dung des Wettbewerbsrechts erhebliche Veränderun-gen ergeben. Insgesamt haben dabei die Unterneh-men eine gesteigerte Verantwortung für eine effek-tive Wettbewerbskontrolle. Bei der nachträglichenAufdeckung und Verfolgung von Kartellrechtsver-stößen werden künftig Beschwerden von Dritteneine größere Rolle spielen. Andererseits haben dieUnternehmen wie bisher die Möglichkeit, mit derKartellbehörde informell abzuklären, ob die vorge-sehenen Vereinbarungen von der Behörde als frei-stellungsfähig angesehen werden; ggf. kann die Kar-tellbehörde eine Entscheidung nach § 32c erlassen.Unternehmen können dadurch weitgehend Rechts-sicherheit in problematischen Fällen erhalten. DerAnreiz für die Unternehmen, derartige Vor-Abklä-rungen mit der zuständigen Kartellbehörde durchzu-führen, wird verstärkt durch verschärfte Sanktionenbei Verstößen gegen das Kartellrecht.

Für die Aufklärung von schwerwiegenden Kartell-rechtsverstößen (sog. Hard-core-Kartellen), die diebeteiligten Unternehmen auch bisher nicht angemel-det haben, haben sich die Richtlinien des Bundes-kartellamts für die Festsetzung von Geldbußen (Be-kanntmachung Nr. 68/2000 – „Bonusregelung“) alssehr wirksam erwiesen. Nach diesen Richtlinien, dieeine zulässige Konkretisierung des Verfolgungser-messens der Kartellbehörden darstellen, kann auchkünftig unter bestimmten Voraussetzungen die Auf-klärungsbereitschaft von Kartellbeteiligten bußgeld-mindernd oder -ausschließend berücksichtigt wer-den. Im Zusammenspiel mit weiteren neuen Rege-lungen ist damit zu rechnen, dass die Effektivität der

Wettbewerbskontrolle durch den Wechsel zum Sys-tem der Legalausnahme nicht leiden wird. Dies ent-spricht auch der Einschätzung der Kommission fürdie Anwendung des europäischen Wettbewerbs-rechts durch die Kommission und die Behörden undGerichte der Mitgliedstaaten. Dort, wo das Bundes-kartellamt sich einen umfassenden Überblick überbestimmte wettbewerblich problematische Märkteoder Vertragstypen verschaffen will, hat es in Zu-kunft die Möglichkeit einer Enquete (§ 32e).

b) Im Hinblick auf den Missbrauch marktbeherrschenderStellungen und sonstiges wettbewerbsbeschränkendesVerhalten hat die Novelle Folgendes zum Inhalt:– Im Wesentlichen unveränderte Beibehaltung der Vor-

schriften zur Missbrauchsaufsicht über marktbeherr-schende und marktstarke Unternehmen (dazu sieheDoppelbuchstabe aa),

– Klarstellung, dass im Rahmen der räumlichenMarktabgrenzung der relevante Markt weiter seinkann als der Geltungsbereich dieses Gesetzes (dazusiehe Doppelbuchstabe bb),

– Abschaffung der besonderen Regelungen über Preis-empfehlungen in den bisherigen §§ 22 und 23 (dazusiehe Doppelbuchstabe cc).

aa) Der erweiterte Vorrang des europäischen Wettbe-werbsrechts gilt nicht für die Missbrauchsaufsicht beieinseitigem wettbewerbsbeschränkenden Verhalten.Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 belässt den Mit-gliedstaaten ausdrücklich die Befugnis, insoweitstrengere Vorschriften zu erlassen und anzuwenden.Die Bundesregierung hat sich in den Beratungen überdie VO 1/2003 nachdrücklich für diese Möglichkeiteingesetzt. Die deutschen Vorschriften über die kar-tellrechtliche Missbrauchsaufsicht sind gegenüberdem europäischen Recht oftmals ausdifferenzierter,ihr Anwendungsbereich ist auch weiter. Ihr Wegfallhätte somit einen erheblichen Verlust an Wettbe-werbsschutz gegenüber missbräuchlichen Verhal-tensweisen bedeutet. In anderen Mitgliedstaaten wirdvielfach der gleiche Regelungszweck mit den Mittelndes allgemeinen Zivil- bzw. Lauterkeitsrechts ver-folgt. Die Beibehaltung der deutschen Vorschriftenzur Missbrauchsaufsicht verhindert somit auch eineUngleichbehandlung vergleichbarer Sachverhalte imeuropäischen Binnenmarkt. Im Bereich der Miss-brauchsaufsicht über marktbeherrschende Unterneh-men hat sich insbesondere die – im Rahmen der letz-ten GWB-Novelle eingefügte – Regelung über denZugang zu wesentlichen Einrichtungen bewährt (vgl.§ 19 Abs. 4 Nr. 4). Diese Vorschrift, die eine Ausprä-gung der auch im europäischen Recht bekannten„essential facilities“-Doktrin darstellt, ist gegenüberArtikel 82 EG in verschiedener Hinsicht präziser,etwa mit Blick auf die Entgeltpflicht oder die Beweis-lastregelung im Falle der Unmöglichkeit oder Unzu-mutbarkeit der Mitbenutzung einer wesentlichen Ein-richtung. Gleiches gilt für das Diskriminierungs- undBehinderungsverbot nach § 20, insbesondere auchsoweit es – über Artikel 82 EG hinausgehend – denSchutz abhängiger kleiner und mittlerer Unternehmenbezweckt. Diese Vorschrift erfüllt eine wichtige wett-

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Drucksache 15/3640 – 30 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

bewerbs- und mittelstandspolitische Funktion. Diesschließt das Verbot des Verkaufs unter Einstandspreisein. § 20 wird daher, mit Ausnahme redaktionellerAnpassungen bei den Verweisungen, unverändert bei-behalten. Entsprechendes gilt für das Boykottverbotund das Verbot sonstigen wettbewerbsbeschränken-den Verhaltens nach § 21.

bb) In § 19 Abs. 2 erfolgt eine ausdrückliche Klarstel-lung, dass der räumlich relevante Markt weiter seinkann als der Geltungsbereich dieses Gesetzes. Bereitsim Rahmen der letzten GWB-Novelle wurde in § 19Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 in Anlehnung an Artikel 2 Abs. 1Buchstabe a der EG-Fusionskontrollverordnung dasKriterium der „Berücksichtigung des tatsächlichenoder potentiellen Wettbewerbs durch innerhalb oderaußerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes an-sässige Unternehmen“ eingefügt. Ziel war bereits da-mals, im Anschluss an den Beschluss des Bundesge-richtshofes vom 24. Oktober 1995 (Backofenmarkt)klarzustellen, dass bei der Prüfung der Marktbeherr-schung die Wettbewerbsverhältnisse auf dem ökono-misch relevanten Markt zugrunde gelegt werden müs-sen. Dieser Markt kann weiter sein als der Geltungs-bereich dieses Gesetzes. So führte die Gesetzes-begründung zur 6. GWB-Novelle bereits wörtlichaus: „Mit der Einführung des Kriteriums „Berück-sichtigung des tatsächlichen oder potentiellen Wett-bewerbs durch innerhalb oder außerhalb des Gel-tungsbereiches dieses Gesetzes ansässige Unterneh-men“ soll klargestellt werden, dass bei der Prüfungder Marktbeherrschung im Rahmen der Fusionskon-trolle die Wettbewerbsverhältnisse auf den öko-nomisch relevanten Märkten berücksichtigt wer-den müssen“ (vgl. Bundestagsdrucksache 13/9720;Nr. I. 3 Buchstabe c Doppelbuchstabe cc). Der Aus-schuss für Wirtschaft im Deutschen Bundestag er-klärte hierzu im Rahmen seiner Stellungnahme: „Sie(d. h. die Ergänzung von § 19) macht unmissver-ständlich deutlich, dass der räumlich relevante Marktim Rahmen der Fusionskontrolle und der Verhaltens-kontrolle über marktbeherrschende Unternehmenauch über den Geltungsbereich des Gesetzes hinaus-gehen kann“ (vgl. Bundestagsdrucksache 13/10633;Anlage 5, Beschluss zu 5 (§ 19)).

Allerdings führte die Ergänzung von § 19 Abs. 2Satz 1 Nr. 2 nicht zu der erhofften Wirkung. In Ent-scheidungen des Bundeskartellamts und auch in einerEntscheidung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom30. April 2003 – Kart 9/00 (V)) wird – entgegen derKlarstellung in der Begründung zur 6. GWB-No-velle – weiterhin ein normativer, auf das Inland be-grenzter räumlicher Marktbegriff angewandt. § 19Abs. 2 stellt nunmehr im Gesetzeswortlaut ausdrück-lich klar, dass der räumlich relevante Markt weitersein kann als der Geltungsbereich dieses Gesetzes unddass dieser Markt auch für die wettbewerbliche Be-urteilung (Marktbeherrschung) zugrunde zu legen ist.Dies erleichtert auch die Zusammenarbeit der Kartell-behörden im europäischen Netzwerk.

cc) Der weitgehenden Angleichung an das europäischeWettbewerbsrecht im Bereich wettbewerbsbeschrän-

kender Vereinbarungen entspricht auch die Aufhe-bung der Vorschriften über das Empfehlungsverbot(bisher § 22) und die unverbindliche Preisempfeh-lung für Markenwaren (bisher § 23). Das EG-Rechtenthält kein allgemeines Empfehlungsverbot unddemgemäß auch keine Ausnahmetatbestände vomEmpfehlungsverbot. Empfehlungen sind insoweitallein am Maßstab des Artikels 81 EG zu messen.Danach können Empfehlungen unter das allgemeineKartellverbot fallen, wenn sie auf einer wett-bewerbsbeschränkenden Vereinbarung, dem Be-schluss einer Unternehmensvereinigung oder einerabgestimmten Verhaltensweise beruhen bzw. zu ei-ner aufeinander abgestimmten Verhaltensweise füh-ren. Wird die Empfehlung befolgt, kann abgestimm-tes Verhalten vorliegen (vgl. dazu EuGH, Urteil vom28. Januar 1986 – Rechtssache 161/84 „Pronuptia“;Slg. 1986, 353 ff.). Soweit Empfehlungen danachvom Kartellverbot erfasst werden, gilt für ihre Frei-stellungsfähigkeit die allgemeine Regelung des Arti-kels 81 Abs. 3 EG.

Mit der Streichung der bisherigen §§ 22 und 23 istsomit eine Übernahme der europarechtlichen Beur-teilung von Empfehlungen auch für solche Fälle ver-bunden, die nicht zwischenstaatlich relevant sind.Damit wird entsprechend der Grundkonzeption derNovelle eine unerwünschte Zweiteilung des deut-schen Wettbewerbsrechts vermieden. In Zukunft istdaher zu prüfen, ob Empfehlungen – entsprechendden im EG-Recht entwickelten Rechtsgrundsätzen –vom Kartellverbot des § 1 erfasst sind. Soweit diesder Fall ist, gilt für die Freistellungsfähigkeit vonEmpfehlungen die Regelung des § 2. Liegt nichtausnahmsweise eine spezielle Regelung in einerGVO vor, ist danach an Hand der allgemeinen Krite-rien von § 2 Abs. 1 bzw. Artikel 81 Abs. 3 EG zuprüfen, ob die Voraussetzungen für eine Freistellungder Empfehlung erfüllt sind.

Für den Bereich der Mittelstandsempfehlungen, diebisher in § 22 Abs. 2 geregelt sind, ist im Ergebnis da-von auszugehen, dass – horizontal oder vertikal wirk-same – Empfehlungen von Vereinigungen kleineroder mittlerer Unternehmen im Regelfall jedenfallsnach § 2 Abs. 1 (evtl. in Verbindung mit § 3) freige-stellt sind, sofern sie die Voraussetzungen des bishe-rigen § 22 Abs. 2 erfüllen. Für den Bereich der verti-kalen Preisempfehlungen (bislang § 22 Abs. 1 Satz 2und § 23) wiederum stellt Artikel 4 Buchstabe a Ver-tikal-GVO ihre wettbewerbsrechtliche Zulässigkeitklar, soweit sich diese nicht infolge der Ausübung vonDruck oder der Gewährung von Anreizen durch eineder Vertragsparteien tatsächlich wie Fest- oder Min-destverkaufspreise auswirken. Diese Regelung giltauch im Rahmen des Per-se-Verbots des § 4, auch so-weit Preisempfehlungen betroffen sind, die nicht zwi-schenstaatlich relevant sind.

c) Die Novelle sieht einen neuen Abschnitt über die An-wendung des europäischen Wettbewerbsrechts vor. Erenthält folgende Elemente:

– Klarstellung der Verpflichtung zur parallelenAnwendung des europäischen Wettbewerbsrechts

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/3640

neben dem deutschen Wettbewerbsrecht bei allenKartell- und Missbrauchsfällen mit Zwischenstaat-lichkeitsbezug; ferner Klarstellung des Vorrangs deseuropäischen Wettbewerbsrechts im Bereich des Ar-tikels 81 EG (dazu siehe aa),

– Einführung einer Verpflichtung zur europafreundli-chen Anwendung dieses Gesetzes (dazu siehe bb).

aa) In Übereinstimmung mit Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 VO1/2003 stellt § 22 Abs. 1 klar, dass die Anwendungdes deutschen Wettbewerbsrechts auf wettbewerbs-beschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse von Un-ternehmensvereinigungen und abgestimmte Verhal-tensweisen, die geeignet sind, den zwischenstaat-lichen Handel zu beeinträchtigen, nur gemeinsammit Artikel 81 EG möglich ist. Entsprechendes giltnach § 22 Abs. 3 – in Übereinstimmung mit Artikel 3Abs. 1 Satz 2 VO 1/2003 – für nach Artikel 82 EGverbotene missbräuchliche Verhaltensweisen. § 22Abs. 1 und 3 machen aber auch deutlich, dass in die-sen Fällen die Anwendung des deutschen Wett-bewerbsrechts neben dem europäischen Wettbewerbs-recht fakultativ ist. Die Wettbewerbsbehörden undGerichte können das deutsche Wettbewerbsrechtparallel anwenden, sie sind aber hierzu nicht ver-pflichtet. Wenn sie aber auf Sachverhalte im Sinnedes § 22 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 3 Satz 1 das deut-sche Wettbewerbsrecht anwenden, so müssen sie da-neben das europäische Wettbewerbsrecht anwenden.Die in § 22 angeordnete parallele Anwendung vondeutschem und europäischem Wettbewerbsrecht ent-spricht Artikel 3 VO 1/2003. Gleichwohl ist dieseVorschrift wichtig, um den Rechtsanwendern dieNotwendigkeit deutlich zu machen, dass in Fällenvon grenzüberschreitenden Auswirkungen immerauch das europäische Recht, ggf. neben dem deut-schen Recht, angewandt werden muss. Eine solchePflicht zur parallelen Anwendung zweier Rechtsord-nungen gibt es in dieser Form bisher im Wettbe-werbsrecht nicht.Maßgeblich für die Pflicht zur parallelen Anwen-dung des europäischen Wettbewerbsrechts zusätz-lich zum deutschen Wettbewerbsrecht ist bei wett-bewerbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Ver-haltensweisen im Sinne des Artikels 81 EG dasKriterium der Eignung zur Beeinträchtigung deszwischenstaatlichen Handels, bei missbräuchlichenVerhaltensweisen zusätzlich die Erfüllung der Ver-botsvoraussetzungen des Artikels 82 EG. Die Kom-mission hat die Kriterien für die Eignung zur Beein-trächtigung des zwischenstaatlichen Handels in ihrerMitteilung (ABl. EU Nr. C 101 vom 27. April 2004;S. 81) näher konkretisiert.Von erheblicher Bedeutung ist insbesondere die er-weiterte Vorrangregelung des Artikels 3 Abs. 2 VO1/2003, die in § 22 Abs. 2 wiedergegeben wird. Da-nach darf die Anwendung der Vorschriften diesesGesetzes nicht zum Verbot von Vereinbarungen zwi-schen Unternehmen, Beschlüssen von Unterneh-mensvereinigungen und aufeinander abgestimmtenVerhaltensweisen führen, welche zwar den zwi-schenstaatlichen Handel beeinträchtigen können,

aber entweder nicht nach Artikel 81 Abs. 1 EG ver-boten oder nach Artikel 81 Abs. 3 EG von diesemVerbot freigestellt sind. § 22 Abs. 2 Satz 1 stellt – inÜbereinstimmung mit Artikel 3 Abs. 2 VO 1/2003 –ebenfalls klar, dass dies auch dann der Fall ist, wenneine wettbewerbsbeschränkende Vereinbarung oderVerhaltensweise von einer GVO der Kommission er-fasst wird.

Zur Anwendbarkeit milderen deutschen Rechts, ins-besondere bei Ausnahmetatbeständen, verweist § 22Abs. 2 Satz 3 auf die insoweit maßgeblichen Regelndes europäischen Gemeinschaftsrechts: Schon nachbisheriger Praxis und Rechtsprechung darf die Wirk-samkeit des europäischen Wettbewerbsrechts nichtdurch weniger strenge nationale Regelungen einge-schränkt werden. Ferner hatte bereits nach dem bis-herigen § 50 das Bundeskartellamt die Befugnis, indiesen Fällen das strengere europäische Recht anzu-wenden. Künftig sind die Kartellbehörden, wie auchdie Gerichte, bei wettbewerbsbeschränkenden Ver-einbarungen und Verhaltensweisen mit zwischen-staatlichen Auswirkungen dazu verpflichtet. Diesfolgt unmittelbar aus der Anwendungsverpflichtungdes Artikels 3 Abs. 1 VO 1/2003 und wird durch denneuen § 22 Abs. 1 nochmals bekräftigt. Im Ergebnisgilt damit der Vorrang des europäischen Wettbe-werbsrechts auch gegenüber milderem deutschenRecht.

Der erweiterte Vorrang nach Artikel 3 Abs. 2 VO1/2003 gegenüber strengerem nationalen Wettbe-werbsrecht gilt nicht für einseitiges wettbewerbs-beschränkendes Verhalten. Bei der Ermittlung derTragweite des Vorrangs ist deshalb maßgeblich, obein Verhalten von Unternehmen als Vereinbarung imSinne des Artikels 81 Abs. 1 EG oder als einseitig(unilateral) anzusehen ist. Die Begriffe Vereinbarun-gen, Beschlüsse und abgestimmte Verhaltensweisensind autonome Konzepte des EG-Wettbewerbsrechtszur Erfassung eines koordinierten Verhaltens vonUnternehmen am Markt im Sinne der Auslegungdieser Begriffe durch die Gerichte der Gemein-schaft. Nach Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003 wirdden Mitgliedstaaten jedoch nicht das Recht ver-wehrt, in ihrem Hoheitsgebiet strengere innerstaatli-che Wettbewerbsvorschriften zur Unterbindung oderAhndung einseitiger Handlungen von Unternehmenzu erlassen oder anzuwenden. Diese strengeren ein-zelstaatlichen Rechtsvorschriften können ein Verbotoder eine Ahndung missbräuchlichen Verhaltens ge-genüber wirtschaftlich abhängigen Unternehmenumfassen (vgl. 8. Erwägungsgrund der VO 1/2003).In Deutschland betrifft dies insbesondere den An-wendungsbereich von § 20, soweit diese Vorschriftmissbräuchliche Verhaltensweisen gegenüber ab-hängigen kleinen und mittleren Unternehmen ver-bietet. Gleiches gilt für § 21. Die Anwendung dieserVorschriften bleibt insoweit von § 22 Abs. 2 unbe-rührt. Eine entsprechende Klarstellung ist in § 22Abs. 2 Satz 2 vorgesehen.

Entsprechend Artikel 3 Abs. 3 der VO 1/2003 geltendie §§ 22 Abs. 1 bis 3 nicht, wenn das Bundeskar-

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tellamt oder deutsche Gerichte die Vorschriften überdie Zusammenschlusskontrolle anwenden oder so-weit die Anwendung von Bestimmungen des deut-schen Rechts betroffen ist, die überwiegend ein vonArtikel 81 und 82 EG abweichendes Ziel verfolgen(§ 22 Abs. 4). Hierzu gehören insbesondere die Vor-schriften des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbe-werb (UWG).

bb) Zusätzlich enthält § 23 eine Verpflichtung der Kar-tellbehörden und Gerichte, bei der Anwendung der§§ 1 bis 4 und 19 des Gesetzes die Grundsätze deseuropäischen Wettbewerbsrechts maßgeblich zu-grunde zu legen. § 23 ist keine Regelung über denVorrang des europäischen Wettbewerbsrechts. Dieserrichtet sich unmittelbar nach dem europäischen Ge-meinschaftsrecht bzw. § 22. Es handelt sich vielmehrum eine Anwendungsregel neben und zusätzlich zudem Vorrang des europäischen Wettbewerbsrechts,die vor allem für den nicht zwischenstaatlich rele-vanten Bereich, in dem es keinen Vorrang des euro-päischen Rechts gibt, eingreift. § 23 orientiert sich anentsprechenden Vorbildern im europäischen Ausland(z. B. Artikel 1 Abs. 4 des italienischen Wettbe-werbsgesetzes 1990; Section 60 des britischen Com-petition Act 1998). Ähnlich wie diese Vorschriftenbewirkt § 23 im Ergebnis, dass sich die Auslegungder gesetzlichen Regelungen des europäischen Wett-bewerbsrechts nach den gleichen Maßstäben richtet,wie sie im europäischen Wettbewerbsrecht durch dieEntscheidungen des Europäischen Gerichtshofesbzw. des Europäischen Gerichts erster Instanz unddie Beschlusspraxis der Kommission einschließlichMitteilungen und Bekanntmachungen verbindlichsind. § 23 schreibt dabei keine unmittelbare nor-mative Bindung an die Entscheidungspraxis der eu-ropäischen Institutionen vor.

Soweit Vereinbarungen und Verhaltensweisen mitzwischenstaatlichen Auswirkungen betroffen sind,führt eine Anknüpfung an die Entscheidungspraxisder Kommission und der europäischen Gerichte zueiner weitgehenden „Synchronisierung“ der Ausle-gung und Anwendung der deutschen und europäi-schen Wettbewerbsvorschriften. Für Vereinbarungenund Verhaltensweisen ohne zwischenstaatliche Aus-wirkungen ist ein solcher Gleichklang von deut-schem und europäischem Wettbewerbsrecht eben-falls geboten, um die Einheitlichkeit des deutschenWettbewerbsrechts zu wahren. Dies wird durch § 23sichergestellt, der gerade für diese Fallgestaltungenbesonders bedeutsam ist.

Trotz der umfassenden Anknüpfung an die Grund-sätze des europäischen Wettbewerbsrechts muss im-mer in denjenigen Fällen spezifisch auf das deutscheWettbewerbsrecht abgestellt werden, in denen des-sen Wortlaut Abweichungen vom europäischenWettbewerbsrecht aufweist. Dies wird durch denzweiten Halbsatz von § 23 deutlich gemacht. Aberauch in den Fällen, in denen kein abweichender ge-setzgeberischer Wille erkennbar ist, bedarf es im je-weiligen Einzelfall der Beurteilung, inwieweit dieentsprechende Anwendung der europäischen Grund-

sätze nicht von einzelstaatlichen Besonderheitenüberlagert wird. In diesem Sinne schließt § 23 aucheine Weiterentwicklung der Grundsätze des europäi-schen Wettbewerbsrechts durch die deutschen Kar-tellbehörden und Gerichte nicht aus. Ist jedoch derzu prüfende Sachverhalt vergleichbar mit jenen, dieGegenstand der Entscheidungspraxis der europäi-schen Institutionen sind, soll die Anwendung desdeutschen Wettbewerbsrechts grundsätzlich zu dengleichen Ergebnissen führen. § 23 stärkt damit dieRechtssicherheit der Unternehmen und erleichtertdie Handhabbarkeit des deutschen Wettbewerbs-rechts.

Soweit nicht einschlägige Grundzüge des europäi-schen Wettbewerbsrechts entgegenstehen, stellt wei-terhin die bisherige Verwaltungs- und Rechtspre-chungspraxis der deutschen Kartellbehörden undZivilgerichte eine wichtige Auslegungshilfe für dieVorschriften dieses Gesetzes dar.

d) Grundsätzlich werden die Vorschriften über Wettbe-werbsregeln im Vierten Abschnitt beibehalten. Wettbe-werbsregeln haben zwar nur eine begrenzte praktischeBedeutung. Sie sind aber ein wichtiges Instrument zumInteressenausgleich gerade auch zwischen auf verschie-denen Marktstufen tätigen Unternehmen. Zugleich ha-ben sie eine wichtige Funktion im Hinblick auf den Ver-braucherschutz. Dabei ist zu beachten, dass die Kartell-behörden im Rahmen der Prüfung der Anerkennung vonWettbewerbsregeln die Befugnis haben, auch Vorschrif-ten außerhalb des Kartellrechts, insbesondere des Geset-zes gegen den unlauteren Wettbewerb, anzuwenden (vgl.§ 26 Abs. 2). Die Novelle sieht deshalb, entgegen vielfa-chen Vorschlägen und Forderungen, keine Aufhebungdes Abschnitts über Wettbewerbsregeln vor. Diese Vor-schriften machen deutlich, dass die Kartellbehördenauch Aufgaben im Bereich des Verbraucherschutzeswahrnehmen. Die Novelle enthält lediglich die notwen-digen Anpassungen an das neue System der Wettbe-werbskontrolle.

e) Die mit Inkrafttreten der VO 1/2003 wirksam geworde-nen Veränderungen im europäischen Recht erfordern Än-derungen in den bislang im GWB bestehenden Sonder-regelungen für bestimmte Wirtschaftsbereiche. DeutscheKartellbehörden und Gerichte müssen nach Artikel 3 derVO 1/2003 seit dem 1. Mai 2004 auf Sachverhalte, dieden zwischenstaatlichen Handel beeinträchtigen können,unmittelbar und zwingend europäisches Wettbewerbs-recht anwenden. Das europäische Kartellverbot in Arti-kel 81 EG kennt keine dem bisherigen GWB entspre-chenden bereichsspezifischen gesetzlichen Ausnahmebe-reiche bzw. Sonderregelungen. Wegen der Pflicht zur An-wendung und des Vorrangs des europäischen Rechts istim Bereich der zwischenstaatlichen Auswirkungen eineAnpassung durch Aufhebung von Sonderregeln notwen-dig. Angesichts der weiten Auslegung des Begriffs „zwi-schenstaatliche Auswirkungen“ durch den EuGH und dieKommission wird fast der gesamte Anwendungsbereichbestehender Sonderbereiche erfasst. Die Sonderregelnfür Urheberrechtsverwertungsgesellschaften (bisheriger§ 30) und für die zentrale Vermarktung von Fernsehrech-ten an Sportveranstaltungen durch Sportverbände (bishe-

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riger § 31) werden deshalb aufgehoben. Vom Verbotwettbewerbsbeschränkender Vereinbarungen ausgenom-men bleibt allein der landwirtschaftliche Sektor, für deneine Ausnahme vom Wettbewerbsprinzip im EG-Vertragin Verbindung mit den einschlägigen Verordnungen (ins-besondere VO 26/62) vorgesehen ist.

Um die notwendige Einheit der Rechtsordnung zu wah-ren, werden Ausnahmebereiche auch dort zurückgeführt,wo ein Anwendungsspielraum nationalen Kartellrechtsaufgrund rein innerstaatlich wirkender Vereinbarungendenkbar wäre. Soweit danach Sonderregelungen entfal-len, gelten künftig die allgemeinen Vorschriften in den§§ 1 bis 4 sowie die Auslegungsregel des § 23 insbeson-dere für die Fälle ohne zwischenstaatliche Auswirkun-gen.

Der Wegfall bestehender Sonderregeln bedeutet keineautomatische Unzulässigkeit bisher freigestellter oderfreistellungsfähiger Vereinbarungen. Vielmehr ist nun-mehr an Hand der allgemeinen Regeln zu beurteilen, obdie Voraussetzungen der in § 2 übernommenen Legal-ausnahme des Artikels 81 Abs. 3 EG erfüllt sind.

Die Beibehaltung des Verbots der vertikalen Preisbin-dung, das bisher in § 14 geregelt war und nunmehr in § 4– insoweit über europäisches Recht hinausgehend – fürvertikale Preisbindungen grundsätzlich keine Freistel-lung zulässt, macht bestimmte Ausnahmen erforderlich.§ 4 ist in solchen Bereichen für nicht anwendbar zu er-klären, wo sich im Vergleich zum europäischen Rechteine ungerechtfertigte Schlechterstellung der Betroffe-nen in Fällen ohne zwischenstaatliche Auswirkungen er-geben würde. Dies gilt für besondere Vereinbarungen inder Landwirtschaft (§ 28), Vereinbarungen der Kredit-und Versicherungswirtschaft (§ 29) sowie für die Preis-bindung bei Zeitungen und Zeitschriften (§ 30).

Spezielle wettbewerbsrechtliche Sonderregelungen, diemit der 6. GWB-Novelle aus Gründen des Sachzusam-menhangs in Fachgesetze überführt worden sind, sollenin ihrem materiellen Gehalt – soweit noch begründet –erhalten bleiben. Sie werden dabei redaktionell an dasvorliegende Gesetz angepasst.

Für die vom wirtschaftlichen Strukturwandel besondersbetroffenen Zeitungen wird in § 31 ein neuer Ausnahme-tatbestand mit erweiterten Kooperationsmöglichkeitenim Anzeigenbereich eingeführt (vgl. dazu unten Buch-stabe h Doppelbuchstabe bb).

f) Im Hinblick auf die Befugnisse der Kartellbehörden unddie Kontrolle von Wettbewerbsverstößen sieht dieNovelle Folgendes vor:

– Erweiterung der bisherigen Untersagungsbefugnisum die Möglichkeit der positiven Tenorierung und dernachträglichen Feststellung eines Verstoßes durcheine Kartellbehörde (dazu siehe Doppelbuchstabe aa),

– Neufassung der Regelung über einstweilige Maßnah-men bei gleichzeitiger Einführung einer zeitlichenBefristung (dazu siehe Doppelbuchstabe bb),

– Einführung des Instruments von Verpflichtungs-zusagen wie im europäischen Recht (dazu siehe Dop-pelbuchstabe cc),

– Einführung der Möglichkeit einer Entscheidung derKartellbehörde, dass kein Anlass zum Tätigwerdenbesteht (dazu siehe Doppelbuchstabe dd),

– Möglichkeit des Entzugs einer gruppenweisen Frei-stellung im Falle einer nach § 2 Abs. 2 entsprechendanwendbaren Gruppenfreistellungsverordnung (dazusiehe Doppelbuchstabe ee),

– Schaffung einer Enquetebefugnis für das Bundeskar-tellamt (dazu siehe Doppelbuchstabe ff).

aa) Nach bisherigem Recht haben Kartellbehörden, fallssie ein kartellrechtlich verbotenes Verhalten feststel-len, die Möglichkeit einer Untersagungsverfügung.Sie können damit ein bestimmtes Verhalten verbie-ten, aber im Regelfall nicht konkret ein Verhaltenanordnen, das zur Beseitigung des Wettbewerbs-verstoßes erforderlich ist. In Anlehnung an das euro-päische Recht sieht § 32 nunmehr ausdrücklich dieBefugnis der Kartellbehörden vor, den betroffenenUnternehmen alle geeigneten Maßnahmen zur Ab-stellung eines verbotenen Verhaltens aufzugeben(positive Tenorierung).

Anders als das europäische Recht (Artikel 7 Abs. 1VO 1/2003) trifft § 32 jedoch keine ausdrücklicheRegelung über sog. strukturelle Maßnahmen. Struk-turelle Maßnahmen sind als solche im deutschenRecht kein präziser Rechtsbegriff. Im europäischenRecht können strukturelle Maßnahmen Eingriffe indie Unternehmenssubstanz bis hin zu Entflechtungenvon Unternehmen umfassen. Die offene Formulie-rung des § 32 schließt Eingriffe in die Unterneh-menssubstanz nicht grundsätzlich aus. Wie weitdiese Befugnisse im Einzelfall gehen, ist nach allge-meinen Grundsätzen, insbesondere dem Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Auch im deut-schen Recht stehen den Kartellbehörden im Rahmendes § 32 Befugnisse zu, die strukturelle Elementeeinschließen. Dies gilt etwa für das Verbot von kar-tellrechtswidrigen Gemeinschaftsunternehmen. Da-bei ist für den Bereich der Verhaltenskontrolle aller-dings zu berücksichtigen, dass das Wettbewerbsrechteine – aus eigener Kraft gewachsene – marktbeherr-schende oder marktstarke Stellung als solche nichtmissbilligt, sondern nur den Missbrauch einer sol-chen Marktstellung. Etwaige Eingriffe in die Unter-nehmenssubstanz müssen daher diesem GrundsatzRechnung tragen.

Ferner wird wie im europäischen Recht eine aus-drückliche Regelung geschaffen, dass Kartellbehör-den einen Kartellrechtsverstoß auch nachträglichfeststellen können, sofern hierfür ein berechtigtesInteresse besteht.

bb) Die Regelung über einstweilige Maßnahmen in§ 32a lehnt sich an die Formulierung des Artikels 8VO 1/2003 an. Die Vorschrift betrifft insbesondereeinstweilige Maßnahmen zur Durchsetzung des Kar-tell- und Missbrauchsverbots. Außerhalb des An-wendungsbereiches von § 32a können einstweiligeAnordnungen nach Maßgabe des § 60 getroffenwerden. Im Interesse der betroffenen Unternehmensollen vorläufige Maßnahmen in der Regel nicht

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über eine Dauer von einem Jahr hinausgehen.Soweit es sich um eilbedürftige Fälle handelt, diedurch einstweilige Maßnahmen geregelt werden,erscheint es angemessen, dass die Kartellbehörde in-nerhalb eines Jahres eine Regelung im normalenVerfahren trifft, soweit nicht besondere Umständeausnahmsweise eine längere Dauer erfordern.

cc) Entsprechend dem Vorbild in Artikel 9 VO 1/2003wird durch § 32b das Instrument der Verpflichtungs-zusagen in das deutsche Recht eingeführt. Wie imeuropäischen Recht werden damit Zusagen von Un-ternehmen, die diese zur Ausräumung kartellrecht-licher Bedenken den Kartellbehörden angebotenhaben, für verbindlich erklärt. Da Verpflichtungszu-sagen zur Abwendung einer Verfügung nach § 32 er-gehen, hat die Kartellbehörde zuvor ihre kartell-rechtlichen Bedenken gegenüber den beteiligten Un-ternehmen hinreichend darzulegen, soweit erforder-lich in Form eines Abmahnschreibens. Verfügungennach § 32b treffen jedoch keine Aussage darüber, obein Kartellrechtsverstoß vorgelegen hat oder nochvorliegt. Die Entscheidung, mit der die Verpflich-tungszusagen für verbindlich erklärt werden, hatzum Inhalt, dass die Kartellbehörde – vorbehaltlichder in Absatz 2 aufgezählten Wiederaufnahme-gründe – von ihren Befugnissen nach den §§ 32 und32a keinen Gebrauch machen wird. Verfügungenüber Verpflichtungszusagen sind – wie im europäi-schen Recht (vgl. Erw. 13 Satz 4 VO 1/2003) – fürFälle ungeeignet, in denen die Kartellbehörde eineGeldbuße aufzuerlegen beabsichtigt. Die Befugnis,Verfügungen bezüglich Verpflichtungszusagen zuerlassen, schließt etwaige öffentlich-rechtliche Zusa-genverträge nicht aus.

dd) Nach Artikel 5 Satz 3 VO 1/2003 können die Kar-tellbehörden entscheiden, dass kein Anlass zum Tä-tigwerden besteht. § 32c konkretisiert diese Befug-nis im deutschen Recht. Sie gilt für die Fälle, in de-nen nach den der Kartellbehörde vorliegenden Infor-mationen die Voraussetzungen für ein Verbot nachden §§ 1, 4, 19 bis 21 dieses Gesetzes oder nach Ar-tikel 81 Abs. 1 oder Artikel 82 EG nicht gegebensind. Diese Befugnis ist insbesondere im Bereich derwettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen undVerhaltensweisen im Sinne des § 1 von Bedeutung.Zwar kann es in einem System der Legalausnahmekeine konstitutiv wirkenden Freistellungsentschei-dungen mehr geben. Entscheidungen nach § 32ckommen gleichwohl dem Bedürfnis insbesondereder mittelständischen Wirtschaft nach Rechtssicher-heit entgegen. Denn sie haben zum Inhalt, dass dieKartellbehörde vorbehaltlich neuer Erkenntnissevon ihren Befugnissen nach den §§ 32 und 32a kei-nen Gebrauch machen wird. Sie enthalten damit eineZusicherung der Kartellbehörde, nicht mehr gegendie betreffende Vereinbarung oder Verhaltensweisevorzugehen, sofern nicht eine Veränderung der zu-grunde liegenden Sach- und Rechtslage eintritt.

Die Unternehmen haben keinen Anspruch gegen dieKartellbehörde auf Erlass einer Entscheidung nach§ 32c. Dies entspricht dem Grundgedanken des Sys-

tems der Legalausnahme, wonach die Unternehmengrundsätzlich selbst einschätzen müssen, ob ihr Ver-halten am Markt rechtmäßig ist. Es bleibt dempflichtgemäßen Aufgreifermessen der Kartellbe-hörde vorbehalten, ob und in welchen Fällen sie eineEntscheidung in Form einer formellen Verfügung(vgl. § 61) trifft oder den Unternehmen informelleine Mitteilung zukommen lässt. Solche informellenAuskünfte der Kartellbehörde werden auch künftigeine wichtige Rolle spielen. Im Rahmen der Ermes-sensabwägung hat die Kartellbehörde beispielsweisezu prüfen, inwieweit es sich um neuartige Sachver-halte handelt, deren Bedeutung über den Einzelfallhinausgeht, oder auch, welche Auswirkungen eineklarstellende Auskunft der Kartellbehörde für diebetroffenen Unternehmen hat.

ee) Artikel 29 Abs. 2 VO 1/2003 gibt den nationalenWettbewerbsbehörden bereits die Möglichkeit, imEinzelfall den Rechtsvorteil einer Gruppenfreistel-lungsverordnung zu entziehen, wenn eine Vereinba-rung, ein Beschluss oder eine abgestimmte Verhal-tensweise, für die eine GVO gilt, Wirkungen hat, diemit Artikel 81 Abs. 3 EG unvereinbar sind und imGebiet eines Mitgliedstaats oder in einem Teilgebietdieses Mitgliedstaats, das alle Merkmale eines ge-sonderten räumlichen Marktes aufweist, auftreten.§ 32d übernimmt diese Regelung in das deutscheRecht und erstreckt sie auf solche Fälle, in deneneine GVO nach § 2 Abs. 2 für entsprechend an-wendbar erklärt worden ist. Auch diese Regelunggilt nur, soweit die Auswirkungen auf das Gebiet derBundesrepublik Deutschland oder Teile davon be-grenzt sind.

ff) § 32e eröffnet ferner dem Bundeskartellamt dieMöglichkeit, Enqueteuntersuchungen durchzufüh-ren. Auch diese Befugnis entspricht dem europäi-schen Recht (Artikel 17 VO 1/2003). Es handelt sichdabei um ein notwendiges Instrument, um den durchdie Abschaffung des Administrativfreistellungsver-fahrens drohenden Transparenzverlust ausgleichenzu können. Entsprechend Artikel 17 VO 1/2003kann das Bundeskartellamt Enqueteuntersuchungensowohl mit Blick auf mögliche Wettbewerbsbe-schränkungen in bestimmten Sektoren als auch aufbestimmte Arten von Vereinbarungen durchführen.Die Bestimmung des Umfangs des zu untersuchen-den Sektors bzw. der Art von Vereinbarung unter-liegt dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundeskar-tellamts. Die Enqueteuntersuchung stellt eine Ergän-zung der Befugnisse des Bundeskartellamts dar, dieüber die bisherigen Auskunftsrechte hinausgeht. EinAuskunftsverlangen nach § 59 erfordert einen kon-kreten Anfangsverdacht für einen bestimmten Kar-tellrechtsverstoß. Dies gilt nicht für Ermittlungennach § 32e. Bereits die Vermutung, dass der Wettbe-werb möglicherweise eingeschränkt oder verfälschtist, kann Grundlage für eine Enqueteuntersuchungsein.

Enqueteuntersuchungen können daher auch dazubeitragen, eine Lücke zu schließen, die sich in derbisherigen Praxis ergeben hat, wenn sich Unterneh-

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men aus Furcht vor Repressalien geweigert haben,bei Beschwerden ihren Namen zu offenbaren (sog.Ross-und-Reiter-Problematik). Bereits die 6. GWB-Novelle sah diesbezüglich Verbesserungen vor. Sowurde § 54, der die Einleitung des Verfahrens durchdie Kartellbehörde betrifft, in der Weise ergänzt,dass die Kartellbehörde auf entsprechendes Ersu-chen zum Schutz eines Beschwerdeführers ein Ver-fahren von Amts wegen einleiten kann. Fernerwurde durch Anfügung eines neuen Absatzes 4 in§ 70 die Beweisposition der Kartellbehörden in denFällen abgesichert, in denen die Kartellbehörde denBeschwerdeführer im Rahmen des weiteren Verwal-tungsverfahrens anonym halten möchte. Darüberhinausgehend soll nun § 32e eine weitere Verbesse-rung für die Ermittlungen der Kartellbehörde bieten.Es ist zu erwarten, dass das neue Instrument ver-dachtsunabhängiger Enqueteuntersuchungen einezusätzliche Abhilfe bei der Ross-und-Reiter-Proble-matik schaffen kann.

g) Im Hinblick auf die Sanktionen bei Verstößen gegen dasKartellrecht sieht die Novellierung Folgendes vor:

– Stärkung des kartellrechtlichen Unterlassungs- undSchadensersatzanspruchs (dazu siehe Doppelbuch-stabe aa),

– Erweiterung der bisherigen Mehrerlösabschöpfungdurch die Kartellbehörde zu einer Abschöpfung desab dem Verstoß erlangten wirtschaftlichen Vorteils(dazu siehe Doppelbuchstabe bb),

– Einführung einer Vorteilsabschöpfung durch Ver-bände und qualifizierte Einrichtungen (dazu sieheDoppelbuchstabe cc).

aa) Die Abschaffung des bisherigen Systems der Admi-nistrativfreistellung und seine Ersetzung durch einSystem der Legalausnahme vermindern tendenzielldie behördliche Kontrolldichte gegenüber wettbe-werbsbeschränkenden Vereinbarungen und Verhal-tensweisen. Damit soll jedoch keine Einbuße anWettbewerbsschutz verbunden sein. Zum Ausgleichwerden neben den verwaltungsrechtlichen auch diezivilrechtlichen Sanktionen bei Kartellrechtsverstö-ßen ausgeweitet. Damit soll ein effektives zivilrecht-liches Sanktionssystem geschaffen werden, von demeine zusätzliche spürbare Abschreckungswirkungausgeht. Dies entspricht den Vorstellungen derKommission für eine verbesserte Effizienz des Wett-bewerbsschutzes im neuen System der Legalaus-nahme. Auch in den USA sind zivilrechtliche Sank-tionen ein wesentlicher Teil des Sanktionssystems.Dies gilt sowohl für Verstöße gegen wettbewerbs-rechtliche Kernbeschränkungen (sog. Hard-core-Be-reich), wo zivilrechtliche Schadensersatzklagen inder Regel neben behördliche bzw. gerichtliche Sank-tionen treten, aber auch für sonstige Fälle, bei denendie Behörde unter Umständen von der Verfolgungabsieht und dann zivilrechtliche Schadensersatz-ansprüche die einzigen Sanktionen sind.

Die zivilrechtlichen Sanktionen werden in vielfacherWeise erweitert und verstärkt. Wesentliche Neuerun-gen sind insbesondere:

Der auch im bisherigen Gesetz vorgesehene Unter-lassungsanspruch kann künftig nicht nur vom kon-kret Beeinträchtigten selbst oder wirtschaftlichenVerbänden, sondern auch von qualifizierten Einrich-tungen, d. h. insbesondere von Verbraucherschutz-organisationen, geltend gemacht werden. Das trägtdem Umstand Rechnung, dass Wettbewerb immerauch dem Verbraucher dient, und knüpft an das be-währte System des Rechtsschutzes im UWG an.

Der Schadensersatzanspruch nach § 33 Abs. 3 wirdgegenüber dem geltenden Recht aufgewertet, umeinen wirksamen Ausgleich für den Geschädigtensicherzustellen und zugleich den abschreckendenEffekt zu verstärken. Zum einen werden die Ein-schränkungen des Schadensersatzanspruchs durchdas Schutzgesetzerfordernis, das von der Rechtspre-chung eng ausgelegt wurde, im Ergebnis weitgehendaufgehoben. Dies folgt der Rechtsprechung desEuGH, wonach grundsätzlich „jedermann“ Ersatzdes Schadens verlangen kann, der ihm durch eineverbotene wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungoder durch ein entsprechendes einseitiges Verhaltenentstanden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 20. Juni 2001;Rechtssache C-453/99; Rn. 26, „Courage“). Für daszukünftige deutsche Schadensersatzrecht bedeutetdies insbesondere, dass Abnehmer und Lieferantenbei Kartellverstößen auch dann Schadensersatz ver-langen können, wenn sich die Kartellabsprache nichtgezielt gegen sie richtet. Bereits nach geltendemRecht kann sich der Schädiger entsprechend derherrschenden Meinung im kartellrechtlichen Schrift-tum nicht auf eine Vorteilsausgleichung als Scha-densminderung berufen, wenn es dem Geschädigtengelingt, den Schaden aus einem überhöhten Kauf-preis ganz oder teilweise durch Weiterveräußerungan seine Abnehmer weiterzugeben. Es kann daraufvertraut werden, dass dieses Problem durch dieRechtsprechung befriedigend gelöst wird.

Ferner wird klargestellt, dass bei der Entscheidungüber den Umfang des Schadens nach § 287 ZPO ins-besondere der anteilige Gewinn, den das Unterneh-men durch den Verstoß erlangt hat, berücksichtigtwerden kann. Ziel ist insbesondere, die Anspruchs-durchsetzung in den Fällen zu erleichtern, in denendie Ermittlung des hypothetischen Marktpreises alsGrundlage einer Schadensberechung nach der Diffe-renzmethode mit großen Schwierigkeiten verbundenist. In dem besonderen Bereich des GewerblichenRechtsschutzes und des ergänzenden Leistungs-schutzes nach § 1 UWG hat die Rechtsprechung dasInstitut der alternativen Schadensberechnung z. B.durch Herausgabe des Verletzergewinns entwickelt.Schließlich wird die Verzinsung des Schadensersatz-anspruchs ab dem Zeitpunkt des Schadensereignis-ses vorgeschrieben. Die Geltendmachung von Scha-densersatzansprüchen wird durch eine Tatbestands-wirkung kartellbehördlicher Entscheidungen undeine Verjährungshemmung bei laufenden Kartellver-fahren erleichtert.

Die Abschreckungswirkung von Schadensersatzan-sprüchen wird nicht dadurch infrage gestellt, dass

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Drucksache 15/3640 – 36 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zivilrechtsverfahren vielfach erst im Anschluss anbehördliche Verfahren durchgeführt werden (sog.Follow-on-Klagen). Sie beruht vielmehr darauf, dassder „Täter“ keine oder nur geringe Chancen sieht,dass er einen Gewinn, den er aus dem Kartellrechts-verstoß erlangt hat, dauerhaft behalten kann. Umeine ausreichende Abschreckung zu erzielen, ist esdaher wichtig, dass die „Kartellrendite“ bei den Un-ternehmen, die den Wettbewerbsverstoß begangenhaben, abgeschöpft wird. Im Regelfall erfolgt diesdurch den Geschädigten; in diesem Fall wird zu-gleich der entstandene Schaden ausgeglichen. Scha-densersatz nach § 33 hat daher im System der zivil-rechtlichen Sanktionen weiterhin Vorrang.

bb) Daneben sind ergänzende Regelungen für den Fallvorgesehen, dass der Schaden durch den Geschädig-ten nicht geltend gemacht wird. Um zu vermeiden,dass in diesen Fällen die „Rendite“ aus dem Wett-bewerbsverstoß bei den betreffenden Unternehmenverbleibt, werden die Möglichkeiten der Kartellbe-hörden zur Vorteilsabschöpfung deutlich erweitert.Dies hat Bedeutung insbesondere für die Fälle, indenen ein Ausgleich der entstandenen Schäden auspraktischen Gründen nicht möglich oder sinnvoll istoder aus sonstigen Gründen unterbleibt. Eine Vor-teilsabschöpfung ist darüber hinaus bei Geldbußender Kommission, die reinen Ahndungscharakter ha-ben und nicht die Abschöpfung des wirtschaftlichenVorteils bezwecken, denkbar.

Die Regelung in § 34 knüpft an den bisherigen § 34an, geht jedoch im Umfang deutlich darüber hinaus.Bisher galt § 34 im Wesentlichen nur für den sehrseltenen Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Ver-fügung der Kartellbehörde. Künftig erfasst er jedendurch einen Kartellrechtsverstoß erlangten Mehr-erlös.

Der Vorteil entfällt jedoch, soweit das UnternehmenSchadensersatz leistet. Derartige Schadensersatz-leistungen sind daher auf den Anspruch nach § 34anzurechnen. Neben der Vorteilsabschöpfung blei-ben ferner die straf- und verwaltungsrechtlichenSanktionen in vollem Umfang bestehen. Dabei ist zuberücksichtigen, dass auch in Zukunft Bußgelderneben ihrem Sanktionscharakter gleichzeitig die Ab-schöpfung des wirtschaftlichen Vorteils bezweckenkönnen (§ 81 Abs. 5). Auch die Anordnung des Ver-falls nach § 29a OWiG oder nach § 73 Abs. 3, § 73aStGB dient der Abschöpfung des erlangten Vermö-gensvorteils. In diesen Fällen ist daher ebenfalls eineVorteilsabschöpfung nach § 34 ausgeschlossen.

Eine Kumulation von zivil- und verwaltungsrecht-lichen Sanktionen (Schadensersatzanspruch undGeldbuße) ist auch im bisherigen Recht vorgesehen.In der Praxis erfolgte jedoch die Abschöpfung deswirtschaftlichen Vorteils in aller Regel allein überdie Geldbuße. Künftig soll die Abschöpfung durchdie Kartellbehörde nach § 34 als eigenständiges In-strument eine größere Bedeutung erhalten. Insge-samt kann aufgrund der Abschöpfungsregelungenjedoch nicht mehr als der durch den Verstoß erzieltewirtschaftliche Vorteil in einmaliger Höhe vom

schädigenden Unternehmen als Sanktion eingefor-dert werden.

cc) Subsidiär wird ein Anspruch der Verbände und Ver-braucherschutzorganisationen auf Vorteilsabschöp-fung für den Fall der Massen- und Streuschäden ein-geführt. Dem dient der neue § 34a. Ziel dieses An-spruchs ist die Abschöpfung von wirtschaftlichenVorteilen bei Masse- und Streuschäden. Hierunterversteht man die Fallkonstellation, in der durch kar-tellrechtswidriges Verhalten eine Vielzahl vonMarktteilnehmern geschädigt wird, die Schadens-höhe im Einzelnen jedoch gering ist. Bleibt derSchaden im Bagatellbereich, sieht der Betroffene re-gelmäßig von einer Rechtsverfolgung ab, weil derAufwand und die Kosten hierfür in keinem Verhält-nis zum Umfang seines Schadens stehen.

Zwar können auch die Kartellbehörden einen derar-tigen Vorteil nach § 34 Abs. 1, durch Verhängungeiner Geldbuße oder durch die Anordnung desVerfalls abschöpfen; dies steht jedoch in ihrempflichtgemäßen Aufgreif- und Verfolgungsermes-sen. Daher sind Fälle denkbar, in denen der Zuwi-derhandelnde ohne besondere gesetzliche Regelungden erzielten Vorteil behalten würde. Diese Rechts-durchsetzungslücke soll durch den neuen § 34a ge-schlossen werden, indem auch für derartige Fall-gestaltungen eine subsidiär geltende zivilrechtlicheSanktionsmöglichkeit geschaffen wird. Wie im Ent-wurf von § 10 UWG ist der Anspruch auf Vorsatzbeschränkt; der Anspruch richtet sich nicht aufZahlung an den Verband, sondern unmittelbar aufZahlung an die Bundeskasse. Damit soll verhindertwerden, dass die Geltendmachung dieses Anspruchszur Einnahmeerzielung missbraucht wird.

h) Ein weiterer Schwerpunkt der Novelle sind Regelungenzur Sicherung des wirtschaftlichen Wettbewerbs im Be-reich der Presseunternehmen. Die neuen Bestimmungensollen dazu dienen, dass auch unter den verändertenwirtschaftlichen Bedingungen und trotz der entstande-nen neuen Konkurrenz anderer Medien die noch sehrvielfältige deutsche Presselandschaft erhalten bleibt.

Die gesamte Printbranche, insbesondere aber die Zeitun-gen, befinden sich in einer wirtschaftlich schwierigen Si-tuation. Ursächlich hierfür (vgl. Monopolkommission,Sondergutachten 36, Rn. 48 ff.) sind sowohl die allge-meine wirtschaftliche Lage als auch grundlegende struk-turelle Veränderungen auf den Zeitungsmärkten.

Die strukturellen Veränderungen manifestieren sich inschrumpfenden Leserzahlen, rückläufigen Anzeigen undsinkenden Werbeeinnahmen der Zeitungen.

Die Auflagenzahlen der Tageszeitungen sind seit langemrückläufig. Von 1980 bis 2003 betrug der Rückgang beiden Tageszeitungen insgesamt fast 7 %. In diesemZeitraum verloren vor allem die Kaufzeitungen (– 24 %)und die lokalen und regionalen Abonnement-Zeitungen(– 4 %) an Lesern; die überregionalen Zeitungen konn-ten ihre Auflagen hingegen noch stark steigern (+ 70 %).In den letzten Jahren nahm die Zahl der Leser jedoch beiallen Zeitungskategorien ab. Der langfristige Rückgangder Auflagen der Tageszeitungen, unabhängig von der

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konjunkturellen Entwicklung, deutet auf strukturelleVeränderungen im Lesermarkt hin. Die Gründe für dierückläufigen Leserzahlen, auf die auch die Monopol-kommission verweist, sind der demographische Wandelund der Umstand, dass der Informationsbedarf, insbe-sondere der jüngeren Generationen, verstärkt über an-dere Medien, vor allem privates und öffentliches Fern-sehen sowie das Internet, gedeckt wird. Insgesamt errei-chen die Tageszeitungen nur noch ca. drei Viertel derBevölkerung; 1995 erreichten sie hingegen noch 81 %der Bevölkerung.Seit dem Jahr 2001 sind zudem die Einnahmen der Ta-geszeitungen aus Werbe- und Rubrikenanzeigen starkzurückgegangen. Der Rückgang bei den Stellenanzeigenbetrug bis zu 50 %. Die Einbußen bei den Anzeigenein-nahmen treffen Tageszeitungen besonders stark, da siesich traditionell zu zwei Dritteln über Anzeigen und zueinem Drittel über die Lesermärkte finanzieren. Auf-grund der starken Einbrüche bei den Anzeigen beträgtder Beitrag der Anzeigenmärkte zu den Einnahmen einerTageszeitung im Durchschnitt in den alten Bundeslän-dern mittlerweile rund 57 % und in den neuen Bundes-ländern sogar nur noch ca. 46 %.Für die rückläufige Entwicklung des Umfangs von Kfz-und Immobilienanzeigen sind auch strukturelle Gründeursächlich. Mit dem Internet ist ein völlig neuer Konkur-rent auf den Markt getreten, der durch die große Breiteelektronischer Suchmöglichkeiten viele Vorteile für dieVerbraucher bietet. Es ist daher nicht davon auszugehen,dass diese Anzeigen wieder in die Printmedien zurück-kehren. Für die Stellenanzeigen ergibt sich kein einheit-liches Bild. Der Rückgang der Stellenanzeigen lässt sichzum Teil mit der schwachen Konjunktur begründen. DieZeitungen dürften daher mit einem wirtschaftlichen Auf-schwung in gewissem Umfang von zunehmenden Stel-lenanzeigen profitieren. Aber auch hier ist nicht davonauszugehen, dass die Anzeigen in vollem Umfang in diePresseerzeugnisse zurückkehren werden. So sind z. B.einige große Konzerne dazu übergegangen, ihre offenenStellen ausschließlich auf ihrer Homepage auszuschrei-ben.Der Rückgang der Anzeigen ist kein spezifisches Pro-blem kleinerer und mittlerer Verlage. Im Gegenteil, jehöher die Auflagengröße, desto stärker waren die Zei-tungen in den letzten Jahren vom rückläufigen Umfangder Anzeigen betroffen.Während der Rückgang bei den Rubrikenanzeigen erstin den vergangenen Jahren eingesetzt hat, verlieren dieZeitungen schon seit zwei Jahrzehnten Anteile am Wer-bemarkt. Allein im letzten Jahrzehnt ist der Anteil derTageszeitungen am gesamten Werbeaufkommen inDeutschland von einem Drittel auf ein Viertel zurückge-gangen.Die Monopolkommission geht in ihrem Sondergutach-ten 36 vom April 2003 davon aus, dass die strukturellenVeränderungen die Entwicklung des Zeitungswesens indiesem Jahrzehnt prägen werden. Es ist zu erwarten,dass die genannten strukturellen Faktoren einen erhöh-ten Konzentrationsdruck bei Zeitungsverlagen auslösen.Eine Tendenz zu weiteren Zusammenschlüssen dürftesich durch Nachfolgeprobleme insbesondere bei kleinen

und mittleren Verlagen stellen. Für die Verlage ist esdeshalb vordringlich, Rückgänge im Anzeigengeschäftdurch Ausweitung des Vertriebsgeschäfts zu kompensie-ren und auf einer verbreiterten wirtschaftlichen Basisdas Überleben der Unternehmen zu sichern.Ziel der Novellierung im Pressebereich ist daher, fürZeitungsverlage Möglichkeiten zu eröffnen, ihre wirt-schaftliche Basis zu verbreitern, um die ökonomischeGrundlage der vorhandenen Pressevielfalt zu sichern.Die Novellierung stützt sich auf drei Säulen. Zum einenwerden die Kooperationsmöglichkeiten im Anzeigen-bereich erweitert (§ 31; vgl. hierzu unter Doppelbuch-stabe aa). Zum zweiten werden durch eine moderate An-hebung der Aufgreifschwelle und die Einführung einerBagatellklausel die kontrollfreien Spielräume für Fusio-nen leicht erweitert (hierzu unter Doppelbuchstabe bb).Darüber hinaus werden drittens Zusammenschlüsse vonZeitungsverlagen trotz Marktbeherrschung unter be-stimmten Voraussetzungen ermöglicht (hierzu unterDoppelbuchstabe cc).Die Veränderung der Schwellenwerte soll für alle Unter-nehmen, die in der Herstellung und dem Vertrieb vonZeitungen, Zeitschriften und deren Bestandteilen (imFolgenden: Presseunternehmen) tätig sind, gelten. Dieerleichterten Kooperations- und Zusammenschlussmög-lichkeiten sollen hingegen nur von Zeitungsverlagen inAnspruch genommen werden können, da diese von denkonjunkturell bedingten Problemen und den strukturel-len Veränderungen weit überproportional betroffen sind.Zeitungen sind klassische Tageszeitungen, die im Abon-nement und Einzelverkauf vertrieben werden, Straßen-verkaufszeitungen, Wochen- und Sonntagszeitungen.Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie in ihrem redaktionel-len Teil als Chronist fortlaufend über aktuelle Vorgängeberichten. Anzeigenblätter sind, unabhängig von demUmfang ihres redaktionellen Teils und ihrer presserecht-lichen Bedeutung ebenfalls den Zeitungen zuzurechnen(ständige Rechtsprechung; vgl. BGH WuW/E 2443 ff.,2559 Südkurier/Singener Wochenblatt). Bei Zusammen-schlüssen, die Anzeigenblätter betreffen, kann die Aus-nahmeregelung des § 36 Abs. 1a allerdings nur dann inAnspruch genommen werden, wenn betroffene Anzei-genblätter einen so großen redaktionellen Anteil haben,dass „Vorkehrungen“ zur Erhaltung eigenständiger re-daktioneller Einheiten überhaupt möglich sind. Zusam-menschlüsse zwischen Zeitungsverlagen und Unterneh-men mit einem anderen Unternehmensgegenstand, z. B.Presse-Grossisten, sind daher von der Anwendung des§ 36 Abs. 1a von vornherein ausgenommen.Die Kombination erweiterter Kooperations- und Zusam-menschlussmöglichkeiten trägt der Tatsache Rechnung,dass im Verlagswesen ein breites Spektrum verschiede-ner Formen der Zusammenarbeit auf unterschiedlichstengesellschaftsrechtlichen Grundlagen denkbar ist undauch praktiziert wird. Dieses reicht von kartellrechtlichunbedenklichen Kooperationen, z. B. im Zustellbereich,über Anzeigenkooperationen bis hin zu einer Verge-meinschaftung sämtlicher verlagswirtschaftlicher Berei-che mit Ausnahme der Redaktionen. Die Entwicklungder Zeitungslandschaft in Deutschland belegt, dass dieBewahrung unternehmerischer Selbstständigkeit im Ver-

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lagswesen ein besonders prägender Faktor ist, der erheb-lich zu der heute vorzufindenden pluralen Struktur dieseBranche beigetragen haben dürfte. Die Veräußerungeines Zeitungsverlags aufgrund wirtschaftlicher Pro-bleme wird von den Verlagen in aller Regel nur als eineultima ratio in Betracht gezogen werden.

aa) Nach § 31 sollen Kooperationsmöglichkeiten imAnzeigengeschäft als einem besonders erlösträchti-gen Bereich erweitert werden. Anzeigenerlöse tra-gen im Vergleich zu Vertriebserlösen überproportio-nal zum Ergebnis einer Zeitung bei. Die Entwick-lung des Anzeigengeschäfts ist ein wesentlicherFaktor für die längerfristige wirtschaftliche Perspek-tive von Zeitungsverlagen. Durch diese Kooperatio-nen wird die Selbständigkeit der beteiligten Verlageim redaktionellen Bereich von vornherein nicht in-frage gestellt. Sie können somit die Notwendigkeiteiner Unternehmensveräußerung abwenden.

Die Regelung in § 31 stellt deshalb Kooperationenim Anzeigenbereich ohne weitere Vorbedingungenfrei, um damit die Hebung aller denkbaren Syner-giepotentiale in diesem Bereich zu ermöglichen.Dies gilt allerdings nur unter Beachtung der vomEU-Recht gesetzten Grenzen. Kooperationen, dieden Wettbewerb im Sinne des Artikels 81 Abs. 1EG beschränken, sind nur nach den restriktiverenVorgaben des Artikels 81 Abs. 3 EG bzw. des § 2freigestellt. Die erweiterten Kooperationsmöglich-keiten werden daher vor allem kleineren und mittle-ren Verlagen zugute kommen. Darüber hinausdürfte § 31 zusätzliche Rechtssicherheit für vieleheute schon praktizierte Formen der Zusammenar-beit kleinerer und mittlerer Verlage im Anzeigenbe-reich schaffen.

bb) Durch die Halbierung des Umsatzberechnungsfak-tors in § 38 Abs. 3 auf das Zehnfache – was einerAufgreifschwelle von 50 Mio. Euro entspricht – unddurch die Anwendbarkeit der Bagatellklausel des§ 35 Abs. 2 Nr. 1 bis zu einer Schwelle von 2 Mio.Euro werden die Spielräume für fusionskontrollfreieZusammenschlüsse im Pressebereich erweitert. Inbegrenztem Umfang werden Zusammenschlüssevon Presseunternehmen mit Wettbewerbern ohnefusionskontrollrechtliche Prüfung möglich. DieseSchwellenänderungen werden es kleinen und mittle-ren Verlagen erleichtern, bei der Suche nach Nach-folgern den Marktwert ihres Verlags zu realisieren.Andererseits bleibt der Schutz für kleine Verlage,der mit der pressespezifischen Aufgreifschwelle ver-bunden ist, in der Substanz erhalten. Durch die Er-höhung der Aufgreifschwelle von 25 Mio. Euro auf50 Mio. Euro werden sich in Deutschland gegenüberdem Status quo ca. 50 Zeitungsverlage (ohne Anzei-genblätter) zusätzlich kontrollfrei zusammenschlie-ßen können. Durch die Einführung einer Bagatell-klausel in Höhe von 2 Mio. Euro können ca. 30 selb-ständige Zeitungsverlage (ohne Anzeigenblätter)kontrollfrei aufgekauft werden.

cc) Um Zusammenschlüsse, die zur Stärkung der wirt-schaftlichen Basis notwendig sind, auch oberhalbder 50 Mio. Euro Aufgreifschwelle und der 2 Mio.

Euro Bagatellklausel in Einzelfällen zu ermöglichenund dennoch die bestehende Pressevielfalt aufrecht-zuerhalten, wird in § 36 Absatz 1a eine zusätzlicheOption für Zeitungsverlage geschaffen. Danach kön-nen sich diese trotz Entstehung oder Verstärkung ei-ner marktbeherrschenden Stellung dann zusammen-schließen, wenn die beteiligten Verlage freiwilligeine Einschränkung ihrer verlegerischen Disposi-tionsfreiheit akzeptieren. Voraussetzung ist, dass diebeteiligten Zeitungen langfristig als eigenständigeredaktionelle Einheiten erhalten bleiben. Die Absi-cherung der beteiligten Zeitungen als eigenständigeredaktionelle Einheiten erfolgt allein über struktu-relle Faktoren, deren Festlegung und Aufrechterhal-tung durch Bedingungen und Auflagen festzulegenist: Das Vorliegen der Voraussetzungen wird wider-leglich vermutet, wenn der Altverleger bzw. unab-hängige Dritte mehr als 25 % der Kapital- undStimmrechte hält, der Altverleger bzw. unabhängigeDritte die Titelrechte besitzt und der Altverlegerbzw. unabhängige Dritte Mitbestimmungs- und Ve-torechte für Entscheidungen hat, die für die Erhal-tung der erworbenen Zeitung als eigenständige re-daktionelle Einheit wesentlich sind. Zu solchen Ent-scheidungen zählen insbesondere die Änderung derredaktionellen Grundhaltung der erworbenen Zei-tung, die Bestellung bzw. Abberufung der Mitglie-der der Chefredaktion und die Einstellung der betei-ligten Zeitungen und ihrer redaktionellen Ausgaben.Damit der Erwerber und der Altverleger bzw. derunabhängige Dritte die beteiligten Zeitungen nichtkurzfristig in gegenseitigem Einverständnis einstel-len, hat das Bundeskartellamt die Konformität derEinstellung mit den getroffenen Vereinbarungen undinsoweit auch deren Einhaltung zu prüfen. Zudemerhält der Altverleger bzw. unabhängige Dritte zivil-rechtliche Klagemöglichkeiten, falls die vereinbar-ten Rechte verletzt werden.

Die Regelung des § 36 Abs. 1a darf nur dann in An-spruch genommen werden, wenn der Fortbestandder erworbenen Zeitung als eigenständige redaktio-nelle Einheit aufgrund anhaltender Probleme derbetroffenen Zeitung mit hoher Wahrscheinlichkeitohne den Zusammenschluss ernsthaft gefährdetwäre. Die Option soll also nur dann genutzt werdenkönnen, wenn wirtschaftliche Schwierigkeiten be-stehen oder absehbar sind und der Zusammenschlussgeeignet ist, zur Verbesserung der Lage beizutragen.Wirtschaftliche Schwierigkeiten sind dann zu ver-muten, wenn in den letzten drei abgeschlossenenGeschäftsjahren vor Anmeldung des Zusammen-schlusses die Anzeigen- und Beilagenerlöse dererworbenen oder erwerbenden Zeitung rückläufigwaren oder erheblich unter dem Durchschnitt ver-gleichbarer Zeitungen lagen.

Zudem ist eine wiederholte, zeitlich eng aufeinanderfolgende Anwendung des § 36 Abs. 1a ausdrücklichausgeschlossen. Dadurch wird die Bildung von Re-gionalketten durch einen Zeitungsverlag explizitausgeschlossen. Beide Regelungen verhindern einenMissbrauch und überschießende Marktauswirkungender erweiterten Zusammenschlussmöglichkeiten.

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Die Regelungen des § 36 Abs. 1a und 1b bewegensich innerhalb der Systematik dieses Gesetzes, in-dem sie weiterhin am Kriterium der Entstehung oderVerstärkung einer marktbeherrschenden Stellung an-knüpfen und Zusammenschlüsse trotz Marktbeherr-schung nur unter bestimmten Voraussetzungen undbei Vorliegen einer wirtschaftlichen Problemlage er-möglichen. Sie stellen damit auch nicht den bisherverfolgten Ansatz, publizistische Vielfalt durch wirt-schaftliche Vielfalt zu gewährleisten, infrage. Sie er-lauben aber eine gewisse Verbreiterung der wirt-schaftlichen Basis dann, wenn die publizistischeVielfalt gleichzeitig und nachhaltig gesichert wird.

i) Hinsichtlich der Zuständigkeiten der Kartellbehördensind folgende Neuerungen vorgesehen:

– Flexibilisierung der Zuständigkeitsverteilung zwi-schen Landeskartellbehörden und Bundeskartellamt(dazu siehe Doppelbuchstabe aa),

– Stärkung der Position der Landeskartellbehördendurch Ermächtigung zur Anwendung des europäi-schen Wettbewerbsrechts (dazu siehe Doppelbuch-stabe bb).

aa) Im Grundsatz bleibt die bisherige Zuständigkeitsver-teilung zwischen Landeskartellbehörden und Bun-deskartellamt beibehalten. Danach sind die Landes-kartellbehörden grundsätzlich zuständig, soweit dieWirkung des wettbewerbsbeschränkenden oder dis-kriminierenden Verhaltens oder einer Wettbewerbs-regel nicht über das Gebiet eines Landes hinaus-reicht. Andernfalls ist grundsätzlich das Bundeskar-tellamt zuständig. Eine wettbewerbsbeschränkendeWirkung geht auch dann über ein Land hinaus, wennsie einen ins Gewicht fallenden Auslandsbezug auf-weist.

§ 49 Abs. 3 und 4 flexibilisiert die Zuständigkeits-verteilung insofern, als sich in Zukunft das Bundes-kartellamt und die Landeskartellbehörden für denBereich der Kartell- und Missbrauchsaufsicht ein-vernehmlich über eine andere Zuständigkeitsvertei-lung einigen können. Dies entspricht insbesondereauch dem Wunsch der Länder. Die Regelung nähertsich insoweit dem europäischen Modell parallelerZuständigkeiten der europäischen Wettbewerbsbe-hörden bei der Durchsetzung der Artikel 81 und 82EG an. Durch die Neuregelung der Absätze 3 und 4des § 49 kann wie im europäischen System erreichtwerden, dass die bestgeeignete Behörde („bestplaced authority“) den Fall aufgreifen und entschei-den kann. Anders als auf europäischer Ebene lässtdie Novelle jedoch die grundsätzlichen Zuständig-keitsregeln für das Bundeskartellamt und die Lan-deskartellbehörden unberührt, ergänzt sie jedoch umdie Möglichkeit einer einvernehmlichen Abwei-chung von diesen Regeln. Dies ist dem Vorbild derVerweisung von Fällen von der Kommission an dieMitgliedstaaten und umgekehrt im Bereich dereuropäischen Fusionskontrolle nachgebildet (vgl.Artikel 9 und Artikel 22 FKVO).

bb) In Zukunft sind die Landeskartellbehörden – nebendem Bundeskartellamt – ermächtigt, europäisches

Wettbewerbsrecht anzuwenden (§ 50 Abs. 1). Bis-lang ist dies allein dem Bundeskartellamt vorbehal-ten. Sowohl das Bundeskartellamt als auch die Lan-deskartellbehörden sind für die Anwendung der Ar-tikel 81 und 82 EG insoweit zuständige Wettbe-werbsbehörden im Sinne des Artikels 35 Abs. 1 VO1/2003. Wäre – wie bisher – nur das Bundeskartell-amt ermächtigt, europäisches Wettbewerbsrecht an-zuwenden, wären die Länder nicht zur Entscheidungüber Wettbewerbsverstöße mit zwischenstaatlichenAuswirkungen befugt. Die Zuständigkeitsabgren-zung zwischen Bundeskartellamt und Landeskartell-behörden müsste dann an das Vorliegen der Voraus-setzungen der Zwischenstaatlichkeitsklausel derArtikel 81 und 82 EG anknüpfen. Dies wäre jedoch– wie bereits ausgeführt – in der Praxis ungeeignet.Die Zuständigkeitsverteilung nach den §§ 48 und 49bleibt daher unberührt.

Eine Rechtsgrundlage zur Anwendung des europäi-schen Wettbewerbsrechts durch die Landeskartell-behörden ist erforderlich, damit die Länder das ge-samte Spektrum der Aufgaben nach § 48 Abs. 2wahrnehmen können. Angesichts der Weite der Zwi-schenstaatlichkeitsklausel der Artikel 81 und 82 EGsind Fälle denkbar, in denen beispielsweise wettbe-werbsbeschränkende Vereinbarungen geeignet sind,den zwischenstaatlichen Handel im europarecht-lichen Sinne zu beeinträchtigen, ohne aber gleich-zeitig länderübergreifende Wirkung im Sinne des§ 48 Abs. 2 zu entfalten. Denn nach § 48 sind alleindie konkreten tatsächlichen Auswirkungen maßgeb-lich, während für die Zwischenstaatlichkeitsklauselauch mittelbare – und nur potenzielle – Auswirkun-gen ausreichen. Ein Ausschluss der Landeskartell-behörden von der Anwendung des europäischenWettbewerbsrechts, wie im bisherigen § 50, ist auchdeshalb nicht gerechtfertigt, weil die Landeskartell-behörden künftig bei der Anwendung des deutschenWettbewerbsrechts das europäische Wettbewerbs-recht maßgeblich zugrunde legen müssen (§ 23). Siemüssen daher ohnehin über die Kenntnisse undErfahrungen verfügen, die für die unmittelbareAnwendung des europäischen Wettbewerbsrechtserforderlich sind.

Soweit die Landeskartellbehörden Artikel 81 und 82EG anwenden, ist es allerdings notwendig, dass derGeschäftsverkehr mit der Kommission und den an-deren Wettbewerbsbehörden über das Bundeskar-tellamt erfolgt. Das folgt schon aus der ausschließ-lichen Zuständigkeit des Bundes zur Außenvertre-tung (Artikel 32 Abs. 1 GG). Außerdem entsprichtes den praktischen Erfordernissen des Netzwerks derWettbewerbsbehörden in der Europäischen Union,dass die Kooperation mit den Wettbewerbsbehördenin Deutschland über einen zentralen Ansprechpart-ner erfolgt.

j) Für die Zusammenarbeit der Kartellbehörden mit ande-ren in- und ausländischen Behörden ist im EinzelnenFolgendes vorgesehen:

– Klarstellung der Ermächtigung der Kartellbehördenzum Informationsaustausch im Netzwerk der euro-

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päischen Wettbewerbsbehörden (dazu siehe Doppel-buchstabe aa),

– Schaffung einer Rechtsgrundlage für die sonstige Zu-sammenarbeit des Bundeskartellamts mit nicht-deut-schen Wettbewerbsbehörden (dazu siehe Doppel-buchstabe bb),

– Rechtliche Absicherung des Informationsaustauschszwischen den Kartellbehörden und den Regulie-rungsbehörden sowie sonstigen deutschen Behörden(dazu siehe Doppelbuchstabe cc).

aa) Durch § 50a werden die Regeln über den Informa-tionsaustausch im Netzwerk der europäischen Wett-bewerbsbehörden klargestellt. Danach sind das Bun-deskartellamt und die Landeskartellbehörden befugt,zum Zwecke der Anwendung der Artikel 81 und 82EG der Kommission und den Wettbewerbsbehördender anderen Mitgliedstaaten alle tatsächlichen oderrechtlichen Umstände einschließlich vertraulicherAngaben mitzuteilen und diese Informationen alsBeweismittel zu verwenden. Die Landeskartellbe-hörden wickeln den Geschäftsverkehr dabei über dasBundeskartellamt ab. § 50a konkretisiert die Rege-lung des Artikels 12 VO 1/2003 im deutschen Recht.Diese Klarstellung ist wichtig, um zu gewährleisten,dass die Kartellbehörden in der Lage sind, mit ande-ren Wettbewerbsbehörden im Netzwerk effektiv zu-sammenzuarbeiten. Die Beachtung verfassungs-rechtlich gebotener Verwertungsverbote im Einzel-fall bleibt hiervon unberührt.

bb) Zugunsten des Bundeskartellamts erstreckt § 50bdie Möglichkeit zum Informationsaustausch auf an-dere Fälle, die nicht von der Zusammenarbeit imNetzwerk der europäischen Wettbewerbsbehördennach § 50a erfasst werden. Dies kann die Zusam-menarbeit mit außereuropäischen Wettbewerbs-behörden in Kartellfällen ebenso betreffen wie dieZusammenarbeit mit diesen oder europäischenWettbewerbsbehörden in Fusionsfällen. Vertrauli-che Angaben aus Verfahren der Zusammenschluss-kontrolle dürfen jedoch nur mit Zustimmung desUnternehmens übermittelt werden, das diese Anga-ben vorgelegt hat. Ebenso wie im Rahmen des§ 50a ist das Bundeskartellamt nicht verpflichtet,Informationen zu übermitteln. Die Ermessensvor-schrift gibt ihm die Möglichkeit, Ersuchen um In-formationen abzulehnen. Ein wichtiger Gesichts-punkt ist dabei die Frage, inwieweit die ersu-chende Wettbewerbsbehörde ihrerseits zu einerÜbermittlung von Informationen an das Bundeskar-tellamt bereit ist.

cc) § 50c regelt in Absatz 1 die Zusammenarbeit zwi-schen den Kartellbehörden und den Regulierungsbe-hörden. Damit werden noch bestehende Hinderungs-gründe für eine umfassende Zusammenarbeit vonBundeskartellamt und Landeskartellbehörden besei-tigt. Angesichts der Sachnähe der Tätigkeit derRegulierungsbehörden (derzeit insbesondere Regu-lierungsbehörde für Telekommunikation und Postsowie Eisenbahnbundesamt) zu den Aufgaben derKartellbehörden ist auch mit diesen eine umfassendeund effektive Zusammenarbeit zur Durchsetzung

eines effektiven Wettbewerbsschutzes erforderlich.Die Zusammenarbeit muss dabei in beiden Richtun-gen zwischen Kartell- und Regulierungsbehördenerfolgen. Soweit diese Zusammenarbeit z. B. imTKG für einzelne Bereiche gesetzlich besonders ge-regelt ist, haben diese Vorschriften Vorrang.

Nach Maßgabe von Absatz 2 wird die Zusammen-arbeit zwischen den Kartellbehörden und anderenBehörden in Deutschland auf eine rechtliche Basisgestellt. Kartellbehörden sind häufig auf Informatio-nen anderer Behörden angewiesen. Diese werdendurch § 50c, soweit nicht besondere Vorschriftenentgegenstehen, zur Amtshilfe verpflichtet. Umge-kehrt sind Kartellbehörden zur Hilfestellung gegen-über diesen Behörden verpflichtet. Auch mit ande-ren Behörden, die nicht in § 50c genannt sind, kön-nen die Wettbewerbsbehörden zusammenarbeiten.Dies richtet sich nach den allgemeingültigen Grund-sätzen der Amtshilfe. Beispiel hierfür ist die Zusam-menarbeit mit der Kommission zur Ermittlung derKonzentration im Medienbereich (KEK). Der Aus-tausch von vertraulichen Informationen sowie vonInformationen, die über das Netzwerk der europäi-schen Wettbewerbsbehörden nach § 50a oder nachArtikel 12 VO 1/2003 erlangt worden sind, ist je-doch aufgrund der Vorgaben des europäischenRechts ausgeschlossen.

Die §§ 50a bis 50c, namentlich § 50c, stellen, soweit dieWeitergabe von Informationen aus Bußgeldverfahren be-troffen ist, spezialgesetzliche Übermittlungsregelungenim Sinne der §§ 49a und 49b OWiG in Verbindung mit§ 480 StPO dar. Darüber hinaus erfassen sie auch Ver-fahren außerhalb des Ordnungswidrigkeitenrechts, d. h.insbesondere Verwaltungsverfahren.

k) Die Novelle umfasst ferner notwendige verfahrensrecht-liche Änderungen im Bereich der Zusammenschluss-kontrolle, bei denen sich in der Praxis ein dringenderÄnderungsbedarf gezeigt hat. Schwerpunkt ist dabeieine Einschränkung des vorläufigen Rechtsschutzes ge-gen Freigaben des Bundeskartellamts bzw. Erlaubnissedes Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit. DerRechtsschutz insgesamt wird dadurch nicht beeinträch-tigt. Insbesondere bleibt die Regelung im GWB, die Kla-gen gegen Freigaben des Bundeskartellamts oderMinistererlaubnisse deutlich über den allgemeinen Rah-men der VwGO hinaus ermöglicht, für das Hauptsache-verfahren unangetastet. Im Einzelnen ist vorgesehen:

– die Anknüpfung der Gewährung vorläufigen Rechts-schutzes an die Verletzung eigener Rechte des Dritt-klägers (dazu siehe Doppelbuchstabe aa),

– verfahrensrechtliche Verbesserungen, die Zweifels-fragen beseitigen und den Verfahrensablauf insge-samt effizienter gestalten (dazu siehe Doppelbuch-stabe bb).

aa) Mit der 6. GWB-Novelle wurde die Möglichkeit vonDrittklagen gegen förmliche Freigabeentscheidun-gen des Bundeskartellamts eingeführt. Die Regelungfolgte dem europäischen Recht, wo ebenfalls derar-tige Drittklagen möglich sind. Ziel der Regelung

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war in erster Linie eine erhöhte Transparenz der Zu-sammenschlusskontrolle. Die Erfahrungen mit derEntscheidungspraxis der Kommission hatten ge-zeigt, dass auch Freigaben nicht weniger als Unter-sagungen einer kritischen Diskussion in der Öffent-lichkeit bedürfen. Dieses Ziel hat nach wie vor Gül-tigkeit. Darüber hinaus sollte dem Interesse vonUnternehmen, die durch Freigaben in ihren wirt-schaftlichen Interessen betroffen sind, Rechnung ge-tragen werden.

Bereits im Rahmen der 6. GWB-Novelle wurde aberauch erkannt, dass Drittklagen die Umsetzung be-rechtigter unternehmerischer Entscheidungen er-schweren können. Fusionen können in der Regel nurinnerhalb eines eng begrenzten Zeitrahmens ver-wirklicht werden. Wenn Fusionsentscheidungenzum Zweck der gerichtlichen Überprüfung für län-gere Zeit ausgesetzt werden, wird damit in den meis-ten Fällen die Verwirklichung der Fusion insgesamtverhindert. Das geltende GWB sieht daher vor, dassBeschwerden gegen Entscheidungen des Bundeskar-tellamts oder des Bundesministers für Wirtschaftund Arbeit im Bereich der Zusammenschlusskon-trolle grundsätzlich keine aufschiebende Wirkunghaben (§ 64). Damit soll eine ausgewogene Balancezwischen dem Rechtsschutzinteresse Drittbetroffe-ner und einer Wahrung der unternehmerischen Dis-positionsfreiheit geschaffen werden.

In der Folge ist dieses Ziel nur unvollkommen er-reicht worden. In der gerichtlichen Praxis ist imFalle der Anfechtung von Freigabeentscheidungendes Bundeskartellamts in weitgehendem Umfangvorläufiger Rechtsschutz gewährt worden; Gleichesgilt im Fall einer Erlaubnis des Bundesministers fürWirtschaft und Arbeit. Die Unternehmen könnendeshalb nicht mehr darauf vertrauen, dass eine Frei-gabe des Bundeskartellamts oder eine Erlaubnis desBundesministers für Wirtschaft und Arbeit im Re-gelfall den Vollzug des Zusammenschlusses ermög-licht. Dies entspricht nicht der Intention des Gesetz-gebers der 6. GWB-Novelle. Konsequenz von unbe-rechtigten Blockaden von Fusionen durch überzoge-nen Rechtsschutz können Investitionshemmnissemit erheblichen nachteiligen Folgen für den StandortDeutschland sein.

In Zukunft kann vorläufiger Rechtsschutz gegenFreigaben des Bundeskartellamts in Hauptprüfver-fahren (§ 40 Abs. 2) oder Erlaubnisse des Bundes-ministers für Wirtschaft und Arbeit (§ 42 Abs. 1) ge-richtlich nur von Dritten erlangt werden, die durchdie Verfügung oder Erlaubnis in ihren Rechten ver-letzt sind. Damit entsprechen die Voraussetzungenfür die Erlangung vorläufigen Rechtsschutzes im Er-gebnis den Rechtsschutzanforderungen des allge-meinen Verwaltungsprozessrechts. Für das Hauptsa-cheverfahren bleibt es bei den niedrigeren Anforde-rungen an die Beschwerdebefugnis im GWB. Da-nach steht die Beschwerde den am Verfahren vorden Kartellbehörden Beteiligten zu, sofern diesedurch die angefochtene Entscheidung in ihren wett-bewerblichen Interessen beschwert sind (§ 63

Abs. 2; vgl. BGH HABET/Lekkerland vom 24. Juni2003; KVR 14/01).

Diese Lösung hat zwar die an sich unerwünschteFolge, dass für den Rechtsschutz in der Hauptsacheund für den vorläufigen Rechtsschutz unterschiedli-che Standards gelten. Es gibt aber keine Alternative,die den Rechtsschutz so weit wie möglich unange-tastet lässt, zugleich aber der Intention des Gesetz-gebers der 6. GWB-Novelle Rechnung trägt und un-nötige Blockaden von Freigabeentscheidungen desBundeskartellamts oder Erlaubnissen des Bundesmi-nisters für Wirtschaft und Arbeit verhindert. EineEinschränkung des Rechtsschutzes auch in derHauptsache würde im Ergebnis den erst im Rahmender letzten GWB-Novelle eingeführten Drittschutzgegen Freigabeentscheidungen teilweise wieder auf-heben. Dies ist jedoch nicht wünschenswert. Es be-steht nach wie vor ein hohes öffentliches Interessean der öffentlichen Diskussion und gerichtlichenÜberprüfbarkeit von Freigabeentscheidungen desBundeskartellamts und Ministererlaubnissen nach§ 42. Eine Regelung, die sich darauf beschränkt, imFall der gerichtlichen Anfechtung dieser Entschei-dungen allein den vorläufigen Rechtsschutz in denverfassungsrechtlichen Grenzen einzuschränken, istausreichend und daher vorzugswürdig.

bb) Daneben werden einzelne Verfahrensvorschriftenangepasst, mit denen das Verfahren der Zusammen-schlusskontrolle insgesamt effektiver gestaltet wer-den soll. Dies betrifft insbesondere die Regelungüber die öffentliche mündliche Verhandlung (§ 56).Die Verpflichtung, auf Antrag eine mündliche Ver-handlung durchführen zu müssen (bisheriger § 56Abs. 1), wird aufgehoben. Die geltende Regelungkann bei der Fusionskontrolle zu Schwierigkeitenführen, wenn der Antrag kurz vor Fristablauf (§ 40Abs. 1 oder 2) gestellt wird. Auch eine obligatori-sche mündliche Verhandlung für Verfahren nach§ 19 (bisheriger § 56 Abs. 3 Satz 1) erscheint nichtnotwendig. Es ist ausreichend, dies in das Ermessender Kartellbehörde zu stellen. Bei Ministererlaubnis-sen bleibt die öffentliche mündliche Verhandlungdagegen zwingend vorgeschrieben. Es wird aberklargestellt, dass die mündliche Verhandlung vomMinisterium durchgeführt wird. Daraus folgt, dassdie Anwesenheit des „Entscheiders“ (Ministers)während der mündlichen Verhandlung nicht zwin-gend geboten ist.

Die Monopolkommission hatte darüber hinaus eineKlarstellung der Vertretungsregelung in § 42 ange-regt. Dieser Vorschlag wird nicht übernommen, daauch das OLG Düsseldorf im Rahmen des Rechts-streits über die Ministererlaubnis im VerfahrenE.ON/Ruhrgas zu erkennen gegeben hat, dass es eineVertretung durch den zuständigen Staatssekretär fürzutreffend ansieht. Somit besteht keine Rechts-unsicherheit, die gesetzlich behoben werden müsste.

l) Die Novelle enthält ferner Änderungen der Vorschriftenüber das Bußgeldverfahren. Schwerpunkte der Neurege-lung sind dabei insbesondere

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Drucksache 15/3640 – 42 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

– die Möglichkeit der Aufteilung von Ahndungs- undAbschöpfungsanteil bei Bußgeldern (dazu siehe Dop-pelbuchstabe aa),

– die Verschärfung des Bußgeldrahmens und Einfüh-rung einer Zinspflicht für Bußgelder bei Verstößen ge-gen das Kartellrecht (dazu siehe Doppelbuchstabe bb),

– die Regelung über besondere Befugnisse und Zustän-digkeiten der Kartellbehörde im gerichtlichen Buß-geldverfahren (dazu siehe Doppelbuchstabe cc).

aa) Bislang schließen Bußgelder in Kartellordnungswid-rigkeitenverfahren neben der Sanktionierung des Kar-tellrechtsverstoßes auch die Abschöpfung des wirt-schaftlichen Vorteils ein (vgl. § 17 Abs. 4 OWiG).Künftig können Bußgelder hingegen auch einenreinen Ahndungszweck verfolgen. Dies nähert sichdem europäischen Vorbild an. Es ist anerkannt, dassGeldbußen der Kommission ausschließlich Sank-tionscharakter haben und keine Abschöpfung deswirtschaftlichen Vorteils bezwecken (vgl. Urteil desFinanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2003,2 K 2377/01). Im künftigen Netzwerk der europäi-schen Wettbewerbsbehörden ist es geboten, dass dieGeldbuße als wichtigste Sanktion bei Kartellrechts-verstößen möglichst nach einheitlichen Kriterien be-messen wird. Deshalb wird die Vorschrift des § 17Abs. 4 OWiG, wonach die Geldbuße den wirtschaft-lichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrig-keit gezogen hat, übersteigen soll, nur noch alsKann-Regelung für anwendbar erklärt. Im neuenRecht kann die Geldbuße demnach auch als reineAhndungsmaßnahme festgelegt werden. Der erzielteVorteil ist in diesen Fällen nur einer der möglichen Be-messungsfaktoren für Geldbußen, wird aber durch dieGeldbuße nicht mehr abgeschöpft. Die Neuregelungvermeidet dadurch auch praktische Schwierigkeiten,die sich im bisherigen Recht durch die zwingendeNotwendigkeit der Aufteilung der Geldbuße in einenAhndungsteil und einen Abführungsanteil ergebenhaben. Im Falle einer reinen Ahndungsfunktion sindGeldbußen künftig nicht mehr steuerlich abzugsfähig.Auch entfällt dann die Verrechnung mit Schadens-ersatzleistungen oder der Abführung des wirtschaft-lichen Vorteils. Andererseits soll diese Umstellungnicht zu einer Verschärfung des bisherigen Sanktions-instrumentariums führen. Wird bei der Festsetzungder Geldbuße auf eine Abschöpfung verzichtet, so istdies bei der Zumessung zu berücksichtigen; die Höheder reinen Ahndungsgeldbuße wird sich also in Zu-kunft in der Regel um den Betrag mindern, der nachbisherigem Recht der Abschöpfung des wirtschaftli-chen Vorteils diente.

Die Neuregelung hat nicht zur Folge, dass die Kar-tellbehörden nicht mehr auch den wirtschaftlichenVorteil abschöpfen können. Hierfür kommen fol-gende Möglichkeiten in Betracht: Im Bußgeldver-fahren kann die Kartellbehörde wie bisher mit derGeldbuße auch den wirtschaftlichen Vorteil ab-schöpfen. Liegen die Voraussetzungen des § 29aOWiG, ausnahmsweise auch von § 73 Abs. 3, § 73aStGB vor, kann die Kartellbehörde auch den Verfalldes erlangten Vorteils anordnen. Außerhalb der

straf- und bußgeldrechtlichen Sanktionen stehen derKartellbehörde in Verwaltungsverfahren künftig dieerweiterten Möglichkeiten der Vorteilsabschöpfungnach Maßgabe des § 34 zur Verfügung.

bb) Eines der Kernanliegen der Novelle ist es sicher-zustellen, dass die Abschaffung des bisherigenAnmelde- und Genehmigungssystems für wett-bewerbsbeschränkende Vereinbarungen zu keinemVerlust an Wettbewerbsschutz führt. Zu diesemZweck soll die Abschreckungswirkung von Sank-tionen bei Kartellrechtsverstößen deutlich verstärktwerden. Diesem Gedanken wird unter anderem da-durch Rechnung getragen, dass der Bußgeldrah-men für Kartellrechtsverstöße spürbar ausgeweitetwird. So wird der Regelbußgeldrahmen für schwer-wiegende Verstöße von derzeit 500 000 Euro aufzukünftig 1 Mio. Euro erhöht. Unverändert bleibthingegen der mehrerlösbezogene Sonderbußgeld-rahmen insoweit, als dort – wie bisher – die dreifa-che Höhe des durch die Zuwiderhandlung erlang-ten Mehrerlöses als Obergrenze vorgesehen ist. DerBußgeldrahmen für die sonstigen Fälle wird vonderzeit 25 000 Euro auf 100 000 Euro angehoben.Da der geltende Bußgeldrahmen im Wesentlichenseit 1980 – abgesehen von einer leichten Absen-kung im Rahmen der Euro-Umstellung – unverän-dert geblieben ist, berücksichtigt die Verschärfungdes Bußgeldrahmens auch den zwischenzeitlicheingetretenen Preisanstieg.

Bußgelder für Kartellrechtsverstöße können außer-ordentlich hoch sein; der Höchstbetrag für ein ein-zelnes Unternehmen beträgt bislang ca. 250 Mio.Euro. Der Zinsvorteil, der durch die Erhebung vonEinsprüchen oder anderen Maßnahmen erreicht wer-den kann, hat daher für die Unternehmen große Be-deutung. Um zu verhindern, dass Unternehmen al-lein zur Erlangung eines Zinsvorteils Einsprücheeinlegen oder auf andere Weise die Vollstreckbarkeitvon Bußgeldbescheiden verzögern, wird eine Zins-pflicht eingeführt. Damit entfällt der Anreiz, alleinwegen der Zinsersparnis Einspruch einzulegen.Andererseits entstehen durch die Einlegung vonRechtsmitteln keine Nachteile, da die Zinspflicht dieUnternehmen nicht schlechter stellt, sondern ledig-lich eine „Bereicherung“ durch den Zeitverzug ver-hindert. Die Zinspflicht ist keine zusätzliche Sank-tion, sondern dient allein der Aufrechterhaltung derSanktionswirkung der eigentlichen Geldbuße.

Bei wirksamen Einsprüchen ist das Gericht an denAusspruch der Behörde nicht gebunden, sondernentscheidet selbständig, ob und inwieweit eine Ahn-dung geboten ist. Dies gilt auch für die Zinspflicht,die sich allein auf die im Bußgeldbescheid festge-legte Geldbuße bezieht. Die Zinspflicht stellt jedocheinen Hinweis an das Gericht dar, bei seiner Über-prüfung auch den Zeitfaktor zu berücksichtigen.Wenn das Gericht die ursprünglich von der Behördefestgelegte Geldbuße unter Einschluss der von derBehörde festgelegten Zinspflicht für angemessenhält, kann es bei seiner Entscheidung die Geldbußeum den Zinsvorteil erhöhen. Das Verschlechterungs-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 43 – Drucksache 15/3640

verbot in Beschlussverfahren nach § 72 Abs. 3Satz 2 OWiG bleibt unberührt.

cc) Schließlich enthält die Vorschrift des § 82a Abs. 1Neuregelungen für die Befugnisse und Zuständig-keiten der Kartellbehörde in gerichtlichen Bußgeld-verfahren. Zum einen wird ausdrücklich die Mög-lichkeit vorgesehen, dass das Gericht den Vertreternder Kartellbehörde ein Fragerecht an Betroffene,Zeugen und Sachverständige einräumt. Dies folgtteilweise dem Vorbild des § 407 Abs. 1 Satz 5 AO.Die Änderung trägt der Tatsache Rechnung, dass beiKartellordnungswidrigkeiten wie in Steuersachenoft hoch komplexe Sachverhalte Gegenstand derHauptverhandlung sind und die mit den Ermittlun-gen befasste Behörde den Sachverhalt umfassendaufbereitet hat.

Zum andern regelt § 82a Abs. 2 die Vollstreckungs-zuständigkeit des Bundeskartellamts für gerichtlicheBußgeldentscheidungen oder Verfallanordnungen,die infolge von Beschwerden gegen Bußgeldbe-scheide des Bundeskartellamts ergehen. Im Ergebnisbewirkt die Neuregelung, dass auf Verfahren desBundeskartellamts beruhende Bußgelder auch imFall von Einsprüchen der Bundeskasse zufließen.Damit werden angesichts der tatsächlichen Vertei-lung von Personal- und Sachressourcen derzeit be-stehende Unstimmigkeiten beseitigt. Auch dann,wenn gegen Bußgeldentscheidungen Einspruch ein-gelegt wird, liegt die Hauptlast der z. T. jahrelangenErmittlungen beim Bundeskartellamt.

Da die Einnahmen aus der Bußgeldentscheidungdem Bund zufließen, ist es sachgerecht, die Last derVollstreckung insoweit ebenfalls dem Bund aufzuer-legen.

5. Gender Mainstreaming

Die gleichstellungspolitischen Auswirkungen wurden ge-mäß § 2 BGleiG und § 2 GGO anhand der Arbeitshilfe„Gender Mainstreaming bei der Vorbereitung von Rechts-vorschriften“ der Interministeriellen Arbeitsgruppe GenderMainstreaming geprüft. Die Relevanzprüfung fällt im Hin-blick auf die unterschiedliche Vertretung von Frauen undMännern in unternehmerischen Führungspositionen und imHinblick auf das unterschiedliche Verbrauchsverhalten derGeschlechter positiv aus. Die in diesem Gesetz enthaltenenRegelungen betreffen die Rechtswidrigkeit von bestimmtenwettbewerbsbehindernden Vereinbarungen und Verhaltens-weisen, außerdem gesetzliche Freistellungstatbestände undEingriffsermächtigungen der Kartellbehörden, Regelungenüber das Kartellverwaltungs- und Ordnungswidrigkeitsver-fahren sowie zivilrechtliche Sanktionsmechanismen. Sieführen im Ergebnis zu keinen unterschiedlichen Auswirkun-gen bei Frauen und Männern und damit nicht zu auch nurmittelbaren Beeinträchtigungen. Die branchenübergreifendweitgehend gleichen wettbewerbsrechtlichen Rahmenbe-dingungen für die Wirtschaft werden Frauen und Männernangemessen gerecht. Die Maßnahme hat gleichstellungs-politisch weder positive noch negative Auswirkungen.

Die Regelungen sind entsprechend § 1 Abs. 2 Satz 1BGleiG geschlechtergerecht formuliert worden.

6. KostenBund, Länder und Gemeinden werden nicht mit Mehrkostenbelastet.Die Abschaffung des Anmelde- und Genehmigungssystemsfür wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen führt zueiner Entlastung der Kartellbehörden des Bundes und derLänder von Vollzugsaufgaben. Dem stehen neue Vollzugs-aufgaben gegenüber, insbesondere im Rahmen des Netz-werks der europäischen Wettbewerbsbehörden. Insgesamtist kein nennenswerter Mehraufwand zu erwarten.Auch für die Wirtschaft entstehen insgesamt keine Mehr-kosten. Die Abschaffung des Anmelde- und Genehmi-gungssystems für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarun-gen führt einerseits zu einer Internalisierung der Kosten fürdie präventive Rechtskontrolle dieser Vereinbarungen. An-dererseits werden die Unternehmen von Bürokratiekostenentlastet. Die Verbesserung der zivil- und bußgeldrechtli-chen Sanktionsmöglichkeiten dient insbesondere der Ab-schreckung von Kartellrechtsverstößen. Gesetzeskonformhandelnde Unternehmen haben nicht mit Mehrbelastungenzu rechnen.Auswirkungen auf Einzelpreise und das Preisniveau, insbe-sondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht zu er-warten.

7. Befristung, EvaluierungDie vorrangige Zielsetzung der Novelle – die Anpassung andas europäische Wettbewerbsrecht – schließt eine Befris-tung des Gesetzes aus. Auch in den übrigen Bereichen er-füllt das Gesetz eine Daueraufgabe, die Sicherstellung eineseffektiven Wettbewerbs, die zeitlich nicht begrenzt werdenkann. Das legitime Bedürfnis der Wirtschaft nach Rechts-sicherheit erfordert ebenfalls eine unbefristete gesetzlicheRegelung.Mit der Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörden unddurch Verbände und Einrichtungen werden neugestaltete In-strumente zur Abschöpfung der „Kartellrendite“ geschaffen.Die Bundesregierung wird daher verpflichtet, bis zum31. Dezember 2008 den gesetzgebenden Körperschaftenüber die Erfahrungen mit diesen Regelungen zu berichtenund bei Bedarf gesetzgeberische Vorschläge zu machen.Auch darüber hinausgehend wird die Bundesregierung dieAuswirkungen der Gesetzesnovelle sorgfältig beobachtenund – wie nach den vergangenen GWB-Novellen auch – er-forderlichenfalls Änderungen vorschlagen.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des Gesetzes gegen Wett-bewerbsbeschränkungen)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)Die Inhaltsübersicht gibt die Gliederung des Gesetzes gegenWettbewerbsbeschränkungen wieder.

Zu Nummer 2 (Überschrift des Ersten Abschnitts desErsten Teils)

Die Überschrift des Ersten Abschnitts wird an die neuen Re-gelungen der §§ 1 bis 4 angepasst. Bislang unterscheidet der

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Drucksache 15/3640 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Erste Teil des Gesetzes zwischen der Behandlung von Wett-bewerbsbeschränkungen im Horizontalverhältnis (ErsterAbschnitt) und Wettbewerbsbeschränkungen bei vertikalenBeziehungen (Zweiter Abschnitt). Dementsprechend bringtdie bisherige Überschrift des Ersten Abschnitts mit der Ver-wendung der Begriffe „Kartellvereinbarungen“ und „Kar-tellbeschlüsse“ die Begrenzung auf horizontale Wettbe-werbsbeschränkungen zum Ausdruck. In Zukunft werdenhorizontale und vertikale Wettbewerbsbeschränkungen glei-chermaßen vom Verbot des § 1 erfasst. Die neue Überschriftdes Ersten Abschnitts verwendet daher die allgemeinenBegriffe „wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen“,„Beschlüsse“ und „abgestimmte Verhaltensweisen“. Diesschließt nicht aus, dass der Erste Abschnitt auch Sonder-regelungen für horizontale (§ 3) und vertikale Wettbewerbs-beschränkungen (§ 4) enthält.

Zu Nummer 3 (§ 1)§ 1 enthält bisher das Verbot wettbewerbsbeschränkenderhorizontaler Vereinbarungen. Durch die Streichung derWörter „miteinander im Wettbewerb stehenden“ wird dieVorschrift auch auf wettbewerbsbeschränkende vertikaleVereinbarungen erstreckt. § 1 entspricht damit im Kern derVerbotsvorschrift des Artikels 81 Abs. 1 EG. Die Tatbe-standsmerkmale des § 1, wie etwa die Definition von Unter-nehmen oder Unternehmensvereinigungen oder das Merk-mal einer Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschungdes Wettbewerbs, sind daher im Lichte der zu Artikel 81Abs. 1 EG ergangenen Rechtsprechung und Rechtsanwen-dungspraxis auszulegen und anzuwenden (vgl. auch § 23).Dies gilt auch für wettbewerbsbeschränkende Vereinbarun-gen oder Verhaltensweisen, die nicht geeignet sind, denHandel zwischen den EG-Mitgliedstaaten zu beeinträchti-gen. § 1 ist ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134BGB. Vereinbarungen und Verhaltensweisen, die gegen dasVerbot des § 1 verstoßen, ohne einen Freistellungstat-bestand nach diesem Gesetz (insbesondere nach den §§ 2und 3) zu erfüllen, sind daher nichtig. Auch dies entsprichtdem europäischen Recht (vgl. Artikel 81 Abs. 2 EG).

Zu Nummer 4 (§§ 2 bis 4)Zu § 2 (Freigestellte Vereinbarungen)

Zu Absatz 1Absatz 1 übernimmt im Kern die Freistellungsvoraussetzun-gen des Artikels 81 Abs. 3 EG. Wie im Rahmen der Ver-botsnorm des § 1 gelten die Freistellungsvoraussetzungenauch dann, wenn eine wettbewerbsbeschränkende Vereinba-rung oder Verhaltensweise nicht geeignet ist, den Handelzwischen den EG-Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Fer-ner macht Absatz 1 deutlich, dass Vereinbarungen oder Ver-haltensweisen im Sinne von § 1 „ex lege“ vom Verbot des§ 1 freigestellt sind, wenn sie die Freistellungsvoraussetzun-gen des Absatzes 1 erfüllen. Eine vorherige konstitutiveFreistellungsentscheidung einer Kartellbehörde ist nichtmehr erforderlich.

Zu Absatz 2Absatz 2 bestimmt im Wege der dynamischen Verweisung,dass bei der Anwendung von Absatz 1 Gruppenfreistel-lungsverordnungen (GVO) des Rates oder der Kommission

der Europäischen Gemeinschaft entsprechend gelten. FürVereinbarungen oder Verhaltensweisen, die geeignet sind,den zwischenstaatlichen Handel zu beeinträchtigen, geltendie GVO ohnehin kraft europäischen Rechts. Gleichwohl istauch insoweit eine Bezugnahme auf den Regelungsgehaltvon GVO sachgerecht, weil sie den parallel anwendbaren(vgl. Artikel 3 Abs. 1 VO 1/2003) Freistellungstatbestandnach dem neuen § 2 Abs. 1 konkretisiert. Für Vereinbarun-gen oder Verhaltensweisen ohne zwischenstaatliche Aus-wirkungen wird der Anwendungsbereich von GVO mitkonstitutiver Wirkung auf diese Vereinbarungen und Ver-haltensweisen erstreckt.

Als Alternative zu einer dynamischen Verweisung auf dieGVO kommt eine Verordnungsermächtigung zugunsten desBundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit in Betracht.Damit würde der Exekutive die Möglichkeit der Prüfungeingeräumt, ob künftige GVO insgesamt oder teilweise füreine Übernahme in das deutsche Recht geeignet sind. Einesolche Lösung ist jedoch nicht erforderlich und auch nichtwünschenswert. Wenn eine GVO nicht vollständig über-nommen würde, wäre eine Zweiteilung des deutschenRechts die Folge: oberhalb der Schwelle der sog. Zwischen-staatlichkeitsklausel würde die GVO gelten, während fürden verbleibenden Bereich der lokalen oder regionalen Aus-wirkungen abweichendes deutsches Recht bzw. eine abwei-chende Rechtsanwendung gelten würden. Dies würde diepraktische Handhabbarkeit vor allem für die Unternehmenganz erheblich erschweren. Es ist hierfür auch kein Bedürf-nis ersichtlich. Mit der Verabschiedung der neuen GVOüber Technologie-Transfer-Vereinbarungen am 27. April2004 ist der Kreis der GVO im Grundsatz geschlossen. We-sentliche Änderungen sind in absehbarer Zeit nicht zu er-warten. Da die bisherigen GVO ohne Probleme in das deut-sche Recht übernommen werden können, sind auch beieventuellen Änderungen der GVO keine Schwierigkeitenmit der Übernahme in das deutsche Recht zu erwarten.

Wie im europäischen Recht (Artikel 2 VO 1/2003) liegt dieBeweislast dafür, dass die Freistellungsvoraussetzungen des§ 2 vorliegen, grundsätzlich bei dem Unternehmen oder derUnternehmensvereinigung, die sich darauf beruft. Die Bun-desregierung hat jedoch bei Verabschiedung der VO 1/2003in einer Protokollerklärung (MD 75/021)) deutlich gemacht,dass diese Beweislastregelung nicht die verfassungsrecht-lich geschützte Unschuldsvermutung in Bußgeldverfahrenbeeinträchtigen kann. Gleiches gilt auch im Rahmen derAnwendung des § 2.

Zu § 3 (Mittelstandskartelle)

§ 3 übernimmt inhaltlich die Vorschrift des bisherigen § 4Abs. 1 über sog. Mittelstandskartelle. Dadurch sollen insbe-sondere kleine und mittlere Unternehmen Rechtssicherheiterhalten und zu Kooperationen ermuntert werden, die ihreWettbewerbschancen gegenüber großen Unternehmen ver-bessern. Ebenso wie der bisherige § 4 Abs. 1 erfasst § 3 nurdie Freistellung horizontal wirkender Wettbewerbsbeschrän-kungen. Liegen die Voraussetzungen des neuen § 3 vor, so istdavon auszugehen, dass die allgemeinen Freistellungsvo-raussetzungen des § 2 Abs. 1 erfüllt sind (gesetzliche Fik-

1) http://www.bmwa.bund.de/Navigation/Wirtschaft/Wirtschaftspolitik/Wettbewerbspolitik/wettbewerbsrecht,did=10014.html.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/3640

tion). Weisen daher Unternehmen erfolgreich das Vorliegender Freistellungsvoraussetzungen des neuen § 3 nach,entfällt die Notwendigkeit, das Vorliegen der allgemeinenVoraussetzungen des § 2 Abs. 1 nachzuweisen. Da die Vor-schrift des bisherigen § 3 über Spezialisierungskartelle ge-strichen wird, entfällt auch insoweit die bisherige Subsidia-rität der Freistellung von Mittelstandskartellen gegenüberSpezialisierungskartellen. Der neue § 3 kann daher auch dieFreistellung von Spezialisierungskartellen erfassen. Dieneue Vorschrift ist keine abschließende Regelung über dieFreistellung von Mittelstandskartellen. Sind seine Vorausset-zungen nicht erfüllt, ist die Möglichkeit einer Freistellungnach § 2 Abs. 1 zu prüfen. § 3 gilt auch für Mittelstands-empfehlungen, soweit diese dem Verbot des § 1 unterfallen.

Weitergehende Einschränkungen dieser Vorschrift, etwa mitBlick auf Preisabreden und bei der Bildung von gemeinsa-men Beschaffungs- oder Vertriebseinrichtungen, sind nichterforderlich. Der Freistellungstatbestand des bisherigen § 4Abs. 1 hat nicht zu erkennbaren Missständen geführt. Auchfür den künftigen § 3 ist die Besorgnis von Missständennicht gerechtfertigt.

§ 3 unterscheidet nicht zwischen Mittelstandskartellen, die– wie im Regelfall – keine zwischenstaatlichen Auswirkun-gen haben und solchen, die zwischenstaatlich relevant sind.Mittelstandskartelle mit zwischenstaatlichen Auswirkun-gen sind jedoch immer auch am Maßstab des europäischenRechts zu prüfen (Artikel 3 Abs. 1 VO 1/2003; § 22Abs. 1). Im Verhältnis zum deutschen Recht setzt sich dabeidas vorrangige europäische Recht durch.

Zu § 4 (Verbot von Preisbindungen)

§ 4 enthält das Verbot der Preisbindung der 2. Hand. Zwarunterfallen vertikale wettbewerbsbeschränkende Vereinba-rungen auch der Verbotsnorm des neuen § 1. § 4 geht jedochdarüber hinaus, indem er eine Verbotsnorm schafft, diekeine Freistellung im Einzelfall zulässt. Ein derartigesPer-se-Verbot entspricht der Regelung im bisherigen § 14,der neben Vereinbarungen über Geschäftsbedingungen ins-besondere Vereinbarungen über Preisgestaltungen verbietet.Das Per-se-Verbot für vertikale Preisbindungen soll auch inZukunft erhalten bleiben.

§ 4 gilt für Vereinbarungen mit und ohne zwischenstaatlicheAuswirkungen. Allerdings gilt in Fällen mit zwischenstaat-lichen Auswirkungen der erweiterte Vorrang des europäi-schen Rechts.

Inhaltlich wird das Preisbindungsverbot an das europäischeRecht, insbesondere an die Regelung des Artikels 4 Buch-stabe a der Vertikal-GVO (VO 2790/99), angepasst. Wiedort gilt die Regelung des § 4 für die Preisbindung bei derVeräußerung von Waren und der Erbringung von Dienstleis-tungen. Deshalb wird zur Klarstellung der Begriff des„Käufers“ durch den Begriff des „Beziehers“ und der Be-griff des „Verkäufers“ durch den Begriff des „Lieferanten“ersetzt. Gleiches gilt für die Verwendung des Begriffs„Preis“ anstelle von „Verkaufspreis“. Eine inhaltliche Ände-rung wird damit nicht bezweckt.

Wie nach Artikel 4 Buchstabe a der Vertikal-GVO sind – in-soweit abweichend vom bisherigen § 14 – Höchstpreisbin-dungen und Preisempfehlungen unter den in § 4 genanntenVoraussetzungen vom Per-se-Verbot der Preisbindung aus-

genommen. Über die Anwendung der §§ 1 und 2, die Artikel81 Abs. 1 und 3 EG nachgebildet sind, gelten die Regeln deseuropäischen Gemeinschaftsrechts, insbesondere Artikel 4Buchstabe a Vertikal-GVO (vgl. § 2 Abs. 2), entsprechend.Danach gilt die Freistellung, soweit es sich um eine spürbareWettbewerbsbeschränkung im Sinne des Artikels 81 Abs. 1EG handelt, nur bis zu einem Marktanteil bis 30 % (Artikel 3Vertikal-GVO). Im Ergebnis stimmt somit das deutscheRecht bei der Behandlung von Höchstpreisbindungen undPreisempfehlungen mit dem europäischen Recht überein.Sektorspezifische Ausnahmen vom Preisbindungsverbotsind im Fünften Abschnitt des Ersten Teils vorgesehen.

Zu Nummer 5 (Aufhebung der §§ 5 bis 18)Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Zu Nummer 6 (Umnummerierung des ZweitenAbschnitts)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Zu Nummer 7 (§ 19 Abs. 2)Zu Buchstabe a (Satz 1)Die Vorschrift stellt klar, dass Marktbeherrschung auf demjeweiligen sachlich und räumlich relevanten Markt fest-gestellt werden muss. Im Zusammenhang mit dem neuenSatz 3 (Buchstabe b) soll sichergestellt werden, dass derweitere räumliche Markt nicht nur bei der Marktabgren-zung, sondern auch bei der wettbewerblichen Beurteilungzugrunde zu legen ist. Soweit sich die Marktverhältnisse aufeinem über Deutschland hinausgehenden räumlichen Marktangesichts der beschränkten Ermittlungsmöglichkeiten derKartellbehörden im Ausland nicht ermitteln lassen, kannden Marktverhältnissen im Inland Indizwirkung für dieMarktverhältnisse auf dem räumlich relevanten Markt zu-kommen.

Zu Buchstabe b (Satz 3 – neu)In dem neuen Satz 3 wird klargestellt, dass der räumlich re-levante Markt weiter sein kann als der Geltungsbereich die-ses Gesetzes. Zugrunde zu legen ist der räumliche Markt,wie er sich durch die Abgrenzung nach den maßgeblichenKriterien ergibt (ökonomischer Marktbegriff). Eine norma-tive Begrenzung des Marktes auf das Inland ist damit ausge-schlossen.Die Formulierung „der räumlich relevante Markt im Sinnedieses Gesetzes“ macht deutlich, dass diese Klarstellungeine grundsätzliche Wertung enthält, die nicht nur für denBereich der Missbrauchsaufsicht gilt, sondern generell beider Anwendung dieses Gesetzes, insbesondere auch imRahmen der Zusammenschlusskontrolle und bei der Beur-teilung von wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen,Beschlüssen und Verhaltensweisen.

Zu Nummer 8 (§ 20)Zu Buchstabe a (Absatz 1)Die Einfügung der Worte „miteinander im Wettbewerb ste-henden“ soll bewirken, dass wie bisher Normadressaten die-ser Vorschrift neben marktbeherrschenden Unternehmen

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Drucksache 15/3640 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

und solchen, die zulässigerweise Preise binden, nur Unter-nehmen sind, die an freigestellten Wettbewerbsbeschrän-kungen im Horizontalverhältnis beteiligt sind. Diese Unter-nehmen sollen auch im neuen System der Legalausnahmeden zusätzlichen Anforderungen des Absatzes 1 unterlie-gen. Die Verweisungen sind deshalb so gefasst, dass sie dieeinschlägigen Fälle in dem neuen System erfassen.

Durch die Einfügung des § 31 werden Unternehmen, diesich an Wettbewerbsbeschränkungen beteiligen, die durch§ 31 freigestellt sind, ebenfalls als Normadressaten erfasst.

Zu Buchstabe b (Absatz 5)

Es handelt sich um eine Klarstellung im Hinblick auf dieÄnderung des § 33.

Zu Nummer 9 (§ 21 Abs. 3 Nr. 1)

Es handelt sich um redaktionelle Anpassungen der Verwei-sungen. Inhaltlich wird der Anwendungsbereich der Vor-schrift ausgeweitet, da künftig auch vertikale wettbewerbs-beschränkende Vereinbarungen erfasst werden. Dies istsachlich gerechtfertigt.

Zu Nummer 10 (Überschrift des Dritten Abschnitts)

Der Dritte Abschnitt enthält Vorschriften zur Anwendungdes europäischen Wettbewerbsrechts.

Zu Nummer 11 (Neufassung der §§ 22 und 23)

Zur Aufhebung der bisherigen §§ 22 und 23

Der Angleichung an das europäische Wettbewerbsrecht ent-spricht auch die Aufhebung der Vorschriften über das Emp-fehlungsverbot (bisher § 22) und die unverbindliche Preis-empfehlung für Markenwaren (bisher § 23). Das EG-Rechtenthält kein allgemeines Empfehlungsverbot und demge-mäß auch keine Ausnahmetatbestände vom Empfehlungs-verbot. Empfehlungen sind insoweit allein am Maßstab desArtikels 81 EG zu messen. Mit der Streichung der bisheri-gen §§ 22 und 23 ist eine Übernahme der europarechtlichenBeurteilung von Empfehlungen auch für solche Fälle ver-bunden, die nicht zwischenstaatlich relevant sind. In Zu-kunft ist daher zu prüfen, ob Empfehlungen – entsprechendden im EG-Recht entwickelten Rechtsgrundsätzen – von derVerbotsnorm des § 1 erfasst sind. Soweit dies der Fall ist,gilt für die Freistellungsfähigkeit von Empfehlungen imGrundsatz die Regelung des § 2. Liegt nicht ausnahmsweiseeine spezielle Regelung in einer GVO oder in diesem Ge-setz (z. B. § 3) vor, ist anhand der allgemeinen Kriterien von§ 2 Abs. 1 bzw. Artikel 81 Abs. 3 EG zu prüfen, ob die Vor-aussetzungen für eine Freistellung der Empfehlung erfülltsind. Für Preisempfehlungen im Vertikalverhältnis gilt dieRegelung in § 4 bzw. die nach § 2 Abs. 2 entsprechend an-wendbare Vertikal-GVO (s. Begründung zu § 4).

Zu den neuen §§ 22 und 23

Zu § 22

Diese Vorschrift regelt das Verhältnis zwischen nationalemund europäischem Wettbewerbsrecht. Sie entspricht im We-sentlichen Artikel 3 VO 1/2003. Zugleich macht sie von derin Artikel 3 VO 1/2003 vorgesehenen Möglichkeit Ge-

brauch, die Anwendung des nationalen Rechts parallel zumeuropäischen Recht zu regeln.

Zu Absatz 1

Absatz 1 bezieht sich auf die Regelung in Artikel 3 Abs. 1Satz 1 VO 1/2003. Ausgangspunkt dieser Vorschrift ist, dassbei wettbewerbsbeschränkenden Vereinbarungen, Beschlüs-sen oder Verhaltensweisen im Sinne des Artikels 81 Abs. 1EG immer das europäische Wettbewerbsrecht anzuwendenist. Artikel 3 Abs. 1 Satz 1 VO 1/2003 belässt aber dem ein-zelstaatlichen Gesetzgeber die Möglichkeit, die Anwend-barkeit des einzelstaatlichen Wettbewerbsrechts auch aufVereinbarungen und Verhaltensweisen im Sinne des Arti-kels 81 Abs. 1 EG beizubehalten. In diesen Fällen kann abereinzelstaatliches Wettbewerbsrecht nur parallel und gemein-sam mit Artikel 81 EG angewandt werden. § 22 Abs. 1 ord-net in zwischenstaatlich relevanten Fällen die Anwendungdes deutschen Wettbewerbsrechts nicht obligatorisch an,sondern lässt dessen Anwendung fakultativ. Somit habendie Kartellbehörden bei wettbewerbsbeschränkenden Ver-einbarungen, Beschlüssen und Verhaltensweisen im Sinnedes Artikels 81 Abs. 1 EG eine Wahlmöglichkeit. Sie kön-nen entweder allein das europäische Wettbewerbsrecht oderzusätzlich auch die Vorschriften dieses Gesetzes anwenden.In diesem letzteren Fall haben sie aber zusätzlich immer daseuropäische Wettbewerbsrecht mit anzuwenden, wenn dieVereinbarungen, Beschlüsse oder Verhaltensweisen zwi-schenstaatlich relevant sind. Damit soll einerseits der Vor-rang des europäischen Rechts (s. Absatz 2) sichergestelltwerden. Zum andern soll erreicht werden, dass diese Fälle,auch soweit auf sie parallel nationales Recht angewendetwird, in das Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehör-den eingestellt werden können.

Zu Absatz 2

Absatz 2 Satz 1 entspricht der Vorrangregelung des Arti-kels 3 Abs. 2 Satz 1 VO 1/2003. Danach dürfen wettbe-werbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse und Ver-haltensweisen, die zwischenstaatlich relevant sind und dienicht nach Artikel 81 Abs. 1 EG verboten oder nach Arti-kel 81 Abs. 3 EG freigestellt sind, auch nicht nach denVorschriften dieses Gesetzes verboten werden. Der Vor-rang erstreckt sich auf die wettbewerbsrechtliche Beurtei-lung aller Vereinbarungen, Beschlüsse von Unternehmens-vereinigungen und aufeinander abgestimmten Verhaltens-weisen mit zwischenstaatlichen Auswirkungen. Erfasstsind auch Fälle, bei denen keine „spürbare“ Wettbewerbs-beschränkung im Sinne des europäischen Rechts vorliegt.

Die Vorrangregelung des Artikels 3 Abs. 2 Satz 1 VO 1/2003gilt nicht für die Anwendung strengeren nationalen Wettbe-werbsrechts auf einseitige Wettbewerbsbeschränkungen(Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003). In Deutschland betrifftdies insbesondere den Anwendungsbereich der Vorschriftender Missbrauchsaufsicht. Dementsprechend wird in Satz 2klargestellt, dass die Vorschriften des Zweiten Abschnitts desErsten Teils von der Vorrangregelung unberührt bleiben.Davon erfasst ist insbesondere auch die – im Vergleich zu Ar-tikel 82 EG – weitergehende Missbrauchsaufsicht gegenübermarktstarken Unternehmen (vgl. § 20). Dies entspricht auchErwägungsgrund 8 der VO 1/2003.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/3640

Artikel 3 Abs. 2 VO 1/2003 erfasst nach seinem Wortlautnicht den Vorrang strengeren europäischen Rechts gegen-über milderem nationalen Wettbewerbsrecht. Dieser Vor-rang ist jedoch in der Rechtsprechung der europäischen Ge-richte anerkannt; er bleibt von den Regelungen in Artikel 3Abs. 2 VO 1/2003 unberührt. Dies wird durch Satz 3 aus-drücklich klargestellt. Insbesondere verlangt der Vorrangdes Gemeinschaftsrechts nach der Rechtsprechung, dassnationale Rechtsvorschriften, die einer Gemeinschaftsvor-schrift entgegenstehen, von allen nationalen Gerichten undOrganen einschließlich der Verwaltungsbehörden nichtangewendet werden dürfen, unabhängig davon, welcheVorschrift älter ist (vgl. jüngst Urteil des EuropäischenGerichtshofes vom 9. September 2003 – RechtssacheC-198/01 – „Consorzio Industrie Fiammiferi“). Da in Zu-kunft die Kartellbehörden und Gerichte verpflichtet sind,auf alle zwischenstaatlich relevanten Sachverhalte das euro-päische Wettbewerbsrecht anzuwenden, setzt sich im Ergeb-nis der Vorrang des europäischen Wettbewerbsrechts auchgegenüber milderem deutschen Recht durch.

Zu Absatz 3

Absatz 3 bezieht sich auf die Regelung in Artikel 3 Abs. 1Satz 2 VO 1/2003. Danach haben die Kartellbehörden undGerichte auf von Artikel 82 EG verbotene Verhaltenswei-sen im Falle der Anwendung der Vorschriften dieses Ge-setzes auch Artikel 82 EG anzuwenden. Der Anwendungs-befehl des Absatzes 3 betrifft somit Verhaltensweisen, diezum einen zwischenstaatlich relevant sind und gleichzeitigdie Verbotsvoraussetzungen des Artikels 82 EG erfüllen.Wie im Falle des Absatzes 1 ist bei zwischenstaatlich rele-vanten Handlungsweisen die Anwendung des deutschenWettbewerbsrechts möglich, aber nicht vorgeschrieben. Be-hörden und Gerichte können in diesem Fall entweder Arti-kel 82 EG oder zusätzlich auch die Vorschriften dieses Ge-setzes anwenden. Eine Vorrangregelung gemäß Absatz 2gibt es für einseitige Handlungsweisen nicht. Demgemäßwird in Übereinstimmung mit Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 VO1/2003 durch Satz 3 zusätzlich klargestellt, dass die An-wendung von gegenüber Artikel 82 EG strengeren Vor-schriften dieses Gesetzes unberührt bleibt.

Zu Absatz 4

Entsprechend Artikel 3 Abs. 3 VO 1/2003 gelten die Vor-schriften der Absätze 1 bis 3 grundsätzlich nicht, wenn dasBundeskartellamt oder ein Rechtsmittelgericht die Vor-schriften der Zusammenschlusskontrolle anwendet. In die-sen Fällen besteht somit insbesondere keine Verpflichtungzur parallelen Anwendung des europäischen Wettbewerbs-rechts oder eine Bindung an die Vorrangregelung des Absat-zes 2. Die Absätze 1 bis 3 gelten ebenfalls nicht für die An-wendung von Vorschriften, die überwiegend ein von denArtikeln 81 und 82 EG abweichendes Ziel verfolgen. Dazugehören insbesondere die Vorschriften des Gesetzes gegenden unlauteren Wettbewerb.

Zu § 23

Nach § 23 sind die Grundsätze des europäischen Wettbe-werbsrechts bei der Anwendung der §§ 1 bis 4 und 19 maß-geblich zugrunde zu legen. Bei der Auslegung der Grund-sätze des europäischen Wettbewerbsrechts sind neben dem

Wortlaut der gesetzlichen Regelungen auch die ständigeSpruchpraxis des Europäischen Gerichts erster Instanz unddes Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg ebenso wiedie gefestigte Verwaltungspraxis der Kommission, die sichauch in ihren Bekanntmachungen und Leitlinien wiederfin-det, zu berücksichtigen. § 23 wirkt sich insbesondere beisolchen Wettbewerbsbeschränkungen aus, die allein dem in-nerstaatlichen Recht unterliegen. Dabei ordnet § 23 aberkeine unmittelbare normative Bindung an die Entschei-dungspraxis der europäischen Institutionen an.

Vom europäischen Wettbewerbsrecht abweichende gesetz-liche Regelungen in diesem Gesetz gehen der Auslegungs-regel des § 23 vor. Dies gilt etwa für die Regelung über Mit-telstandskartelle nach § 3 oder die – im Vergleich zum euro-päischen Recht – eingehenderen Regelungen über das Ver-bot des Missbrauchs marktbeherrschender Stellungen nach§ 19 Abs. 2 bis 4.

Nicht erfasst von § 23 sind die anderen Vorschriften desZweiten Abschnitts des Ersten Teils, d. h. die §§ 20 und 21.Denn dabei handelt es sich um Vorschriften über einseitigeWettbewerbsbeschränkungen, die im Vergleich zu Arti-kel 82 EG strenger sind und auch nicht vom erweitertenVorrang des europäischen Rechts erfasst werden (vgl. § 22Abs. 2 Satz 2 und Abs. 3 Satz 3; Artikel 3 Abs. 2 Satz 2 VO1/2003).

Zu Nummer 12 (§ 25)

Die Kartellbehörde hat im Rahmen eines Anerkennungsver-fahrens auch Verbraucherzentralen und anderen Verbrau-cherverbänden, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wer-den, Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, wenn die In-teressen der Verbraucher erheblich berührt sind. Damit wirdder oftmals erheblichen verbraucherpolitischen Bedeutungvon Wettbewerbsregeln Rechnung getragen. Die Interessender Verbraucher sind insbesondere dann berührt, wenn sichWettbewerbsregeln – wie es ihrer Natur entspricht – aufeine Vielzahl von Verbrauchern auswirken. Einer besonde-ren wirtschaftlichen Auswirkung einer Wettbewerbsregelauf jeden einzelnen Verbraucher bedarf es nicht.

Zu Nummer 13 (§ 26)

Zu Buchstabe a (Absatz 1)

Mit der Einfügung des neuen Satz 2 wird der geänderteCharakter der Anerkennung von Wettbewerbsregeln durchdie Kartellbehörde klargestellt. Das neue System der Legal-ausnahme ohne Administrativfreistellungsmöglichkeit er-fasst auch die Anerkennung von Wettbewerbsregeln, soweitsie eine wettbewerbliche Kontrolle zum Inhalt hat. Die Ver-fügung der Kartellbehörde hat deshalb künftig keine bin-dende Wirkung gegenüber Dritten mehr. Bislang gilt diesnur für die Anerkennung von Wettbewerbsregeln, soweit dieKartellbehörde andere Vorschriften als die bisherigen §§ 1und 22 Abs. 1 prüft, z. B. lauterkeitsrechtliche Bestimmun-gen. Derartige Regelungen unterliegen im Falle eines Aner-kennungsantrags auch bislang nur einer – nicht konstitutivwirkenden – Rechtskontrolle der Kartellbehörde. In Zukunftgilt das auch für die Anerkennung von Wettbewerbsregeln,die vom Verbot des § 1 erfasst werden und nach den §§ 2und 3 freigestellt sind. Der Inhalt einer Verfügung nachSatz 1 entspricht damit Entscheidungen nach § 32c. Dies

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Drucksache 15/3640 – 48 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

bedeutet, dass die Kartellbehörde im Falle einer Anerken-nung von den ihr nach dem Dritten Abschnitt zustehendenBefugnissen keinen Gebrauch machen wird.

Zu Buchstabe b (Absatz 2)Satz 1 sieht bislang eine gesonderte administrative Freistel-lungsmöglichkeit von Wettbewerbsregeln, die unter die bis-herigen §§ 1 und 22 Abs. 1 fallen, nach „pflichtgemäßemErmessen“ der Kartellbehörden vor. Mit der Einführung desSystems der Legalausnahme ist diese administrative Frei-stellungsmöglichkeit hinfällig. Wettbewerbsregeln, die vomKartellverbot des § 1 erfasst werden, sind freigestellt, wennsie die Voraussetzungen der §§ 2 oder 3 erfüllen. Durch dieNeufassung von Absatz 2 wird klargestellt, dass die Kartell-behörde den Antrag auf Anerkennung von Wettbewerbs-regeln abzulehnen hat, wenn diese eine Wettbewerbs-beschränkung im Sinne des § 1 enthalten, aber nicht vomVerbot des § 1 freigestellt sind. Wie im bisherigen Recht isteine Anerkennung auch dann abzulehnen, wenn eine andereBestimmung dieses Gesetzes, des Gesetzes gegen den un-lauteren Wettbewerb (UWG) oder eine andere Rechtsvor-schrift verletzt ist. Kartellbehörden nehmen insoweit auchverbraucherschützende Aufgaben wahr.

Zu Buchstabe c (Absatz 3)Es handelt sich um eine redaktionelle Berichtigung.

Zu Nummer 14 (§ 27)Zu Buchstabe a (Überschrift)Die Änderung der Überschrift berücksichtigt die neue Rege-lung des § 27.

Zu Buchstabe b (Absatz 1)Anerkannte Wettbewerbsregeln sind in Zukunft im Bundes-anzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger zu veröf-fentlichen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen,dass anerkannte Wettbewerbsregeln Bedeutung nicht nur fürdie Mitglieder der Wirtschafts- und Berufsvereinigungenhaben, die den Antrag auf Anerkennung gestellt haben, son-dern auch für Dritte, etwa für Unternehmen der Marktge-genseite. Die alternative Veröffentlichung im elektronischenBundesanzeiger ermöglicht die Nutzung der neuen Informa-tions- und Kommunikationstechnologien.

Zu Buchstabe c (Absatz 2)Zu Doppelbuchstabe aaAnträge und Amtshandlungen in Bezug auf Wettbewerbsre-geln sind künftig entweder im Bundesanzeiger oder im elek-tronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen.

Zu Doppelbuchstabe bbEs handelt sich um eine Folgeänderung (vgl. Nummer 12).

Zu Doppelbuchstabe ccDie Ablehnung der Anerkennung von Wettbewerbsregelnist von gleichem öffentlichen Interesse wie die anderen be-kannt zu machenden Verfügungen. Auch für sie wird dahereine Bekanntmachung vorgeschrieben. Bei der weiteren Än-

derung (Einfügung der Worte „der Anerkennung“) handeltes sich um die Bereinigung eines Redaktionsversehens.

Zu Buchstabe d (Absatz 5)Für Wettbewerbsregeln, die bereits bei Inkrafttreten diesesGesetzes anerkannt sind, gilt nicht die Veröffentlichungs-pflicht nach dem neuen Absatz 1. Entsprechend der Rege-lung im bisherigen § 27 Abs. 1 erteilt jedoch die Kartell-behörde Auskunft zu solchen anerkannten Wettbewerbs-regeln.

Zu Nummer 15 (§ 28)Die Ausnahmeregeln für die Landwirtschaft entsprechen imWesentlichen den im europäischen Recht geltenden Aus-nahmeregelungen (VO 26/62). Sie werden für die nationa-len Sachverhalte beibehalten und an die neuen Vorschriftendieses Gesetzes angepasst.

Zu Buchstabe a (Absatz 1)Es entfällt der bisherige Satz 2, der die unverzügliche An-meldung der Vereinbarungen und Beschlüsse bei der Kar-tellbehörde vorschreibt. Im neuen System der Legalaus-nahme besteht keine Begründung mehr dafür, dass diesebisher schon freigestellten Vereinbarungen angemeldet wer-den müssen und somit anders behandelt werden als die übri-gen Vereinbarungen, für die eine solche Pflicht nicht mehrbesteht.

Zu Buchstabe b (Absatz 2)Durch den neuen Absatz 2 wird die geltende Rechtslage andie neuen Vorschriften der §§ 1 und 4 angepasst. VertikaleBindungen werden zukünftig auch vom Verbot des § 1 er-fasst. Die Beibehaltung der bisher geltenden materiellenRechtslage erfordert deshalb, die in § 28 Abs. 2 genanntenBindungen sowohl vom Verbot des § 1 als auch des § 4 frei-zustellen.

Zu Buchstabe c (Absatz 3)Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung. Mit demVertrag von Amsterdam sind die landwirtschaftlichen Er-zeugnisse nunmehr in Anhang I des EG-Vertrags aufge-führt.

Zu Buchstabe d (bisheriger Absatz 4)Da es keine konstitutiven Freistellungsentscheidungen mehrgibt, entfällt die bisher in Absatz 4 enthaltene Missbrauchs-aufsicht über freigestellte Kartelle. Absatz 4 wird daher ge-strichen. Die wettbewerbliche Kontrolle wird dadurch nichteingeschränkt. Die Befugnisse der Kartellbehörden insbe-sondere im Rahmen ihres Tätigwerdens gemäß den §§ 32 ff.bleiben unberührt. Die Kartellbehörden können in diesemRahmen Zuwiderhandlungen gegen Vorschriften dieses Ge-setzes feststellen und die Unternehmen verpflichten, dieseabzustellen.

Zu Nummer 16 (§ 29)Wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsseund abgestimmte Verhaltensweisen von Kredit- und Versi-cherungsunternehmen werden künftig allein nach den Krite-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/3640

rien des europäischen Wettbewerbsrechts (Artikel 81 EG)beurteilt. Vereinbarungen in diesem Bereich haben in derRegel zwischenstaatliche Auswirkungen, sodass kein Raumfür nationale Sonderregelungen mehr besteht. Die bisheri-gen Sonderregeln in § 29 werden daher aufgehoben.

In Ausnahmefällen, in denen der zwischenstaatliche Handelnicht berührt ist, gelten die Vorschriften des europäischenRechts entsprechend (§§ 1 ff., § 23). Für Unternehmen derVersicherungswirtschaft ist die GVO für den Versicherungs-sektor gemäß § 2 Abs. 2 entsprechend anzuwenden. Soweitauch für diese rein nationalen Fälle Mitversicherungsge-meinschaften nicht alle Bedingungen der GVO erfüllen,können sie, sofern die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 er-füllt sind, einzeln freigestellt sein.

Der Wegfall der bisher vorgesehenen Freistellung für hori-zontale Vereinbarungen vom Verbot des § 1 (§ 29 Abs. 2Satz 2) stellt die kartellrechtliche Zulässigkeit von Mitversi-cherungen im Einzelfall nicht infrage. Die Mitversicherungim Einzelfall stellt nach Auffassung der Kommission keinespürbare Wettbewerbsbeschränkung dar. Daher ergibt sichfür die Unternehmen aus der Streichung keine Verschlechte-rung gegenüber der bisherigen Situation.

Aus dem Grundsatz, dass künftig allein europäisches Rechtmaßgeblich ist, folgt zum anderen, dass § 4, der über dasEU-Recht hinausgeht, für die Kredit- und Versicherungs-wirtschaft nicht anzuwenden ist. Dies ist sachgerecht, weilauch im bisherigen Recht Preisbindungen und vertikaleEmpfehlungen unter bestimmten Voraussetzungen freige-stellt sind. Für diese Sachverhalte gilt künftig ebenfalls al-lein EG-Recht, und zwar gemäß § 2 Abs. 2 und § 23 auchfür Sachverhalte ohne zwischenstaatliche Auswirkungen(z. B. Einzelfälle). Preisbindungen sind deshalb grundsätz-lich vom Verbot des § 1 erfasst, weil es für sie keine Grup-penfreistellung gibt. Ausnahmsweise ist aber eine Freistel-lung im Einzelfall nicht ausgeschlossen, wenn die Voraus-setzungen des Artikels 81 Abs. 3 EG bzw. des § 2 Abs. 1vorliegen. Im Ergebnis bedeutet dies keine substanzielleÄnderung der Rechtslage, da der bisher anzuwendende § 7dem Artikel 81 Abs. 3 EG weitgehend entsprach. Dies giltauch für die bisher nach § 29 Abs. 2 Satz 1 freigestelltenPreisbindungen im Einzelfall. Die kartellrechtliche Zuläs-sigkeit herkömmlicher Preisbindungen in Konsortialge-schäften der Kreditinstitute und im Rückversicherungsge-schäft wird ebenfalls nicht infrage gestellt. Diese Vereinba-rungen wurden von der Kommission bisher nicht als spür-bare Wettbewerbsbeschränkung aufgefasst.

Insgesamt bot der bisherige § 29 mit den im Einzelnen auf-geführten Freistellungen zwar etwas größere Rechtssicher-heit als die neue Regelung, die das europäische Recht voll-inhaltlich übernimmt. Der Fortfall der bisherigen Freistel-lungsmöglichkeiten ergibt sich jedoch zwingend aus demneuen System der Legalausnahme. Davon unberührt bleibtdie Möglichkeit von bilateralen Kontakten mit den Kartell-behörden zur Klärung von Zweifelsfragen.

Zu Nummer 17 (§ 30)

Zur Aufhebung des bisherigen § 30(Urheberrechtsverwertungsgesellschaften)

Der bisherige § 30 wird aufgehoben, da die Vorschrift imHinblick auf den Vorrang des europäischen Rechts keine

eigenständige Bedeutung mehr hat. In der Sache bedeutetdies keine Änderung. Es bleibt dabei, dass Bildung und Tä-tigkeit von Verwertungsgesellschaften, soweit dies zurWahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich ist, wie bishernicht dem Kartellverbot unterfallen.

Die Notwendigkeit zur Aufhebung von § 30 Abs. 1 ergibtsich aus der Weiterentwicklung des europäischen Kartell-verfahrensrechts und dem durch Artikel 3 der VO 1/2003erweiterten Vorrang des europäischen Rechts. Zum Zeit-punkt der 6. GWB-Novelle hatte das Bundeskartellamt zwarbereits die Befugnis, europäisches Recht anzuwenden. Eswar aber nicht zu einer parallelen Anwendung des euro-päischen Wettbewerbsrechts neben dem deutschen Wettbe-werbsrecht verpflichtet. Somit bestand im damaligen Zeit-punkt noch die Möglichkeit, nur deutsches Wettbewerbs-recht auf die Gründung und Tätigkeit von Verwertungsge-sellschaften anzuwenden. Deshalb war eine Klarstellungüber das Verhältnis zwischen Wettbewerbsrecht und demgesetzlichen Auftrag der Verwertungsgesellschaften, wie erim Urheberrechtswahrnehmungsgesetz festgelegt ist, ge-rechtfertigt. Diese Rechtslage änderte sich durch Artikel 3der VO 1/2003 zum 1. Mai 2004. Nach diesem Zeitpunktmüssen nationale Behörden und Gerichte auf zwischenstaat-lich relevante Sachverhalte in jedem Fall zwingend auch eu-ropäisches Wettbewerbsrecht anwenden, wenn sie nationa-les Wettbewerbsrecht anwenden. Daraus folgt, dass auch fürBildung und Tätigkeit der Verwertungsgesellschaften dasnationale Wettbewerbsrecht von dem vorrangigen europäi-schen Recht im Ergebnis in keiner Weise mehr abweichendarf. Da im europäischen Recht keine Sonderregelung fürVerwertungsgesellschaften existiert, gibt es für eine eigen-ständige nationale Regelung eines Ausnahmebereichs keineBerechtigung mehr.

Durch die künftige Anwendung des europäischen Wettbe-werbsrechts werden die Bildung und Tätigkeit der Verwer-tungsgesellschaften und ihre gegenwärtige Organisations-form nicht infrage gestellt. Der Europäische Gerichtshoferkennt die Rechtmäßigkeit der Bildung von Verwertungs-gesellschaften zum Zwecke der wirkungsvollen Vertretungder Urheberinteressen an. Nach gefestigter Rechtsprechungwerden die auf Abtretung der Rechte ihrer Mitglieder beru-hende Stellung und die Tätigkeiten der Verwertungsgesell-schaften, soweit sie zur Wahrnehmung der Urheberrechteihrer Mitglieder unerlässlich sind, nicht als wettbewerbsbe-schränkend im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechtsbetrachtet. Bereits mit der 6. GWB-Novelle wurde dieReichweite der Ausnahme von Verträgen und Beschlüssender Verwertungsgesellschaften vom Kartellverbot durch dieFormulierung „soweit sie zur wirksamen Wahrnehmung der(Urheber-)Rechte … erforderlich sind“ an dieser EuGH-Rechtsprechung orientiert und gegenüber dem bis dahin gel-tenden Recht eingeschränkt. Die Arbeit der Verwertungsge-sellschaften wurde dadurch nicht beeinträchtigt. Im Ergeb-nis wird die rechtliche Absicherung der Verwertungsgesell-schaften und ihrer Tätigkeiten durch die Aufhebung des§ 30 Abs. 1 nicht verschlechtert. Inwieweit Vereinbarungenzwischen Verwertungsgesellschaften über die nationalenGrenzen hinweg eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen,ist ebenfalls allein nach europäischem Recht (Artikel 81EG) zu beurteilen. Nationale Regelungen treten insoweitzurück und können keine abweichenden Ergebnisse begrün-den.

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Drucksache 15/3640 – 50 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Auch für die Regelung in dem bisherigen Absatz 2 des § 30besteht kein Bedürfnis mehr. Die Befugnis der Oberlandes-gerichte zur Tariffestsetzung nach dem Urheberrechtswahr-nehmungsgesetz bleibt erhalten. Da diese Tariffestsetzungzwischenstaatliche Auswirkungen hat, ist für die wettbe-werbsrechtliche Beurteilung künftig ebenfalls ausschließ-lich das europäische Recht maßgebend. Danach bestehengegen die Festsetzung der Tarife durch Entscheidung derOberlandesgerichte grundsätzlich keine Bedenken. Das eu-ropäische Wettbewerbsrecht ist wegen der unmittelbarenGeltung und des Vorrangs gegenüber nationalem Rechtauch vom Oberlandesgericht zu beachten. Durch die Aufhe-bung des § 30 Abs. 2 erhält das Bundeskartellamt keine zu-sätzlichen Befugnisse. Nach allgemeinen Rechtsgrundsät-zen kommt dem Bundeskartellamt nicht die Befugnis zu,eine Entscheidung des Oberlandesgerichts aufzuheben oderabzuändern, mit der die Tarife für Verwertungsgesellschaf-ten konstitutiv festgelegt sind.

Zum neuen § 30 (Preisbindung bei Zeitungen und Zeit-schriften)

Der neue § 30 entspricht inhaltlich dem bisherigen § 15. Erwird an die neuen Vorschriften dieses Gesetzes angepasst.

Zu Nummer 18 (§ 31)

Zur Aufhebung des bisherigen § 31 (Sport)

Der bisherige § 31 wird aufgehoben. Die Notwendigkeithierzu ergibt sich aus dem durch Artikel 3 der VO 1/2003verstärkten Vorrang des europäischen Rechts. Da im euro-päischen Recht keine Sonderregelung für den Sportbereichbesteht, gibt es für die eigenständige nationale Regelung ei-nes Ausnahmebereichs keine Berechtigung mehr. Nach derweiten Auslegung des Begriffs der zwischenstaatlichenAuswirkungen durch die Entscheidungspraxis der europäi-schen Gerichte und die Verwaltungspraxis der Kommissionhat die Vermarktung von Fernsehrechten in der Regel zwi-schenstaatliche Auswirkungen. Damit kann für diese Fälledie Anwendbarkeit des europäischen Rechts nicht infragestehen. Nationale Ausnahmeregelungen, die nicht dem eu-ropäischen Wettbewerbsrecht entsprechen, laufen für dieseFälle somit weitgehend leer.

Die zentrale Vermarktung von Rechten an der Fernsehüber-tragung satzungsgemäß durchgeführter sportlicher Wettbe-werbe durch Sportverbände, die in Erfüllung ihrer gesell-schaftspolitischen Verantwortung auch der Förderung desJugend- und Amateursports verpflichtet sind und dieser Ver-pflichtung durch eine angemessene Teilhabe an den Einnah-men aus der zentralen Vermarktung dieser FernsehrechteRechnung tragen, werden durch die Streichung der bisheri-gen Ausnahmeregelung in § 31 und die zukünftige Anwen-dung des europäischen Wettbewerbsrechts nicht infrage ge-stellt.

Der Sport nimmt in der europäischen Politik und Rechtspra-xis eine gewisse Sonderstellung ein, die sich aus den beson-deren Charakteristika und Funktionen des Sports ergibt. Beider Anwendung der Wettbewerbsvorschriften des EG-Ver-trags auf den Sport müssen dessen Besonderheiten berück-sichtigt werden. Die vom Europäischen Rat in Nizza ange-nommene Erklärung über die besonderen Merkmale desSports betont die Notwendigkeit, bei sämtlichen politischen

Maßnahmen der Gemeinschaft die sozialen, erzieherischenund kulturellen Funktionen zu berücksichtigen, die für denSport besonders charakteristisch sind. Damit soll die für dieErhaltung seiner gesellschaftlichen Funktion notwendigeEthik und Solidarität gefördert werden. Die Protokollerklä-rung (29) zum Vertrag von Amsterdam, die die Mitwirkungder Sportverbände betont, unterstreicht erneut die gesell-schaftliche Bedeutung des Sports und der Förderung desAmateursports.

Regeln, die für die Existenz einer Sportart und die Organi-sation von Wettbewerben zwingend erforderlich sind undobjektiv, transparent und nicht diskriminierend angewendetwerden, fallen nach der Rechtsprechung der europäischenGerichte und der Rechtsanwendungspraxis der Kommissionnicht in den Anwendungsbereich der Wettbewerbsregeln.Die Kommission erkennt in ihrer Entscheidungspraxis auchdie Notwendigkeit, das Training junger Spieler zu fördern,als legitimes Ziel von darauf gerichteten Regeln an. Wenndiese Regeln in einem angemessenen Verhältnis zu dem ver-folgten Ziel stehen, fallen sie entweder nicht unter Artikel81 EG oder sind nach Artikel 81 Abs. 3 EG freigestellt.

Die Europäische Kommission hat die Grundsätze für dieBewertung der zentralen Vermarktung im Fall UEFAChampions League festgelegt. Danach ist die Zentralver-marktung grundsätzlich erlaubt, wenn bestimmte Bedingun-gen erfüllt sind. So sind z. B. die Rechte in Pakete aufzutei-len und den Vereinen abgestufte Rechte zur Eigenvermark-tung zu geben.

Für die Zentralvermarktung der DFB-Bundesligaspiele hatdie Kommission eine ähnliche Entscheidung angekündigt.Auch in anderen Fällen mit zwischenstaatlichen Auswir-kungen sind diese Grundsätze nunmehr anzuwenden. Damitist die frühere – bis zur 6. GWB-Novelle – strengere Auf-fassung des Bundeskartellamts, die vom BGH bestätigtwurde, nicht mehr maßgeblich.

In Fällen ohne zwischenstaatliche Auswirkungen gelten dievon der Kommission zum europäischen Recht entwickeltenGrundsätze gemäß den §§ 1 ff. und § 23 entsprechend. DieZentralvermarktung ist daher mit den gleichen Einschrän-kungen zulässig, sofern nicht ausnahmsweise wegen derBesonderheiten des Sachverhalts eine abweichende Beurtei-lung geboten ist.

Vor dem Hintergrund der heutigen Marktsituation ist frag-lich, ob eine zentrale Vermarktung von Übertragungsrech-ten, die angebots- und nachfrageseitig keine grenzüber-schreitende Wirkung im Sinne des Artikels 81 Abs. 1 EGentfaltet, überhaupt eine spürbare Wettbewerbsbeschrän-kung im Sinne von § 1 ist. Dabei sind die Möglichkeiten derVereine, eine Eigenvermarktung wirtschaftlich sinnvoll vor-zunehmen, ebenso zu beachten wie das eher lokal begrenzteInteresse der Nachfrager an derartigen Rechten und der ge-ringe Anteil an den Gesamtvermarktungserlösen, der aufdiesen Bereich entfällt.

Zum neuen § 31 (Anzeigenkooperationen)

Der neue § 31 schafft einen Ausnahmetatbestand für Zei-tungsverlage. Satz 1 stellt alle Kooperationen im Anzeigen-bereich von der Anwendung des § 1 frei. Wird allerdingsdurch eine Kooperation der Wettbewerb im Sinne des Arti-kels 81 Abs. 1 EG beschränkt, kommt eine Freistellung nur

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 51 – Drucksache 15/3640

unter den restriktiveren Bedingungen des Artikels 81 Abs. 3EG bzw. des § 2 in Betracht. Die Regelung des § 31 begüns-tigt damit vor allem kleine und mittlere Zeitungsverlage.Anzeigenkooperationen können den größten Beitrag zurVerbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit undWettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen in allerRegel dann leisten, wenn die an ihnen beteiligten Unterneh-men im selben räumlichen Markt oder in benachbartenräumlichen Märkten tätig sind. Aufgrund der relativ engenräumlichen und sachlichen Marktabgrenzung für Anzeigen-märkte in der Rechtsanwendungspraxis kann die Grenze derMarktbeherrschung bei Anzeigenkooperationen wesentlichschneller erreicht werden als in vielen anderen Märkten.Satz 1 enthält wegen dieser branchenspezifischen Besonder-heit keine dem § 2 Abs. 1 Nr. 2 vergleichbare Obergrenze.Satz 2 nimmt Zusammenschlüsse, soweit diese dazu dienen,eine Anzeigenkooperation zu praktizieren, von der Anwen-dung der Fusionskontrolle aus. Diese Regelung korrespon-diert mit dem Verzicht auf eine Marktanteilsobergrenze inSatz 1. Sie ist erforderlich, um den Unternehmen die Wahlder geeigneten Rechtsform für ihre Kooperation zu über-lassen. Es entspricht im Übrigen der Praxis des Bundes-kartellamts, Zusammenschlüsse, die der Umsetzung einesfreigestellten Kartells dienen, nicht einem gesonderten Fu-sionskontrollverfahren zu unterwerfen. Satz 2 nimmt Zu-sammenschlüsse zur Umsetzung von Kooperationen im An-zeigenbereich nur im Hinblick auf die davon betroffenenAnzeigenmärkte von der Zusammenschlusskontrolle aus.Wenn solche Zusammenschlüsse nennenswerte Auswirkun-gen auf anderen Märkten haben, sind die Vorschriften desSiebenten Abschnitts in vollem Umfange anwendbar.Satz 3 stellt klar, dass nach § 31 freigestellte Kooperationenin vollem Umfang der Missbrauchsaufsicht unterworfen sind.

Zu Nummer 19 (Sechster Abschnitt)Zur ÜberschriftDie Ergänzung der Überschrift durch Einfügung der Wörter„Befugnisse der Kartellbehörden“ trägt dem erweiterten In-halt der Vorschriften der §§ 32 bis 32e Rechnung.

Zu § 32Zu Absatz 1In Anlehnung an das europäische Recht (Artikel 7 Abs. 1Satz 1 VO 1/2003) erhalten die Kartellbehörden die Befug-nis, den betroffenen Unternehmen oder Unternehmensverei-nigungen aufzugeben, eine Zuwiderhandlung gegen diesesGesetz oder gegen die Artikel 81 oder 82 EG abzustellen(positive Tenorierung). Die Abstellung der Zuwiderhand-lung schließt die Unterlassung ein.

Zu Absatz 2Absatz 2 konkretisiert die Befugnisse der Kartellbehördennach Absatz 1. Auch diese Regelung ist Artikel 7 Abs. 1VO 1/2003 nachgebildet. Danach kann die Kartellbehördealle Maßnahmen aufgeben, die für eine wirksame Abstel-lung der Zuwiderhandlung erforderlich und gegenüber demfestgestellten Verstoß verhältnismäßig sind. Absatz 2 erfor-dert ausdrücklich eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, die anden verfassungsmäßig verankerten Grundsätzen auszurich-

ten ist. Damit wird der für das gesamte öffentliche Handelngeltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz akzentuiert. Diesist insbesondere bei eventuellen Eingriffen in die Unterneh-menssubstanz (sog. strukturellen Maßnahmen) von Bedeu-tung. Orientierungshilfe geben dabei die Kriterien, die imRahmen der Vorbildregelung des Artikels 7 VO 1/2003 fürstrukturelle Maßnahmen vorgesehen sind. Danach könnenAbhilfemaßnahmen struktureller Art nur festgelegt werden,wenn es keine verhaltensorientierte Abhilfemaßnahme vongleicher Wirksamkeit gibt oder wenn letztere im Vergleichzu Abhilfemaßnahmen struktureller Art mit einer größerenBelastung für die beteiligten Unternehmen verbunden wäre(Artikel 7 Abs. 1 Satz 3 VO 1/2003). Änderungen der Un-ternehmensstruktur, wie sie vor der Zuwiderhandlung be-stand, sind nur dann verhältnismäßig, wenn ein erhebliches,durch die Struktur eines Unternehmens als solche bedingtesRisiko anhaltender oder wiederholter Zuwiderhandlungengegeben ist (Erw. 12 Satz 3 VO 1/2003).

Zu Absatz 3

Ebenfalls wie im europäischen Recht (Artikel 7 Abs. 1Satz 4 VO 1/2003) wird den Kartellbehörden die ausdrück-liche Befugnis erteilt, einen Kartellrechtsverstoß auchnachträglich festzustellen, wenn hierfür ein berechtigtes In-teresse besteht. Ein berechtigtes Interesse ist insbesonderedann zu bejahen, wenn eine Klarstellung der Rechtslagewegen Wiederholungsgefahr geboten ist.

Zu § 32aZu Absatz 1

Absatz 1 sieht die Befugnis der Kartellbehörde vor, in drin-genden Fällen von Amts wegen einstweilige Maßnahmen zutreffen. Dies entspricht Artikel 8 Abs. 1 VO 1/2003. DerAnwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich grundsätz-lich auf die Durchsetzung der Vorschriften des Ersten bisFünften Abschnitts des Ersten Teils des Gesetzes, soweitnicht hierzu § 60 Nr. 3 Sonderregelungen enthält. Darüberhinaus erfasst § 32a auch die Durchsetzung der Artikel 81und 82 EG. In den übrigen Fällen, insbesondere im Bereichder Zusammenschlusskontrolle, richtet sich die Befugniszum Erlass einstweiliger Anordnungen nach § 60.

Im Rahmen einstweiliger Maßnahmen nach § 32a kann dieKartellbehörde alle Anordnungen entsprechend § 32 treffen,soweit diese zur Regelung eines einstweiligen Zustandes er-forderlich sind.

Zu Absatz 2

Wie im europäischen Recht (Artikel 8 Abs. 2 VO 1/2003)ist die einstweilige Maßnahme nach Absatz 1 zu befristen.Die Frist ist – ebenfalls wie im europäischen Recht – verlän-gerbar. Über das europäische Vorbild hinausgehend siehtAbsatz 2 im Interesse der betroffenen Unternehmen eineRegelfrist von insgesamt einem Jahr vor. Diese Frist solltenur ausnahmsweise überschritten werden.

Zu § 32bZu Absatz 1

Entsprechend Artikel 9 Abs. 1 VO 1/2003 erhalten die Kar-tellbehörden die Befugnis, zur Abwendung einer Verfügung

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nach § 32 Verpflichtungszusagen der betroffenen Unterneh-men durch Verfügung für bindend zu erklären. Verfügungennach § 32b treffen keine abschließende Aussage der Kartell-behörde darüber, ob ein Kartellrechtsverstoß vorgelegen hatoder noch vorliegt. Sie enden jedoch mit der Feststellung,dass für ein Tätigwerden der Kartellbehörde kein Anlassmehr besteht. Diese hat, wie bei Verfügungen nach § 32c,zum Inhalt, dass die Kartellbehörde vorbehaltlich der inAbsatz 2 aufgezählten Wiederaufnahmegründe von ihrenBefugnissen nach den §§ 32 und 32a keinen Gebrauchmachen wird. Wie im europäischen Recht können Verfü-gungen nach § 32b befristet werden.

Zu Absatz 2

Die Vorschrift regelt die Fälle, in denen eine Wiederauf-nahme des Verfahrens durch die Kartellbehörde möglich ist.Sie geht als spezielle Regelung den allgemeinen Regeln überdie Aufhebung von Verwaltungsakten nach den §§ 48 ff.VwVfG vor.

Zu § 32c

Stellt die Kartellbehörde fest, dass in einem Einzelfall die Vo-raussetzungen für ein Verbot nach den §§ 1, 4, 19 bis 21 oderArtikel 81 Abs. 1 oder Artikel 82 EG nach den ihr vorliegen-den Informationen nicht gegeben sind, so kann sie beschlie-ßen, dass für sie kein Anlass besteht, tätig zu werden. Die Ent-scheidung hat zum Inhalt, dass die Kartellbehörde vorbehalt-lich neuer Erkenntnisse von ihren Befugnissen nach den§§ 32 und 32a keinen Gebrauch machen wird. Die Vorschrifterfasst auch die Fälle, in denen eine nach § 1 oder Artikel 81Abs. 1 EG verbotene Vereinbarung oder Verhaltensweise ge-mäß § 2 oder Artikel 81 Abs. 3 EG freigestellt ist. Diese Re-gelung entspricht Artikel 5 Satz 3 VO 1/2003. Die Kartellbe-hörde trifft eine Entscheidung nach § 32c nach pflichtgemä-ßem Ermessen. Die Entscheidung ergeht in Form einer Ver-fügung (§ 61). Sie ist keine konstitutiv wirkende Freistellungim Sinne des bisherigen Administrativfreistellungsverfah-rens (Satz 3). § 32c stimmt weitgehend mit der Regelung des§ 38 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. VwVfG überein. Nach dieser Vor-schrift kann eine Verwaltungsbehörde das Unterlassen einesVerwaltungsakts zum Gegenstand einer Zusicherung ma-chen. Die Entscheidung nach § 32c enthält in diesem Sinnedie Zusicherung, dass die Kartellbehörde nach dem festge-stellten Sachverhalt keine Verfügungen nach den §§ 32 und32a mehr erlassen wird. Die Verfügung der Kartellbehörde istdabei für Dritte nicht bindend. Ihnen steht beispielsweise derZivilrechtsweg offen. Das Gericht kann aber Verfügungennach § 32c bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung desFalls berücksichtigen.

Zu § 32d

Bereits Artikel 29 Abs. 2 VO 1/2003 sieht die Möglichkeitdes Entzugs des Vorteils einer GVO durch mitgliedstaatli-che Kartellbehörden vor, wenn im Einzelfall die Anwen-dung der GVO im Gebiet eines Mitgliedstaats oder in einemTeilgebiet eines Mitgliedstaats, das alle Merkmale eines ge-sonderten räumlichen Marktes aufweist, zu Ergebnissenführt, die mit Artikel 81 Abs. 3 EG unvereinbar sind. § 32dstellt diese Kompetenz der Kartellbehörden klar. § 32d gehtjedoch darüber hinaus, da auch die Befugnis zum Entzugdes Vorteils einer nach § 2 Abs. 2 entsprechend anwendba-

ren GVO bei Fällen ohne zwischenstaatliche Auswirkungenerteilt wird.

Zu § 32eZu Absatz 1Entsprechend Artikel 17 Abs. 1 VO 1/2003 erhält das Bun-deskartellamt die Befugnis, eine Enqueteuntersuchunghinsichtlich bestimmter Wirtschaftszweige oder – Sektorübergreifend – bestimmter Arten von Vereinbarungendurchzuführen. Voraussetzung für eine derartige Untersu-chung ist nicht ein konkreter Anfangsverdacht eines Versto-ßes gegen die Bestimmungen dieses Gesetzes oder der Arti-kel 81 oder 82 EG. Bereits die Vermutung, dass der Wettbe-werb möglicherweise eingeschränkt oder verfälscht ist,kann Grundlage für eine Enqueteuntersuchung sein.Die redaktionellen Abweichungen vom Text des Artikels 17Abs. 1 VO 1/2003 dienen der besseren Verständlichkeit.Eine inhaltliche Änderung ist nicht bezweckt.

Zu Absatz 2Im Rahmen einer Enqueteuntersuchung kann das Bundes-kartellamt die erforderlichen Ermittlungen durchführen. Diebetreffenden Unternehmen und Unternehmensvereinigun-gen haben auf Verlangen die erforderlichen Auskünfte zuerteilen, insbesondere haben sie das Bundeskartellamt übersämtliche wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Be-schlüsse oder Verhaltensweisen im Sinne des § 1 zu unter-richten. Auch diese Regelung folgt dem europäischen Recht(Artikel 17 Abs. 1, 1. Unterabsatz, Satz 2 und 2. Unterab-satz VO 1/2003).

Zu Absatz 3In Anlehnung an Artikel 17 Abs. 1, 3. Unterabsatz VO 1/2003kann das Bundeskartellamt einen Bericht über die Ergebnisseseiner Untersuchung veröffentlichen und Stellungnahmen in-teressierter Parteien einholen.

Zu Absatz 4Die Vorschrift zählt die Eingriffsbefugnisse des Bundeskar-tellamts im Rahmen einer Enqueteuntersuchung gegenüberbestimmten Unternehmen oder Unternehmensvereinigun-gen auf. Dabei gelten – mit Ausnahme der Vorschrift überdie Beschlagnahme (§ 58) – die §§ 57 bis 62 entsprechend.Die Ermächtigung zur Beschlagnahme bestimmter Gegen-stände wäre im Rahmen einer grundsätzlich verdachts-unabhängigen Enqueteuntersuchung unverhältnismäßig.Die Aufzählung in Absatz 4 schließt weitergehende Ermitt-lungsbefugnisse nicht aus, wenn und soweit hierfür imLaufe einer Enqueteuntersuchung die jeweiligen rechtlichenund tatsächlichen Voraussetzungen vorliegen.

Zu § 33Zu Absatz 1Die Neufassung bezieht zum einen Verstöße gegen die Arti-kel 81 und 82 EG in den Unterlassungsanspruch nach Ab-satz 1 ein. Gleiches gilt für Schadensersatzansprüche nachAbsatz 3. Bislang konnten Ansprüche wegen Verstößen ge-gen das europäische Wettbewerbsrecht nur auf der Grund-lage von § 823 Abs. 2 BGB geltend gemacht werden.

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Die Neufassung stellt ferner ausdrücklich klar, dass beiKartellrechtsverstößen neben Unterlassungsansprüchen imFalle einer Wiederholungsgefahr auch Beseitigungsansprü-che geltend gemacht werden können. Derartige Ansprüchesind im geltenden Recht von der Rechtsprechung aufgrundder analogen Anwendung des § 1004 BGB zuerkannt wor-den.Die Beweislast für den Nachweis eines Verstoßes richtetsich nach den allgemeinen Grundsätzen; danach hat jedePartei die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm zubeweisen. Im Falle von Verstößen gegen das Verbot wett-bewerbsbeschränkender Vereinbarungen (§ 1) ist dahergrundsätzlich der Verstoß von der Partei zu beweisen, diediesen Vorwurf erhebt. Demgegenüber ist etwa das Vorlie-gen der Freistellungsvoraussetzungen (§ 2) von dem Unter-nehmen oder der Unternehmensvereinigung zu beweisen,die sich auf diese Bestimmung beruft. Diese Beweislastver-teilung entspricht auch dem europäischen Recht (Artikel 2VO 1/2003).Im Rahmen dieser Beweislastverteilung kann das Gerichtbei seiner freien Beweiswürdigung nach § 286 ZPO prüfen,ob und inwieweit einer Partei die auch sonst üblichen Be-weiserleichterungen zugute kommen können, etwa in Formeines Anscheinsbeweises.Das Gesetz hält im Grundsatz am Erfordernis einer Schutz-gesetzverletzung als Voraussetzung für Beseitigungs- undUnterlassungsansprüche fest. Gleiches gilt für Schadenser-satzansprüche nach Absatz 3. Jedoch werden bestimmte Be-schränkungen der Anspruchsberechtigung beseitigt, die bis-lang aus dem Schutzgesetzerfordernis abgeleitet wurden. Sofällt nach der bisherigen Rechtsprechung die Marktgegen-seite nur dann in den Schutzbereich des Kartellverbots nach§ 1, wenn sich die Absprache oder ein abgestimmtes Verhal-ten gezielt gegen bestimmte Abnehmer oder Lieferantenrichtete (vgl. BGHZ 86, 324, 330 „Familienzeitschrift“; vgl.auch unlängst LG Mannheim, GRUR 2004, 182 ff. „Vita-minkartell“). Diese Beschränkung auf finale Schädigungenführt im Ergebnis dazu, dass aus der Sicht eines Kartellmit-glieds eine Schadensersatzpflicht je weniger zu befürchtenist, je umfassender die Kartellabsprache angelegt ist.Im Fall zwischenstaatlich relevanter Sachverhalte ist dieseBeschränkung nicht mit dem europäischen Recht vereinbar.Denn nach der Rechtsprechung des EuGH erfordert dievolle Wirksamkeit des europäischen Kartellverbots, dassgrundsätzlich „jedermann“ Ersatz des Schadens verlangenkann, der ihm durch einen Vertrag, der den Wettbewerb be-schränken oder verfälschen kann, oder durch ein entspre-chendes Verhalten entstanden ist (vgl. Urteil vom 20. Sep-tember 2001, Rechtssache C-453/99, Rn. 26 „Courage“).Die Neufassung stellt daher ausdrücklich klar, dass die Arti-kel 81 und 82 EG ebenso wie die Vorschriften des Erstenund Zweiten Abschnitts dieses Gesetzes auch dann demSchutz anderer Marktbeteiligter dienen, wenn sich der Ver-stoß nicht gezielt gegen diese richtet. Diese Klarstellungschließt nicht aus, dass auch andere Vorschriften dieses Ge-setzes außerhalb des Ersten und Zweiten Abschnitts demSchutz anderer Marktbeteiligter dienen können.Zum Kreis der Anspruchsberechtigten können – wie schonnach bestehender Rechtslage – auch Endverbraucher gehö-ren. Die gilt insbesondere dann, wenn eine Kartellabredeauf der letzten Absatzstufe vorliegt.

Ferner sieht die Novelle vor, dass der Anspruch nicht alleindeshalb ausgeschlossen ist, weil der andere Marktbeteiligtean dem Verstoß mitgewirkt hat. Auch dies entspricht derRechtsprechung des EuGH (vgl. Urteil vom 20. September2001, a. a. O., Rn. 36). Soweit in der Vergangenheit Kartell-mitglieder aus dem Schutzbereich des Kartellverbots ausge-nommen wurden (vgl. KG, Urteil vom 7. September 1977,WuW/E OLG 1903, 1905), ist dies in Zukunft nicht mehrmöglich. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung desEuGH kann in solchen Fällen jedoch der Anspruch aus an-deren Gründen ausgeschlossen sein. Insbesondere ist einsolcher Ausschluss möglich, wenn der Anspruchsteller sichandernfalls auf eine eigene rechtswidrige Handlung stützenwürde, um Schadensersatz zu erlangen, und ihn eine erheb-liche Verantwortung an der Wettbewerbsverzerrung trifft(vgl. Urteil vom 20. September 2001, a. a. O., Rn. 36). Imdeutschen Recht kann dieser Gesichtspunkt etwa im Rah-men der Prüfung eines Mitverschuldens des Schädigers eineRolle spielen (§ 254 Abs. 1 BGB).

Zu Absatz 2Absatz 2 sieht die Möglichkeit der Geltendmachung vonBeseitigungs- und Unterlassungsansprüchen durch Ver-bände vor. Hierzu gehören in Anknüpfung an die bisherigeRegelung rechtsfähige Verbände zur Förderung gewerbli-cher oder selbständiger beruflicher Interessen. Neu aufge-nommen werden qualifizierte Einrichtungen, die nachwei-sen, dass sie in die Liste qualifizierter Einrichtungen nach§ 4 Unterlassungsklagengesetz oder in dem Verzeichnis derKommission der Europäischen Gemeinschaft nach Artikel 4der Richtlinie 98/27/EG des Europäischen Parlaments unddes Rates vom 19. Mai 1998 über Unterlassungsklagen zumSchutz der Verbraucherinteressen (ABl. EG Nr. L 166 vom11. Juni 1998; S. 51) eingetragen sind. Dies sind in ersterLinie Verbraucherschutzverbände. Damit wird dem Um-stand Rechnung getragen, dass das Gesetz gegen Wettbe-werbsbeschränkungen durch die Sicherung eines wirksamenWettbewerbs auch die Interessen der Verbraucher schützt.

Zu Absatz 3Die Vorschrift regelt den kartellrechtlichen Schadensersatz-anspruch. Anspruchsbegründende Handlung ist ein Verstoßim Sinne des Absatzes 1. Dementsprechend ist ebenfalls dieVerletzung eines Schutzgesetzes oder einer Schutzverfü-gung Voraussetzung eines Schadensersatzanspruchs. Diemit der Neufassung von Absatz 1 vorgenommene Beseiti-gung von Beschränkungen der Anspruchsberechtigung, diebislang aus dem Schutzgesetzerfordernis abgeleitet wurden,gilt auch für die Geltendmachung von Schadensersatzan-sprüchen. Wie bisher erfordert der Schadensersatzanspruchein Verschulden des Schädigers. Von Bedeutung ist da-bei, dass die Rechtsprechung hohe Anforderungen an einen– die fahrlässige Begehung ausschließenden – unverschul-deten Rechtsirrtum stellt. So ist im Kartellrecht ein Ver-schulden nur dann zu verneinen, wenn der Irrende bei An-wendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit eineranderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnenbrauchte (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 1986 „Taxi-zentrale Essen“, WuW/E BGH 2341, 2344). Unter diesenUmständen empfiehlt es sich für Unternehmen, vor Ab-schluss oder Durchführung von möglicherweise wettbe-werbsbeschränkenden Vereinbarungen oder Verhaltenswei-

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Drucksache 15/3640 – 54 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

sen alle zumutbaren Anstrengungen zu unternehmen, umdie kartellrechtliche Zulässigkeit der beabsichtigten Verein-barung oder Verhaltensweise zu klären. Dabei kommt inZweifelsfällen auch bilateralen Konsultationen mit den zu-ständigen Kartellbehörden eine besondere Bedeutung zu.

Ferner wird in Satz 2 klargestellt, dass bei der Schadens-schätzung nach § 287 ZPO insbesondere der anteiligeGewinn, den das Unternehmen durch den Verstoß erlangthat, berücksichtigt werden kann. Ziel ist insbesondere, dieAnspruchsdurchsetzung in den Fällen zu erleichtern, in de-nen die Ermittlung des hypothetischen Marktpreises alsGrundlage einer Schadensberechnung nach der Differenz-methode mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. DerGewinn errechnet sich dabei grundsätzlich aus den Um-satzerlösen abzüglich der Herstellungskosten der erbrachtenLeistungen sowie abzüglich angefallener Betriebskosten.Gemeinkosten oder sonstige betriebliche Aufwendungen,die auch ohne das wettbewerbswidrige Verhalten angefallenwären, sind nicht abzugsfähig. Im Falle mehrerer Geschä-digter kann nur der anteilige Gewinn berücksichtigt werden.Die Höhe des Anteils bestimmt sich nach dem Gewinn ausdem Kartellrechtsverstoß gegenüber dem Geschädigtenbzw. aus den Folgeverträgen mit ihm.

Für Schadensersatzansprüche, die in Geld zu leisten sind,wird in Satz 3 eine Verzinsungspflicht ab Schadenseintritteingeführt. Dies trägt dem Umstand Rechnung, dass der Ge-schädigte häufig erst lange nach dem Kartellverstoß seinenAnspruch geltend machen und dadurch eine Zinspflicht nachden allgemeinen Regeln auslösen kann. In aller Regel wirdder Geschädigte, soweit er den Kartellverstoß nicht selbstaufklären und beweisen kann, zunächst die Entscheidung derKartellbehörde abwarten müssen. Dabei kommen ihm dieRegelungen der Absätze 4 und 5 zugute. Es bleibt aber derUmstand, dass der Anspruch des Geschädigten durch diezum Teil lange Dauer der kartellbehördlichen Verfahren teil-weise entwertet wird. Dies soll durch die Verzinsungspflichtab Schadenseintritt ausgeglichen werden. Zugleich wird da-durch sichergestellt, dass der Schädiger durch die zum Teillange Dauer von kartellbehördlichen Ermittlungen keinenVorteil erzielt. Dies dient ebenfalls dem Zweck einer Verstär-kung des Abschreckungscharakters von zivilrechtlichenSchadensersatzansprüchen. Eventuell weitergehende Zins-ansprüche aus anderen Rechtsgrundlagen bleiben unberührt.

Bei der Erarbeitung des Regierungsentwurfs wurde auch ge-prüft, ob eine gesetzliche Klarstellung aufgenommen wer-den soll, dass ein geschädigter Abnehmer einer Ware oderDienstleistung auch dann Schadensersatz verlangen kann,wenn er die überhöhten Einstandskosten seinerseits an einenAbnehmer weiterreichen konnte. Dies entspräche denGrundsätzen im US-Recht zur sog. passing-on-defence. DiePrüfung ergab, dass eine gesetzliche Klarstellung nicht not-wendig erscheint, da im deutschen Recht anerkannt ist, dasseine Vorteilsausgleichung nur unter engen Voraussetzungengerechtfertigt ist. Sie setzt voraus, dass zwischen dem schä-digenden Ereignis und dem Vorteil beim zunächst Geschä-digten ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, die An-rechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht undden Schädiger nicht unbillig entlastet (BGHZ 136, 52, 54).Die herrschende Meinung im kartellrechtlichen Schrifttumvertritt bereits jetzt die Auffassung, dass eine Vorteilsaus-gleichung im Fall einer Abwälzung des Schadens auf Dritte

nicht in Betracht komme (Emmerich in Immenga/Mest-mäcker, Kommentar zum GWB, 3. Aufl. § 33 Rn. 40;Hempel, WuW 2004, 364 m. w. N.). Es kann deshalb daraufvertraut werden, dass die Rechtsprechung dieses Problembefriedigend lösen wird.

Zu Absatz 4

Mit der Vorschrift wird eine Tatbestandswirkung für sog.Follow-on-Klagen eingeführt. Macht ein Geschädigter in-folge eines Verstoßes gegen eine Vorschrift dieses Gesetzesoder Artikel 81 oder 82 EG Schadensersatz geltend, so istdas Gericht zugunsten des Geschädigten an die Annahmeeines Verstoßes gebunden, wenn ein derartiger Verstoßdurch eine bestandskräftige Entscheidung der Kartell-behörde oder der Wettbewerbsbehörde eines anderenEG-Mitgliedstaats oder eine rechtskräftige Entscheidungeines Gerichts in einem EG-Mitgliedstaat festgestellt ist.Die Tatbestandswirkung bezieht sich nur auf bestandskräf-tige verwaltungs- oder bußgeldrechtliche Entscheidungen.Dies sind in der Regel Entscheidungen deutscher Kartell-behörden, der Kommission oder von Wettbewerbsbehördenanderer EG-Mitgliedstaaten. Erfasst sind aber auch die ineinigen Mitgliedstaaten vorgesehenen verwaltungs- oderbußgeldrechtlichen Erstentscheidungen von Gerichten. DieBindungswirkung bezieht sich auch auf rechtskräftigeGerichtsentscheidungen, die infolge der Anfechtung vonverwaltungs- oder bußgeldrechtlichen Erstentscheidungenergangen sind. Verwaltungs- und Bußgeldentscheidungender Kommission sind in Zivilprozessen bereits im Rahmendes Artikels 16 Abs. 1 VO 1/2003 von den Gerichten zu be-achten. Absatz 4 hat insoweit nur klarstellende Bedeutung.Die Tatbestandswirkung bezieht sich allein auf die Feststel-lung eines Kartellrechtsverstoßes. Alle weiteren Fragen,insbesondere zur Schadenskausalität und zur Schadens-bezifferung, unterliegen der freien Beweiswürdigung desGerichts.

Die Tatbestandswirkung reicht nur so weit, wie die Wirkungder Entscheidung der Wettbewerbsbehörde insbesondere inräumlicher Hinsicht. Die Bindungswirkung erfasst jeweilsnur Wettbewerbsbeschränkungen, die Auswirkungen imGebiet der Wettbewerbsbehörden haben. Außerdem be-schränkt sich die Bindungswirkung auf die Feststellungeines Wettbewerbsverstoßes. Entscheidungen ausländischerWettbewerbsbehörden haben daher z. B. keine Bindungswir-kung hinsichtlich des in Deutschland entstandenen Scha-dens.

Für Straf- oder Bußgeldverfahren bleibt es hingegen bei demallgemeinen Untersuchungsgrundsatz und der Unschulds-vermutung; eine Bindungswirkung besteht hier nicht. Satz 3stellt klar, dass die Bindungswirkung nach den Sätzen 1und 2 die Rechte und Pflichten der Gerichte zur Vorlage ent-scheidungserheblicher Rechtsfragen an den EuropäischenGerichtshof nach Artikel 234 EG nicht ausschließt. Für Ver-waltungs- und Geldbußenentscheidungen der Kommissionergibt sich dies bereits aus der unmittelbaren Anwendungvon Artikel 16 Abs. 1 Satz 4 VO 1/2003. Insoweit bekräftigtSatz 3 nur das europäische Recht. Für bestandskräftige Ent-scheidungen sonstiger Kartellbehörden oder rechtskräftigeGerichtsentscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat derEuropäischen Gemeinschaft gilt dies entsprechend.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 55 – Drucksache 15/3640

Zu Absatz 5Um die Durchsetzbarkeit kartellrechtlicher Schadensersatz-ansprüche zu sichern, ist die Verjährung dieser Ansprüchegehemmt, wenn die Kartellbehörde wegen eines Verstoßesim Sinne des Absatzes 1 oder die Kommission oder dieWettbewerbsbehörde eines anderen EG-Mitgliedstaateswegen eines Verstoßes gegen Artikel 81 oder 82 EG einVerfahren einleitet. Damit soll erreicht werden, dass indivi-duell Geschädigte tatsächlich in den Genuss der Tatbe-standswirkung nach Absatz 4 kommen können und zivil-rechtliche Schadensersatzansprüche beispielsweise nachAblauf eines langwierigen Bußgeldverfahrens nicht bereitsverjährt sind.

Zu § 34Zu Absatz 1Die Neufassung erweitert die bisherige Mehrerlösabschöp-fung zu einem Instrument zur Abschöpfung des gesamten,durch den Kartellrechtsverstoß erlangten wirtschaftlichenVorteils. Bislang galt § 34 im Wesentlichen für den sehr sel-tenen Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Verfügung derKartellbehörde. Künftig erfasst § 34 alle Verstöße gegenVorschriften des deutschen oder europäischen Wettbewerbs-rechts. Hingegen kommt es nicht auf die weiteren An-spruchsvoraussetzungen des § 33 an, insbesondere nicht aufdie Frage, ob die verletzte Vorschrift ein Schutzgesetz fürDritte darstellt.§ 34 hält wie bisher am Verschuldenserfordernis fest. Eshandelt sich gleichwohl um ein verwaltungsrechtliches undnicht um ein straf- oder bußgeldrechtliches Instrument.Durch die Vorteilsabschöpfung soll allein sichergestelltwerden, dass die durch den Kartellrechtsverstoß erlangtenwirtschaftlichen Vorteile nicht beim Täter verbleiben.Für die Definition des wirtschaftlichen Vorteils sind die zu§ 17 Abs. 4 OWiG entwickelten Rechtsgrundsätze ent-sprechend heranzuziehen. Dies bedeutet, dass nicht nur einin Geld bestehender Gewinn zu berücksichtigen ist, son-dern auch ein sonstiger wirtschaftlicher Vorteil, wie z. B.eine Verbesserung der Marktposition des Täters durch dieAusschaltung oder Zurückdrängung von Wettbewerbern.Der wirtschaftliche Vorteil ist im Vergleich zu der vermö-gensrechtlichen Gesamtsituation des Betroffenen zu er-rechnen, wie sie sich durch die Zuwiderhandlung ergebenhat und ohne diese für ihn eingetreten wäre (Saldierungs-grundsatz).

Zu Absatz 2Die Vorteilsabschöpfung ist gegenüber individuellen Scha-densersatzansprüchen Dritter, ebenso wie gegenüber Geld-bußen, wenn durch diese der wirtschaftliche Vorteil abge-schöpft wird, subsidiär. Gleiches gilt für die Anordnung desVerfalls. Eine Verfallsanordnung kommt im Wesentlichennur unter den Voraussetzungen des § 29a OWiG in Betracht,ausnahmsweise jedoch auch nach § 73 Abs. 3, § 73a StGB,wenn zugleich eine Straftat verübt wurde und § 73 Abs. 1Satz 2 StGB nicht greift. Derartige Leistungen sind auf dieErmittlung des wirtschaftlichen Vorteils anzurechnen bzw.bei bereits erfolgten Zahlungen nach Satz 2 zurückzuerstat-ten. Die Neuregelung in Absatz 2 macht die Vorschrift desbisherigen Absatzes 4 über das Verhältnis zwischen Mehr-

erlösabschöpfung und rechtskräftig festgestellten Schadens-ersatzansprüchen entbehrlich. Diese Vorschrift wird daheraufgehoben.

Zu Absatz 3Die Regelung entspricht der Vorschrift des bisherigen § 34Abs. 2. Sie ist Ausdruck des allgemeinen Verhältnismäßig-keitsgrundsatzes, der auch bei der Vorteilsabschöpfung An-wendung findet. Sollte die Vorteilsabschöpfung in Einzel-fällen zu unbilligen Ergebnissen führen oder ist der erzielteVorteil gering, soll die Abschöpfung ganz oder teilweise un-terbleiben.

Zu Absatz 4Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 34 Abs. 3.

Zu Absatz 5Eine Vorteilsabschöpfung kann zukünftig nur für einenZeitraum von bis zu 5 Jahren seit Beendigung der Zuwi-derhandlung und längstens für einen Zeitraum von 5 Jah-ren angeordnet werden. Entsprechend der Regelung zurUnterbrechung der Verjährung bei Bußgeldverfahren hem-men Ermittlungshandlungen der Kommission oder vonWettbewerbsbehörden anderer EG-Mitgliedstaaten die Ver-jährung.

Zu § 34aZu Absatz 1Absatz 1 regelt die Anspruchsgrundlage für die Vorteilsab-schöpfung durch Verbände und qualifizierte Einrichtungennach § 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2. Der Anspruch ist subsidiär ge-genüber der Anordnung der Abschöpfung des wirtschaftli-chen Vorteils durch die Kartellbehörde nach § 34, durchVerhängung einer Geldbuße oder durch Verfall. Der Begriffder Anordnung meint die Bekanntgabe des jeweiligen Be-scheides. Mit dieser Bekanntgabe geht ein Anspruch derVerbände und Einrichtungen nach § 34a unter. Bevor einVerband oder eine Einrichtung Ansprüche auf Vorteilsab-schöpfung geltend macht, empfiehlt sich somit eine Erkun-digung bei der zuständigen Kartellbehörde, ob diese eineigenes Verfahren zur Vorteilsabschöpfung eingeleitet hatoder einzuleiten beabsichtigt.§ 34a ist bei allen Verstößen gegen deutsches und europäi-sches Wettbewerbsrecht anwendbar. Wie bei § 34 ist insbe-sondere eine Schutzgesetzverletzung nicht erforderlich.Der Tatbestand setzt – wie der neue § 10 UWG in der vomBundestag beschlossenen Fassung – die vorsätzliche Bege-hung einer Zuwiderhandlung im Sinne des § 34 voraus. Prak-tisch relevant ist die Vorteilsabschöpfung daher vor allem beiVerstößen gegen wettbewerbsrechtliche Kernbeschränkun-gen (sog. Hard-core-Fälle), bei denen vorsätzliches Handelnder beteiligten Unternehmen in der Regel evident ist.Durch die kartellrechtswidrige Handlung muss der Zuwi-derhandelnde einen wirtschaftlichen Vorteil zu Lasten einerVielzahl von Abnehmern erhalten haben. Dadurch wirddeutlich, dass sich die Vorteilsabschöpfung nur gegen be-sonders gefährliche kartellrechtswidrige Handlungen rich-tet, nämlich solche mit Breitenwirkung, die tendenziell einegrößere Anzahl von Marktteilnehmern betreffen. In diesen

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Drucksache 15/3640 – 56 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Fällen erscheint es zur Verstärkung der Abschreckungswir-kung gerechtfertigt, dass Verbände den wirtschaftlichenVorteil aus derartigen besonders gefährlichen kartellrechts-widrigen Handlungen abschöpfen können.

Abnehmer im Sinne des Absatzes 1 sind nicht nur die un-mittelbaren Abnehmer, sondern alle potentiell geschädigtenAbnehmer bis hin zum Endabnehmer. Gemeinsames Zielder §§ 34 und 34a ist die Abschöpfung des wirtschaftlichenVorteils des Zuwiderhandelnden, unabhängig davon, aufwelcher Marktstufe durch die Zuwiderhandlung der korres-pondierende wirtschaftliche Nachteil eingetreten ist. DerBegriff des Abnehmers in Absatz 1 ist daher im Lichte desspezifischen Regelungsziels von § 34a auszulegen.

Allerdings kann die Kartellbehörde den wirtschaftlichenVorteil nach § 34 auch dann abschöpfen, wenn ein korres-pondierender wirtschaftlicher Nachteil durch die Zuwider-handlung bei nur einem oder wenigen Marktbeteiligten ent-standen ist. Demgegenüber ist § 34a auf Streuschäden mitBreitenwirkung beschränkt.

Aktiv legitimiert sind die in § 33 Abs. 2 Nr. 1 und 2 genann-ten Verbände. Auch dies entspricht dem vorgesehenenneuen § 10 UWG.

Die Höhe des Anspruchs bemisst sich nach dem durch denWettbewerbsverstoß auf Kosten der Abnehmer erzieltenwirtschaftlichen Vorteil. Wie im Rahmen des § 34 sind hier-bei die Grundsätze des § 17 Abs. 4 OWiG entsprechend an-zuwenden. Der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils ist inden §§ 34 und 34a gleich auszulegen. Ist die Höhe des wirt-schaftlichen Vorteils streitig, kann dieser nach § 287 ZPOgeschätzt werden.

Der Anspruch richtet sich, wie im Fall des vorgesehenenneuen § 10 UWG, nicht auf Zahlung der Geldsumme an denanspruchstellenden Verband. Vielmehr ist Inhalt des An-spruchs die Herausgabe des Vorteils unmittelbar an denBundeshaushalt.

Zu Absatz 2

Satz 1 regelt das Verhältnis der Vorteilsabschöpfung zu indi-viduellen Ersatzansprüchen. Der Anspruch mindert sich umdiejenigen Leistungen, die der Zuwiderhandelnde als Aus-gleich für den Kartellverstoß erbracht hat. Daraus folgt, dassdie Befriedigung individueller Ersatzansprüche Vorrang hat.Soweit der Geschädigte selbst einen Ausgleich erhält,besteht kein Bedürfnis mehr für eine Geltendmachung derAnsprüche durch Verbände. Deshalb sind insbesondere dienach § 33 erbrachten Schadensersatzleistungen bei der Be-rechnung des wirtschaftlichen Vorteils abzuziehen. Gleichesgilt für die Befriedigung sonstiger individueller Ersatzan-sprüche. Der Anspruch wird nicht gemindert durch Kosten,die der Schädiger für aufgrund der Zuwiderhandlung ge-führte Rechtsstreitigkeiten aufgewendet hat. Ansonstenhätte der Zuwiderhandelnde einen Anreiz, sich auf kosten-trächtige Prozesse einzulassen.

Satz 2 berücksichtigt die Fallkonstellation, dass das Unter-nehmen nach erfolgter Erfüllung des Vorteilsabschöpfungs-anspruchs individuelle Ansprüche befriedigt. Da es nicht da-rauf ankommen kann, in welcher Reihenfolge die Ansprüchegestellt werden, ist konsequenterweise der abgeführte Vorteilin Höhe der nach Abführung geleisteten Zahlungen auf diese

Forderungen herauszugeben. § 34 Abs. 2 Satz 2 gilt insoweitentsprechend. Im Rahmen der Zwangsvollstreckung kanndies über § 767 ZPO geltend gemacht werden.

Zu Absatz 3

Für den Fall, dass mehrere Berechtigte den Anspruch gel-tend machen, gelten die Vorschriften des BGB zur Gesamt-gläubigerschaft entsprechend.

Zu Absatz 4

Absatz 4 entspricht der Regelung im vorgesehenen neuen§ 10 Abs. 4 UWG. Nach Satz 1 haben die Verbände demBundeskartellamt über die Geltendmachung von Ansprü-chen nach Absatz 1 Auskunft zu erteilen. Nach Satz 2 be-steht ein subsidiärer Aufwendungsersatzanspruch gegen-über dem Bundeskartellamt, soweit die Verbände vomSchuldner keinen Ausgleich erlangen können. Entsprechenddem vorgesehenen neuen § 10 Abs. 4 Satz 3 UWG ist derErstattungsanspruch auf die Höhe des an den Bundeshaus-halt abgeführten Vorteils beschränkt. Andernfalls würde dieGeltendmachung von Ansprüchen nach § 34a durch Ver-bände und Einrichtungen zu einer Belastung des Bundes-haushalts führen.

Zu Absatz 5

Für die Tatbestandswirkung kartellbehördlicher und kartell-gerichtlicher Entscheidungen sieht Absatz 5 die entspre-chende Anwendung von § 33 Abs. 4 vor. Für die Hemmungder Verjährung findet § 33 Abs. 5 entsprechende Anwen-dung.

Zu Nummer 20 (§ 35 Abs. 2 Satz 2)

Entsprechend den allgemeinen Regeln der Fusionskontrollewird auch bei Presseunternehmen eine Bagatellschwelleeingeführt, unterhalb derer die Fusionskontrolle nicht ein-greift. Damit wird sehr kleinen Presseunternehmen die volleVerwertung der in ihnen steckenden Vermögenswerte er-möglicht. Um den häufig lokalen und regionalen Auswir-kungen im Pressebereich gerecht zu werden, ist diese Baga-tellschwelle allerdings unter Berücksichtigung einer presse-spezifischen Umsatzberechnung festzulegen. Abweichendvon der allgemeinen Regel des § 38 Abs. 3, wonach sich fürdie Bagatellklausel eine Umsatzschwelle von 1 Mio. Euroergeben würde, wird eine Schwelle von 2 Mio. Euro festge-legt, da die Vorschrift andernfalls weitgehend leer laufenwürde.

Zu Nummer 21 (§ 36)

Zu Absatz 1a

§ 36 wird um eine besondere Ausnahmeregelung für Zei-tungsverlage erweitert. Der neu eingefügte Absatz 1a trägtder Zielsetzung Rechnung, die Verbreiterung der wirtschaft-lichen Basis von Zeitungsunternehmen durch Zusammen-schlüsse zu ermöglichen. Nach heutigem Recht scheitertdies im Fall der Entstehung oder Verstärkung marktbeherr-schender Stellungen. Künftig sollen auch in diesem FallZusammenschlüsse möglich sein, wenn im Rahmen desZusammenschlusses die publizistische Vielfalt erhaltenbleibt.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 57 – Drucksache 15/3640

Satz 1 benennt die Voraussetzungen für diese Ausnahme-regelung. Danach ist ein Zusammenschluss von Zeitungs-unternehmen trotz Vorliegens der Untersagungsvorausset-zungen dann nicht zu untersagen, wenn Vorkehrungen ge-troffen sind, dass die erworbene Zeitung langfristig nebender erwerbenden mit ihren redaktionellen Ausgaben alseigenständige redaktionelle Einheit erhalten bleibt. Demliegt die Erwartung zugrunde, dass durch die Ausschöpfungverlagswirtschaftlicher Synergiepotentiale die wirtschaftli-che Basis der betroffenen Zeitungen verbreitert und damitdie Grundlage für die Fortführung der erworbenen und dererwerbenden Zeitungen als voneinander unabhängigeredaktionelle Einheiten geschaffen wird. Gleichzeitig wirdsichergestellt, dass auch die verschiedenen redaktionellenAusgaben der betroffenen Zeitungen fortgeführt werden.Diese stehen für die publizistische Vielfalt auf lokalerEbene.

Die Fortführung der Zeitungen und ihrer redaktionellenAusgaben kann nur im Rahmen eines für die beteiligtenZeitungsunternehmen verlagswirtschaftlich sinnvollen Un-ternehmenskonzeptes gefordert werden. Deshalb sindim Rahmen der Vorkehrungen Wirtschaftlichkeitsklauselndenkbar und möglich, die die langfristige Fortführung derbetroffenen Zeitungen oder ihrer redaktionellen Ausgabenunter bestimmte Ergebnisvorbehalte, wie z. B. zurechenbareVerluste in mehreren Folgejahren, stellen. Damit kann ver-mieden werden, dass die Verpflichtungen, die eingegangenwerden müssen, um die Regelungen dieser Vorschrift nut-zen zu können, nicht in späterer Konsequenz dazu führen,dass die wirtschaftliche Basis der betroffenen Verlagsunter-nehmen insgesamt infrage gestellt wird.

Um die Anforderungen des Satzes 1 zu erfüllen, hat der Er-werber mit dem Veräußerer oder einem unabhängigen Drit-ten vertragliche Vereinbarungen zu treffen, durch die dieverbleibenden bzw. neu eingeräumten Rechtspositionen de-finiert und abgesichert werden. Satz 1 fasst diese Regelun-gen, die als strukturelle Elemente die Erhaltung der beteilig-ten Zeitungen und Zeitungsausgaben als eigenständige re-daktionelle Einheiten gewährleisten, unter dem Begriff„Vorkehrungen“ zusammen.

Satz 2 benennt in Form einer widerleglichen Vermutungsolche Regelungen, bei denen eine hohe Wahrscheinlich-keit besteht, dass sie den Anforderungen des Satzes 1 ge-nügen. Unter Nummer 1 wird zum einen festgelegt, dasseiner(m) vom Erwerber wirtschaftlich unabhängigen Per-son oder Unternehmen ein Stimmrechts- und Kapitalanteilvon mehr als 25 % an dem erworbenen Unternehmen ein-geräumt werden muss, um ihr (ihm) bereits durch dieseBeteiligung als solche sowohl gewisse Rechte zu vermit-teln als auch ein wirtschaftliches Eigeninteresse zu begrün-den. Stimmrechts- und Anteilsinhaber kann sowohl derVeräußerer (Altverleger) als auch ein unabhängiger Drittersein. Die Unabhängigkeit wird dabei nach wettbewerbli-chen Kriterien bemessen. Eine Abhängigkeit liegt vor,wenn der Erwerber im Sinne des § 37 Abs. 1 Nr. 4 einenwettbewerblich erheblichen Einfluss oder darüber hinaus-gehende Einflussmöglichkeiten hat. Nach Nummer 2 mussdem Veräußerer oder unabhängigen Dritten außerdem dasTitelrecht für die erworbene Zeitung gehören. Nach Num-mer 3 muss ferner sichergestellt sein, dass der Veräußereroder Dritte die wesentlichen Entscheidungen mitbestim-

men kann, die für die Erhaltung der erworbenen Zeitungneben der erwerbenden mit ihren redaktionellen Ausgabenals eigenständige redaktionelle Einheit maßgeblich sind.Dabei ist auf die Festlegung eines genau umschriebenenKanons von Mitbestimmungs- oder Vetorechten zugunsteneiner zielorientierten Formulierung, die den beteiligtenUnternehmen und dem Bundeskartellamt ausreichendSpielraum belässt, um den Besonderheiten des EinzelfallsRechnung zu tragen, verzichtet worden. Unter Buchstabena bis c werden nicht abschließend Entscheidungen ge-nannt, für die solche Rechte mindestens einzuräumen sind.Dazu zählen die Änderung der redaktionellen Grundhal-tung der erworbenen Zeitung (Buchstabe a), die Bestel-lung oder Abberufung von Mitgliedern der Chefredaktionder erworbenen Zeitung (Buchstabe b) und die Einstellungder Zeitungen oder ihrer redaktionellen Ausgaben (Buch-stabe c). Nach Buchstabe c müssen Mitbestimmungs- oderVetorechte auch im Hinblick auf die erwerbende Zeitungeingeräumt werden. Diese Regelung soll Missbräuche ver-hindern, die darin bestehen könnten, dass – abweichendvon der als Normalfall zu erwartenden Konstellation – dieerwerbende Zeitung kurzfristig nach dem durch dieseVorschrift freigestellten Zusammenschluss eingestellt unddamit der Zweck des § 36 Abs. 1a konterkariert würde. DieBuchstaben a bis c müssen kumulativ erfüllt sein.

Die Regelungen in den Sätzen 1 und 2 orientieren sich aus-schließlich an den Auswirkungen eines Zusammenschlussesauf den betroffenen Lesermärkten. Auswirkungen auf denbetroffenen Anzeigenmärkten bleiben bei Vorliegen derAnforderungen des Satzes 1 außer Betracht.

Satz 3 dient der Absicherung der zwischen Erwerber unddem Veräußerer/Dritten getroffenen Vereinbarungen. Da-nach haben die Vertragsparteien die Einhaltung der nachSatz 1 erforderlichen Vorkehrungen durch eine für die betei-ligten Unternehmen zivilrechtlich durchsetzbare Vereinba-rung zu gewährleisten.

Satz 4 schreibt vor, dass die getroffenen Vereinbarungen alsBedingungen und Auflagen Bestandteil der Freigabeent-scheidung werden. Damit wird auch die Transparenz der ge-troffenen Vorkehrungen für Dritte sichergestellt. Durch dieAuflagen und Bedingungen müssen nur der Abschluss unddie Aufrechterhaltung der Vereinbarung der Kontrolle desBundeskartellamtes unterworfen werden, nicht jedoch ihreEinhaltung.

Satz 5 benennt als Ausnahme davon die Einstellung der er-worbenen oder der erwerbenden Zeitung oder ihrer jeweili-gen redaktionellen Ausgaben. In diesem Fall ist auch dieEinhaltung der Vorkehrungen durch das Bundeskartellamtzu überwachen. Auch hier ist jedoch keine Verhaltenskon-trolle durch das Bundeskartellamt erforderlich. Dieses wirdim Fall einer von dem Erwerber und dem Veräußerer/unab-hängigen Dritten einvernehmlich beschlossenen Einstellungeiner Zeitung oder redaktionellen Ausgabe zu prüfen haben,ob die im Rahmen der Vorkehrungen hinsichtlich der Ein-stellung getroffenen Vereinbarungen (z. B. Wirtschaftlich-keitsklauseln) eingehalten wurden.

Satz 6 stellt klar, dass in dem Fall eines Zusammenschlussesgemäß § 37 Abs. 1 Nr. 4 anstelle des Erwerbers auf das Un-ternehmen abzustellen ist, das einen wettbewerblich erheb-

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Drucksache 15/3640 – 58 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

lichen Einfluss auf das erworbene Unternehmen ausübenkann.

Zu Absatz 1b

Die Regelungen dieses Absatzes sollen mögliche Missbräu-che der neuen Ausnahmeregelung in Absatz 1a verhindernund damit ihren Anwendungsbereich begrenzen. Anknüp-fend an die Zielsetzung der Neuregelung der pressespezifi-schen Vorschriften des GWB insgesamt soll die Ausnahme-regelung des Absatzes 1a nur dann anwendbar sein, wenndie wirtschaftliche Situation der beteiligten Zeitungen diesrechtfertigt und die wiederholte Nutzung dieser Optionnicht zu einer regionalen Kumulierung von Marktmachtführt.

Absatz 1b schließt dementsprechend die Anwendung desAbsatzes 1a zunächst unter Nummer 1 für den Fall aus, dassder Zusammenschluss für die langfristige Sicherung derwirtschaftlichen Grundlage der erworbenen oder erwerben-den Zeitung mit ihren jeweiligen redaktionellen Ausgabenals eigenständige redaktionelle Einheit nicht erforderlich ist.Dabei ist ausschließlich auf die wirtschaftliche Situation derjeweiligen Zeitung, nicht aber auf die des Verlagsunterneh-mens insgesamt, abzustellen. Die Erforderlichkeit wird ver-mutet, wenn in den letzten drei abgeschlossenen Geschäfts-jahren vor Anmeldung des Zusammenschlusses die dererworbenen oder erwerbenden Zeitung jeweils insgesamtzuzurechnenden Anzeigen- und Beilagenerlöse pro Monats-stück jeweils rückläufig waren oder erheblich unter demDurchschnitt vergleichbarer Zeitungen lagen. Die Anzei-gen-/Beilagenerlöse pro Monatsstück sind eine branchen-weit übliche, anerkannte und leicht zu ermittelnde Kennzif-fer. Diese wird definiert als Anzeigen-/Beilagenjahreserlösegeteilt durch durchschnittliche Auflage, geteilt durch zwölfMonate. Ist diese Kennzahl über einen längeren Zeitraumrückläufig oder gegenüber vergleichbaren Zeitungen signi-fikant unterdurchschnittlich, ist dieses ein Indikator für einebereits eingetretene oder sich deutlich abzeichnende wirt-schaftliche Problemlage einer Zeitung. Der Ausweis einesnegativen betriebswirtschaftlichen Ergebnisses, d. h. einesVerlustes je Zeitung, ist damit nicht notwendigerweise ver-bunden. Werden jedoch über einen vergleichbaren ZeitraumVerluste erwirtschaftet, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit da-von auszugehen, dass die Erforderlichkeit gegeben ist. DieDaten „vergleichbarer Zeitungen“ können entweder öffent-lich zugänglichen Statistiken, wie z. B. der jährlichen Erhe-bung des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverlegere. V., entnommen werden oder sind vom Bundeskartellamtzu ermitteln. Für die Vergleichbarkeit ist vor allem auf Auf-lagen ähnlicher Höhe abzustellen.

Durch Nummer 2 wird die Anwendung des Absatzes 1a fürden Fall ausgeschlossen, dass die wiederholte, zeitlich engaufeinander folgende Anwendung des Absatzes 1a zur Be-gründung oder Verstärkung marktbeherrschender Stellungenderselben Unternehmen auf räumlich benachbarten Märktenführt. Diese Regelung soll die Bildung regionaler Zeitungs-ketten als Strategie von Verlagsunternehmen dann ausschlie-ßen, wenn die Ausnahmeregelung des Absatzes 1a zu ihrerUmsetzung genutzt wird. Dementsprechend ist der Begriff„derselben Unternehmen“ weit auszulegen. Er umfasst alleUnternehmen, die als verbundene Unternehmen im Sinne desAbsatzes 2 anzusehen sind. Bei der Prüfung des Kumulie-

rungsgrades marktbeherrschender Stellungen auf räumlichbenachbarten Märkten wird das Bundeskartellamt auch die-jenigen Märkte einzubeziehen haben, auf denen der Erwerberauch ohne Nutzung der Regelungen des Absatzes 1a bereitseine marktbeherrschende Stellung erlangt hat.

Zu Nummer 22 (§ 38 Abs. 3)Um die Handlungsspielräume von Presseunternehmen zuerweitern, wird der Multiplikator für die Berechnung vonUmsätzen, die mit Verlag, Herstellung und Vertrieb von Zei-tungen, Zeitschriften oder deren Bestandteilen erzielt wer-den, auf zehn herabgesetzt. Damit werden die Schwellen-werte, oberhalb derer das Bundeskartellamt Zusammen-schlüsse prüft, entsprechend erhöht. So ist die Fusionskon-trolle in diesem Bereich zukünftig erst ab einem weltweitenUmsatz der beteiligten Unternehmen von 50 Mio. Euroanwendbar. Dies entspricht der Schwelle, die bis zur6. GWB-Novelle 1998 für die präventive Fusionskontrolle,der in der Praxis entscheidende Bedeutung zukommt, fürZusammenschlüsse im Pressebereich gegolten hat.Durch die Veränderung des Multiplikators wird zudem dieBagatellmarktschwelle in § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 von750 000 Euro auf 1,5 Mio. Euro angehoben. Hinsichtlichder Bagatellschwelle in § 35 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 gilt dieSonderregelung in § 35 Abs. 2 Satz 2 (s. Nummer 20).

Zu Nummer 23 (§ 39)Zu Buchstabe a (Absatz 3)Da nach § 54 Abs. 4 in den Fällen des Erwerbs eines we-sentlichen Vermögensteils sowie bei einem Anteilserwerbauch der Veräußerer am Verfahren beteiligt ist, müssen die-sem auch die entscheidungserheblichen Dokumente imRahmen des rechtlichen Gehörs sowie die Verfügungen desBundeskartellamts fristgerecht zugestellt werden. Daher istdie pflichtgemäße Angabe der Firma oder sonstigen Be-zeichnung, des Ortes und einer zustellungsbevollmächtigtenPerson im Inland, sofern das Unternehmen seinen Sitz imAusland hat, auch für den Veräußerer geboten.

Zu Buchstabe b (Absatz 4 Satz 2)Die beteiligten Unternehmen sind in Verweisungsfällennach Artikel 9 der Fusionskontrollverordnung über das Vor-liegen der erforderlichen Angaben in deutscher Sprache zuunterrichten. Damit können sie besser erkennen, ob die Fristdurch den Eingang der Verweisungsentscheidung beimBundeskartellamt zu laufen begonnen hat oder welche An-gaben sie noch nachliefern müssen.

Zu Buchstabe c (Absatz 6)Es ist sachgerecht, dass nur die an dem Zusammenschlussbeteiligten Unternehmen den Vollzug anzuzeigen haben.

Zu Nummer 24 (§ 40)Zu Buchstabe a (Absatz 2)Zu Doppelbuchstabe aaDie geltende Vorschrift, dass die Verfügung allen Verfah-rensbeteiligten innerhalb der Frist zugestellt werden muss,führt zu praktischen Schwierigkeiten speziell in Verfahren

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 59 – Drucksache 15/3640

mit sehr vielen Beteiligten, da nicht nur die Entscheidungselbst, sondern auch die Zustellung in allen Fällen innerhalbder Frist erfolgen muss. Künftig soll die Freigabefiktion nurdann eingreifen, wenn das Bundeskartellamt es versäumt,den anmeldenden Unternehmen die Verfügung fristgemäßzuzustellen. Damit wird der Aufwand deutlich reduziert undgleichzeitig verhindert, dass eine Verfügung nur deshalbaufgehoben wird, weil sie z. B. einem Beigeladenen nichtinnerhalb der Frist zugestellt wurde.

Zu Doppelbuchstabe bbDamit die Verfahrensbeteiligten beurteilen können, ob dieFreigabefiktion nach Satz 2 eingetreten ist und wann dieRechtsmittelfrist gegen Abschlussverfügungen des Bundes-kartellamts zu laufen beginnt, sind alle Verfahrensbeteilig-ten unverzüglich über den Zeitpunkt der Zustellung der Ver-fügung zu unterrichten. Maßgeblich ist dabei der Zeitpunktder letzten Zustellung an ein anmeldendes Unternehmennach Satz 2.

Zu Doppelbuchstabe ccEs handelt sich um die Bereinigung eines Redaktionsver-sehens.

Zu Buchstabe b (Absatz 3)Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 12.

Zu Buchstabe c (Absatz 3a)Absatz 3a übernimmt im Wesentlichen inhaltsgleich die Re-gelung des bisherigen § 12 Abs. 2. Die Sanktionen bei Ver-stößen ergeben sich durch den Verweis auf § 41 Abs. 4.Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist ein Widerrufder Freigabe an Stelle einer Modifizierung der Neben-bestimmungen z. B. dann geboten, wenn sich die neuen Zu-sagen als nicht geeignet erweisen, die Entstehung oder Ver-stärkung einer marktbeherrschenden Stellung abzuwenden.Gleiches gilt, wenn die Erfüllung der Zusagen – auch auf-grund der Erfahrungen mit den ursprünglichen Zusagen –als nicht hinreichend gesichert angesehen werden muss.Rechtsfolge eines Widerrufs der Freigabe ist wie bisher derEintritt in das Auflösungsverfahren gemäß § 41 Abs. 3.

Zu Buchstabe d (Absatz 5)Mit der Ergänzung wird klargestellt, dass die Frist in Ver-weisungsfällen nach Artikel 9 der Fusionskontrollverord-nung erst dann zu laufen beginnt, wenn sämtliche Angabennach § 39 Abs. 3 in deutscher Sprache vorliegen (vgl. § 39Abs. 4 Satz 2).

Zu Nummer 25 (§ 41)Zu Buchstabe a (Absatz 1 Satz 3)Rechtsgeschäfte, die gegen das Vollzugsverbot bei anmelde-pflichtigen Zusammenschlüssen verstoßen, sind nach Ab-satz 1 Satz 2 unwirksam. Hiervon sieht das geltende Gesetzin Satz 3 eine Ausnahme bei bestimmten gesellschaftsrecht-lichen Verträgen vor, sobald sie in das zuständige Handels-register eingetragen sind; die Eintragung führt somit zueiner Heilung der Unwirksamkeit. Gleiches erscheint im

Hinblick auf die Verlässlichkeit des Grundbuchs als öffent-liches Register für die Eintragung von Grundstücksgeschäf-ten in das Grundbuch gerechtfertigt. Auch in diesen Fällensoll die Eintragung in das Grundbuch eine Heilung der zivil-rechtlichen Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts bewirken.Dadurch wird die Öffentlichkeit vor den Gefahren unrichti-ger Eintragungen im Grundbuch geschützt. Die Folgen derVerletzung des kartellrechtlichen Vollzugsverbots im Übri-gen bleiben unberührt.

Zu Buchstabe b (Absatz 2 Satz 3)Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Aufhe-bung des § 12 und der entsprechenden Neuregelung in § 40Abs. 3a (s. Nummer 24 Buchstabe b).

Zu Buchstabe c (Absatz 3 Satz 1)Die Vorschrift regelt die Rechtsfolgen bei einem Verstoß ge-gen das Vollzugsverbot. Sofern nicht nur ein formeller Ver-stoß gegen die Verfahrensvorschriften vorliegt, sondern derZusammenschluss auch materiell gegen § 36 Abs. 1 verstößt,ist die Auflösung des Zusammenschlusses (Entflechtung)einzuleiten. Die bisherige Fassung des § 41 Abs. 3 gibt dieFallgestaltungen eines materiellen Verstoßes gegen § 36Abs. 1 nicht umfassend wieder. Neben den dort genanntenFällen (Untersagung und Widerruf der Freigabe) ist eine Auf-lösung z. B. auch beim fehlenden Eintritt einer aufschieben-den oder beim Eintritt einer auflösenden Bedingung geboten.Gleiches gilt für den Fall, dass ein nicht angemeldeter Zu-sammenschluss vollzogen worden ist (vgl. dazu Begründungder 6. GWB-Novelle zu § 41 Abs. 3). Mit der Neufassungwerden auch diese Fälle ausdrücklich erfasst.

Zu Buchstabe d (Absatz 4)Die bisherige Nummer 1 entfällt, da diese Regelung künftigin § 86a enthalten ist.

Zu Nummer 26 (§ 42 Abs. 2 Satz 2)Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Strei-chung des § 12 und der entsprechenden Neuregelung in§ 40 Abs. 3a (s. Nummer 24 Buchstabe b).

Zu Nummer 27 (§ 43)Zu Absatz 1Die Neufassung des § 43 sieht in den Absätzen 1 und 2 alsBekanntmachungsorgane den Bundesanzeiger oder denelektronischen Bundesanzeiger vor. Damit werden dieneuen Informations- und Kommunikationstechnologienauch im Rahmen von Publikationsverpflichtungen nutzbargemacht. Absatz 1 sieht – insoweit über das bisherige Rechthinausgehend – zusätzlich die Bekanntmachung der Einlei-tung des Hauptprüfverfahrens durch das Bundeskartellamtin Verfahren der Zusammenschlusskontrolle vor. Damitwird insbesondere dem Informationsbedürfnis von DrittenRechnung getragen. Diese müssen in geeigneter Form überdie Einleitung des Hauptprüfverfahrens unterrichtet werden,damit sie zum Beispiel rechtzeitig eine Beiladung zu demVerfahren beantragen können (vgl. § 54 Abs. 2 Nr. 3). DieVerpflichtung zur Bekanntmachung des Antrags auf Ertei-lung einer Ministererlaubnis entspricht dem bisherigenRecht (vgl. § 43 Satz 1 Nr. 3).

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Drucksache 15/3640 – 60 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Zu Absatz 2

Aufgelistet werden die Entscheidungen, welche im Bundes-anzeiger oder im elektronischen Bundesanzeiger bekannt zumachen sind. Inhaltlich entspricht die Neuregelung mitAusnahme der bisherigen Nr. 1 (Anzeige des Vollzugs einesZusammenschlusses) dem geltenden Recht.

Für die Bekanntmachung vollzogener Zusammenschlüsseim Bundesanzeiger besteht kein Bedürfnis mehr. Die ent-sprechende Regelung im bisherigen § 43 Satz 1 Nr. 1 wirddeshalb gestrichen. Der Antrag auf Erteilung einer Minister-erlaubnis (bisher § 43 Satz 1 Nr. 3) wird gemäß Absatz 1bekannt gemacht.

Unberührt bleibt die Möglichkeit der Kartellbehörde, diegenannten Entscheidungen in geeigneter Form entweder imvollen Wortlaut oder in gekürzter Form zu veröffentlichen.Insbesondere kann eine Veröffentlichung auf der Inter-net-Seite der Kartellbehörde in Betracht kommen.

Zu Absatz 3

Die Regelung entspricht dem bisherigen Recht (§ 43 Satz 2).Sie wird auch auf den neu eingeführten Bekanntmachungstat-bestand der Einleitung des Hauptprüfverfahrens in Absatz 1erstreckt.

Zu Nummer 28 (§ 46)

Zu Buchstabe a (Absatz 2a)

Die Vorschrift enthält eine ausdrückliche Klarstellung desderzeitigen Rechtszustands. Da künftig in den §§ 50a bis50c der Informationsaustausch zwischen den an der Umset-zung des Wettbewerbsrechts beteiligten Behörden umfas-send geregelt wird, könnte die Nichterwähnung der Mono-polkommission zu falschen Schlüssen führen. Nach dem ge-setzlichen Auftrag soll die Monopolkommission in ihrenGutachten die Anwendung der Vorschriften über die Zu-sammenschlusskontrolle würdigen und zu sonstigen aktuel-len wettbewerbspolitischen Fragen Stellung nehmen. DieserAuftrag kann nur erfüllt werden, wenn die Monopolkom-mission zu diesem Zweck Einblick in die von den Kartell-behörden geführten Verfahrensakten einschließlich Be-triebs- und Geschäftsgeheimnisse und personenbezogenerDaten hat.

Die Notwendigkeit einer Akteneinsicht in nationalen Fu-sionskontrollverfahren ergibt sich insbesondere aus demUmstand, dass die Verfahren der ersten Phase nicht miteiner öffentlich zugänglichen Entscheidung abgeschlossenwerden. Dies betrifft die ganz überwiegende Mehrzahl allerFusionskontrollverfahren. Die veröffentlichten Fassungenvon Entscheidungen des Hauptprüfverfahrens sind wegender Geheimhaltungspflicht des Bundeskartellamts häufigum Daten bereinigt, die für eine fundierte Auseinanderset-zung mit der jeweiligen Entscheidung benötigt werden.Ähnliches gilt für die im Bereich der Kartell- und Miss-brauchsaufsicht publizierten Entscheidungen des Bundes-kartellamts und der Landeskartellbehörden. Die vom Ge-setzgeber geforderte umfassende Würdigung der Entschei-dungspraxis ist nur möglich, wenn die MonopolkommissionEinsicht in sämtliche Verfahren der Kartellbehörden sowie

Zugang zu allen Unterlagen erhält, die die Entscheidungs-grundlage der Kartellbehörden bilden.

Das Akteneinsichtsrecht ist beschränkt auf die Fälle, indenen die Monopolkommission hierauf zur ordnungsgemä-ßen Erfüllung ihrer Aufgaben angewiesen ist. Damit wirdden datenschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung ge-tragen.

Zu Buchstabe b (Absatz 3 Satz 2)

Es handelt sich um eine Folgeänderung (s. Buchstabe a).Die Vorschrift stellt klar, dass sich die Verschwiegenheits-pflicht der Mitglieder der Monopolkommission und der An-gehörigen der Geschäftsstelle auch auf die nach dem neuenAbsatz 2a erlangten Informationen bezieht.

Zu Nummer 29 (§ 48 Abs. 2 Satz 1)

Es handelt sich um die Bereinigung eines Redaktionsver-sehens. Das Kriterium der „Marktbeeinflussung“ wird ge-strichen, da dieses seit der 6. GWB-Novelle nicht mehr in§ 1 erwähnt wird.

Zu Nummer 30 (§ 49)

Zu Absatz 3

Der neu eingefügte Absatz 3 sieht vor, dass eine obersteLandesbehörde eine Sache, für die grundsätzlich ihre Zu-ständigkeit begründet ist, an das Bundeskartellamt abgebenkann. Dies kann jedoch nur auf Antrag des Bundeskartell-amts erfolgen. Damit wird sichergestellt, dass eine Abwei-chung von der grundsätzlichen Zuständigkeitsverteilung nurim beiderseitigen Einvernehmen von Landeskartellbehördeund Bundeskartellamt erfolgen kann. Eine solche Abgabe-vereinbarung darf nicht willkürlich erfolgen, sondern mussdurch besondere Umstände gerechtfertigt sein. Das Bedürf-nis für eine solche Regelung kann sich insbesondere darausergeben, dass ein Fall von grundsätzlicher Bedeutung vor-liegt, der eine Übernahme durch das Bundeskartellamt sach-gerecht erscheinen lässt, oder dass die Bearbeitung einesFalls die Ressourcen einer Landeskartellbehörde übersteigt.

Zu Absatz 4

Der neu eingefügte Absatz 4 regelt den umgekehrten Fallder Verweisung vom Bundeskartellamt an eine Landeskar-tellbehörde. Auch hier ist die Abgabe eines Falls nur im all-seitigen Einvernehmen möglich. Die aufnehmende Landes-kartellbehörde muss daher einen entsprechenden Abgabean-trag gestellt haben. Da Fälle, die in die Zuständigkeit desBundeskartellamts fallen, über das Gebiet eines Landeshinausreichen, kann es sein, dass mehrere Landeskartellbe-hörden einen Abgabeantrag stellen, um den Wettbewerbs-verstoß jeweils auf ihrem Landesgebiet zu verfolgen. Denk-bar ist aber auch, dass einzelne Länder keinen Abgabean-trag stellen, weil sie z. B. ein Interesse an der Klärung einergrundsätzlichen Wettbewerbsfrage durch das Bundeskartell-amt haben. Gemäß den Sätzen 3 und 4 kann eine Abgabenur im Einvernehmen mit allen betroffenen Ländern er-folgen. Widerspricht eine betroffene Landeskartellbehördeinnerhalb der vom Bundeskartellamt gesetzten Frist der Ab-gabe des Falls an die antragstellende Landeskartellbehörde,verbleibt der Fall insgesamt beim Bundeskartellamt.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 61 – Drucksache 15/3640

Zu Nummer 31 (§ 50)

Zu Absatz 1

Nach Satz 1 sind künftig neben dem Bundeskartellamt auchdie obersten Landesbehörden zuständig für die Anwendungder Artikel 81 und 82 EG. Sowohl das Bundeskartellamtwie auch die Landeskartellbehörden sind daher zuständigeWettbewerbsbehörde im Sinne des Artikels 35 Abs. 1 VO1/2003. Die Zuständigkeitsverteilung nach den §§ 48 und49 bleibt unberührt.

Die Benennung des Bundeskartellamts und der Landeskar-tellbehörden als zuständige Wettbewerbsbehörden im Sinnedes Artikels 35 Abs. 1 VO 1/2003 bedeutet, dass sie im Rah-men ihrer Zuständigkeit, soweit nicht Absatz 3 eine Aus-nahme vorsieht, alle Vorschriften der VO 1/2003 anwendenkönnen bzw. müssen. Hierzu gehören neben den materiellenVorschriften wie Artikel 1 (Anwendung der Verbots- undFreistellungstatbestände der Artikel 81 und 82 EG),Artikel 2 (Beweislastverteilung) oder Artikel 3 (Verhältnisvon nationalem und europäischem Wettbewerbsrecht) auchdie Vorschriften über die Möglichkeit zur Aussetzung undEinstellung des Verfahrens (Artikel 13), die Bindung anKommissionsentscheidungen (Artikel 16 Abs. 2), die Ver-pflichtung zur Wahrung des Berufsgeheimnisses (Artikel 28)oder die Möglichkeit zum Entzug des Rechtsvorteils einerGVO in Einzelfällen (Artikel 29 Abs. 2).

Zu Absatz 2

Die Landeskartellbehörden haben bei Anwendung des euro-päischen Wettbewerbsrechts den Geschäftsverkehr mit derKommission und den Wettbewerbsbehörden der anderenEG-Mitgliedstaaten über das Bundeskartellamt abzuwi-ckeln. Motiv dieser Regelung ist die Sicherstellung einereinheitlichen Außenvertretung durch das Bundeskartellamt.Umgekehrt wird damit für ausländische Wettbewerbsbehör-den ein einziger deutscher Ansprechpartner im Rahmen deszukünftigen Netzwerks der europäischen Wettbewerbsbe-hörden geschaffen.

Absatz 2 erfasst den Geschäftsverkehr im Netzwerk dereuropäischen Wettbewerbsbehörden mit der Kommissionoder den Wettbewerbsbehörden anderer Mitgliedstaaten,der sich aus der Anwendung der Artikel 81 und 82 EG inVerbindung vor allem mit den Vorschriften der VO 1/2003ergibt. Hierzu gehört insbesondere die Unterrichtung derKommission über die Einleitung des Verfahrens (Artikel 11Abs. 3 VO 1/2003) oder die Übermittlung der Entschei-dungsentwürfe (Artikel 11 Abs. 4 VO 1/2003); dies er-folgt jeweils über das Bundeskartellamt. Gleiches gilt bei-spielsweise für den Austausch von Informationen gemäßArtikel 12 VO 1/2003. Soweit Landeskartellbehörden imRahmen des Netzwerks auf der Grundlage von Regelun-gen außerhalb der VO 1/2003 mit ausländischen Wettbe-werbsbehörden zusammenarbeiten, namentlich aufgrundder Gemeinsamen Erklärung des Rats und der Kommis-sion der Europäischen Gemeinschaft über die Funktions-weise des Netzwerks, erfolgt dies ebenfalls über das Bun-deskartellamt. Das Bundeskartellamt kann den oberstenLandeskartellbehörden Hinweise zur Durchführung desGeschäftsverkehrs geben. Diese sollen den Landeskartell-behörden die Verfahrensabwicklung erleichtern, sind abernicht verbindlich.

Wenn eine Landeskartellbehörde europäisches Wettbe-werbsrecht anwendet und ein solcher Fall auf die Tagesord-nung des Beratenden Ausschusses für Kartell- und Mono-polfragen gesetzt wird (Artikel 14 Abs. 7 VO 1/2003),nimmt das Bundeskartellamt auch die Vertretung des Fallsim Beratenden Ausschuss für Kartell- und Monopolfragenwahr. Davon unberührt bleibt die Möglichkeit, dass Mitar-beiter der Landeskartellbehörden an diesen Sitzungen desBeratenden Ausschusses als zusätzliche Vertreter teilneh-men (vgl. Erw. 20 Satz 3 VO 1/2003).Die Möglichkeit rein informeller Kontakte der Landeskar-tellbehörden unmittelbar mit der Kommission oder auslän-dischen Wettbewerbsbehörden bleibt unberührt.

Zu Absatz 3Für die dort aufgeführten Fälle erfolgt eine ausschließlicheAufgabenzuweisung an das Bundeskartellamt. Dieses istinsbesondere für die Mitwirkung an Verfahren der Kommis-sion – wie bisher – allein zuständig. Dafür spricht zumeinen, dass das Bundeskartellamt bereits erhebliche Erfah-rungen bei der Mitwirkung an Verfahren der Kommissionerworben hat. Zum anderen entspricht dies der grundsätz-lichen Außenvertretungskompetenz des Bundes (vgl. Arti-kel 32 GG). Die Vorschrift erfasst namentlich die Mit-wirkung an Ermittlungshandlungen der Kommission nachKapitel V der VO 1/2003. So ist das Bundeskartellamt zu-ständige Wettbewerbsbehörde bei der Unterstützung derKommission bei Nachprüfungen (vgl. Artikel 20 und 21 VO1/2003) oder bei der Durchführung von Ermittlungen aufErsuchen der Kommission (vgl. Artikel 22 Abs. 2 VO1/2003). Der Begriff der Mitwirkung an Verfahren derKommission ist weit auszulegen. Er umfasst auch die Kor-respondenz mit der Kommission zur Vorbereitung vonKommissionsentscheidungen (vgl. Artikel 11 Abs. 2 VO1/2003). Insbesondere ist das Bundeskartellamt die zustän-dige deutsche Wettbewerbsbehörde im Beratenden Aus-schuss für Kartell- und Monopolfragen nach Artikel 14Abs. 2 Satz 1 VO 1/2003. Davon unberührt bleibt die Be-nennung eines weiteren Vertreters für Sitzungen, in denenandere Fragen als Einzelfälle zur Erörterung stehen (vgl.Artikel 14 Abs. 2 Satz 2 VO 1/2003). Für derartige Sitzun-gen wird regelmäßig ein Vertreter des Bundesministeriumsfür Wirtschaft und Arbeit benannt werden.Das Bundeskartellamt ist ferner ausschließlich zuständig fürdie Amtshilfe zugunsten der Wettbewerbsbehörden andererMitgliedstaaten (Artikel 22 Abs. 1 VO 1/2003). Da bei der-artigen Fällen immer ein ins Gewicht fallender Auslands-bezug vorliegt, entspricht dies bereits der Zuständigkeits-verteilung nach § 48 Abs. 2 Satz 1 (vgl. auch oben A. 4Buchstabe i Doppelbuchstabe aa).Der neue Satz 2 verdeutlicht, dass nicht nur die im GWBselbst enthaltenen Verfahrensvorschriften, sondern – inBußgeldverfahren – auch die des Ordnungswidrigkeiten-gesetzes maßgeblich sind; dies gilt auch im Hinblick aufden im Bußgeldverfahren geltenden Amtsermittlungsgrund-satz und die Unschuldsvermutung (vgl. bereits oben A. 4Buchstabe a sowie zu § 2).

Zu Absatz 4Es kann erforderlich sein, dass das Bundeskartellamt denBediensteten der Wettbewerbsbehörden anderer Mitglied-

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staaten gestattet, bei Nachprüfungen in deren Auftrag dieBediensteten des Bundeskartellamts zu unterstützen oderwenigstens am Einsatzort anwesend zu sein. Anders als beiNachprüfungen im Auftrag der Kommission trifft die VO1/2003 hierzu keine Regelung. Diese Lücke schließt Ab-satz 4.

Zu Absatz 5Die Vorschrift regelt die ausschließliche Zuständigkeit zumVollzug des europäischen Rechts außerhalb der VO 1/2003.Dies betrifft die Anwendung der Artikel 84 und 85 EGebenso wie von Sekundärrecht im Bereich des Wettbe-werbsrechts, z. B. der europäischen Fusionskontrollverord-nung (vgl. Artikel 19 FKVO). Zuständige Behörde im Sinnedieser Vorschriften ist in Deutschland das Bundeskartellamt.Zur Erfüllung seiner Aufgaben hat es gemäß Satz 2 inVerbindung mit Absatz 3 Satz 2 die bei Anwendung diesesGesetzes maßgeblichen Befugnisse.

Zu Nummer 32 (§§ 50a bis 50c)Zu § 50aZu Absatz 1Die Vorschrift enthält die Rechtsgrundlage im deutschenRecht für den notwendigen Informationsaustausch im Netz-werk der europäischen Wettbewerbsbehörden. Kartellbehör-den im Sinne dieser Vorschrift sind alle deutschen Kartell-behörden, die europäisches Wettbewerbsrecht anwenden,d. h. sowohl das Bundeskartellamt wie auch die Landeskar-tellbehörden (§ 50 Abs. 1). Für den Informationsaustauschder Landeskartellbehörden gilt jedoch die Vorschrift des§ 50 Abs. 2 entsprechend, d. h. innerhalb des Netzwerks dereuropäischen Wettbewerbsbehörden ist ein etwaiger Infor-mationsaustausch der Landeskartellbehörden nur über dasBundeskartellamt abzuwickeln. Im Übrigen entspricht Ab-satz 1, mit gewissen redaktionellen Anpassungen, inhaltlichder Regelung des Artikels 12 Abs. 1 VO 1/2003.

Zu Absatz 2Absatz 2 regelt die Verwertung der ausgetauschten Beweis-mittel durch die Kartellbehörde. Die Regelung entspricht in-haltlich Artikel 12 Abs. 2 VO 1/2003.

Zu Absatz 3Die Vorschrift folgt der Regelung in Artikel 12 Abs. 3 VO1/2003. Gemäß Satz 1 können nach Absatz 1 ausgetauschteInformationen nur dann als Beweismittel zur Verhängungvon Sanktionen gegen natürliche Personen verwendetwerden, wenn das Recht der übermittelnden Behörde ähn-lich geartete Sanktionen bei Verstößen gegen die Artikel 81und 82 EG vorsieht. Wenn diese Voraussetzungen nicht vor-liegen, ist nach Satz 2 eine Verwertung als Beweismittelauch dann möglich, wenn die Informationen unter Beach-tung des gleichen Schutzniveaus hinsichtlich der Wahrungder Verteidigungsrechte natürlicher Personen erhoben wor-den sind. Satz 3 stellt klar, dass das Beweisverwertungsver-bot nach Satz 1 nicht eine Verwendung der Beweise gegenjuristische Personen oder Personenvereinigungen hindert,da die VO 1/2003 unterstellt, dass die Sanktionen insoweitin allen Mitgliedstaaten „von derselben Art“ sind (vgl.Erw. 16). Hingegen sind verfassungsrechtlich begründete

Beweisverwertungsverbote (z. B. § 136a StPO) weiterhinzu beachten, soweit dem nicht unmittelbar geltendes euro-päisches Gemeinschaftsrecht entgegensteht.

Zu § 50bZu Absatz 1

Die Vorschrift schafft eine gesetzliche Grundlage für dieZusammenarbeit des Bundeskartellamts mit ausländischenWettbewerbsbehörden außerhalb des Anwendungsbereichsvon § 50a. Dies kann die Zusammenarbeit mit außereuro-päischen Wettbewerbsbehörden in Kartell- und Miss-brauchsfällen ebenso betreffen wie die Zusammenarbeit mitdiesen oder europäischen Wettbewerbsbehörden in Fusions-fällen. Die in § 50a aufgeführten Befugnisse zum Austauschvon Informationen mit anderen Wettbewerbsbehörden gel-ten vorbehaltlich des Absatzes 2 auch in diesen Fällen.

Zu Absatz 2

Die Weitergabe von Informationen in den in Absatz 1 ge-nannten Fällen unterliegt strengeren Anforderungen als imNetzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden (§ 50a).Das Bundeskartellamt hat die Empfangsbehörde zu einerkartellrechts- und fallspezifischen Verwendung der erhalte-nen Informationen ebenso zu verpflichten wie zum Schutzvertraulicher Informationen. Für vertrauliche Angaben ausVerfahren der Zusammenschlusskontrolle gilt die weitereEinschränkung, dass diese Angaben vom Bundeskartellamtnur mit Zustimmung des Unternehmens weitergegeben wer-den dürfen, das diese Informationen vorgelegt hat.

Absatz 2 verpflichtet das Bundeskartellamt nicht, im Ein-zelfall Informationen zu übermitteln. Dies liegt vielmehr imErmessen des Bundeskartellamts. Es kann Ersuchen um In-formationen insbesondere ablehnen, wenn die ersuchendeWettbewerbsbehörde zu einer Übermittlung von Informatio-nen an das Bundeskartellamt nicht bereit ist oder die Ver-pflichtung zur vertraulichen Behandlung übermittelter In-formationen in der Vergangenheit nicht eingehalten wurde.Auch aus Gründen der nationalen Sicherheit kann eine Wei-tergabe ausnahmsweise ausgeschlossen sein.

Zu Absatz 3

Die Regelungen über die Rechtshilfe in Strafsachen sowieAmts- und Rechtshilfeabkommen bleiben unberührt. Diesbedeutet nicht, dass diese Regelungen kumulativ zu § 50bangewandt werden müssen, sondern dass sie eine alternativeRechtsgrundlage darstellen. Rechtshilfeabkommen könnendie Vereinbarung spezieller Regeln und Verfahren (mit ver-einfachten oder auch strengeren Anforderungen für den In-formationsaustausch) mit einzelnen Ländern vorsehen, diean die Stelle der Regelungen des § 50b oder ergänzend ne-ben sie treten.

Zu § 50cZu Absatz 1

Die Vorschrift schließt zum einen eine Lücke für die Zu-sammenarbeit zwischen den Kartellbehörden in Deutsch-land bei der Anwendung des GWB. Soweit europäischesKartellrecht Anwendung findet, gewährleistet Artikel 12VO 1/2003 einen unproblematischen Informationsaustausch

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zwischen den Behörden. Dies gilt unabhängig von der je-weils gewählten Verfahrensart. Vor diesem Hintergrund ver-lieren Beschränkungen für den weniger bedeutsamen Be-reich, in denen die Artikel 81 oder 82 EG keine Anwendungfinden, ihre Rechtfertigung. Die Vorschrift beseitigt daherBeschränkungen bei der Informationsübermittlung von Be-triebs- und Geschäftsgeheimnissen sowie personenbezoge-nen Daten, wenn bei der ausschließlichen Anwendung desGWB aus einem Bußgeldverfahren Informationen zumZweck der Verwendung in einem Verwaltungsverfahrenausgetauscht werden sollen. Hier ist bislang eine Informa-tionsweitergabe nur unter strengen Voraussetzungen mög-lich, obgleich die ersuchende Behörde über identische Er-mittlungsbefugnisse wie die ersuchte Behörde verfügt unddaher den Sachverhalt in gleicher Weise aufklären könnte.Die Vorschrift schafft zum anderen eine gesetzliche Grund-lage für die Zusammenarbeit der Kartellbehörden mit denRegulierungsbehörden. Diese Zusammenarbeit gehört zuden Aufgaben der jeweiligen Behörden, beispielsweise beider Herstellung des Einvernehmens der Regulierungsbe-hörde für Telekommunikation und Post mit dem Bundeskar-tellamt in Fragen der Marktabgrenzung und Marktbeherr-schung, oder bei der Wahrnehmung des Rechts zur Stellung-nahme durch die Regulierungsbehörde für Telekommunika-tion und Post in bestimmten Verfahren der Kartellbehörden.Die sachgerechte Erfüllung dieser Aufgaben erfordert denAustausch von Informationen, auch wenn diese zu anderenZwecken erhoben wurden. Darüber hinaus soll auch außer-halb dieser gesetzlich geregelten Zusammenarbeit die Ab-stimmung zwischen Regulierungs- und Kartellbehörden er-leichtert werden, damit in den regulierten Sektoren wir-kungsvoll Wettbewerb durchgesetzt werden kann.

Zu Absatz 2Satz 1 benennt weitere Stellen, mit denen die Kartellbehör-den im Rahmen ihrer Aufgaben regelmäßig zusammenar-beiten. Da es sich insoweit nicht um Kartellbehörden han-delt, unterliegt der Austausch von Erkenntnissen zusätz-lichen Anforderungen, die in Satz 2 festgelegt sind. DieWeitergabe von vertraulichen Informationen sowie vonInformationen, die nach § 50a oder Artikel 12 VO 1/2003erlangt wurden, ist wegen ihrer Schutzbedürftigkeit ganzausgeschlossen (Satz 3).

Zu Nummer 33 (Überschrift von § 52)Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung.

Zu Nummer 34 (§ 54 Abs. 2 Nr. 3)Bereits nach geltendem Recht kann die Kartellbehörde Ver-braucherverbände in Kartellverwaltungsverfahren beiladen,wenn die Interessen des Verbands bzw. der von ihm vertre-tenen Verbraucher erheblich berührt sind. Nach der Recht-sprechung sind aber im geltenden Recht nicht die Fälle er-fasst, in denen zwar eine Vielzahl von Verbrauchern betrof-fen, aber die Interessenberührung des einzelnen Verbrau-chers nicht erheblich ist. Diese Lücke soll durch dieErgänzung in Nummer 3 geschlossen werden. Danach sol-len ausdrücklich auch solche Fälle erfasst werden, bei denendie wirtschaftliche Beeinträchtigung eines jeden Verbrau-chers zwar möglicherweise als gering einzustufen ist, dieDimension der kartellbehördlichen Entscheidung aufgrund

der Vielzahl der betroffenen Verbraucher auf diese insge-samt aber erheblich ist.

Zu Nummer 35 (§ 55 Abs. 2)Es handelt sich um eine sprachliche Richtigstellung.

Zu Nummer 36 (§ 56)Zu Buchstabe a (Absatz 1)Die Vorschriften zur mündlichen Verhandlung werden inAbsatz 3 (s. Buchstabe b) zusammengefasst. Die hierzu imbisherigen Absatz 1 enthaltene Regelung wird deshalb ge-strichen. Das Recht auf Gehör bleibt hiervon unberührt.

Zu Buchstabe b (Absatz 3)Die im bisherigen Recht vorgesehene Unterscheidung zwi-schen öffentlicher mündlicher Verhandlung und mündlicherVerhandlung hat in der Praxis keine Bedeutung erlangt. Sieentfällt deshalb für den Regelfall. Die Durchführung einermündlichen Verhandlung wird in das Ermessen der Kartell-behörde gestellt. Die Kartellbehörde entscheidet auch, obund in welcher Form die mündliche Verhandlung öffentlichist. Die im bisherigen Recht vorgesehene obligatorischemündliche Verhandlung auf Antrag eines Beteiligten kannvor allem bei der Fusionskontrolle wegen der kurzen Fristenzu Problemen führen. Diese Regelung wird deshalb aufge-hoben (s. Buchstabe a). Lediglich für die Fälle einer Minis-tererlaubnis bleibt die Verpflichtung zur Durchführung eineröffentlichen mündlichen Verhandlung bestehen, sofern nichtalle Beteiligten darauf verzichten.

Zu Buchstabe c (Absatz 4)Es wird klargestellt, dass die §§ 45 und 46 VwVfG über dieHeilung von Verfahrensmängeln anwendbar sind. Dies warvom OLG Düsseldorf für den Fall des Ministererlaubnisver-fahrens bei einem Verstoß hinsichtlich der vorgeschriebenenöffentlichen mündlichen Verhandlung und des Anspruchsauf rechtliches Gehör bezweifelt worden. Dass die übrigenRegelungen des VwVfG gelten, bedarf keiner besonderenKlarstellung. Die Vorschrift gilt auch für Verfahren der Lan-deskartellbehörden.

Zu Nummer 37 (§ 59)Zu Buchstabe a (Absatz 1)Satz 1 stellt klar, dass den Kartellbehörden die Ermittlungs-befugnisse nach § 59 auch während des Beschwerde- undRechtsbeschwerdeverfahrens zustehen. Dies ist entgegender Auffassung des OLG Düsseldorf (Beschluss vom30. April 2002 „Blitz-Tip“) inzwischen vom BGH bestätigtworden (Beschluss vom 24. Juni 2003 „HABET/Lekker-land“, WRP 10/2003, S. 1248 ff.).Die Neuregelung der Nummer 1 in Satz 1 erweitert dieHerausgabepflicht der Unternehmen auf allgemeine Markt-studien, die der Einschätzung oder Analyse der Wettbe-werbsbedingungen und der Marktlage dienen und die sich inihrem Besitz befinden. Derartige Marktstudien sind insbe-sondere in Zusammenschlussfällen von Bedeutung. Andersals im europäischen Recht wird den Unternehmen dieHerausgabe solcher Studien nur auferlegt, wenn die Kartell-behörden hierauf für ihre Aufgaben angewiesen sind. Die

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Vorlage von allgemeinen Marktstudien kann auch ein mög-liches Informationsdefizit der Kartellbehörden aufgrund derAbschaffung des bisherigen Anmeldesystems im Kartellbe-reich ausgleichen.Die Neuregelung des Satzes 1 Nr. 2 erstreckt die Auskunfts-pflicht eines Unternehmens auf Informationen über die mitdem befragten Unternehmen verbundenen Unternehmen.Dies dient zum einen der Straffung der Ermittlungsbefug-nisse, zum andern können durch die Neuregelung im erwei-terten Umfange Informationen von im Ausland ansässigenMutter- oder Schwestergesellschaften angefordert werden.Satz 1 Nr. 3 entspricht der Regelung der bisherigen Num-mer 2. Durch den neuen Satz 2, der an die Stelle der bisheri-gen Nummer 3 tritt, werden Wirtschafts- und Berufsvereini-gungen hinsichtlich ihrer Auskunftspflichten weitgehendden Vereinigungen von Unternehmen gleichgestellt. Bislangsind sie nur zur Auskunft über ihre Satzung, ihre Beschlüsseund ihre Mitglieder verpflichtet. Diese Privilegierung derWirtschafts- und Berufsvereinigungen ist nicht mehr ge-rechtfertigt. Denn auch sie stellen Vereinigungen von Unter-nehmen dar, die gemeinwirtschaftliche und nichtkommer-zielle Einzelinteressen ihrer Mitglieder verfolgen. Durch dieerweiterte Fassung der Auskunftspflicht in Satz 2 wird esder Kartellbehörde ermöglicht, auch von Wirtschafts- undBerufsvereinigungen angefertigte Marktstudien anzufor-dern.

Zu Buchstabe b (Absatz 2)Die Vorschrift wird an die Aufhebung des § 13 redaktionellangepasst.

Zu Nummer 38 (§ 60)Zu Buchstabe a (Nummer 1)Die in der bisherigen Nummer 1 genannten Vorschriftensind entfallen. In der Nummer 1 werden nunmehr die einst-weiligen Anordnungen des Bundeskartellamts in Fusions-kontrollverfahren, die teilweise in der bisherigen Nummer 3enthalten waren, zusammengefasst. Auch für das Auflö-sungsverfahren nach § 41 Abs. 3 wird die Möglichkeit voneinstweiligen Anordnungen geschaffen, da in der Praxis biszur endgültigen Entscheidung über die Auflösung vorläu-fige Regelungen durch das Bundeskartellamt notwendigwerden können.

Zu Buchstabe b (Nummer 3)Es handelt sich im Wesentlichen um Folgeänderungen (An-passung der Verweisungen).Außerhalb des Anwendungsbereichs von Nummer 3 gilt§ 32a für einstweilige Maßnahmen zur Durchsetzung derVorschriften des Ersten bis Fünften Abschnitts des ErstenTeils dieses Gesetzes. Aus diesem Grund wird der Verweisauf § 32 gestrichen. Neu eingeführt wird die Möglichkeiteinstweiliger Maßnahmen bei der Vorteilsabschöpfung nach§ 34 Abs. 1. Für derartige Anordnungen kann ein prakti-sches Bedürfnis bestehen.

Zu Nummer 39 (§ 62)Belastende Verfügungen in Kartell- und Missbrauchsverfah-ren werden künftig entweder im Bundesanzeiger oder im

elektronischen Bundesanzeiger bekannt gemacht. Damitkönnen die neuen Informations- und Kommunikationstech-nologien für Bekanntmachungen nutzbar gemacht werden.Dies entspricht der Regelung für Bekanntmachungen imBezug auf Wettbewerbsregeln (§ 27 Abs. 2) und in Fusions-kontrollverfahren (§ 43). Bei den sog. Positiventscheidun-gen nach § 32c ist eine Bekanntmachung nicht in allen Fäl-len angemessen. Hier entscheidet die Kartellbehörde nachpflichtgemäßem Ermessen, ob und in welchem Umfang dieVerfügung bekannt gemacht wird.Unberührt bleibt die Möglichkeit, die Verfügungen in geeig-neter Form – z. B. auf der Internet-Seite der Kartellbehörde– im vollen Wortlaut oder in gekürzter Form zu veröffent-lichen.

Zu Nummer 40 (§ 64)Zu Buchstabe a (Absatz 1)Die neue Nummer 1 übernimmt zum Teil die Regelungender bisherigen Nummer 2, soweit sie aufrechterhaltenbleibt. Die bisherige Verweisung auf § 12 Abs. 1, §§ 16, 17Abs. 3 Satz 3, § 23 Abs. 3 und § 29 Abs. 3 oder 4 wirdgestrichen, da diese Vorschriften entfallen sind. Durch dieNeuregelung wird die aufschiebende Wirkung von Be-schwerden gegen Verfügungen der Kartellbehörden einge-schränkt. Nach der neuen Nummer 1 entfällt die aufschie-bende Wirkung bei Verfügungen nach § 32 gegen wett-bewerbsbeschränkende Vereinbarungen, Beschlüsse undabgestimmte Verhaltensweisen (Artikel 81 EG bzw. §§ 1bis 4 dieses Gesetzes). Bei Entscheidungen der Regulie-rungsbehörde für Telekommunikation und Post hat die Be-schwerde ebenfalls keine aufschiebende Wirkung. Auch imeuropäischen Recht bewirkt die Anfechtung von Entschei-dungen in Kartellverfahren keinen automatischen Auf-schub des Vollzugs. Für Entscheidungen in Missbrauchs-verfahren nach den §§ 19 bis 21 bleibt die aufschiebendeWirkung dagegen erhalten. Dies ist insbesondere wegender vielfach schwierigen Rechts- und Tatfragen in solchenVerfahren und der teilweise weit reichenden Wirkungensolcher Entscheidungen geboten. Auch die Sonderrege-lung für Verfahren im Energiebereich (2. Halbsatz derNummer 1) bleibt unberührt.Nach der neuen Nummer 1 wird eine neue Nummer 2 ein-gefügt. Die Vorschrift übernimmt die Verweisung auf § 26Abs. 4, § 30 Abs. 3 (früher § 15 Abs. 3) und § 34 Abs. 1,die in der bisherigen Nummer 2 enthalten war.Die neue Nummer 3 ist aus der bisherigen Nummer 1 über-nommen. Die Streichung der Verweisung auf § 12 Abs. 2stellt eine Folgeänderung dar. Die Konkretisierung der Ver-weisung auf § 42 Abs. 2 dient der Klarstellung. In Minister-erlaubnisverfahren besteht eine aufschiebende Wirkung nurbei Beschwerden gegen den Widerruf oder die Änderungeiner Erlaubnis oder bei Maßnahmen wegen Nichterfüllungeiner Auflage nach § 42 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit§ 40 Abs. 3 und 3a.

Zu Buchstabe b (Absatz 3)Nach dem geltenden Recht kann das Beschwerdegerichtvorläufige Maßnahmen sowohl nach § 64 in Verbindungmit § 60 als auch nach § 65 Abs. 3 nebeneinander treffen.In Anlehnung an § 123 Abs. 5 VwGO wird künftig die An-

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wendung der allgemeinen Regelung des § 64 Abs. 3 und§ 60 ausgeschlossen, soweit die spezielle Vorschrift zurAnordnung der sofortigen Vollziehung in § 65 anzuwen-den ist.

Zu Nummer 41 (§ 65)

Zu Buchstabe a (Absatz 3)

Die Zulässigkeit des Antrags auf Anordnung der aufschie-benden Wirkung setzt künftig bei Anfechtungsklagen Drit-ter gegen Verfügungen nach § 40 Abs. 2 oder Erlaubnissenach § 42 Abs. 1 voraus, dass der Dritte in seinen Rechtenverletzt ist. Die Antragsbefugnis in Verfahren des vorläufi-gen Rechtsschutzes wird damit an die allgemeine Regelungin der VwGO angepasst. Dagegen verbleibt es im Haupt-sacheverfahren bei den niedrigeren Anforderungen an dieBeschwerdebefugnis, nämlich dass der am Verfahren vorder Kartellbehörde Beteiligte in seinen wettbewerblichenInteressen betroffen ist. Damit wird im Ergebnis die Rechts-lage bekräftigt, die mit der 6. GWB-Novelle beabsichtigtwar. Gemäß § 64 Abs. 1 haben Beschwerden gegen Freiga-beentscheidungen des Bundeskartellamts oder Erlaubnissedes Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit (§ 42)grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung.

Zu Buchstabe b (Absatz 5 Satz 2)

Es handelt sich um die Bereinigung eines Redaktionsver-sehens. Die Unanfechtbarkeit der Beschlüsse folgt bereitsaus § 74.

Zu Nummer 42 (§ 66 Abs. 3)

In Anlehnung an § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO und § 124aAbs. 3 Satz 1 VwGO beträgt künftig die Frist für die Be-gründung der Beschwerde zwei Monate nach Zustellung derangefochtenen Verfügung. In den Fällen, in denen eine Kar-tellbehörde einen Antrag ohne zureichenden Grund nicht inangemessener Frist beschieden hat (§ 63 Abs. 3 Satz 2), be-trägt die Begründungsfrist wie bisher einen Monat nachEinlegung der Beschwerde (Satz 2 in Verbindung mit Ab-satz 2). Die Frist nach den Sätzen 1 oder 2 kann auf Antragverlängert werden.

Zu Nummer 43 (§ 71)

Zu Buchstabe a (Absatz 1 Satz 3)

Fabrikationsgeheimnisse sind Betriebsgeheimnisse undwerden daher nicht mehr gesondert erwähnt.

Zu Buchstabe b (Absatz 3)

Es handelt sich um eine Folgeänderung (Anpassung derVerweisungen an die geänderten §§ 32 ff.).

Zu Nummer 44 (§ 72 Abs. 2 Satz 2 und 4)

Es handelt sich um eine redaktionelle Bereinigung (s. Num-mer 43 Buchstabe a).

Zu Nummer 45 (§ 76 Abs. 2 Satz 2)

Es handelt sich um eine sprachliche Richtigstellung.

Zu Nummer 46 (§ 80)Zu Buchstabe a (Absatz 1)Zu Doppelbuchstabe aaDie in Satz 2 Nr. 1 behandelten Anmeldefälle betreffen nurnoch Verfahren der Fusionskontrolle. Im neuen System derLegalausnahme entfallen die Anmeldungen für Kartellver-fahren.

Zu Doppelbuchstabe bbSatz 2 Nr. 2 erfasst die einschlägigen Amtshandlungen derKartellbehörden in der geänderten Fassung des Gesetzes.

Zu Doppelbuchstabe ccEs handelt sich um eine Anpassung an die Regelung in Ab-satz 2 Satz 2 neue Nummer 5 (bisher Nummer 8).

Zu Doppelbuchstabe ddNeben den öffentlichen Bekanntmachungen unterfallen künf-tig auch Veröffentlichungen nach § 27 Abs. 1 der Kosten-erstattungspflicht. Ferner wird klargestellt, dass die Kostenfür die Anfertigung von Ausfertigungen, Kopien und Auszü-gen als Auslagen geltend zu machen sind.

Zu Doppelbuchstabe eeDie Anrechnung der Gebühr für die Anmeldung ist nichtnur im Fall der Untersagung, sondern auch bei der Freigabegeboten. Beide Fälle werden daher künftig gleich behandelt.Hierdurch wird eine unbeabsichtigte Gesetzeslücke besei-tigt.

Zu Buchstabe b (Absatz 2 Satz 2)Zu Doppelbuchstabe aaEs wird klargestellt, dass im Fall des § 41 nur Maßnahmennach den Absätzen 3 und 4 unter diesen Gebührentatbestandfallen.

Zu Doppelbuchstabe bbDie Streichung der Verweisung auf die §§ 10 und 29 Abs. 1stellt eine Folgeänderung dar. Einbezogen werden Entschei-dungen nach § 32d, durch die der Vorteil einer GVO entzo-gen wird. Sie erfordern grundsätzlich den gleichen Auf-wand wie Verbotsentscheidungen nach § 32. Zusätzlich auf-genommen werden Amtshandlungen bei Verstößen gegendas Vollzugsverbot nach § 41 Abs. 2 Satz 1 und 2. Auch sieerfordern einen erheblichen Aufwand, der aber geringer istals der bei abschließenden Verfügungen nach § 40.

Zu Doppelbuchstabe ccDie §§ 9 und 29 Abs. 4 sind entfallen, die Verweisungenhierauf werden gestrichen.Der Aufwand für die neuartigen Entscheidungen nach den§§ 32b und 32c ist im Regelfall geringer als im Fall vonVerbotsentscheidungen nach § 32. Es wird deshalb eine an-gemessene Abstufung der Gebühr vorgesehen.

Zu Doppelbuchstabe ddEs handelt sich im Wesentlichen um eine redaktionelle An-passung an die geänderten Vorschriften des Gesetzes. Ein-

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bezogen wird auch die Ablehnung einer Anerkennung vonWettbewerbsregeln nach § 26 Abs. 2 Satz 2.

Zu Doppelbuchstabe eeEs handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Aufhe-bung oder Änderung der in den bisherigen Nummern 5 bis 7genannten Vorschriften.

Zu Doppelbuchstabe ffEs handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Doppelbuchstabe gg§ 12 Abs. 2 ist entfallen, deshalb wird die Verweisungdarauf gestrichen. An seine Stelle ist für den Bereich derFusionskontrolle die Regelung des § 40 Abs. 3a auch inVerbindung mit § 41 Abs. 2 Satz 3 und § 42 Abs. 2 Satz 2getreten, auf die verwiesen wird.

Zu Doppelbuchstabe hhEs handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Aufhe-bung der genannten Vorschriften.

Zu Doppelbuchstabe iiEs handelt sich um eine redaktionelle Anpassung aufgrundder Einfügung des neuen § 32a.

Zu Buchstabe c (Absatz 6 Satz 1 Nr. 2)Es handelt sich um eine Klarstellung, dass neben Anträgenauch Anmeldungen die Tätigkeit der Kartellbehörde veran-lassen.

Zu Nummer 47 (§ 81)Zu Buchstabe a (Absatz 1 – neu)Nach der sog. Effet-utile-Rechtsprechung der europäi-schen Gerichte muss das deutsche Recht eine wirksameAnwendung der europäischen Wettbewerbsregeln sicher-stellen. Dazu gehört auch eine effektive Ahndung von Ver-stößen gegen das europäische Wettbewerbsrecht. Mit demneuen Absatz 1 werden deshalb Verstöße gegen die Arti-kel 81 und 82 EG unmittelbar bußgeldbewehrt. Entspre-chend dem System der Legalausnahme kann ein Verstoßgegen Artikel 81 Abs. 1 EG nur dann zu einem Bußgeldführen, wenn die Voraussetzungen des Artikels 81 Abs. 3EG nicht erfüllt sind.

Zu Buchstabe b (Absatz 2 – neu)Zu Doppelbuchstabe aaNummer 1 übernimmt im Wesentlichen die Regelung desbisherigen Absatzes 1 Nr. 1. Mit der Streichung der Verwei-sung auf die §§ 14, 17 Abs. 1 Satz 1, §§ 18 und 22 Abs. 1sowie dem Wegfall des Wortes „Empfehlungsverbot“ wirdden geänderten Vorschriften des Gesetzes Rechnung getra-gen. Neu eingeführt wird als Bußgeldtatbestand der Verstoßgegen das Verbot des § 4. Im Übrigen trägt der Wortlautdeutlicher den einzelnen Verbotstatbeständen, insbesondereder §§ 20 und 21, Rechnung und wird an die neue Fassungdes § 1 angepasst.

Zu Doppelbuchstabe bb

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Doppelbuchstabe cc

Die Änderungen der neuen Nummer 2 Buchstabe a berück-sichtigen die neuen Vorschriften des Gesetzes. Die aus-drückliche Erwähnung des § 40 Abs. 3a Satz 2, § 41 Abs. 2Satz 3 und § 42 Abs. 2 Satz 2 dient der Klarstellung.

Zu Doppelbuchstabe dd

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Doppelbuchstabe ee

Die Änderung in der neuen Nummer 3 beseitigt ein Redak-tionsversehen. Zusammenschlüsse sind vor Vollzug beimBundeskartellamt anzumelden (§ 39 Abs. 1). Da der Verstoßgegen das Vollzugsverbot bereits bußgeldbewehrt ist (Ab-satz 2 Nr. 1), bedarf es keiner weiteren Bußgeldbewehrungfür die fehlende oder nicht rechtzeitige Anmeldung, dadiese immer mit einem Verstoß gegen das Vollzugsverbotzusammenfällt.

Zu Doppelbuchstabe ff

Die Aufhebung der bisherigen Nummer 2 trägt dem Wegfallvon § 9 Abs. 2 Satz 2 und § 29 Abs. 3 Satz 1 Rechnung. DieVerweisung auf § 24 Abs. 4 Satz 3 und § 39 Abs. 3 Satz 5(bisher § 39 Abs. 3 Satz 4) findet sich nunmehr in demneuen Absatz 3 Nr. 3.

Die Streichung der bisherigen Nummer 3 trägt ebenfallsdem Wegfall der dort genannten Vorschriften Rechnung.

Einstweilige Anordnungen der Kartellbehörde oder des Be-schwerdegerichts können im Wege der Verwaltungsvollstre-ckung durchgesetzt werden. Für eine zusätzliche Bußgeld-bewehrung besteht kein Bedarf. Die bisherige Nummer 9wird daher aufgehoben.

Zu Doppelbuchstabe gg

Die Änderung der Nummer 4 trägt dem Wegfall des bisheri-gen § 9 Abs. 4 Satz 3 Rechnung.

Zu Doppelbuchstabe hh

Mit den Änderungen der Nummer 5 wird der Wegfall derbisherigen §§ 10, 12 und 17 berücksichtigt.

Zu Doppelbuchstabe ii

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Doppelbuchstabe jj

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe c (Absatz 3 – neu)

Der neue Absatz 3 fasst die Fälle zusammen, in denen aus-schließlich vorsätzliche Verstöße gegen das Kartellrecht inBetracht kommen. Die Beschränkung der Bußgeldbeweh-rung auf vorsätzliches Handeln ergibt sich aus § 10 OWiG.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 67 – Drucksache 15/3640

Zu Buchstabe d (Absatz 4 – neu)Zu Doppelbuchstabe aaEs handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung auf-grund der neuen Nummerierung des bisherigen Absatzes 1.

Zu Doppelbuchstabe bbDer Regelbußgeldrahmen für die schwerwiegenden Ver-stöße wird von 500 000 Euro auf 1 Mio. Euro erhöht, derBußgeldrahmen für die weniger gravierenden Verstöße von25 000 Euro auf 100 000 Euro angehoben. Damit wird zumeinen der wirtschaftlichen Entwicklung seit der letzten Er-höhung im Rahmen der 4. GWB-Novelle (1980) Rechnunggetragen. Zum andern ist die Anhebung notwendig, um einewirkungsvolle Ahndung der besonders gravierenden Ver-stöße gegen die Wettbewerbsvorschriften zu ermöglichen.Der in der Praxis vor allem bedeutsame besondere Bußgeld-rahmen (Dreifaches des erlangten Mehrerlöses) bleibt un-verändert.

Zu Buchstabe e (Absätze 5 bis 7 – neu)Zu Absatz 5Entsprechend dem europäischen Vorbild können Bußgelderkünftig einen reinen Ahndungszweck verfolgen. Es ist an-erkannt, dass Geldbußen der Kommission ausschließlichSanktionscharakter haben und keine Abschöpfung des wirt-schaftlichen Vorteils bezwecken (vgl. Urteil des Finanzge-richts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 2003, 2 K 2377/01). Imkünftigen Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehör-den ist es deshalb geboten, dass die Geldbuße als wichtigsteSanktion bei Kartellrechtsverstößen möglichst nach einheit-lichen Kriterien bemessen wird. Deshalb wird die Vorschriftdes § 17 Abs. 4 OWiG, wonach die Geldbuße den wirt-schaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrig-keit gezogen hat, übersteigen soll, nur noch als Kann-Rege-lung für anwendbar erklärt. Im neuen Recht kann die Geld-buße demnach auch als reine Ahndungsmaßnahme festge-setzt werden. Daraus folgt, dass in diesen Fällen die auf denabgeschöpften wirtschaftlichen Vorteil entfallenden Steu-ern bei der Bußgeldberechnung nicht mehr berücksichtigtwerden müssen. Auch entfällt die Verrechnung mit Scha-densersatzleistungen an Dritte gemäß § 33. Andererseitssoll diese Umstellung nicht zu einer Verschärfung des bishe-rigen Sanktionsinstrumentariums führen. Wird bei der Fest-setzung der Geldbuße nach Absatz 5 auf eine Abschöpfungdes wirtschaftlichen Vorteils verzichtet, so ist dies bei derZumessung zu berücksichtigen. Die Höhe einer reinen Ahn-dungsgeldbuße wird sich also in Zukunft in der Regel umden Betrag mindern, der nach bisherigem Recht der Ab-schöpfung des wirtschaftlichen Vorteils diente.Da § 17 Abs. 4 OWiG grundsätzlich anwendbar bleibt, kanndie Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils auch in Zu-kunft mit der Geldbuße erfolgen. Sofern die Kartellbehördehiervon keinen Gebrauch macht, bleibt die Möglichkeit derVorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde im Verwal-tungsverfahren nach § 34 bestehen.

Zu Absatz 6In der Praxis hat sich gezeigt, dass für die Unternehmen we-gen des zum Teil erheblichen Zinsvorteils ein deutlicherAnreiz bestehen kann, die Zahlung der Geldbuße so lange

wie möglich hinauszuzögern. Insbesondere im Falle hoherGeldbußen können Unternehmen bei bisheriger Rechtslageallein dadurch einen erheblichen „Zinsgewinn“ erzielen,dass sie gegen den Bußgeldbescheid Einspruch einlegenund diesen kurz vor der gerichtlichen Entscheidung wiederzurücknehmen. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, wirdangeordnet, dass die Geldbußen gegen juristische Personenund Personenvereinigungen zu verzinsen sind, wobei dieVerzinsung zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbe-scheides beginnt. Bei wirksamen Einsprüchen ist das Ge-richt an den Ausspruch der Behörde nicht gebunden, son-dern entscheidet selbständig, ob und inwieweit eine Ahn-dung geboten ist. Dies gilt auch für die Zinspflicht, die sichallein auf die im Bußgeldbescheid festgelegte Geldbußebezieht. Die Zinspflicht stellt jedoch einen Hinweis an dasGericht dar, bei seiner Überprüfung auch den Zeitfaktor zuberücksichtigen.

Zu Absatz 7Der neue Absatz 7 stellt klar, dass das Bundeskartellamt zurFestlegung von allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen überdie Ausübung seines Ermessens bei der Bemessung vonGeldbußen befugt ist. Dazu gehören insbesondere Grund-sätze über die bußgeldmindernde oder -ausschließende Be-rücksichtigung der Aufklärungsbereitschaft einzelner Kar-tellanten (vgl. hierzu Bekanntmachung Nr. 68/2000 – „Bo-nusregelung“). Derartige Verwaltungsgrundsätze konkreti-sieren in zulässiger Weise das Verfolgungsermessen derKartellbehörde. Die Klarstellung in Absatz 7 beschränktweder das Ermessen der Landeskartellbehörden nochschließt es die Festlegung entsprechender Verwaltungs-grundsätze durch die Landeskartellbehörden aus.Insbesondere im zukünftigen Netzwerk der europäischenWettbewerbsbehörden stellt sich zugleich die Aufgabe, dieBehandlung von Informationen aufklärungsbereiter Kartel-lanten im Zusammenwirken mit anderen europäischenWettbewerbsbehörden zu regeln, um die Effektivität einzel-staatlicher Bonusregelungen bzw. „Leniency“-Programmesicherzustellen. Absatz 7 umfasst daher ausdrücklich dieBefugnis des Bundeskartellamts zur Festlegung allgemeinerVerwaltungsgrundsätze, die die Zusammenarbeit mit aus-ländischen Wettbewerbsbehörden in diesen Fällen regeln.

Zu Buchstabe f (Neunummerierung)Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe g (Absatz 8)Zu Doppelbuchstabe aaEs handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Doppelbuchstabe bbAbsatz 8 übernimmt die Regelung des bisherigen Absatzes 3.Die erweiterte Verjährungsfrist von 5 Jahren wird auf Ver-stöße gegen europäisches Recht (neuer Absatz 1) erstreckt.Im Übrigen wird die Vorschrift redaktionell angepasst.

Zu Buchstabe h (Absatz 9)Nach § 33 Abs. 1 OWiG wird die Verjährung in Ordnungs-widrigkeitenverfahren durch einen Katalog von bestimmten

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Drucksache 15/3640 – 68 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Handlungen der Verfolgungsbehörde (in bestimmten Fällenauch der Staatsanwaltschaft und des Richters) unterbrochen.Die Unterbrechung der Verjährung tritt künftig auch bei Ver-folgungshandlungen der Kommission oder von ausländi-schen Wettbewerbsbehörden ein, soweit derselbe Fall betrof-fen ist. Angesichts der vergleichsweise kurzen Verjährungs-fristen des Absatzes 8 Satz 2 bzw. des § 31 OWiG ist eineentsprechende Regelung erforderlich. Andernfalls könntedie Kartellbehörde in Deutschland nicht, wie es im Netzwerkder europäischen Wettbewerbsbehörden vorgesehen ist, daseigene Verfahren aussetzen und abwarten, bis die Kommis-sion bzw. eine ausländische Wettbewerbsbehörde ihr Verfah-ren abgeschlossen hat (vgl. Artikel 13 VO 1/2003).

Zu Buchstabe i (Nummerierung)

Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung.

Zu Buchstabe j (Absatz 10)

Nach dem bisherigen Recht ist das Bundeskartellamt in denFällen, die die Anwendung der Vorschriften des europäi-schen Rechts betrafen, alleinige Wettbewerbsbehörde fürdas Bußgeldverfahren. Da künftig auch die Landeskartell-behörden europäisches Recht anwenden, werden sie nebendem Bundeskartellamt für die Anwendung des europäischenRechts als zuständige Verwaltungsbehörden für das Buß-geldverfahren bestimmt.

Zu Buchstabe k (Aufhebung des bisherigen Absatzes 5)

Der bisherige Absatz 5 entfällt mit Wegfall des bisherigenAnmelde- und Genehmigungssystems.

Zu Nummer 48 (§ 82 Satz 1)

Zu Buchstabe a (Einleitender Satzteil)

Die Änderung dient der sprachlichen Vereinfachung.

Zu Buchstabe b (Nummern 1 und 2)

Die Verweisungen werden an die Änderungen des § 81 an-gepasst. Die Zuständigkeit der Kartellbehörde in Bußgeld-verfahren gegen juristische Personen oder Personenvereini-gungen ist auch bei Verstößen gegen europäisches Wettbe-werbsrecht geboten.

Zu Nummer 49 (§ 82a)

Zu Absatz 1

Es wird ausdrücklich vorgesehen, dass den Vertretern derKartellbehörde in gerichtlichen Bußgeldverfahren gestattetwerden kann, Fragen an Betroffene, Zeugen und Sachver-ständige zu richten. Dies ist angelehnt an die Regelung in§ 407 Abs. 1 Satz 5 AO. Die Änderung trägt der TatsacheRechnung, dass bei Kartellordnungswidrigkeiten ebensowie in Steuersachen oft hoch komplexe Sachverhalte Ge-genstand der Hauptverhandlung sind und die mit den Er-mittlungen befasste Behörde den Sachverhalt umfassendaufbereitet hat.

Zu Absatz 2

Wird Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid des Bundes-kartellamts eingelegt und wird infolge dessen eine gericht-

liche Geldbuße festgesetzt, so erfolgt die Vollstreckung derGeldbuße künftig durch das Bundeskartellamt. Bereits jetztist das Bundeskartellamt Vollstreckungsbehörde, wenn esum seine eigenen Bußgeldbescheide geht. Insofern kann aufein bestehendes Vollstreckungsregime zurückgegriffen wer-den, was nicht zuletzt auch den praktischen Bedürfnissenentgegenkommt. Deshalb bestimmt Satz 1 in Abweichungvon § 91 OWiG (in Verbindung mit § 451 Abs. 1 und § 459StPO), dass sich die Vollstreckung der vom Gericht festge-setzten Geldbuße oder des Geldbetrages, für den der Verfallangeordnet wurde, nach den für behördliche Bußgeldbe-scheide geltenden Regelungen richtet.

Die gerichtlichen Kosten werden wie bisher durch die fürdie Vollstreckung der gerichtlichen Entscheidung zustän-dige Vollstreckungsbehörde beigetrieben. Es handelt sichum einen in den entsprechenden Bestimmungen, insbeson-dere § 15 Abs. 1 Buchstabe c der Einforderungs- und Bei-treibungsanordnung (EBAO), vorgesehenen Fall der Tren-nung der Beitreibung von Geldbetrag und Kosten ausZweckmäßigkeitsgesichtspunkten.

Angesichts des regelmäßig im Wesentlichen beim Bundes-kartellamt angefallenen Sach- und Personalaufwandes undkünftig auch der Vollstreckungstätigkeit ist es sachgerecht,dass die Geldbuße der Bundeskasse zufließt. Entsprechendträgt die Bundeskasse auch die jeweils vom Gericht auf-erlegten Kosten. Für die Landeskartellbehörden bleibt es beiden bestehenden (landesrechtlichen) Zuständigkeitsregelun-gen für die Vollstreckung. Geldbußen und Geldbeträge,deren Verfall angeordnet wurde, fließen in diesem Fall wei-terhin der Landeskasse zu.

Zu Nummer 50 (Dritter Abschnitt, § 86a)

Satz 1 des neuen § 86a entspricht der bisherigen Rechtslage,wonach die Kartellbehörden ihre Anordnungen nach Maß-gabe der für sie einschlägigen Verwaltungsvollstreckungs-gesetze vollstrecken können. Abweichend hiervon beträgtdie Höhe des Zwangsgelds mindestens 1 000 Euro undhöchstens 10 Mio. Euro. Dieser Rahmen ist notwendig, umauch finanzstarke Unternehmen wirksam zur Befolgung vonVerfügungen der Kartellbehörden anhalten zu können.

Zu Nummer 51 (Abschnittsnummerierung)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

Zu Nummer 52 (§ 87 Abs. 1 Satz 1 und 2)

Die Regelung des bisherigen § 96 ist in § 87 Abs. 1 Sätze 1und 2 mit aufgenommen; dies dient der Vereinfachung. Dieausschließliche Zuständigkeit der Landgerichte zur Wah-rung der Rechtseinheitlichkeit erstreckt sich danach auf bür-gerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus den Artikeln 81oder 82 EG oder aus den Artikeln 53 oder 54 des Abkom-mens über den Europäischen Wirtschaftsraum ergeben.

Die redaktionelle Vereinfachung bedeutet keine sachlicheÄnderung. Soweit sich Rechtsstreitigkeiten nach bisheri-gem Recht „aus Kartellvereinbarungen und Kartellbeschlüs-sen“ ergeben, sind diese durch die neue Formulierung „ausdiesem Gesetz“ miterfasst.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 69 – Drucksache 15/3640

Zu Nummer 53 (§ 88)Es handelt sich um eine redaktionelle Vereinfachung. In-haltlich werden Klagen aus den Artikeln 81 und 82 EG so-wie aus den Artikeln 53 und 54 des Abkommens über denEuropäischen Wirtschaftsraum durch den Verweis auf § 87Abs. 1 miterfasst.

Zu Nummer 54 (§ 89a)Zu Absatz 1Das Kostenrisiko stellt einen wesentlichen Faktor für diebislang geringe Bedeutung des privaten Rechtsschutzes imdeutschen Kartellrecht dar. Auch für bürgerliche Rechts-streitigkeiten in wettbewerbsrechtlichen Verfahren wirddeshalb eine einseitig begünstigende Streitwertherabsetzungvorgesehen, wie sie bereits im bisherigen § 23b UWG undvielen anderen wirtschaftsrechtlichen Gesetzen vorgesehenist. Damit hat das Gericht eine Möglichkeit, das Kosten-risiko für die Betroffenen zu verringern, ohne dass von demGrundprinzip der Unterliegenshaftung abgewichen werdenmüsste. Die Einführung dieser Vorschrift führt zu einer ArtErfolgshonorar für den Anwalt. Unterliegt der Begünstigte,so muss er nur die nach dem verringerten Streitwert bemes-senen Gerichtsgebühren bezahlen. Das Gleiche gilt für diedem Gegner nach § 91 ZPO zu erstattenden Kosten desRechtsstreits. Auch der eigene Anwalt erhält nur die nachdem verringerten Streitwert bemessene Gebühr. Obsiegt derBegünstigte aber, so kann dessen Anwalt von der gegneri-schen Seite seine nach dem nicht verringerten Ausgangs-streitwert bemessenen Gebühren verlangen. Eine Miss-brauchsgefahr besteht nicht, da die Anordnung der Streit-wertherabsetzung im Ermessen des Gerichts steht.

Zu Absatz 2Absatz 2 regelt das Verfahren für den Antrag auf Streit-wertanpassung.

Zu Nummer 55 (Abschnittsnummerierung)Die geänderte Nummerierung berücksichtigt, dass die Neu-regelung in § 90 Abs. 1 Satz 3 nicht nur bürgerliche Rechts-streitigkeiten betrifft, sondern auch sonstige (z. B. verwal-tungsgerichtliche) Rechtsstreitigkeiten (s. Nr. 56 Buchstabe b,Doppelbuchstabe bb). § 90 wird deshalb aus dem Abschnitt„Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“ in den Abschnitt „Gemein-same Bestimmungen“ als erste Vorschrift übertragen.

Zu Nummer 56 (§ 90)Zu Buchstabe a (Überschrift)Es handelt sich um eine Richtigstellung; die Vorschrift er-fasst auch die Landeskartellbehörden (Absatz 3).

Zu Buchstabe b (Absatz 1)Zu Doppelbuchstabe aaEs handelt sich um eine redaktionelle Vereinfachung(s. Nummer 53).

Zu Doppelbuchstabe bbArtikel 15 VO 1/2003 erlaubt dem Bundeskartellamt, einmit der Anwendung von Artikel 81 oder 82 EG befasstes

Gericht zu ersuchen, ihm alle zur Beurteilung des Fallesnotwendigen Schriftstücke zu übermitteln, um Stellungnah-men zu diesen Verfahren fertigen zu können. Diese Benach-richtigungsverpflichtung der nationalen Gerichte ist nichtauf bürgerliche Rechtsstreitigkeiten beschränkt, sondern be-trifft Verfahren jeden Rechtswegs. Daher muss das Bundes-kartellamt für sämtliche Rechtsstreitigkeiten mit Bezug aufdie Artikel 81 und 82 EG die Schriftsätze, Protokolle, Ver-fügungen und Entscheidungen erhalten, damit es die gemäßArtikel 15 VO 1/2003 eingeräumte Beteiligungsmöglichkeitin Rechtsstreitigkeiten mit Bezug auf Artikel 81 oder 82 EGordnungsgemäß wahrnehmen kann.

Zu Buchstabe c (Absatz 4)Es handelt sich um eine Folgeänderung (s. Nummer 17).

Zu Nummer 57Es handelt sich um eine redaktionelle Folgeänderung(s. Nummer 55).

Zu Nummer 58 (§ 90a)Der neue § 90a dient der Umsetzung von Artikel 15 VO1/2003. Diese Vorschrift regelt die Zusammenarbeit insbe-sondere zwischen der Kommission, aber auch den einzel-staatlichen Wettbewerbsbehörden einerseits und den Ge-richten der Mitgliedstaaten andererseits bei der Anwen-dung des europäischen Wettbewerbsrechts. § 90a beziehtsich dabei allein auf die Zusammenarbeit zwischen derKommission und den Gerichten in Deutschland. Eine zu-sätzliche Regelung für die Zusammenarbeit zwischen dendeutschen Kartellbehörden und den Gerichten ist nicht er-forderlich. § 90 Abs. 1 regelt bereits die Benachrichtigungund Beteiligung des Bundeskartellamts – bzw. der obers-ten Landesbehörden (§ 90 Abs. 3) – in bürgerlichen undsonstigen Rechtsstreitigkeiten, auch soweit derartigeRechtsstreitigkeiten die Anwendung der Artikel 81 und 82EG zum Gegenstand haben.

Zu Absatz 1Mit der Vorschrift wird Artikel 15 Abs. 2 VO 1/2003 indeutsches Recht umgesetzt. Dabei wird bestimmt, dass dieÜbermittlung von Kopien von Urteilen, die die Anwendungder Artikel 81 und 82 EG zum Gegenstand haben, nicht un-mittelbar von den Gerichten an die Kommission, sondernüber das Bundeskartellamt erfolgt. Zusätzlich schafft Satz 2eine Rechtsgrundlage für den Informationsaustausch zwi-schen dem Bundeskartellamt und der Kommission hinsicht-lich sonstiger Daten und Unterlagen, die das Bundeskartell-amt nach § 90 Abs. 1 Satz 2, auch im Rahmen von dessenentsprechender Anwendung nach § 90 Abs. 1 Satz 3, erlangthat. Dies ist erforderlich, damit das Bundeskartellamt seineInformationspflicht gegenüber der Kommission nach Arti-kel 15 VO 1/2003 ordnungsgemäß erfüllen kann.

Zu Absatz 2Entsprechend Artikel 15 Abs. 3 VO 1/2003 regelt Absatz 2das Auftreten der Kommission als sog. amicus curiae vordeutschen Gerichten. Satz 2 stellt dabei sicher, dass das Ge-richt der Kommission alle zur Beurteilung erforderlichenSchriftstücke übermittelt, wenn die Kommission dies nach

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Drucksache 15/3640 – 70 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Artikel 15 Abs. 3 Satz 5 VO 1/2003 anfordert. § 4b Abs. 5und 6 BDSG findet dabei entsprechende Anwendung. NachSatz 4 werden das Bundeskartellamt und die Parteien überden Inhalt schriftlicher Stellungnahmen der Kommissionvom Gericht durch Übersendung einer Kopie unterrichtet.Satz 5 sieht vor, dass die Kommission aus eigener Initiative– neben schriftlichen Stellungnahmen nach Satz 1 – in dermündlichen Verhandlung auch mündliche Stellungnahmenabgeben kann. Über die zwingenden Vorgaben von Artikel 15Abs. 3 VO 1/2003 hinausgehend gilt dies auch ohne aus-drückliche Erlaubnis des betreffenden Gerichts. Damit wirddie Kommission hinsichtlich ihrer Beteiligungsrechte dendeutschen Kartellbehörden gleichgestellt (vgl. § 90 Abs. 2).

Zu Absatz 3Absatz 3 folgt der Regelung in Artikel 15 Abs. 1 VO 1/2003.Danach können die Gerichte die Kommission um die Über-mittlung von Informationen oder um Stellungnahmen zuFragen bitten, die die Anwendung der Artikel 81 und 82 EGbetreffen. Satz 2 stellt wiederum die parallele Unterrichtungder Parteien und des Bundeskartellamts sicher, wenn ein Ge-richt ein derartiges Ersuchen an die Kommission richtet bzw.eine entsprechende Stellungnahme der Kommission eingeht.

Zu Absatz 4Absatz 4 gibt der Kommission, ebenso wie den Gerichten,die Möglichkeit, den Geschäftsverkehr nach den Absätzen 2und 3 über das Bundeskartellamt abzuwickeln. Eine obliga-torische Einschaltung des Bundeskartellamts ist nur bei derÜbersendung von Urteilen vorgesehen (Absatz 1). Aber auchin den Fällen der Absätze 2 und 3 kann sich eine fakultativeEinschaltung des Bundeskartellamts durch die Kommissionoder die Gerichte empfehlen. Mit dem Bundeskartellamt stehteine erfahrene Institution für die Abwicklung des Geschäfts-verkehrs zur Verfügung. Gleichzeitig können damit die para-llelen Unterrichtungspflichten der Gerichte zugunsten derParteien und des Bundeskartellamts nach Absatz 2 Satz 4 undAbsatz 3 Satz 2 in effektiver Form erfüllt werden.

Zu Nummer 59 (§ 94 Abs. 1 Nr. 3)Es handelt sich um eine redaktionelle Vereinfachung (vgl.Nummer 53).

Zu Nummer 60 (bisheriger § 96)Die Vorschrift ist durch die Neufassung des § 87 Abs. 1 ent-behrlich (s. Nummer 52).

Zu Nummer 61 (§ 100 Abs. 2 Buchstabe e)Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung an die Än-derung des EG-Vertrags.

Zu Nummer 62 (§ 111 Abs. 2 Satz 1)Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung (s. Num-mer 43 Buchstabe a).

Zu Nummer 63 (§ 131)Zu Absatz 1Soweit nach bisherigem Recht Vereinbarungen, Beschlüsseoder Empfehlungen entweder aufgrund einer Anmeldung

oder unmittelbar durch Gesetz freigestellt waren, bleibendie Freistellungen für ein Jahr nach Inkrafttreten diesesGesetzes wirksam. Danach richtet sich die wettbewerbs-rechtliche Zulässigkeit der Vereinbarungen nach den Frei-stellungstatbeständen dieses Gesetzes, insbesondere § 2.Für die Dauer der übergangsweisen Freistellung nach Satz 1bleiben die Auskunfts- und Missbrauchsvorschriften in derbisherigen Fassung in Kraft.

Zu Absatz 2Die einjährige Übergangsregelung gilt entsprechend auchfür Freistellungen durch Verfügung der Kartellbehördennach § 10 Abs. 1 des bisherigen Gesetzes. Ist eine Freistel-lungsverfügung der Kartellbehörde kürzer befristet, so er-lischt sie mit Ablauf dieser Frist. Auch hier bleiben für dieDauer der übergangsweisen Freistellung die Auskunfts- undMissbrauchsvorschriften in Kraft.

Zu Absatz 3Die Übergangsregelung des Absatzes 2 gilt entsprechendfür Wettbewerbsregeln, die bereits durch Verfügung derKartellbehörden freigestellt sind. Hinsichtlich der Auskunftüber Wettbewerbsregeln gilt § 27 Abs. 5. Für die nachträgli-che Rücknahme oder den Widerruf von Anerkennungen gilt§ 26 Abs. 4.

Zu Absatz 4Absatz 4 sieht eine Übergangsregelung für die Vorteilsab-schöpfung durch die Kartellbehörde (§ 34) und die Vorteils-abschöpfung durch Verbände und Einrichtungen (§ 34a)vor. Danach gilt für kartellrechtliche Verstöße, die bis zumInkrafttreten dieses Gesetzes begangen wurden, die bishe-rige Fassung des § 34. Die Neufassung der §§ 34 und 34a istnur auf Verstöße, die ab Inkrafttreten dieses Gesetzes be-gangen sind, anzuwenden.

Zu Absatz 5Satz 1 erweitert die Befugnis nach § 82a Abs. 1, den Vertre-tern der Kartellbehörde ein Fragerecht einzuräumen, aufsolche Verfahren, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretensschon bei Gericht anhängig sind, in denen das Gericht abernoch keine mündliche Verhandlung terminiert hat.Die Übergangsregelung in Satz 2 zu § 82a Abs. 2 bewirkteine frühzeitige Konzentration der Vollstreckung von ge-richtlichen Bußgeldentscheidungen beim Bundeskartell-amt, soweit dieses Ausgangsbehörde ist. Es handelt sich umVerfahrensrecht ohne materiell-rechtlichen Bezug. Die Vor-schrift enthält eine deklaratorische, im Interesse der Rechts-klarheit wünschenswerte Klarstellung der nach allgemei-nem intertemporalen Verfahrensrecht geltenden Grundsätze.

Zu Absatz 6Es handelt sich um eine Folgeänderung. Der neue Absatz 6entspricht inhaltlich dem bisherigen Absatz 8.

Zu Absatz 7Die Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbehörde nach§ 34 und die Vorteilsabschöpfung durch Verbände und Ein-richtungen nach § 34a sind neugestaltete Instrumente zur

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 71 – Drucksache 15/3640

Abschöpfung der „Kartellrendite“. Die Bundesregierungwird daher verpflichtet, bis zum 31. Dezember 2008 den ge-setzgebenden Körperschaften über die Erfahrungen mit derAnwendung der §§ 34 und 34a zu berichten. Dies schließtErfahrungen über das Zusammenwirken beider Vorschriftenmit ein. Falls sich aus dem Bericht ein Bedarf für gesetz-geberisches Tätigwerden ergibt, soll die Bundesregierunghierzu entsprechende Vorschläge machen. Die Frist für dieVorlage des Berichts ist so bemessen, dass erste aussage-kräftige Erfahrungen mit der Vorteilsabschöpfung zu erwar-ten sind.

Zu Artikel 2

Zu Absatz 1 (Änderung des Gerichtskostengesetzes)

Die Streitwertbegrenzung für Beschwerden von beigelade-nen Dritten auf 250 000 Euro wird aufgehoben. Es ist keinGrund dafür ersichtlich, warum Beschwerden von Adressa-ten von Verfügungen der Kartellbehörde keiner Streitwert-begrenzung unterliegen, eine solche hingegen bei Be-schwerden von Beigeladenen gilt. Kostenrechtlich solltenalle Beschwerden gegen Verfügungen der Kartellbehördenund Rechtsbeschwerden nach den gleichen Grundsätzenbehandelt werden. Der Streitwert ist vom Gericht entspre-chend den allgemeinen Regeln nach freiem Ermessen zubestimmen (§ 3 ZPO). Dabei ist die sich für den Beigela-denen ergebende Bedeutung der Sache besonders zu be-rücksichtigen.

Zu Absatz 2 (Änderung der Gewerbeordnung)

Gemäß § 153a Abs. 1 in Verbindung mit § 149 Abs. 2 Nr. 3Buchstabe b GewO ist das Bundeskartellamt zwar ver-pflichtet, dem Gewerbezentralregister rechtskräftige Buß-geldentscheidungen wegen Kartellordnungswidrigkeitenmitzuteilen, hat selbst aber keinen Anspruch auf Auskunftaus dem Register (vgl. § 150a GewO). Dies beschränkt dieMöglichkeit des Bundeskartellamts, frühere, bereits sank-tionierte Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot buß-gelderhöhend zu berücksichtigen. Solche Vorbelastungendürfen nämlich gemäß § 153 Abs. 5 GewO nicht mehr ver-wertet werden, soweit deren Eintragungen im Gewerbezen-tralregister bereits getilgt wurden oder tilgungsreif sind.Grundsätzlich sind Eintragungen gemäß § 153 Abs. 1 Nr. 2GewO nach fünf Jahren (bzw. nach drei Jahren, wenn dieGeldbuße nicht mehr als 300 Euro beträgt) zu tilgen. Enthältdas Register allerdings mehrere Eintragungen, so ist die Til-gung einer Eintragung erst zulässig, wenn bei allen Eintra-gungen die Frist des § 153 Abs. 1 GewO abgelaufen ist(vgl. § 153 Abs. 3 GewO). Feststellungen zur Tilgung bzw.zur Tilgungsreife – und damit zum Vorliegen eines Verwer-tungsverbots – sind dem Bundeskartellamt deshalb ohneAuskunftsrecht aus dem Gewerbezentralregister nicht ab-schließend möglich. Von Amts wegen kennt das Bundeskar-tellamt nur die eigenen Bußgeldbescheide und diejenigender Landeskartellbehörden. Bestehen weitere Eintragungen(z. B. Bußgeldbescheide bei Steuerordnungswidrigkeiten),kann es diese derzeit für die Frage der Tilgungshemmungnach § 153 Abs. 3 GewO nicht berücksichtigen. Wie dasBundeskartellamt sind auch die Landeskartellbehörden inden Kreis der nach § 150a GewO auskunftsberechtigten Be-hörden aufgenommen.

Zu Absatz 3 (Änderung des Gesetzes über den Laden-schluss)

Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 22 GWB.

Zu den Absätzen 4 bis 8Freistellungen von Verboten dieses Gesetzes, die sich inFachgesetzen befinden, sind bisher mit Regelungen zurMissbrauchsaufsicht verbunden. Da es im neuen Gesetzkeine Missbrauchsaufsicht über Kartelle im Sinne der bishe-rigen §§ 12 und 22 Abs. 6 GWB mehr gibt, werden die Re-gelungen in den Fachgesetzen zur Missbrauchsaufsicht ge-strichen. Wie bisher bleiben jedoch die übrigen Regelungendes GWB unberührt; das gilt insbesondere für die Befug-nisse der Kartellbehörden nach den §§ 32 ff. GWB.

Zu Absatz 4 (Änderung des Tierzuchtgesetzes)Zu Nummer 1Die Änderung des ersten Halbsatzes von § 23b Satz 2 stellteine redaktionelle Anpassung an die Neuregelung der verti-kalen Wettbewerbsbeschränkungen dar. Die Streichung desHinweises auf den bisherigen § 12 GWB im zweiten Halb-satz ist eine Folgeänderung aufgrund der Aufhebung dieserVorschrift.

Zu Nummer 2Die Anfügung des neuen Satzes 3 trägt dem Wegfall derMissbrauchsaufsicht nach dem bisherigen § 12 GWB Rech-nung. Es wird klargestellt, dass die allgemeinen Regeln desGWB, insbesondere die §§ 32 ff. hinsichtlich der Befug-nisse der Kartellbehörden, gültig sind.

Zu Absatz 5 (Änderung des Bundeswaldgesetzes)Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 12 GWB.

Zu Absatz 6 (Änderung des Marktstrukturgesetzes)Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 12 GWB.

Zu Absatz 7 (Änderung des Personenbeförderungs-gesetzes)

Zu Nummer 1Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 22 GWB.

Zu Nummer 2Nach dem Wegfall des Anmelde- und Genehmigungssys-tems im GWB besteht auch für Anmeldungen von Abspra-chen der Verkehrsverbünde keine Rechtfertigung mehr. DieAnmeldepflicht wird daher gestrichen.

Zu Nummer 3Für Vereinbarungen, Beschlüsse und Empfehlungen vonVerkehrsunternehmen, die vom Kartell- und Empfehlungs-verbot freigestellt sind, galt bislang eine umfassende Miss-brauchsaufsicht. Nach Aufhebung des bisherigen § 12

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Drucksache 15/3640 – 72 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

GWB wird das Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1GWB, das einen Unterfall des Missbrauchsverbots darstellt,für anwendbar erklärt. Die Vereinigungen von Verkehrs-unternehmen werden dabei zu Normadressaten des § 20Abs. 1 GWB. Auf diese Weise bleibt eine eingeschränkteMissbrauchskontrolle gewahrt.

Zu Absatz 8 (Änderung des Allgemeinen Eisenbahn-gesetzes)

Zu Nummer 1Es handelt sich um eine Folgeänderung aufgrund der Auf-hebung des bisherigen § 22 GWB.

Zu Nummer 2Mit dem Wegfall des Anmelde- und Genehmigungssystemsim GWB besteht für die Regelung kein Bedürfnis mehr. DieAnmeldepflicht im bisherigen § 12 Abs. 7 Satz 2 wird des-halb gestrichen.

Zu Nummer 3Die Neuregelung des § 12 Abs. 7 Satz 2 AEG entspricht derNeuregelung in § 8 Abs. 3 Satz 8 PBefG (s. Absatz 7 Nr. 3).

Zu Absatz 9 (Änderung des § 13 Energiesicherungs-gesetz)

Durch die Aufhebung des bisherigen § 8 GWB ist die Vor-schrift gegenstandslos geworden. Sie wird deshalb aufgeho-ben.

Zu Artikel 3 (Neubekanntmachung)Aufgrund der zahlreichen Änderungen ist eine Neubekannt-machung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungenangebracht. Die Vorschrift enthält die erforderliche Ermäch-tigung.

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 73 – Drucksache 15/3640

Anlage 2

Stellungnahme des Bundesrates

Der Bundesrat hat in seiner 802. Sitzung am 9. Juli 2004 be-schlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 2des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:

1. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§§ 2 und 4 GWB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Verlauf des Gesetzge-bungsverfahrens darauf hin zu wirken, dass der Wortlautdes neuen nationalen Kartellrechts so weit wie möglichvon einer einheitlichen Systematik geprägt ist. Diesesollte durchgängig entweder in einer Übernahme desWortlautes entsprechender europäischer Regelungenoder in einer neuere Entwicklungen und Erkenntnisse er-fassenden Kodifizierung bestehen. Dies gilt insbeson-dere für die Vorschriften der §§ 2 und 4 GWB-E.

Der Bundesrat begrüßt in Anbetracht der notwendigenAnpassung des nationalen an das europäische Recht diein der Begründung zum Ausdruck kommende Konzep-tion des Gesetzentwurfs, auch inhaltlich zu einer „Syn-chronisierung“ der beiden Rechtskreise zu gelangen, in-dem der Wortlaut der einschlägigen europäischen Be-stimmungen übernommen wird. Dies führt in wichtigenBereichen, insbesondere in den Vorschriften der neuen§§ 2 und 4 GWB-E, zu einer vollständigen Neufassungdes nationalen Rechts. In einem solchen Fall kommtschon aus methodischen Gründen einer konsequentenund lückenlosen Umsetzung des angesprochenen Prin-zips große Bedeutung zu.

Dieses Prinzip wird jedoch bei der vorgeschlagenen Fas-sung des § 2 GWB-E einerseits und des § 4 GWB-E an-dererseits ohne erkennbaren Grund nicht beachtet. DerWortlaut des § 2 GWB-E erfasst in enger Anlehnung anArtikel 81 Abs. 3 EGV nur die Erzeugung und Vertei-lung von Waren; es ist aber seit langem unstreitig, dassdie genannte europarechtliche Vorschrift auch Dienst-leistungen umfasst. Bei der Formulierung des § 4GWB-E wird hingegen bewusst (vgl. Gesetzesbegrün-dung S. 77) vom Wortlaut des Artikels 4 Buchstabe a derVertikal-GVO abgewichen, um hier ausdrücklich auchDienstleistungen zu erfassen. Diese vermeintliche Klar-stellung gelingt wiederum auch nicht, weil durch dieRückverweisung in § 4 Satz 2 GWB-E auf die Vorschrif-ten der §§ 1 und 2 GWB-E mittelbar wieder der Text derVertikal-GVO den Inhalt des § 4 GWB-E bestimmt.

2. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 3 Abs. 2 – neu – GWB)

In Artikel 1 Nr. 4 ist § 3 wie folgt zu ändern:

a) Dem bisherigen Wortlaut ist die Absatzbezeichnung„(1)“ voranzustellen.

b) Nach Absatz 1 ist folgender Absatz anzufügen:

„(2) Sehen die Vereinbarungen oder der Beschlussdie Rationalisierung in Verbindung mit Preisabredenoder die Bildung gemeinsamer Beschaffungs- oder

Vertriebseinrichtungen vor, so tritt die Freistellungs-wirkung nach Absatz 1 nur ein, wenn

1. der Rationalisierungszweck der Vereinbarungoder des Beschlusses auf andere Weise nicht er-reicht werden kann,

2. die Befriedigung des Bedarfs verbessert und

3. der Rationalisierungserfolg in einem angemesse-nen Verhältnis zu der damit verbundenen Wettbe-werbsbeschränkung steht.“

B e g r ü n d u n g

Mit § 3 GWB-E soll ausweislich der Entwurfsbegrün-dung der bisher für Mittelstandskartelle geltende Frei-stellungstatbestand (§ 4 Abs. 1 GWB) inhaltlich unver-ändert aufrecht erhalten werden.

Die aktuell freigestellten Mittelstandskartelle enthaltenvielfach und notwendigerweise Preis-, Mengen- oderQuotenabsprachen. Die deutschen Kartellbehörden undGerichte sehen solche Klauseln zwar im Grundsatz alsnicht freistellungsfähig an, haben hiervon jedoch beiMittelstandskartellen in Anlehnung an § 5 Abs. 2 GWBAusnahmen zugelassen, wenn die mit der Kooperationverfolgten Rationalisierungszwecke auf andere Weisenicht erreicht werden konnten. Das sollte in § 3 GWB-Eaus Gründen der Rechtssicherheit zum Ausdruck kom-men.

Die inhaltlich unveränderte Freistellung von Mittel-standskartellen droht zudem durch das in § 23 GWB-Eaufgestellte Gebot, bei der Anwendung des GWB-E die„Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts“ zuGrunde zu legen, infrage gestellt zu werden. In den ein-schlägigen Regelungen auf Gemeinschaftsebene (vgl.z. B. Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 – sogenannte Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung) fin-den sich Preis-, Mengen- oder Quotenabsprachen regel-mäßig als so genannte schwarze Klauseln wieder, d. h.Kartelle, die ggf. neben anderen Vereinbarungen solcheAbsprachen enthalten, sind im europäischen Wettbe-werbsrecht grundsätzlich nicht freistellungsfähig. Zwarsieht § 23 GWB-E in seinem zweiten Halbsatz eine Aus-nahme vom Gebot der Beachtung der Grundsätze des eu-ropäischen Wettbewerbsrechts vor, „soweit hierzu in die-sem Gesetz besondere Regelungen enthalten sind“. DieEntwurfsbegründung nennt explizit § 3 GWB-E als Bei-spiel für eine solche vorrangige Regelung. Die Gesetzes-begründung bindet aber weder Kartellbehörden noch Ge-richte. Mit dem Wegfall der Anmeldemöglichkeit fürMittelstandskartelle werden kleine und mittlere Unter-nehmen selbst nach einem Negativattest der Kartell-behörde mit dem Risiko einer abweichenden Rechtsan-wendung durch die Gerichte agieren müssen, zumalwenn die Rechtsnorm selbst keine ganz eindeutige Rege-lung trifft.

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Drucksache 15/3640 – 74 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

3. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 4 GWB)

In Artikel 1 Nr. 4 ist § 4 zu streichen.

B e g r ü n d u n g

§ 4 GWB-E ist als eigenständige Verbotsnorm nahezuinhaltsleer, schreibt aber ohne Not die nicht unumstrit-tene Regelung des Artikels 4 Buchstabe a Vertikal-GVO(Verordnung (EG) Nr. 2790/1999 der Kommission überdie Anwendung von Artikel 81 Abs. 3 EGV auf Grup-pen von vertikalen Vereinbarungen und aufeinander ab-gestimmte Verhaltensweisen) im GWB fest.

§ 1 GWB-E erstreckt das generelle Kartellverbot auf ver-tikale Wettbewerbsbeschränkungen. Da die europäischeVertikal-GVO mit ihrem Preisbindungsverbot in Arti-kel 4 Buchstabe a über § 2 GWB-E ohnehin zu beachtenist, besteht für eine ausdrückliche Sonderregelung desPreisbindungsverbots im GWB kein Bedürfnis. § 4GWB-E hat über Artikel 4 Buchstabe a Vertikal-GVOhinaus nur einen marginalen eigenen Regelungsgehalt,der vor allem theoretischer Natur sein dürfte: Er schließtfür rein nationale Preisbindungskartelle, die im europäi-schen Kartellrecht rein theoretisch bestehende Möglich-keit einer Einzelfreistellung aus.

Artikel 4 Buchstabe a Vertikal-GVO erfasst dem Wort-laut nach nicht die so genannte Meistbegünstigungsklau-seln zu Lasten des Verkäufers: Marktmächtige Nachfra-ger könnten damit in ihren Verträgen mit Lieferantenvereinbaren, dass kein Wettbewerber günstigere Kondi-tionen erhalten darf. Das wird im Schrifttum teilweiseals Redaktionsversehen angesehen. Der Wortlaut diesernicht unproblematischen Vorschrift wird in § 4 GWB-Efixiert und damit die Reaktion auf eine klärende Recht-sprechung der europäischen Gerichte oder ggf. eine Än-derung des Artikels 4 Buchstabe a Vertikal-GVO unnö-tig erschwert.

4. Zu Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a1 – neu – (§ 20 Abs. 3Satz 1 GWB)

In Artikel 1 Nr. 8 ist nach Buchstabe a folgender Buch-stabe einzufügen:

„a1) In Absatz 3 Satz 1 werden nach den Wörtern ,imGeschäftsverkehr‘ die Wörter ,dazu aufzufordernoder‘ eingefügt.“

B e g r ü n d u n g

Die materiellrechtliche Liberalisierung des Kartellrechtskann insbesondere im Einzelhandel zu weiterer Konzen-tration und zu einer Verstärkung der Nachfragemacht ge-genüber den Herstellern führen.

So sind gemäß den Leitlinien zur Horizontal-GVO(Rn. 130) Einkaufskooperationen bis zu einem Markt-anteil von 15 % in der Regel vom Kartellverbot freige-stellt. Aufgrund der europarechtlichen Vorgaben nachArtikel 4 Buchstabe a Vertikal-GVO sollen Meistbegüns-tigungsklauseln zu Lasten des Lieferanten, welche aktu-ell nach § 14 GWB verboten sind, in Zukunft nicht mehrdem Kartellverbot unterliegen. Marktmächtige Nachfra-ger könnten damit in Zukunft in ihren Verträgen mit Lie-feranten vereinbaren, dass kein Wettbewerber günstigereKonditionen erhalten darf.

Als Korrelat zu der europarechtlich vorgegebenen Libe-ralisierung des materiellen Kartellrechts ist eine Intensi-vierung der Missbrauchsaufsicht geboten. Wie sich ausArtikel 3 Abs. 1 der europäischen Kartellverordnung(VO (EG) Nr. 1/2003) ergibt, lässt das europäische Kar-tellrecht im Bereich der Missbrauchsaufsicht weiterhinstrengere nationale Regelungen zu.In seiner aktuellen Fassung erfasst § 20 Abs. 3 Satz 1GWB nur die erfolgreiche Aufforderung, d. h. nur denFall, dass der Aufgeforderte tatsächlich ohne sachlichenGrund zur Gewährung von Vorzugsbedingungen veran-lasst wird. Auch das erfolglose Auffordern stellt aber einvom Kartellrecht missbilligtes Verhalten dar. Ein mög-liches Einschreiten der Kartellbehörde sollte nicht davonabhängen, ob der Bedrängte sich letztlich auf die Vor-zugsbedingungen einlassen muss oder nicht. Auch imFalle des Boykotts (§ 21 GWB) verbietet das Gesetz be-reits den Aufruf zum Boykott.

5. Zu Artikel 1 Nr. 11, 11a – neu – (§ 23 GWB)Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:a) Nummer 11 ist wie folgt zu ändern:

aa) Der Einleitungssatz ist wie folgt zu fassen:„§ 22 wird wie folgt gefasst:“bb) § 23 ist zu streichen.

b) Nach Nummer 11 ist folgende Nummer einzufügen:„11a. § 23 wird aufgehoben.“

B e g r ü n d u n gZu Buchstabe aDie §§ 1, 2 und 4 GWB-E werden an das EU-Wettbe-werbsrecht angepasst. Damit fließt die Praxis der Kom-mission und die Rechtsauslegung durch die Rechtspre-chung ohnehin in die Auslegung der §§ 1, 2 und 4GWB-E ein. Einer zusätzlichen ausdrücklichen Bindungder Rechtsanwender bedarf es deshalb nicht.Der Vorrang des europäischen Wettbewerbsrechts giltfür die Missbrauchsaufsicht bei einseitigem wett-bewerbsbeschränkendem Verhalten nur, wenn das euro-päische Recht strenger als das nationale Recht ist. In-soweit hat sich durch das Inkrafttreten der Verordnung1/2003 am 1. Mai 2004 nichts geändert. Deshalb ist eineausdrückliche maßgebliche Bindung der Rechtsanwen-der an die Grundsätze des europäischen Wettbewerbs-rechts in diesem Punkt entbehrlich.Die Vorschrift führt zu einer unnötigen Komplizierungder künftigen Anwendung des nationalen Kartellrechts.Sie verpflichtet die deutschen Kartellbehörden und Ge-richte bei Fällen ohne zwischenstaatlichen Bezug in un-angemessener Weise zur „maßgeblichen Zugrundele-gung“ der Grundsätze des europäischen Wettbewerbs-rechts; damit sind nicht nur die einschlägigen normati-ven Regelungen des europäischen Wettbewerbsrechts,sondern auch die ständige Spruchpraxis der europäi-schen Gerichte und die gefestigte Verwaltungspraxis derEuropäischen Kommission gemeint, die sich u. a. in de-ren umfangreichen Bekanntmachungen und Leitlinienwieder findet (so jedenfalls die Gesetzesbegründung

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 75 – Drucksache 15/3640

S. 81). Dass das künftig eng an das europäische Rechtangepasste nationale Kartellgesetz im Lichte eben diesereuropäischen Regeln auszulegen sein wird, ist eine me-thodische Selbstverständlichkeit. Die vorgesehene ge-setzliche Regelung setzt hingegen alle Entscheidungender Kartellbehörden und Gerichte der Gefahr der Rechts-widrigkeit aus, wenn in den Gründen der jeweiligen Ent-scheidung nicht oder nicht hinreichend dargelegt würde,dass die genannten europäischen Grundsätze als für denEinzelfall relevant erkannt, entsprechend gewürdigt undschließlich „maßgeblich zu Grunde gelegt“ wurden; d. h.sie müssten sich als zielführende Prinzipien in der natio-nalen Einzelfallentscheidung wieder finden und derenGrundlage bilden, soweit nicht spezielle nationale Vor-schriften existieren. In Anbetracht des Umfanges derRechtsprechung sowie vor allem der Leitlinien und Be-kanntmachungen der Europäischen Kommission würdedies die Arbeitseffektivität der Kartellbehörden mit vorallem in den Ländern schon sehr begrenzten Kapazitätengravierend beschränken. Obwohl man in vielen Fällenauch ohne Zugrundelegung der europäischen Grundsätzezu dem selben Ergebnis kommen dürfte, würde sichohne sachlichen Grund voraussichtlich auch die Zahl dergerichtlichen Anfechtungen von kartellbehördlichenEntscheidungen erhöhen. Die vorgesehene, gewisserma-ßen normative Festschreibung der europäischen Grund-sätze lässt auch befürchten, dass das Bemühen der natio-nalen Kartell-Behörden und -Gerichte um eine opti-mierte wettbewerbsorientierte Auslegung der europäi-schen Regelungen erstarrt. Insbesondere birgt dieVorschrift die Gefahr, dass künftig die bisherige deut-sche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis zu Unrechtbei der Entscheidungsfindung vernachlässigt wird. DerKasuistik des nationalen Rechtes kann vor allem in Be-reichen, in denen es auf europäischer Ebene keine odernur wenig Entscheidungspraxis gibt, zielführende Be-deutung zukommen. Zudem ist ein letztlich fruchtloserStreit um die Auslegung des Tatbestandsmerkmals„Grundsätze“ vorprogrammiert. Es ist durchaus nicht si-cher, dass die Gerichte den Begriff im Sinne der Regie-rungsbegründung umfassend auslegen. Vielmehr läge esnach dem Wortlaut der Norm zunächst nahe, als „Grund-sätze“ nur die Grundprinzipien des europäischen Rechtsanzusehen, deren Tragweite im Einzelnen zweifelhaftsein mag. § 23 GWB-E hat somit nicht die angestrebteRechtsklarheit und Einheitlichkeit der Rechtsordnungen,sondern vielmehr eine Begriffsverwirrung zur Folge.

Zu Buchstabe b

Nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung wird § 23GWB durch eine neue Regelung ersetzt. Danach sind dieGrundsätze des europäischen Wettbewerbsrechts bei derAnwendung der §§ 1 bis 4 und 19 GWB-E maßgeblich zuGrunde zu legen, soweit hierzu nicht in dem Gesetz be-sondere Regelungen enthalten sind. Nach der Begründungsoll § 23 GWB-E bewirken, dass bei der Auslegung dergesetzlichen Regelungen des europäischen Wettbewerbs-rechts auch eine Anknüpfung an die Entscheidungen desEuropäischen Gerichtshofs bzw. des europäischen Ge-richts erster Instanz und die Beschlusspraxis der Europäi-schen Kommission einschließlich der Mitteilungen undBekanntmachungen im Rahmen der Auslegung der natio-nalen Regelungen gewährleistet ist.

Die Leitlinien und Bekanntmachungen der EuropäischenKommission geben häufig eine Bewertung oder Rechts-auffassung der Europäischen Kommission wieder, dienur zum Teil auf eigener Verwaltungspraxis oder ge-richtlichen Entscheidungen beruhen. Eine gesetzlich be-gründete Anwendungsverpflichtung bei der Anwendungdes deutschen Rechts geht weit über das hinaus, wozudie Rechtsanwender nach europäischem Recht verpflich-tet sind. Der Begriff „maßgeblich zu Grunde zu legen“gibt diesen Vorschriften zudem eine hervorgehobenerechtliche Bedeutung. Denn das Wort „maßgeblich“ ver-deutlicht, dass diesen Vorschriften bei der Anwendungder Rechtsnormen ein besonderes Maß, also eine beson-dere Bedeutung zukommt. Entgegen der Begründungwird durch § 23 GWB-E eine normative Bindung an dieEntscheidungspraxis der europäischen Institutionen be-wirkt, die dazu führt, dass der europäischen Verwal-tungspraxis ein nur durch besonders schwerwiegendeGründe widerlegbarer Vorrang zukommt.

Dies bedeutet gleichzeitig, dass sich die Kartellbehördenund Gerichte mit sämtlichen die Rechtsangelegenheitbetreffenden Leitlinien, der Kommissionspraxis, derRechtsprechung usw. auseinander setzen müssen undjede einzelne Rechtsauffassung zu bewerten und ggf. ausherausragenden Gründen abzulehnen haben. Angesichtsder Fülle der zu berücksichtigenden „Grundsätze“ dürftedies zu einem übermäßigen Verwaltungsaufwand führen,der die Arbeitseffektivität deutlich einschränkt und letzt-lich zu mehr Rechtsunsicherheit führen wird.

6. Zu Artikel 1 (§§ 24 ff. GWB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfah-ren darauf hinzuwirken, dass künftig für Wettbewerbs-regeln im Sinne des § 24 GWB

a) lediglich eine Pflicht zur Veröffentlichung im Sinnedes § 27 GWB-E mit der Möglichkeit einer Verfah-renseinleitung durch die Kartellbehörde nach § 54GWB

oder

b) ein Anmeldeverfahren im Sinne der § 9 Abs. 3, § 22Abs. 3 ff. GWB geltender Fassung

im Gesetz vorgesehen wird.

B e g r ü n d u n g

Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Beibehaltungdes Instituts der „Wettbewerbsregeln“ und insbesonderedie damit verbundene Transparenz für die jeweiligeMarktgegenseite. Jedoch stellt die unverändert vorgese-hene „Anerkennung“ von Wettbewerbsregeln durch eine„auf Antrag“ ergehende „Verfügung“ einen Bruch desnunmehr geltenden Systems der Legalausnahme von § 1GWB dar. Wie in der Begründung des Gesetzentwurfes(vgl. S. 82 zu Nummer 13 Buchstabe b) zutreffend aus-geführt wird, „sind Wettbewerbsregeln, die vom Kartell-verbot des § 1 erfasst werden, freigestellt, wenn sie dieVoraussetzungen der §§ 2 oder 3 erfüllen“. Eine weiterreichende Bindungswirkung kann – auch im Hinblickauf andere Gesetze – durch die vorgesehene kartell-behördliche Verfügung nicht erzielt werden. Eine aufAntrag erfolgende „Anerkennung“ erweckt demgegen-

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Drucksache 15/3640 – 76 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

über irreführend und systemwidrig den Eindruck, sieentfalte konstitutive Wirkung. Dies gilt auch im Hinblickauf die Vereinbarkeit einer Bestimmung mit dem Gesetzgegen den unlauteren Wettbewerb oder einer anderenRechtsvorschrift.

Deswegen sollte das Verfahren für Wettbewerbsregelnspürbar dereguliert werden. Dies könnte dadurch ge-schehen, dass Wettbewerbsregeln zwar weiterhin zwin-gend veröffentlicht werden müssen, aber nur zu demZweck, um den betroffenen Wirtschaftskreisen die Mög-lichkeit zu geben, bei der zuständigen Kartellbehördenach § 54 GWB die Einleitung eines Verfahrens anzure-gen oder selbst zivilrechtliche Schritte einzuleiten. Al-ternativ wäre an ein Anmeldeverfahren zu denken, wiees nach geltendem Recht für Konditionenempfehlungen(vgl. § 22 Abs. 3 Nr. 2, Abs. 4 bis 6 GWB) oder Wider-spruchskartelle (§ 9 Abs. 3 GWB) vorgesehen ist.

7. Zu Artikel 1 Nr. 18, 20, 21, 22 (§§ 31, 35 Abs. 2 Satz 2,§ 36 Abs. 1a und 1b und§ 38 Abs. 3 GWB)

Die Änderungen des Pressekartellrechts sind vollumfäng-lich abzulehnen. Der Entwurf führt zu einer faktischenAufhebung der Pressefusionskontrolle. Änderungen desPressekartellrechts sind nicht im Rahmen der nötigen An-gleichung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkun-gen (GWB) an die neue europäische Kartellverordnung(VO (EG) Nr. 1/2003) veranlasst; diesbezügliche Vor-schläge haben das Gesetzgebungsverfahren bereits unnö-tig verzögert. In der Sache sind die vorgeschlagenen Än-derungen nicht das probate Mittel, um die strukturellenund konjunkturellen Probleme der Presse zu lösen.

Die Pressefusionskontrolle in ihrer jetzigen Form hatsich insgesamt bewährt. Nach der Einführung der so ge-nannten Presserechenklausel in der 3. Kartellrechtsno-velle 1976 hat sich das Tempo der Konzentration imPressebereich deutlich verlangsamt. Deutschland istheute im internationalen Vergleich ein Gemeinwesen mitbesonders zahlreichen Zeitungen. Das Pressekartell-recht in seiner jetzigen Form schützt selbständige klei-nere und mittlere Verlage davor, von Großverlagendurch Beteiligungserwerb an umliegenden Lokalzeitun-gen eingekreist zu werden und dient nicht zuletzt dazu,Begehrlichkeiten großer Verlage schon unter Berufungauf die Rechtslage erfolgreich entgegenzutreten.

Es wäre ein ordnungspolitisch falsches Signal, auf diewirtschaftlich schwierige Lage einer Branche (Schrump-fen der Lesermärkte, Abwandern des Immobilien- undKfz-Anzeigenmarktes ins Internet, Wegbrechen des Stel-lenmarktes) mit einer Lockerung des Kartellrechts zureagieren. Da wirtschaftlicher und publizistischer Wett-bewerb eng verknüpft sind, kann die Presse auch nur imwirtschaftlichen Wettbewerb ihre besondere Demokra-tiefunktion erfüllen.

Die in den §§ 31 und 36 GWB-E vorgeschlagenen Maß-nahmen sind ordnungspolitisch bedenklich, gesetzes-technisch systemwidrig und weder zielführend zur Be-hebung der konjunkturellen und strukturellen Problemeder Pressebranche noch geeignet zur Wahrung der Mei-nungsvielfalt.

Die bestehenden durch die überwiegend lokalen undregionalen Strukturen im Pressebereich begründetenSonderregeln für Fusionen (Presserechenklausel, keineBagatellklausel) sollten unangetastet bleiben. Der ge-setzliche Rahmen trägt der besonderen Situation derPresse Rechnung.

8. Zu Artikel 1 Nr. 18 (§ 31 GWB)

In Artikel 1 ist Nummer 18 wie folgt zu fassen:

„18. § 31 wird aufgehoben.“

B e g r ü n d u n g

§ 31 GWB-E stellt Kooperationen von Zeitungsverlagenim Anzeigenbereich vom Kartellverbot und der Anwen-dung der Fusionskontrollvorschriften frei und schafft da-mit eine systemwidrige Bereichsausnahme. Im Zuge der7. GWB-Novelle werden in Angleichung an das europäi-sche Kartellrecht die bisher geltenden Bereichsausnah-men weitgehend abgeschafft. Für Fusionen kennt dasGWB bisher keine Bereichsausnahmen.

Die Gesetzesbegründung führt zu § 31 GWB-E aus, dassdurch diese Regelung vor allem kleine und mittlere Zei-tungsverlage begünstigt werden sollen. Kooperationenkleiner und mittlerer Unternehmen werden aber bereitsdurch § 3 GWB-E (Mittelstandskartelle) vom Kartell-verbot freigestellt.

Für Anzeigenkooperationen zwischen kleinen und mit-telständischen Verlagen sowie auch für Regionalzeitun-gen auf benachbarten Märkten könnte § 31 GWB-Eallenfalls klarstellende Funktion haben. Bereits der be-stehende gesetzliche Rahmen gibt den Verlagen ausrei-chenden gesetzlichen Spielraum, der in der Praxis nichtdurchwegs genutzt wird.

§ 31 GWB-E deckt im Hinblick auf Kooperationen denBereich unterhalb der Zwischenstaatlichkeitsschwelle– in Fällen, in denen eine Beeinträchtigung des zwi-schenstaatlichen Handels denkbar ist, lässt die zum1. Mai 2004 in Kraft getretene Verordnung EG Nr. 1/2003 keinerlei nationale Abweichung mehr zu – undoberhalb der Mittelstandsausnahme des § 3 GWB-E ab,und ermöglicht damit Zeitungen jeder Größe vorausset-zungslos und ohne Prüfung der Marktverhältnisse Preis-kartelle und Gebietsabsprachen: Die Gefahren für diekleinen und mittleren Unternehmen, welche die Vor-schrift eigentlich besonders begünstigen will, können er-heblich sein. Sie könnten von den großen Zeitungen ausdem Markt gedrängt werden. Ein Grund hierfür ist die sogenannte Anzeigen-/Auflagenspirale als grundlegendeStrukturbedingung des Zeitungswesens. Das bedeutet,dass sich im Anzeigenmarkt die Nachfrage „von selbstauf den stärksten Anbieter“ konzentriert. Hierauf hatbereits der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung„Stellenmarkt für Deutschland“ hingewiesen. Habe einAnbieter einen Vorsprung erreicht, werde sich diesertendenziell weiter ausbauen, weil Anzeigenanbieter wieAnzeigenleser dort die meisten der sie interessierendenAnzeigen erwarteten. Eine weitere Konzentration aufdem überregionalen Anzeigenmarkt und in der FolgePreiserhöhungen zu Lasten der werbenden Wirtschaftwerden die Folge sein.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 77 – Drucksache 15/3640

Eine spezielle Bereichsausnahme für Zeitungen wider-spricht dem Gleichheitsgrundsatz und diskriminiert Zeit-schriften, die von § 31 GWB-E nicht erfasst sind. Einerechtlich haltbare Abgrenzung zwischen Zeitungen undZeitschriften ist nicht möglich.

9. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 32e Abs. 1, 2 Satz 1, Abs. 3GWB)

In Artikel 1 Nr. 19 sind in § 32e Abs. 1, 2 Satz 1 undAbs. 3 jeweils die Wörter „das Bundeskartellamt“ durchdie Wörter „die Kartellbehörde“ zu ersetzen.

A l s F o l g e

ist in Artikel 1 Nr. 19 § 32e Abs. 2 Satz 2 das Wort „Es“durch das Wort „Sie“ zu ersetzen.

B e g r ü n d u n g

Bisher ist vorgesehen, nur dem Bundeskartellamt einEnqueterecht einzuräumen. Dies sollte auf alle Kartell-behörden ausgedehnt werden.

Der Regierungsentwurf nennt zwei tragende Gesichts-punkte für das neue Enqueterecht. Es dient dem Aus-gleich für den Transparenzverlust nach Wegfall desAdministrativfreistellungsverfahrens. Daneben soll eseine zusätzliche Abhilfe bei der Ross-und-Reiter-Proble-matik schaffen. Beide Gesichtspunkte gelten nicht nurfür Verfahren des Bundeskartellamtes, sondern auch fürdie der Landeskartellbehörden. Die Kartellbehörden derLänder ermitteln in vielen Fällen wegen verbotenerPreis- und Konditionenabsprachen. Besserer Schutz vonInsidern (Ross-und-Reiter-Problematik) ist daher für alleKartellbehörden wichtig. Freistellungsverfahren wurdennicht nur beim Bundeskartellamt, sondern auch bei denLänderbehörden durchgeführt. Auch diese haben somitein berechtigtes Interesse an einem Informationsrechtüber die Auskunftsbefugnis nach § 59 GWB-E hinaus.

Die Gleichstellung aller Kartellbehörden ist notwendig,weil auch künftig zahlreiche wettbewerbshindernde Prak-tiken lokal oder regional begrenzt bleiben werden und da-mit in die Zuständigkeit der Landeskartellbehörden fallen.Die Nutzung wesentlicher Einrichtungen im Sinne von§ 19 Abs. 4 GWB gehört ebenfalls zu diesem Bereich. Esist an Hafenbahnen ebenso wie an örtliche Fernwärme-oder Abwassernetze zu denken. Dasselbe gilt für die Was-serversorgung sowie – in eingeschränktem Maße – für dieNutzung von Strom- und Gasnetzen. Dienstleistungen derAbfallentsorgung zählen ebenfalls hierzu.

Daneben gibt es einen weiteren Grund, allen Kartellbe-hörden ein Enqueterecht einzuräumen. Die neue Vor-schrift des § 49 Abs. 4 GWB-E erlaubt eine Veränderungder Zuständigkeit der Kartellbehörden im Einzelfall.Bundeskartellamt und eine Landeskartellbehörde kön-nen vereinbaren, dass ein Land anstelle des Bundes tätigwird. Damit erhält eine Landeskartellbehörde die Befug-nis, in mehreren Ländern tätig zu werden. Um dies mitLeben zu erfüllen, sollte die handelnde Kartellbehördedes Landes die vollen Rechte des Bundeskartellamtes er-halten. Dazu gehört auch die Einräumung des – bundes-weiten – Enqueterechtes.

Schließlich macht die Einräumung des Enqueterechts analle Kartellbehörden die in der Verfahrenspraxis derLandeskartellbehörden bereits rituellen Diskussionenum Anfangsverdacht und Erforderlichkeit eines Aus-kunftsverlangens obsolet. Diese Diskussionen gehen inder Regel zwar letztlich zu Gunsten der Kartellbehördenaus, führen jedoch zu einer Verzögerung der Kartell-verwaltungsverfahren (instruktiv OLG München, Be-schluss vom 23. Juni 1997 ,Gaspreisermittlungen‘.WuW/E OLG 5859). Dies ist bei den von Landeskartell-behörden häufig geführten Missbrauchsverfahren be-sonders misslich, da Verfügungen der Kartellbehördenin der Hauptsache erst ab ihrem Erlass wirken und somitein missbräuchliches Verhalten während der Dauer desVerwaltungsverfahrens weiter praktiziert werden kann.

10. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 32e Satz 3 – neu – GWB)In Artikel 1 Nr. 19 ist in § 32e dem Absatz 2 der fol-gende Satz anzufügen:„Das Recht der Kartellbehörde, Auskünfte von Unter-nehmen zu verlangen, besteht unabhängig davon, obdie Beziehung zum Kunden privatrechtlicher oder öf-fentlich-rechtlicher Natur ist.“B e g r ü n d u n gDas Enqueterecht soll vor allem auch Marktanalysenim Bereich der Ver- und Entsorgungswirtschaft er-leichtern und beschleunigen. Ein branchenweiter Ver-gleich von Unternehmen im Rahmen des Vergleich-marktkonzepts erfordert die Möglichkeit, eine bran-chenumfassende Erhebung bei den in Betracht kom-menden Unternehmen durchzuführen.Nach der gegenwärtigen Rechtslage können aber Un-ternehmen die Beantwortung – auch von ohne weitereszumutbaren und unverfänglichen – Fragen verweigern,wenn die Kartellbehörde nicht in der Lage ist, den An-fangsverdacht für einen konkreten Gesetzesverstoß zubelegen. Die Branchenerhebung soll aber gerade derUntersuchung dienen, ob es Ansatzpunkte für einenAnfangsverdacht gibt.Die Regelung dient deshalb der Klarstellung des Ge-wollten.Die Zeiten einer verhältnismäßig durchgängigen Ab-grenzung des öffentlich-rechtlichen Angebots vonLeistungen einerseits und der privatrechtlich organi-sierten Leistungsangebote andererseits gehören derVergangenheit an. Bund, Länder und Kommunenhaben zunehmend Unternehmen des Privatrechts ge-gründet, um bestimmte Aufgaben zu erfüllen. In derVergangenheit öffentlich-rechtlich organisierte Tätig-keiten werden privatisiert oder in Form von PPP-Pro-jekten organisiert. Dies führt zu einem unsystemati-schen und schwer durchschaubaren Nebeneinandervon öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Ver-tragsbeziehungen zwischen Anbietern und Kunden.Vollständige Branchenerhebungen als Vergleichsmaß-stäbe im Rahmen von Vergleichsmarktkonzepten set-zen voraus, dass die Kartellbehörden die Befugnishaben, auch öffentlich-rechtliche Anbieter der Ver- undEntsorgungsbranchen zur notwendigen Mitwirkungheranzuziehen.

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Drucksache 15/3640 – 78 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

11. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 34 GWB)Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsver-fahren zu prüfen, ob in § 34 Abs. 1 GWB-E die Mög-lichkeit der Vorteilsabschöpfung durch die Kartellbe-hörden, wie in einem früheren Entwurf vorgesehen,vom schuldhaften Handeln des Unternehmens unab-hängig gemacht werden sollte.B e g r ü n d u n gDie nun vorgeschlagene Regelung entspricht der gel-tenden Rechtslage. Die gerichtliche Praxis hatte inihren Stellungnahmen zum früheren Entwurf dieAufhebung des Verschuldenserfordernisses ausdrück-lich begrüßt, da die geltende Regelung der Mehrerlös-abschöpfung in der Praxis keine Bedeutung erlangthabe. Bei Beibehaltung der geltenden Rechtslage wirdsich hieran nichts ändern.

12. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 34a GWB)In Artikel 1 Nr. 19 ist § 34a zu streichen.B e g r ü n d u n gDas nicht grundsätzlich abzulehnende Institut der Ge-winnabschöpfung ist nicht in einer sinnvollen und fürdie Justizverwaltungen hinnehmbaren Weise ausgestal-tet. Die vorgeschlagene Norm ist ebenso wie § 10UWG (neu) abzulehnen. Die Vorschrift ist nicht prakti-kabel und durch die Gerichte nicht vernünftig hand-habbar. Sie wird völlig leer laufen, es besteht aber dieGefahr, dass aufwändige Verfahren bei den Gerichtendurchgeführt werden müssen. Beides kann nicht ak-zeptiert werden.a) Die durch § 34a Abs. 1 GWB-E begründete Pflicht,

abgeschöpfte Gewinne dem Bundeshaushalt zuzu-führen, macht das gesamte Institut wirkungslos. Dieklagebefugten Verbände und Einrichtungen werdenvoraussichtlich von der Möglichkeit der Gewinnab-schöpfung keinen Gebrauch machen, wenn sie imUnterliegensfall das volle Kostenrisiko tragen, imFalle des Obsiegens aber den Gewinn abführenmüssen. Bereits heute ist zu beobachten, dass dieklagebefugten Verbände von ihren Ansprüchennach dem Unterlassungsklagengesetz und demUWG ganz überwiegend keinen Gebrauch machen,wenn ein erhebliches Prozessrisiko besteht. Hieranändert die Verrechnungsmöglichkeit mit notwendi-gen Aufwendungen schon deshalb nichts, weil dieVorschrift weitgehend ins Leere läuft. ErforderlicheAufwendungen werden nämlich regelmäßig vomAnspruchsgegner zu bezahlen sein. Soweit dieserhierzu nicht verpflichtet ist, wird es bereits an derErforderlichkeit der Aufwendungen fehlen, etwabei der Teilabweisung einer Klage.Von der vorgeschlagenen „Schaufenstergesetzge-bung“ sollte daher Abstand genommen werden.

b) Dem Gläubiger ist die Berechnung des geltend zumachenden Anspruchs nicht möglich. Der gemäߧ 34a Abs. 1 GWB-E herauszugebende wirtschaft-liche Vorteil ist nach der Begründung des Gesetz-entwurfs im Vergleich zu der vermögensrechtlichenGesamtsituation des Betroffenen zu errechnen, wie

sie sich durch die Zuwiderhandlung ergeben hatund ohne diese für ihn eingetreten wäre (Saldie-rungsgrundsatz). Dem Gläubiger, der die internenBetriebsverhältnisse des Schuldners nicht kennt, istes deshalb nicht möglich, zur Höhe des Anspruchssubstantiiert vorzutragen. Er wird deshalb regelmä-ßig zunächst eine Auskunftsklage gegen denSchuldner erheben müssen. Dies ist aber ein völligfalscher Ansatz. Die vorherige Auskunftsklage ver-kompliziert die Prozesse. Es genügt auch nicht,dass die Anbieter ihre Kalkulationsgrundlagen,über die künftig langwierig gestritten werden wird,einer zur Verschwiegenheit verpflichteten Personmitteilen (so genannte Wirtschaftsprüfervorbehalt),da die Tatsachen von diesem an den Kläger weiter-zureichen und in einem öffentlichen Prozess zu ver-handeln sind. Die Feststellung tragfähiger Grundla-gen für eine Schätzung des Gewinns nach § 287ZPO wäre für den Kläger und die Gerichte mit ei-nem nicht zumutbaren Aufwand verbunden. In vie-len Fällen wäre die Beiziehung von Sachverständi-gen erforderlich. Auch mit deren Hilfe wird häufignur der Rahmen eines Marktpreises feststellbarsein, so dass erzielte Vorteile innerhalb dieses Rah-mens nicht nachgewiesen und abgeschöpft werdenkönnen.

Die Aufgabe eines Gewinnabschöpfungsanspruchskann nicht in der möglichst exakten Ermittlung derzu Lasten der Abnehmer erzielten Gewinne liegen.Wenn eine rechtsstaatliche Regelung nicht gefun-den werden kann, die pauschaliert Vorteile ab-schöpft, so muss ganz auf dieses Institut verzichtetwerden. Akzeptabel ist nur eine Regelung, bei derder abzuschöpfende Betrag anhand von gesetzlichbestimmten Umständen, die für den Gläubiger er-kennbar oder jedenfalls leicht ermittelbar sind, vomGericht in einem gesetzlich bestimmten Rahmenzügig festgelegt werden kann.

c) Gegen § 34a Abs. 2 GWB-E bestehen – wie gegen§ 10 Abs. 2 UWG (neu) erhebliche rechtssystemati-sche Bedenken. Eine Anrechnung erscheint nur ge-rechtfertigt, soweit Abnehmern ihr Schaden ersetztworden ist. Nicht vertretbar ist es dagegen, sämtli-che Leistungen anzurechnen, die ein Unternehmenaufgrund eines Verstoßes erbracht hat. Insbeson-dere kann nicht nachvollzogen werden, dass aufden Gewinnabschöpfungsanspruch Zahlungen anden Staat angerechnet werden sollen. Wenn auchGeldstrafen angerechnet werden, so würden beson-ders schwer wiegende Verstöße gegen das GWBund damit Straftäter privilegiert. Es ist schon vomStrafzweck her völlig verfehlt, eine verhängteStrafe auf zivilrechtliche Forderungen anzurechnenund gar eine verhängte Strafe vom Staat über § 34aAbs. 2 Satz 2 i. V. m. § 34 Abs. 2 Satz 2 GWB-Edem Straftäter wieder erstatten zu lassen. Der Sinneines Strafverfahrens erschließt sich nicht mehr,wenn von vornherein feststeht, dass die zu verhän-gende Strafe anschließend dem Straftäter vom Staatwieder erstattet werden wird. Hierzu führt aber dievorgesehene Regelung, wenn das Strafverfahrennach der Gewinnabschöpfung durchgeführt wird.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 79 – Drucksache 15/3640

13. Zu Artikel 1 Nr. 20 (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GWB)

In Artikel 1 ist die Nummer 20 zu streichen.

B e g r ü n d u n g

Bei dem Erwerb von kleineren Unternehmen (miteinem Umsatz bis 2 Mio. Euro) muss es auch künftigeine fusionsrechtliche Prüfung geben. Aufgrund derEinführung einer Bagatellklausel für den Pressebereichkönnten ca. 30 selbständige Zeitungsverlage (ohne An-zeigenblätter) kontrollfrei aufgekauft werden. Gravie-rend kommt hinzu, dass diese Gesetzesänderung ge-rade Großverlagen den Erwerb kleiner Presseobjekteerlaubt, während die Einschränkung der Presserechen-klausel wohl in der Praxis (lediglich) zu vermehrtenZusammenschlüssen kleiner und mittlerer Unterneh-men untereinander führen kann.

14. Zu Artikel 1 Nr. 21 (§ 36 Abs. 1a, 1b GWB)

In Artikel 1 ist die Nummer 21 zu streichen.

B e g r ü n d u n g

Die präventive Fusionskontrolle dient dazu, marktbe-herrschende Stellungen zu verhindern. Die Fusionser-laubnis für Zeitungen trotz Marktbeherrschung ist sys-temwidrig und wäre einzigartig für den Pressesektor.Das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass übernom-mene Titel als publizistisch eigenständige erhaltenblieben und damit weiterhin ihren Beitrag zur Mei-nungsvielfalt leisten könnten, kann auf dem vorge-schlagenen Weg nicht erreicht werden:

Die Bundesregierung geht davon aus, dass sich die Re-daktionsarbeit von den wirtschaftlichen Interessen desZeitungsverlags entkoppeln lässt. Dies wird auf Dauernicht gelingen. Der mit der Wahrung der publizisti-schen Selbständigkeit einer übernommenen Zeitungbetraute Altverleger wird gegenüber dem Käufer nichteine Quersubventionierung der übernommenen Zei-tung gegen dessen wirtschaftliche und publizistischeInteressen durchsetzen können. Der redaktionelle Ein-fluss des Verlegers auf die von ihm verlegte Zeitung istTeil seiner unternehmerisch wahrgenommenen Mei-nungsfreiheit. Der Käufer kann die Redaktion derübernommenen Zeitung personell ausdünnen. Dadurchläßt die Attraktivität des redaktionellen Teils und damitauch die Attraktivität für die Anzeigenkunden so langenach, bis die übernommene Zeitung aus wirtschaftli-chen Gründen eingestellt werden muss. Die Folge da-von ist, dass die Marktanteile der übernommenen Zei-tung im Hinblick auf den Leser- und den Anzeigen-markt auf die übernehmende Zeitung übergehen, diedann als Ersatzangebot dem Leser zur Verfügung steht.Das wirtschaftliche Endergebnis wird dann die Über-nahme von Marktanteilen sein. Aufgrund der sehr ho-hen Markteintrittsschranken für die Neugründung oderdie räumliche Ausdehnung von Zeitungen wird diesesErgebnis mangels ausreichenden Wettbewerbs kaumzu verhindern sein.

Nach der Übernahme soll es allein in der Hand der auf-gekauften Zeitung liegen, ihre redaktionelle Unabhän-gigkeit gegebenenfalls vor den Zivilgerichten durchzu-setzen. Nach einer Freigabe hat das Bundeskartellamt

keine ordnungspolitische Handhabe, die tatsächlicheEinhaltung der Fusionsbedingungen zu überwachen.Faktischer Druck des Übernehmers auf den Altverlegeroder Dritten, von diesen zivilrechtlichen Instrumenta-rien keinen Gebrauch zu machen, ist nicht zu vermei-den.

Nach dem Gesetzentwurf soll das Bundeskartellamtdie Absicherung der redaktionellen Eigenständigkeitim Übernahmevertrag überprüfen. Damit geht derEntwurf über eine meinungsneutrale Marktstruktur-regelung hinaus. Der nach wie vor bestehende Mei-nungsbezug der hoheitlichen Intervention macht auchdie aktuelle Entwurfsfassung verfassungsrechtlich be-denklich: Es geht nicht mehr um die Verhütung desMissbrauchs wirtschaftlicher Machtstellungen (Gegen-stand der konkurrierenden Gesetzgebung Artikel 74Abs. 1 Nr. 16 GG). Lediglich ein publizistischer Wett-bewerb soll aufrecht erhalten werden. Mit einer sol-chen spezifisch medienpolitischen Zielrichtung ver-lässt der Bund das Feld der konkurrierenden Gesetzge-bung des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 16 GG. Als Grundlageverbleibt ihm das Recht zur Rahmengesetzgebung fürdie allgemeinen Rechtsverhältnisse der Presse nachArtikel 75 Abs. 1 Nr. 2 GG. Diese Norm ermächtigtihn allerdings nicht zu detaillierten Regelungen miteiner medienpolitischen Zielrichtung, wie hier beab-sichtigt.

Die Selbständigkeit publizistischer Einheiten innerhalbverbundener Unternehmen ist keine reine Organisa-tionsfrage. Ob sie ausgehöhlt wird, kann ohne Prüfungder publizistischen Inhalte nicht bewertet werden. Einelaufende Überprüfung der publizistischen Inhalte wäremit dem Zensurverbot des Artikels 5 Abs. 1 Satz 3 GGnicht vereinbar.

Das beabsichtigte Ziel, Missbräuche der Ausnahmere-gelung des § 36 Abs. 1a GWB-E zu verhindern, kann§ 36 Abs. 1b GWB-E nicht erreichen. Die Tatbestands-beschränkungen in § 36 Abs. 1b GWB-E sind rein kos-metischer Natur: Eine Fusion trotz Begründung oderVerstärkung einer marktbeherrschenden Stellung sollnur zulässig sein, wenn dies zum Fortbestand der er-worbenen oder der erwerbenden Zeitung als eigenstän-dige redaktionelle Einheit erforderlich ist. Dies wirdbereits gesetzlich vermutet, wenn in den letzten dreiGeschäftsjahren vor Anmeldung des Zusammenschlus-ses die Anzeigen- und Beilagenerlöse der erwerbendenoder erworbenen Zeitung jeweils rückläufig warenoder alternativ erheblich unter dem Durchschnitt ver-gleichbarer Zeitungen lagen. Die Anzeigen- und Beila-generlöse so gut wie aller Zeitungen sind in den letztenJahren rückläufig, so dass momentan fast jeder Titeldeutschlandweit aufgekauft werden könnte. Selbstwenn sich das in Zukunft ändert, eröffnet die Voraus-setzung einer Freigabe, dass die erworbene oder die er-werbende Zeitung in ihrer wirtschaftlichen Grundlagegefährdet sein muss, nahezu grenzenlose Möglichkei-ten: Ein insgesamt Gewinne machender Konzern fu-sioniert einen eigenen oder eigens dafür aufgekauftendefizitären Titel mit einem Gewinn bringenden Titel.Das erlaubt der Entwurf. Zudem sind allein die Anzei-gen- und Beilagenerlöse nicht der passende Indikator,

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Drucksache 15/3640 – 80 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

um eine solche Gefährdung der wirtschaftlichenGrundlage festzustellen.Die zweite Ausnahme (keine Regionalkettenbildung)ist vage formuliert, nicht justiziabel und zeigt, dass derEntwurf selbst die redaktionelle Unabhängigkeit durchdie „Altverlegerlösung“ nicht hinreichend abgesichertsieht.Eine spezielle Regelung für Zeitungen widerspricht zu-dem dem Gleichheitsgrundsatz. Eine rechtlich haltbareAbgrenzung zwischen Zeitungen und Zeitschriften istnicht möglich.

15. Zu Artikel 1 Nr. 22 (§ 38 Abs. 3 GWB)In Artikel 1 ist Nummer 22 zu streichen.B e g r ü n d u n gDie Anhebung der Aufgreifschwellen ist nicht gebotenund betrifft einen nicht unerheblichen Teil der selb-ständigen Tageszeitungen Deutschlands. Wie der Ent-wurfsbegründung zu entnehmen ist, werden sich durchdie Anhebung der Schwellenwerte in Deutschland ge-genüber dem Status quo ca. 50 Zeitungsverlage (ohneAnzeigenblätter) zusätzlich kontrollfrei zusammen-schließen können. Die Aufgreifschwellen regeln ledig-lich, wann eine Kontrolle überhaupt stattfindet. Schonjetzt lebt die Hälfte der Bundesbürger in so genanntenEinzeitungskreisen (vgl. Stellungnahme des Wissen-schaftlichen Beirats beim BMWA, Seite 6). Neugrün-dungen von Zeitungen sind aufgrund der hohen Markt-zutrittsschranken schwierig. Eine Anhebung der Um-satzschwellen wird die Konzentration verstärken.Da die Presserechenklausel nicht nur für Zeitungen,sondern für den gesamten Pressebereich gilt (Verlag,Herstellung und Vertrieb von Zeitungen, Zeitschriftenund deren Bestandteile), wird auch eine größere Zahldes derzeit noch mittelständisch strukturierten Presse-grosso kontrollfrei fusionieren können, bzw. Verlagewerden sich kontrollfrei am Grosso beteiligen können.

16. Artikel 1 Nr. 31 (§ 50 Abs. 2 Satz 4 – neu – GWB)In Artikel 1 Nr. 31 ist dem § 50 Abs. 2 der folgendeSatz anzufügen:„Dies gilt nicht für informelle Kontakte außerhalb desDatennetzwerkes.“B e g r ü n d u n gDie Regelung den – inhaltlich relevanten – Geschäfts-verkehr zwischen den Landeskartellbehörden und derEuropäischen Kommission und den Wettbewerbsbe-hörden der anderen Mitgliedstaaten der EuropäischenUnion durch das Bundeskartellamt abzuwickeln, wirdvon der Sächsischen Landeskartellbehörde begrüßt.Jedoch sollte ein informeller Informationsaustausch zuEntscheidungen des europäischen Wettbewerbsrechtszwischen den obersten Landesbehörden und andererWettbewerbsbehörden der Europäischen Union auchohne Benennung des Bundeskartellamtes möglich sein.Einer einheitlichen Außenvertretung durch das Bun-deskartellamt steht dies nicht entgegen. Es ist im Sinnedes Bundes, Entscheidungen mit informellem Charak-

ter auch außerhalb des Netzwerkes über die Länder zuregeln.

17. Zu Artikel 1 Nr. 32 (§ 50c GWB)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsver-fahren auf eine gesetzliche Regelung hin zu wirken,die ausdrücklich die Erteilung von Auskünften überverfahrensbetroffene Unternehmen durch die Kartell-behörden und die Strafverfolgungsbehörden an öffent-liche Auftraggeber ermöglicht.

Öffentliche Auftraggeber richten wiederholt an dieKartellbehörden und gegebenenfalls an die Strafverfol-gungsbehörden die Bitte, die Firmennamen vonUnternehmen genannt zu bekommen, gegen die einkartellrechtliches Ermittlungsverfahren mit der hohenWahrscheinlichkeit eines Abschlusses durch Bußgeld-verhängung läuft oder gegen die bereits ein Bußgeld-bescheid ergangen ist. Gegenstand dieser Kartellver-fahren sind Preis- und Auftragsabsprachen zum Nach-teil anderer Auftraggeber. Die anfragenden Vergabe-stellen wollen anhand der erbetenen Auskünfte zeitnahprüfen, ob die betreffenden Unternehmen als unzuver-lässig im Sinne des Vergaberechts einzuordnen unddemzufolge für eine begrenzte Zeit von öffentlichenAufträgen auszuschließen seien. Die Eintragung in dasGewerbezentralregister erfolgt meist mit erheblichemAbstand zur Begehung der Kartelltaten; zudem erhal-ten die Vergabestellen keine Auskünfte über diese Ein-tragungen (arg. e contrario ex § 150a Abs. 1 Satz 1Nr. 4, Satz 2 GewO).

Für vergleichbare Fälle sehen die Vorschriften des § 5Abs. 1 Satz 3 SchwarzArbG und des § 6 Satz 3 AEntG,beide in der Fassung vom 23. Juli 2002 (BGBl. IS. 2787), ausdrücklich eine Ermächtigung der jeweilszuständigen Verfolgungsbehörde zur Auskunftsertei-lung an Vergabestellen vor. Diese spezialgesetzlichenRegelungen lassen nur den Umkehrschluss in allengleichartig gelagerten Fällen wie dem vorliegenden zu.Diese Regelungslücke sollte im Rahmen der vorliegen-den Novelle geschlossen werden.

18. Zu Artikel 1 Nr. 41 Buchstabe a (§ 65 Abs. 3 Satz 4GWB)

In Artikel 1 ist Nummer 41 wie folgt zu fassen:

„41. § 65 Abs. 5 Satz 2 wird aufgehoben.“

B e g r ü n d u n g

Die in § 65 Abs. 3 Satz 4 GWB-E vorgesehene Be-schränkung der Drittantragsbefugnis im Eilverfahrenist abzulehnen. Die im Entwurf vorgesehene Regelungführt dazu, dass ein Wettbewerber, der durch einen an-gemeldeten Zusammenschluss in seinen Interessen er-heblich berührt ist, zwar Verfahrensbeteiligter ist (§ 54Abs. 2 Nr. 3 GWB) und auch eine Hauptsachebe-schwerde (§ 63 Abs. 2 GWB) erheben kann, aber nichtim Wege des einstweiligen Rechtsschutzes verhindernkann, dennoch vor vollendete Tatsachen gestellt zuwerden.

Das GWB sieht eine präventive Fusionskontrolle vor,um das auch nur zeitweilige Entstehen von mit § 36

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 81 – Drucksache 15/3640

Abs. 1 GWB unvereinbaren Marktstrukturen zu ver-hindern und die mit der nachträglichen Auflösung sol-cher Strukturen verbundenen Schwierigkeiten zu ver-meiden. Wirtschaftspolitischer Kern der präventivenVollzugskontrolle und wichtiger Schutzmechanismusfür die durch die wettbewerbsbeschränkenden Auswir-kungen einer Fusion betroffenen Wettbewerber ist dasin § 41 GWB normierte Vollzugsverbot: Bis zur Frei-gabe durch das Bundeskartellamt (§ 40 GWB) bzw. imWege der Ministererlaubnis (§ 42 GWB) darf ein ge-planter Zusammenschluss nicht vollzogen werden undwäre ggf. unwirksam (§ 41 Abs. 1 Sätze 1 und 2GWB). Einen freigegebenen Zusammenschluss kön-nen und werden die Anmelder in der Regel sofort voll-ziehen, ohne die Bestandskraft der Freigabeentschei-dung abzuwarten.

Eine etwaige Beschwerde gegen die Freigabe hat keineaufschiebende Wirkung (§ 64 Abs. 1 GWB). Der indiesen Fällen stets zuständige Kartellsenat des Ober-landesgerichts Düsseldorf (§§ 63 Abs. 4 Satz 1, 91GWB) hat in zwei Beschlüssen im Jahre 2001 (vgl.OLG Düsseldorf WuW/E DE-R 665 ff. „NetCologne“,WuW/E DE-R 681 ff. „Trienekens“) und zuletzt imVerfahren „E.ON/Ruhrgas I“ (vgl. OLG DüsseldorfBeschluss vom 11. Juli 2002 WuW/DE-R 885 ff.) dieaufschiebende Wirkung der Beschwerden angeordnetund zugleich den Beteiligten untersagt, die angemelde-ten Zusammenschlüsse zu vollziehen. Das wird in Zu-kunft nicht mehr möglich sein. § 65 Abs. 3 Satz 4GWB-E tritt dieser Praxis in systemwidriger Weiseentgegen, indem er für die Antragsbefugnis im einst-weiligen Rechtsschutz einen anderen Maßstab ansetztals für die Beschwerdebefugnis im Hauptverfahren:Der Wettbewerber als „Dritter“ soll im Eilverfahrennur antragsbefugt sein, wenn er durch die Freigabe „inseinen Rechten verletzt“ ist, d. h. wenn er sich auf eineNorm berufen kann, die zumindest auch seinem indivi-duellen Schutz dient. Das wird ihm in den seltenstenFällen gelingen, da die Fusionskontrolle gerade nichtdem individuellen Schutz der Wettbewerber, sonderndem Wettbewerb als solchem dient.

Trotz überwiegender Erfolgsaussichten in der Haupt-sache wird das OLG Düsseldorf in Zukunft den Antrageines Wettbewerbes im Eilverfahren als unzulässig zu-rückweisen müssen. Stellt sich der Zusammenschlussam Ende eines Jahre dauernden Hauptsacheverfahrensschließlich als unzulässig heraus, kann auch eine etwa-ige Entflechtung die Auswirkungen auf Wettbewerber,Kunden und Lieferanten am Markt nicht ungeschehenmachen.

Vor dem Hintergrund der zum 1. Mai 2004 in Kraft ge-tretenen neuen europäischen Fusionskontrollverord-nung (VO (EG) Nr. 139/2004) ist zudem eine Anglei-chung des deutschen Fusionskontrollrechts zu erwar-ten. Sollte der Zielkonflikt zwischen einer möglichstschnellen Umsetzung eines freigegebenen Zusammen-schlusses und einem möglichst weit reichendenRechtsschutz zu Gunsten der Wettbewerber de legeferenda gelöst werden, dann sollte das sinnvollerweiseerst in diesem Zusammenhang in dogmatisch und sys-tematisch konsistenter Weise geschehen.

19. Zu Artikel 1 Nr. 44a – neu – (§ 74 Abs. 1 GWB)In Artikel 1 ist nach Nummer 44 folgende Nummereinzufügen:„44a. In § 74 Abs. 1 werden nach dem Wort ,Gegen‘

die Wörter ,die in der Hauptsache erlassenen‘gestrichen.“

B e g r ü n d u n gDie Rechtsbeschwerdemöglichkeiten in den §§ 74, 75GWB sollten auf Entscheidungen der Oberlandesge-richte in Verfahren um die Anordnung der sofortigenVollziehung von Verfügungen der Kartellbehörden ge-mäß § 65 GWB (Eilverfahren) erstreckt werden.Auf diese Weise können Rechtsfragen von grundsätzli-cher Bedeutung einer Entscheidung durch den Bundes-gerichtshof zugeführt werden, selbst wenn es in derHauptsache nicht mehr zu einer rechtsbeschwerdefähi-gen Entscheidung kommt. Das Gesetz beschränkt be-reits jetzt die Rechtsbeschwerde in der Hauptsache aufLeitfälle von grundsätzlicher Bedeutung (§ 74 Abs. 2GWB), um den Bundesgerichtshof zu entlasten. Der-selbe Maßstab sollte auch für Rechtsbeschwerden imEilverfahren gelten.Für die Verfahrensbeteiligten hat oft der Eilrechts-schutz faktisch eine größere Bedeutung als das Haupt-sacheverfahren. Dem wird mit der Eröffnung einerRechtsbeschwerdeinstanz im Eilverfahren Rechnunggetragen.Auf ein wettbewerbswidriges Marktverhalten einesUnternehmens müssen Wettbewerber und Kartellbe-hörden möglichst schnell und effektiv reagieren. Auchkartellrechtsgemäßes unternehmerisches Handeln(z. B. eine Fusion) verträgt meist keine langen Warte-zeiten. Ein zeitnaher höchstrichterlicher Rechtsschutzim Eilverfahren ist daher unabdingbar. Spätere Ent-scheidungen in der Hauptsache über Sachverhalte, diemöglicherweise Jahre zurückliegen, befriedigen dieBeteiligten oft nicht mehr.Gerade wenn die Eilentscheidung von einer Rechts-frage mit grundsätzlicher Bedeutung abhängt, einerichterliche Rechtsfortbildung im Raume steht oder dasentscheidungserhebliche Rechtsproblem von denOberlandesgerichten nicht einheitlich entschieden wird(vgl. § 74 Abs. 2 GWB), kann das befasste Oberlan-desgericht geneigt sein, eine richtungweisende Ent-scheidung dem Hauptsacheverfahren mit dem Ziel ei-ner höchstrichterlichen Klärung vorzubehalten. In sol-chen Fällen, in denen bisher ungeklärte Rechtsfragenentscheidungserheblich sind, kann nur die Eröffnungder Rechtsbeschwerdemöglichkeit zum Bundesge-richtshof einen effektiven zeitnahen Rechtsschutz ge-währleisten.Hebt das Oberlandesgericht eine Auskunftsverfügungder Kartellbehörde gemäß § 59 GWB auf – etwa weiles den Anfangsverdacht missbräuchlichen Handelnsverneint oder das der Auskunftsverfügung zu Grundeliegende Verfolgungskonzept der Kartellbehörde nichtbilligt –, so muss die Kartellbehörde das Missbrauchs-verfahren in der Regel einstellen. Zu einer Klärungder einschlägigen Rechtsfragen beim Bundesgerichts-

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Drucksache 15/3640 – 82 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

hof – selbst wenn diese grundsätzlicher Natur sind –kann es nicht kommen, da keine Entscheidung derKartellbehörde in der Sache ergehen und kein Haupt-sacheverfahren vor den Gerichten durchgeführt wer-den wird. Es ist unangemessen, dass faktisch dasOLG endgültig über die Berechtigung eines Miss-brauchsvorwurfs urteilt.

20. Zu Artikel 1 Nr. 47 Buchstabe e (§ 81 Abs. 6 GWB)

In Artikel 1 Nr. 47 Buchstabe e ist in § 81 der Absatz 6zu streichen.

B e g r ü n d u n g

Die beabsichtigte Einführung einer Verzinsungspflichtder im Bußgeldbescheid festgesetzten Geldbuße in§ 81 Abs. 6 GWB-E ist abzulehnen.

Eine Zinsverpflichtung ist dem deutschen Ordnungs-widrigkeits- und Strafrecht fremd. Es liegen keine trag-fähigen Gründe dafür vor, mit diesem Grundsatz zubrechen. Allein die Tatsache, dass im Kartellrecht teil-weise erhebliche Geldbußen festgesetzt werden, reichtdafür nicht aus. Die vorgesehene Einführung der Ver-zinsungspflicht stößt – soweit dadurch wie beabsichtigtvon der Einlegung von Rechtsbehelfen abgeschrecktwerden soll – auf Bedenken im Hinblick auf Artikel 19Abs. 4 GG. Zudem haben die Betroffenen keinen Ein-fluss auf die Dauer eines solchen Rechtsmittelverfah-rens.

Absatz 6 sollte daher ersatzlos gestrichen werden.

21. Zu Artikel 1 Nr. 49 (§ 82a Abs. 1, 3 – neu – GWB)

In Artikel 1 Nr. 49 ist § 82a wie folgt zu ändern:

a) Absatz 1 ist wie folgt zu fassen:

„(1) Nach Einlegung des Einspruchs bleibt das Bun-deskartellamt Verfolgungsbehörde und tritt im gericht-lichen Verfahren an die Stelle der Staatsanwaltschaft.Es legt die Akten dem nach § 83 zuständigen Gerichtvor, wenn es den Bußgeldbescheid nicht zurücknimmtund nicht nach § 69 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes überOrdnungswidrigkeiten verfährt; es vermerkt dieGründe dafür in den Akten, soweit dies nach der Sach-lage angezeigt ist. Die Entscheidung über einen Antragauf Akteneinsicht und deren Gewährung (§ 49 Abs. 1des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten und § 147Strafprozessordnung) erfolgen vor Übersendung derAkten. Das Gericht gibt der Staatsanwaltschaft Gele-genheit zur Stellungnahme. Die §§ 41, 42 und 44 desGesetzes über Ordnungswidrigkeiten gelten für das ge-richtliche Verfahren entsprechend. Die Sätze 1 bis 4finden im Falle der nach Satz 5 begründeten Zustän-digkeit der Staatsanwaltschaft keine Anwendung.“

b) Nach Absatz 2 ist folgender Absatz anzufügen:

„(3) Sofern der Bußgeldbescheid von einerobersten Landesbehörde erlassen wurde, gilt Ab-satz 1 entsprechend.“

A l s F o l g e

ist in Artikel 1 Nr. 63 § 131 Abs. 5 Satz 1 nach der An-gabe „82a Abs. 1“ die Angabe „und 3“ einzufügen.

B e g r ü n d u n gZu Buchstabe aDie Einfügung des § 82a GWB-E bezweckt eine Zu-ständigkeitskonzentration beim Bundeskartellamt auchfür den Bereich des Kartellbußgeldverfahrens. Damitsoll eine unnötige Doppelarbeit zwischen Bundeskar-tellamt und Generalstaatsanwaltschaft vermieden wer-den, was auch zu einer Entbürokratisierung beiträgt.Das Bundeskartellamt kann ein identisches Verhaltensowohl im Rahmen des Bußgeldverfahrens mit einemBußgeld belegen als auch das Verhalten im Verwal-tungsverfahren untersagen; derartige Fallgestaltungensind in der Vergangenheit bereits praktisch relevantgeworden. Im Fall des Übergangs in das jeweiligegerichtliche Verfahren nach einer Beschwerde bzw.einem Einspruch bleibt das Bundeskartellamt nach ge-genwärtiger Rechtslage im Verwaltungsverfahren vordem Oberlandesgericht und dem Bundesgerichtshofweiterhin zuständig und hat insoweit die Verfahrens-herrschaft inne; im Bußgeldverfahren gibt es jedochdie Verfahrensherrschaft an die Staatsanwaltschaft ab.Bei paralleler Verfahrensführung sind dann zweiBehörden mit der Bearbeitung eines identischen Fallsbetraut, ohne dass die Besonderheiten der jeweils ge-wählten Verfahrensart diese Doppelarbeit zu rechtferti-gen vermögen. Daraus ergibt sich die Gefahr, dassdurch das Bundeskartellamt im Kartellverwaltungsver-fahren und im parallelen Ordnungswidrigkeitenverfah-ren durch die Staatsanwaltschaft widersprüchliche Ent-scheidungen getroffen werden. Eine Zuständigkeits-konzentration beseitigt diese Problematik.Die Konzentration beim Bundeskartellamt ist zudemaus europarechtlicher Sicht geboten. In dem neuge-gründeten Netzwerk der Wettbewerbsbehörden ist eineumfassende Zusammenarbeit der Wettbewerbsbehör-den insbesondere auch in der Ermittlungsarbeit vorge-sehen. Nach bisherigem Recht konnte die Staatsan-waltschaft selbst Ermittlungen durchführen. Soweit sieden Sachverhalt als nicht ausreichend aufgeklärt erach-tete, waren eigene Ermittlungen auch angezeigt. Imneuen Recht müsste immer dann, wenn wegen der An-wendung europäischen Wettbewerbsrechts eine Zu-sammenarbeit der europäischen Wettbewerbsbehördenerforderlich ist, die Staatsanwaltschaft ebenfalls Mit-glied des Netzwerks werden. Sie wäre dann auch denPflichten im Netzwerk (vgl. Artikel 11 der Verordnung(EG) Nr. 1/2003) und dem Letztentscheidungsrecht derEuropäischen Kommission (Artikel 11 Abs. 6 der Ver-ordnung (EG) Nr. 1/2003) unterworfen. Dies erscheintnicht sachgerecht.Die Regelung in den Sätzen 5 und 6 stellt sicher, dassdie Verfolgung von Straftaten weiterhin allein durchdie Staatsanwaltschaft erfolgt.Zu Buchstabe bWenn der Bußgeldbescheid von einer obersten Landes-behörde erlassen wurde, besteht in gleicher Weise dasBedürfnis nach einer Zuständigkeitskonzentration imgerichtlichen Bußgeldverfahren wie im Fall des Bun-deskartellamts. Vor allem im Hinblick auf das Netz-werk der europäischen Wettbewerbsbehörden ist es

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 83 – Drucksache 15/3640

sachgerecht, dass die Landeskartellbehörde an Stelleder Staatsanwaltschaft (über das Bundeskartellamt)tätig wird. Absatz 1 gilt deshalb in diesen Fällen ent-sprechend.

22. Zu Artikel 1 Nr. 49 (§ 82a GWB)In Artikel 1 Nr. 49 ist § 82a wie folgt zu ändern:a) In der Überschrift sind die Wörter „und Zuständig-

keiten“ zu streichen.b) Absatz 2 ist zu streichen.A l s F o l g eist in Artikel 1 Nr. 63 in § 131 Abs. 5 der Satz 2 zustreichen.B e g r ü n d u n gDie beabsichtigte Einführung des § 82a Abs. 2GWB-E ist abzulehnen. Die Vorschrift regelt dieFrage, ob eine gerichtlich verhängte Geldbuße demLandes- oder dem Bundeshaushalt zufließen soll. Nachgeltendem Recht wird die Vollstreckung der Bußgeldernach einem gerichtlichen Verfahren durch die Vollstre-ckungsorgane der Länder durchgesetzt; die Vereinnah-mung der Gelder erfolgt durch die jeweilige Landes-kasse. Dies ist gerechtfertigt, weil dies den allgemei-nen Regeln des Ordnungswidrigkeitenrechts entsprichtund eine gerechte Verteilung von Lasten und Vorteilenzwischen Bund und Land darstellt. Die Arbeitskraftdes Kartellsenats des Oberlandesgerichts wird zu ei-nem wesentlichen Teil von den Kartellverwaltungs-sachen und Bußgeldverfahren des Bundeskartellamtesin Anspruch genommen. Ebenso wird die General-staatsanwaltschaft, die für diese Verfahren weiterhinzuständig sein wird, belastet. Der hiermit verbundenePersonal- und Sachaufwand wird durch die gericht-lichen Gebühreneinnahmen bei weitem nicht abge-golten. Nach Teil 7 der Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 GKGfallen für eine Hauptverhandlung mit Urteil Gebüh-ren in Höhe von 10 % der verhängten Geldbuße,höchstens aber 13 000 Euro, ab 1. Juli 2004 höchstens15 000 Euro (Kappungsgrenze) an.Auch in sachlicher Hinsicht ist eine Vereinnahmungder gerichtlich verhängten Bußgelder durch die Lan-deskasse gerechtfertigt. Im Bußgeldverfahren wird dasVerwaltungsverfahren (hier: durch das Bundeskartell-amt) mit dem zulässigen Einspruch gegen den Buß-geldbescheid beendet. Das Gericht trifft eine eigen-ständige Entscheidung, bei der nicht die Rechtmäßig-keit des Bußgeldbescheides überprüft wird. Der Buß-geldbescheid erhält stattdessen die Funktion einerAnklageschrift im strafrechtlichen Verfahren. Hierzukann das Gericht eigene Ermittlungen vornehmen.Sind somit in diesen Verfahren die Justizbehörden desbetreffenden Landes „Herr des Verfahrens“ und wer-den mit dieser Aufgabe belastet, so ist es nur folgerich-tig, wenn die vom Kartellsenat verhängten Geldbußender Landeskasse belassen werden.Für eine Vollstreckung der Bußgelder durch eine Bun-desoberbehörde ist ein sachlicher Grund – außer dasfiskalische Interesse des Bundes – nicht zu erkennen.Fehlen aber besondere Gründe, sollten die gerichtli-

chen Entscheidungen ohne Ausnahme nach den allge-mein geltenden Regeln durch die zuständigen Organedes Landes vollstreckt werden. Eine Sonderregel imGesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen zum Zwe-cke der Verbesserung der Finanzsituation des Bundesauf Kosten der Länder ist abzulehnen. Sie könnte auchals „Einfallstor“ für eine Neuregelung auch auf ande-ren Rechtsgebieten verstanden werden, in denen eineBundesbehörde Verfolgungsbehörde ist (z. B. §§ 31und 31a ZollVG, §§ 33 ff. AWG, §§ 13 ff. PTSG).

Die gerechte Verteilung von Lasten und Vorteilengebietet es vielmehr, dass die von den Kartellsenatenverhängten Bußgelder von den Vollstreckungsorganendes Landes zu Gunsten der Landeskasse eingezogenwerden.

Als Folge der vorgeschlagenen Streichung von § 82aAbs. 2 GWB-E wäre auch § 131 Abs. 5 Satz 2 GWB-Ezu streichen.

Für den Fall, dass im weiteren Verlauf des Gesetz-gebungsverfahrens an § 82a Abs. 2 GWB-E festgehal-ten würde, sollte die Übergangsvorschrift des § 131Abs. 5 GWB-E so formuliert werden, dass § 82aAbs. 2 GWB-E erst für nach dem Inkrafttreten anhän-gig werdende gerichtliche Bußgeldverfahren gilt.

23. Zu Artikel 1 Nr. 63 (§ 131 Abs. 1 und 2 GWB)

In Artikel 1 Nr. 63 ist § 131 wie folgt zu ändern:

a) Absatz 1 ist wie folgt zu fassen:

„(1) Freistellungen von Vereinbarungen undBeschlüssen nach § 4 Abs. 2, Freistellungen vonLizenzverträgen nach § 17 Abs. 3 und Freistellun-gen von Mittelstandsempfehlungen nach § 22Abs. 4 in der am 31. Dezember 2004 geltenden Fas-sung werden am 31. Dezember 2005, Freistellun-gen von Vereinbarungen und Beschlüssen nach § 9Abs. 3 Satz 1 und 4 in der am 31. Dezember 2004geltenden Fassung werden am 31. Dezember 2009unwirksam.“

b) Absatz 2 ist wie folgt zu ändern:

aa) Satz 1 ist wie folgt zu fassen:

„Verfügungen der Kartellbehörde, durch dieVereinbarungen und Beschlüsse nach § 10Abs. 1 in der am 31. Dezember 2004 geltendenFassung freigestellt sind, werden am 31. De-zember 2009, solche Verfügungen, durch dieWettbewerbsregeln nach § 26 Abs. 1 und 2Satz 1 in der am 31. Dezember 2004 geltendenFassung freigestellt sind, werden am 31. De-zember 2005 unwirksam.“

bb) Satz 3 ist wie folgt zu fassen:

„Bis zu den in Satz 1 genannten Zeitpunktensind § 11 Abs. 1, § 12 sowie § 26 Abs. 4 und§ 27 Abs. 5 in der am 31. Dezember 2004 gel-tenden Fassung weiter anzuwenden.“

A l s F o l g e

ist in Artikel 1 § 131 Abs. 3 zu streichen.

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Drucksache 15/3640 – 84 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

B e g r ü n d u n g

Oftmals haben Unternehmen im Vertrauen auf in Ver-waltungsverfahren legalisierte Kartelle Investitions-und andere langfristig wirkende Entscheidungen unterEinsatz erheblicher finanzieller Mittel getroffen, zumalinsbesondere die Legalisierung von Spezialisierungs-und Mittelstandskartellen nach geltendem Recht keinerBefristung unterliegt. Gleiches gilt für die gemäß § 10Abs. 1 GWB einer Genehmigungspflicht unterliegen-den Kooperationsvorhaben, wie z. B. Rationalisie-rungskartelle.

Vor diesem Hintergrund ist die in § 131 Abs. 1 und 2GWB-E insbesondere auch für diese freigestellten Kar-telle vorgesehene Übergangsfrist von einem Jahr zukurz bemessen. Im Hinblick auf den für solche Koope-rationen gebotenen Bestands- und Vertrauensschutz er-scheinen insoweit mindestens fünf Jahre angebrachtund angemessen. Dementsprechend sollte die in § 131Abs. 1 und 2 GWB-E hierfür vorgesehene Jahresfristjeweils entsprechend verlängert werden.

In den übrigen Freistellungsfällen kann es hingegen beider vorgesehenen Jahresfrist bleiben.

Als Folgeänderung wird die Regelung des § 131Abs. 3 GWB-E materiell unverändert in Absatz 2 inte-griert, so dass Absatz 3 entfallen kann.

24. Zu Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 – neu – (§ 50 Abs. 1 Satz 1GKG)

In Artikel 2 ist der Absatz 1 wie folgt zu fassen:

„(1) § 50 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes in derFassung der Bekanntmachung vom 5. Mai 2004(BGBl. I S. 718), das zuletzt durch … geändert wordenist, wird wie folgt geändert:

1. In Satz 1 ist der Punkt am Ende durch ein Kommazu ersetzen und folgende Wörter anzufügen:

,nicht jedoch über 1 000 000 Euro.‘

2. Satz 2 wird wie folgt gefasst:

,Im Verfahren … – weiter wie Vorlage – …‘ “

B e g r ü n d u n g

Bei der Kartell- und Missbrauchsaufsicht des Bundes-kartellamtes und der Landeskartellbehörden, wie auchbei der Fusionskontrolle des Bundeskartellamtes sindnach gegenwärtiger Rechtslage Streitwerte in vielfa-cher Millionenhöhe möglich, was bereits bei Be-schwerdeverfahren in erster Instanz zu Rechtsanwalts-gebühren in Höhe von mehreren 100 000 Euro führenkann. Derart hohe Rechtsanwaltsgebühren entsprechennicht mehr dem Verhältnismäßigkeitsprinzip. Die Ver-letzung des Verhältnismäßigkeitsprinzips hat den Ge-setzgeber bereits in anderen Fällen bewogen, denStreitwert gesetzlich zu begrenzen. Als Beispiele sindzu nennen Zivil-, Verwaltungs- und Sozialgerichtspro-zesse wie z. B. in §§ 48 Abs. 1 Satz 2 (250 000 Euro),48 Abs. 2 Satz 2 (1 Mio. Euro), 50 Abs. 2, 52 Abs. 4(500 000 Euro bzw. 2,5 Mio. Euro) GKG. Es gibt imGesetz also bereits Parallelfälle, in denen der Gesetz-

geber Höchststreitwerte für erforderlich hält. Auchdiese Streitwertbegrenzungen haben zumindest teil-weise den Schutz öffentlicher Haushalte zum Ziel. Soist die Streitwertbegrenzung bei Verfahren über An-sprüche nach dem Vermögensgesetz gemäß § 52Abs. 4 GKG vorwiegend im Interesse der öffentlichenHand im Falle ihres Unterliegens eingeführt worden(vgl. Materialien: Regierungsentwurf, Bundestags-drucksache 12/4801, S. 49; Hartmann, Kostengesetz,§ 13 GKG Rn. 21).

Der Schutz entfaltet sich aber auch zu Gunsten derkleineren mittelständischen Unternehmen, die in denneuen Ländern überdurchschnittlich breit vertretensind.

25. Zu Artikel 2 Abs. 7 Nr. 2 und 3 (§ 8 Abs. 3 Satz 8und 9 PBefG)

und Abs. 8 Nr. 2 und 3 (§ 12 Abs. 7 Satz 2und 3 AEG)

Artikel 2 ist wie folgt zu ändern:

a) Absatz 7 ist wie folgt zu ändern:

aa) Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

„2. In Satz 8 werden die Wörter ,, die dieseAnmeldung an die Kartellbehörde weiter-leitet‘ gestrichen.“

bb) In Nummer 3 sind die Wörter „Der neue Satz 8“durch die Angabe „Satz 9“ zu ersetzen.

b) Absatz 8 ist wie folgt zu ändern:

aa) Nummer 2 ist wie folgt zu fassen:

„2. In Satz 2 werden die Wörter ,, die dieseAnmeldung an die Kartellbehörde weiter-leitet‘ gestrichen.“

bb) In Nummer 3 sind die Wörter „Der neueSatz 2“ durch die Angabe „Satz 3“ zu ersetzen.

B e g r ü n d u n g

Zu Buchstabe a

Der Wegfall des Anmelde- und Genehmigungssystemsim GWB rechtfertigt zwar einen Verzicht auf die Wei-terleitung der Anmeldung an die Kartellbehörde, nichtaber auf einen gänzlichen Verzicht der Anmeldungauch bei der Genehmigungsbehörde. Die Genehmi-gungsbehörde hat nach Satz 1 eine aktive Funktion zurFörderung des Zusammenwirkens der Aufgabenträgerund der Verkehrsunternehmen. Zur Erfüllung dieserAufgabe bedarf es weiterhin einer umfassenden Über-sicht und der entsprechenden Kooperation, die nurdurch ein Weiterbestehen der Anmeldepflicht zu ge-währleisten ist.

Durch die teilweise Beibehaltung des bisherigen Satzes 8,muss es nun Satz 9 heißen. Zugleich entfällt damit derbisherige Satz 9, der auf den nicht mehr existenten § 12GWB verweist. Der Verweis auf § 20 Abs. 1 GWB sollja gerade den Verweis auf den bisherigen § 12 GWBersetzen.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 85 – Drucksache 15/3640

Zu Buchstabe bDer Wegfall des Anmelde- und Genehmigungssystemsim GWB rechtfertigt zwar einen Verzicht auf die Wei-terleitung der Anmeldung an die Kartellbehörde, nichtaber einen gänzlichen Verzicht der Anmeldung auchbei der Genehmigungsbehörde. Im Übrigen wird aufdie Begründung zu Buchstabe a verwiesen.Durch die teilweise Beibehaltung des bisherigen Satzes 2,muss es nun Satz 3 heißen. Zugleich entfällt damit derbisherige Satz 3, der auf den nicht mehr existenten § 12GWB verweist. Der Verweis auf § 20 Abs. 1 GWB sollja gerade den Verweis auf den bisherigen § 12 GWBersetzen.

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Drucksache 15/3640 – 86 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anlage 3

Gegenäußerung der Bundesregierung

Die Bundesregierung äußert sich zur Stellungnahme desBundesrates wie folgt:

1. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§§ 2 und 4 GWB)

Die Bundesregierung wird prüfen, ob entsprechend der An-regung des Bundesrates der Wortlaut des Gesetzentwurfsweiter vereinheitlicht werden kann.

Für eine unterschiedliche Wortwahl kann es allerdings imEinzelfall gewichtige Gründe geben. Dies gilt z. B. für dieRegelungen in den §§ 2 und 4.

Die Vorschrift des neuen § 2 Abs. 1 ist Artikel 81 Abs. 3 EGnachgebildet. Der Bundesrat weist zu Recht darauf hin, dassArtikel 81 Abs. 3 EG nach allgemeiner Auffassung auchDienstleistungen erfasst, auch wenn dies im Wortlaut derNorm nicht ausdrücklich angesprochen wird.

Demgegenüber ist der neue § 4 eine eigenständige deutscheRegelung, die sich zwar an Artikel 4 Buchstabe a Verti-kal-GVO ausrichtet, zugleich aber eine modifizierte Fortfüh-rung des bisherigen § 14 GWB darstellt. In diesem Fall kannnicht ohne weiteres die Einbeziehung von Dienstleistungenunterstellt werden, wenn dies nicht ausdrücklich im Wortlautder Vorschrift zum Ausdruck kommt. Soweit § 4 für dieFestsetzung von Höchstpreisen und Preisempfehlungen wie-derum – über die §§ 1 und 2 – auf die Vertikal-GVO ver-weist, ist dieser Verweis nicht widersprüchlich. Denn dieRegelungen der Vertikal-GVO gelten anerkanntermaßenauch für die Erbringung von Dienstleistungen (vgl. Artikel 1Buchstabe g Vertikal-GVO).

2. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 3 Abs. 2 – neu – GWB)

Die Bundesregierung hält die geforderte Klarstellung nichtfür erforderlich. Eine derartige Regelung fände ohnehin ihreGrenze am Vorrang des europäischen Wettbewerbsrechts.

§ 3 des Entwurfs übernimmt den Wortlaut des bisherigen§ 4 Abs. 1. Bei der Anwendung des § 3 ist daher die bishe-rige Entscheidungspraxis der Kartellbehörden und Gerichtezum bisherigen § 4 Abs. 1 GWB weiter verwertbar. Diesgilt auch für Preis-, Mengen- oder Quotenabsprachen imRahmen von Mittelstandskartellen. Der Vorschlag des Bun-desrates könnte im Gegenteil als Abweichung vom bisheri-gen § 4 Abs. 1 GWB gewertet werden und damit Rechtsun-sicherheit bewirken.

Die Auslegungsregel des neuen § 23 steht der Fortführungder bisherigen Entscheidungspraxis nicht entgegen. Dennnach dieser Vorschrift sind bei der Anwendung der §§ 1 bis4 und 19 die Grundsätze des europäischen Wettbewerbs-rechts zugrunde zu legen, soweit hierzu nicht in diesem Ge-setz besondere Regelungen enthalten sind. Soweit § 3 einebesondere Regelung zu der dem Artikel 81 Abs. 3 EG nach-gebildeten Regelung in § 2 darstellt, sind auf diese Vor-schrift die Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechtsnicht anzuwenden.

3. Zu Artikel 1 Nr. 4 (§ 4 GWB)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

Die Vorschrift hat über ihren Regelungsgehalt hinaus einewettbewerbspolitische Signalwirkung. Sie unterstreichtdurch ein per-se-Verbot einerseits die besondere wettbe-werbsschädliche Wirkung von Preisbindungen. Zum andernmacht sie deutlich, dass für den Umfang des Preisbindungs-verbots – insoweit abweichend vom bisherigen § 14 GWB –künftig die Vorgaben des europäischen Rechts verbindlichsind. Auf die Vorschrift sollte wegen dieser Signalwirkungnicht verzichtet werden.

Wie auch Artikel 4 Buchstabe a Vertikal-GVO erfasst § 4nur vertikale Preisbindungen der Bezieher von Waren oderDienstleistungen, nicht aber Bindungen des Lieferantenz. B. durch Meistbegünstigungsklauseln. Diese Folge istdurch europäisches Recht zwingend vorgegeben. Bindun-gen des Lieferanten beurteilen sich nach den allgemeinenRegeln der §§ 1 und 2, die Artikel 81 Abs. 1 und 3 EGnachgebildet sind. Etwaige Rechtsprechung der europäi-schen Gerichte zu Meistbegünstigungsklauseln fließt damitohne weiteres in das deutsche Recht ein (vgl. auch § 23).Durch das gleich lautende deutsche Recht wird eine Fortent-wicklung des europäischen Wettbewerbsrechts weder er-schwert noch gar verhindert. Gerade die Abweichungenvom bisherigen deutschen Recht, wie z. B. bei den Meistbe-günstigungsklauseln, zeigen, dass eine ausdrückliche Rege-lung in § 4 sinnvoll und nützlich ist.

4. Zu Artikel 1 Nr. 8 Buchstabe a – neu – (§ 20 Abs. 3Satz 1 GWB)

Die Bundesregierung stimmt dem Anliegen im Grundsatzzu. Die vorgeschlagene Formulierung würde jedoch weit inden Bereich der Preisverhandlungen hineinreichen. DieBundesregierung wird prüfen, inwieweit durch eine geeig-nete Formulierung solche unerwünschten Eingriffe in dieVerhandlungsphase zwischen den beteiligten Unternehmenvermieden werden können.

5. Zu Artikel 1 Nr. 11, 11 Buchstabe a – neu –(§ 23 GWB)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

Die Vorschrift ist nicht entbehrlich. Zwar sind die neuen§§ 1 und 2 der Vorschrift des Artikels 81 Abs. 1 und 3 EGnachgebildet. Es ist jedoch nicht sichergestellt, dass bei derAnwendung der §§ 1 und 2 die europäische Rechtsentwick-lung und Rechtsanwendungspraxis in vollem Umfang zuberücksichtigen sind. Die Rechtsprechung hat bislang einesolche Anlehnung des deutschen Wettbewerbsrechts an daseuropäische Recht abgelehnt. § 23 schafft daher insoweitRechtssicherheit im Interesse der Unternehmen, die sonstnicht bestehen würde.

Die Vorschrift führt auch nicht zu einer unzumutbaren Ver-komplizierung des Begründungszwangs. Der Umfang der

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 87 – Drucksache 15/3640

Begründungspflicht für Verfügungen der Kartellbehördenergibt sich aus § 39 VwVfG. Danach sind die tragendenGründe für die Entscheidung darzulegen. In diesem Rah-men muss die Entscheidung die maßgebliche Zugrundele-gung der Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechtsdeutlich machen. Dabei kommt es nicht auf den Gesamtum-fang der Rechtsprechung der europäischen Gerichte oderder Mitteilungen oder Leitlinien der Europäischen Kommis-sion an, sondern auf die im konkreten Fall maßgeblichenRegelungen. So kann beispielsweise bei der wettbewerbs-rechtlichen Prüfung von Einkaufskooperationen eine Ausei-nandersetzung mit den Rn. 115 bis 138 der Horizontalleitli-nien der Europäischen Kommission erforderlich sein.

Soweit es sich um zwischenstaatlich relevante Fälle handelt,die künftig auch von Landeskartellbehörden behandelt wer-den sollen, ist ohnehin das europäische Recht im vollenUmfang anzuwenden.

Der neue § 23 führt nicht zu einer normativen Festschrei-bung der europäischen Grundsätze. § 23 verweist auf daseuropäische Wettbewerbsrecht, das normativen (und vorran-gigen) Charakter hat. Entgegen der Auffassung des Bundes-rates wird auch den Leitlinien und Bekanntmachungen derEuropäischen Kommission keine „hervorgehobene rechtli-che Bedeutung“ beigemessen. Diese nicht normativen Textesind bei der Anwendung des europäischen Rechts nur zuGrunde zu legen, soweit sie an das geltende Gemeinschafts-recht anknüpfen. Dies gilt sowohl bei der unmittelbaren An-wendung des europäischen Rechts (§ 22) wie auch bei derAnwendung von § 23.

Schließlich entwertet der neue § 23 nicht die bisherige Ent-scheidungspraxis in Deutschland. Die Begründung machtvielmehr deutlich, dass die bisherige Verwaltungs- undRechtsprechungspraxis der deutschen Kartellbehörden undGerichte weiterhin eine wichtige Auslegungshilfe für dieVorschriften dieses Gesetzes darstellen, soweit nicht ein-schlägige Grundsätze des europäischen Wettbewerbsrechtsentgegenstehen.

6. Zu Artikel 1 Nr. 12 bis 14 (§ 24 ff. GWB)

Die Bundesregierung wird dem Vorschlag nicht folgen.

Die Beibehaltung des Anerkennungsverfahrens für Wettbe-werbsregeln erscheint sachgerecht. Es bietet Wirtschafts-und Berufsvereinigungen die Möglichkeit, Wettbewerbs-regeln einer präventiven Rechtskontrolle durch die Kartell-behörden zu unterziehen. Nicht zuletzt deshalb begrüßt ins-besondere die mittelständische Wirtschaft die Beibehaltungdes Anerkennungsverfahrens. Eine bloße Anmeldepflicht,wie zurzeit etwa für Konditionenempfehlungen, würdediese Sicherheit nicht bieten. Dies gilt erst recht für einebloße Veröffentlichungspflicht.

Die vorgesehene Anerkennung von Wettbewerbsregelndurch eine auf Antrag ergehende Verfügung stellt keinenBruch des nunmehr geltenden Systems der Legalausnahmedar. Denn die Anerkennung von Wettbewerbsregeln entfal-tet keine konstitutive Wirkung. Bereits nach geltendemRecht gilt dies für solche Wettbewerbsregeln, die nicht kar-tellrechtlich relevant sind. Dieser Grundsatz wird nunmehrentsprechend auf die kartellrechtliche Prüfung von Wettbe-werbsregeln erstreckt. Es wird auch nicht irreführend odersystemwidrig ein anderer Eindruck erweckt. Vielmehr stellt

die Neufassung des § 26 Abs. 1 GWB ausdrücklich klar,dass eine Anerkennung zum Inhalt hat, dass die Kartellbe-hörde von den ihr zustehenden Befugnissen keinen Ge-brauch machen wird; eine verbindliche Feststellung derRechtmäßigkeit der Wettbewerbsregeln liegt darin nicht.Damit entspricht der Inhalt einer Anerkennung einer Ent-scheidung nach § 32c des Entwurfs. Das vorgesehene Aner-kennungsverfahren bewegt sich deshalb vollständig im Rah-men des neuen Systems der Legalausnahme.

7. Zu Artikel 1 Nr. 18, 20, 21, 22 (§§ 31, 35 Abs. 2 Satz 2,§ 36 Abs. 1a und 1b und§ 38 Abs. 3 GWB)

Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass die vorge-schlagenen Änderungen des Pressekartellrechts für die Si-cherung der wirtschaftlichen Grundlage der Verlage und zurErhaltung eines funktionsfähigen Wettbewerbs zwischen ih-nen und mit anderen Medien erforderlich und angemessensind. Die Bundesregierung erwartet, dass die vorgeschlage-nen Regelungen wesentlich zu einem Fortbestand der viel-fältigen deutschen Presselandschaft beitragen werden. DieLage der Pressebranche und insbesondere der Tageszeitun-gen ist nach wie vor schwierig. Sie ist zu einem erheblichenTeil durch strukturelle Faktoren bedingt. Hierzu zählen dasendgültige Abwandern wesentlicher Anzeigenerlöse wiez. B. in das Internet und rückläufige Leserzahlen, die insbe-sondere durch ein verändertes Informationsverhalten geradejunger Menschen verursacht werden. Beide Effekte treffenkleine, mittlere und große Verlage in vergleichbarer Weise.Die Vorschläge des Regierungsentwurfs halten an den bis-herigen Anknüpfungspunkten der pressespezifischen Fu-sionskontrolle in Form besonderer Aufgreifschwellen festund sind damit systemkonform. Zusätzlich werden Rege-lungen für Anzeigenkooperationen und erweiterte Fusions-möglichkeiten für Zeitungsverlage geschaffen. Insgesamtwird damit das pressespezifische Kartellrecht praxisgerechtfortentwickelt. Eine faktische Aufhebung der Pressefusions-kontrolle wird dadurch entgegen der Einschätzung des Bun-desrates nicht bewirkt. Die vorgeschlagenen Regelungenstehen im Einklang mit den Vorgaben des europäischenWettbewerbsrechts. Die hierdurch gesetzten Grenzen wer-den beachtet.

8. Zu Artikel 1 Nr. 18 (§ 31 GWB)

Die Bundesregierung widerspricht dem Vorschlag.

Erweiterte Kooperationsmöglichkeiten im Anzeigenbereichsind für Zeitungsverlage ein wesentliches Element zurErhaltung ihrer Wettbewerbsfähigkeit. Anzeigenerlöse bil-deten traditionell ca. zwei Drittel der Gesamterlöse von Zei-tungsverlagen, tragen aber heute nur noch gut 50 % bei.Dieser Rückgang hat wesentlich auch strukturelle Gründe.Vor diesem Hintergrund eröffnet § 31 erweiterte Koopera-tionsmöglichkeiten insbesondere zwischen kleinen undmittleren Verlagen. In Betracht kommt auch die lokale Zu-sammenarbeit zwischen mittelständischen und großen Zei-tungsverlagen. Hierdurch könnten – entgegen der Auffas-sung des Bundesrates – die negativen Wirkungen der sog.Preis-/Auflagenspirale zu Lasten kleinerer und mittlererVerlage gerade vermieden werden. Die erweiterten Koope-rationsmöglichkeiten sind dementsprechend auch vom Ver-band Deutscher Lokalzeitungen ausdrücklich begrüßt wor-

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Drucksache 15/3640 – 88 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

den. Flächendeckende Absprachen großer Verlage dürften inaller Regel in den Anwendungsbereich des Artikels 81 EGVfallen und sind auf das dadurch vorgegebene Maß begrenzt.

Die Regelungen des § 3 für Mittelstandskartelle sind für diebesonderen Erfordernisse von Anzeigenkooperationen nichtausreichend. Aufgrund der relativ engen räumlichen undsachlichen Marktabgrenzung für Anzeigenmärkte über-schreiten Kooperationen in diesem Bereich wesentlich häu-figer die Grenze der Marktbeherrschung als Kooperationenin anderen Märkten. Dem ist im Hinblick auf die Besonder-heiten der Pressebranche Rechnung zu tragen. § 31 stelltdeshalb Anzeigenkooperationen auch dann frei, wenn dieGrenze der Marktbeherrschung überschritten wird. Dabei istallerdings zu beachten, dass zukünftig – nach Einschätzungder Bundesregierung – die heute schon klar erkennbare Ten-denz ständig wachsender Ausweichmöglichkeiten für Inse-renten auf andere Medien, wie z. B. das Internet, noch we-sentlich zunehmen wird. Dies kann in Zukunft zu einer wei-teren Abgrenzung der räumlichen und sachlichen Märkteführen. Die Grenze der Marktbeherrschung dürfte dann beilokalen und regionalen Kooperationen nur noch selten er-reicht werden.

Nach Auffassung der Bundesregierung ist die Begrenzungdes Anwendungsbereiches des § 31 auf Zeitungen sachge-recht und praktikabel. Zum einen sind die Zeitschriftenver-lage vom Rückgang des Anzeigengeschäftes in geringeremMaße betroffen als die Zeitungsbranche. Zum anderen istbei Zeitschriften, anders als im Zeitungsbereich, eine Ge-fährdung der Titel- und Inhaltsvielfalt, der durch Stärkungder wirtschaftlichen Basis der Verlage zur Erhaltung ihrerWettbewerbsfähigkeit entgegen zu wirken wäre, nicht er-kennbar. Eine rechtlich haltbare Abgrenzung zwischen Zei-tungen und Zeitschriften ist entgegen der Auffassung desBundesrates möglich. Die Begründung des Regierungsent-wurfs (Allgemeiner Teil, Ziffer 4 lit. h) knüpft insoweit andie in Praxis und Wissenschaft bewährten Definitionen an,siehe hierzu Löffler, Presserecht, 4. Auflage 1997, Einlei-tung Rn. 14 bis 16.

9. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 32e Abs. 1, Abs. 2 Satz 1,Abs. 3 GWB)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

Das neue Enquete-Recht des Bundeskartellamtes hatverdachtsunabhängige Untersuchungen bestimmter Wirt-schaftszweige oder – sektorübergreifend – bestimmter Ar-ten von Vereinbarungen zum Gegenstand. Jenseits derarti-ger horizontaler Untersuchungen ersetzt das Enquete-Rechtjedoch nicht – anders, als dies die Stellungnahme des Bun-desrates nahe legt – die Darlegung des Anfangsverdachts imEinzelfall.

Mit dem Enquete-Recht korrespondieren unvermeidlicher-weise entsprechende Auskunfts- und Mitwirkungspflichtender betroffenen Unternehmen. Um die Belastungen der Un-ternehmen möglichst gering zu halten, sollten daher En-queteuntersuchungen grundsätzlich nur bei einem bundes-weit, jedenfalls aber länderübergreifend relevanten Informa-tionsbedarf der Kartellbehörden durchgeführt werden. DieWirtschaft bewertet bereits die vorgeschlagene Regelung des§ 32e kritisch; umso mehr würde dies für eine Ausweitungdes Enquete-Rechts auf die Landeskartellbehörden gelten.

Die Einräumung einer Enquete-Befugnis für die Landeskar-tellbehörden ist auch nicht erforderlich, um die Übernahmeeines Falls des Bundeskartellamtes durch eine oder mehrereLandeskartellbehörden nach Maßgabe von § 49 Abs. 4 desEntwurfs mit Leben zu füllen. Die neuen Verweisungsvor-schriften haben grundsätzlich konkrete Fälle vor Augen, beidenen bereits hinreichende Verdachtsmomente vorliegen.Derartige Fälle können unabhängig von einer Enquete-Be-fugnis verwiesen werden.

10. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 32e Satz 3 – neu – GWB)Die Bundesregierung hält die vorgeschlagene Regelungnicht für erforderlich.Grundsätzlich findet das GWB auch auf Unternehmen deröffentlichen Hand Anwendung (§ 130 Abs. 1 GWB). Indiesem Rahmen sind auch die allgemeinen Regeln über dieAuskunftsbefugnisse der Kartellbehörden anwendbar. Eineausdrückliche Regelung, die an öffentlich-rechtliche Rechts-verhältnisse anknüpft, könnte daher – außerhalb diesesRegelungsbereichs – im Umkehrschluss als eine Abwei-chung von diesem Grundsatz missverstanden werden.Die Klarstellung erscheint auch in der Sache nicht zwingendnotwendig, damit die Kartellbehörden vollständige Ver-gleichsmaßstäbe für die Erbringung bestimmter Leistungenin bestimmten Branchen, etwa der Ver- oder Entsorgungs-wirtschaft erhalten können. Öffentlich-rechtliche Kunden-verhältnisse bedürfen einer Rechtsgrundlage, etwa in Formeiner Satzung, die von der Kartellbehörde – soweit erforder-lich – ohne weiteres einzusehen sind. Eine hervorgehobeneUnterstreichung der kartellbehördlichen Auskunftsbefug-nisse erscheint daher nicht erforderlich.

11. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 34 GWB)Die Bundesregierung hält grundsätzlich das Verschuldenser-fordernis als Grundlage der Vorteilsabschöpfung weiterhinfür sachgerecht. Im neuen System der Legalausnahme müs-sen die Unternehmen selbst einschätzen, ob ihr Verhalten amMarkt kartellrechtskonform ist. Damit ist – jedenfalls füreinen Übergangszeitraum – eine verstärkte Rechtsunsicher-heit der Unternehmen verbunden. In dieser Lage erscheint esunbillig, ein Unternehmen auch dann einer Vorteilsabschöp-fung auszusetzen, wenn der Kartellrechtsverstoß nicht zu-mindest fahrlässig begangen wurde.Die Bundesregierung teilt nicht die Einschätzung, dass derneue § 34 wegen des Verschuldenserfordernisses in derPraxis keine wesentliche Bedeutung erlangen wird. Dass dergeltende § 34 GWB keine wesentliche Bedeutung erlangt hat,liegt im Wesentlichen in der tatbestandsmäßigen Eingren-zung dieser Vorschrift auf die Abschöpfung des wirtschaft-lichen Vorteils bei Nichtbeachtung einer kartellbehördlichenVerfügung. Der gesamte, ab dem Kartellrechtsverstoß er-langte wirtschaftliche Vorteil wurde bislang regelmäßig imRahmen eines kartellbehördlichen Bußgeldbescheids abge-schöpft (vgl. § 17 Abs. 4 OWiG). Deshalb hat die Abschöp-fung des wirtschaftlichen Vorteils auch jetzt schon durchauspraktische Relevanz. Voraussetzung hierfür ist ein Verschul-den des Täters. In Zukunft kann die Kartellbehörde den wirt-schaftlichen Vorteil entweder im Rahmen des Bußgeld-verfahrens (vgl. § 81 Abs. 5 des Entwurfs) oder alternativaufgrund der Neufassung des § 34 abschöpfen. Für beideFälle gilt – wie bisher – ein Verschuldenserfordernis.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 89 – Drucksache 15/3640

12. Zu Artikel 1 Nr. 19 (§ 34a GWB)Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.§ 34a ist eine notwendige Ergänzung der geltenden Sank-tionsregelungen durch eine dem § 10 UWG vergleichbareRegelung zur Abschöpfung des durch Masse- oder Streu-schäden erlangten wirtschaftlichen Vorteils.Die Bundesregierung teilt nicht die Befürchtung, dass dieVerpflichtung zur Herausgabe des wirtschaftlichen Vorteilsan den Bundeshaushalt das gesamte Institut wirkungslosmache. Die Vereinnahmung des wirtschaftlichen Vorteils istnicht das entscheidende Motiv für ein Tätigwerden von Ver-bänden oder Einrichtungen. So hatte die Verbraucherzen-trale Bundesverband e. V. (vzbv) in ihrer Stellungnahmevom 28. Januar 2004 zum Referentenentwurf – im Gegen-zug zum Verzicht auf das Vorsatzerfordernis – sogar dievollständige Streichung jeglichen Aufwendungsersatzesvorgeschlagen, um mögliche Bedenken gegen die Ver-bandsklage zu zerstreuen. Dies zeigt, dass die Verbändeselbst jedenfalls die Frage des Aufwendungsersatzes nichtals entscheidend ansehen für die Effektivität der Vorteilsab-schöpfung. Vielmehr haben derartige Verbände und Einrich-tungen auch das legitime Ziel, in der Öffentlichkeit sichtbardie Interessen der Verbraucher und der Wettbewerber zuvertreten.Der Umfang des Anspruchs ist auch hinreichend bestimmt:Der Begriff des wirtschaftlichen Vorteils in den §§ 34 und34a des Entwurfs ist deckungsgleich mit dem Vorteils-begriff nach § 17 Abs. 4 OWiG. Für die Ermittlung deswirtschaftlichen Vorteils können daher die zu § 17 Abs. 4OWiG entwickelten Rechtsgrundsätze entsprechend heran-gezogen werden. In den Fällen, in denen sich die Kartellbe-hörde künftig allein auf die Sanktionierung des Kartell-rechtsverstoßes beschränkt (§ 81 Abs. 5), können sich Ver-bände und Einrichtungen bei der Berechnung des wirt-schaftlichen Vorteils als Grundlage beispielsweise an denErmittlungen der Kartellbehörde oder des Gerichts zum er-zielten Mehrerlös (vgl. § 81 Abs. 4) orientieren. Ergänzendsteht dem Gericht die Möglichkeit der Schätzung des Vor-teils nach § 287 ZPO zur Verfügung.Die rechtssystematischen Bedenken des Bundesrates gegendie Anrechnungsregelung teilt die Bundesregierung nicht.Diese Vorschrift regelt – wie sich auch aus der Begründungzu Absatz 2 ergibt – nur das Verhältnis zu individuellen Er-satzansprüchen. Eine Anrechnung von Zahlungen an denStaat ist in dieser Vorschrift nicht vorgesehen. Sind jedochZahlungen an den Staat erfolgt, durch die der wirtschaftli-che Vorteil abgeschöpft worden ist, so ist der Anspruch aufVorteilsabschöpfung durch Verbände oder Einrichtungenbereits nach Absatz 1 ausgeschlossen; insoweit genügt so-gar bereits das Ergehen der entsprechenden Anordnung.Nur so wird verhindert, dass der wirtschaftliche Vorteilmehr als einmal herausgegeben werden muss.

13. Zu Artikel 1 Nr. 20 (§ 35 Abs. 2 Satz 2 GWB)Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag nicht zu.Die Anwendbarkeit der Bagatellklausel mit einer pressespe-zifisch bestimmten Umsatzschwelle von 2 Mio. Euro stattder ansonsten geltenden 10 Mio. Euro ist eine problemge-rechte und moderate Anpassung dieser Aufgreifschwellefast 30 Jahre nach Inkrafttreten der Pressefusionskontrolle.

Der Vorschlag der Bundesregierung entspricht einem brei-ten Konsens der betroffenen Wirtschaftskreise und wird ins-besondere auch vom Verband Deutscher Lokalzeitungen,dessen Mitglieder in der Hauptsache betroffen sind, aus-drücklich unterstützt.

14. Zu Artikel 1 Nr. 21 (§ 36 Abs. 1a, 1b GWB)

Die Bundesregierung widerspricht dem Vorschlag.

Die vorgeschlagenen Ergänzungen der materiellen Beurtei-lungskriterien für Zusammenschlüsse von Zeitungsverlagentragen den Besonderheiten der Zeitungsbranche Rechnungund erweitern deren Handlungsspielräume dann, wenn diewirtschaftliche Situation der beteiligten Zeitungen diesrechtfertigt. Die Regelungen bauen insoweit auf dem Kon-zept der Sanierungsfusion auf. Ziel und Konsequenz ist dieErhaltung des wirtschaftlichen und publizistischen Wettbe-werbs auf konsolidierter Basis. Die Regelungen des GWBwerden damit nach wie vor mittelbar zur Sicherung derMeinungsvielfalt beitragen. Dieser Ansatz bewegt sich wei-terhin in dem von Artikel 74 Abs. 1 Nr. 16 GG gesetztenRahmen. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes istdementsprechend gegeben.

Die vorgeschlagenen Vorkehrungen zur Sicherung der re-daktionellen Eigenständigkeit der vom Zusammenschlussbetroffenen Zeitungen beschränken sich strikt auf struktu-relle Faktoren. Sie räumen dem Altverleger/Dritten einedurch Kapitalbeteiligung unterlegte starke Position im Hin-blick auf wesentliche Entscheidungen im Zeitungsgeschäftein. Die Bundesregierung teilt nicht die Einschätzung desBundesrates, die vorgeschlagenen Regelungen führten letzt-lich zu einem Marktaustritt der übernommenen Zeitung. DieZeitungslandschaft in einer Reihe bedeutender deutscherGroßstädte ist seit langen Jahren durch konkurrierende Zei-tungstitel aus einer Verlagsgruppe geprägt. Das ist ein Belegfür die Praxistauglichkeit des jetzt vorgeschlagenen Ansat-zes. Es ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine sol-che Verlagsstrategie zukünftig – nunmehr auf einer durchvertragliche Regelungen und Auflagen abgesichertenGrundlage – nicht mehr erfolgreich sein sollte.

Die Aufsichtsrechte und Eingriffsmöglichkeiten des Bun-deskartellamtes bei der Festschreibung und Durchsetzungder entsprechenden Auflagen/Bedingungen sind so gestal-tet, dass eine laufende Verhaltenskontrolle, die in irgendei-ner Weise verfassungsrechtlich bedenklich sein könnte, vonvornherein ausgeschlossen ist.

Entgegen der Auffassung des Bundesrates wird durch denvorgeschlagenen § 36 Abs. 1b ein praktikabler Missbrauchs-tatbestand eingeführt, der den Anwendungsbereich der Aus-nahmeregelung des § 36 Abs. 1a deutlich begrenzt. Diesekann nur dann zum Tragen kommen, wenn anhand geeig-neter Unternehmensdaten der Nachweis für die Erforderlich-keit des zu prüfenden Zusammenschlusses für die langfris-tige Sicherung der wirtschaftlichen Grundlagen der erworbe-nen oder erwerbenden Zeitung erbracht worden ist. Anzei-gen-/Beilagenerlöse pro Monatsstück sind hierfür geeigneteIndikatoren. Die Bundesregierung geht davon aus, dass beieiner Verbesserung des Anzeigengeschäftes, die jedenfallsim Hinblick auf die konjunkturellen Faktoren zu erwartenist, alsbald eine deutliche Differenzierung der entsprechen-den Erlöslage der einzelnen Verlage sichtbar werden dürfte.

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Drucksache 15/3640 – 90 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Die gewählten Indikatoren entfalten spätestens dann ihrevolle Wirksamkeit.

Die Kritik an den Regelungen zur Verhinderung regionalerZeitungsketten ist nicht gerechtfertigt. UnbestimmteRechtsbegriffe werden im GWB unter der Zielsetzung, einersich häufig wandelnden Wirtschaftswirklichkeit möglichstweitgehend gerecht zu werden, häufig verwendet. Sie wer-den auch hier durch entsprechende Rechtsanwendungspra-xis des Bundeskartellamtes und nachfolgende Rechtspre-chung bald problemgerechte Konturen gewinnen.

15. Zu Artikel 1 Nr. 22 (§ 38 Abs. 3 GWB)

Die Bundesregierung widerspricht dem Vorschlag.

Die Halbierung des Rechenfaktors auf 10 und die dadurchbewirkte Anhebung der Aufgreifschwelle für die Zusam-menschlusskontrolle bei Presseunternehmen von 25 Mio.Euro auf 50 Mio. Euro ist fast 30 Jahre nach Inkrafttretender Pressefusionskontrolle auch angesichts erheblich weitergehender Forderungen eine maßvolle Anpassung. DerVorschlag hat ebenso wie die Einführung einer Bagatell-klausel breite Unterstützung erfahren. Die Bundesregierunghält damit an dem Konzept pressespezifischer Aufgreif-schwellen ausdrücklich fest. Die Anpassung betrifft nur Zu-sammenschlüsse von kleinen und mittleren Presseunterneh-men untereinander. Für große Unternehmen, deren Umsätzedie „normale“ Aufgreifschwelle von 500 Mio. Euro errei-chen, ist sie auch im Bereich des Pressegrosso bedeutungs-los. Die Kritik des Bundesrates, durch die Anhebung könneeine größere Zahl von Pressegrossisten untereinander fusio-nieren, trifft nicht zu. Die weit überwiegende Zahl der Gros-sounternehmen erzielt Umsätze über 25 Mio. Euro (Durch-schnitt 2002: 37,6 Mio. Euro). Damit wären auch künftignur wenige Zusammenschlüsse von Grossisten untereinan-der kontrollfrei. Davon abgesehen haben solche Fusionen inder Praxis des Bundeskartellamtes selten Probleme aufge-worfen.

16. Zu Artikel 1 Nr. 31 (§ 50 Abs. 2 Satz 4 – neu – GWB)

Die Bundesregierung hält die geforderte Klarstellung nichtfür erforderlich.

§ 50 Abs. 2 des Entwurfs bezieht sich lediglich auf dieDurchführung des förmlichen Geschäftsverkehrs mit derEuropäischen Kommission oder anderen europäischenWettbewerbsbehörden im Rahmen des Netzwerks. Rein in-formelle Kontakte der Landeskartellbehörden mit der Euro-päischen Kommission oder ausländischen Wettbewerbsbe-hörden werden von der Vorschrift nicht erfasst. Dies wird inder Begründung zu § 50 Abs. 2 klargestellt.

17. Zu Artikel 1 Nr. 32 (§ 50c GWB)

Die Bundesregierung hat grundsätzliches Verständnis fürdas Anliegen des Bundesrates, dass öffentliche Auftragge-ber in die Lage versetzt werden sollen, die nach § 97 Abs. 4GWB vorzunehmende Prüfung der Zuverlässigkeit von Un-ternehmen zeitnah auch unter Berücksichtigung kartell-rechtlicher Aspekte durchführen zu können. Dies ist imKern jedoch eine vergaberechtliche Frage. Die Bundesre-gierung hält es daher für sachgerechter, dieser Prüfbittenicht im Rahmen dieser GWB-Novelle nachzukommen,sondern im Zusammenhang mit der vorgesehenen Ver-

schlankung des Vergaberechts, die das Vergaberecht umfas-send auf den Prüfstand stellt (vgl. Kabinettsbeschluss vom12. Mai 2004 über Eckpunkte für eine Verschlankung desVergaberechts).

18. Zu Artikel 1 Nr. 41 Buchstabe a (§ 65 Abs. 3 Satz 4GWB)

Die Bundesregierung hält an ihrem Vorschlag fest.

Bei der Entscheidung über den einstweiligen Rechtsschutzgegen Freigabeentscheidungen des Bundeskartellamtes undMinistererlaubnisse stehen sich die Interessen der Drit-ten an einem wirksamen Rechtsschutz und die Interessender Fusionsparteien an einem raschen Vollzug der Fusiongegenüber. Derzeit haben die Interessen der Dritten im vor-läufigen Rechtsschutzverfahren ein übermäßiges Gewicht.Dritte können bereits dann eine Fusion durch vorläufigenRechtsschutz blockieren, wenn sie beigeladen sind unddurch die Fusion in ihren Interessen beschwert sind. Nachder Praxis des OLG Düsseldorf muss vorläufiger Rechts-schutz sogar dann gewährt werden, wenn der behaupteteRechtsverstoß eine Norm betrifft, die nicht die Belange derDritten schützt.

Nach der Konzeption des Gesetzes sind die Dritten abergrundsätzlich weniger schutzwürdig. Dies ergibt sich bereitsdaraus, dass die Kartellbehörde über die Beiladung eine Er-messensentscheidung trifft. Es gibt damit keinen Rechtsan-spruch Dritter auf Beiladung und damit auf vorläufigenRechtsschutz.

Die Fusionsparteien tragen dagegen das volle finanzielleund unternehmerische Risiko für ihr Vorhaben. Da es für dieRealisierung einer Fusion häufig nur ein enges Zeitfenstergibt, bedeutet vorläufiger Rechtsschutz gegen die Freigabein vielen Fällen die Gefahr eines endgültigen Scheiterns derFusion. Nach der gesetzlichen Regelung haben die Fusions-partner bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungennicht nur einen Anspruch auf Genehmigung der Fusion,sondern auch auf eine rasche verbindliche Entscheidung derKartellbehörde. Die derzeitige Regelung stellt daher eineunangemessene, nicht interessengerechte Behinderung vonFusionen – und damit von Investitionen in Deutschland –dar.

Die Beigeladenen werden auch nicht vor vollendete Tatsa-chen gestellt, da die Beschwerdeberechtigung in der Haupt-sache bestehen bleibt. Eine rechtswidrige Freigabe mussvom Gericht aufgehoben und die Fusion vom Bundeskar-tellamt rückabgewickelt werden. Dagegen besteht die Ge-fahr, dass die Fusionsparteien vor vollendete Tatsachen ge-stellt werden, wenn ihre Fusion aufgrund einer Ausset-zungsentscheidung im vorläufigen Verfahren blockiert wird,obwohl sich im Nachgang womöglich die Rechtmäßigkeitder Freigabe herausstellt.

Die künftig vorgesehenen Anforderungen an die Antragsbe-fugnis entsprechen den Voraussetzungen des vorläufigenRechtsschutzes im allgemeinen Verwaltungsprozessrecht.Damit stellt die vorgeschlagene Regelung keinen System-bruch dar. Wenn man an der einheitlichen Behandlung vonRechtsschutz im einstweiligen Verfahren und in der Haupt-sache festhalten wollte, müsste die Regelung für das Haupt-sacheverfahren entsprechend angepasst werden. Dies würdeaber den Rechtsschutz Dritter gegen Freigabeentscheidun-

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gen des Bundeskartellamtes und Ministererlaubnisse innoch viel stärkerem Maße einschränken.

Es ist sachgerecht, die notwendigen Änderungen für denvorläufigen Rechtsschutz in der Fusionskontrolle jetzt vor-zusehen. Die am 1. Mai 2004 in Kraft getretene Fusions-kontrollverordnung (VO (EG) 139/2004) führt nicht zueinem über die bereits vorgesehenen Regelungen hinausge-henden Anpassungsbedarf für das deutsche Recht, so dassnicht auf eine spätere Novelle verwiesen werden kann.

19. Zu Artikel 1 Nr. 44 Buchstabe a – neu –(§ 74 Abs. 1 GWB)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

Eine Rechtsbeschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungender Oberlandesgerichte in Verfahren um die Anordnung dersofortigen Vollziehung von Verfügungen der Kartellbehör-den gemäß § 65 GWB (Eilverfahren) wäre systemwidrig.Die Rechtsbeschwerde ist in Verfahren des vorläufigenRechtsschutzes im Bereich der ZPO generell ausgeschlos-sen. Dies ist durch Artikel 1 Nr. 21 des vom DeutschenBundestag am 2. Juli 2004 beschlossenen 1. Justizmoderni-sierungsgesetzes (Bundesratsdrucksache 537/04) auch fürdie Rechtsbeschwerde klargestellt worden. Entsprechendesgilt für das verwaltungsgerichtliche Verfahren. Die Über-prüfung von Eilentscheidungen durch den Bundesgerichts-hof in Kartellverfahren würde dem grundsätzlichen Anlie-gen einer Beschleunigung und Konzentration der Verfahrenwidersprechen.

Für die gerichtliche Überprüfung von Auskunftsverlangender Kartellbehörden gelten die gleichen Gesichtspunkte.Eine Rechtsbeschwerde zum letztinstanzlichen Gericht istin solchen Verfahren, die nicht die Hauptsache betreffen, inkeiner Verfahrensordnung vorgesehen.

20. Zu Artikel 1 Nr. 47 Buchstabe e (§ 81 Abs. 6 GWB)

Die Bundesregierung lehnt den Vorschlag ab.

Die Gründe, die – abweichend vom übrigen Ordnungswid-rigkeiten- und Strafrecht – eine Verzinsungspflicht im Be-reich der Kartellordnungswidrigkeiten sinnvoll erscheinenlassen, sind in der Begründung ausführlich dargelegt wor-den. Nur in Kartellverfahren wegen verbotener Kartellab-sprachen werden regelmäßig Bußgelder in Millionenhöheverhängt. Der Anreiz für Unternehmen, allein aus Gründender Zinsersparnis Einspruch einzulegen, ist daher außeror-dentlich hoch. Die Erfahrung zeigt, dass dies auch tatsäch-lich geschieht. Die Zinspflicht soll diesen Anreiz zumindesteinschränken.

21. Zu Artikel 1 Nr. 49 (§ 82a Abs. 1, 3 – neu – GWB)

Die Bundesregierung lehnt die Forderung ab.

Der Ausschluss der Staatsanwaltschaft als Verfolgungsbe-hörde in gerichtlichen Bußgeldverfahren wäre eine system-widrige Abweichung von den für alle Bußgeldverfahrengeltenden Regeln, insbesondere von § 69 Abs. 3 OWiG. Erwäre auch im Hinblick auf die Sachleitungsbefugnis derStaatsanwaltschaft, die prüfen muss, ob Anhaltspunkte füreine verfolgbare Straftat vorhanden sind, sachlich nicht zurechtfertigen. Kriminelles Verhalten ist bei wettbewerbsbe-

schränkenden Absprachen zwischen Unternehmen keineAusnahme. Es zu ahnden ist die originäre Aufgabe derStrafverfolgungs-, nicht der Verwaltungsbehörde. Fehlent-scheidungen können in diesem Bereich erhebliche Konse-quenzen nach sich ziehen: Wird eine Straftat lediglich alsOrdnungswidrigkeit verfolgt, tritt eine Sperrwirkung ein;die Strafklage ist verbraucht. Angesichts dieser Wirkungwäre nicht zu rechtfertigen, die Staatsanwaltschaft durch dieKartellbehörde zu ersetzen.

Im Übrigen sind das Wesen des gerichtlichen Bußgeldver-fahrens und dessen Unterschiede zum kartellrechtlichenVerwaltungsverfahren zu beachten: Beim Bußgeldverfahrengeht es um ein Sanktionsverfahren, dass sich grundsätzlichnach den Regeln der Strafprozessordnung richtet (§§ 46Abs. 1, 71 Abs. 1 OWiG); die Zuständigkeit der Staatsan-waltschaft im gerichtlichen Verfahren ist damit zugleichAusdruck der verfahrensrechtlichen Kompetenz der Staats-anwaltschaft in diesem Bereich. Dass es im Verwaltungs-und Bußgeldverfahren zu unterschiedlichen Entscheidungenkommen kann, liegt an den unterschiedlichen Verfahrens-zwecken und würde sich auch nicht bei Annahme des Vor-schlages des Bundesrats ändern, da auch in diesem Falle dieLetztentscheidungskompetenz dem Gericht und nicht derVerwaltungsbehörde obläge.

Die vom Bundesrat vorgeschlagene Regelung ist auch nichtaus europarechtlichen Gründen erforderlich. Die netzwerk-relevanten Vorschriften der EU-Kartellverfahrensverord-nung VO (EG) Nr. 1/2003 finden im Rahmen eines Rechts-mittelverfahrens keine Anwendung (vgl. Artikel 35 Abs. 3Satz 2 VO (EG) Nr. 1/2003). Eine andere Auslegung derVerordnung erscheint zwar vertretbar, ist aber keinesfallszwingend.

22. Zu Artikel 1 Nr. 49 (§ 82a GWB)

Die Bundesregierung hält an ihrem Vorschlag fest.

In Verfahren, in denen das Bundeskartellamt den Bußgeld-bescheid erlassen hat, ist es sachgerecht, dass es selbst dieVollstreckung des Bescheids übernimmt. Die Tatsache, dassder Bescheid vom Gericht überprüft und im Ergebnis ganzoder teilweise bestätigt worden ist, stellt keinen sachlichenGrund dar, die Vollstreckung auf eine Landesbehörde zuübertragen.

Hinsichtlich der Vereinnahmung der Geldbußen bleibt dieZuständigkeit der Länder unberührt, soweit Landeskartellbe-hörden im Vorverfahren tätig geworden sind. So fließenbeispielsweise Erlöse aus gerichtlichen Bußgeldentscheidun-gen, die das OLG Düsseldorf infolge von Einsprüchen gegenBußgeldbescheide der Landeskartellbehörde Nordrhein-Westfalen erlässt, weiterhin der Landeskasse Nordrhein-Westfalen zu. Dieses Ergebnis ist jedoch dann nicht mehrsachgerecht, wenn im Vorverfahren das Bundeskartellamttätig geworden ist. Denn den größten Teil des Personal- undSachaufwandes zur Verfolgung von Kartellordnungswidrig-keiten tragen die jeweiligen Kartellbehörden, bei län-derübergreifenden Sachverhalten somit das Bundeskartell-amt. Es ist deshalb angemessen, dass das Aufkommen derGeldbußen, die auf das Tätigwerden des Bundeskartellamteszurückzuführen sind, unabhängig von einer gerichtlichenÜberprüfung in allen Fällen der Bundeskasse zukommt.

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Drucksache 15/3640 – 92 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

23. Zu Artikel 1 Nr. 63 (§ 131 Abs. 1 und 2 GWB)Die Bundesregierung vermag sich dem Vorschlag nicht an-zuschließen.Eine Verlängerung des Bestandsschutzes von Freistellungenfür Widerspruchskartelle nach § 9 Abs. 3 und 4 GWB sowiefür Einzelfreistellungen nach § 10 Abs. 1 GWB auf insge-samt 5 Jahre wäre unangemessen lang. Grundsätzlich stehtein Bestandsschutz für Freistellungen ohnehin unter demVorbehalt des europäischen Rechts. Soweit freigestelltezwischenstaatlich relevante Vereinbarungen nicht mit demeuropäischen Wettbewerbsrecht vereinbar sein sollten, setztsich das europäische Wettbewerbsrecht durch. Aber auchfür Freistellungen, die allein dem deutschen Recht unterfal-len, erscheint eine 5-jährige Übergangsfrist zu lang. Dabeiist zu berücksichtigen, dass das Auslaufen der Übergangs-frist nicht den Wegfall der Freistellung zur Folge hat. Viel-mehr ist innerhalb der Übergangsfrist zu prüfen, ob die be-treffende Vereinbarung nach den §§ 2 oder 3 gesetzlich frei-gestellt ist. In den weitaus meisten Fällen wird dies der Fallsein. Dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit der Unterneh-men wird durch eine einjährige Übergangfrist hinreichendRechnung getragen.

24. Zu Artikel 2 Abs. 1 Nr. 1 – neu – (§ 50 Abs. 1 Satz 1GKG)

Die Bundesregierung unterstützt den Vorschlag nicht.Soweit der Schutz der öffentlichen Haushalte vor unange-messenen Belastungen durch Gerichts- und Anwaltskostenoder die bloße Verhinderung unverhältnismäßig hoherRechtsanwaltsgebühren im Vordergrund steht, wird dies imRahmen des am 1. Juli 2004 in Kraft getretenen Kosten-rechtsmodernisierungsgesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl. IS. 718) durch eine Begrenzung des Streit- bzw. Gegen-standswerts auf generell 30 Mio. Euro gewährleistet (vgl.§ 39 Abs. 2 GKG und § 22 Abs. 2 RVG). Darüber hinausge-hende Begrenzungen des Streit- und Gegenstandswerts sindnicht erforderlich.Zwar enthält das Gerichtskostengesetz einige weitere Streit-bzw. Gegenstandswertbegrenzungen. Hauptziel ist in diesenFällen aber, in besonders begründeten Fällen einen effekti-ven Rechtsschutz des Bürgers durch die Verhinderung pro-hibitiv hoher Gerichts- oder Anwaltskosten zu gewährleis-ten. Dies gilt besonders für Verfahren vor den Sozialgerich-ten oder bei der Geltendmachung von Ansprüchen nachdem Vermögensgesetz (vgl. § 50 Abs. 2 GKG). Vergleich-bare Gründe sind für eine zusätzliche Streitwertbegrenzungim Bereich des Wettbewerbsrechts nicht erkennbar.

25. Zu Artikel 2 Abs. 7 Nr. 2 und 3 (§ 8 Abs. 3 Satz 8und 9 PBefG)

und Abs. 8 Nr. 2 und 3 (§ 12 Abs. 7 Satz 2und 3 AEG):

Die Bundesregierung stimmt der vorgeschlagenen Ände-rung zu.

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