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Deutscher Bundestag Drucksache 15/2494 15. Wahlperiode 12. 02. 2004 Gesetzentwurf des Bundesrates Entwurf eines … Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts (… Betreuungsrechtsänderungsgesetz – … BtÄndG) A. Problem und Ziel Das zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz konnte in seiner praktischen Umsetzung die Erwartungen in wesentlichen Bereichen nicht erfül- len: Die Betreuungsfallzahlen sind übermäßig gestiegen, da die Prinzipien der Reform von 1992 nicht hinreichend umgesetzt werden. Der erhebliche Verfahrensaufwand für die Erstellung und Prüfung der Ver- gütungsabrechnungen der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer ver- braucht wertvolle personelle und finanzielle Ressourcen, ohne dass dies den betroffenen Menschen zugute kommt. Betroffene und ihre Familien sind im hohen Maße dadurch beeinträchtigt, dass ein erhebliches bürokratisches Verfahren notwendig ist, um im Regelfall einen nahen Angehörigen zum Betreuer zu bestellen. Viele Betroffene setzen Betreuung nach wie vor mit Bevormundung gleich. Die Kosten im Betreuungsrecht sind seit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes ohne Bezug zur Entwicklung der Fallzahlen explosionsartig gestiegen. Der Gesetzentwurf dient dazu, die aufgezeigten Missstände zu beseitigen. Dazu ist es notwendig, den Prinzipien der Reform von 1992 hinreichende Geltung zu verschaffen, den bürokratischen Aufwand auf das Notwendige zu minimieren und das Vergütungsrecht zu reformieren. B. Lösung Der Entwurf sieht im Wesentlichen Folgendes vor: Die Vorsorgevollmacht als privatautonome Regelung wird gestärkt. Eine gesetzliche Vertretungsmacht insbesondere für Ehegatten wird einge- führt. Der Vorrang des freien Willens eines jeden Menschen als Ausdruck seiner Würde und seines Selbstbestimmungsrechts wird klargestellt. Das Prinzip der Rehabilitation wird konkretisiert. Die Vergütung von Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern wird pauscha- liert.

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Deutscher Bundestag Drucksache 15/249415. Wahlperiode 12. 02. 2004

Gesetzentwurfdes Bundesrates

Entwurf eines…Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts(… Betreuungsrechtsänderungsgesetz –… BtÄndG)

A. Problem und ZielDas zum 1. Januar 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz konnte in seinerpraktischen Umsetzung die Erwartungen in wesentlichen Bereichen nicht erfül-len:

– Die Betreuungsfallzahlen sind übermäßig gestiegen, da die Prinzipien derReform von 1992 nicht hinreichend umgesetzt werden.

– Der erhebliche Verfahrensaufwand für die Erstellung und Prüfung der Ver-gütungsabrechnungen der Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuer ver-braucht wertvolle personelle und finanzielle Ressourcen, ohne dass dies denbetroffenenMenschen zugute kommt.

– Betroffene und ihre Familien sind im hohen Maße dadurch beeinträchtigt,dass ein erhebliches bürokratisches Verfahren notwendig ist, um im Regelfalleinen nahen Angehörigen zum Betreuer zu bestellen.

– Viele Betroffene setzen Betreuung nach wie vor mit Bevormundung gleich.

– DieKosten imBetreuungsrecht sind seit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzesohne Bezug zur Entwicklung der Fallzahlen explosionsartig gestiegen.

Der Gesetzentwurf dient dazu, die aufgezeigten Missstände zu beseitigen. Dazuist es notwendig, den Prinzipien der Reform von 1992 hinreichende Geltung zuverschaffen, den bürokratischen Aufwand auf das Notwendige zu minimierenund das Vergütungsrecht zu reformieren.

B. LösungDer Entwurf sieht imWesentlichen Folgendes vor:

– Die Vorsorgevollmacht als privatautonome Regelung wird gestärkt.

– Eine gesetzliche Vertretungsmacht insbesondere für Ehegatten wird einge-führt.

– Der Vorrang des freien Willens eines jeden Menschen als Ausdruck seinerWürde und seines Selbstbestimmungsrechts wird klargestellt.

– Das Prinzip der Rehabilitation wird konkretisiert.

– Die Vergütung von Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern wird pauscha-liert.

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Drucksache 15/2494 – 2 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

C. AlternativenKeine

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen HaushalteFür den Bund, die Länder und die Kommunen fallen keine Kosten an. Die Ver-meidung von Betreuungsverfahren durch die Stärkung des Rechtsinstituts derVorsorgevollmacht und die Einführung einer gesetzlichen Vertretungsmacht fürnahe Angehörige führt vielmehr zu einer Entlastung der Länder (Gerichtsverfah-ren) und der Kommunen (Erstellung von Sozialberichten).

E. Sonstige KostenFür dieWirtschaft, insbesondere für mittlere und kleine Unternehmen, entstehenkeine Kosten. Der Verwaltungsaufwand der Banken und Sparkassen bei der Um-setzung der gesetzlichen Vertretungsmacht ist nicht höher als bei der Bestellungeines Betreuers, der zur Verwaltung eines Girokontos ermächtigt ist. Auswirkun-gen auf Einzelpreise, auf das Preisniveau und insbesondere das Verbraucher-preisniveau sind deshalb nicht zu erwarten.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 3 – Drucksache 15/2494

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 5 – Drucksache 15/2494

Anlage 1

Entwurf eines…Gesetzes zur Änderung des Betreuungsrechts(… Betreuungsrechtsänderungsgesetz –… BtÄndG)

Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates dasfolgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1Änderung des BürgerlichenGesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch in der Fassung der Bekannt-machung vom 2. Januar 2002 (BGBl. I S. 42, 2909; 2003 IS. 738), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:1. Die Inhaltsübersicht wird wie folgt geändert:

a) Die Angabe zu § 1358 wird wie folgt gefasst:„§ 1358 Vertretung durch Ehegatten für die Vermö-

genssorge“.b) Nach der Angabe zu § 1358 wird in einer neuen Zeile

folgende Angabe eingefügt:„§ 1358a Vertretung durch Ehegatten für die Gesund-

heitssorge“.c) Nach der Angabe zu § 1618a wird in einer neuen Zeile

folgende Angabe eingefügt:„§ 1618b Vertretung durch Angehörige für die Ge-

sundheitssorge“.d) Nach der Angabe zu § 1906 wird in einer neuen Zeile

folgende Angabe eingefügt:„§ 1906a Genehmigung des Vormundschaftsgerichts

bei der zwangsweisen Zuführung zur ärztli-chen Heilbehandlung“.

e) In den Angaben zu den §§ 1908e und 1908h werdenjeweils die Wörter „Aufwendungsersatz und Vergü-tung“ durch die Wörter „Vergütung und Aufwandsent-schädigung“ ersetzt.

f) Im Buch 4. Familienrecht Abschnitt 3 Titel 2. Recht-liche Betreuung werden nach der Angabe zu § 1908kjeweils in einer neuen Zeile folgende Angaben einge-fügt:„§ 1908l Pauschale Vergütung des Berufsbetreuers§ 1908m Sonderfälle der Betreuung§ 1908n Aufwandsentschädigung§ 1908o Abrechnungszeitraum; Mitteilungspflicht;

Anspruch gegen die Staatskasse“.2. Nach § 1357 werden folgende §§ 1358 und 1358a ein-

gefügt:„§ 1358

Vertretung durch Ehegatten für die Vermögenssorge(1) Ist ein Ehegatte infolge einer Krankheit oder Behin-

derung nicht in der Lage, seine Rechte und Pflichtenselbst wahrzunehmen und hat er weder eine andere Per-son für ihn zu handeln bevollmächtigt noch ist ein Be-

treuer bestellt, kann ihn der andere Ehegatte nach Maß-gabe des Absatzes 2 gerichtlich und außergerichtlich ver-treten. Dies gilt nicht, wenn die Ehegatten getrennt lebenoder der Ehegatte einen entgegenstehenden Willen ge-äußert hat.

(2) Der andere Ehegatte kann

1. innerhalb von jeweils 30 Tagen über ein Guthaben aufeinem Girokonto des berechtigten Ehegatten bis zueiner Höhe von 3 000 Euro und über Guthaben auseinmaligen Geldleistungen nach den §§ 18 bis 29 desErsten Buches Sozialgesetzbuch, privater Kranken-versicherer sowie beamtenrechtlicher Beihilfestellenverfügen, Abrechnungen, Kontoauszüge und Mittei-lungen entgegennehmen und anerkennen; unterhältder berechtigte Ehegatte Girokonten bei einem oderverschiedenen Kreditinstituten, gilt der in Satz 1 ge-nannte Höchstbetrag für jedes Girokonto gesondert;

2. Leistungen nach den §§ 18 bis 29 des Ersten BuchesSozialgesetzbuch, nach dem Opferentschädigungsge-setz, dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grund-sicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, ausprivaten Krankenversicherungen, beamtenrechtlicherBeihilfe, Leistungen der betrieblichen Altersversor-gung und aus einem Altersvorsorgevertrag im Sinnedes Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzesgeltend machen, entgegennehmen und über sie verfü-gen;

3. für den berechtigten bzw. verpflichteten EhegattenErklärungen hinsichtlich der Einkommensteuer, derKirchensteuer und des Solidaritätszuschlags ein-schließlich der damit im Zusammenhang stehendensteuerlichen Nebenleistungen abgeben, Erstattungenentgegennehmen und darüber verfügen;

4. ein Mietverhältnis, an dem der Ehegatte als Mieterbeteiligt ist, kündigen oder aufheben, in dessen Na-men einen Heimvertrag abschließen und Rechte undPflichten aus einem Heimvertrag wahrnehmen.§ 1907 Abs. 1 und 3 gilt entsprechend.

(3) Der andere Ehegatte gilt als vertretungsberechtigt,wenn er dem, gegenüber dem eine Willenserklärung ab-zugeben ist,

1. schriftlich erklärt,

a) mit dem verhinderten Ehegatten verheiratet zusein,

b) nicht getrennt zu leben,

c) dass ihm das Vorliegen einer Vollmacht oder Be-treuung nicht bekannt ist,

d) dass der verhinderte Ehegatte einen der Vertretungentgegenstehenden Willen nicht geäußert hat und

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Drucksache 15/2494 – 6 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2. ein ärztliches Zeugnis über die Handlungsunfähigkeitdes verhinderten Ehegatten vorlegt. Das Zeugnis mussbescheinigen, dass eine persönliche Untersuchung vornicht länger als sechs Monaten stattgefunden hat undbei der Untersuchung soweit möglich ihr Zweck erläu-tert wurde.

Dies gilt nicht, wenn derjenige, gegenüber dem eineWillenserklärung abzugeben ist, das Fehlen der Voraus-setzungen des Absatzes 1 kennt oder kennen muss.

§ 1358aVertretung durch Ehegatten für die Gesundheitssorge

(1) Unter den Voraussetzungen des § 1358 Abs. 1 kannein Ehegatte für den verhinderten Ehegatten Erklärungenabgeben, die auf die Vornahme einer Untersuchung desGesundheitszustandes, einer Heilbehandlung oder einesärztlichen Eingriffs gerichtet sind. § 1904 Abs. 1 gilt ent-sprechend.

(2) Der andere Ehegatte gilt als erklärungsbefugt, wenner dem Arzt schriftlich erklärt,

1. mit dem verhinderten Ehegatten verheiratet zu sein,

2. nicht getrennt zu leben,

3. dass ihm das Vorliegen einer Vollmacht oder Betreu-ung nicht bekannt ist,

4. dass ihm ein entgegenstehender Wille des Ehegattennicht bekannt ist.

Dies gilt nicht, wenn der Arzt das Fehlen der Vorausset-zungen des Absatzes 1 kennt oder kennen muss.“

3. Nach § 1618a wird folgender § 1618b eingefügt:

„§ 1618bVertretung durch Angehörige für die Gesundheitssorge

(1) § 1358a Abs. 1 gilt im Verhältnis von Eltern undihren volljährigen Kindern entsprechend, es sei denn, esist ein erklärungsbefugter Ehegatte oder Lebenspartnervorhanden. Kinder sind vor Eltern erklärungsbefugt. Beimehreren gleichrangigen Angehörigen genügt die Erklä-rung eines von ihnen; es ist jedoch der Widerspruch einesjeden von ihnen beachtlich. Ist ein vorrangiger Angehöri-ger innerhalb angemessener Zeit nicht erreichbar, genügtdie Erklärung des nächst erreichbaren nachrangigen An-gehörigen.

(2) Ein Angehöriger im Sinne von Absatz 1 gilt als er-klärungsbefugt, wenn er dem Arzt schriftlich erklärt,

1. vor- oder zumindest gleichrangiger Angehöriger imSinne des Absatzes 1 Satz 1 bis 3 zu sein,

2. dass ihm das Vorliegen einer Vollmacht oder Betreu-ung nicht bekannt ist und

3. dass ihm weder ein entgegenstehender Wille desBetroffenen noch ein Widerspruch eines gleichrangi-gen Angehörigen bekannt ist.

Im Falle des Absatzes 1 Satz 4 hat der nachrangige Ange-hörige abweichend von Satz 1 Nr. 1 zu erklären, Angehö-riger im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 zu sein und dass dervorrangige Angehörige innerhalb angemessener Zeit

nicht erreichbar ist. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, wennder Arzt das Fehlen der Voraussetzungen des Absatzes 1kennt oder kennen muss.“

4. In § 1791a Abs. 1 Satz 2 wird vor dem Wort „Einzelvor-mund“ das Wort „ehrenamtlicher“ eingefügt.

5. In § 1791b Abs. 1 Satz 1 wird vor dem Wort „Einzelvor-mund“ das Wort „ehrenamtlicher“ eingefügt.

6. § 1896 wird wie folgt geändert:

a) Nach Absatz 1 wird folgender Absatz 1a eingefügt:

„(1a) Gegen den freien Willen des Volljährigendarf ein Betreuer nicht bestellt werden.“

b) In Absatz 2 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

„Die Betreuung ist nicht erforderlich, soweit die An-gelegenheiten des Volljährigen

1. durch einen Bevollmächtigten, der nicht zu denin § 1897 Abs. 3 bezeichneten Personen gehört,oder

2. durch einen hierzu befugten Angehörigen in denFällen der §§ 1358, 1358a und 1618b oder

3. durch andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicherVertreter bestellt wird, ebenso gut wie durcheinen Betreuer besorgt werden können.“

7. § 1897 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 7 wird folgender Satz angefügt:

„Die zuständige Behörde soll die Person auffordern,ein Führungszeugnis und eine Auskunft aus demSchuldnerverzeichnis vorzulegen.“

b) Folgender Absatz 8 wird angefügt:

„(8) Wird eine Person unter den Voraussetzungendes Absatzes 6 Satz 1 bestellt, hat sie sich über Zahlund Umfang der von ihr berufsmäßig geführten Be-treuungen zu erklären.“

8. § 1899 wird wie folgt geändert:

a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:

„Mehrere Betreuer, die eine Vergütung erhalten,werden außer in den in den Absätzen 2 und 4 sowie§ 1908i Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1792 ge-regelten Fällen nicht bestellt.“

b) In Absatz 4 werden die Wörter „oder ihm die Besor-gung überträgt“ gestrichen.

9. In § 1901 werden Absatz 4 folgende Sätze angefügt:

„Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, hat der Be-treuer in geeigneten Fällen zu Beginn der Betreuungeinen Betreuungsplan zu erstellen. In dem Betreuungs-plan sind die Ziele der Betreuung und die zu ihrer Errei-chung zu ergreifenden Maßnahmen darzustellen.“

10. Dem § 1901a wird folgender Satz angefügt:

„Satz 1 gilt entsprechend für Schriftstücke, in denen derBetroffene eine andere Person mit der Wahrnehmungseiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat.“

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 7 – Drucksache 15/2494

11. Nach § 1906 wird folgender § 1906a eingefügt:

㤠1906aGenehmigung des Vormundschaftsgerichts bei der

zwangsweisen Zuführung zur ärztlichenHeilbehandlung

Eine zwangsweise Zuführung des Betreuten zur am-bulanten ärztlichen Heilbehandlung durch den Betreuerist nur zulässig, solange sie zum Wohl des Betreutennotwendig ist, weil

1. der Betreute auf Grund einer psychischen Krankheitoder geistigen oder seelischen Behinderung die Not-wendigkeit der Behandlung nicht erkennen odernicht nach dieser Einsicht handeln kann und

2. die Gefahr besteht, dass er sich der notwendigen am-bulanten ärztlichen Heilbehandlung entzieht.

Die zwangsweise Zuführung ist nur mit Genehmigungdes Vormundschaftsgerichts zulässig. § 1906 Abs. 3und 5 Satz 1 gilt entsprechend.“

12. In § 1908b Abs. 1 wird nach Satz 1 folgender Satz ein-gefügt:

„Ein wichtiger Grund liegt auch vor, wenn der Betreuereine erforderliche Abrechnung vorsätzlich falsch erteilthat.“

13. § 1908e wird wie folgt gefasst:

„§ 1908eVergütung und Aufwandsentschädigung für Vereine

(1) Ist ein Vereinsbetreuer bestellt, so kann der VereinVergütung und Aufwandsentschädigung nach den§§ 1908l bis 1908o verlangen. § 1836 Abs. 1 Satz 2und 3, § 1908m Abs. 2 sowie § 1908n Satz 2 findenkeine Anwendung. Allgemeine Verwaltungskostenwerden nicht ersetzt.

(2) Der Vereinsbetreuer selbst kann keine Rechtenach den §§ 1908l bis 1908o geltend machen.“

14. § 1908f wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 Nr. 2 werden nach den Wörtern „fortbil-det und“ die Wörter „sie sowie Bevollmächtigte undgesetzliche Vertreter nach den §§ 1358, 1358a,1618b und § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsge-setzes“ eingefügt.

b) In Absatz 2 wird das Wort „Bundesland“ durch dasWort „Land“ ersetzt.

c) Folgender Absatz 4 wird angefügt:

„(4) Die anerkannten Betreuungsvereine könnenim Einzelfall Personen bei der Errichtung einer Vor-sorgevollmacht beraten.“

15. § 1908h wird wie folgt gefasst:

„§ 1908hVergütung und Aufwandsentschädigung für

Behördenbetreuer

(1) Ist ein Behördenbetreuer bestellt, so kann der zu-ständigen Behörde eine Vergütung nach § 1908m Abs. 2bewilligt werden, soweit eine Inanspruchnahme des Be-treuten nach § 1836c zulässig ist.

(2) Unabhängig von den Voraussetzungen des§ 1908m Abs. 2 kann die Behörde eine Aufwandsent-schädigung in sinngemäßer Anwendung des § 1908nSatz 1 verlangen, soweit eine Inanspruchnahme des Be-treuten nach § 1836c zulässig ist. § 1835 Abs. 5 Satz 2gilt entsprechend. § 1908n Satz 3 findet keine Anwen-dung.

(3) Der Behördenbetreuer selbst kann keine Rechtenach den §§ 1908l bis 1908o geltend machen.“

16. § 1908i wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 wird Satz 1 wie folgt gefasst:

„Im Übrigen sind auf die Betreuung § 1632 Abs. 1bis 3, §§ 1784, 1787 Abs. 1, § 1791a Abs. 3 Satz 1Halbsatz 2 und Satz 2, §§ 1792, 1795 bis 1797 Abs. 1Satz 2, §§ 1798, 1799, 1802, 1803, 1805 bis 1821,1822 Nr. 1 bis 4, 6 bis 13, §§ 1823 bis 1826, 1828 bis1834, 1835a, 1836 Abs. 1, 2 Satz 1 und 4, Abs. 4,§§ 1836c bis 1836e, 1837 Abs. 1 bis 3, §§ 1839 bis1843, 1845, 1846, 1857a, 1888, 1890 bis 1895 sinn-gemäß anzuwenden.“

b) In Absatz 2 wird nach Satz 1 folgender Satz einge-fügt:„§ 1835 ist sinngemäß anzuwenden, wenn dem Be-treuer keine Vergütung zusteht.“

17. In § 1908k Abs. 1 werden die Nummern 2 und 3 aufge-hoben.

18. Nach § 1908k werden folgende §§ 1908l bis 1908o ein-gefügt:

„§ 1908lPauschale Vergütung des Berufsbetreuers

(1) Wird die Betreuung berufsmäßig geführt, ist derzu vergütende Zeitaufwand1. in den ersten drei Monaten der Betreuung mit vier-

einhalb,2. im vierten bis sechsten Monat mit dreieinhalb,3. im siebten bis zwölften Monat mit drei,4. danach mit zweiStunden im Monat anzusetzen.

(2) Hat der Betreute seinen gewöhnlichen Aufenthaltnicht in einem Heim, beträgt der pauschale Stundenan-satz1. in den ersten drei Monaten der Betreuung sieben,2. im vierten bis sechsten Monat fünfeinhalb,3. im siebten bis zwölften Monat fünf,4. danach dreieinhalbStunden im Monat.Heime im Sinne dieser Vorschrift sind Einrichtungen,die dem Zweck dienen, Volljährige aufzunehmen, ihnenWohnraum zu überlassen sowie tatsächliche Betreuungund Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzu-halten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahlder Bewohnerinnen und Bewohner unabhängig sindund entgeltlich betrieben werden. § 1 Abs. 2 des Heim-gesetzes gilt entsprechend.

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Drucksache 15/2494 – 8 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

(3) Für die Berechnung der Monate nach den Absät-zen 1 und 2 gelten § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alter-native 1 entsprechend. Ändern sich Umstände, die sichauf die Vergütung auswirken, vor Ablauf eines vollenMonats, so ist der Stundenansatz zeitanteilig nachTagen zu berechnen; § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 1 gel-ten entsprechend. Die sich dabei ergebenden Stunden-sätze sind auf volle Zehntel aufzurunden.

(4) Die Höhe des Stundensatzes bestimmt sich nachden für die Betreuung nutzbaren Fachkenntnissen desBetreuers sowie nach der Schwierigkeit der Betreuerge-schäfte. Ist der Betreute mittellos, bestimmt sich dieHöhe des Stundensatzes nach § 1 des Gesetzes über dieVergütung von Berufsvormündern.

§ 1908mSonderfälle der Betreuung

(1) Abweichend von § 1908l Abs. 1 und 2 bemisstsich die Vergütung des Berufsbetreuers in den Fällendes § 1899 Abs. 2 und 4 nach der für die Führung derBetreuung aufgewandten und erforderlichen Zeit. Ist imFalle des § 1899 Abs. 4 die Verhinderung tatsächlicherArt, so ist die nach § 1908l zu bemessende Vergütungnach Tagen zu teilen; § 1908l Abs. 3 Satz 3, § 187Abs. 1 und § 188 Abs. 1 gelten entsprechend.

(2) Wird die Betreuung nicht berufsmäßig geführt, sokann das Gericht dem Betreuer gleichwohl eine Vergü-tung nach Absatz 1 sowie nach § 1908l bewilligen, so-weit der Umfang oder die Schwierigkeit der Betreu-ungsgeschäfte dies rechtfertigen; dies gilt nicht, wennder Betreute mittellos ist.

§ 1908nAufwandsentschädigung

Erhält der Betreuer eine Vergütung, so hat das Vor-mundschaftsgericht mit der Vergütung eine pauschaleAufwandsentschädigung in Höhe von 3 Euro für jedenach den §§ 1908l und 1908m angesetzte Stunde zu be-willigen. Für nicht voll anzusetzende Stunden ist derentsprechende anteilige Betrag zu bewilligen. Die ge-sonderte Geltendmachung von Aufwendungen imSinne von § 1835 Abs. 3 bleibt unberührt. In den Fällendes § 1908m Abs. 1 Satz 1 kann der Betreuer stattdesseneinen Aufwendungsersatz nach § 1835 beanspruchen.

§ 1908oAbrechnungszeitraum; Mitteilungspflicht;

Anspruch gegen die Staatskasse

(1) Der Betreuer kann die Vergütung und die Auf-wandsentschädigung nach Ablauf von jeweils dreiMonaten für diesen Zeitraum geltend machen.

(2) Änderungen, die sich auf die Vergütung auswir-ken können, hat der Betreuer unverzüglich dem Vor-mundschaftsgericht mitzuteilen.

(3) Ist der Betreute mittellos, kann der Betreuer Ver-gütung und Aufwandsentschädigung aus der Staats-kasse verlangen.“

Artikel 2

Änderung desMelderechtsrahmengesetzes

Dem § 11 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassungder Bekanntmachung vom 19. April 2002 (BGBl. I S. 1342),das zuletzt durch … geändert worden ist, wird folgender Ab-satz 7 angefügt:

„(7) Durch Landesrecht kann bestimmt werden, dass sichdie nach den Absätzen 1 bis 3 melde- und auskunftspflichtigePerson durch eine hierzu bevollmächtigte Person vertretenlassen kann; in diesem Fall muss die Vollmacht öffentlichoder nach § 6 Abs. 2 des Betreuungsbehördengesetzes durchdie Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde beglaubigtsein.“

Artikel 3

Änderung des Passgesetzes

In § 6 des Passgesetzes vom 19. April 1986 (BGBl. IS. 537), das zuletzt durch … geändert worden ist, wird Ab-satz 1 wie folgt geändert:

a) In Satz 4 wird der abschließende Punkt durch ein Semiko-lon ersetzt und folgender Halbsatz angefügt:

„dies gilt nicht für Passbewerber, die handlungs- oder ge-schäftsunfähig sind und eine für diesen Fall wirksam er-teilte, öffentlich oder nach § 6 Abs. 2 des Betreuungsbe-hördengesetzes durch die Urkundsperson bei der Betreu-ungsbehörde beglaubigte Vollmacht in schriftlicher Formnachweisen.“

b) In Satz 5 werden nach den Wörtern „die geschäftsunfähigsind“ die Wörter „und sich nicht nach Satz 4 Halbsatz 2durch eine bevollmächtigte Person vertreten lassen“ ein-gefügt.

Artikel 4

Änderung des Rechtspflegergesetzes

Das Rechtspflegergesetz vom 5. November 1969 (BGBl. IS. 2065), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. In § 14 Abs. 1 Nr. 4 wird die Angabe „§ 1906“ durch dieAngabe „§ 1906a“ ersetzt.

2. Nach § 18 wird folgender § 19 eingefügt:

㤠19

Die Landesregierungen werden ermächtigt, die in § 14Abs. 1 Nr. 4 bestimmten Richtervorbehalte ganz oder teil-weise aufzuheben, soweit sie nicht die Verrichtungen aufGrund der §§ 1903 bis 1906a des Bürgerlichen Gesetz-buchs und von § 68 Abs. 3 und § 68b Abs. 3 des Gesetzesüber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbar-keit betreffen. Die Landesregierungen können die Er-mächtigung auf die Landesjustizverwaltungen übertra-gen.“

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 9 – Drucksache 15/2494

Artikel 5Änderung der Zivilprozessordnung

In § 51 Abs. 1 der Zivilprozessordnung in der im Bundes-gesetzblatt Teil III, Gliederungsnummer 310-4, veröffent-lichen bereinigten Fassung, die zuletzt durch … geändertworden ist, werden die Wörter „(gesetzliche Vertreter)“ ge-strichen.

Artikel 6Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten

der freiwilligen GerichtsbarkeitDas Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen

Gerichtsbarkeit in der im Bundesgesetzblatt Teil III, Gliede-rungsnummer 315-1, veröffentlichten bereinigten Fassung,zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. § 65a wird wie folgt geändert:

a) Absatz 1 wird wie folgt geändert:

aa) Satz 1 wird wie folgt gefasst:

„Für die Abgabe an ein anderes Vormundschafts-gericht gelten § 46 Abs. 1 Halbsatz 1, Abs. 2Satz 1 Alternative 1 und Abs. 2 Satz 2, § 36Abs. 2 Satz 2 entsprechend.“

bb) In Satz 2 wird der abschließende Punkt durch einSemikolon ersetzt und folgender Halbsatz ange-fügt:

„der Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltssteht ein tatsächlicher Aufenthalt von mehr als ei-nem Jahr an einem anderen Ort gleich.“

b) Absatz 2 wird wie folgt gefasst:

„(2) Vor der Abgabe ist dem Betroffenen und demBetreuer, sofern der Betroffene einen solchen bereitserhalten hat, Gelegenheit zur Äußerung zu geben.“

2. § 67 wird wie folgt geändert:

a) In Absatz 1 wird nach Satz 5 folgender Satz eingefügt:

„§ 1897 Abs. 6 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchsgilt entsprechend.“

b) In Absatz 3 wird Satz 2 durch folgende Sätze ersetzt:

„Sie bestimmen sich in entsprechender Anwendungder Vorschriften für Betreuer, mit Ausnahme der in§ 1908i in Bezug genommenen § 1835 Abs. 3 und 4und § 1835a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, mit derMaßgabe, dass die Vergütung des berufsmäßigen Pfle-gers sich nach der für die Führung der Pflegschaft auf-gewandten Zeit bemisst und die Aufwandsentschä-digung sich nach § 1835 Abs. 1, 2 und 5 des Bürger-lichen Gesetzbuchs richtet. § 1836b Satz 1 Nr. 1 undSatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs findet entspre-chende Anwendung. Die Höhe der zu bewilligendenVergütung ist stets nach Maßgabe des § 1 des Gesetzesüber die Vergütung von Berufsvormündern zu bemes-sen.“

3. In § 68b Abs. 1 werden nach Satz 1 folgende Sätze einge-fügt:

„Von einer Einholung eines Gutachtens kann abgesehenwerden, soweit durch Verwertung eines durch einen Sach-verständigen nach Anhörung und persönlicher Untersu-chung in einem anderen Verfahren erstellten Gutachtensfestgestellt werden kann, inwieweit eine psychischeKrankheit oder eine geistige oder seelische Behinderungvorliegt. Über die im Sozialgesetzbuch bezeichnetenZwecke der Verarbeitung personenbezogener Daten hin-aus sind die darin genannten Leistungsträger, Verbändeund öffentlich-rechtlichen Vereinigungen sowie derMedizinische Dienst der Krankenversicherung auf Ver-langen des Vormundschaftsgerichtes verpflichtet, Gut-achten und gutachtliche Stellungnahmen zu Zwecken derBestellung eines Betreuers zu übermitteln. § 76 des Zehn-ten Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberührt. Mit Ein-verständnis des Betroffenen kann unter den Vorausset-zungen des Satzes 2 auf eine Begutachtung insgesamtverzichtet werden, wenn die sonstigen Voraussetzungenfür die Bestellung eines Betreuers zweifellos feststehen.“

4. § 69d wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 Satz 2 wird die Angabe „§§ 1904, 1907

Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs“ durch dieAngabe „§ 1358a Abs. 1, § 1618b Abs. 1, §§ 1904,1907 Abs. 1 und 3 des Bürgerlichen Gesetzbuchs so-wie § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes“ er-setzt.

b) In Absatz 2 Satz 1 wird nach dem Wort „Betreuers“ dieAngabe „, eines gesetzlichen Vertreters nach den§§ 1358a, 1618b des Bürgerlichen Gesetzbuchs und§ 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes“ einge-fügt.

5. In § 69g Abs. 1 Satz 2 werden nach dem Wort „geltend,“die Wörter „der Betreuer habe eine Abrechnung vorsätz-lich falsch erteilt oder“ eingefügt.

6. § 69i wird wie folgt geändert:a) In Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 1 wird nach den Wörtern

„dieser Verfahrenshandlungen“ die Angabe „unbe-schadet des § 68b Abs. 1 Satz 2 und 5“ eingefügt.

b) In Absatz 4 wird die Angabe „§ 68b Abs. 1 Satz 2“durch die Angabe „§ 68b Abs. 1 Satz 6“ ersetzt.

7. Der Überschrift des 2. Abschnitts Unterabschnitt IV wer-den folgende Wörter angefügt:„; Genehmigung der zwangsweisen Zuführung zur ärztli-chen Heilbehandlung“.

8. § 70 wird wie folgt geändert:a) In Absatz 2 wird Satz 2 wie folgt gefasst:

„Ist ein solches Verfahren nicht anhängig, so findet§ 65 Abs. 1 bis 3 entsprechende Anwendung.“

b) In Absatz 3 wird Satz 1 wie folgt gefasst:„Das Vormundschaftsgericht kann das Verfahren überdie Unterbringungsmaßnahme nach Anhörung des ge-setzlichen Vertreters und des Betroffenen an das Ge-richt abgeben, in dessen Bezirk sich der Betroffeneaufhält und die Unterbringungsmaßnahme vollzogenwerden soll, wenn sich das Gericht zur Übernahme desVerfahrens bereit erklärt hat; § 46 Abs. 1 Alternative 1gilt entsprechend.“

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Drucksache 15/2494 – 10 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

9. Nach § 70n wird folgender § 70o eingefügt:„§ 70o

(1) Für die Genehmigung der zwangsweisen Zufüh-rung zur ärztlichen Heilbehandlung nach § 1906a desBürgerlichen Gesetzbuchs gelten die Vorschriften diesesUnterabschnitts entsprechend.

(2) Die Entscheidung, durch die eine zwangsweise Zu-führung zur ärztlichen Heilbehandlung genehmigt wird,muss enthalten1. die Bezeichnung des Betroffenen,2. die nähere Bezeichnung der notwendigen Maßnahme,3. den Zeitraum, während dessen der Zwang zur Zufüh-

rung ausgeübt werden kann; dieser Zeitraum darfhöchstens sechs Monate, bei offensichtlich längererBehandlungsbedürftigkeit höchstens ein Jahr betra-gen,

4. eine Rechtsmittelbelehrung.(3) Die Entscheidung ist auch im Falle der Ablehnung

zu begründen.“

Artikel 7Änderung des Einführungsgesetzes zum

BürgerlichenGesetzbucheDem Artikel 229 des Einführungsgesetzes zum Bürger-

lichen Gesetzbuche in der Fassung der Bekanntmachungvom 21. September 1994 (BGBl. I S. 2494, 1997 I S. 1061),das zuletzt durch … geändert worden ist, wird folgender § 10angefügt:

„§ 10Übergangsvorschrift zum … Betreuungsrechts-

änderungsgesetz vom …Die Vergütungs- und Aufwendungsersatzansprüche

von Betreuern, die vor dem 1. Januar 2005 entstandensind, richten sich nach den bisherigen Vorschriften.“

Artikel 8Änderung des Lebenspartnerschaftsgesetzes

In § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes vom16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), das zuletzt durch … geän-dert worden ist, wird die Angabe „§ 1357“ durch die Angabe„Die §§ 1357 bis 1358a“ ersetzt.

Artikel 9Änderung des Betreuungsbehördengesetzes

Das Betreuungsbehördengesetz in der Fassung der Be-kanntmachung vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002,2025), zuletzt geändert durch …, wird wie folgt geändert:1. § 4 wird wie folgt gefasst:

„§ 4Die Behörde berät und unterstützt die Betreuer, die Be-

vollmächtigten und gesetzlichen Vertreter nach den

§§ 1358, 1358a, 1618b des Bürgerlichen Gesetzbuchsund § 8 Abs. 2 des Lebenspartnerschaftsgesetzes auf ih-ren Wunsch bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben, dieBetreuer insbesondere auch bei der Erstellung des Betreu-ungsplanes.“

2. § 6 wird wie folgt geändert:

a) Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.

b) Folgende Absätze 2 bis 6 werden angefügt:

„(2) Die Urkundsperson bei der Betreuungsbehördeist befugt, Unterschriften oder Handzeichen auf Vor-sorgevollmachten oder Betreuungsverfügungen zubeglaubigen. Dies gilt nicht für Unterschriften oderHandzeichen ohne dazugehörigen Text. Die Zustän-digkeit der Notare, anderer Personen oder sonstigerStellen für öffentliche Beurkundungen und Beglaubi-gungen bleibt unberührt.

(3) Die Urkundsperson soll eine Beglaubigungnicht vornehmen, wenn ihr in der betreffenden Ange-legenheit die Vertretung eines Beteiligten obliegt.

(4) Die Betreuungsbehörde hat geeignete Beamteund Angestellte zur Wahrnehmung der Aufgaben nachAbsatz 2 zu ermächtigen. Die Länder können Nähereshinsichtlich der fachlichen Anforderungen an diesePersonen regeln.

(5) Für jede Beglaubigung nach Absatz 2 wird eineGebühr von 10 Euro erhoben; Auslagen werden ge-sondert nicht erhoben. Aus Gründen der Billigkeitkann von der Erhebung der Gebühr im Einzelfall ab-gesehen werden.

(6) Die Landesregierungen werden ermächtigt,durch Rechtsverordnung die Gebühren und Auslagenfür die Beratung und Beglaubigung abweichend vonAbsatz 5 zu regeln. Die Landesregierungen könnendie Ermächtigung nach Satz 1 durch Rechtsverord-nung auf die Landesjustizverwaltungen übertragen.“

3. § 8 wird wie folgt geändert:

a) In Satz 3 werden nach dem Wort „Betreuer“ die Wör-ter „oder Verfahrenspfleger“ eingefügt.

b) Folgender Satz wird angefügt:

„Die Behörde teilt dem Vormundschaftsgericht denUmfang der berufsmäßig geführten Betreuungen mit.“

Artikel 10Änderung des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch– Sozialverwaltung und Sozialdatenschutz –

Das Zehnte Buch Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungs-verfahren und Sozialdatenschutz – in der Fassung der Be-kanntmachung vom 18. Januar 2001 (BGBl. I S. 130), zuletztgeändert durch …, wird wie folgt geändert:

1. In der Inhaltsübersicht wird nach der Angabe zu § 74 ineiner neuen Zeile folgende Angabe eingefügt:

„§ 74a Übermittlung für die Durchführung von Betreu-ungsverfahren“.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 11 – Drucksache 15/2494

2. Nach § 74 wird folgender § 74a eingefügt:„§ 74a

Übermittlung für die Durchführungeines Betreuungsverfahrens

Auf Verlangen eines Gerichts sind in den Verfahrennach § 68b Abs. 1 Satz 3 und § 69i Abs. 1 Satz 2 Halb-satz 1 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwil-ligen Gerichtsbarkeit zum Zwecke der Bestellung einesBetreuers oder zur Erweiterung des Aufgabenkreiseseines Betreuers Gutachten und gutachtliche Stellung-nahmen einschließlich der darin enthaltenen Sozialdatenzu übermitteln.“

3. In § 76 Abs. 2 Nr. 2 wird der abschließende Punkt gestri-chen und wird die Angabe „und des § 74a.“ angefügt.

Artikel 11Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt vorbehaltlich des Absatzes 2 am Tagnach seiner Verkündung in Kraft.

(2) Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe d bis f und Nr. 8, 11, 13 bis 16und 18 tritt am 1. Januar 2005 in Kraft.

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Drucksache 15/2494 – 12 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Begründung

A. Allgemeines

1. Anlass und Ziel der ReformDie Erwartungen in das zum 1. Januar 1992 in Kraft getreteneBetreuungsgesetz (BtG) haben sich nicht vollständig erfüllt:Die Betreuungsfallzahlen sind erheblich gestiegen. Vor dem1. Januar 1992 bestanden ca. 250 000 Erwachsenenvormund-schaften und -pflegschaften in den alten Ländern. Zum31. Dezember 2002 war einschließlich der neuen Länder fürmehr als eine Million Menschen ein Betreuer bestellt. DieseEntwicklung kann allein durch die demografischen Verände-rungen und das Zerbrechen familiärer Strukturen nicht er-klärt werden. Sie widerspricht vielmehr dem Erforderlich-keitsprinzip, das geschaffen wurde, um der Bestellung einesBetreuers und der damit verbundenen Entrechtung engeGrenzen zu ziehen.Zugleich ist die Zentrierung des Betreuungsrechts auf justizi-elle Verfahren und richterliche Entscheidung zu kritisieren.Die Justizlastigkeit des Verfahrens erschwert die Umsetzungder Prinzipien des BtG und macht das Betreuungsverfahreninsbesondere für ehrenamtlich Tätige zu einer schwerfälligenund mühsamen Angelegenheit.Schließlich sind die Kosten der Länder für das Betreuungs-verfahren überproportional zur Entwicklung der Betreuungs-fälle explosionsartig gestiegen. Eine entsprechende Verbes-serung der Situation der Betroffenen steht dem nicht gegen-über.Um Missstände zu beseitigen, hat bereits die Konferenz derJustizministerinnen und Justizminister im November 1994einstimmig folgenden Beschluss gefasst:„Die Konferenz der Justizministerinnen und -minister hält esfür erforderlich, im Hinblick auf die Erfahrungen der Praxisseit Inkrafttreten des Betreuungsgesetzes am 1. Januar 1992einzelne Bestimmungen des Verfahrensrechts in Betreuungs-und Unterbringungssachen zu ändern, ohne hierbei den Kernder mit der Reform eingeführten Vorschriften in Frage zustellen.“Die daraufhin eingeleitete Reformdiskussion mündete in denGesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Be-treuungsrechts sowie weiterer Vorschriften (Betreuungs-rechtsänderungsgesetz – BtÄndG) vom 20. Dezember 1996(Bundestagsdrucksache 13/7158). In der Begründung desEntwurfs wird ausgeführt, dass die mit dem am 1. Januar1992 in Kraft getretenen Betreuungsgesetz gewonnenenpraktischen Erfahrungen in einzelnen Bereichen eine Über-arbeitung angezeigt erscheinen lassen. Dies gelte insbeson-dere für die Vorschriften über die Vergütung von Betreuernsowie für einzelne Regelungen über das gerichtliche Verfah-ren. Deshalb werde empfohlen, die Vergütungsregelungen zupräzisieren und dadurch ihre leichte und einheitliche Hand-habung zu gewährleisten.Der Gesetzentwurf wurde schließlich mit Änderungen am29. Mai 1998 verabschiedet. Im Anschluss an die Schlussab-stimmung nahm der Deutsche Bundestag folgende Entschlie-ßung an (Bundestagsdrucksache 13/10331, S. 4):

„Die Erwartungen, die der Gesetzgeber mit dem am 1. Januar1992 in Kraft getretenen Betreuungsrecht verbunden hat, ha-ben sich nicht in allen Punkten erfüllt; insbesondere gilt diesfür die Hoffnung, es würden sich genügend ehrenamtlicheBetreuer auch im außerfamiliären Bereich finden. Im Lichteveränderter demographischer und finanzpolitischer Rahmen-bedingungen sind zudem strukturelle Nachteile des Betreu-ungsrechts erkennbar geworden, denen mittelfristig durchstrukturelle Änderungen begegnet werden muss.Der Deutsche Bundestag bittet deshalb die Bundesregierung,gemeinsam mit dem Parlament vor dem Hintergrund dergemachten Erfahrungen nach Wegen zu suchen, auf denen– nicht allein mit den Mitteln des bürgerlichen Betreuungs-rechts, sondern unter Einbeziehung des sozialrechtlichenInstrumentariums – hilfsbedürftigen Menschen langfristigrechtliche Betreuung ebenso verbürgt werden kann, wie tat-sächliche Zuwendung und Fürsorge.“Vor diesem Hintergrund hat die 72. Konferenz der Justiz-ministerinnen und -minister im Juni 2001 beschlossen, dieBund-Länder-Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“ unter demVorsitz des Justizministeriums des Landes Nordrhein-West-falen einzusetzen. Aufgabe dieser Arbeitsgruppe war es, un-ter Auswertung der bisher in den Ländern gewonnenen Er-fahrungen konkrete Lösungsvorschläge zur Änderung desBetreuungsrechts zu erarbeiten, die dazu beitragen, die Zahlder Betreuungsfälle zu reduzieren, fehlgeleitete Ressourcenim Interesse der eigentlichen Betreuungsarbeit zu bündelnund die Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht der Betrof-fenen auf das Notwendige zu beschränken.Die Arbeitsgruppe hat sich im August 2001 konstituiert undim Juni 2003 ihren Abschlussbericht vorgelegt. Dieser ent-hält Gesetzesvorschläge und Handlungsempfehlungen u. a.zu folgenden Themen:– Stärkung der Vorsorgevollmacht– Gesetzliche Vertretungsmacht– Erforderlichkeit– Verfahrensrecht– Pauschalierung der Vergütung und des Aufwendungs-

ersatzes– Überwachung im jetzigen System– Stärkung der Aufsicht im Betreuungsrecht– Übertragung richterlicher Aufgaben auf den Rechts-

pfleger.Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung derEmpfehlungen der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, soweit sieBundesrecht betreffen. Ziel ist es, die Prinzipien des Betreu-ungsrechtes zu verwirklichen und ihre hinreichende Umset-zung zu gewährleisten.

2. Stand der öffentlichen ErörterungIm politischen Bereich besteht sowohl über die Notwendig-keit und Dringlichkeit der Reform als auch der wesentlichenReformziele Übereinstimmung.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 13 – Drucksache 15/2494

Die von der Konferenz der Justiministerinnen und Justiz-minister eingesetzte Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“ unterBeteiligung der Bundesministerin der Justiz hat die Reform-ziele in ihrem Zwischenbericht vom Juni 2002 entwickelt,den die Konferenz der Justizministerinnen und Justizministereinstimmig gebilligt hat. Die Ergebnisse des Zwischenbe-richts sind in vielen Fachveranstaltungen mit allen im Be-treuungsbereich tätigen Professionen eingehend diskutiertworden. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse hat die Ar-beitsgruppe in ihren weiteren Beratungen berücksichtigt.

Im Juni 2003 hat die Arbeitsgruppe ihre Ergebnisse vorge-stellt. Der Abschlussbericht enthält umfangreiche Gesetzes-vorschläge und Handlungsempfehlungen, die die Konferenzder Justizministerinnen und Justizminister einstimmig gebil-ligt hat.

Zu den bundesrechtlich umzusetzenden Gesetzesvorschlä-gen ist den im Betreuungswesen tätigen Institutionen, denBerufsverbänden und der Rechtswissenschaft Gelegenheitzur schriftlichen Stellungnahme und mündlichen Erörterunggegeben worden. Zahlreiche Organisationen und die Rechts-wissenschaft haben diese Möglichkeit wahrgenommen undVorschläge unterbreitet. Eine Aufzählung würde den Rah-men einer Entwurfsbegründung überschreiten.

3. Mängel des geltenden Rechts

Die Prinzipien des BtG konnten bisher nicht vollständig ver-wirklicht werden:

Erforderlichkeit

Das Prinzip der Erforderlichkeit prägt das gesamte Betreu-ungsrecht (§ 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2; § 1901Abs. 1 und 5; § 1903 Abs. 1 Satz 1; § 1906 Abs. 1; §§ 1908a,1908d BGB; § 69 Abs. 1 Nr. 5 FGG). Eine Betreuung darfnur und insoweit angeordnet werden, wie der Betroffeneseine rechtlichen Angelegenheiten selbst nicht mehr verant-wortlich regeln kann (§ 1896 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1BGB). Die Aufgabenkreise des Betreuers sind dementspre-chend eng zu fassen und auf die konkreten Belange des Be-troffenen abzustimmen. Darüber hinaus ist eine Betreuungnach dem Prinzip der Subsidiarität nicht erforderlich, soweitandere Hilfestellungen vorhanden sind, die die Tätigkeiteines Betreuers entbehrlich machen (§ 1896 Abs. 2 Satz 2BGB). Das ist der Fall, wenn der Betroffene für die von ihmnicht mehr wahrnehmbaren Aufgabenbereiche eine Vorsor-gevollmacht erteilt hat oder andere – soziale – Hilfestellun-gen vorhanden sind, die ihn auffangen. Andere Hilfen kön-nen die eigene Familie, Nachbarn und Bekannte, das Heim-personal oder allgemeine soziale Dienste sein. Schließlich istdie Betreuung nach dem Prinzip der Rehabilitation nur solange erforderlich, wie der Betroffene für die konkreten Auf-gabenbereiche die Hilfe eines Betreuers benötigt (§ 1901Abs. 5; § 1908d Abs. 1 BGB). Die Betreuung darf deshalbnur für eine Zeitspanne angeordnet werden, in der voraus-sichtlich eine Betreuungsnotwendigkeit besteht. Der Be-treuer hat zudem innerhalb seines Aufgabenkreises alle Mög-lichkeiten zu nutzen, die die Krankheit des Betreuten beseiti-gen, ihre Verschlimmerung verhüten und ihre Folgen mildern(§ 1901 Abs. 4 BGB). Ist eine Verbesserung des Krankheits-zustandes eingetreten, so dass der Betroffene keiner oder nureiner eingeschränkten Betreuung bedarf, hat der Betreuerdies dem Vormundschaftsgericht mitzuteilen (§ 1901 Abs. 5

BGB). Das Gesetz stellt damit klar, dass eine Betreuung – so-weit möglich – kein Dauerzustand sein soll. Der Betreuer hatdeshalb alle Maßnahmen zu ergreifen, die diesem Ziel die-nen, insbesondere ärztliche oder pflegerische Leistungen imSinne von Rechtsfürsorge zu organisieren.Der Erforderlichkeitsgrundsatz und in seiner Ausprägung diePrinzipien der Subsidiarität und der Rehabilitation habenVerfassungsrang. Für ihre Verwirklichung sind erheblicheAnstrengungen nötig. Das Rechtsinstitut der Vorsorgevoll-macht ist nur dann eine Alternative zu einer Betreuung(Grundsatz der Subsidiarität), wenn die Bürgerinnen undBürger hinreichend über die Möglichkeiten eigenverantwort-licher Vorsorge informiert werden. Diese Aufgabe obliegt imRahmen der Querschnittsarbeit den Betreuungsbehörden(§ 6 Satz 2 BtBG) und den Betreuungsvereinen (§ 1908fAbs. 1 Nr. 2a BGB). Die Nutzung betreuungsvermeidenderHilfen (Grundsatz der Subsidiarität) ist nur möglich, wenndas Vormundschaftsgericht hinreichend über den Lebensall-tag des Betroffenen und die tatsächlich zur Verfügung stehen-den sozialen Dienste informiert ist. Entsprechende Kennt-nisse werden beim Vormundschaftsgericht oft nicht vorhan-den sein. Die Betreuungsbehörden haben deshalb das Vor-mundschaftsgericht bei der Feststellung des Sachverhaltesauf Anforderung zu unterstützen (§ 8 BtBG; § 68a FGG).Des Weiteren sind die Vormundschaftsgerichte für die Be-stimmung der Aufgabenkreise (Grundsatz der Erforderlich-keit) darauf angewiesen, dass die konkreten Bedürfnisse desBetreuten feststehen. Deshalb hat das für die Notwendigkeitder Betreuung einzuholende Sachverständigengutachtenauch Ausführungen dazu zu enthalten, für welche Aufgaben-kreise eine Betreuungsbedürftigkeit besteht (§ 68b Abs. 1Satz 5 FGG). Für eine erfolgreiche Rehabilitation ist einekonkrete Betreuungsplanung notwendig, für die die Betreuerdie Hilfestellung der Betreuungsbehörde in Anspruch neh-men können (§ 4 BtBG). Macht der Betreuer davon keinenGebrauch, obwohl dies notwendig ist, kann das Vormund-schaftsgericht einschreiten (§ 1908i Abs. 1 Satz 1, § 1837Abs. 2 Satz 1 BGB). Verstößt der Betreuer gegen die Aufla-gen des Vormundschaftsgerichtes, kann seine Entlassung an-geordnet werden (§ 1908b Abs. 1 Satz 1 BGB).Für die Verwirklichung des Erforderlichkeitsprinzips ist esdeshalb erforderlich, die Rahmenbedingungen der Vorsorge-vollmacht zu verbessern und die Prinzipien der Subsidiaritätund Rehabilitation gesetzgeberisch zu stärken. Zudem bedarfes der Institutionalisierung einer intensiven und vertrauens-vollen Zusammenarbeit zwischen Vormundschaftsgericht(Richterschaft und Rechtspflegerschaft), Betreuungsbehör-den, Betreuungsvereinen, den Betreuern und den Sachver-ständigen.Während für die Verbesserung der Zusammenarbeit aller be-teiligten Professionen die Landesgesetzgeber gefordert sind,bedarf es im Übrigen bundesgesetzlicher Modifikationen.SelbstständigkeitDas Betreuungsgesetz ist darauf gerichtet, die Selbstbestim-mung des Betroffenen so weit wie möglich zu erhalten undseine eigene Kompetenz nicht durch eine „Überbetreuung“zu reduzieren. Deshalb ist dem Vorschlag des Betroffenen fürdie Person des Betreuers grundsätzlich zu entsprechen(§ 1897 Abs. 4 Satz 1 BGB) und hat der Betreuer die Wün-sche des Betroffenen grundsätzlich zu berücksichtigen(§ 1901 Abs. 3 Satz 1 BGB). Schließlich ist der Betroffene

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grundsätzlich befugt, neben dem Betreuer rechtsgeschäftlichzu handeln. Die Betreuung als solche hat keine Auswirkun-gen auf seine Geschäftsfähigkeit (§§ 104, 1903 BGB). Diegesetzliche Vertretungsbefugnis des Betreuers (§ 1902 BGB)schließt die Handlungsmacht des Betreuten nicht aus.

Dass die Bestellung eines Betreuers nichts an der Handlungs-fähigkeit des Betroffenen ändert und deshalb keinen Eingriff,sondern lediglich eine Fürsorgehandlung darstellt, wurde be-reits 1988 als eine „Illusion, die auch psychologisch nicht zuden gewünschten Ergebnissen führt“ (vgl. Schwab, Referatzu den Verhandlungen des 57. DJT 1988, K 20) in Frage ge-stellt. Tatsächlich kann der Betreuer als gesetzlicher Vertretergerade auch für eine vollständig geschäftsfähige natürlichePerson handeln. Darin liegt – im Rahmen der Aufgaben-kreise – eine umfassende Entrechtung, deren Verhältnis zumPrinzip der Subsidiarität nicht geklärt ist. Zu besonderen Pro-blemen in der Praxis hat allerdings das Nebeneinander vongesetzlicher Vertretungsmacht und Selbstständigkeit der Be-troffenen nicht geführt. Dies wird darauf zurückgeführt, dasssich die Betroffenen unterordnen und Rechtsgeschäfte nichteigenmächtig vornehmen. Die Betroffenen empfinden dieBetreuung teilweise als das, was sie auch tatsächlich ist: einewesentliche Einschränkung ihrer persönlichen Handlungs-freiheit. Sie wollen zwar eine soziale Hilfestellung in schwie-rigen Situationen, aber keinen gesetzlichen Vertreter. DerBegriff der Betreuung wird in einem sozialen und nicht recht-lichen Sinn verstanden. Zur Problemlösung ist es wichtig,dieses Auseinanderfallen von Ideal und Wirklichkeit zurKenntnis zu nehmen.

Notwendig ist deshalb, das Selbstbestimmungsrecht der Be-troffenen zu stärken.

Persönliche Betreuung

Die persönliche Betreuung war dem Betreuungsgesetzgeberein besonderes Anliegen. In Abgrenzung zu den Rechtszu-ständen vor dem 1. Januar 1992 sollten Sammelbetreuungen(über 100 Betreuungen pro Betreuer), in denen das Vermögeneiner großen Zahl von Personen mehr oder minder anonymverwaltet wurde, vermieden werden. Mit persönlicher Be-treuung war aber nicht Personensorge in einem umfassenden,von der Rechtsfürsorge losgelösten Sinn zu verstehen.

Das Ideal der persönlichen Betreuung im Rahmen derRechtsfürsorge – und nicht umgekehrt – wurde aber missver-standen. Das Betreuungsrechtsänderungsgesetz stellte des-halb in § 1901 Abs. 1 BGB klar, dass die Betreuung nurTätigkeiten umfasst, die für die rechtliche Besorgung derAngelegenheiten des Betreuten erforderlich sind. Der Regie-rungsentwurf (Bundestagsdrucksache 13/7158, S. 33) führtzur Begründung aus:

,Der neu eingefügte Absatz 1 verdeutlicht die Abgrenzungzwischen den dem Betreuer vom Gesetz zugewiesenenAmtsgeschäften und dessen darüber hinausgehenden fak-tischen Engagement für den Betreuten. Er sieht die Grenze inder „rechtlichen“ Besorgung der in den Aufgabenkreis desBetreuers fallenden Angelegenheiten. Amtsgeschäfte desBetreuers sind danach alle Tätigkeiten, die zur Rechtsfür-sorge für den Betreuten erforderlich sind. Damit werdeneinerseits alle – also nicht etwa nur vermögensrechtliche –Angelegenheiten des Betreuten umfasst. Andererseits wer-den Tätigkeiten ausgeschieden, die sich in der tatsächlichen

Hilfeleistung für den Betroffenen erschöpfen, ohne zu dessenRechtsfürsorge erforderlich zu sein.

Maßnahmen des Betreuers, die diesen Rahmen überschreitenoder sogar jeglichen Bezug zu der dem Betreuer übertrage-nen Rechtsfürsorge vermissen lassen, sind als Ausdruckmenschlicher Zuwendung wünschenswert und für den Be-treuten im Regelfall von unschätzbarem Nutzen. Sie gehörenjedoch nicht zu den dem Betreuer vom Gesetz zugewiesenenAufgaben rechtlicher Interessenwahrnehmung. Ein Berufs-betreuer kann deshalb für solche Aufgaben keine Vergütungverlangen; die Staatskasse muss für solche karitativen Tätig-keiten nicht einstehen.‘

Trotz dieser ausdrücklichen gesetzgeberischen Vorgabe wirdpersönliche Betreuung nach wie vor nicht als Tätigkeit imRahmen von Rechtsfürsorge, sondern als darüber hinaus-gehende karitative Aufgabe begriffen. Darin dürfte eine we-sentliche Ursache für die Kostensteigerungen zu sehen sein.Zudem führt die Notwendigkeit der Abgrenzung von Rechts-fürsorge und Karitas in erheblichem Umfang zu vergütungs-rechtlichen Streitigkeiten.

Das leitet zu einem Missstand über, der von Seiten der Be-troffenen und ihrer Angehörigen häufig beklagt wird: dieJustizlastigkeit. Die vielfältigen Verfahren des Betreuungs-rechts führten zu ständigen Anhörungen der Betroffenen undihren Verwandten sowie zu häufigen, als überflüssig empfun-denen ärztlichen Untersuchungen und Begutachtungen. DasEingehen auf die Wünsche der Betroffenen komme dabei zukurz. Die Vormundschaftsgerichte seien gezwungen, sichüberwiegend mit Vergütungsfragen zu beschäftigen, so dassfür eine effektive Aufsicht und damit verbundenen Hilfestel-lungen nicht genügend Zeit verbleibe.

Notwendig ist es deshalb, das Vergütungsrecht zu verein-fachen und durch die Einführung einer Vertretungsmacht fürnahe Angehörige belastende Verfahren zu vermeiden.

4. Grundzüge des Entwurfs

Der Entwurf will dazu beitragen, die Betreuungsfälle zureduzieren, die Eingriffe in das Selbstbestimmungsrecht derBetroffenen auf das Notwendige zu beschränken und dieJustizlastigkeit des Verfahrens zu verringern, um damit fehl-geleitete Ressourcen im Interesse der eigentlichen Betreu-ungsarbeit zu bündeln.

Im Einzelnen:

Vorsorgevollmacht

Nach dem Grundsatz der Subsidiarität ist es staatlichen Insti-tutionen verwehrt, durch die Bestellung eines BetreuersGrundrechte der betroffenen Menschen einzuschränken,wenn und soweit durch einen Bevollmächtigten die notwen-digen Angelegenheiten wahrgenommen werden können(§ 1896 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BGB). Die Vorsorgevoll-macht ist damit als einziges Rechtsinstitut geeignet, dasSelbstbestimmungsrecht für den Fall einer psychischen Er-krankung sowie einer geistigen oder seelischen Behinderungumfassend zu sichern. Das Interesse der Bevölkerung istdementsprechend groß. Im gesamten Bundesgebiet sind In-formationsveranstaltungen zu diesem Thema gut besucht,und die Informationsbroschüren des Bundes und der Ländersind sehr gefragt. So wurden von der entsprechenden Infor-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 15 – Drucksache 15/2494

mationsbroschüre des Bayerischen Staatsministeriums derJustiz in zwei Jahren bereits 500 000 Exemplare verteilt.

Diesem starken Interesse an der Vermeidung staatlicher Ein-griffe und der Führung eines eigenbestimmten Lebens wirddie gegenwärtige Rechtslage nicht gerecht. Notwendig isteine bürgerorientierte Ausgestaltung des Rechtsinstituts. ZurVerwirklichung dieses Ziels besteht neben der Entwicklungeiner im Rechtsverkehr akzeptierten und für die Menschenpraktikabel handhabbaren Mustervorsorgevollmacht gesetz-geberischer Handlungsbedarf in folgenden Bereichen:

– Schaffung einer Beglaubigungskompetenz für die Be-treuungsbehörden,

– Erweiterung der Beratungskompetenz von Betreuungsbe-hörden und Betreuungsvereinen,

– Anpassung der ZPO sowie des Pass-, Personalausweis-und Melderechts an die Bedürfnisse der Vorsorgevoll-macht.

Beglaubigungskompetenz der Betreuungsbehörde

Im Rechtsverkehr, insbesondere bei Banken und Sparkassen,findet die Vorsorgevollmacht häufig keine Akzeptanz, danicht gesichert ist, ob sie tatsächlich vom Vollmachtgeberstammt und seinen Willen wiedergibt (Problem der Identitätund der Authentizität).

Zur Erleichterung des täglichen Rechtsverkehrs, insbeson-dere gegenüber Banken und Sparkassen, erscheint es deshalbsinnvoll und zweckmäßig, in den Aufgabenkreis der Betreu-ungsbehörden die Beglaubigung von Unterschriftsleistungenund Handzeichen aufzunehmen.

Andere Formvorschriften sind dagegen nicht in gleichemMaße geeignet, einerseits Identität und Authentizität weitestmöglich zu gewährleisten, und andererseits in großem Um-fang in der Bevölkerung Akzeptanz zu finden:

– Die notarielle Beurkundung bietet den Vorteil der Akzep-tanz im Geschäftsverkehr. Zusätzlich wird der Vollmacht-geber über die rechtliche Tragweite seines Tuns belehrt,und ist der Notar verpflichtet, die Geschäftsfähigkeit desVollmachtgebers zu prüfen.

Die notarielle Beurkundung hat jedoch den – nicht uner-heblichen – Nachteil, dass die Schwelle für die Errichtungeiner Vorsorgevollmacht wesentlich erhöht wird. Einegesetzliche Regelung, die die notarielle Beurkundungvorschreibt, hätte zur Folge, dass das Ziel, mit der Vorsor-gevollmacht einen möglichst großen Teil der Bevöl-kerung zu erreichen, nur auf einem Weg erreicht werdenkann, den weite Kreise der Bevölkerung als beschwerlichansehen.

– Das an die Testamentsform des § 2247 Abs. 1 BGB ange-lehnte Erfordernis des eigenhändigen Schreibens und Un-terschreibens kann zwar ebenfalls Identität und Authen-tizität belegen. Für den Rechtsverkehr ist das jedoch nichtunmittelbar nachvollziehbar, da im Regelfall keineKenntnisse über die Schrift des Vollmachtgebers vorhan-den sind. Die eigenhändig geschriebene und unterschrie-bene Vorsorgevollmacht dürfte deshalb nicht reibungslosund damit Betreuungsverfahren vermeidend umgesetztwerden können.

– Eine notarielle Beglaubigung beugt ebenfalls möglichenIdentitätszweifeln vor. Den Notar trifft aber weder eineBelehrungs- noch eine Prüfungspflicht.

Erweiterung der Beratungskompetenz für Behörden undVereine

Nach jetziger Rechtslage sind die Betreuungsvereine ver-pflichtet, planmäßig über Vorsorgevollmachten zu informie-ren (§ 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB). Eine Beratung der Bevoll-mächtigten – parallel zur Beratung ehrenamtlicher Betreuer –sieht das Gesetz aber nicht vor. Das gilt entsprechend für denTätigkeitsbereich der Betreuungsbehörde. Diese fördert dieAufklärung und Beratung über Vorsorgevollmachten (§ 6Satz 2 BtBG), ist aber nur verpflichtet, Betreuer bei derWahrnehmung ihrer Aufgaben zu unterstützen (§ 4 BtBG).

Zur weiteren Förderung der Vorsorgevollmacht ist es deshalberforderlich, die Kompetenzen der Betreuungsvereine undder Betreuungsbehörden zu erweitern. Dies betrifft insbeson-dere die Begleitung von Bevollmächtigten nach Eintritt desVertretungsfalls. Aber auch die durch die §§ 1358, 1358a,1618b BGB-E und § 8 LPartG-E zur Vertretung berufenenEhegatten, Lebenspartner, Eltern und Kinder sollen sich andie Betreuungsvereine wenden können. In gleichem Umfangsollen auch die Betreuungsbehörden Beratungsaufgabenübernehmen. Eine wesentliche zusätzliche Belastung für Be-treuungsvereine und Betreuungsbehörden dürfte mit diesenVorschlägen nicht einhergehen, da in vielen Fällen der Voll-machtserteilung an die Stelle eines zu beratenden ehrenamt-lichen Betreuers der Bevollmächtigte oder gesetzliche Ver-treter tritt.

Zusätzlich wird den Betreuungsvereinen mit dem Ziel weite-rer Verbreitung von Vorsorgevollmachten die Möglichkeitgegeben, die Vollmachtgeber bei der Erstellung hierzu indi-viduell zu beraten. Damit wird vor allem für diejenigen, diesich durch die Betreuungsvereine über Vorsorgevollmachtenhaben informieren lassen, aber noch konkreten Erläuterungs-bedarf für ihre eigene Situation benötigen, eine einfacheMöglichkeit geboten, Beratung zu erlangen. Eine zusätzlicheKonkurrenz zur Beratung durch Rechtsanwälte und Notarewird hiermit nicht geschaffen, weil zu erwarten ist, dass dieBetreuungsvereine bei rechtlich schwierig zu beurteilendenFällen die Inanspruchnahme anwaltlichen oder notariellenRats empfehlen werden. Mit dem Entwurf sollen die Perso-nen erfasst werden, die sich heute nicht zur Vollmachtertei-lung entschließen können, weil sie für ihre konkrete SituationAufklärungsbedarf haben, dieser aber nicht so groß ist, alsdass ein Rechtsanwalt oder Notar dafür aufgesucht wird.

Anpassung anderer Vorschriften

Vorschriften der Zivilprozessordnung sowie des Pass-, Per-sonalausweis- und Melderechts sind an die Bedürfnisse derVorsorgevollmacht nicht angepasst. Trotz Vorsorgevoll-macht muss deshalb für diese Aufgabenkreise ein Betreuerbestellt werden. Dieses Ergebnis ist mit dem Prinzip der Sub-sidiarität nicht vereinbar, belastet den Betroffenen, der eineBegutachtung durch einen psychiatrischen Sachverständigensowie eine Anhörung durch das Gericht und ggf. Verfahrens-pfleger erdulden muss, und ist unökonomisch.

Gesetzliche Vertretungsmacht

Die Auseinandersetzung mit schweren psychischen Krank-heiten, geistigen oder seelischen Behinderungen, mit Alters-

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Drucksache 15/2494 – 16 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

demenz und dem Tod unterliegt einem Verdrängungsprozess.Viele Menschen werden sich daher – ähnlich wie beim Testa-ment – nicht mit den Möglichkeiten privatautonomer Vor-sorge durch Vollmachten auseinandersetzen. Das erscheintfür die meisten Bürgerinnen und Bürger auch nicht notwen-dig, entspricht es doch allgemeiner Vorstellung, dass naheAngehörige, insbesondere Ehegatten, berechtigt sind, imKrankheitsfall die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.Die Betroffenen und ihre nahen Angehörigen sind deshalbhäufig überrascht und verunsichert, wenn im Fall einer psy-chischen Erkrankung, geistigen oder seelischen Behinderungoder Altersdemenz ein Betreuungsverfahren eingeleitet wird.Folgendes typisches Beispiel dient zur Verdeutlichung derProblematik:Ein verheirateter Mann von 65 Jahren muss sich einer Opera-tion unterziehen. Als Folge der Narkose ist er – zumindestvorübergehend – zeitlich, örtlich und inhaltlich nicht orien-tiert. Als der Mann aus dem Krankenhaus entlassen wird,sind verschiedene Entscheidungen für ihn zu treffen: Sozial-leistungen sind zu beantragen und entgegenzunehmen, dieweitere medizinische Behandlung ist abzuklären, eine ambu-lante Pflege ist zu organisieren, ggf. ist ein Heimplatz zu su-chen, und zur Deckung der laufenden Kosten muss auf dasGirokonto des Mannes zugegriffen werden können. Als dieEhefrau versucht, die entsprechenden Maßnahmen einzulei-ten, erfährt sie, dass sie dafür als Betreuerin ihres Mannes be-stellt werden muss. Sie regt deshalb beim zuständigen Vor-mundschaftsgericht ihre Bestellung als Betreuerin an. DasVormundschaftsgericht ordnet daraufhin die psychiatrischeBegutachtung des Mannes an, bestellt für ihn einen Verfah-renspfleger, bittet die Betreuungsbehörde um einen Sozialbe-richt und verschafft sich selbst von den Eheleuten im Wegeeiner persönlichen Anhörung einen Eindruck. Gutachter,Verfahrenspfleger, Mitarbeiter der Betreuungsbehörde unddas Gericht suchen deshalb das Ehepaar in ihrer Wohnungauf, um die Angelegenheit zu besprechen. Am Ende wird– entsprechend ihrer Anregung – die Ehefrau zur Betreuerindes Mannes bestellt (s. § 1897 Abs. 5 BGB).Dieses Verfahren ist mit erheblichen Belastungen für den Be-troffenen und seinen Ehegatten verbunden, die das Gesche-hen oft nur mit Angst und Unverständnis verfolgen („Ichhabe doch noch nie etwas mit dem Gericht zu tun gehabt!“)Zudem fragen sie sich, wofür die Gesamtmaschinerie desvormundschaftsgerichtlichen Verfahrens in Gang gesetztwird, nur um – selbstverständlich – den Ehegatten zum Be-treuer zu bestellen.Dieser Fall zeigt exemplarisch, dass es für die kranken Men-schen und ihre Angehörigen hilfreich sein kann, wenn insbe-sondere Ehegatten gesetzlich die Befugnis eingeräumt wird,den anderen zu vertreten. Damit kann – ähnlich wie beim ge-setzlichen Erbrecht – der Wille der Menschen und die vonihnen gelebte familiäre Realität abgebildet werden. DieFrage ist im Rahmen der Beratungen zum Betreuungsrechts-änderungsgesetz bereits erörtert, aber nicht entschieden wor-den.Gesetzliche GrundlagenEine gesetzliche Vertretungsmacht unter Ehegatten und Le-benspartnern kennt das BGB nicht. § 1357 Abs. 1 BGB, derfür Lebenspartner entsprechend gilt (§ 8 Abs. 2 LPartG), be-stimmt aber, dass jeder Ehegatte berechtigt ist, mit Wirkungauch für den anderen Ehegatten Geschäfte zur angemessenen

Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu besorgen. Durchsolche Geschäfte werden grundsätzlich beide Ehegatten be-rechtigt und verpflichtet. Jeder Ehegatte kann, soweit einausreichender Grund besteht, diese Befugnis ausschließen.Dritten gegenüber wird der Ausschluss mit Eintragung in dasGüterrechtsregister wirksam (§ 1357 Abs. 2, § 1412 BGB).Zudem endet die Befugnis mit der Trennung (§ 1567 BGB)der Ehegatten (§ 1357 Abs. 3 BGB).

Diese Regelung enthält kein Vertretungsrecht, da die Bin-dung des nicht handelnden Ehegatten eintritt, ohne dass derGeschäftsverkehr weiß, ob und mit wem der Geschäftspart-ner verheiratet ist. Es fehlt damit an der für das Vertretungs-recht grundsätzlich konstitutiven Offenlegung des Vertre-tungshandelns (§ 164 Abs. 1 BGB). Zudem treffen die Wir-kungen des Rechtsgeschäftes beide Ehegatten und nicht nureinen Vertretenen. In seinen Rechtsfolgen ist § 1357 BGBaber mit den Regeln der Stellvertretung und der Vermögens-verwaltung vergleichbar, so dass die Normen des Vertre-tungsrechtes und die Grundsätze der Vermögensverwaltungergänzend herangezogen werden können.

Für die Überlegungen zu einer gesetzlichen Vertretungs-macht ist es deshalb wichtig, den Hintergrund der Regelun-gen des § 1357 BGB zu analysieren:

§ 1357 BGB gestaltet das Rechtsinstitut der Ehe in wirt-schaftlicher Sicht. Maßgeblich für die Ehe als Wirtschaftsge-meinschaft sind die §§ 1356 und 1360 BGB. Nach § 1356BGB regeln die Ehegatten die Haushaltsführung im gegen-seitigen Einvernehmen. Ist sie einem Ehegatten überlassen,leitet dieser den Haushalt in eigener Verantwortung. Nach§ 1360 BGB sind beide Ehegatten unterhaltsverpflichtet (fürLebenspartner: § 5 Satz 1 LPartG). Durch die – alleinige –Führung des Haushalts wird die Unterhaltspflicht im Regel-fall vollständig erfüllt. Wenn aber die Führung des Haushaltsdie Unterhaltspflicht ganz oder teilweise erfüllt, muss der an-dere die dafür notwendigen Barmittel zur Verfügung stellen.Ohne § 1357 BGB wäre der haushaltsführende Ehegatte aufeine Zuteilung von Geld angewiesen. § 1357 BGB ermög-licht demgegenüber die selbstständige Erfüllung der Haus-haltsführung durch automatische Mitverpflichtung des Un-terhaltspflichtigen. § 1357 BGB ist damit Ausdruck der ge-genseitigen Verantwortung der Ehegatten, deren unterhalts-rechtliche Folgen umgesetzt werden.

Für eine gesetzliche Vertretungsmacht, die den Zugriff aufdas laufende Girokonto und die Beantragung und Entgegen-nahme von Sozialleistungen ermöglicht, kann dieser Ge-danke unmittelbar herangezogen werden. Ist der kontofüh-rende Ehegatte nicht in der Lage, auf das Girokonto zuzugrei-fen, entspricht es der ehelichen Verantwortung und Wirt-schaftsgemeinschaft, dass der andere Ehegatte zur Deckungdes Lebensbedarfs das Konto in Anspruch nehmen kann.

Über § 1357 BGB hinaus bestimmt § 1353 Abs. 1 Satz 2Halbsatz 2 BGB (für Lebenspartner: § 2 Satz 2 LPartG), dassdie Ehegatten füreinander Verantwortung tragen. Diese ge-genseitige Verpflichtung kann in vielfacher Weise Grundlagefür eine gesetzliche Vertretungsmacht sein:

Für den Bereich der Gesundheitsfürsorge folgt aus § 1353BGB die Verpflichtung, einen psychisch kranken Ehegattenin einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen undHilfe für einen süchtigen Partner zu organisieren. Darüber hi-naus besteht die Pflicht zur Unterstützung bei der Wahrneh-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 17 – Drucksache 15/2494

mung berechtigter Interessen und Rechtsangelegenheiten,insbesondere Steuervorteile wahrzunehmen. Schließlichfolgt aus § 1353 BGB grundsätzlich die Pflicht zur häus-lichen Gemeinschaft. Hindernisse, die dem entgegenstehen,sind – soweit möglich – zu beseitigen. Im Krankheitsfall istes deshalb Aufgabe des gesunden Ehegatten, die notwen-digen organisatorischen Maßnahmen für ein weiteres Zusam-menleben zu treffen wie z. B. die Umgestaltung einer Woh-nung, das Suchen einer neuen Wohnung oder eines Heimplat-zes.Zusammenfassend ergibt sich, dass im Ehe- und Lebenspart-nerschaftsrecht die Grundlage zu sehen ist, eine gesetzlicheVertretungsmacht zu normieren. Aber nicht nur für Ehegattenund Lebenspartner sind im Familienrecht vielfache Pflichtenund Rechte begründet. Auch Eltern und Kinder sind nach§ 1618a BGB einander Beistand schuldig. Diese Verpflich-tung ist unabhängig davon, ob die Kinder minderjährig odervolljährig sind oder mit den Eltern in einem Haushalt leben.Inhaltlich ist § 1618a BGB ist parallel zu § 1353 BGB entwi-ckelt worden. Die Familie ist daher in allen Lebenslagen zurUnterstützung und Hilfeleistung verpflichtet. Für die Berei-che außerhalb der Vermögenssorge – die §§ 1357 und 1360BGB, die die Grundlage für die eheliche Wirtschaftsgemein-schaft bilden, gelten nicht – ist es deshalb richtig, Kinder undEltern – nachrangig zu Ehegatten und Lebenspartnern – ineine gesetzliche Vertretungskompetenz einzubeziehen. Da-mit sollen insbesondere auch folgende Fälle erfast werden:Ein alleinstehender Elternteil wird in einem nicht mehr an-sprechbaren Zustand in ein Krankenhaus eingeliefert. Das(einzige) volljährige Kind muss befugt sein, mit den Ärztendie notwendigen Maßnahmen zu besprechen und für Vateroder Mutter in die Behandlung einzuwilligen.Das 19 Jahre alte, nicht verheiratete Kind wird bei einem Ver-kehrsunfall schwer verletzt und komatös in ein Krankenhausgebracht. Vater und/oder Mutter sind dazu berufen, mit denÄrzten zu sprechen und in die ärztliche Behandlung einzu-willigen.Grundsätze für die Ausgestaltung einer gesetzlichen Vertre-tungsmachtDie Akzeptanz in weiten Teilen der Bevölkerung für eine ge-setzliche Vertretungsmacht – zumindest in Teilbereichen – istgroß. Es entspricht einer weit verbreiteten Vorstellung inUmsetzung der Rechtsgedanken des § 1353 BGB, dass dieVerpflichtung zur gegenseitigen Verantwortung auch dasRecht begründet, die Interessen des anderen nach außenwahrnehmen zu dürfen. Die Einführung einer gesetzlichenVertretungsmacht könnte das Auseinanderfallen von sozia-lem Anspruch und rechtlicher Wirklichkeit beseitigen.Durch eine gesetzliche Vertretungsmacht darf die Privatauto-nomie nicht eingeschränkt werden. Zudem ist bei einer derVertretung widersprechenden Willensbekundung des verhin-derten Ehegatten die Vertretung ausgeschlossen (§ 1358Abs. 3 Satz 2, § 1358a Abs. 2 Satz 1 BGB). Eine durchRechtsgeschäft erteilte Vertretungsmacht (Vollmacht, § 166Abs. 2 Satz 1 BGB) geht deshalb der gesetzlich zugewiese-nen Vertretungskompetenz vor.Die Möglichkeiten eines Missbrauchs sind im Rahmen be-reichsspezifischer Vertretungsregelungen als gering anzuse-hen: Gesetzliche Sozialversicherungen und private Versiche-rer prüfen, ob der Betroffene tatsächlich pflegebedürftig, er-

werbsunfähig usw. ist. Entscheidungen der Gesundheitssorgestehen unter der Kontrolle der Ärzteschaft. Die Auflösungder Wohnung und/oder der Abschluss eines Heimvertragessteht unter der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts. Der Zu-griff auf das Girokonto ist auf monatliche Höchstbeträge be-schränkt.

Nahe Angehörige werden nicht überfordert, da sie nicht ver-pflichtet sind, von ihrem gesetzlichen Vertretungsrecht Ge-brauch zu machen. Weigern sich die nahen Angehörigen, dieAngelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, wird ein Be-treuer bestellt. Dies gilt entsprechend, wenn zwar die nahenAngehörigen bereit, aber im Einzelfall nicht in der Lage sind,die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. SolcheFälle werden bereits heute im Wege der sozialen Kontrolledurch die Ärzte, Nachbarn und Bekannte der betroffenenMenschen erkannt.

Erforderlichkeitsprinzip – § 1896 BGB

Wohl keine andere Norm des Betreuungsrechts ist in der all-täglichen Praxis so weit gehend Fehlinterpretationen ausge-setzt wie § 1896 BGB. Die Obergerichte sind mit konstanterRegelmäßigkeit gezwungen, u.a. folgende Eckpfeiler zumVerständnis des § 1896 BGB herauszustellen:

– „Altersstarrsinn“ und „Alkoholismus“ sind kein Krank-heitsbild, das die Bestellung eines Betreuers rechtfertigt.

– Eine psychische Erkrankung, geistige oder seelischeBehinderung führt nur und insoweit zur Bestellung einesBetreuers, wenn und in welchem Umfang ein Regelungs-bedarf besteht.

– Ein Betreuer darf nur bestellt werden, wenn der Betrof-fene auf Grund seiner psychischen Erkrankung seinenWillen nicht frei bestimmen kann.

– Ein Betreuungsbedürfnis besteht nicht, wenn auch ein ge-sunder Mensch sich der Hilfe eines anderen (Rechtsan-walts, Steuerberaters usw.) bedienen würde, um seine An-gelegenheiten zu regeln.

– Die Aufgabenkreise des Betreuers sind eng zu fassen.

– Eine Betreuerbestellung „auf Vorrat“ ist ausgeschlossen.

Diese Prinzipien werden in der Praxis häufig nicht hinrei-chend beachtet. Betreuung wird als soziale Wohltat verstan-den, die unabhängig von den gesetzlichen Voraussetzungenfürsorglich jedem kranken Menschen zukommen sollte.

Betroffene empfinden Betreuung aber zum Teil als eine Ein-schränkung ihrer persönlichen Handlungsfreiheit. Sie wollenzwar eine soziale Hilfestellung in schwierigen Situationen,aber keinen gesetzlichen Vertreter. Betreuung wird in einemsozialen und nicht rechtlichen Sinn verstanden.

Grundsätzlich besteht keine Notwendigkeit, die von derRechtsprechung aus dem Wortlaut entwickelten Eckpfeilerder Auslegung des § 1896 BGB klarstellend zu normieren.Wichtiger ist, dass die im Betreuungsrecht tätigen Institutio-nen und Professionen die Voraussetzungen des § 1896 BGBakzeptieren und diese umsetzen.

Erforderlich erscheint es aber, den Vorrang des freien Willenseines Menschen als Ausdruck seiner Würde und seinesSelbstbestimmungsrechts ausdrücklich in § 1896 BGB zuverankern.

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Drucksache 15/2494 – 18 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Verfahrensrecht

Verfahrensrechtlich besteht kein grundsätzlicher Reformbe-darf. Überlegenswert ist jedoch eine Stärkung des Ehrenamtsim Rahmen der Verfahrenspflegschaft und die Einbeziehungvon Gutachten in anderen Verfahren über den Gesundheits-zustand der Betroffenen:

Verfahrenspflegschaft

a) Problem

Durch die Bestellung eines Verfahrenspflegers gemäߧ 67 FGG soll der gesundheitliche Mangel des Betroffe-nen, im Betreuungsverfahren sich selbst angemessen ver-treten zu können, ausgeglichen werden. Dies entsprichtdem verfassungsrechtlichen Gebot auf Gewährung recht-lichen Gehörs (Artikel 103 Abs. 1 GG). Gemäß § 67Abs. 3 Satz 2 FGG, § 1908i Abs. 1 Satz 1 und § 1836Abs. 1 Satz 1 BGB wird die Verfahrenspflegschaft grund-sätzlich unentgeltlich geführt. Damit geht das Gesetz,ebenso wie im Rahmen der Betreuung, vom Vorrangehrenamtlicher Verfahrenspflegschaft aus.

Dem entspricht die Bestellungspraxis der Vormund-schaftsgerichte nicht. Als Verfahrenspfleger werden über-wiegend Rechtsanwälte herangezogen, ohne dass dafürein Bedürfnis besteht.

Für die Verfahrenspflegschaft gelten jedoch die Gründeentsprechend, die für den Vorrang der ehrenamtlichen vorder berufsmäßigen Betreuung entscheidend sind:

Eine dem Betroffenen nahe stehende Person ist im Regel-fall mit den persönlichen Verhältnissen und Wünschendes Betroffenen in stärkerem Maße vertraut als ein Be-rufsverfahrenspfleger, der typischerweise den Betroffe-nen erstmalig im Zeitpunkt der Anhörung kennenlernt.Nahe stehende Personen werden daher in stärkerem Maßeauf die Interessen des Betroffenen Rücksicht nehmen undso dem Willen des Betroffenen zur Geltung verhelfenkönnen. Je weniger der Betroffene gebrechensbedingt inder Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu besorgen,desto mehr bedarf er der persönlichen Betreuung. Nur sokann die Umsetzung der Wünsche des Betroffenen sicher-gestellt werden.

Seine Grenze fände der Vorrang der ehrenamtlichen Ver-fahrenspflegschaft in dem ungeschriebenen Tatbestands-merkmal der Eignung.

Ehrenamtlich Tätige sind nur dann geeignet, wenn sie ander beabsichtigten gerichtlichen Maßnahme kein unmit-telbares eigenes Interesse haben. Ein solches Interessedürfte bei denjenigen anzunehmen sein, die die Bestel-lung eines Betreuers angeregt haben.

Soweit es auf die Sachkunde eines Rechtsanwalts auf demGebiet des formellen oder materiellen Rechts ankommt,wird das Vormundschaftsgericht zur Wahrnehmung derInteressen des Betroffenen einen Rechtsanwalt zu bestel-len haben. Kommt es hingegen primär auf psychiatrischeoder sozialpädagogische Kenntnisse an, wird die Bestel-lung einer im Umgang mit psychisch Erkrankten beson-ders erfahrenen Person angezeigt sein. Soweit derartigesSonderwissen oder eine derartige Erfahrung nicht erfor-derlich ist, dürfte daher die Bestellung einer dem Betrof-fenen nahe stehenden Person in Betracht kommen.

b) LösungsansatzEntsprechend der Funktion des Verfahrenspflegers emp-fiehlt der Entwurf, den Vorrang des Ehrenamts im Sinnedes § 1897 Abs. 6 Satz 1 BGB ausdrücklich in das Rechtder Verfahrenspflegschaft gemäß § 67 FGG zu über-nehmen.Eine gesetzliche Klarstellung des Vorrangs der ehrenamt-lichen Verfahrenspflegschaft dürfte die am Verfahren Be-teiligten für die Bestellung ehrenamtlicher geeigneterPersonen sensibilisieren. Damit ist zu erwarten, dass diezum Teil automatische Bestellung von Rechtsanwältendurch die Bestellung anderer geeigneterer Personen er-gänzt wird.

GutachtenNach § 68b FGG ist grundsätzlich vor der Bestellung einesBetreuers ein Sachverständigengutachten einzuholen. Häu-fig wird jedoch bereits in anderen behördlichen und gericht-lichen Verfahren begutachtet, ob beim Betroffenen einepsychische Krankheit oder eine körperliche, geistige oderseelische Behinderung vorliegt. Die dort gewonnen medizi-nischen Erkenntnisse sollen im Betreuungsverfahren genutztwerden können und zur Vermeidung von Mehrfachbegutach-tungen beitragen. Insoweit wird bestimmt, dass eine Begut-achtung sich nicht mehr mit bestimmten Fragen auseinander-setzen muss, wenn diese in einem Vorgutachten oder sonsti-gen behördlichen Gutachten, etwa Pflegegutachten, fest-gestellt wurden. Soweit andere Ermittlungsmöglichkeitenausreichen, um zusätzliche, darüber hinausgehend klärungs-bedürftige Voraussetzungen einer Betreuerbestellung zwei-felsfrei festzustellen und der Betroffene damit einverstandenist, steht es im Ermessen des Gerichts, ob es im Gesamten aufeine Begutachtung verzichten will.AbgabeDie Abgabe eines Betreuungsverfahrens an ein anderes Ge-richt nach § 65a FGG und die Abgabe von zivilrechtlichenUnterbringungsverfahren nach § 70 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3FGG setzt bislang das Vorliegen eines wichtigen Grundesund die Zustimmung des Betreuers voraus. Kann Letzterenicht erlangt werden, bedarf es einer Anrufung des gemein-schaftlichen oberen Gerichtes (§ 46 Abs. 2 FGG, auf denjeweils verwiesen wird). Dieser bedarf es auch, wenn derBetroffene nach § 65a Abs. 2 Satz 1 FGG der Abgabewiderspricht. Dies erschwert die Abgabe in der Praxis unan-gemessen. Die Beseitigung des Zustimmungserfordernissesund des Widerspruchrechts sind deshalb geboten; zur Wahr-nehmung der Rechte und Interessen des Betroffenen und desBetreuten genügen Anhörungsrechte.Aus den gleichen Gründen soll künftig für die Abgabe einesUnterbringungsverfahrens ausreichen, dass die Maßnahmeim Bezirk eines anderen Gerichts, in dem sich der Betroffeneaufhält, vollzogen werden soll. Durch die Änderung von§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG soll ferner die Feststellung des Vor-liegens eines wichtigen Grundes erleichtert werden.Pauschalierung der Vergütung und des Aufwendungsersatzesa) Problem

Das gegenwärtig geltende Abrechnungssystem vergütetaufgewandte Zeit mit einem bestimmten Stundensatz(§§ 1836, 1836a BGB, § 1 BVormVG). Die Berufsbetreu-erinnen und -betreuer haben deshalb zeitaufwändige

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 19 – Drucksache 15/2494

Übersichten zu erstellen, die Art und Umfang der Tätig-keit möglichst minutiös dokumentieren. Die Prüfung die-ser Vergütungsabrechnungen beansprucht wegen desUmfangs der Stundennachweise und der Vielzahl der Ab-rechnungen einen großen Teil der Gesamtbearbeitungs-zeit der Vormundschaftsgerichte in Betreuungssachen.Den Betreuten kommt dieser Arbeitsaufwand nicht zu-gute. Der Vorwurf, die Betreuer und die Justiz müsstensich mehr mit Vergütungsabrechnungen als mit den Be-troffenen beschäftigen, erscheint tendenziell berechtigtzu sein. Zudem ist die Kontrolle der Abrechnungen in-haltlich kaum sinnvoll möglich:

– Im Rahmen der Überprüfung der Vergütungsabrech-nung muss das Vormundschaftsgericht die Grenzenbeachten, die § 1837 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. § 1908iAbs. 1 Satz 1 BGB für die Aufsicht über die Betreue-rinnen und Betreuer setzt. Danach unterliegt ein Be-treuer nur einer Kontrolle im Hinblick auf die Recht-mäßigkeit seines Handelns. Hingegen kann das Vor-mundschaftsgericht in bloßen Zweckmäßigkeits-fragen kein bestimmtes Handeln vorschreiben oderuntersagen. Das Vormundschaftsgericht darf deshalbeine vom Betreuer geltend gemachte Vergütung nichtallein deshalb kürzen, weil es die Tätigkeit als solchefür unangebracht hält. Anders stellt sich dies nur beioffensichtlich unzweckmäßigen Verfahrensweisendar. Solange sich im Übrigen eine Tätigkeit im Rah-men des Aufgabenkreises der Betreuerinnen oder desBetreuers und damit einer rechtlichen Betreuung imSinne von § 1901 Abs. 1 BGB hält, hat sich die Prü-fung der Vergütungsanträge im Wesentlichen auf einePlausibilitäts- und Missbrauchskontrolle zu beschrän-ken.

In diesem Zusammenhang hat der Bayerische ObersteRechnungshof festgestellt, das gegenwärtige Abrech-nungssystem führe dazu, dass die von den Betreuernfür Telefonate, Schreiben, Besprechungen und Besu-che aufgewandten Zeiten – teilweise – großzügig nachoben gerundet würden. Bei der einzelnen Abrechnungstellte dies zwar nur ein geringes, in der Summe derFälle aber ein finanziell bedeutsames Problem dar. Be-troffen seien ca. 12 % der Gesamtausgaben.

– Im Tatsächlichen ist es den Vormundschaftsgerichtenim Regelfall nicht möglich, den angegebenen Zeitauf-wand auf seine Richtigkeit zu überprüfen. Behauptetz. B. eine Betreuerin oder ein Betreuer, für einen Briefan eine Behörde 2,5 Stunden aufgewandt zu haben,kann dies mangels Beurteilungsmöglichkeit des Vor-mundschaftsgerichtes zumeist nur schwerlich bean-standet werden. Dadurch belohnt das Abrechnungs-system tendenziell den weniger gewandten, schlechterorganisierten oder nicht hinreichend an den Erforder-nissen einer rechtlichen Betreuung orientierten Be-treuer, der im Zweifel einen größeren Zeitaufwand ab-rechnen kann.

Wie die vom Niedersächsischen Justizministerium inAuftrag gegebene „Empirische Studie über die Kos-tenentwicklung in Betreuungssachen und die Mög-lichkeit ihrer Reduzierung“ aufgezeigt hat, liegt in derzunehmenden Übernahme sozialer Aufgaben durchdie Berufsbetreuer ein Grund für die Kostenexplosion

im Betreuungswesen. Einrichtungen (z. B. Pflege-heime), Kommunen oder das soziale Umfeld der Be-troffenen tragen oft den Wunsch an die Berufsbetreue-rinnen und -betreuer heran, auch soziale Tätigkeitenzu übernehmen, die nicht in den Bereich von § 1901Abs. 1 BGB fallen.

– Untersuchungen zeigen, dass in einem insgesamt nichtquantifizierbaren Umfang Tätigkeiten abgerechnetwerden, die nicht erbracht wurden. So hat die „Prü-fungsmitteilung des Landesrechnungshofs Schles-wig-Holstein zu der Kostenentwicklung in Betreu-ungssachen“ ergeben, dass in einigen Fällen die Rich-tigkeit der Angaben zumindest zweifelhaft war. Inmehreren Fällen wurden für einzelne Tage mehr als24 Stunden abgerechnet.Das Abrechnungssystem kann diesen Missbrauchnicht verhindern. Die Rechtspfleger prüfen die Vergü-tungsabrechnung in der einzelnen Betreuungsakte.Eine Gesamtschau fehlt. Hat ein Betreuer den gleichenZeitraum in einem anderen Verfahren ebenfalls abge-rechnet, fällt dies nicht auf.

– Schließlich ist das Vergütungssystem nicht in derLage, eine effektive Inhaltskontrolle zu garantieren.Die stichwortartigen Beschreibungen wie „Besuch beiBetreuten“, „Telefonat mit Heimleitung“ oder „Ge-spräch mit Freundin“ besagen nichts über die Qualitätder Betreuungsarbeit. Umfangreiche Vermerke überjede Tätigkeit würden dagegen zu einem unzumut-baren Aufwand für die Berufsbetreuerinnen und-betreuer führen. Eine Qualitätssicherung bzw. Quali-tätssteigerung ist nicht über das Abrechnungssystemzu erreichen, sondern nur durch eine konsequente Be-treuungsplanung.

Fazit:Das bestehende Vergütungssystem kann seine Zielset-zung nicht erreichen, trägt zur Qualität der Betreuungnicht bei, benachteiligt im Gegenteil gut ausgebildete undeffektiv arbeitende Berufsbetreuerinnen und -betreuerund verursacht einen erheblichen Zeit- und Personalauf-wand, der den Betreuten nicht zugute kommt.

b) Kein Lösungsansatz im jetzigen SystemMit dem zum 1. Januar 1999 in Kraft getretenen Betreu-ungsrechtsänderungsgesetz ist § 1836b in das BGB ein-gefügt worden, um eine erleichterte Handhabung der zeit-bezogenen Vergütung zu ermöglichen. Nach § 1908iAbs. 1 Satz 1 und § 1836b Satz 1 Nr. 1 BGB kann dasVormundschaftsgericht einen festen Geldbetrag als Ver-gütung zubilligen, wenn die für die Führung der Betreu-ung erforderliche Zeit vorhersehbar und ihre Ausschöp-fung durch den Vormund gewährleistet ist. Weitere Ver-gütungsansprüche sind ausgeschlossen. Diese Regelungerspart den Berufsbetreuerinnen und Berufsbetreuern dieDokumentation und Darlegung des Zeitaufwandes undden Vormundschaftsgerichten die zeitintensive undgleichwohl nicht effektive Überprüfung der Vergütungs-abrechnungen. Darüber hinaus sind die Vormundschafts-gerichte nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 und § 1836b Satz 1Nr. 2 BGB berechtigt, die für die Führung der Vormund-schaftsgerichte erforderliche Zeit zu begrenzen. DieseRegelung soll einerseits die Tätigkeit der Berufsbetreue-

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Drucksache 15/2494 – 20 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

rinnen und -betreuer erleichtern und andererseits derenAbrechnungsehrlichkeit fördern.

Von § 1836b BGB wird nur in weniger als 10 % aller FälleGebrauch gemacht. Er hat sich in der Praxis nicht be-währt:

Sowohl die Zubilligung eines pauschalen Geldbetragesals auch die Zeitbegrenzung setzen voraus, dass der künf-tige Arbeitsaufwand im konkreten Betreuungsfall vorher-sehbar ist. Lebens- und Gesundheitsverhältnisse des Be-treuten müssen daher relativ stabil sein. Zu Beginn derBetreuung wird deshalb nur in Ausnahmefällen ein festerGeldbetrag bestimmt werden können. Eine nachträglichePauschalierung kommt nicht in Betracht. Zudem soll diezugebilligte Pauschale in entsprechender Anwendungvon § 323 ZPO modifiziert werden können, wenn sich diefür die Festlegung maßgeblichen Verhältnisse geänderthaben. Schließlich ermöglicht § 1836b BGB nicht die– besonders zweckmäßige – Pauschalierung der Aufwen-dungen.

Die gerichtliche Praxis hat deshalb in einigen Gerichts-bezirken, insbesondere in Niedersachsen, Modellversu-che gestartet, um auf der Basis von Vereinbarungen zwi-schen Vormundschaftsgerichten, Berufsbetreuerinnenund -betreuern und der Landeskasse Vergütungspauscha-len zu entwickeln. Zurzeit wird noch das so genannteOldenburger Modell praktiziert. Die Pauschalierungs-modelle haben zu erheblichen Kostensteigerungengeführt. Die – mangels Verankerung im geltenden Recht –notwendigen Vereinbarungen haben die Wirklichkeitnicht widergespiegelt.

c) Entwicklung eines tragfähigen Pauschalierungssystems

Der Entwurf empfiehlt, die nicht hinnehmbaren Defizitedes jetzigen Abrechnungssystems durch ein Pauschalie-rungssystem zu lösen, das einfach, streitvermeidend, ander Realität orientiert und für die Berufsbetreuerinnenund -betreuer auskömmlich ist.

Stärkung der Aufsicht im Betreuungsrecht

a) Aufsicht über die Vermögensverwaltung

Das geltende Recht stellt die wesentlichen Erkenntnis-und Aufsichtsmittel bereits zur Verfügung. Auch aus denbekannten Missbrauchsfällen ist im Ergebnis überwie-gend die Schlussfolgerung zu ziehen, dass das erforder-liche Pflichtenprogramm sowie die korrespondierendenAufsichtsmöglichkeiten im Gesetz vorhanden sind, imEinzelfall aber einerseits von einigen Betreuern vorsätz-lich umgangen werden und andererseits das Vormund-schaftsgericht nicht immer zeitnah und umfangreich ge-nug seine Aufsichtsmittel anwendet.

Anlass besteht allein zu Randkorrekturen am Gesetz.Durch die gesetzliche Anordnung der Vorlage eines Füh-rungszeugnisses sowie einer Auskunft aus dem Schuld-nerverzeichnis im Rahmen der Prüfung eines erstmals imGerichtsbezirk zu bestellenden Berufsbetreuers gemäߧ 1897 Abs. 7 BGB durch die zuständige Behörde kanneine Mindesteignungsvoraussetzung des Bewerbers ge-sichert werden. Im Zusammenhang mit den allgemeinenPflichten des Betreuers könnte die Beachtung des Wirt-schaftlichkeitsgrundsatzes bei Wahrnehmung der Betreu-

eraufgaben als weitere Pflicht im Gesetz verdeutlichtwerden.

b) BetreuungsplanungGemäß § 1901 Abs. 4 BGB ist der Betreuer verpflichtet,innerhalb seines Aufgabenkreises dazu beizutragen, dassMöglichkeiten genutzt werden, die Krankheit oder Behin-derung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern, ihre Ver-schlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu mindern.In welcher Form dies zu geschehen hat, bleibt ungeregelt.Mithin ist auch eine effektive Kontrolle, ob der Betreueretwa erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen veranlasstoder durchführt, nur eingeschränkt möglich.Eine Pflicht zur Betreuungsplanung – in geeigneten Fäl-len – hat demgegenüber den Vorteil, dass zu Beginn derBetreuung deren Ziele definiert werden. Damit steht demVormundschaftsgericht eine objektivierbare Grundlagezur Beurteilung der Effektivität des Betreuerhandelns zurVerfügung.Hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung eines Betreu-ungsplanes muss die Vielgestaltigkeit der Lebenssachver-halte berücksichtigt werden. Die jeweiligen inhaltlichenAnforderungen müssten daher flexibel gehandhabt wer-den, abhängig insbesondere von den zugewiesenen Auf-gabenkreisen, der Komplexität der Betreuung, den Wün-schen und Widerständen des Betroffenen, den tatsäch-lichen Besserungsmöglichkeiten und dem Krankheitstyp.Anknüpfend an § 1901 Abs. 4 BGB ist ein Betreuungs-plan vor allem in solchen Aufgabenbereichen wichtig, diein stärkerem Maße mit der Person des Betroffenen ver-knüpft sind, etwa der Gesundheitssorge oder Aufenthalts-bestimmung.Angesichts der Vielgestaltigkeit der zu regelnden Lebens-sachverhalte ist eine detaillierte gesetzliche Regelungnicht möglich. Um die erforderliche Flexibilität zu errei-chen, muss sich eine gesetzliche Regelung auf eine allge-mein gehaltene Formulierung beschränken. Es bleibt derSozialwissenschaft und der Medizin überlassen, den ge-setzlichen Rahmen mit konkreten inhaltlichen Anforde-rungen auszufüllen.

Übertragung richterlicher Aufgaben auf den Rechtspflegera) Anlass und Gegenstand einer Aufgabenverlagerung

Innerhalb des Vormundschaftsgerichts nehmen Richter-und Rechtspflegerschaft die betreuungsrechtlichen Auf-gaben wahr. Grundsätzlich sind der Rechtspflegerschaftdie betreuungsrechtlichen Aufgaben gemäß § 3 Nr. 2Buchstabe a RPflG zugewiesen. Lediglich bestimmteEntscheidungen, insbesondere ob ein und welcher Be-treuer und mit welchem Aufgabenkreis bestellt wird, istder Richterschaft gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG vorbe-halten. Nach dieser Zuständigkeitsverteilung entscheidetdie Rechtspflegerschaft über– die Genehmigung für den Betreuer zur Beendigung

eines Mietverhältnisses des Betreuten über Wohnraumund über die Genehmigung von Miet- und Pachtver-trägen (§ 1907 BGB),

– die Genehmigung für den Betreuer für ein Verspre-chen oder die Gewährung von Ausstattungen aus demVermögen des Betreuten (§ 1908 BGB),

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 21 – Drucksache 15/2494

– die Erteilung vormundschaftsgerichtlicher Genehmi-gungen im Bereich der Vermögenssorge des Betreuersfür den Betreuten (§§ 1908i, 1810 ff. BGB).

– Die Rechtspflegerschaft berät die Betreuer und wirktdabei mit, sie in ihre Aufgaben einzuführen (§ 1908iAbs. 1, § 1837 Abs. 1 BGB).

– Sie führt die Aufsicht über die Betreuer, schreitet ge-gen Pflichtwidrigkeiten der Betreuer durch geeigneteGe- und Verbote ein (§ 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 2BGB) und hält die Betreuer ggf. durch Festsetzungvon Zwangsgeld zur Befolgung ihrer Anordnungen an(§ 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 3 BGB).

– Sie prüft die Rechnungen der Betreuer, die über ihreVermögensverwaltung für die Betreuten Rechnung zulegen haben (§§ 1908i, 1843 BGB).

– Sie entscheidet nach Maßgabe von § 56g FGG,§ 1908i Abs. 1, der §§ 1835 ff., 1908e, 1908h BGBüber Vergütung und Aufwendungsersatz der Betreuer,erfüllt nach Maßgabe der §§ 1836a ff. BGB die An-sprüche der Betreuer auf Vergütung und Aufwen-dungsersatz und macht Ansprüche der Staatskassenach § 1836e BGB geltend.

Diese Verteilung der Kompetenzen hat sich in der Praxisnicht hinreichend bewährt. Der Rechtspflegerschaft istzwar der Bereich der Aufsicht und Vergütungskontrollezugewiesen. Es fehlt jedoch an der Zuständigkeit, die sichaus den Erkenntnissen der Aufsicht ergebenden Konse-quenzen zu ziehen. So ist die Rechtspflegerschaft wederbefugt, den Betreuer zu entlassen, noch eine Reduzierungder Aufgabenbereiche anzuordnen, weil der Betreuungs-bedarf sich geändert hat. Das Auseinanderfallen des „Ob“und „Wer“ einerseits und des „Wie“ andererseits führt zunicht unerheblichen Reibungsverlusten.

Diese werden durch die grundsätzlich verschiedeneWertschätzung des Betreuungsrechts verstärkt. Für dieRechtspflegerschaft ist das Betreuungsrecht eine zentraleAufgabenstellung, der in der Ausbildung an der Fach-hochschule für Rechtspflege ein besonderer Stellenwertzukommt. Dementsprechend groß ist das Interesse, sicheingehend und über den juristischen Kontext hinauskontinuierlich mit dem Betreuungsrecht auseinander zusetzen.

In der richterlichen Ausbildung spielt das Betreuungs-recht dagegen nur eine geringe Rolle. Für eine nicht uner-hebliche Zahl von Richterinnen und Richtern handelt essich um einen kaum bekannten und deshalb wenig ge-schätzten Tätigkeitsbereich. Die Herausforderungen andie juristische und soziale Kompetenz werden verkannt.Das führt bei einigen Amtsgerichten dazu, Betreuungs-recht als notwendiges Übel zu verstehen und die Dezer-nate Proberichtern zuzuweisen, die regelmäßig nach rela-tiv kurzer Zeit an andere Gerichte wechseln. Die dadurchbedingte personelle Fluktuation verhindert eine effektiveBetreuungsarbeit, die darauf angelegt sein muss, in konti-nuierlicher Kooperation mit Betreuungsbehörden, ehren-amtlichen Betreuern und Berufsbetreuern, Sachverstän-digen, Krankenhäusern usw. ein breites Spektrum anKenntnissen zu gewinnen.

Durch eine Verlagerung richterlicher Aufgaben auf be-sonders qualifizierte und erfahrene Rechtspflegerinnenund Rechtspfleger ist deshalb ein Qualitätsverlust für dieBetreuten nicht zu befürchten. Zudem erfordert die Beur-teilung, ob ein Betreuer überhaupt und wenn ja mit wel-chem Aufgabenkreis bestellt wird, nicht nur die Berück-sichtigung rechtlicher Aspekte, sondern hier sind weitereQualitäten, nicht zuletzt ein gewisses Maß an Lebenser-fahrung, nötig.

Die Rechtspflegerschaft ist bereits nach geltendem Rechtim Betreuungsverfahren mit Fragen der Streitentschei-dung und Beweiswürdigung und der Entscheidung grund-rechtsintensiver Maßnahmen befasst, so dass die Übertra-gung richterlicher Aufgaben keine qualitativ neuen An-forderungen an diese stellen dürfte. Im Rahmen der Ge-nehmigung einer Wohnungskündigung gemäß § 1907BGB regelt die Rechtspflegerschaft Fragen, die beson-ders einschneidend in Rechte des Betroffenen eingreifenkönnen. So verliert der Betroffene unter Umständen sei-nen langjährigen, durch Artikel 13 Abs. 1 GG verfas-sungsrechtlich besonders geschützten Lebensmittel-punkt. Soll eine Genehmigung nach § 1907 BGB gegenden natürlichen Willen des Betroffenen und damit „strei-tig“ erteilt werden, dürften weitere Ermittlungen, auch inForm der Einholung von Pflegegutachten, durchzuführensein. Die Entscheidung dieser streitigen Maßname unddie zuvor erfolgte Beurteilung und Würdigung eingehol-ter Pflegegutachten stellt keine strukturell andere Tätig-keit als die richterliche Beweiswürdigung und Streitent-scheidung dar.

In der großen Masse der Verfahren würde die Zuständig-keit für die Bestellung eines Betreuers und das gesamteweitere Verfahren in der Hand der Rechtspflegerschaftzusammengefasst. Damit dürften die Geschäftsabläufedes Gerichts insgesamt, aber auch für das einzelne Ver-fahren, an Effizienz gewinnen. Für den Betroffenen hättedies den Vorteil, dass die durch die Aufgabenteilung zwi-schen Richter- und Rechtspflegerschaft bedingte doppelteVornahme belastender Verfahrenshandlungen in der Viel-zahl der Fälle entfiele. Ist die Rechtspflegerin oder derRechtspfleger auch für die Bestellung des Betreuers zu-ständig, könnte sie oder er im Rahmen der erforderlichenAnhörung zur Betreuerbestellung auch Fragen der Woh-nungsauflösung erörtern. Die Durchführung zweier, fürden Betroffenen belastender Anhörungen durch die Rich-terin oder den Richter hinsichtlich der Betreuerbestellungund durch die Rechtspflegerin oder den Rechtspflegerhinsichtlich der Wohnungskündigung entfiele.

Für den Rechtsuchenden wäre eine weit gehende Zusam-menfassung des gesamten Verfahrens beim Rechtspflegerhilfreich; die bisherige Zuständigkeitsverteilung zwi-schen Richter- und Rechtspflegerschaft ist für ihn häufignicht nachvollziehbar, da sich Fragen aus dem Personen-recht und der Vermögenssorge in der Regel nicht völligtrennen lassen.

Da letztlich Richtervorbehalte nicht gänzlich aufgegebenwerden können, besteht die Möglichkeit, dass es zu Dop-pelarbeiten der Richter- und der Rechtspflegerschaftkommt. Jedoch ist der Anteil der der Richterschaft ver-bleibenden Zuständigkeiten gemessen an der Gesamtzahlder Betreuungsverfahren relativ gering. So gab es im Jahr

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Drucksache 15/2494 – 22 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

2001 bundesweit 8 572 erstmalige Anordnungen einesEinwilligungsvorbehalts nach § 1903 BGB, 3 070 Ge-nehmigungen nach § 1904 BGB und 61 Genehmigungennach § 1905 BGB, 100 199 Unterbringungsgenehmigun-gen nach § 1906 Abs. 1 und 4 BGB und 16 454 Unterbrin-gungsgenehmigungen nach § 1846 BGB bei insgesamt205 266 erstmaligen Bestellungen eines Betreuers und986 392 anhängigen Betreuungsverfahren. Im Übrigen istauch nicht bekannt, dass es im württembergischenRechtsgebiet, wo es eine ähnliche Aufgabenverteilungzwischen Richterschaft und Notariat bereits gibt (§§ 36,37 des Baden-württembergischen Landesgesetzes überdie freiwillige Gerichtsbarkeit ), zu größeren Problemengekommen wäre. Die Reibungsverluste dürften sich des-halb in Grenzen halten und – wie oben dargestellt – durchdie zu erwartenden Effizienzgewinne bei den künftig aus-schließlich von der Rechtspflegerschaft bearbeiteten„Standardverfahren“ mehr als ausgeglichen werden.

Die vom Gesetzgeber des Rechtspflegergesetzes aus demJahr 1957 getroffene Grundsatzentscheidung, personen-rechtliche Entscheidungen in Vormundschaftssachen derRichterschaft vorzubehalten, die im Rechtspflegergesetzvon 1969 ausdrücklich beibehalten und auch vom Gesetz-geber des Betreuungsgesetzes vom 12. September 1990nicht geändert wurde, würde durch die geplanten Aufga-benverlagerungen auf die Rechtspflegerschaft durch eineneue gesetzgeberische Entscheidung ersetzt.

b) Verfassungsrechtliche Vorgaben

Die Richtervorbehalte im Betreuungsrecht sind in demgegenwärtigen Umfang verfassungsrechtlich nicht erfor-derlich. Der Richterschaft vorbehalten sind lediglich dieUnterbringung (Artikel 104 Abs. 2 GG) sowie die Vorfüh-rung zur Anhörung und Untersuchung, wenn diese mit ei-ner Durchsuchung der Wohnung des Betroffenen verbun-den ist (Artikel 13 Abs. 2 GG). Zur Sicherung eines wir-kungsvollen Grundrechtsschutzes ist ein Richtervorbe-halt aber zusätzlich erforderlich, wenn schwer wiegendebetreuungsrechtliche Maßnahmen auf Grund ihrer Eilbe-dürftigkeit sofort vollzogen werden müssen und somiteine (nachfolgende) gerichtliche Entscheidung ins Leerelaufen würde. Der Entwurf ist der Auffassung, dass es au-ßerhalb der Entscheidungen nach den §§ 1903 bis 1906aBGB solche irreversiblen und schwer wiegenden Ein-griffe in der Praxis nicht gibt.

Dies ist ebenso bereits von dem Gesetzgeber des Betreu-ungsgesetzes vom 12. September 1990 gesehen worden.Rechtspolitische, systematische und praktische Gründeführten zu den Richtervorbehalten in der gegenwärtigenForm (Bundestagsdrucksache 11/4528, S. 97).

c) Voraussetzungen der Übertragung von richterlichen Auf-gaben auf die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger

Damit die Rechtspflegerschaft weitere Aufgaben über-nehmen kann, müsste sie an anderer Stelle entlastet wer-den. Insofern wäre angesichts in einzelnen Ländern beste-hender Personalengpässe im Bereich der Rechtspfleger-schaft zu prüfen, wann, auch im Zusammenhang mitweiteren geplanten Aufgabenübertragungen, genügendPersonalkapazitäten zur Verfügung stehen. In diesemZusammenhang wäre durch die Landesjustizverwaltun-gen auch zu klären, ob und in welchem Umfang Entlas-

tungen, z. B. durch eine Pauschalierung der Vergütung,möglich sind. Eine im Auftrag des Bundesministeriumsder Justiz durchgeführte rechtstatsächliche Untersuchunghat ergeben, dass sich die Rechtspflegerschaft in der Pra-xis hauptsächlich mit Vergütungsabrechnungen beschäf-tigen. Auf eine Rechtspflegerstelle entfallen im Durch-schnitt jährlich ca. 940 Verfahren auf Festsetzung vonVergütungen, Aufwendungsersatz oder Aufwandsent-schädigung mit einem durchschnittlichen Arbeitsstun-denaufwand in Höhe von ca. 1 500 Stunden. Bei einerdurchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5Stunden verwendet damit eine Rechtspflegerin oder einRechtspfleger jährlich ca. 10,75 Monate allein für Vergü-tungsabrechnungen und Ähnliches. Eine Aufgabenerwei-terung im Betreuungsverfahren kann deshalb nur im Zu-sammenhang mit einer Vereinfachung des Vergütungswe-sens erfolgen, also letztlich dann, wenn eine Pauschalie-rung eingeführt wird.

Weiter ist davon auszugehen, dass sich das Prinzip derEinheitsentscheidung bewährt hat. Die Richterin oder derRichter entscheidet durch einen einzigen Beschluss überdie Notwendigkeit der Betreuung, den Aufgabenkreis desBetreuers und die Bestellung eines bestimmten Betreuers,§ 69 Abs. 1 FGG. Insofern kann es bei einer Aufgaben-verlagerung auf die Rechtspflegerschaft nicht darauf an-kommen, ihr nur Teile des Verfahrens zu übertragen. DerRechtspflegerschaft müsste deshalb eine größtmöglicheZuständigkeit im Rahmen des verfassungsrechtlich Zu-lässigen zukommen. Deshalb soll die Richterin oder derRichter künftig auch nur noch über die ihnen ausdrücklichzugewiesenen Maßnahmen entscheiden, während dasVerfahren ansonsten der Rechtspflegerschaft vorbehaltenbleibt. Bei dieser weit gehenden Aufgabenverlagerungsind besondere Anforderungen an die Qualifikation dermit betreuungsrechtlichen Maßnahmen betrauten Rechts-pflegerinnen und Rechtspfleger zu stellen. Da wichtigeEntscheidungen in der Lebensführung der Betroffenen zutreffen sind, sollten hier nur erfahrene Rechtspflegerinnenund Rechtspfleger tätig werden.

Ohne Änderung des Verfahrens betrifft die Aufgaben-verlagerung derzeit aber nur die nicht schwer wiegendenGrundrechtseingriffe. Nichteilige schwer wiegendeGrundrechtseingriffe könnten wegen des Grundsatzes deswirkungsvollen Rechtsschutzes nur dann auf die Rechts-pflegerschaft übertragen werden, wenn Maßnahmen zurGewährung des Grundrechtsschutzes ergriffen werden.Es ist deshalb bedenkenswert, den vom Bundesverfas-sungsgericht in seinem Beschluss vom 18. Januar 2000zur Genehmigung von Rechtsgeschäften durch dieRechtspflegerin oder den Rechtspfleger als vorüberge-hende Lösung bis zu einer gesetzlichen Neuregelung alsausreichenden Rechtsschutz angesehenen anfechtbarenVorbescheid – auch im Betreuungsrecht – zu institutiona-lisieren.

Diese Anpassungen des Verfahrensrechtes betreffenKernbereiche der geplanten Reform des Gesetzes über dieAngelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Es er-scheint nicht sinnvoll, diese aus dem geplanten Reform-vorhaben auszugliedern und damit Festlegungen vorzu-nehmen, die unter Umständen später nicht in das Gesamt-konzept passen.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 23 – Drucksache 15/2494

Zwangsweise Zuführung zur ärztlichen Heilbehandlung

Das Betreuungsgesetz hat die Problematik der zwangsweisenZuführung des Betreuten zur ärztlichen Heilbehandlungzwar gesehen, aber bewusst ungeregelt gelassen (Bundes-tagsdrucksache 11/4528, S. 72): Die Genehmigungsbedürf-tigkeit orientiere sich an der Schwere des Eingriffs. Das Ge-setz hat Zwangsmittel gegen den Betreuten auf die Vorfüh-rung zur Anhörung und Verschaffung des unmittelbaren Ein-drucks, die Vorführung zur Untersuchung durch einenSachverständigen und die Unterbringung zur Beobachtung ineiner Anstalt (Bundestagsdrucksache 11/4528, S. 92) be-schränkt und hierfür Verfahrensgarantien eingeführt. Gleich-wohl sei eine Zwangsbehandlung nicht generell verboten, dader nicht einsichtsfähige Betreute nicht von den Möglichkei-ten der medizinischen Behandlung ausgeschlossen seindürfe. Die Zulässigkeit der ärztlichen Zwangsbehandlungdes untergebrachten Betreuten wird folgerichtig auch nicht inFrage gestellt.

In der Praxis werden immer wieder Fälle relevant, in denen esum die zwangsweise Medikation mit Psychopharmaka (Neu-roleptika) bei Krankheitsuneinsichtigen geht. Die medizi-nisch notwendige Gabe einer Depotspritze ist in diesen Fäl-len oft nur gegen den verbalen oder körperlichen Widerstanddes Betroffenen möglich. In die Durchführung der ärztlichenHeilbehandlung selbst kann der mit dem Aufgabenkreis „Zu-führung zur Gesundheitssorge“ betraute Betreuer einwilli-gen. Die Notwendigkeit einer vormundschaftsgerichtlichenGenehmigung hierfür ergibt sich je nach Schwere des Ein-griffs aus § 1904 BGB. Ob hingegen der Betreuer bei der Zu-führung zur Heilbehandlung Zwang anwenden kann, warumstritten (dafür: OLG Hamm, BTPrax 2000, 173, dagegen:OLG Zweibrücken, BTPrax 2000, 88). Der Bundesgerichts-hof (vgl. FamRZ 2001, 149) hat schließlich im geltendenRecht keine Rechtsgrundlage für die Genehmigung vonZwang gesehen. § 1906 Abs. 1 und 4 BGB könnte nicht ana-log herangezogen werden, auch nicht unter dem Gesichts-punkt, dass die ambulante Zwangsbehandlung als milderesMittel gegenüber der Unterbringung anzusehen wäre. Aus-drücklich stellt aber auch der Bundesgerichtshof die Folgedieser geltenden Rechtslage dar: Gegebenenfalls müsse einneuer Krankheitsschub des Betreuten abgewartet werden, umihn sodann zur Heilbehandlung für einen längeren Zeitpunktunterzubringen (so auch Dodegge/Roth, Betreuungsrecht,G 40).

Dieser Rechtszustand ist im Interesse des Betreuten, aberauch im Interesse der Allgemeinheit nicht hinnehmbar. DasSelbstgefährdungspotenzial des Betreuten steigt mit der ab-nehmenden Wirkung der Medikation, häufig verbunden miteinem gleichzeitigen Anstieg der Fremdgefährdung. DieSchwelle für eine Unterbringung ist aber noch nicht über-schritten. Im Betreuungsrecht ist deshalb eine Rechtsgrund-lage für eine zwangsweise Zuführung zur ambulanten ärzt-lichen Heilbehandlung zu schaffen, mit der dann der erheb-lichere Eingriff der Unterbringung vermieden werden kann.Der typischen Kombination aus Selbst- und Fremdgefähr-dung des krankheitsuneinsichtigen Patienten kann im Be-treuungsrecht am besten begegnet werden. Der Betreuer ent-scheidet über die ärztliche Heilbehandlung. Er steht in ständi-gem Kontakt zum Betreuten und zum behandelnden Arzt.Eine Differenzierung zwischen Maßnahmen des Betreuerszum Wohle des Betreuten und der Unterbringungsbehörde

zum Wohle der Allgemeinheit erscheint nicht nur sachlichzweifelhaft, sie ist auch gänzlich unpraktikabel.Die vorgeschlagene Regelung genügt den Voraussetzungender Artikel 2 und 104 GG. Artikel 104 Abs. 2 GG ist insoweitnicht einschlägig, weil es sich bei der zwangsweisen Zufüh-rung nicht um eine Freiheitsentziehung, sondern um eineFreiheitsbeschränkung handelt (vgl. Jarass/Pieroth, GG,6. Auflage, Artikel 104 Rn. 10). Die Verfahrensgarantienentsprechen denjenigen bei einer Genehmigung einer unter-bringungsähnlichen Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB.Sie werden, ebenfalls entsprechend den dazu bestehendenVerfahrensvorschriften, in das FGG eingefügt.

5. Kosten des EntwurfsI. Kosten für den BundKeine

II. Kosten für die LänderFür die Länder entstehen keineKosten. Es ist vielmehr zuerwarten, dass die Kostenexplosion, die in keinem Ver-hältnis zur Steigerung der Betreuungsfallzahlen steht, ge-stoppt werden kann.

III. Kosten für die KommunenAuch für die Kommunen fallen keine Mehrkosten durchden Entwurf an:– Die Erweiterung der Beratungskompetenz auf Be-vollmächtigte und gesetzliche Vertreter hat keinenMehraufwand zur Folge. Die Kommunen sind bereitsjetzt nach § 4 BtBG verpflichtet, Betreuer zu beratenund zu unterstützen. An die Stelle der Betreuer sollen– nach den Zielen des Entwurfs – in verstärktemMaße Bevollmächtigte und gesetzliche Vertreter tre-ten. Der Aufwand für die Betreuungsbehörden bleibtdamit gleich. Es ändert sich allein die Bezeichnungderjenigen, die Rat und Unterstützung in Anspruchnehmen können.

– Der Mehraufwand der Kommunen im Bereich derBeglaubigungskompetenz für Vorsorgevollmachtenist zum einen gering und zum anderen durch Einspa-rungen in anderen Bereichen ausgeglichen:Die Betreuungsbehörden fördern nach § 6 Satz 2BtBG die Aufklärung und Beratung über Vorsorge-vollmachten. Überwiegend wird diese Aufgabenstel-lung durch ein eigenes Beratungsangebot der Kom-munen umgesetzt. Zur Unterstützung der Beratungwird den Kommunen zukünftig die von derBund-Länder-Arbeitsgruppe „Betreuungsrecht“ ent-wickelte Broschüre nebst Vollmachtsmuster zur Ver-fügung gestellt. Steht am Ende der Beratung derWunsch, das Formular auszufüllen und beglaubigenzu lassen, kann dies in den Arbeitsablauf typischer-weise unproblematisch integriert werden. Kommu-nen, die entsprechend den zurzeit geltenden gesetzli-chen Vorgaben eine funktionsfähige Betreuungsstelleeingerichtet haben, werden das können.Durch den verstärkten Einsatz von Vorsorgevoll-machten und der Einführung der gesetzlichen Vertre-tungsmacht wird es in vielen Fällen nicht mehr zueinem Betreuungsverfahren kommen. Damit entfälltfür die Betreuungsbehörde die Stellungnahme im

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Drucksache 15/2494 – 24 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Rahmen der Betreuerbestellung (Sozialbericht). NachEinschätzung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternvon Betreuungsbehörden ist für die Erstellung einesSozialberichts ein Aufwand von ca. acht Stunden an-zusetzen. Die Einsparungen in diesem Bereich dürf-ten den zusätzlichen Aufwand für die Beglaubigun-gen zumindest ausgleichen. Zudem wird für die Be-glaubigung eine Gebühr anfallen.

– Durch die Pauschalierung der Vergütung werden dieBetreuungsstellen nicht mit der Führung weiterer Be-treuungen belastet. Die Befürchtung, besondersschwere Fälle würden von Berufsbetreuern und Be-treuungsvereinen abgelehnt, so dass die Auffangzu-ständigkeit der Kommunen verbleibe, ist nicht be-rechtigt.

B. Zu den einzelnen Vorschriften

Zu Artikel 1 (Änderung des BGB)Artikel 1 enthält die grundlegenden materiellen Änderungenim Bürgerlichen Gesetzbuch.

ZuNummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)In die Inhaltsübersicht müssen die neu in das BGB eingefüg-ten §§ 1358, 1358a, 1618b, 1906a und 1908l bis 1908o ein-gestellt werden.

ZuNummer 2 (§§ 1358 – neu – und 1358a – neu –)Zu § 1358 – neu –§ 1358 BGB-E schafft für Ehegatten eine gesetzliche Vertre-tungsmacht für bestimmte Bereiche der Vermögenssorge,wenn der andere Ehegatte hierfür keine rechtsgeschäftlicheVollmacht hat. Auf Grund der Vertretungsmacht wird der an-dere Ehegatte lediglich berechtigt, für den verhinderten Ehe-gatten in dem gesetzlich bestimmten Rahmen zu handeln.Damit wird keine über die bisherigen beiderseitigen Rechteund Pflichten der Ehegatten, vgl. §§ 1353 ff. BGB, hinausge-hende neue Verpflichtung begründet. Deshalb bedarf es hin-sichtlich des Innenverhältnisses zwischen den Ehegatten kei-ner neuen Regelungen.§ 1358 Abs. 1 BGB-E regelt die Voraussetzungen der Vertre-tungsmacht.Dessen Satz 1 bestimmt, dass sie eintritt, wenn ein Ehegatteinfolge einer Krankheit oder einer Behinderung verhindertist, selbst seine Rechte und Pflichten wahrzunehmen. DieseVoraussetzungen sind an die gesetzlichen Anforderungeneiner rechtlichen Betreuung (§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB)angenähert. Eine Vertretung ist deshalb nur im Fall der Ver-hinderung möglich. Sie entspricht damit den Notverwal-tungsrechten bei der Gütergemeinschaft (§§ 1429, 1454BGB).Um eine Vertretung möglichst umfassend zu ermöglichen,berechtigt sie den anderen Ehegatten zu gerichtlichen und au-ßergerichtlichen Handlungen für den verhinderten Ehegat-ten.Die Vertretungsmacht ist ausgeschlossen, wenn ein Bevoll-mächtigter vorhanden ist (dies kann der andere Ehegatte sein,der lediglich eine Kontovollmacht hat, es kann sich aber auch

um einen Vorsorgebevollmächtigten handeln). Zur Vertre-tung ist der andere Ehegatte ebenfalls nicht berechtigt, wennein Betreuer mit dem Aufgabenkreis „Vermögenssorge“ be-stellt wurde.

§ 1358 Abs. 1 Satz 2 BGB-E macht die Vertretungsmachtzum einen davon abhängig, dass die Ehegatten nicht getrenntleben. Wie bei § 1357 Abs. 3 BGB beurteilt sich dies nachMaßgabe des § 1567 BGB. Die Ehegatten dürfen also nichtdauerhaft ohne Aussicht auf ein Zusammenleben die häus-liche Gemeinschaft aufgelöst haben. Zum anderen darf derEhegatte einen entgegenstehenden Willen nicht geäußert ha-ben. Für diese Erklärung ist Geschäftsfähigkeit nicht erfor-derlich. Es handelt sich um die tatsächliche Bekundung einesdie Vertretung ablehnenden natürlichen Willens, der keinerbestimmten Person erklärt werden muss. Damit ist in jedemFalle das Selbstbestimmungsrecht des verhinderten Ehegat-ten gewahrt. Der gesetzlich vertretene Ehegatte ist besser ge-stellt als im Fall der Betreuung. Nach § 1901 Abs. 3 Satz 1BGB muss der Wille des Betreuten nicht in jedem Fall beach-tet werden.

§ 1358 Abs. 2 BGB-E regelt den Umfang der Vertretungs-macht in den dort abschließend aufgezählten Bereichen derVermögenssorge.

Dessen Nummer 1 betrifft die Befugnisse des anderen Ehe-gatten im Hinblick auf den praktisch besonders bedeutsamenGirovertrag, der nur von dem verhinderten Ehegatten abge-schlossen wurde und für den der andere Ehegatte keinerechtsgeschäftliche Vollmacht hat. Um dem anderen Ehegat-ten die Möglichkeit zur Deckung des täglichen Lebensbe-darfs für den verhinderten Ehegatten und für sich selbst zugeben, soll er in dem festgelegten Rahmen Zugriff auf dasGirokonto haben. Regelmäßig werden allein mit einem sol-chen Girokonto die alltäglichen Bankgeschäfte geregelt. An-dere Bankkonten (z. B. Spar-, Festgeld- oder Darlehenskon-ten) werden nicht erfasst. Der Entwurf sieht insbesondereauch die Einbeziehung von Sparkonten nicht vor, weil hierim Gegensatz zum Girokonto nicht selten Kontoinhaber-schaft und Gläubigerstellung hinsichtlich der einzelnen For-derung auseinanderfallen. Auch dient die Anlage auf anderenals Girokonten nicht unbedingt der Befriedigung des tägli-chen Lebensbedarfs. Der Vertreter darf innerhalb von jeweils30 Tagen über 3 000 Euro verfügen. Diese Verfügungsgrenzeist an § 1813 Abs. 1 Nr. 2 BGB angepasst. Mit der Beschrän-kung auf Guthaben, die dem berechtigten Ehegatten zuste-hen, wird klargestellt, dass der Vertreter das Girokonto nichtüberziehen darf. Das ist auch deshalb ausgeschlossen, weil– soweit kein ausreichendes Guthaben besteht – keine Forde-rung des verhinderten Ehegatten gegenüber der Bank vor-handen ist, über die verfügt werden könnte (vgl. MünchenerKommentar – Hadding/Jäuser, HGB, Band 5, ZahlungsV,Rn. A 89). Allerdings müssen Girokonten des verhindertenEhegatten mit dessen Handlungsunfähigkeit nicht von Geset-zes wegen nur noch im Guthaben geführt werden. Konto-überziehungen, insbesondere solche, die der verhinderteEhegatte veranlasst hat, sind weiter möglich. So laufen vondem verhinderten Ehegatten eingerichtete Daueraufträgez. B. zur monatlichen Mietzahlung weiter, auch wenn zusam-men mit den vorherigen Abhebungen des anderen Ehegattender Betrag von 3 000 Euro überschritten wird. Hat allerdingsder andere Ehegatte einen solchen Dauerauftrag geändert,was z. B. bei einer Änderung des Mietverhältnisses erforder-

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lich werden kann, wird dies bei seinen künftigen Verfügun-gen in der Weise zu berücksichtigen sein, dass diese Dispo-sition in den Verfügungsrahmen einbezogen wird. Der andereEhegatte kann also nur noch über 3 000 Euro abzüglich derDisposition aus dem von ihm geänderten Dauerauftrag verfü-gen. Gleiches gilt für von ihm selbst eingerichtete Dauerauf-träge.Daneben werden auf einmalige Geldleistungen gerichteteForderungen gegen Krankenversicherer und ähnliche Leis-tungen erfasst. Hier gilt die Begrenzung auf 3 000 Euronicht. Sie soll bei Verfügungen über Guthaben auf Girokon-ten einem Missbrauch vorbeugen. Leistungen von Kranken-versicherern u. Ä. erfolgen aber regelmäßig zweckgebunden,so dass bereits eine gewisse Kontrolle durch den Leistungs-träger besteht. Bei einer Betragsbegrenzung wäre dem ande-ren Ehegatten zudem die Möglichkeit, das Guthaben zweck-gerichtet zu verwenden, häufig unnötig erschwert. Steht demverhinderten Ehegatten ein Guthaben zur Anschaffung einesaufwändigen Hilfsmittels (wie z. B. einem Bett) zur Verfü-gung, so könnte der andere Ehegatte dies nicht auf einmal be-zahlen, wenn der Betrag von 3 000 Euro überstiegen werdenwürde. Der Entwurf wird insofern bei den Kreditinstituten zueinem höheren Aufwand führen, weil bei Auszahlungen, dieden Betrag von 3 000 Euro übersteigen, der Verwendungs-zweck zu prüfen ist. Dieser Aufwand sollte allerdings nichtsehr hoch sein. Vergleichbare Prüfungen sind den Kredit-instituten beispielsweise bereits in § 55 SGB I auferlegt undmüssen auch im Rahmen von § 850k ZPO vorgenommenwerden. Gemäß § 55 Abs. 1 SGB I ist eine Forderung, die da-durch entsteht, dass eine Geldleistung auf das Konto des Be-rechtigten bei einem Geldinstitut überwiesen wird, für dieDauer von sieben Tagen seit der Gutschrift unpfändbar. BeiEmpfängern laufender Geldleistungen gilt noch nicht einmaldiese Frist.Der Entwurf setzt als selbstverständlich und deshalb nichtbesonders regelungsbedürftig voraus, dass der Vertreter dasjeweilige Guthaben nicht nur entgegennehmen, sondern an-schließend auch für den verhinderten Ehegatten verwendendarf. Da die Vertretungsmacht im Rahmen von Girokontenauch dem Ziel dienen soll, die Unterhaltsrechte des anderenEhegatten gegenüber dem verhinderten Ehegatten zu sichern,kommt insoweit auch eine Verwendung für den anderen Ehe-gatten selbst in Betracht.Betreuungsverhindernd kann die gesetzliche Vertretungs-macht für Ehegatten in diesem Bereich nur sein, wenn der an-dere Ehegatte nicht nur zu Verfügungen über Guthaben aufGirokonten berechtigt wird, sondern auch sonstige Erklärun-gen wirksam abgeben und vor allem seitens des Kreditinsti-tuts entgegennehmen kann, die mit der Kontoführung regel-mäßig in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Insbeson-dere gehört hierzu das Saldoanerkenntnis. Das Kreditinstitutkönnte gehalten sein, die Bestellung eines Betreuers anzure-gen, wenn dem anderen Ehegatten insoweit die Vertretungs-macht fehlte.Um Abgrenzungsprobleme innerhalb eines oder zwischenverschiedenen Kreditinstituten zu verhindern, wird klarge-stellt, dass der Höchstbetrag für jedes Konto gesondert gilt.§ 1358 Abs. 2 Nr. 2 BGB-E erfasst die häufigen Fälle, indenen Sozialleistungen beantragt werden müssen, um sie zuerhalten. Ist ein Ehegatte aus den in Absatz 1 aufgeführtenGründen verhindert, Leistungen geltend zu machen, so benö-

tigt er auch hier einen Vertreter. Dies soll der handlungsfä-hige Ehegatte sein. Über die Antragstellung hinaus wird erberechtigt, die Leistungen für den verhinderten Ehegattenauch entgegenzunehmen. Diese Berechtigung ist erforder-lich, weil es durchaus Fälle geben wird, in denen gerade derverhinderte Ehegatte kein Konto führt, auf dem die Leistun-gen gutgeschrieben werden können, vgl. § 47 SGB I.

§ 1358 Abs. 2 Nr. 3 BGB-E enthält die Berechtigung des an-deren Ehegatten, neben den Girokonten, Sozial- und Versi-cherungsleistungen auch steuerliche Angelegenheiten fürden handlungsunfähigen Ehegatten zu regeln. Für die ge-richtliche und außergerichtliche Vertretung hinsichtlich derEinkommensteuer, Kirchensteuer, dem Solidaritätszuschlagund damit im Zusammenhang stehender steuerlicher Neben-leistungen gilt der handlungsfähige Ehegatte in den in Ab-satz 1 des Entwurfs aufgeführten Verhinderungsfällen als zurVertretung befugt. Er kann somit für den verhinderten Ehe-gatten die erforderlichen Erklärungen abgeben und Erstat-tungen wie in den Fällen der Nummern 1 und 2 entgegenneh-men. Da die Vertretungsberechtigung an die Verhinderungdes vertretenen Ehegatten gebunden ist, besteht kein Wider-spruch zu § 25 Abs. 3 Satz 4 und 5 EStG, der die eigenhän-dige Unterschrift des Steuerpflichtigen verlangt. Durch dieVorschrift soll sichergestellt werden, dass der Steuerpflich-tige sich über die Lückenlosigkeit der ggf. von Dritten – z. B.Beratern – vorgenommenen Erklärungen vergewissert unddie volle Verantwortung (insbesondere auch in strafrecht-licher Hinsicht) für den Erklärungsinhalt übernimmt. Dervertretene Ehegatte ist im Verhinderungsfall des § 1358Abs. 1 BGB-E aber gar nicht in der Lage, diese Verantwor-tung zu übernehmen. Der Zweck des § 25 Abs. 3 Satz 3 und4 EStG wird deshalb vorliegend nicht ausgehebelt.

§ 1358 Abs. 2 Nr. 4 BGB-E beinhaltet schließlich mit derBerechtigung des anderen Ehegatten zur Regelung derWohnverhältnisse des verhinderten Ehegatten einen weite-ren wichtigen Bereich der Vermögenssorge. Häufig bestehtdie Notwendigkeit, das Mietverhältnis aufzulösen. Hierbeisind unterschiedliche Fallgestaltungen möglich. So kannder verhinderte Ehegatte darauf angewiesen sein, in eineWohnung mit behindertengerechter Ausstattung zu wech-seln. Es kommt aber auch der Fall in Betracht, dass der ver-hinderte Ehegatte in ein Heim ziehen muss und die bisherigeWohnung für den anderen Ehegatten allein zu groß ist.Haben die Ehegatten das alte Mietverhältnis gemeinsambegründet, so kommt dessen Kündigung wegen des Grund-satzes der Einheitlichkeit des Mietverhältnisses ebenfallsnur gemeinsam in Betracht (vgl. OLG Frankfurt/Main,WuM 1992, 56, 61 f.; LG Frankfurt/Main, WuM 1990, 271,281 ff.). Ist nur der verhinderte Ehegatte Mietvertragspart-ner, kann das Mietverhältnis ohnehin nur durch ihn gekün-digt werden. In beiden Fällen bedarf der verhinderte Ehe-gatte daher eines Vertreters, der ihm durch das Gesetz inGestalt des anderen Ehegatten zur Verfügung gestellt wird.Korrespondierend zur Vertretung bei der Kündigung desalten Mietverhältnisses wird dem anderen Ehegatten dieMöglichkeit gegeben, den verhinderten Ehegatten beim Ab-schluss eines Heimvertrags und der Geltendmachung derdaraus folgenden Rechte und Pflichten zu vertreten. DieseErklärungen muss der andere Ehegatte durch das Vormund-schaftsgericht genehmigen lassen (entsprechend § 1907Abs. 1 und 3 BGB). Die in § 1907 Abs. 2 BGB enthaltenenAnzeigepflichten obliegen dem anderen Ehegatten nicht,

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Drucksache 15/2494 – 26 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

weil er zur Vertretung des verhinderten Ehegatten lediglichberechtigt, nicht jedoch verpflichtet ist.

§ 1358 Abs. 3 BGB-E begründet zu Gunsten des Erklärungs-empfängers (also z. B. der Bank) bei Vorliegen der einzelnenVoraussetzungen einen Rechtsschein, auf den er sich gegen-über dem verhinderten Ehegatten berufen kann. Der Rechts-schein wird durch einzelne schriftliche Erklärungen des an-deren Ehegatten und die Vorlage eines ärztlichen Attests be-gründet. Auf Grund des Schriftformerfordernisses erhält derErklärungsempfänger zudem einen dauerhaften Nachweisüber die erforderlichen Erklärungen des anderen Ehegatten.

§ 1358 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Buchstabe a bis d BGB-E zählt dieErklärungen auf, die der andere Ehegatte gegenüber dem Ge-schäftspartner abzugeben hat. Die Erklärungen, mit dem ver-hinderten Ehegatten verheiratet zu sein, nicht getrennt zu le-ben und von einer Vollmacht oder des Bestehens einer Be-treuung nichts zu wissen, sind relativ einfache und die Hand-lungsbefugnisse des anderen Ehegatten nicht übermäßigeinschränkende Mittel, um im Rechtsverkehr für Akzeptanzder gesetzlichen Vertretungsmacht zu sorgen. Da es sich beiden Geschäften nach Absatz 2 außer der Zugriffsmöglichkeitauf Girokonten des verhinderten Ehegatten nicht um alltäg-liche Geschäfte handelt, ist es dem anderen Ehegatten zuzu-muten, bei jedem dieser Geschäfte die geforderten Erklärun-gen schriftlich abzugeben. Dies verhindert letztlich auch denEintritt einer gewissen Routine bei den Vertretergeschäften.Es wird der Gefahr vorgebeugt, dass der andere Ehegatte beiVornahme der Geschäfte sich nicht mehr ausreichend überdas Vorliegen der Voraussetzungen seiner Vertretungsbe-rechtigung Gedanken macht.

Die einfache Erklärung des anderen Ehegatten, mit dem ver-hinderten Ehegatten verheiratet zu sein, schützt den Erklä-rungsempfänger in ausreichendem Maß. Ein urkundlicherNachweis bedeutete für den anderen Ehegatten einen unver-hältnismäßig hohen Aufwand, da der Nachweis auch alleindurch eine Heiratsurkunde nicht zu führen wäre, weil sich ausihr der Bestand der Ehe zum Zeitpunkt der Handlungen desanderen Ehegatten nicht ergibt.

Dadurch, dass bei der Erklärung über das Zusammenleben derEhegatten letztlich eine rechtliche Wertung abzugeben ist,wird der andere Ehegatte nicht überfordert. Entsprechende Er-klärungen werden Eheleuten z. B. auch bei der Abgabe vonEinkommensteuererklärungen ohne Weiteres zugemutet.

§ 1358 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB-E regelt den Nachweis derHandlungsunfähigkeit des verhinderten Ehegatten durch einärztliches Zeugnis. Mit dem Zeugnis soll erreicht werden,dass die gesetzliche Vertretungsmacht im Rechtsverkehr An-erkennung finden wird. Einem ärztlichen Zeugnis wird regel-mäßig ein besonderes Vertrauen entgegengebracht. Der an-dere Ehegatte erhält das Zeugnis unter den Voraussetzungendes § 1358a BGB-E. Inhaltlich entspricht das Zeugnis imWesentlichen dem des § 68b Abs. 1 Satz 2 FGG, muss alsonicht so ausführlich wie das Gutachten eines Sach-verständigen sein, jedoch die für die Beurteilung der Hand-lungsunfähigkeit des Ehegatten erheblichen Gesichtspunkte– wenn auch in verkürzter Form – enthalten (vgl. Bundes-tagsdrucksache 11/4528, S. 174). Dazu gehören jedenfallsknappe Angaben zum Sachverhalt, zur Vorgeschichte und zuden Untersuchungsergebnissen sowie zur Beurteilung (vgl.OLG Hamm, BtPrax 1999, 238 bis 240). Auch das ärztliche

Zeugnis muss darauf beruhen, dass der Ausstellende den Be-troffenen zuvor persönlich untersucht und befragt hat. Diesmuss das Zeugnis ausdrücklich bescheinigen. Das Vertrauendes Rechtsverkehrs in das ärztliche Zeugnis soll dadurch ver-stärkt werden, dass der andere Ehegatte stets für eine gewisseAktualität des Zeugnisses zu sorgen hat, weil es bescheinigenmuss, dass die persönliche Untersuchung durch den beschei-nigenden Arzt vor nicht länger als sechs Monaten stattgefun-den hat. Außerdem hat der Arzt dem betroffenen Ehegattenden Zweck der Untersuchung soweit möglich zu erläuternund dies in der Bescheinigung zu vermerken. Durch die beilängerer Verhinderung regelmäßig erforderlichen Untersu-chungen des betroffenen Ehegatten werden die Vertretungs-befugnisse des anderen Ehegatten nicht erheblich erschwert.Die Verhinderungsfälle des Absatzes 1 bedingen ohnehin re-gelmäßig eine dauerhafte ärztliche Versorgung des betroffe-nen Ehegatten, so dass es sich letztlich nicht um zusätzlicheärztliche Untersuchungen handeln wird.

Die Pflicht zur Vorlage des ärztlichen Zeugnisses hat zurFolge, dass der Rechtsschein zu Gunsten des Erklärungsemp-fängers nur dann begründet wird, wenn der andere Ehegattebei Vornahme der sich aus Absatz 2 ergebenden Handlungenanwesend war. Das wird z. B. dazu führen, dass Abhebungenvon dem Girokonto des verhinderten Ehegatten oder die Ein-richtung oder Änderung von Daueraufträgen nur am Bank-schalter möglich sein werden. Dieser Aufwand ist hinzuneh-men. Er wird dazu beitragen, einem Missbrauch der Vertre-tungsmacht zu Lasten des verhinderten Ehegatten vorzubeu-gen.

Der Erklärungsempfänger wird, wenn die ärztliche Beschei-nigung und die schriftlichen Erklärungen von dem verfügen-den Ehegatten vorgelegt werden, in den Fällen des Absat-zes 2 Nr. 1 und 2 auch gegenüber dem berechtigten Ehegattenvon seinen Leistungspflichten aus dem entsprechendenRechtsverhältnis frei. Dies gilt nicht, wenn der Erklärungs-empfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass die Vor-aussetzungen nicht gegeben sind. Insoweit entspricht derEntwurf der Regelung in § 173 BGB. Ebenso wie dort kannsich der Erklärungsempfänger also bereits bei fahrlässigerUnkenntnis nicht auf den Rechtschein berufen. Dies stelltkeine neuen übermäßigen Prüfungspflichten des Erklärungs-empfängers dar. Letztlich wird kein anderer Aufwand ver-langt, als beim Erlöschen rechtsgeschäftlich erteilter Voll-machten bereits heute erforderlich ist, vgl. § 173 BGB. Aufeinen Rechtsschein kann sich der Erklärungsempfängerschließlich nicht berufen, wenn der verhinderte Ehegatte ihmgegenüber vor Eintritt des Verhinderungsfalles einer Vertre-tung durch seinen Ehegatten widersprochen hatte.

Mit dieser Konstruktion wird einerseits dem Ehegatten mitrelativ einfachen Mitteln ermöglicht, für den verhindertenEhegatten zu handeln. Andererseits werden die berechtigtenInteressen des Erklärungsempfängers hinreichend abgesi-chert. Aus besonderen Gründen bestehende Sicherungsbe-dürfnisse des handlungsunfähigen Ehegatten werden da-durch gewahrt, dass er durch einseitige Erklärung gegenüberdem Erklärungsempfänger (z. B. dem Kreditinstitut) die Ver-tretungsmacht des anderen Ehegatten ausschließen kann.

Zu § 1358a – neu – BGB§ 1358a BGB-E regelt die Vertretung des verhinderten durchden anderen Ehegatten im Bereich der Gesundheitssorge. Die

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Vertretung umfasst dabei nicht nur die Befugnis, im Namendes handlungsunfähigen Ehegatten die erforderlichen Be-handlungsverträge abzuschließen, sondern vor allem auch,die Einwilligung an Stelle des handlungsunfähigen Ehegat-ten in eine ärztliche Behandlung zu erklären. Mit der Rege-lung wird die bei den Betroffenen häufig vorhandene Vorstel-lung, zu entsprechenden Handlungen ohnehin berechtigt zusein, gesetzlich festgeschrieben. Wie bei § 1358 BGB-E wer-den für die Ehegatten keine neuen, über ihre bereits nach den§§ 1353 ff. BGB gegenseitig bestehenden Rechte und Pflich-ten hinausgehenden Verpflichtungen geschaffen.Zu Absatz 1Die Voraussetzungen entsprechen denen des § 1358 Abs. 1BGB-E: Der Ehegatte muss infolge Krankheit oder Behinde-rung nicht in der Lage sein, selbst Erklärungen abzugeben,die sich auf eine Untersuchung, eine Heilbehandlung odereinen ärztlichen Eingriff beziehen. Damit soll der Ehegatteals die in der Regel am nächsten stehende Person gesetzlichermächtigt werden, entsprechende Erklärungen abzugeben.Ausgeschlossen ist dies, wenn der Betroffene einen anderenWillen gegenüber dem behandelnden Arzt, der Klinik oderauch gegenüber dem Ehegatten erklärt hat.Bei einer besonders gefährlichen Maßnahme hat der andereEhegatte entsprechend § 1904 Abs. 1 BGB eine vormund-schaftsgerichtliche Genehmigung einzuholen. Damit wirdsichergestellt, dass der Ehegatte als gesetzlicher Vertreterbei der Gesundheitssorge nicht weiter gehende Befugnisseals ein gerichtlich bestellter Betreuer oder ein rechtsgeschäft-lich Bevollmächtigter hat, vgl. § 1904 Abs. 2 Satz 1 BGB.Der Entwurf lässt ausdrücklich offen, ob gesetzgeberischeKonsequenzen aus der neueren Rechtsprechung des Bundes-gerichtshofs zur Berücksichtigung des Patientenwillens zulebenserhaltenden oder -verlängernden Maßnahmen, insbe-sondere der Verbindlichkeit von Patientenverfügungen, zuziehen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2003,XII ZB 2/03, NJW 2003, 1588 ff.). Hierzu hat das Bundes-ministerium der Justiz eine Arbeitsgruppe „Patientenauto-nomie am Lebensende“ eingesetzt, die bis zum Frühsommer2004 einen Abschlussbericht, verbunden mit Eckpunkten fürdie Abfassung einer Patientenverfügung, erarbeiten und ge-gebenenfalls Empfehlungen unterbreiten wird, ob und inwelchem Umfang gesetzliche Regelungen wünschenswertsein könnten. Diesen Arbeiten soll durch den Entwurf nichtvorgegriffen werden.Zu Absatz 2Ähnlich wie in § 1358 Abs. 3 BGB-E kann sich der behan-delnde Arzt auf einen Rechtsschein berufen, wenn ihm ge-genüber der andere Ehegatte schriftlich erklärt, mit dem ver-hinderten Ehegatten verheiratet zu sein, nicht getrennt zu le-ben und dass ihm das Vorliegen einer Vollmacht, einer Be-treuung oder ein ihm entgegenstehender Wille des Ehegattennicht bekannt sind. Da es sich um eine ärztliche Behandlunghandelt, ist ein gesondertes ärztliches Zeugnis über die Hand-lungsunfähigkeit des Betroffenen (vgl. § 1358 Abs. 3 Nr. 1BGB-E) nicht erforderlich.

ZuNummer 3 (§ 1618b – neu – BGB)§ 1618b BGB-E erweitert den Kreis der Personen, die be-rechtigt sind, für einen handlungsunfähigen Angehörigen Er-klärungen abzugeben, auf volljährige Kinder und Eltern. Die

Berechtigung ist auf den Bereich der Gesundheitssorge be-schränkt. Hier ist die Gefahr eines Missbrauchs oder auch nureines Interessenkonflikts eher gering anzusehen, zumal dieEingriffe in die körperliche Integrität des Handlungs-unfähigen nicht durch die volljährigen Kinder oder Elternerfolgen, sondern letztlich durch Ärzte vorgenommen wer-den. Ebenso wie bei Ehegatten werden für Eltern und Kinderkeine neuen Verpflichtungen begründet. Diese ergeben sichbereits aus der Pflicht zu Beistand und Rücksichtnahme,§ 1618a BGB.Zu Absatz 1§ 1618b Abs. 1 Satz 1 BGB-E stellt klar, dass ein Ehegatteoder Lebenspartner Vorrang vor Eltern oder Kindern hat. DieRegelung geht von der Annahme aus, dass zwischen nicht ge-trennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartnern regelmäßigeine engere Bindung besteht als zu volljährigen Kindern oderEltern und die Ehegatten bzw. Lebenspartner deshalb die je-weiligen Wünsche des anderen am besten kennen.Dessen Satz 2 bestimmt, dass volljährige Kinder wiederumVorrang vor Eltern haben. Sind mehrere Kinder oder Eltern-teile vorhanden, reicht nach Satz 3 die Erklärung einer Per-son; ein anderer gleichrangiger Angehöriger kann jedochdieser Erklärung widersprechen. Damit liegt keine wirksameErklärung vor. Es muss dann gegebenenfalls ein Betreuer be-stellt werden, um notwendige Erklärungen abzugeben. NachSatz 4 gelten die Rangverhältnisse im Fall der Eilbedürftig-keit einer Entscheidung ausnahmsweise nicht. Kann der vor-rangige Angehörige nicht erreicht werden, so genügt in einersolchen Situation die Erklärung eines nachrangigen, aber er-reichbaren Angehörigen.Zu Absatz 2In Anlehnung an die Regelung des § 1358a Abs. 2 BGB-Ekann sich der behandelnde Arzt auf einen Rechtsschein beru-fen, wenn ein volljähriges Kind oder ein Elternteil des Be-troffenen ihm gegenüber schriftlich die nach § 1618b Abs. 2Satz 1 BGB-E geforderte Erklärung abgibt. Für den Eilfall(Absatz 1 Satz 4) sieht Satz 2 vor, dass der nachrangige Ange-hörige neben den Angaben nach Satz 1 Nr. 2 und 3 erklärenmuss, nachrangiger Angehöriger des Betroffenen zu sein unddass ein vorrangiger Angehöriger innerhalb angemessenerZeit nicht erreichbar ist. Da es sich um eine ärztliche Behand-lung handelt, ist ein gesondertes ärztliches Zeugnis über dieHandlungsunfähigkeit des Betroffenen (vgl. § 1358 Abs. 3Nr. 2 BGB-E) nicht erforderlich.Der behandelnde Arzt kann sich auf den Rechtsschein aller-dings nicht berufen, wenn ihm bekannt oder infolge Fahrläs-sigkeit nicht bekannt ist, dass die Voraussetzungen des Ab-satzes 1 nicht vorliegen. Dies regelt Satz 3.

Zu den Nummern 4 und 5 (§§ 1791a, 1791b BGB)Mit den Änderungen soll erreicht werden, dass als Einzelvor-münder nicht einzelne Berufsvormünder, sondern lediglichehrenamtlich tätige Vormünder Vorrang vor einem Vereinoder einer Behörde genießen.

ZuNummer 6 Buchstabe a (§ 1896 Abs. 1a – neu – BGB)ProblemNach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtsgarantiert Artikel 1 Abs. 1 GG, dass niemand zum Objekt

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staatlichen Handelns in der Weise werden darf, dass seineSubjektsqualität prinzipiell in Frage gestellt wird. Jeder hatsomit das Recht, sein Leben nach seinen Vorstellungen zu ge-stalten, soweit nicht Rechte Dritter oder andere mit Verfas-sungsrang ausgestattete Rechtsgüter betroffen sind; Artikel 2Abs. 1 GG. Ist Letzteres nicht der Fall, hat der Staat nicht dasRecht, den zur freien Willensbestimmung fähigen Betroffe-nen zu erziehen, zu bessern oder zu hindern, sich selbst zuschädigen. Soweit der Betroffene zur freien Willensbestim-mung fähig ist, darf gegen seinen Willen ein Betreuer nichtbestellt werden. Eine Bestellung gegen den freien Willen desBetroffenen stellte einen Eingriff in die Würde des Betroffe-nen dar, der zu unterlassen oder zu beseitigen ist.Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 104Nr. 2 BGB liegt ein Ausschluss freier Willensbestimmungvor, wenn der Wille nicht frei und unbeeinflusst von einerGeistesstörung gebildet und nach zutreffend gewonnenenEinsichten nicht gehandelt werden kann. Entscheidend ist, obeine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Widerbei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichts-punkte möglich ist, oder von einer freien Willensbildungnicht mehr gesprochen werden kann, etwa weil infolge derGeistesstörung Einflüsse dritter Personen den Willen über-mäßig beherrschen.Im systematischen Kontext kann eine „freie Willensbestim-mung“ im Sinne des § 104 Nr. 2 BGB nicht einen gänzlichanderen Sinngehalt haben, als eine freie Willensbestimmungim Sinne des § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB. § 104 Nr. 2 BGB und§ 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB umschreiben im Kern das gleichePhänomen. Da die Geschäftsfähigkeit für die rechtsgeschäft-lich ausgestalteten Teilaufgabenbereiche der Betreuung ei-nen tauglichen Maßstab dafür liefert, wann die Rechtsord-nung eine Entscheidung des Betroffenen als vollwirksamakzeptiert, müssen grundsätzlich die gleichen Erwägungen,die der Bestimmung der Geschäftsfähigkeit zu Grunde lie-gen, auch für die anderen Aufgabenbereiche gelten.Die beiden entscheidenden Kriterien sind daher die Ein-sichtsfähigkeit des Betroffenen und dessen Fähigkeit, nachdieser Einsicht zu handeln. Fehlt es an einem dieser beidenElemente, liegt kein freier, sondern ein natürlicher Wille vor.KriterienAuch der an einem Gebrechen im Sinne des § 1896 Abs. 1BGB leidende Betroffene kann in der Lage sein, einen freienWillen zu bilden und ihn zu äußern.Einsichtsfähigkeit setzt die Fähigkeit des Betroffenen vor-aus, im Grundsatz die für und wider eine Betreuerbestellungsprechenden Gesichtspunkte zu erkennen und gegeneinanderabzuwägen. Dabei dürfen jedoch keine überspannten Anfor-derungen an die Auffassungsgabe des Betroffenen gestelltwerden. Abzustellen ist jeweils auf das Krankheitsbild desBetroffenen. So vermag ein an einer Psychose erkrankter Be-troffener das Wesen und die Bedeutung einer Betreuung imDetail eher zu begreifen als der an einer Demenz leidende Be-troffene. Wichtig ist das Verständnis, dass ein gesetzlicherVertreter (§ 1902 BGB) bestellt wird, der eigenständige Ent-scheidungen in den ihm übertragenen Aufgabenbereichentreffen kann. Der Betroffene muss Grund, Bedeutung undTragweite einer Betreuung intellektuell erfassen können.Eine eigenständige Abwägung kann der Betroffene jedochnur vornehmen, wenn ihm die tatsächlich und rechtlich rele-

vanten Umstände bekannt sind, er mithin den Sachverhalt er-fasst hat.Damit der Betroffene den Sachverhalt in dem gefordertenSinne zu erfassen in der Lage ist, muss er spätestens im Rah-men des Schlussgespräches durch den erkennenden Richterüber Sinn und Zweck der Betreuung aufgeklärt werden. Hier-bei ist auf die Erkrankung und auf die intellektuellen Fähig-keiten des Betroffenen Rücksicht zu nehmen, und eine ent-sprechend adäquate Aufklärung vorzunehmen.Ist der Betroffene einsichtsfähig, so ist seine ablehnende Ent-scheidung zu respektieren, soweit er in der Lage ist, eine die-ser Einsicht entsprechende Entscheidung zu fällen.Selbstbestimmung setzt eine eigene, also unabhängige Ent-scheidung voraus. Das Vorliegen bestimmender EinflüsseDritter vermag zur Bewertung einer Willensäußerung als„unfrei“ führen. Dem Betroffenen steht aber das Recht zu, In-teressen Dritter bei seiner Willensbildung zu berücksichti-gen. Je deutlicher jedoch die Interessen Dritter den wohlver-standenen Belangen des Betroffenen widersprechen, destoeher wird ein beherrschender Einfluss Dritter anzunehmensein.VerfahrensrechtDen krankheitsbedingten Mangel des freien Willens festzu-stellen, obliegt dem Richter. Dieser hat gemäß § 68b Abs. 1Satz 1 FGG ein Gutachten einzuholen und gegebenenfallsden Sachverständigen bei der Anhörung hinzuzuziehen. DerSachverständige muss die Tatsachen darlegen, nach denenauf eine unfreie Willensbildung geschlossen werden kann.Pauschal wertende Feststellungen reichen nicht.Natürlicher WilleBetätigt der an einer Erkrankung im Sinne des § 1896 Abs. 1BGB leidende Betroffene seinen Willen, mangelt es diesemjedoch an der Einsichtsfähigkeit oder an der Fähigkeit, nachdieser Einsicht zu handeln, so liegt ein lediglich natürlicherWille vor. Der natürliche Wille ist damit jede Willensäuße-rung, der es krankheitsbedingt an einem der beiden Merk-male fehlt. Terminologisch ist dieser allgemein verwendbareBegriff des natürlichen Willens von bereichsspezifisch ge-brauchten Begriffen, wie der natürlichen Einwilligungsfä-higkeit des Betroffenen im Rahmen medizinischer Eingriffe,zu unterscheiden. Nach den bereits dargestellten Kriterien istdie „natürliche“ Einwilligungsfähigkeit nur bei Vorliegeneines freien Willens gegeben.Genießt der freie Wille absoluten Vorrang, bedeutet diesnicht, dass der natürliche Wille stets unbeachtlich wäre. DasBetreuungsrecht will grundsätzlich auch diesem natürlichenWillen uneingeschränkt zur Geltung verhelfen. Der natür-liche Wille kann jedoch bei Vorliegen gewichtiger sachlicherErwägungen unter Beachtung des Verhältnismäßigkeits-grundsatzes eingeschränkt werden.Hiervon geht auch das geltende Recht aus: Ein Betreuervor-schlag des Betroffenen kann nur abgelehnt werden, wenndies seinem Wohl zuwiderliefe (§ 1897 Abs. 4 BGB). EineUnterbringung, also eine Freiheitsentziehung des Betroffe-nen gegen oder ohne seinen Willen, ist nur in den Fällen des§ 1906 Abs. 1 BGB gestattet. Schließlich kann eine vor-mundschaftsgerichtliche Genehmigung zu einer Sterilisationgegen den natürlichen Willen des Betroffenen nicht erteiltwerden (§ 1905 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BGB).

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 29 – Drucksache 15/2494

ZuNummer 6 Buchstabe b (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB)

An die neuen Vertretungsregelungen in den §§ 1358, 1358aund 1618b BGB-E ist § 1896 Abs. 2 BGB anzupassen. Außerin den Fällen, in denen nach geltendem Recht eine Betreuungals nicht erforderlich anzusehen ist (Vorliegen einer ausrei-chenden Vorsorgevollmacht oder anderer Hilfen), ist dierechtliche Betreuung nachrangig, wenn ein nach den neuenVorschriften zur Vertretung berechtigter und bereiter Ange-höriger vorhanden ist. Dies wird durch die neue Nummer 2des Absatzes 2 klargestellt.

ZuNummer 7 Buchstabe a (§ 1897 Abs. 7 Satz 2 – neu –BGB)

Der Begriff „auffordern“ ist § 31 BZRG entnommen. Wenneine solche Aufforderung nicht sachgemäß ist oder erfolglosbleibt, erhalten Behörden das Führungszeugnis über eine be-stimmte Person, soweit sie es zur Erledigung ihrer hoheitli-chen Aufgaben benötigen. Entsprechendes gilt für dasSchuldnerverzeichnis nach § 915 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2ZPO.

ZuNummer 7 Buchstabe b (§ 1897 Abs. 8 – neu – BGB)

Die Einfügung des neuen Absatzes 8 dient der Klarstellungder Kompetenzen des Vormundschaftsgerichts im Rahmender Prüfung der Geeignetheit des Betreuers. Der Umfang derBetreuung ist durch Mitteilung der Zahl und der für den Auf-wand wesentlichen Kriterien zu erläutern.

ZuNummer 8 (§ 1899 BGB)

Im geltenden Recht hat die Vorschrift des § 1899 Abs.1 BGBfür den Bereich der Berufsbetreuer keine praktische Bedeu-tung. Abgesehen von den Ausnahmefällen des Sterilisations-betreuers (§ 1899 Abs. 2 BGB), Verhinderungsbetreuers(§ 1899 Abs. 4 BGB) und Gegenbetreuers (§ 1908i Abs. 1Satz 2 i. V. m. § 1792 BGB) ist daher künftig eine Bestellungvon zwei Berufsbetreuern ausgeschlossen. Fälle, in denen fürbestimmte Bereiche besonderer Sachverstand erforderlich ist(etwa bei der Verwaltung großer Vermögen), lassen sichdurch die Beauftragung externer Dritter (z. B. eines Vermö-gensverwalters) lösen.

Mit der Vorschrift über den sog. Delegationsbetreuer gemäߧ 1899 Abs. 4 zweiter Fall BGB sollte der Wechsel von Ver-eins- und Behördenbetreuern sowie die Einarbeitung einesehrenamtlichen Betreuers durch einen Berufsbetreuer er-leichtert werden (sog. Tandem-Betreuung). Sie gilt zu Rechtals überflüssig und missglückt (vgl. etwa Münchener-Kom-mentar, Schwab, 4. Auflage, § 1899 Rn. 25). Die erwünsch-ten Ergebnisse lassen sich auch auf andere Weise (§ 1899Abs. 1 und 3 BGB) erreichen. Die Worte „oder ihm die Be-sorgung überträgt“ sind daher zu streichen.

ZuNummer 9 (§ 1901 Abs. 4 Satz 2 und 3 BGB)

Zu Satz 2

Nach geltendem Recht ist der Betreuer nicht ausdrücklichverpflichtet, einen Betreuungsplan zu erstellen. In § 1908iAbs. 1 Satz 1, § 1836b Nr. 1 und 2 BGB ist eine Planbarkeitund Begrenzbarkeit der Betreuung gesetzlich angedeutet.Eine inhaltliche, dem Wohl des Betroffenen verpflichteteAusgestaltung der Betreuung findet sich in allgemeiner

Form in § 1901 BGB. Gemäß § 1901 Abs. 4 BGB ist derBetreuer verpflichtet, innerhalb seines Aufgabenkreisesdazu beizutragen, Möglichkeiten zu nutzen, die Krankheitoder Behinderung des Betreuten zu beseitigen, zu bessern,ihre Verschlimmerung zu verhüten oder ihre Folgen zu min-dern. In welcher Form dies zu geschehen hat, bleibt ungere-gelt. Mithin ist auch eine effektive Kontrolle, ob der Be-treuer etwa erforderliche Rehabilitationsmaßnahmen ver-anlasst oder durchführt, nur eingeschränkt möglich. Zudembesteht nach geltendem Recht die nicht unerhebliche Ge-fahr, dass der Betreuer sich zu Beginn der Betreuung keinehinreichenden Gedanken über die Ziele und Möglichkeitender Betreuungsführung macht und es keine klaren Zielvor-stellungen gibt.Die Pflicht zur Betreuungsplanung hat den Vorteil, dass derBetreuer sich zu Beginn der Betreuung mit den zu errei-chenden Zielen der Betreuung gedanklich auseinanderset-zen muss, und er gezielt – mit Unterstützung des Vormund-schaftsgerichts und der Betreuungsbehörde – an der Zieler-reichung arbeiten kann. Die Betreuer werden für nicht ef-fektive Maßnahmen sensibilisiert, so dass der Betroffenesinnlosen, weil zur Zielerreichung ungeeignetenbetreuungsrechtlichen Maßnahmen in geringerem Maßeausgesetzt wäre.Der Betreuungsplan gewährleistet ferner, dass das Vormund-schaftsgericht eine objektivierbare Grundlage zur Beurtei-lung der Effektivität des Betreuerhandelns erhält. Nach re-gelmäßigen Zeitabständen könnte das Vormundschaftsge-richt entsprechend den §§ 1839 und 1840 Abs. 1 BGB an-hand des Betreuungsplans Fort- oder Rückschritte leichterfeststellbar machen und entsprechend, in letzter Konsequenzauch mit einem Betreuerwechsel, gegensteuern.Der Betreuungsplan ist nicht von ehrenamtlichen Betreu-ern, sondern nur von den Berufsbetreuern in geeigneten Fäl-len zu erstellen. Die Pflicht zur Aufstellung eines Betreu-ungsplans würde auf potenziell ehrenamtliche Betreuerselbst dann abschreckend wirken, wenn an dessen inhaltli-che Ausgestaltung keine überspannten Forderungen gestelltwürden.Eine genaue Festlegung und damit eine genaue Zeitvorgabe,wann der Betreuungsplan erstellt werden muss, ist angesichtsder Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte nicht zweckmä-ßig. Regelmäßig wird der Betroffene dem Berufsbetreuer imZeitpunkt seiner Bestellung unbekannt sein, so dass der Be-rufsbetreuer zunächst die persönlichen Umstände und dieWünsche des Betroffenen erforschen muss. Die Erstellungdes Betreuungsplanes hat daher „zu Beginn“ der Betreuungzu erfolgen, wobei das Vormundschaftsgericht im Einzelfallfeststellen muss, in welchen Fällen und wann der Betreu-ungsplan vorzulegen ist.Zu Satz 3Auch hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung eines Be-treuungsplanes ist die Vielgestaltigkeit der Lebenssachver-halte zu berücksichtigen. Die jeweiligen inhaltlichen Anfor-derungen müssten daher flexibel gehandhabt werden, abhän-gig insbesondere von– den zugewiesenen Aufgabenkreisen,– der Komplexität der Betreuung,– den Wünschen und Widerständen des Betroffenen,

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– den tatsächlichen Besserungsmöglichkeiten und

– dem Krankheitstyp.

Anknüpfend an § 1901 Abs. 4 BGB ist ein Betreuungsplanvor allem in solchen Aufgabenbereichen wichtig, die instärkstem Maße mit der Person des Betroffenen verknüpftsind, etwa der Gesundheitssorge oder Aufenthaltsbestim-mung. Gerade in derart wichtigen Bereichen ist eine Ziel-reflexion besonders bedeutsam, soll doch der Betroffene wie-der in die Lage versetzt werden, seine Angelegenheiten instärkerem Maße selbst zu regeln. Hinsichtlich dieser Auf-gabenbereiche wird sich eine intensivere Betreuungsplanungaufdrängen. Daher knüpft die Betreuungsplanung konse-quent an die Pflicht des Berufsbetreuers zur Förderung derRehabilitation und Verhinderung der Verschlimmerung desGesundheitszustandes des Betroffenen gemäß § 1901 Abs. 4BGB an.

Das Vormundschaftsgericht ist zur Prüfung und Bewertungdes Betreuungsplanes verpflichtet. Dabei hat es enge Gren-zen zu beachten:

Der Berufsbetreuer wird mit seiner Bestellung gemäß § 1902BGB gesetzlicher Vertreter des Betroffenen. Der Betroffenesoll durch seinen Berufsbetreuer seine gebrechensbedingteingeschränkte oder aufgehobene Handlungsfähigkeit in vol-lem Umfange wieder erlangen. Zu beachten ist jedoch, dassjeder das Recht hat, sein Leben nach seinen Vorstellungen zugestalten, soweit nicht Rechte Dritter oder andere mit Verfas-sungsrang ausgestattete Rechtsgüter betroffen sind, Artikel 2Abs. 1 GG. Ist Letzteres nicht der Fall, hat der Staat nicht dasRecht, den Betroffenen zu erziehen, zu bessern oder zuhindern, sich selbst zu schädigen (vgl. BVerfGE 22, 180<219 f.>; BayObLG, FamRZ 1993, 998 <999>; BayObLGFamRZ 1994, 1551 <1552>). Das Vormundschaftsgerichtdarf daher nicht eigene Zweckmäßigkeitserwägungen anStelle des Berufsbetreuers anstellen. Sind mehrere Lebensge-staltungen des Betroffenen denkbar, so muss es grundsätzlichdem Berufsbetreuer überlassen bleiben, unter diesen eineWahl zu treffen. Objektive Grenze für diese Wahlfreiheit desBerufsbetreuers ist gemäß § 1901 Abs. 2 Satz 1 BGB dasWohl des Betroffenen. Kommt das Vormundschaftsgerichtzu dem Schluss, dass unter mehreren möglichen Lebensge-staltungen oder Betreuungszielen bestimmte vom Berufsbe-treuer bevorzugte Gestaltungen oder Ziele dem Wohl des Be-troffenen zuwiderlaufen, soll es den Berufsbetreuer daraufhinweisen. Sofern er an diesen festhält, sich also auch durcheine argumentative Auseinandersetzung nicht hiervon ab-bringen lässt, kann das Vormundschaftsgericht gegebenen-falls ein Pflichtversäumnis des Berufsbetreuers annehmenund die erforderlichen Maßnahmen veranlassen.

Die Erstellung eines Betreuungsplans soll die Effektivitätund damit die Qualität der Betreuung steigern. Infolge Zeit-ablaufs können sich Umstände ändern, Ziele des Planes er-reicht werden oder sich neue Probleme stellen und damitneue Problemlösungen als Betreuungsziele ergeben. In die-sen Fällen muss der Berufsbetreuer das Gericht informieren.Eine Berichterstattung zu den persönlichen Verhältnissen istbereits gemäß § 1908i Abs. 1 Satz 1, §§ 1839, 1840 Abs. 1BGB vorgesehen. Diese Vorschriften sind klarstellend auchauf die Erreichung der Ziele des Betreuungsplans anzuwen-den.

ZuNummer 10 (§ 1901a Satz 2 – neu – BGB)

§ 1901a Satz 2 BGB-E erstreckt die bisher nur für Betreu-ungsverfügungen geltende Ablieferungspflicht auf Vorsorge-vollmachten.

ZuNummer 11 (§ 1906a – neu – BGB)

§ 1906a BGB-E enthält die Voraussetzungen, unter denen diezwangsweise Vorführung zur ambulanten ärztlichen Heilbe-handlung genehmigt werden kann. Nur der krankheitsunein-sichtige, einwilligungsunfähige Betreute kann einer notwen-digen Heilbehandlung zwangsweise zugeführt werden. Not-wendig sind nur Heilbehandlungen, die zur Erreichung desBehandlungserfolges zum Wohle des Betreuten geeignet sind(vgl. Schweitzer, FamRZ 1996, 1317). Die Notwendigkeitlegt zugleich Art und Umfang der Heilbehandlung („Medika-ment X als Depotspritze alle 14 Tage“) fest. Die Eingriffs-höhe gegenüber dem Betreuten ist in der Regel geringer alsdiejenige bei der Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 Nr. 2BGB; die Voraussetzungen orientieren sich deshalb an dieserVorschrift.

Der Eingriff des Betreuers ist nur zulässig, wenn sich die Be-fürchtung, der Betreute werde sich der Behandlung entzie-hen, aus tatsächlichen Anhaltspunkten ableiten lässt. Diesewären etwa gegeben, wenn sich der Betreute in der Vergan-genheit einer Behandlung entzogen hat oder die Fortsetzungeiner Heilbehandlung verweigert.

Bei der Zuführung zur Heilbehandlung und der Anwendungvon Zwang handelt es sich um Maßnahmen des Betreuers,die wie die Unterbringung wegen ihres Eingriffscharaktersder Genehmigung des Vormundschaftsgerichts bedürfen. Inder Praxis kann wie bei der Unterbringung bei Eilbedürftig-keit der Betreuer unmittelbar nach seiner Bestellung die Ge-nehmigung der Zwangsmaßnahme beantragen. In besonderseiligen, dafür geeigneten Fällen kommt dann auch eine Bear-beitung der gesamten Angelegenheit durch den Richter inBetracht (§ 6 RPflG).

ZuNummer 12 (§ 1908b Satz 1a – neu – BGB)

Ein wichtiger Grund für die Entlassung des Berufsbetreuersgemäß § 1908b BGB wird in der Regel auch dann vorliegen,wenn der Berufsbetreuer zu Lasten der Staatskasse vorsätz-lich falsch abrechnet. Die Kompetenz des Bezirksrevisorswird um die Berechtigung der Antragstellung gemäß § 1908bBGB erweitert, um ihm eine wirksame Durchsetzung derKontrolle zu ermöglichen.

ZuNummer 13 (§ 1908e BGB)

Die Neufassung der Vorschrift ist wegen der Änderung desVergütungsrechts für Berufsbetreuer erforderlich, das auchfür Vereinsbetreuer gilt. Wie im geltenden Recht ist bei Ver-einsbetreuern eine Feststellung der berufsmäßigen Führungder Betreuung gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nichterforderlich. Wie nach geltenden Recht § 1836 Abs. 3 BGBfindet nun § 1908m Abs. 2 BGB-E auf die Vereinsbetreuerkeine Anwendung. Gleiches gilt für § 1835 Abs. 3 BGB, den§ 1908n Satz 2 BGB-E für die Berufsbetreuer für anwendbarerklärt.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 31 – Drucksache 15/2494

ZuNummer 14 (§ 1908f BGB)Zu Buchstabe a (Absatz 1 Nr. 2)Durch die Aufnahme der Bevollmächtigten und gesetzlichenVertreter nach den §§ 1358, 1358a, 1618b BGB, § 8 LPartGin den Katalog des Absatzes 1 wird klargestellt, dass die Be-treuungsvereine zu ihrer Anerkennung auch die Beratungdieser Personen anbieten müssen.

Zu Buchstabe b (Absatz 2)Es handelt sich lediglich um eine redaktionelle Änderung.

Zu Buchstabe c (Absatz 4)Durch den neuen Absatz 4 wird den Betreuungsvereinen dieMöglichkeit eröffnet, bei der Erstellung von Vorsorgevoll-machten auch individuell rechtsberatend tätigzuwerden.Diese Befugnis geht über die den Betreuungsvereinen bereitsals Pflichtaufgabe obliegende planmäßige Information, vgl.§ 1908f Abs. 1 Nr. 2a BGB, hinaus.Einer Klarstellung im Rechtsberatungsgesetz bedarf es nicht.Als spätere bundesgesetzliche Regelung geht die Vorschriftentgegenstehenden Regelungen im Rechtsberatungsgesetzvor.Ob die Betreuungsvereine auch individuell beratend tätigwerden, muss ihnen überlassen werden. Als weitere Pflicht-aufgabe kommt diese Beratung nicht in Betracht, weil nichtsichergestellt ist, ob die Betreuungsvereine hierfür überhauptgenügend qualifizierte Mitarbeiter haben. Als freiwilligeAufgabe haben die Betreuungsvereine es auch zu entschei-den, ob sie für die individuelle Beratung bei der Errichtungvon Vorsorgevollmachten ein Entgelt verlangen.

ZuNummer 15 (§ 1908h BGB)Die Neufassung des § 1908h BGB ist als Folge der Änderun-gen der Betreuervergütung erforderlich.Entsprechend der Systematik der §§ 1908l bis 1908o BGBregelt § 1908h Abs. 1 BGB-E die derzeit in Absatz 2 gere-gelte Vergütung für einen Behördenbetreuer, soweit eine In-anspruchnahme des Betreuten nach § 1836c BGB zulässigist.§ 1908h Abs. 2 BGB-E regelt die Aufwandsentschädigungfür die Behörde. Da die Regelung des § 1908n Abs. 1 BGB-Edie pauschale Aufwandsentschädigung in Abhängigkeit dernach § 1908l BGB-E im Rahmen der Vergütung angesetztenStunden bestimmt, die Behörde jedoch – abgesehen von denFällen des Absatzes 1 – keine Vergütung erhält, kommt nureine sinngemäße Anwendung in Betracht. Im Ergebnis be-deutet dies, dass als Rechenposten für die Ermittlung derAufwandsentschädigung der pauschale Stundenansatz nach§ 1900l BGB-E ermittelt und dann der Berechnung nach§ 1908n Abs. 1 BGB-E zu Grunde gelegt werden muss.§ 1908h Abs. 3 BGB-E greift die Regelung des bisherigenAbsatzes 3 auf.

ZuNummer 16 (§ 1908i BGB)Der Entwurf koppelt Vergütung und Aufwandsentschädi-gung für Berufs-, Vereins- und Behördenbetreuer von denVorschriften des Vormundschaftsrechts ab und regelt sie neuin den §§ 1908l bis 1908o – neu – BGB-E. Die zentrale Ver-

weisungsnorm des § 1908i Abs. 1 Satz 1 ist daher neu zu fas-sen.Die Höhe der Vergütung bestimmt sich künftig nach § 1908lAbs. 1 bis 4 BGB-E. Die Verweisung auf § 1836 Abs. 2Satz 2 BGB muss daher entfallen. Gleiches gilt für § 1836Abs. 2 Satz 3 BGB, da § 1908o Abs. 1 BGB-E hier eine einfa-che und praktikable Neuregelung schafft.Die Regelung des § 1836a BGB ist für die Betreuung nun in§ 1908o Abs. 2 BGB-E enthalten.Da § 1908l BGB-E ein festes Pauschalsystem als einzigeVergütung der Berufsvormünder einführt, muss auch die Ver-weisung auf § 1836b BGB entfallen.Für Betreuer, die eine Vergütung erhalten, führt § 1908nBGB-E eine pauschale Aufwandsentschädigung ein. Die Re-gelung des § 1835 BGB gilt künftig daher nur noch, wenn derBetreuer keine Vergütung erhält (§ 1908i Abs. 2 Satz 2BGB-E).Da der Gegenbetreuer unter Aufsichtsaspekten erhalten blei-ben soll, war die Verweisungsnorm des § 1908i Abs. 1 BGBum die noch nicht erfassten, auf den Gegenvormund bezoge-nen Normen zu ergänzen.

ZuNummer 17 (§ 1908k Abs. 1 Nr. 2, 3 BGB)Die Änderungen in § 1908k BGB-E folgen aus der Pauscha-lierung der Vergütung für die Berufsbetreuer. Da die Vergü-tung pauschaliert und nicht mehr von den tatsächlich aufge-wandten Stunden abhängig ist, entfällt die Notwendigkeit fürdie Betreuer, die aufgewandte Zeit zu erfassen. Die hiermitverbundene Arbeitserleichterung stellt einen Grund für dieEinführung des Pauschalsystems dar. Die Pflicht, für die Mit-teilung an die Betreuungsbehörde die Zeit doch zu erfassen,liefe diesem Ziel zuwider, weswegen § 1908 k Abs. 1 Nr. 2BGB aufzuheben ist.Der Sinn der Pflichten nach § 1908k Abs. 1 Nr. 3 und 4 BGBist zweifelhaft (vgl. etwa Knittel, Betreuungsgesetz, § 1908kRn. 5). Zumindest nach der Einführung fester Pauschalen er-scheint eine getrennte Auflistung der „in Rechnung gestell-ten“ und der „erhaltenen“ Geldbeträge überflüssig. Die Mit-teilung (und Weiterleitung an das Vormundschaftsgericht)der von einem Betreuer für die Führung seiner Betreuungeninsgesamt erhaltenen Geldbeträge ist jedoch auch künftigsinnvoll.

ZuNummer 18 (§§ 1908l – neu – bis 1908o – neu – BGB)Zu § 1908l Abs. 1 und 2 BGBMit § 1908l Abs. 1 und 2 BGB-E wird ein System der Pau-schalierung der Vergütung des Berufsbetreuers eingeführt.Dieses System beseitigt die Defizite des jetzigen Abrech-nungssystems und ist einfach, streitvermeidend, an der Reali-tät orientiert und für die Berufsbetreuerinnen und -betreuerauskömmlich.Rechtstatsächliche GrundlageDas Pauschalierungssystem beruht auf der vom Bundes-ministerium der Justiz in Auftrag gegebenen „Rechtstatsäch-lichen Untersuchung zur Qualität von Betreuungen, zur Auf-gabenverteilung im Bereich der Betreuung und zum Verfah-rensaufwand“ des Instituts für Sozialforschung und Gesell-schaftspolitik (ISG-GA). Grundlage der Untersuchung war

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eine repräsentative Auswahl von 1 808 Betreuungsakten (dieErgebnisse sind im ISG-GA Kapitel B Unterpunkt 9.3 darge-stellt).Zu den erhobenen Einzelnennungen beim Betreuungsauf-wand hat das ISG Häufigkeitstabellen nach Stundenspannenerstellt, aus denen sich die Häufigkeitsverteilung ergibt.Diese enthalten neben dem rechnerischen (arithmetischen)Mittelwert ebenfalls die Standardabweichung sowie den Me-dian.Für die Bestimmung der Fallgruppen und des pauschalenStundenansatzes orientiert sich der Entwurf nicht am arith-metischen Mittel, sondern am Median:Zur Berechnung von Durchschnitten sind grundsätzlich meh-rere Methoden bzw. Lagemaße anwendbar, die sich vor allemhinsichtlich ihrer Anfälligkeit für Extremwerte unterschei-den (vgl. W.R. Bihn/E. Gröhn: Deskriptive Statistik, Köln1993).Das gebräuchlichste Maß zur Berechnung von Durch-schnittswerten ist das arithmetische Mittel, das gebildet wird,indem die Summe aller Werte durch die Summe aller Beob-achtungseinheiten bzw. Fälle dividiert wird. Das arithmeti-sche Mittel kann aber durch einige wenige sehr hohe Werteangehoben werden, auch wenn sich im unteren und mittlerenBereich der Verteilung nichts verändert hat.Eine Alternative bildet der Median, der so ermittelt wird,dass zunächst alle Werte in einer Rangfolge geordnet werden.Sodann wird ein Einschnitt bei der Hälfte aller Fälle vorge-nommen; der an dieser Stelle rangierende Wert ist der Me-dian. „Ausreißer“ am oberen oder unteren Ende der Vertei-lung wirken sich hierauf nicht aus. Der Median teilt die Werteeiner sortierten Stichprobe in zwei Hälften. Bei unsymmetri-schen Verteilungen mit einer breiten Streuung in der oberenoder unteren Hälfte beeinflussen die Extremwerte den so ge-bildeten Mittelwert im Verhältnis zum arithmetischen Mittelnur geringfügig. Ist die Streubreite in der oberen Hälfte groß,liegt der Median unter dem arithmetischen Mittelwert.Für die Berechnung von Betreuungspauschalen würde sichdas arithmetische Mittel nur eignen, wenn die gesamteSpannbreite der Verteilungen berücksichtigt werden soll.Wenn dagegen der Einfluss von Extremwerten möglichst ge-ring gehalten werden soll, um zuverlässig die Wirklichkeitabzubilden, ist eine Orientierung am Median zu empfehlen.Die Analyse der Häufigkeitstabellen zum Betreuungsauf-wand, differenziert nach Dauer der Betreuung und Aufent-haltsort des Betreuten, ergibt, dass in allen vorgegebenenZeitspannen die ganz überwiegende Anzahl der Fälle im un-teren Mittelfeld monatlich aufgewandter Stunden liegt. Dadie Pauschalen den Großteil der Fälle und damit die Wirk-lichkeit abbilden sollen, ist eine Orientierung am Mediansachgerechter als am arithmetischen Mittel. Denn dieses wirddurch „Ausreißer", auch nach unten, im Ergebnis verzerrt.Auf der Grundlage der Mediane ergeben sich nachfolgendeKonsequenzen für die Bildung der Fallgruppen und der Fest-legung des pauschalen Stundenansatzes:FallgruppenDie Folgen aus den Ergebnissen der rechtstatsächlichen Stu-die für die Fallgruppen lassen sich wie folgt zusammenfas-sen:

– Die Unterschiede des Betreuungsaufwands bei den ver-schiedenen Krankheitsbildern sind verhältnismäßig. EineDifferenzierung nach Krankheitsbildern ist deshalb nichtnotwendig. Damit werden Streitigkeiten vermieden, diesich aus einer nicht eindeutigen Abgrenzbarkeit derKrankheitsbilder ergeben.

– Der Betreuungsaufwand unterscheidet sich in den vorge-gebenen Altersgruppen nicht wesentlich.

– Erhebliche Unterschiede im Betreuungsaufwand ergebensich, je nachdem ob der Betroffene zu Hause oder in einerEinrichtung lebt. Der Betreuungsaufwand eines zu Hausewohnenden Betreuten ist signifikant höher.

– Von wesentlicher Bedeutung ist die Dauer der Betreuung.Nach Spitzenwerten während der ersten 3 Monate fälltder Betreuungsaufwand vom 4. bis 6. Monat und 7. bis12. Monat sowie ab dem 2. Jahr der Betreuung kontinu-ierlich und stark ab.

§ 1908l Abs. 1 und 2 BGB-E bildet daher Fallgruppen aus-schließlich in Abhängigkeit von der Dauer der Betreuung(1. bis 3. Monat, 4. bis 6. Monat, 7. bis 12. Monat, ab 2. Jahr)und dem Aufenthaltsort des Betroffenen (zu Hause oder in ei-ner Einrichtung). Absatz 1 enthält die Stundenpauschalen beiBetreuten, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heimhaben; Absatz 2 für alle übrigen unter Betreuung stehendenMenschen. Die Definition eines Heimes im Sinne dieser Vor-schrift enthält Absatz 2 Satz 2. Sie ist im Wesentlichen § 1Abs. 1 HeimG nachgebildet, löst den Anwendungsbereich je-doch von bestimmten Krankheitsbildern. § 1 Abs. 2 HeimGgilt entsprechend.Pauschaler Stundenansatz und AuskömmlichkeitNachfolgend sind die Stundenansätze, die sich aus den Medi-anen der Häufigkeitstabellen der Rechtstatsächlichen Unter-suchung ergeben, differenziert nach den einzelnen Zeit-räumen sowie dem Aufenthaltsort des Betroffenen, tabella-risch dargestellt. Um die Bereitschaft zu fördern, eine neueBetreuung zu übernehmen und eine eingespielte Betreuung– sofern dies möglich ist – an eine ehrenamtliche Betreuerinoder einen ehrenamtlichen Betreuer abzugeben, wurden diePauschalen ausgehend vom Median im 1. Jahr auf- und abdem 2. Jahr abgerundet. Die Tabelle ist die Grundlage derGesetzesformulierung in § 1908 Abs. 1 und 2 BGB-E.

Hinsichtlich der Auskömmlichkeit der Fallpauschalen für dieBerufsbetreuer gilt Folgendes:Wie sich aus Berichten der Rechnungshöfe der Länder Bay-ern und Schleswig-Holstein sowie der niedersächsischen„Empirischen Studie über die Kostenentwicklung in Betreu-ungssachen und die Möglichkeit ihrer Reduzierung“ ergibt,beruhen die vom ISG festgestellten Stunden nicht vollständigauf dem für eine rechtliche Betreuung notwendigen und dem

Zeitraum Betroffener lebtin Einrichtung

Betroffener lebtzu Hause

1. bis3. Monat

4,5 Stunden im Monat 7 Stunden im Monat

4. bis6. Monat

3,5 Stunden im Monat 5,5 Stunden im Monat

7. bis12. Monat

3 Stunden im Monat 5 Stunden im Monat

ab 2. Jahr 2 Stunden im Monat 3,5 Stunden im Monat

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tatsächlich erbrachten Aufwand. Dies ist in der AllgemeinenBegründung dargelegt worden. Es bestünden deshalb guteGründe, von den statistisch ermittelten Pauschalsätzen einenAbschlag vorzunehmen. Davon sieht der Entwurf nur des-halb ab, weil keine validen Angaben zur Höhe des Abschlagsvorliegen. Eine Erhöhung der Stundenansätze über die Medi-anwerte hinaus wäre jedenfalls nicht gerechtfertigt.Die Pauschalen führen vielmehr zu auskömmlichen Einnah-men der Berufsbetreuerinnen und -betreuer, wie sie den jetzi-gen Einnahmen entsprechen. Nach dem Pauschalierungssys-tem können Berufsbetreuer, die zwischen 40 und 50 Betreu-ungen führen, bei einer Fluktuation zwischen 7 bis 10 % miteiner Vergütung zwischen 43 500 und 54 500 Euro rechnen.In dieser Vergütung sind nicht der Auslagenersatz (pauschal3 Euro pro abrechenbarer Stunde) und die Umsatzsteuer ent-halten. Auf der Grundlage von ca. 1 700 abrechenbaren Stun-den bei 40 bis 50 Betreuungen ergibt sich ein pauschaler Auf-wendungsersatz (ohne Umsatzsteuer) von 5 100 Euro proMonat.Feste Pauschalen und MischkalkulationDie Pauschalen der Absätze 1 und 2 stehen von Beginn desBetreuungsverfahrens an fest und sind vom tatsächlichenAufwand im konkreten Fall unabhängig. Von den zahlenmä-ßig geringen Sonderfällen des § 1908m BGB-E abgesehengibt es keine Ausnahmetatbestände. Denn jeder Ausnahme-tatbestand würde zu Streitigkeiten über seinen Anwendungs-bereich und ggf. eine analoge Anwendung führen.Die in § 1908l Abs. 1 und 2 BGB-E vorgesehenen „harten“Pauschalen stellen im deutschen Recht kein Novum dar. Viel-mehr ist eine pauschale Vergütung in vielen Dienstleistungs-bereichen, insbesondere bei den Ärzten, den Rechtsanwälten,den Notaren, den Architekten und Ingenieuren üblich.Zur Vergütung der Ärzte entspricht es höchstrichterlicherRechtsprechung, dass die Auskömmlichkeit – oder auch um-gekehrt: die Notwendigkeit – der Pauschale nicht am Einzel-fall gemessen werden darf. Es gibt im Einzelfall weder einenZu- noch einen Abschlag. Entscheidend ist allein die Misch-kalkulation (vgl. BSG, MedR 2001, 471 <473> und BSGE88, 126 <136>); LSG NRW Urteil vom 10. April 2001, Az.L 5 KR 112/00). Entsprechendes gilt für die Vergütung derRechtsanwälte. Es ist unzulässig, einem Rechtsanwalt imEinzelfall deshalb eine höhere Vergütung zuzubilligen, weildie gesetzliche Vergütung kein angemessenes Entgelt dar-stellt und ggf. noch nicht einmal die Geschäftskosten deckt.Umgekehrt kann seine Vergütung nicht gekürzt werden, weilnur ein geringer Aufwand nötig war, die Angelegenheit zubearbeiten (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert-Ma-dert, BRAGO, 15. Auflage 2002, Einleitung Rn. 6).Die Angemessenheit der Vergütung ergibt sich für die Be-rufsbetreuerinnen und -betreuer aus einer Mischkalkulationzwischen aufwändigen und weniger aufwändigen Fällen in-nerhalb der Fallgruppen.Auf eine gesetzliche „Verteilungsregelung“ verzichtet derEntwurf hierbei bewusst. Denn der Aufwand ist im Einzelfallnicht vorhersehbar und abgrenzbar, sichere Kriterien für„leichte“ und „schwierige“ Fälle gibt es nicht, und eine ge-setzliche Verteilungsregelung könnte zu einer Vielzahl vonRechtsstreitigkeiten führen. Es ist vielmehr davon auszuge-hen, dass – wie bereits nach jetzigem Recht – etwa entste-hende Härten im persönlichen Kontakt zwischen Gericht und

Berufsbetreuern geklärt werden können. Die Berufsbetreuerkönnen sich an die Vormundschaftsrichter ihrer Bezirke wen-den und auf die Belastungssituation aufmerksam machen.Die Vormundschaftsgerichte werden sich einem berechtigtenAnliegen nicht verschließen.

Diese Grundsätze gelten in gleicher Weise für die Betreu-ungsvereine. Soweit diese durch ihre Mitarbeiter (Vereinsbe-treuer) Betreuungen führen, konkurrieren sie direkt mit denfreien Berufsbetreuern. Anders als im Bereich der Quer-schnittsarbeit ist hier eine besondere Förderung nicht gebo-ten. Unberührt bleibt allerdings die Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts (vgl. Beschluss vom 7. November2001, FamRZ 2002, S. 85), wonach die Vereine für ihre Ver-einsbetreuer immer den höchsten Stundensatz von derzeit31 Euro geltend machen können. Soweit der Gesetzgeber desBetreuungsgesetzes den Vereinen eine besondere, herausge-hobene Rolle zuerkannt hat, war der Grund hierfür, dass zuBeginn der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts noch kaum freieBerufsbetreuer vorhanden waren. Mittlerweile stehen jedoch– nicht zuletzt infolge der Nachqualifizierungsmaßnahmennach dem Ersten Betreuungsrechtsänderungsgesetz – genü-gend qualifizierte freie Berufsbetreuer zur Verfügung. So-weit manche Vereine derzeit auf bestimmte, besonders auf-wändige Klienten spezialisiert sind, ist – wie bei den anderenBerufsbetreuern auch – eine Umstellung hinsichtlich derübernommenen Fälle mit dem Ziel einer Mischkalkulationzumutbar. Schließlich profitieren die Vereine, bei deneni. d. R. mehrere Berufsbetreuer tätig sind, besonders von dervorgesehenen Pauschalierung, da sie die Möglichkeiten derEffizienzsteigerung (Delegation, Nutzen von Erfahrungen,Kenntnisse über Einrichtungen, Verwaltungen etc.) haben.Auf Grund ihrer Struktur sind Betreuungsvereine prädesti-niert, eine Mischkalkulation unter Berücksichtigung aller fürsie tätigen Berufsbetreuer herbeizuführen. So kann ein Be-treuungsverein mit z. B. vier Berufsbetreuern in seiner Ge-samtkalkulation wesentlich einfacher einen außergewöhn-lich schweren Fall übernehmen als ein allein tätiger Berufs-betreuer.

Zu § 1908l Abs. 3 BGB§ 1908l Abs. 3 BGB-E regelt, wie die für die Stundenansätzeder Absätze 1 und 2 maßgebenden Monatszeiträume zu defi-nieren sind. Um Abrechnungsstreitigkeiten möglichst auszu-schließen, ist dabei die Art und Weise der Berechnung dernach den Absätzen 1 und 2 relevanten Zeiträume möglichstgenau zu bestimmen.

§ 1908l Abs. 3 Satz 1 BGB-E ordnet die entsprechende An-wendung von § 187 Abs. 1 und § 188 Abs. 2 Alt. 2 BGB fürdie Berechnung der Monate nach den Absätzen 1 und 2 sowieder Teilzeiträume nach Satz 1 an.

Die Anwendung dieser Bestimmungen auf die Berechnungder Monate nach den Absätzen 1 und 2 erscheint dabei sach-gerecht, auch wenn es sich bei diesen Berechnungszeiträu-men nicht um Fristen im Sinne der §§ 186 ff. BGB handelnsollte. Da die Betreuung mit dem Augenblick beginnt, in demdie erstmalige Bestellung eines Betreuers nach § 69a Abs. 3oder § 69f Abs. 4 FGG wirksam wird, ist die Anwendung von§ 187 Abs. 1 und nicht von § 187 Abs. 2 BGB konsequent.Dabei ist es unerheblich, ob die erstmalige Bestellung einesBetreuers durch eine einstweilige Anordnung (vorläufigerBetreuer) erfolgt oder nicht. Folgerichtig war die entspre-

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chende Anwendung von § 188 Abs. 2 BGB erster Fall anzu-ordnen. Damit endet der erste Monat der Betreuung mit demAblauf des Tages, der durch seine Zahl dem Tag der Anord-nung der Betreuung entspricht. Für die folgenden Monate giltEntsprechendes. Wird also z. B. die erstmalige Bestellungeines Betreuers am 17. September wirksam, beginnt der ersteMonat mit Beginn des 18. Septembers und endet mit Ablaufdes 17. Oktobers; der zweite Monat läuft dann mit Beginn des18. Oktobers und endet mit Ablauf des 17. Novembers.§ 1908l Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 BGB-E enthält die notwen-dige Regelung für die Fälle, in denen vor Ablauf eines vollenMonats im Sinne der Absätze 1 und 2 eine Veränderung ein-tritt, die dazu führt, dass der Betreuer gar keine Vergütungmehr nach den Absätzen 1 oder 2 erhält oder statt der Stunden-ansätze des Absatzes 1 diejenigen des Absatzes 2 maßgebendwerden oder umgekehrt. Erfasst sind also zum einen die Fälleder Beendigung der Betreuung (etwa durch Aufhebung desBestellungsbeschlusses wegen Wegfalls der Betreuungsbe-dürftigkeit oder durch den Tod des Betroffenen ) und desWechsels in der Person des Betreuers, aber ebenso zum Bei-spiel der Fall, dass derselbe Betreuer die Betreuung künftigehrenamtlich ohne Vergütungsanspruch führt. Zum anderenregelt die Bestimmung die Konstellationen, in denen vor Ab-lauf eines nach Satz 1 berechneten vollen Monats der Betrof-fene seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Heim im Sinnedes Absatzes 2 nimmt oder dieser umgekehrt beendet wird. Inbeiden Fällen ist für die nicht vollendeten Zeiträume eine an-teilige Berechnung, und zwar nach Tagen, vorzunehmen.Die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 187Abs. 1 und § 188 Abs. 1 BGB im zweiten Halbsatz stellt fürdie nach dem ersten Halbsatz anfallenden Rechenschritteklar, dass zum einen mit vollen Tagen zu rechnen ist und zumanderen der Tag, an dem die Veränderung stattfindet (alsoetwa die Begründung des gewöhnlichen Aufenthalts imHeim), bei dem ersten und nicht dem zweiten Teilzeitraummitzurechnen ist.Satz 3 bestimmt zum Zwecke der Vereinfachung der Berech-nung ferner, dass der sich ergebende Stundenansatz auf volleZehntel aufzurunden ist.Wird etwa am 10. April für einen in einem Heim im Sinne desAbsatzes 2 lebenden Betroffenen wirksam ein Betreuer be-stellt und stirbt der Betroffene am 2. November, endet dervolle Monat mit Ablauf des 10. Novembers. Der Betreuererhält dann für den Zeitraum 11. Oktober bis 2. November(= 22 Tage) 22/31 der nach Absatz 2 anzusetzenden 3 Stun-den (da bereits der siebte Monat der Betreuung läuft), also2,2 Stunden (gerundeter Wert von 2,2129 Stunden) vergütet.Hätte nun der Betroffene erst am 23. Juni seinen gewöhn-lichen Aufenthalt in einem Heim genommen, erhielte der Be-treuer für den Zeitraum 11. Juni bis 23. Juni – nachdem dervolle Monat mit Ablauf des 10. Juli endet – 13/30 der nachAbsatz 2 anzusetzenden fünfeinhalb Stunden, also 2,4 Stun-den (gerundeter Wert von 2,3833 Stunden) und für den Zeit-raum 24. Juni bis 10. Juli 17/30 der nach Absatz 1 anzuset-zenden dreieinhalb Stunden, also 2,0 Stunden (gerundeterWert von 1,9833 Stunden) vergütet.Diese Abrechnung pro rata temporis gewährleistet einegrößtmögliche Vergütungsgerechtigkeit und bildet die für dieGewährung und Bemessung der pauschalen Stundenansätzemöglichst genau ab, ist aber gleichzeitig praktikabel. Ihr istdeshalb der Vorzug gegenüber anderen Möglichkeiten wie

der Auf- oder Abrundung auf volle Monate zu geben, die einezu grobe Vereinfachung und im Ergebnis auch eine zu starkeAbweichung von den sich aus den Daten des ISG ergebendenWerten bedeuten würde.

Zu § 1908l Abs. 4 BGB§ 1908l Abs. 4 BGB regelt die Höhe des Stundensatzes, nachdem die nach den Absätzen 1 und 2 pauschal ermittelten Stun-den vergütet werden. Der Entwurf behält insoweit die bishe-rige Rechtslage bei. Satz 1 übernimmt (hinsichtlich der Höhedes Stundensatzes) die Regelung des § 1836 Abs. 2 Satz 2BGB. Für die Fälle, in denen der Betreute mittellos ist, ver-weist Satz 2 auf § 1 des Berufsvormündervergütungsgesetzes(BVormVG) und übernimmt so – ebenfalls nur bezüglich derHöhe des Stundensatzes – die Regelung des § 1836a BGB.Nach § 1 BVormVG ist der zu vergütende Stundensatz vonder formalen Qualifikation des Berufsbetreuers abhängig.Angesichts dessen, dass sich nach Verabschiedung diesesGesetzes im Jahre 1998 eine große Zahl von Berufsbetreue-rinnen und -betreuern mit erheblichem Aufwand und Kostenfortgebildet haben, um eine höhere Vergütungsstufe zu errei-chen, wird das derzeitige Vergütungssystem beibehalten.Gemäß § 1836a Abs. 1 BGB finden die festen Stundensätzedes § 1 BVormVG nur auf die Fälle Anwendung, in denen derBetroffene mittellos ist und der Betreuer daher aus der Staats-kasse vergütet wird. Nach der Rechtsprechung (vgl. BGHZ145, 104) sind sie jedoch auch bei bemittelten Betroffenen,die selbst für Kosten ihrer Betreuung aufkommen müssen,eine wesentliche Orientierungshilfe und dürfen nur in eng be-grenzten Ausnahmefällen überschritten werden. Dieses Sys-tem wird mit der Regelung in § 1908l Abs. 4 BGB-E beibe-halten.

Zu § 1908mBGB (Sonderfälle der Betreuung)Um den mit der Pauschalierung verfolgten Zweck der Ver-einfachung und Streitvermeidung nicht zu vereiteln, müssenAusnahmen von dem vorgeschlagenen Pauschalierungsmo-dell so weit wie möglich begrenzt werden. Zudem sind in denvom ISG ausgewerteten Akten die Fälle besonderer Betreu-ungssituationen enthalten und somit in die gebildeten Pau-schalen eingeflossen.Im Einzelnen gilt Folgendes:Betreuerwechsel:Aus den oben dargestellten Gründen enthält der Entwurf imFall eines Betreuerwechsels keine Ausnahme von dem vor-geschlagenen Pauschalierungsmodell. Der mit einem Betreu-erwechsel regelmäßig einhergehende Mehrbedarf ist in denvom ISG erhobenen Zahlen enthalten.Maßgebend für die Anwendung der Pauschalen ist daher dieerstmalige Bestellung eines Betreuers. Dies soll auch danngelten, wenn es sich hierbei um einen ehrenamtlichen Be-treuer handelt und später ein Berufsbetreuer bestellt wird.Geschieht dies z. B. im 3. Jahr einer Betreuung, kann derBerufsbetreuer nur die Pauschale für den Zeitraum ab dem2. Jahr beanspruchen.Erweiterung des Aufgabenkreises:Das Pauschalierungssystem ist von den Aufgabenkreisenunabhängig. Zudem ist ein durch die Erweiterung des Aufga-

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benkreises verbundener Mehraufwand in den vom ISG erho-benen Zahlen enthalten. Eine Abweichung von den vorge-schlagenen Pauschalen ist daher nicht gerechtfertigt.Kontrollbetreuer nach § 1896 Abs. 3 BGB und Gegenbe-treuer nach § 1908i Abs. 1 Satz 1 und § 1792 BGB:Im Ergebnis handelt es sich bei diesen Betreuerarten um Be-treuer mit einem bestimmten Aufgabenkreis. Da die Pau-schalen grundsätzlich nicht nach Aufgabenkreisen differen-zieren, besteht keine Rechtfertigung für eine Ausnahme vomvorgeschlagenen System.Zeitliche Lücken in der Betreuung:Es gibt Fälle, in denen für einen Betroffenen häufig eine Be-treuung aufgehoben und kurze Zeit später wieder ein Be-treuer bestellt wird. Hier ist im Einzelfall zu klären, ob es sichjeweils wieder um eine Erstbetreuung mit der Folge dererhöhten Anfangsvergütung handelt. Der Entwurf trifftfür diese Fälle keine Regelung. Grundsätzlich dürfte aber voneiner Erstbetreuung auszugehen sein. Missbräuchen wird dasVormundschaftsgericht begegnen können.Mehrere Betreuer gemäß § 1899 Abs.1 BGB:Für die Betreuer handelt es sich jeweils um eine eigenstän-dige Betreuung (mit einem ggf. beschränkten Aufgaben-kreis). Da das Pauschalierungssystem nicht nach Aufgaben-kreisen differenziert, ist insoweit keine Ausnahme vom Sys-tem geboten.Besonderer Betreuer für die Sterilisation gemäß § 1899Abs. 2 BGB:Nach § 1899 Abs. 2 BGB wird für die Entscheidung über dieEinwilligung in eine Sterilisation ein besonderer Betreuer be-stellt. Besteht schon eine Betreuung für andere Aufgaben-kreise, ist dieser zeitgleich neben dem unverändert weiter tä-tigen Hauptbetreuer nur für diese Entscheidung zuständig.Da der Sterilisationsbetreuer nur für die Vornahme eines be-stimmten, punktuellen Geschäfts bestellt ist, passt für ihn dieGewährung einer Zeitpauschale nach dem vorgeschlagenenSystem nicht. Als eng begrenzte Ausnahme belässt es derEntwurf daher für diesen Sonderfall bei einer Abrechungnach der tatsächlich aufgewandten und erforderlichen Zeit,also dem bisherigen Abrechnungssystem.Verhinderungsbetreuer gemäß § 1899 Abs. 4 BGB:Hier sind zwei Fallgruppen zu unterscheiden:Die Verhinderung des Betreuers kann auf Rechtsgründen be-ruhen, z. B. bei einem Vertretungsausschluss nach § 1908iAbs. 1 Satz 1; §§ 1795, 1796 BGB. Sind Haupt- und Verhin-derungsbetreuer Berufsbetreuer, entsteht die Ausnahme-situation, dass zur selben Zeit für denselben Betreuten zweiBerufsbetreuer bestellt sind. Ebenso wie der Sterilisations-betreuer – und anders als zwei nach § 1899 Abs. 1 BGB be-stellte Betreuer – wird der Verhinderungsbetreuer in diesemFall nur für die Vornahme eines bestimmten, punktuellen Ge-schäfts bestellt. Genauso wenig wie bei ersterem passt für ihndaher die Gewährung einer Zeitpauschale nach § 1908lBGB-E. Als zweiten Ausnahmefall sieht § 1908m Abs. 1Satz 1 BGB-E daher für den Verhinderungsbetreuer, der we-gen einer Verhinderung des Hauptbetreuers aus Rechtsgrün-den bestellt wird, eine Abrechung nach der tatsächlich aufge-wandten und erforderlichen Zeit, also die Beibehaltung desbisherigen Abrechnungssystems vor.

Die Verhinderung des Betreuers kann jedoch auch auf tat-sächlichen Gründen beruhen, z. B. Krankheit oder Urlaub. Indiesem Fall ist zur gleichen Zeit immer nur entweder der Be-treuer oder der Verhinderungsbetreuer tätig. Insgesamt steigtder Betreuungsaufwand nicht. § 1908m Abs. 1 Satz 2 BGB-Esieht daher vor, in diesem Fall die nach der Pauschale bemes-sene Vergütung zwischen Haupt- und Verhinderungsbetreuernach Tagen zu teilen, wobei eine Berechnung entsprechendderjenigen für die anteiligen Zeiträume nach § 1908l Abs. 3Satz 2 und 3 BGB-E vorzunehmen ist.

§ 1908m Abs. 2 BGB-E überträgt die Regelung des § 1836Abs. 3 BGB auf die neu geregelte Betreuervergütung.

Zu § 1908n BGB (Aufwandsentschädigung des Berufs-betreuers)

Nach dem derzeit geltenden Recht (§ 1835 i. V. m. § 1908Abs. 1 Satz 1 BGB) müssen Berufsbetreuerinnen und -be-treuer die ihnen entstandenen Aufwendungen im Einzelnendarlegen. Dies verursacht sowohl bei ihnen als auch bei denVormundschaftsgerichten einen erheblichen Arbeitsauf-wand: Die Einzelposten (Fahrstrecke, Telefongebühren,Porto) müssen nachvollzogen und den Vergütungspositionenzugeordnet werden. Die Frage, ob der Aufwand für die Be-treuung erforderlich war, stellt sich für jede Position neu.

Die Aufrechterhaltung dieser Rechtslage würde die durch dieStundenpauschalierung erzielten Vorteile zunichte machen.§ 1908n Satz 1 BGB-E sieht daher vor, auch den Aufwen-dungsersatz der Berufsbetreuerinnen und -betreuer zu pau-schalieren. Der vorgesehene Pauschalbetrag von 3 Euro fürjede nach den §§ 1908l und 1908m BGB-E angesetzteStunde begründet sich wie folgt:

Das ISG hat in den repräsentativ ausgewählten Akten den ge-zahlten Aufwendungsersatz ermittelt. Nach den zum Auf-wendungsersatz erstellten Häufigkeitstabellen bewegte sichdie Vielzahl der abgerechneten Aufwandsentschädigungenim niedrigen Bereich unter 10 DM (Häufigkeitstabellen zumAufwendungsersatz), differenziert nach Betreuungsdauerund Wohnsituation (Häufigkeitstabellen zum Aufwendungs-ersatz), Anlage 1, S. 1 ff.: Die tatsächlich angefallenen Kos-ten bewegten sich unter 10 DM in 166 Fällen im 1. bis 3. Mo-nat (Anlage 1, S. 1), in 185 Fällen im 4. bis 6. Monat (An-lage 1, S. 2), in 204 Fällen im 7. bis 12. Monat (Anlage 1, S. 3),in 367 Fällen im 2. Jahr (Anlage 1, S. 4), in 391 Fällen im3. Jahr (Anlage 1, S. 5), in 389 Fällen im 4. Jahr (Anlage 1,S. 6) und in 348 Fällen im 5. Jahr (Anlage 1, S. 7). Hingegenwaren erhöhte Kosten nur in Ausnahmefällen festzustellen(Häufigkeitstabellen zum Aufwendungsersatz), Anlage 1,S. 1 ff.: Kosten im Höchstbereich über 500 DM waren nach-weisbar in lediglich fünf Fällen im 1. bis 3. Monat (Anlage 1,S. 1), in fünf Fällen im 4. bis 6. Monat (Anlage 1, S. 2), in ei-nem Fall im 7. bis 12. Monat (Anlage 1, S. 3), in einem Fallim 2. Jahr (Anlage 1, S. 4), in einem Fall im 3. Jahr (Anlage 1,S. 5), in einem Fall im 4. Jahr (Anlage 1, S. 6) und in einemFall im 5. Jahr (Anlage 1, S. 7). Um zu verhindern, dass diefestgestellte Überzahl der Kosten im geringen Bereich unter10 DM und die unsymmetrischen Abweichungen nach obendie insgesamt festzusetzende Pauschale verzerren und damitnicht realistisch abbilden, ist es sinnvoll, auch hinsichtlichder Aufwandsentschädigungspauschale, den Medianwert zu

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Grunde zu legen. Eine Gesamtauswertung ergibt sodann fol-gende – zeitlich differenzierte – Mediandurchschnittswerte:

Da der Aufwand (also insbesondere: Fahrt-, Telefon- undPortokosten) entsprechend der entfalteten Tätigkeit steigt, istes sinnvoll, die Aufwandspauschale in Abhängigkeit von derStundenpauschale zu berechnen. Eine Vergleichsberechnungzwischen dem Medianwert der tatsächlich abgerechnetenmonatlichen Stunden multipliziert mit dem seinerzeitigenHöchstsatz von 60 DM (Stundenpauschale zu dem höchstenStundensatz des § 1 BVormVG (31 Euro)) und dem Median-wert des tatsächlich gezahlten monatlichen Aufwendungser-satzes ergibt, dass innerhalb der zu Grunde gelegten Zeitab-schnitte der Betreuung der Aufwendungsersatz jeweils 8 bis9 % der so ermittelten Betreuervergütung ausmacht. Danachbesteht ein proportionales Verhältnis zwischen den entstan-denen Aufwendungen und den abgerechneten Stunden. Be-zogen auf den Stundensatz von 31 Euro für eine Betreuer-stunde ergibt dies bei 9 % einen Betrag von 2,79 Euro.

Dieser Betrag wurde im Hinblick auf die nach dem Ent-wurf des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes(JVEG-E) (vgl. Bundesratsdrucksache 830/03 (Beschluss))anstehenden Erhöhungen des Auslagenersatzes bei Zeugenund Sachverständigen auf knapp 10 % des Höchstsatzes derVergütung für eine Betreuerstunde angehoben.

Durch die Pauschale sind auch die Kosten einer Haftpflicht-versicherung des Betreuers abgedeckt.

Da die Aufwandspauschale direkt von der nach § 1908lBGB-E zu ermittelnden Vergütungspauschale abhängig ist,ist es sinnvoll, dass sie mit dieser zusammen vom Vormund-schaftsgericht bewilligt wird. Um zu vermeiden, dass et-waige Differenzen zwischen Betreuer und Gericht sich zuLasten der Betreuten auswirken, gilt dies im Gegensatz zumbisherigen Recht unterschiedslos für unbemittelte wie bemit-telte Betreute. D. h. auch bei Letzteren kann ein Betreuer,dem die Vermögenssorge übertragen ist, die Aufwandsent-schädigung (wie seine Vergütung) dem Vermögen des Be-treuten erst entnehmen, wenn das Gericht sie bewilligt hat.

Ferner bedarf es einer Regelung, wie zu verfahren ist, wennkeine vollen Stunden zu vergüten sind. Um Ungerechtigkei-ten durch Auf- und Abrundungen zu vermeiden, ist es inÜbereinstimmung mit dem für § 1908l Abs. 3 Satz 2 BGB-Eund § 1908m Abs. 1 Satz 2 BGB-E maßgeblichen Grundge-danken angemessen, die Pauschale von 3 Euro anteilig zu be-rechnen. Die entsprechende Regelung enthält § 1908n Satz 2BGB-E. Ergeben sich etwa nach § 1908l Abs. 3 Satz 2BGB-E auf Grund der zeitanteiligen Berechnung 2,6 anzu-setzende Stunden, erhält der Betreuer hierfür eine pauschaleAufwandsentschädigung von 7,80 Euro.

Da in den Sonderfällen des § 1899 Abs. 2 und 4 BGB, soferndie Verhinderung rechtlicher Art ist, die Gewährung aus-schließlich einer pauschalen Aufwandsentschädigung von3 Euro je Stunde im Einzelfall zu unbilligen Ergebnissen füh-ren kann, erhält der Betreuer in § 1908n Satz 3 BGB-E – wieim geltenden Recht – einen Aufwendungsersatzanspruchnach § 1835 BGB.

Einer Pauschalierung ebenfalls nicht zugänglich sind dieAufwendungen im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB, d. h.Dienste des Betreuers, die zu seinem Gewerbe oder seinemBeruf gehören. Dieser Fall ist im Ergebnis so zu behandeln,als wenn die Dienstleistung an einen externen Dritten verge-ben worden wäre. § 1908n Satz 4 BGB-E nimmt daher dieseAufwendungen vom Anwendungsbereich der Pauschale aus.

Zu § 1908o BGB (Abrechnungszeitraum; Mitteilungs-pflicht; Anspruch gegen die Staatskasse)

§ 1908o Abs. 1 BGB-E bestimmt als Abrechnungszeitraumdie jeweils zurückliegenden Monate. Kürzere Zeitabständesind wegen des damit verbundenen Verwaltungsaufwandes– erhebliche Steigerung der Auszahlungsvorgänge – nichtsinnvoll.

Dessen Absatz 2 begründet eine Pflicht des Betreuers, Ände-rungen, die sich auf die Bemessung der Vergütung auswirkenkönnen, unverzüglich dem Gericht mitzuteilen. Zu denken isthierbei etwa an eine Änderung des Aufenthaltsortes des Be-treuten, z. B. Verlegung in ein Pflegeheim.

Nach Absatz 3 kann der Betreuer entsprechend dem bisheri-gen Recht bei Mittellosigkeit des Betreuten Vergütung undAufwandsentschädigung aus der Staatskasse verlangen.

ZuArtikel 2 (§ 11 Abs. 7 – neu –MRRG)Durch den ersten Halbsatz wird klargestellt, dass das Landes-recht eine Vertretung der meldepflichtigen Person nicht nurdurch den gesetzlichen Vertreter, wie es in den Landesmelde-gesetzen bereits vorgesehen ist, sondern auch durch einenBevollmächtigten gestatten kann. Die Vollmacht muss sichausdrücklich auf die Erfüllung der Meldepflichten des Voll-machtgebers beziehen; eine unbestimmte Generalvollmachtgenügt nicht.

Der zweite Halbsatz enthält ein Formerfordernis, das für denLandesgesetzgeber, sofern er die Vertretung durch Bevoll-mächtigte gestattet, bindend ist. Durch die Beglaubigungwird sichergestellt, dass die Vollmacht tatsächlich von der je-weils melde- oder auskunftspflichtigen Person stammt undder Bevollmächtigte mit Wissen und Wollen dieser Persontätig wird. Damit wird dem erheblichen öffentlichen Inte-resse an der Authentizität und Glaubwürdigkeit des Melde-registers Rechnung getragen. Um den Schutz der Meldere-gister vor missbräuchlichen Falschangaben Dritter bundes-weit einheitlich zu gewährleisten und um Rechtssicherheitfür die über Ländergrenzen hinweg mobilen Bürger zu schaf-fen, ist die bundesrechtliche Rahmenregelung im gesamt-staatlichen Interesse (vgl. Artikel 75 Abs. 1 Nr. 5 i. V. m. Ar-tikel 72 Abs. 2 GG) erforderlich.

Für die öffentliche Beglaubigung gilt § 129 BGB. Insbeson-dere kann sie nach § 129 Abs. 2 BGB durch die notarielle Be-urkundung der Vollmacht ersetzt werden. An Stelle der öf-fentlichen Beglaubigung genügt auch die Beglaubigung

Zeitraum WohnsituationEinrichtung

Wohnsituationzu Hause

1. bis 3. Monat 21,28 34,594. bis 6. Monat 19,90 28,627. bis 12. Monat 15,27 24,672. Jahr 12,02 20,093. Jahr 10,44 19,694. Jahr 10,79 17,575. Jahr 9,58 16,59

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durch die Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde nach§ 6 Abs. 2 des BtBG-E. Damit können sich Personen, die eineVollmacht zur Erfüllung von Meldepflichten im Rahmeneiner umfassenden Vorsorgevollmacht erteilen wollen, auchinsoweit der nach dem Betreuungsbehördengesetz bestehen-den Möglichkeit der behördlichen Beglaubigung bedienen.

ZuArtikel 3 (§ 6 Abs. 1 PassG)Zu Satz 4Das bisherige Verbot der Vertretung durch einen Bevoll-mächtigten wird für den Vorsorgefall aufgehoben. Hierdurchwird künftig vermieden, dass im Fall der Handlungs- oderGeschäftsunfähigkeit des Vollmachtgebers auf Grund einerschweren Krankheit oder Behinderung eigens für die Passbe-antragung ein Betreuer bestellt werden muss (vgl. § 1897Abs. 2 BGB).In Satz 4 wird insoweit die Vertretung durch Bevollmächtigtezugelassen. Die noch im Zustand der Handlungs- bzw. Ge-schäftsfähigkeit erteilte Vollmacht muss sich ausdrücklichauf die Passbeantragung und den Eintritt der Handlungs-oder Geschäftsunfähigkeit beziehen; eine unbestimmte Ge-neralvollmacht genügt nicht.Die Vollmacht muss in schriftlicher, öffentlich beglaubigterForm nachgewiesen werden. Durch dieses Erfordernis ist si-chergestellt, dass die Vollmacht tatsächlich von dem jewei-ligen Passbewerber stammt und der Bevollmächtigte mitWissen und Wollen dieser Person tätig wird. Damit wird demerheblichen öffentlichen Interesse daran, dass Pässe nur demtatsächlich Berechtigten ausgehändigt werden und dass dieEintragungen nur auf den Angaben des tatsächlich Berech-tigten beruhen, Rechnung getragen. Eine missbräuchlichePassbeantragung durch unbefugte Dritte wird weitgehendausgeschlossen, zumal das grundsätzliche Erfordernis derpersönlichen Identifizierung des Passbewerbers durch diePassbehörde (vgl. Nummer 6.5 PassVwV) auch im Falle derVertretung bei der Antragstellung unberührt bleibt.Für die öffentliche Beglaubigung gilt § 129 BGB. Insbeson-dere kann sie nach § 129 Abs. 2 BGB durch die notarielle Be-urkundung der Vollmacht ersetzt werden. Anstelle der öffent-lichen Beglaubigung genügt auch die Beglaubigung durchdie Urkundsperson bei der Betreuungsbehörde nach § 6Abs. 2 BtBG-E. Damit können sich Personen, die eine Voll-macht zur Passbeantragung im Rahmen einer umfassendenVorsorgevollmacht erteilen wollen, auch insoweit der nachdem Betreuungsbehördengesetz bestehenden Möglichkeitder behördlichen Beglaubigung bedienen.Zu Satz 5Die Ergänzung des Satzes 5 stellt eine redaktionelle Folgeän-derung dar, die durch die Zulassung der Bevollmächtigungfür den Vorsorgefall in Satz 4 bedingt ist.

ZuArtikel 4 (§ 14 Abs. 1 Nr. 4, § 19 – neu – RPflG)ZuNummer 1 (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG)Es handelt sich um eine Folgeänderung zu § 1906a BGB-E.

ZuNummer 2 (§ 19 – neu – RPflG)Ziel des § 19 RPflG-E ist es, den Ländern zu ermöglichen,Rechtspflegerinnen und Rechtspflegern die Zuständigkeiten

im Bereich des Betreuungsrechts so weit zu übertragen, wiedies ohne Änderung des Verfahrensrechts verfassungsrecht-lich zulässig ist. Da die für weitere Übertragungen erforder-lichen Anpassungen des Verfahrensrechtes Kernbereiche dergeplanten FGG-Reform betreffen, erscheint es nicht sinnvoll,diese aus dem gesamten Reformvorhaben auszugliedern unddamit Festlegungen vorzunehmen, die u. U. später nicht indas Gesamtkonzept passen.

Die bisherige Aufgabenverteilung zwischen Richter undRechtspfleger im Betreuungsrecht orientiert sich an derGrundsatzentscheidung des Gesetzgebers des Rechtspfleger-gesetzes aus dem Jahr 1957, wonach personenrechtliche Ent-scheidungen in Vormundschaftssachen dem Richter vorbe-halten sind, der Rechtspfleger dagegen für den Bereich derVermögenssorge zuständig sein soll. Dieser Grundsatz wurdeim Rechtspflegergesetz von 1969 ausdrücklich beibehalten(vgl. Bundestagsdrucksache 5/3134, S. 20).

Im Rahmen des Gesetzentwurfs zum Betreuungsrecht wur-den weitergehende Aufgabenübertragungen auf Rechtspfle-gerinnen und Rechtspfleger zwar diskutiert, gleichwohl aberschließlich die Richtervorbehalte in § 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflGaus rechtspolitischen, systematischen und praktischen Grün-den erneut in Übereinstimmung mit den Richtlinien aus demJahr 1957 ausgestaltet (Bundestagsdrucksache 11/4528,S. 97).

Von den im Betreuungsrecht den Vormundschaftsgerichtenobliegenden Geschäften sind danach dem Richter vorbehal-tenen (§ 14 Abs. 1 Nr. 4 RPflG):

a) die Entscheidung über die Bestellung eines Betreuers(§§ 1896, 1908a BGB) und die Überprüfung nach § 69Abs. 1 Nr. 5 FGG,

b) die Entscheidung über den Umfang des Aufgabenkreises(§ 1896 BGB),

c) die Entscheidung über die Erweiterung des Aufgaben-kreises (§1908d Abs. 3 BGB),

d) die Entscheidung über die Einschränkung des Aufgaben-kreises (§1908d Abs. 1 Satz 2 BGB),

e) die Entscheidung über die Aufhebung der Betreuerbestel-lung (§1908d Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB),

f) die Entscheidung über die Entlassung der Betreuer(§ 1908b BGB) mit Ausnahme der Entlassung auf Grunddes § 1908b Abs. 3 (der Betreute schlägt einen neuen ge-eigneten Betreuer vor) und 4 BGB (Entlassung des Ver-einsbetreuers),

g) die Entscheidung über die Anordnung eines Einwilli-gungsvorbehaltes (§§ 1903, 1908a BGB),

h) die Entscheidung über die Erweiterung, Einschrän-kung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehaltes(§ 1908d Abs. 4 BGB),

i) die Entscheidung über die Genehmigung einer Einwilli-gung des Betreuers in eine gefährliche ärztliche Maß-nahme (§ 1904 BGB),

k) die Entscheidung über die Genehmigung einer Einwilli-gung des besonderen Betreuers in eine Sterilisation(§ 1905 BGB),

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l) die Entscheidung über die Genehmigung einer Einwilli-gung des Betreuers in eine zivilrechtliche Unterbringungdes Betreuten (§ 1906 BGB),

m) die Anordnung einer Freiheitsentziehung bzw. gefähr-lichen ärztlichen Maßnahme nach § 1846 i. V. m. § 1908iBGB,

n) Entscheidungen über Anträge der Betroffenen nach § 69cFGG, soweit nicht nur eine Betreuung nach § 1896 Abs. 3BGB betroffen ist,

o) die Anordnung einer Betreuung über einen Angehörigeneines fremden Staates oder auf Grund dienstrechtlicherVorschriften.

Die übrigen Geschäfte des Vormundschaftsgerichts in Be-treuungssachen werden entsprechend § 3 Nr. 2 Buchstabe aRPflG vom Rechtspfleger wahrgenommen. Dabei handelt essich insbesondere um folgende Aufgabenbereiche:

– Entscheidungen über die Erteilung vormundschaftsge-richtlicher Genehmigungen im Bereich der Vermögens-sorge für den Betreuten (§§ 1908i, 1810 ff. BGB) sowiedie Genehmigung zur Beendigung eines Mietverhältnis-ses des Betreuten über Wohnraum und die Genehmigungvon Miet- und Pachtverträgen (§ 1907 BGB),

– Beratung der Betreuer und Einführung in ihre Aufgaben(§ 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 1 BGB), die Aufsicht überdie Betreuer, Einschreiten bei Pflichtwidrigkeiten derBetreuer durch geeignete Gebote und Verbote (§ 1908iAbs. 1, § 1837 Abs. 2 BGB) und ggf. durch Festsetzungvon Zwangsgeld (§ 1908i Abs. 1, § 1837 Abs. 3 BGB) so-wie Prüfung der Rechnungslegung der Betreuer über ihreVermögensverwaltung für die Betreuten (§§ 1908i, 1843BGB),

– Entscheidungen nach Maßgabe von § 56g FGG, § 1908iAbs. 1, §§ 1835 ff., 1908e, 1908h BGB über Vergütungund Aufwendungsersatz für die Betreuer und Geltendma-chung von Ansprüchen der Staatskasse nach § 1836eBGB,

– Entlassung von Betreuern auf Grund des § 1908b Abs. 3(der Betreute schlägt einen neuen geeigneten Betreuervor) und 4 BGB (Entlassung des Vereinsbetreuers).

Die Gründe, die 1957 zu der Grundsatzentscheidung des Ge-setzgebers geführt haben, sind nach über 40 Jahren sowie mitRücksicht auf die zwischenzeitlich erheblich verbesserte undstärker wissenschaftlich ausgerichtete Rechtspflegerausbil-dung nicht mehr tragfähig. In verschiedenen Rechtsgebietenwurde den Rechtspflegern in den vergangenen Jahren eineReihe weiterer – für die Betroffenen sehr weit reichende undnicht nur materielle Fragen betreffende – Entscheidungenübertragen. Dies gilt auch im Betreuungsrecht, z. B. für dieEntscheidung über die Auflösung der Wohnung des Betreu-ten (§ 1907 BGB).

Auf Grund der dem Rechtspfleger im Betreuungsrecht bisherschon übertragenen Geschäfte, insbesondere der weit rei-chenden Kontroll- und Aufsichtfunktion gegenüber den Be-treuern, kommt diesem Rechtsgebiet in der Ausbildung anden Fachhochschulen für Rechtspflege zwischenzeitlich einbesonderer Stellenwert zu. Deshalb ist davon auszugehen,dass die Rechtspfleger bereits heute über umfassende – de-

nen eines Volljuristen nicht nachstehende – Kenntnisse imBetreuungsrecht verfügen. Darüber hinaus kann erwartetwerden, dass das Interesse, sich eingehend und über den ju-ristischen Kontext hinaus kontinuierlich mit dem Betreu-ungsrecht auseinander zu setzen, bei den Rechtspflegerinnenund Rechtspflegern groß ist. In der täglichen Praxis kommthinzu, dass bei der Beurteilung, ob ein Betreuer überhauptund wenn ja, mit welchem Aufgabenkreis bestellt wird, nichtnur rechtliche Aspekte zu prüfen sind, sondern weitere Quali-täten, nicht zuletzt ein gewisses Maß an Lebenserfahrung,benötigt werden. Deshalb ist bei einer weit gehenden Auf-gabe der Richtervorbehalte in diesem Bereich mit Qualitäts-einbußen nicht zu rechnen.

Derzeit entscheidet der Richter durch einen einzigen Be-schluss über die Notwendigkeit der Betreuung, den Aufga-benkreis des Betreuers und die Bestellung eines bestimmtenBetreuers (§ 69 Abs. 1 FGG). Da sich dieses Prinzip der Ein-heitsentscheidung in der Praxis bewährt hat, kann es bei einerAufgabenverlagerung auf den Rechtspfleger nicht darauf an-kommen, ihm lediglich weitere Einzelentscheidungen im Be-treuungsverfahren zu übertragen, die zu noch mehr Zustän-digkeitswechseln zwischen Richter und Rechtspfleger füh-ren. Vielmehr ist es das Ziel des Entwurfs, eine möglichstumfassende Zuständigkeit des Rechtspflegers für das Betreu-ungsverfahren zu schaffen und die Vorbehalte für den Richterauf die Bereiche zu beschränken, in denen einem Einsatz desRechtspflegers verfassungsrechtliche Hindernisse entgegen-stehen.

Dies trifft zunächst auf die durch Artikel 13 Abs. 2 und Arti-kel 104 Abs. 2 GG dem Richter vorbehaltenen Entscheidun-gen zu. Daher ist die Entscheidung über die Genehmigungeiner Einwilligung des Betreuers in eine zivilrechtliche Un-terbringung des Betreuten (§ 1906 Abs. 2 BGB) und dieGenehmigung der Anbringung von freiheitsentziehendenVorrichtungen bzw. Verabreichung entsprechend wirksamerMedikamente (§ 1906 Abs. 4 BGB) sowie die Anordnungeiner Vorführung zur Anhörung (§ 68 Abs. 3 FGG) undUntersuchung (§ 68 b Abs. 3 FGG) dem Richter vorzubehal-ten. Gleiches gilt für die mit dem Entwurf eingeführte Geneh-migung bei der zwangsweisen Zuführung zur ärztlichenHeilbehandlung.

Entscheidungen in Betreuungssachen werden nach § 69aAbs. 3 FGG mit der Bekanntmachung an den Betreuer, so-weit bei Gefahr im Verzuge die sofortige Wirksamkeit ange-ordnet wird, sogar schon mit Übergabe an die Geschäfts-stelle, wirksam. Ein wirkungsvoller Rechtsschutz erfordertdaher, dass bei sonstigen schwer wiegenden Grundrechtsein-griffen durch hoheitliche Maßnahmen, die infolge ihrer so-fortigen Vollziehung irreparabel sind, ebenfalls ein gesetz-licher Richtervorbehalt beibehalten wird.

Als solche irreversiblen und schwer wiegenden betreuungs-rechtlichen Maßnahmen sind die nachfolgenden Entschei-dungen anzusehen:

– Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts nach § 1903BGB. Der Betreute wird dadurch in seiner Handlungsfrei-heit nicht unerheblich eingeschränkt. Bei Willenserklä-rungen, die den Aufgabenbereich betreffen, auf den sichder Einwilligungsvorbehalt bezieht, ist der Betreute wieein beschränkt geschäftsfähiger Minderjähriger auf dieMitwirkung des Betreuers angewiesen,

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 39 – Drucksache 15/2494

– Entscheidung über die Erteilung einer Genehmigung fürdie Einwilligung des Betreuers in besonders riskanteMaßnahmen der Gesundheitsfürsorge nach § 1904 BGB,wenn die Gefahr besteht, dass der Betroffene wegen derMaßnahme verstirbt oder einen länger dauernden gesund-heitlichen Schaden erleidet, wegen des erheblichen Ein-griffs in die körperliche Integrität,

– Entscheidung über die Genehmigung in die Einwilligungeines Betreuers in die Sterilisation des Betroffenen nach§ 1905 BGB, die nicht nur die körperliche Integrität be-rührt, sondern insgesamt als ein schwer wiegender, diegesamte Persönlichkeit betreffender Eingriff gewertetwerden muss.

Daher sieht der Entwurf neben den genannten durch Arti-kel 13 Abs. 2 und Artikel 104 Abs. 2 GG dem Richter vorbe-haltenen Entscheidungen Richtervorbehalte für Entschei-dungen nach den §§ 1903 bis 1905 BGB vor.

Eine Übertragung der Zuständigkeit für diese schwer wie-genden Grundrechtseingriffe könnte wegen des Grundsatzesdes wirkungsvollen Rechtsschutzes nur in nichteiligen Fällenund nur dann erfolgen, wenn gleichzeitig Maßnahmen zurGewährung des Grundrechtsschutzes ergriffen würden, wiebeispielsweise die obligatorische Einschaltung eines Verfah-renspflegers, der zeitliche Aufschub der Wirksamkeit derEntscheidung oder die Einführung eines Rechtsmittels mitSuspensiveffekt. Die Entscheidung über diese weiteren Zu-ständigkeitsänderungen und welche verfahrensrechtlichenSicherungsmaßnahmen ggf. parallel dazu in die neue Verfah-rensordnung für die freiwillige Gerichtsbarkeit aufgenom-men werden müssen, überlässt der Entwurf – wie bereits dar-gelegt – der geplanten FGG-Reform.

Soweit dem Richter nach dem Entwurf die Entscheidung inder Hauptsache vorbehalten ist, ist er auch zuständig für Eil-maßnahmen nach den §§ 69f und 70h FGG. Gleiches gilt,wenn das Gericht selbst Maßregeln nach § 1846 i. V. m.§ 1908i BGB trifft, für deren Genehmigung bei einer Vor-nahme durch den Betreuer der Richter zuständig wäre. DerRichtervorbehalt für die Entscheidung über die Anordnungeines Einwilligungsvorbehaltes (§ 1903 BGB) umfasst auchdie Entscheidung über die Erweiterung, Einschränkung oderAufhebung eines Einwilligungsvorbehaltes (§1908d Abs. 4BGB).

Die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger sollen nach den indem Entwurf vorgesehenen Aufgabenverlagerungen künftigüber alle Maßnahmen entscheiden, die mit nicht schwer wie-genden Grundrechtseingriffen verbunden sind. Durch dieBeschränkung des Richtervorbehalts auf „Verrichtungen aufGrund der §§ 1903 bis 1906 BGB, § 1906a BGB-E sowie§§ 68 Abs. 3 und 68b Abs. 3 FGG“ wird klargestellt, dass dieRechtspflegerin oder der Rechtspfleger für die weiteren Ver-richtungen in dem Verfahren zuständig bleibt. Die Richterinoder der Richter hat beispielsweise nur über die Frage desEinwilligungsvorbehalts zu befinden, alle übrigen Maßnah-men trifft der für das Gesamtverfahren zuständige Rechts-pfleger.

Die vorgesehenen Aufgabenverlagerungen auf den Rechts-pfleger sollen in erster Linie der Effizienzsteigerung und Ver-einfachung der Verfahrensabläufe dienen. Reibungsverlustedurch wechselnde Zuständigkeiten zwischen Richter undRechtspfleger werden sich wegen der verfassungsrechtlichen

Grenzen der Aufgabenübertragungen auf den Rechtspflegerim Betreuungsrecht zwar auch künftig nicht völlig vermei-den lassen. Insgesamt sind durch die geplanten Änderungenjedoch Effizienzgewinne in größerem Umfang zu erwarten,die evtl. Reibungsverluste auf Grund der neuen Zuständig-keitswechsel in einzelnen Verfahren bei weitem übersteigenwerden, da in den Standardfällen – und dies wird der weitüberwiegende Teil der Verfahren sein – die Zuständigkeit fürdie Anordnung der Betreuung und das gesamte weitere Ver-fahren in der Hand des Rechtspflegers zusammenfasst wird.

Darüber hinaus dient die Zuständigkeitskorrektur der Bür-gerfreundlichkeit des Betreuungsverfahrens. Der Rechtssu-chende hat künftig in der Regel nur noch einen Ansprechpart-ner bei Gericht, den Rechtspfleger oder die Rechtspflegerin.Die derzeitige Zuständigkeitsverteilung zwischen Richterund Rechtspfleger ist für ihn dagegen häufig nicht nachvoll-ziehbar, da sich Fragen aus dem Personenrecht und der Ver-mögenssorge in der Praxis zumeist nicht trennen lassen.

Die vorgesehenen Aufgabenverlagerungen dienen damitnicht nur der Straffung der Ablauforganisation und ihrer Effi-zienzsteigerung, sondern zugleich auch der Erhaltung undSteigerung der individuellen Arbeitszufriedenheit derRechtspfleger. Durch die Pauschalierung der Betreuer-vergütung werden sie von zeitraubenden und weniger an-spruchsvollen Aufgaben entlastet und erhalten neue heraus-fordernde Zuständigkeiten, die ihre Stellung als eigenstän-diges Organ der Gerichtsverfassung stärken.

ZuArtikel 5 (§ 51 Abs. 1 ZPO)

Durch die Änderung des § 51 ZPO soll es ermöglicht werden,dass ein Geschäftsunfähiger im Zivilprozess durch einen Be-vollmächtigten vertreten werden kann. Sie dient der Stärkungdes Rechtsinstituts der Vorsorgevollmacht, indem diese auchprozessual anerkannt wird. Die Vorsorgevollmacht kann ihrebetreuungsvermeidende Wirkung dann entfalten, wenn esrechtlich ermöglicht wird, den Vertreter möglichst umfang-reich bevollmächtigen zu können. Dazu gehört auch die ge-richtliche Vertretung. Die im Umlauf befindlichen Muster fürVorsorgevollmachten zeigen, dass hierfür offenbar ein Be-dürfnis besteht. Regelmäßig wird auch Vollmacht für die ge-richtliche Vertretung des Vollmachtgebers erteilt. Das ent-spricht dem Sinn des Rechtsinstituts der Vorsorgevollmacht,den Vollmachtgebern ein Mittel zur Verfügung zu stellen, ihrSelbstbestimmungsrecht im Vorsorgefall umfassend zusichern. Es gibt deshalb keinen Grund, einer auch auf diegerichtliche Vertretung bezogenen Vollmacht nur eine be-schränkte Wirksamkeit zuzusprechen.

Bislang war allerdings umstritten, ob derjenige, der einewirksame Vorsorgevollmacht erteilt hatte, dennoch nach Ein-tritt der Geschäftsunfähigkeit für das gerichtliche Verfahreneinen gesetzlichen Vertreter, also einen Betreuer, vgl. § 1902BGB, benötigt (so das BayObLG, FamRZ 1998, 920,a. A. LG Konstanz 3. Zivilkammer, Urteil vom 30. Dezem-ber 1999, Az. 3 O 114/99). Der Gesetzentwurf stellt nunmehrklar, dass ein Betreuer nicht zu bestellen ist, wenn eine aus-reichende Vollmacht erteilt wurde. Dies entspricht dem in§ 1896 Abs. 2 Satz 2 Alternative 1 BGB enthaltenen Grund-satz der Subsidiarität der Betreuung. Er besagt, dass ein Voll-jähriger keines gesetzlichen Vertreters bedarf, wenn ein wirk-sam Bevollmächtigter seine Angelegenheiten wahrnehmen

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kann. Die auch prozessuale Anerkennung der Vorsorgevoll-macht wirkt damit auch betreuungsvermeidend.

Änderungen in den anderen Prozessordnungen sind nichtveranlasst. Über § 46 ArbGG findet § 51 ZPO auch im ar-beitsgerichtlichen Verfahren Anwendung, so dass sich dieStreichung der Legaldefinition entsprechend auswirkt. In denVerfahren der Finanz-, Verwaltungs- und Sozialgerichtsbar-keit kann bereits nach geltendem Recht ein rechtsgeschäft-lich bestellter Vertreter auftreten. Gleiches gilt in Verfahrenüber die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.Eine Einschränkung wie in § 51 Abs. 1 ZPO gibt es dort je-weils nicht. Nach § 58 Abs. 2 Satz 1 FGO handeln für Perso-nen, die geschäftsunfähig oder in der Geschäftsfähigkeit be-schränkt sind, die nach dem bürgerlichen Recht dazu befug-ten Personen. Das kann ohne Weiteres ein rechtsgeschäftlichbestellter Vertreter sein, der zu Zeiten bestellt wurde, da derVertreter noch geschäftsfähig war, vgl. §§ 167, 130 Abs. 2BGB. Entsprechendes gilt gemäß den §§ 62 VwGO und 71SGG. Sie beschränken sich lediglich auf die Verhandlungs-und Prozessfähigkeit einer Person, so dass die Frage ihrerVertretung den insoweit allgemeinen Regelungen des bürger-lichen Rechts entnommen werden muss. In Verfahren nachdem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Ge-richtsbarkeit ist die Fähigkeit als Beteiligter aufzutreten (Pro-zess- bzw. Verfahrensfähigkeit) gesetzlich nicht geregelt. Esist jedoch allgemein anerkannt, dass maßgebend auf die Ge-schäftsfähigkeit einer Person (§ 104 ff. BGB) abzustellen ist.Für bestimmte Verfahren hat das Gesetz über die Angelegen-heiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Ausnahmen zugelas-sen (§§ 59, 66, 70a FGG).

ZuArtikel 6 (Änderung des Gesetzes über dieAngelegenheiten der freiwilligen Ge-richtsbarkeit)

ZuNummer 1 (§ 65a FGG)

Die Abgabe von Betreuungsverfahren setzt bisher nebeneinem wichtigen Grund und der Übernahmebereitschaft desannehmenden Gerichts (§ 65a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 46Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGG) die Zustimmung eines schonbestellten Betreuers (§ 65 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 46 Abs. 1Halbsatz 2 FGG) und den fehlenden Widerspruch des Betrof-fenen (§ 65a Abs. 2 Satz 2 FGG) voraus. Fehlt es an einer derzuletzt genannten drei Voraussetzungen, so entscheidet dasgemeinschaftliche Obergericht (bzw. das Oberlandesgerichtdes annehmenden Gerichts, falls dieses der Bundesgerichts-hof wäre; § 65a Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2, jeweils i. V. m.§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG). Dabei liegt nach § 65a Abs. 1 Satz 2FGG ein wichtiger Grund in der Regel vor, wenn sich der ge-wöhnliche Aufenthaltsort des Betroffenen geändert hat unddie Aufgaben des Betreuers im Wesentlichen am neuen Auf-enthaltsort zu erfüllen sind.

Wie sich aus § 65 Abs. 1 FGG ergibt, verfolgt das Gesetzgrundsätzlich die Tendenz, dass das zuständige Gericht – so-weit möglich – ortsnah zum Aufenthaltsort des Betreutenliegen soll (vgl. Keidel/Kuntze/Winkler, Freiwillige Ge-richtsbarkeit, 15. Auflage, § 65a Rn. 4). Dies legt bei einemWechsel des Aufenthaltsorts des Betreuten die Abgabe desVerfahrens an das dortige Gericht nahe.

Die bisherige Regelung des § 65a FGG erschwert die Ver-wirklichung dieses Grundsatzes unangemessen stark. Unter-

bliebene Abgaben trotz Vorliegen eines wichtigen Grundesführen nicht selten zu einem erheblichen Verfahrens- oderKostenaufwand, wenn der Betroffene sich zwischenzeitlich(etwa infolge einer notwendigen Aufnahme in ein Heim)weitab von seinem bisherigen Wohnsitz aufhält. Dies ist miterheblichem Aufwand und erheblichen Kosten verbunden(etwa durch Reisen des Gerichts zu Anhörungen nach § 68Abs. 1 Satz 1 FGG, da die bloß eingeschränkte Möglichkeitzur Anhörung durch den ersuchten Richter, § 68 Abs. 1Satz 4 FGG, keine ausreichende Abhilfe bietet).

Dies erfordert Änderungen in § 65a Abs. 1 Satz 1 und 2 undAbs. 2 FGG.

Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe aa (§ 65a Abs. 1Satz 1 FGG)

Durch die Einschränkung der Verweisung in § 65a Abs. 1Satz 1 auf § 46 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGG wird das Erfor-dernis der Zustimmung des Betreuers beseitigt. Dies hat zurFolge, dass es bei einer fehlenden Zustimmung des Betreuersnicht des Anrufs des gemeinschaftlichen oberen Gerichtesnach § 46 Abs. 2 Satz 1 FGG bedarf; deshalb ist auch die Ver-weisung auf diese Vorschrift entsprechend abzuändern. DasErfordernis der Zustimmung des Betreuers ist nicht notwen-dig. Denn liegt tatsächlich ein wichtiger Grund für die Ab-gabe vor und ist das annehmende Gericht übernahmebereit,besteht kein sachlicher Grund dafür, darüber hinaus weitereHürden aufzubauen. Den Interessen des Betreuers kanndurch seine Anhörung hinreichend Genüge getan werden,was durch die Änderung von § 65a Abs. 2 FGG sichergestelltwird.

Zu Buchstabe a Doppelbuchstabe bb (§ 65a Abs. 1Satz 2 FGG)

Durch die Ergänzung von § 65a Abs. 1 Satz 2 FGG wird eintatsächlicher Aufenthalt von einem Jahr oder länger an einemanderem Ort der Änderung des gewöhnlichen Aufenthaltsgleichgestellt. Dies ist dadurch gerechtfertigt, dass eine Ab-gabe in der Praxis im Einzelfall dadurch erschwert wird, dass§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG die Änderung des „gewöhnlichenAufenthalts“ des Betroffenen verlangt. Dadurch ist das abge-bende Gericht gezwungen zu prüfen, ob der Ort, an dem sichder Betroffene nunmehr aufhält, tatsächlich Mittelpunkt sei-ner Lebensführung ist. Dies erscheint in den Fällen nicht an-gemessen, in denen der Betroffene sich bereits geraume Zeitan seinem neuen Aufenthaltsort befindet (etwa bei Klinikauf-enthalten von einem oder zwei Jahren; vgl. Knittel, Betreu-ungsgesetz, Kommentar, Anmerkung 8 zu § 65a FGG).

Zu Buchstabe b (§ 65a Abs. 2 FGG)

Durch die Änderung von § 65a Abs. 2 FGG wird das Wider-spruchsrecht des Betroffenen beseitigt. Dies hat zur Folge,dass es bei einem Widerspruch des Betroffenen nicht mehrder Anrufung des gemeinschaftlichen oberen Gerichtes nach§ 46 Abs. 2 Satz 1 FGG bedarf. Das Widerspruchsrecht desBetroffenen ist ebenso wenig wie das Erfordernis der Zustim-mung des Betreuers sachlich gerechtfertigt. Auf die entspre-chenden Erwägungen zur Änderung von § 65a Abs. 1 Satz 1FGG kann insoweit verwiesen werden.

Durch die Änderung von § 65a Abs. 2 FGG wird ferner si-chergestellt, dass der Betreuer vor der Abgabe Gelegenheit

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zur Äußerung erhält, nachdem das Erfordernis seiner Zustim-mung entfällt.

ZuNummer 2 (§ 67 FGG)Zu Buchstabe a (§ 67 Abs. 1 FGG)§ 67 FGG will den Schutz des Betroffenen stärken und dieWahrung seiner Belange im Verfahren gewährleisten. Des-halb wird ihm ein Pfleger für das Verfahren zur Seite gestellt,soweit dies zur Wahrnehmung seiner Interessen erforderlichist (§ 67 Abs. 1 Satz 1 FGG).Vorrangige Aufgabe des Verfahrenspflegers ist es, gegenüberdem Gericht den Willen des Betroffenen kundzutun(„Sprachrohr“) und seinen Anspruch auf Gewährung recht-lichen Gehörs (Artikel 103 GG) zu verwirklichen.Ob eine besondere berufliche Qualifikation des Verfahrens-pflegers erforderlich ist, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.Für den Regelfall bedarf es einer solchen zur Wahrung derRechte des Betroffenen jedoch nicht. Eine Rechtsmittelbe-lehrung ist gesetzlich vorgesehen für Entscheidungen, die dieBestellung eines Betreuers oder die Anordnung eines Einwil-ligungsvorbehalts betreffen (§ 69 Abs. 1 Nr. 6 FGG). DurchBezugnahme auf diese Bestimmung wird die Verpflichtungauf weitere Verfahrensgegenstände ausgedehnt (§ 69i FGG).Der in § 1897 Abs. 6 BGB beschriebene Subsidiaritätsge-danke soll daher bei der Verfahrenspflegerbestellung ent-sprechende Anwendung finden. Dies wird mit der Verwei-sung zum Ausdruck gebracht.

Zu Buchstabe b (§ 67 Abs. 3 FGG)In § 67 Abs. 3 FGG ist der Aufwendungsersatz und die Ver-gütung des Verfahrenspflegers unter Bezugnahme auf dasmaterielle Recht geregelt.Hinsichtlich des Aufwendungsersatzes und der Vergütungsoll es bei der bisherigen Regelung sowohl für die beruflichals auch für die nicht beruflich tätigen Verfahrenspfleger ver-bleiben.Auf Grund der materiellrechtlichen Änderungen ist eineNeufassung des § 67 Abs. 3 Satz 2 FGG geboten, die jedochkeine sachliche Änderung zum bisherigen Rechtszustand be-zweckt.

ZuNummer 3 (§ 68b FGG)§ 68b Abs. 1 FGG sieht zwingend – abgesehen von zweiAusnahmen – vor, dass ein Betreuer erst bestellt werden darf,nachdem ein Gutachten eines Sachverständigen eingeholtworden ist, wobei der Sachverständige den Betroffenen vorErstattung des Gutachtens persönlich zu untersuchen oder zubefragen hat. Kommt nach Auffassung des Sachverständigendie Bestellung eines Betreuers in Betracht, so hat sich dasGutachten auch auf den Umfang des Aufgabenkreises unddie voraussichtliche Dauer der Betreuungsbedürftigkeit zuerstrecken. Gleiches gilt gemäß Absatz 2 für die Anordnungeines Einwilligungsvorbehaltes.Die Klärung der Betreuungsbedürftigkeit und deren Dauersowie des Umfanges des Aufgabenkreises können die Einho-lung mehrerer Gutachten erfordern, deren Gegenstand medi-zinische, psychologische und soziale Gesichtspunkte seinkönnen. § 68b FGG enthält weder Vorgaben an das Gericht,über welche Qualifikationen der ausgewählte Sachver-

ständige verfügen muss, noch wird inhaltlich näher festge-legt, zu welchen Fragen in welchem Umfange eine Begutach-tung gefordert ist. Die Auswahl des Sachverständigen unddie konkrete Umschreibung des Gutachtenauftrages ist da-von bestimmt, welche Behinderung beim Betroffenen vor-liegt. Das setzt voraus, dass das Gericht bereits aus anderenQuellen in Erfahrung gebracht hat, welche Art von Krankheitoder Behinderung (voraussichtlich) vorliegt (vgl. Bienwald,Betreuungsrecht, Kommentar, 3. Auflage, § 68b FGG Rn. 7).

§ 68b Abs. 1 Satz 2 FGG-E will dem Vormundschaftsgerichtals auch dem beauftragten Sachverständigen durch Verwer-tung von Vorgutachten bzw. Gutachten aus anderen gericht-lichen oder behördlichen Verfahren die Verschaffung dieserKenntnisse ermöglichen. Auf eine wiederholte Begutachtungsoll verzichtet werden können, wenn in einem Gutachten be-reits zu in Betreuungsverfahren klärungsbedürftigen FragenAussagen enthalten sind.

In bestimmten Verwaltungsverfahren oder gerichtlichen Ver-fahren erfolgen gutachtliche Stellungnahmen zu Fragen, dieauch für die Beurteilung, ob ein Betreuer zu bestellen ist, be-deutsam sind oder diese – zumindest zum Teil – beantworten.Dies gilt im Besonderen für Krankheitsdiagnosen. So habendie Pflegekassen gemäß § 18 SGB XI durch den Medizini-schen Dienst der Krankenversicherung (§ 275 ff. SGB V)prüfen zu lassen, ob die Voraussetzungen der Pflege-bedürftigkeit erfüllt sind. Pflegebedürftig im Sinne des § 14Abs. 1 SGB XI sind Personen, die wegen einer körperlichen,geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für diegewöhnlichen oder regelmäßig wiederkehrenden Verrichtun-gen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussicht-lich für mindestens sechs Monate, in erheblichem oder höhe-rem Maße der Hilfe bedürfen. Als Krankheiten oder Behin-derungen werden u.a. Störungen des Zentralnervensystemswie Antriebs-, Gedächtnis- oder Orientierungsstörungen so-wie endogene Psychosen, Neurosen oder geistige Behinde-rungen definiert. Auch § 1896 Abs. 1 BGB setzt als Ursache,dass jemand seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nichtmehr besorgen kann, eine psychische Krankheit oder einekörperliche, geistige oder seelische Behinderung voraus. In-soweit überschneiden sich die Prüfungen.

Anforderungen, Inhalt und Ausgestaltung der Begutachtungsind von den Grundsätzen des Betreuungsrechts nicht ver-schieden. Mit der Einschaltung des Medizinischen Dienstesist gewährleistet, dass auf dem Gebiet der Sozialmedizin er-fahrene Ärzte die medizinischen Voraussetzungen für dieFeststellung der Pflegebedürftigkeit treffen. Entsprechendseines Auftrages hat der Medizinische Dienst zu klären, obund in welchem Umfange Maßnahmen zur Beseitigung,Minderung oder Verhütung einer Verschlimmerung der Pfle-gebedürftigkeit einschließlich der medizinischen Rehabilita-tion geeignet, notwendig und zumutbar sind (§ 18 Abs. 1Satz 2 Halbsatz 1 SGB XI). Der Versicherte ist in seinemWohnbereich zu untersuchen und in angemessenen Zeitab-ständen sind Wiederholungsuntersuchungen vorzunehmen(§ 18 Abs. 2 Satz 1 und 5 SGB XI). Die Pflegegutachten kön-nen als Grundlage für eine vormundschaftsgerichtliche Ent-scheidung dienen, ohne dass es einer wiederholten Begutach-tung der darin geklärten Frage bedarf.

Auch im Rahmen des § 69 Abs. 1 SGB IX, der dem zwi-schenzeitlich außer Kraft getretenen § 4 des Schwerbehin-dertengesetzes entspricht, stellen die für die Durchführung

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des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden dasVorliegen einer Behinderung und deren Grad fest. Die ver-sorgungsärztlichen Stellungnahmen und Gutachten könnenim Einzelfall ebenfalls eine geeignete Entscheidungshilfe zurBeurteilung des Vorliegens und des Ausmaßes einer Betreu-ungsbedürftigkeit sein.

Zu den für die Bestellung eines Betreuers relevanten Frage-stellungen sind oftmals auch in forensischen Gutachten, diegemäß § 81 StPO oder § 73 JGG eingeholt wurden, verwert-bare Befundtatsachen enthalten.

Im Interesse der Betroffenen sollen durch die NeuregelungDoppelbegutachtungen vermieden werden. Insbesondere beiErreichen der Volljährigkeit Betroffener kommt es zu Mehr-fachbegutachtungen eines Krankheitsbildes. So wird in derRegel beim Arbeitsärztlichen Dienst des Arbeitsamtes einGutachten über die Arbeitsfähigkeit des Jugendlichen er-stellt. Amtsärztliche Gutachten klären im Auftrag des Lan-deswohlfahrtsverbandes nach § 39 BSHG und im Auftragdes Sozialamtes nach dem Grundsicherungsgesetz die Hilfe-bedürftigkeit. Diese Gutachten werden zeitnah vor der durchdas Vormundschaftsgericht angeordneten Begutachtungnach § 68b FGG erstellt, so dass zwischenzeitliche Änderun-gen im Krankheitsbild nicht zu erwarten sind.

Bedenken, in bestimmten Fällen von einer wiederholten Be-gutachtung abzusehen, bestehen nicht. Bei bestimmtenKrankheitsbildern ist eine Besserung mit Sicherheit nicht zuerwarten, so etwa im Bereich der Altersdemenz und Debilitätbei Jugendlichen. Die Verwertung eines, ggf. auch älterenVorgutachtens führt nicht zu unrichtigen Entscheidungen.Zwar erklärt § 69i Abs. 1 Satz 1 FGG bei der Erweiterung desAufgabenkreises des Betreuers § 68b Abs. 1 Satz 1 FGG fürentsprechend anwendbar und lässt den Verzicht auf einenochmalige Begutachtung dann zu, wenn das Gutachtennicht älter als sechs Monate ist. Die Möglichkeit ist umfas-send und an formale Kriterien geknüpft und unterscheidetnicht danach, ob sich aus dem Gutachten, auf das die Bestel-lung des Betreuers gestützt wurde, ein konkretes Krankheits-bild entnehmen lässt, das unverändert fortbestehen wird. Beiirreversiblen Krankheitsbildern bedarf es jedoch nicht einernochmaligen medizinischen Diagnose. Dies gebietet, in denAnwendungsfällen des § 69i FGG über die in § 69i Abs. 1Satz 2 Halbsatz 1 FGG vorgesehenen Ausnahmen bei denhier beschriebenen Konstellationen ebenfalls von einer Be-gutachtung abzusehen (vgl. Erläuterung zu Nummer 2). An-ders ist bei schubförmig verlaufenden Krankheiten zu ver-fahren. Ziel der Neuregelung ist es aber nicht, die Entschei-dungsfindungspraxis der Vormundschaftsgerichte einzu-schränken, sondern ihnen zusätzliche Erkenntnisquellen zueröffnen und das Verfahren von unnötigen Doppelbegutach-tungen zu entlasten.

Liegen in behördlich oder gerichtlich eingeholten Gutachtenmedizinische Diagnosen vor, die der Vormundschaftsrichterselbst oder unter Beiziehung von sachverständiger Hilfe sei-ner Entscheidung zu Grunde legen kann, entfällt damit nichtzwangsläufig jede weitere Begutachtung. Allein auf derGrundlage eines bestimmten Krankheitsbildes lassen sich dieBetreuungsbedürftigkeit, deren Dauer und die Aufgaben-kreise nicht beurteilen. Insoweit sind ergänzend gutachtlicheFeststellungen erforderlich. Andererseits soll der Vormund-schaftsrichter nicht gehalten sein, ein weiteres Gutachten ein-zuholen, wenn er sich unter Ausschöpfung seiner Ermitt-

lungsmöglichkeiten eine Überzeugung von der Erforderlich-keit der Bestellung eines Betreuers auf anderem Wege bildenkonnte. In einem solchen Fall kann mit Einverständnis desBetroffenen oder durch den für ihn bestellten Verfahrenspfle-ger von einer Begutachtung durch einen Sachverständigeninsgesamt abgesehen werden.

Sofern die an und für sich notwendigen Tatsachenfeststellun-gen nicht durch Einholung eines schriftlichen Sachver-ständigengutachtens erfolgen, sondern durch Verwertungvon Gutachten, die in einem anderen Verfahren von einer Be-hörde oder einem Gericht eingeholt worden sind, bedarf esnicht eines förmlichen Beweisverfahrens nach § 15 FGG; dieFeststellung der Tatsachen und die Würdigung des Gutach-tens erfolgen gemäß § 12 FGG im Freibeweis. Die Zulassungdes Freibeweises begegnet keinen Bedenken und wird an-sonsten auch als zulässig angesehen, soweit es sich um einVerfahren mit fürsorgerischem Charakter handelt. Von Ver-fassungs wegen ist es nicht geboten, insbesondere zur Wah-rung des rechtlichen Gehörs nur das Strengbeweisverfahrenzuzulassen.

Bei besonders schutzwürdigen Sozialdaten – etwa, wenn sievon einer Person, die in § 203 Abs. 1 und 3 StGB aufgeführtist, zugänglich gemacht worden sind – soll entsprechend § 76SGB X grundsätzlich eine Übermittlungsbefugnis entfallen(§ 68b Abs. 1 Satz 4 FGG-E).

Mit Einverständnis des Betroffenen kann bei Vorliegen derVoraussetzungen des § 68 Abs. 1 Satz 2 FGG-E auf eine Be-gutachtung insgesamt verzichtet werden, wenn die Voraus-setzungen für die Bestellung eines Betreuers zweifellos vor-liegen. Auch in anderen Fällen, sogar in Verfahren der streiti-gen Gerichtsbarkeit, werden Erleichterungen zugelassen,wenn bereits formlose Ermittlungen bestimmte Tatsachenzweifelsfrei ergeben haben (vgl. BayObLG, NJW-RR 1996,583; 1992, 653).

ZuNummer 4 (§ 69d FGG)

Die verfahrensrechtlichen Erweiterungen in § 69d FGG-Esind Folgeänderungen mit Blick auf die vorgesehenen Rege-lungen zur Vertretungsbefugnis von Ehegatten, Lebenspart-nern, Eltern und Kindern im Rahmen der Gesundheitssorge.

ZuNummer 5 (§ 69g Abs. 1 Satz 2 FGG)

Es handelt sich um eine Ergänzung zu § 1908b Abs. 1BGB-E. Darin ist vorgesehen, dass ein wichtiger Grund fürdie Entlassung eines Betreuers auch dann gegeben ist, wenndieser vorsätzlich falsch abrechnet. Beantragt der Bezirksre-visor als Vertreter der Staatskasse die Entlassung des Betreu-ers aus diesem Grund, soll ihm gegen eine ablehnende Ent-scheidung des Vormundschaftsgerichts die Möglichkeit, Be-schwerde einzulegen, eingeräumt werden.

ZuNummer 6 (§ 69i FGG)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

ZuNummer 8 (§ 70 FGG)

§ 70 Abs. 2 Satz 2 FGG regelt die Abgabe von zivilrecht-lichen Unterbringungsverfahren ohne anhängige Betreuung,§ 70 Abs. 3 FGG diejenige von Unterbringungsverfahren bei

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anhängiger Betreuung (isolierte (Teil-) Abgabe allein des Be-treuungsverfahrens).

Durch die doppelte Verweisung in § 70 Abs. 2 Satz 2 auf§ 65a Abs. 1 Satz 1 FGG (und von dort auf § 46 Abs. 1 Satz 1,Abs. 2 FGG) kann bislang ein zivilrechtliches Unterbrin-gungsverfahren ohne anhängige Betreuung mit Zustimmungdes gesetzlichen Vertreters des Betroffenen, sofern ein sol-cher vorhanden ist, aus wichtigen Gründen an ein anderesVormundschaftsgericht abgegeben werden, wenn sich dieseszur Übernahme des Verfahrens bereit erklärt.

Dasselbe gilt bei Abgabe allein des Unterbringungsverfah-rens bei anhängiger Betreuung nach § 70 Abs. 3 Satz 1 FGG.Dies führt im Ergebnis dazu, dass nicht ohne weiteres eineAbgabe an das Gericht erfolgen kann, in dessen Bezirk dieUnterbringungsmaßnahme vollzogen werden kann. Dies er-scheint jedoch sinnvoll und gilt sowohl für den Fall der an-hängigen wie der noch nicht anhängigen Betreuung. Ist etwaeine Betreuung nicht anhängig und eine Unterbringungsmaß-nahme zu prüfen, die im Bezirk eines anderen Gerichts voll-zogen werden soll, in dem sich der Betroffene bereits aufhält,so erscheint die Möglichkeit, die Zuständigkeit dieses Ge-richts durch Abgabe zu begründen, sachgerecht. Nichts ande-res gilt in dem Fall der bereits anhängigen Betreuung; mandenke etwa an den Fall, dass ein Betroffener nach Anordnungder Betreuung ein weit von seinem bisherigen Wohnort ent-ferntes Heim bezieht und dort irgendwann eine unterbrin-gungsähnliche Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB erfor-derlich wird, ohne dass es zu einer Abgabe des gesamten Be-treuungsverfahrens nach § 65a FGG kommt (etwa wegen ambisherigen Wohnort erheblichen vom Betreuer zu verwalten-den Vermögens, weshalb es an den Voraussetzungen des§ 65a Abs. 1 Satz 2 FGG fehlt). Der Aufwand für das an sichzuständige Gericht, insbesondere für die Anhörung des Be-troffenen, ist in diesen Fällen häufig unverhältnismäßig. Diesist in der Praxis insbesondere bei der Verlängerung von Maß-nahmen relevant. Die Möglichkeit der Anhörung durch einenersuchten Richter genügt wegen der Einschränkungen des§ 68 Abs. 1 Satz 4 FGG nicht, um dieses Problem hinrei-chend zu entschärfen. Dabei mag es durchaus Fälle geben, indenen eine Abgabe dennoch nicht sinnvoll ist. Auf Grunddessen soll diese auch nicht zwingend erfolgen, sondern viel-mehr im Ermessen des abgebenden Gerichts stehen, wobeidavon ausgegangen werden kann, dass dieses hiervon einensachgerechten Gebrauch machen wird.

Das Erfordernis der Zustimmung des gesetzlichen Vertreters(§ 70 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 65a Abs. 1 Satz 1, § 46 Abs. 1Satz 1 FGG; § 70 Abs. 3 Satz 1 FGG) ist dabei zu beseitigen.Wird künftig die Abgabe an das Gericht des Aufenthaltsorts,in dem die Maßnahme vollzogen werden soll, generell mög-lich, lässt sich dieses Erfordernis nicht mehr rechtfertigen.Die bei Verweigerung der Zustimmung erforderliche Anru-fung des gemeinschaftlichen oberen Gerichtes stellt vielmehreine unangemessene Erschwerung des Abgabeverfahrensdar. Die Anhörung des gesetzlichen Vertreters ist demgegen-über ausreichend.

Zu Buchstabe a (§ 70 Abs. 2 Satz 2 FGG)Die Änderung beseitigt die bisherige Verweisung auf dieRegelungen zur Abgabe von Betreuungsverfahren in § 65aAbs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 FGG und damit das Erfordernisder Zustimmung des Betreuers. An die Stelle der in Bezug ge-

nommenen Regelungen des § 65a FGG tritt die Anwendungdes § 70 Abs. 3 Satz 1 FGG in seiner geänderten Fassung.

Zu Buchstabe b (§ 70 Abs. 3 Satz 1 FGG)

Durch die Neufassung wird die Beschränkung der Vorschriftauf die Fälle des Absatzes 2 Satz 1 (Unterbringungen bei be-reits anhängiger Betreuung) beseitigt und ihre Geltung aufalle zivilrechtlichen Unterbringungsverfahren erweitert, umdie in Absatz 2 Satz 2 gestrichene Verweisung auf § 65a FGGzu ersetzen. Um das Ziel zu erreichen, dass das Verfahrenüber die Unterbringungsmaßnahmen immer abgegeben wer-den kann, wenn sich der Betroffene im Bezirk eines anderenGerichts aufhält und diese dort vollzogen werden soll. Fernerentfällt die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters als Vor-aussetzung, weshalb die Verweisung auf § 46 Abs. 2 Satz 1FGG auf dessen erste Alternative zu beschränken ist.

ZuNummer 9 (§ 70o – neu – FGG)

Zugleich mit der Festlegung der Genehmigungsvoraussetzun-gen für die zwangsweise Zuführung zur ärztlichen Heilbe-handlung sind die Verfahrensgarantien für den Betreuten fest-zulegen (vgl. auch BGH, FamRZ 2001, 149). Zwar ist die Ge-nehmigung der Anwendung von Zwang durch den Betreuer inder Regel weniger einschneidend als die Genehmigung derUnterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB oder einer unterbrin-gungsähnlichen Maßnahme nach § 1906 Abs. 4 BGB; sie istaber gleichwohl mit einem Eingriff in die allgemeine Hand-lungsfreiheit des Betreuten verbunden. Deshalb müssen dieVerfahrensgarantien aus dem IV. Unterabschnitt des2. Abschnitts des FGG auch hier eingeräumt werden. Das ent-sprechende Verfahren muss so ausgestaltet sein, dass derRichtervorbehalt seinen Zweck erfüllen kann. Der Richter-vorbehalt dient hier der vorbeugenden Kontrolle der geplan-ten Maßnahmen für einen überschaubaren Zeitraum. Bevorein schwer wiegender Grundrechtseingriff erfolgt, soll derRichter überprüfen – gegebenenfalls bereits bei der Bestel-lung des Betreuers – ob die gesetzlichen Voraussetzungenvorliegen und insbesondere das Gebot der Verhältnismäßig-keit beachtet ist. Die vorbeugende richterliche Kontrolle bie-tet nur dann einen wirksamen Grundrechtsschutz, wenn derRichter die geplanten Maßnahmen sowie deren konkrete undgegenwärtige Voraussetzungen beurteilen kann. Absatz 1Satz 2 macht deutlich, dass vor der Anordnung der Entschei-dung ein Gutachten nach § 70e Abs. 1 Satz 1, 2 FGG einzuho-len ist. Absatz 2 schreibt den Inhalt der Entscheidung vor undbietet weiteren Schutz, hält aber gleichzeitig das Verfahrenpraktikabel: Das Gericht kann nach der Notwendigkeit derHeilbehandlung, die sich aus dem Gutachten ergibt, im Vor-griff etwaige Zwangsmaßnahmen genehmigen. Die Behand-lung und deren Behandlungsabfolge (z. B. alle zwei Wochen)muss sich dabei aus dem Genehmigungsbeschluss ergeben.Der Beschluss darf sich nicht auf einen längeren Zeitraum alssechs Monate, in schweren Fällen ein Jahr beziehen. Bei derDurchführung des Beschlusses stehen dem Betreuer die Mög-lichkeiten des § 70g Abs. 5 FGG zur Verfügung.

ZuArtikel 7 (Artikel 229 § 10 – neu – EGBGB)Das neue Vergütungs- und Aufwendungsersatzrecht für Be-rufsbetreuer soll für die vergütungsrelevanten Zeiträume ab1. Januar 2005 gelten.

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Drucksache 15/2494 – 44 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

ZuArtikel 8 (§ 8 Abs. 2 LPartG)Die neu eingefügten Vorschriften hinsichtlich der gesetz-lichen Vertretungsmacht für Ehegatten werden durch die Än-derung des § 8 Abs. 2 LPartG auch auf Lebenspartner er-streckt.

ZuArtikel 9 (Änderung des Betreuungsbehördenge-setzes)

ZuNummer 1 (§ 4 BtBG)

Den Betreuungsbehörden obliegt bereits nach geltendemRecht die Beratung (§ 4 BtBG) der Betreuer. Sie wird nun-mehr entsprechend den Regelungen bei den Betreuungsver-einen auch auf die Bevollmächtigten und gesetzlichen Ver-treter nach den §§ 1358, 1358a, 1618b BGB-E, § 8 LPartG-Eerstreckt. Die Neufassung stellt zudem klar, dass sich die Be-rufsbetreuer auch wegen der Betreuungsplanung an die Be-treuungsbehörde wenden können.

ZuNummer 2 (§ 6 BtBG)

Zu Absatz 1

Der bisherige § 6 BtBG wird in dem neuen Absatz 1 wieder-gegeben.

Zu Absatz 2

Der neue Absatz 2 ist § 59 SGB VIII nachgebildet und bein-haltet die Regelungen zur Beglaubigungsfunktion der Be-treuungsbehörde. Unter rechtlichen Gesichtspunkten ist fest-zuhalten, dass eine Vorsorgevollmacht grundsätzlich nichtformbedürftig ist, § 167 Abs. 2 BGB, abgesehen von den Fäl-len von § 1904 Abs. 2 und § 1906 Abs. 5 Satz 1 BGB, dieSchriftform verlangen. Zur Wahrung der Schriftform ist da-nach eine Beglaubigung der Unterschrift zwar nicht erforder-lich. Etwas anderes gilt aber für Handzeichen, deren sich eineschreibunkundige oder sonst am Schreiben verhinderte Per-son an Stelle einer Namensunterschrift bedient. In diesemFall bedarf es – zur Wahrung der Form – der notariellen Be-glaubigung des Handzeichens (§ 126 Abs. 1 Halbsatz 2BGB). Die notarielle Beglaubigung ist eine öffentliche Be-glaubigung (§ 129 BGB). Die Beglaubigung durch eine Be-hörde ist eine amtliche Beglaubigung und von der öffent-lichen Beglaubigung, die durch eine Urkundsperson erfolgt,zu unterscheiden. Um die Rechtswirkungen einer öffent-lichen Beglaubigung zu erreichen, bedarf es einer (neuen)Urkundsperson. Diese soll mit § 6 Abs. 2 BtBG-E geschaf-fen werden.

Die Kompetenz des Bundes für die Einführung einer Beglau-bigungsbefugnis und einer Gebührenregelung folgt aus Arti-kel 84 Abs. 1 GG. Danach kann der Bund den Ländern durchBundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates die Einrich-tung der Behörden und das Verwaltungsverfahren vorschrei-ben, wenn es um den Vollzug von Bundesgesetzen geht (vgl.Sachs/Dittmann, GG, 2. Auflage, Artikel 84, Rn. 7, 11).Diese Voraussetzungen treffen auf die jetzigen Regelungen(Umsetzung von § 1904 Abs. 2 und § 1906 Abs. 5 BGB) zu.

Im Verhältnis zu den notariellen Beglaubigungen nach den§§ 126 und 129 BGB handelt es sich bei der Beglaubigungs-befugnis der Betreuungsbehörde um einen eigenständigenFormtatbestand einer öffentlichen Beglaubigung für die

dort angegebenen Zwecke (Ausnahmeregelung). Er geht denRegeln des Allgemeinen Teils des BGB vor und verhindertden Rückgriff auf diese. Das wird durch die ausdrücklicheAnordnung deutlich, dass die Zuständigkeit der Notare fürBeglaubigungen unberührt bleibt.

Als ausdrückliche Spezialregelung zu den allgemeinen Be-stimmungen der §§ 126 und 129 BGB kommt ihr auch dieBeweis- und Vermutungswirkung der §§ 416 und 440 Abs. 2ZPO zu.

Zu den Absätzen 3 und 4

Die Absätze 3 und 4 dienen dazu, die Qualität der Tätigkeitder Behörden sicherzustellen sowie Interessenkollisionenzu vermeiden und korrespondieren mit § 59 Abs. 2 und 3SGB VIII.

Zu Absatz 5

§ 6 Abs. 5 BtBG-E regelt die zu erhebenden Gebühren. Siewerden auf 10 Euro begrenzt und unterscheiden sich somitvon denen der Notare. Mit der Pauschale soll ein Ausgleichzwischen den Interessen der Betreuungsbehörden an einemAusgleich ihres Aufwands und dem Ziel der weiteren Ver-breitung von Vorsorgevollmachten erreicht werden.

Notare erhalten für Beglaubigungen nach den §§ 141, 45Abs. 1, §§ 41, 32, 33, 151a KostO eine Gebühr von 10 bis130 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Höhe berechnetsich nach dem Geschäftswert. Zu Grunde gelegt wird nach§ 45 Abs. 1 Satz 2, § 41 KostO der Geschäftswert der Voll-macht. Dieser bestimmt sich bei Vollmachten zum Abschlusseines genau konkretisierten Geschäfts nach dem Wert diesesGeschäftes (§ 41 Abs. 1 KostO); bei allgemeinen Vollmach-ten wird der Wert nach freiem Ermessen bestimmt, wobei derUmfang der Ermächtigung und das Vermögen des Voll-machtgebers zu berücksichtigen sind (§ 41 Abs. 2 KostO).Die Gebühren der Notare sind also vom Einzelfall abhängigund können höher sein als die für Beglaubigungen der Be-treuungsbehörde vorgesehene Pauschalgebühr von 10 Euro.

Satz 2 sieht die Möglichkeit vor, ohne (übermäßigen) büro-kratischen Aufwand von der Erhebung der Gebühr in Ein-zelfällen abzusehen. Für die notarielle Tätigkeit gilt § 17Abs. 2 BNotO, der die Vorschriften über die Prozesskosten-hilfe in der Zivilprozessordnung für entsprechend anwend-bar erklärt. Eine entsprechende Regelung für die Betreu-ungsbehörden wäre angesichts der geringen Höhe der Be-glaubigungsgebühr einerseits und der relativ kompliziertenVorschriften zum Prozesskostenhilfeverfahren andererseitsnicht sinnvoll.

Zu Absatz 6

Durch die in Absatz 6 enthaltene Öffnungsklausel soll denBundesländern die Möglichkeit gegeben werden, Besonder-heiten in landesrechtlichen Regelungen berücksichtigen zukönnen.

ZuNummer 3 Buchstabe b (§ 8 BtBG)

Die Betreuungsbehörde, die vom Vormundschaftsgerichtaufgefordert wurde, eine Person vorzuschlagen, die sich imEinzelfall zum Betreuer eignet, soll auch den Umstand auf-klären, wie viele Betreuungen bereits berufsmäßig geführtwerden.

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 45 – Drucksache 15/2494

ZuArtikel 10 (§ 74a – neu –, § 76 Abs. 2 Nr. 2SGB X)

ZuNummer 1 (Änderung der Inhaltsübersicht)

In der Inhaltsübersicht muss die neue Regelung des § 74aSGB X-E eingestellt werden.

ZuNummer 2 (§ 74a SGB X)

Die Vorschrift ermöglicht die Übermittlung von Gutachtenund gutachtlichen Stellungnahmen. Es handelt sich um eineVerpflichtungsnorm, wonach dem Vormundschaftsgerichtauf entsprechende Anforderung bereits vorhandene Gutach-ten und gutachtliche Stellungnahmen zu den in dem Gesetzgenannten Zwecken der Bestellung eines Betreuers oder derErweiterung des Aufgabenkreises eines Betreuers zu über-mitteln sind.

ZuNummer 3 (§ 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X)

Es handelt sich um eine Folgeänderung.

ZuArtikel 11 (Inkrafttreten)Artikel 11 regelt das Inkrafttreten des beantragten Gesetzes.Grundsätzlich soll das vorgeschlagene Gesetz so schnell wiemöglich, also am Tag nach seiner Verkündung in Kraft treten.

Allerdings ist eine Ausnahme erforderlich:

Das neue Vergütungssystem sollte möglichst an einem 1. Ja-nuar in Kraft treten, damit durch einen klaren Schnitt die Um-stellungsarbeit erleichtert wird. Auch ist für die Praxis einausreichender Vorlauf erforderlich. Der in Absatz 2 vorge-schlagene Zeitpunkt am 1. Januar 2005 wird diesen Anforde-rungen gerecht.

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Drucksache 15/2494 – 46 – Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode

Anlage 2

Stellungnahme der Bundesregierung

Die Bundesregierung begrüßt die Zielrichtung des Entwurfs,die vorhandenen Instrumente zur Betreuungsvermeidung,insbesondere die Vorsorgevollmacht, zu stärken. Ebensowird die angestrebte Entbürokratisierung des Betreuungswe-sens begrüßt, bei der vor allem die Pauschalierung der Vergü-tung und des Aufwendungsersatzes der Berufsbetreuer alsein geeignetes Mittel erscheint.

Gegen einzelne Vorschläge des Gesetzentwurfs hat die Bun-desregierung grundsätzliche Bedenken. Das betrifft die Ein-führung einer gesetzlichen Vertretungsmacht für Ehegattenund Lebenspartner im Bereich der Vermögenssorge sowie diegerichtliche Genehmigung bei der zwangsweisen Zuführungzur ärztlichen Heilbehandlung. Bedenken bestehen auch in-soweit, als der Entwurf vorsieht, die Einholung eines eigenenGutachtens über die Betreuungsbedürftigkeit in das Ermes-sen des Vormundschaftsgerichts zu stellen und stattdessen inanderen behördlichen oder gerichtlichen Verfahren erstellteGutachten zu verwerten.

ZuArtikel 1 Nr. 1 Buchstabe a, Nr. 2, Artikel 8(§ 1358 BGB – neu –, § 8 Abs. 2 LPartG)Die Bundesregierung lehnt die Vorschläge zur Einführungeiner gesetzlichen Vertretungsmacht für Ehegatten und Le-benspartner im Bereich der Vermögenssorge ab.

Es ist bereits zweifelhaft, ob durch eine von Gesetzes wegeneintretende Vertretungsmacht in diesem Bereich Betreuungs-verfahren in nennenswertem Umfang vermieden werdenkönnen. Im Jahr 2000 waren lediglich 13,4 % der Betreutenverheiratet oder lebten in einer eheähnlichen Beziehung (Sel-lin/Engels, Qualität, Aufgabenverteilung und Verfahrensauf-wand bei rechtlicher Betreuung, Köln 2003, S. 54). Zu einemähnlichen Ergebnis kommt der Zwischenbericht einer vondem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen undJugend geförderten Studie zur Lebenslage älterer Menschenmit rechtlicher Betreuung: Hier waren etwa 16 % aller Be-treuten verheiratet. Hinzu kommt, dass gerade Ehegattenhäufig bereits nur über ein gemeinsames Konto verfügenoder sich gegenseitig bevollmächtigt haben, so dass die vor-geschlagen gesetzliche Vollmacht in diesen Fällen auch nochins Leere liefe.

Tatsächlich dürfte sich der Anwendungsbereich der gesetz-lichen Vertretungsmacht in der Praxis auf einen noch sehrviel geringeren Anteil der Bevölkerung erstrecken. Mit dervorgeschlagenen Vertretungsmacht werden nicht sämtlichevermögensrechtlichen Bereiche des täglichen Lebens abge-deckt. Das ist infolge der nicht zu unterschätzenden Miss-brauchsgefahr auch grundsätzlich richtig. Die Beschränkungführt aber dazu, dass, soweit erforderlich, in den nicht erfass-ten Bereichen doch wieder Betreuerinnen oder Betreuer be-stellt werden müssen. So dürfte der vertretende Ehegatte vombargeldlosen Zahlungsverkehr, der heute in vielen Bereichenselbstverständlich ist, wegen der bei jeder Geldabhebung ab-zugebenden schriftlichen Erklärungen ausgeschlossen sein.Ob die Vertretungsmacht zur Änderung von Daueraufträgen,

die der verhinderte Ehegatte eingerichtet hat, überhaupt aus-reicht, erscheint fraglich. Über den Zahlungsverkehr hinausdeckt die durch den Gesetzentwurf vorgesehene gesetzlicheVertretungsmacht nach Auffassung der Bundesregierung ins-besondere nicht die weitere Verwendung von abgehobenemGeld als Zahlungsmittel ab, womit der hinter der vorgeschla-genen Regelung stehende Vertretungszweck in einem zentra-len Punkt nicht erreicht wird. Auch ist die Zweckbindung derVerwendung entgegengenommener Leistungen für den ver-hinderten Ehegatten im Gesetzeswortlaut nicht sicher ge-stellt, womit die Missbrauchsgefahr gesteigert wird.

Ist der verhinderte Ehegatte Mieter, so wird schon deshalb dieBestellung eines Betreuers erforderlich sein, weil der vertre-tende Ehegatte sich weder über Mieterhöhungsverlangennoch über die jährlichen Betriebskostenabrechnungen desVermieters wirksam erklären kann. Da in beiden Fällen durchden Zugang der Erklärungen Rechtsfolgen ausgelöst werden,ist eine wirksame Vertretung des verhinderten Ehegatten er-forderlich. Widersprüchlich ist in diesem Zusammenhangauch, dass der vertretende Ehegatte für den verhinderten Ehe-gatten zwar einen Heimvertrag abschließen kann, die Anmie-tung einer behindertengerechten Wohnung, in der die Ehe-gatten zusammen wohnen könnten, aber nicht von der Vertre-tungsmacht umfasst wird. Im Hinblick auf die vorgeseheneVertretungsmacht beim Abschluss eines Heimvertrags undder Wahrnehmung der Rechte und Pflichten aus diesem siehtdie Bundesregierung außerdem die Gefahr, dass die erst imJahr 2002 aufgenommene differenzierte Regelung des § 5Abs. 12 HeimG unterlaufen wird.

Schließlich lassen sich die Vorschläge für eine gesetzlicheVertretungsmacht im Bereich der Vermögenssorge nurschwer mit den Grundsätzen der vom Bürgerlichen Gesetz-buch vorgesehenen Güterstände vereinbaren. Im gesetz-lichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird das je-weilige Vermögen der Ehegatten mit der Eheschließung nichtgemeinschaftliches Vermögen, § 1363 Abs. 2 Satz 1 BGB.Jeder Ehegatte verwaltet grundsätzlich sein Vermögen selb-ständig, § 1364 BGB. Gleiches gilt für Lebenspartner, dieden Vermögensstand der Ausgleichsgemeinschaft gewählthaben, § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 LPartG. Der selbständigenVerwaltung entspricht es, dass jeder Ehegatte selbst bestim-men kann, ob und wem er Vollmacht zu seiner Vertretung inVermögensangelegenheiten erteilt. Demgegenüber wird in§ 1358 Abs. 3 BGB des Entwurfs letztlich das Bestehen einerentsprechenden Vollmacht unter den dort genannten Voraus-setzungen fingiert. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Vertre-tung dem mutmaßlichen Willen des verhinderten Ehegattenentspricht. Ob dies aber immer so zutrifft, erscheint zweifel-haft, da es dem verhinderten Ehegatten ohne weiteres freige-standen hätte, eine entsprechende Vollmacht zu erteilen. Auseinem solchen Unterlassen könnte im Gegensatz zu dem Ent-wurf ebenso gut der Schluss gezogen werden, dass der ver-hinderte Ehegatte eben gerade keine Vertretung wünschte.Diese Überlegungen gelten erst recht für die vereinbarteGütertrennung; bei der Gütergemeinschaft bestehen Sonder-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 47 – Drucksache 15/2494

regelungen zum Notverwaltungsrecht bei Krankheit einesEhegatten, vgl. §§ 1429 und 1454 BGB.Die Bundesregierung hält deshalb bei der Vermögenssorgeeine privatautonome Vorsorge durch umfassende Vorsorge-oder zumindest Kontovollmachten für geeigneter, überflüs-sige Betreuungen zu vermeiden.

Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe b und c, Nr. 2 und 3,Artikel 8(§§ 1358a, 1618b BGB – neu –; § 8 Abs. 2 LPartG)Dem Vorschlag, eine Vertretung des verhinderten Ehegattenoder Lebenspartners durch seinen Ehegatten oder Lebens-partner oder nachrangig zu diesen durch Eltern und Kinderim Bereich der Gesundheitssorge gesetzlich zu ermöglichen,tritt die Bundesregierung nicht entgegen, wobei über Einzel-heiten der gesetzlichen Regelungen im weiteren Gesetzge-bungsverfahren noch zu diskutieren sein wird. Die Bundesre-gierung teilt die Ansicht, dass in diesem Bereich in weitenTeilen der Bevölkerung die Auffassung vorherrscht, dienächsten Angehörigen seien zur wirksamen Abgabe von ent-sprechenden Erklärungen berechtigt. Eine gesetzliche Ver-tretungsmacht könnte hier durchaus betreuungsvermeidendeWirkung haben. Denn bereits heute werden überwiegend diePersonen als Betreuer bestellt, die von den §§ 1358a, 1618bBGB-E erfasst werden sollen. 81 % der Betreuer und Betreu-erinnen stammten im Jahr 2000 aus dem den Betreuten nahe-stehenden Personenkreis (Sellin/Engels, a. a. O., S. 62). Zu-dem sind nach dem Zwischenbericht der von dem Bundes-ministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend ge-förderten Studie 55 % der Betreuerinnen und BetreuerAngehörige.

Zu Artikel 1 Nr. 1 Buchstabe d und Nr. 11, Artikel 6Nr. 7 und 9(§ 1906a BGB – neu –, § 70o FGG – neu –)Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag, die zwangs-weise Vorführung zur ambulanten ärztlichen Heilbehandlungdes Betreuten durch den Betreuer aufgrund einer pauschalenGenehmigung des Vormundschaftsgerichts im Vorhinein zuermöglichen, nicht zu.Es bestehen bereits hinsichtlich der Notwendigkeit der Rege-lung Bedenken. Einem erfahrenen Betreuer wird es möglichsein, durch gezielte Einwirkung auf den Betroffenen dafür zusorgen, dass er sich rechtzeitig ärztlich behandeln lässt. Diezwangsweise Vorführung des Betreuten durch mehrere Poli-zeivollzugskräfte zur ambulanten Behandlung dürfte prak-tisch wohl nicht durchgeführt werden. Zudem ist zu erwar-ten, dass eine Regelung in diesem Bereich die Forderungnach weiteren Zwangsbefugnissen von Betreuern z. B. zumBetreten der Wohnung des Betreuten aufkommen lässt.Auch ist der Vorschlag verfassungsrechtlich bedenklich. Diezwangsweise Medikation bzw. Heilbehandlung einer Personstellt einen Eingriff in das Recht auf körperliche Unversehrt-heit sowie in das Recht auf Freiheit der Person im Sinne vonArtikel 2 Abs. 2 Satz 1 und 2 GG dar. Dieser Eingriff ist sehrschwer wiegend, wenn man bedenkt, dass es hier nicht umdie Behandlung eines akuten Krankheitsschubes geht unddass die Behandlung die private Lebensgestaltung des Pati-enten betrifft. Bei schwer wiegenden Grundrechtseingriffen,die infolge ihrer sofortigen Vollziehung irreparabel sind, be-

steht ein gesetzlicher Richtervorbehalt. Bei dem vorliegen-den Regelungsentwurf ist zwar vorgesehen, dass die Geneh-migung durch das Vormundschaftsgericht ausgesprochenwird, dies aber – wie sich aus der Begründung ergibt – pau-schal und im Vorhinein. Ob dies den Voraussetzungen einesgrundrechtlich gebotenen Richtervorbehalts genügt, er-scheint zweifelhaft. Durch eine pauschal im Vorhinein er-teilte richterliche Genehmigung besteht die Gefahr, dass derRichtervorbehalt im Gegenteil faktisch ausgehöhlt wird.Sinn und Zweck des Richtervorbehalts ist, dass sich bei be-sonders relevanten Grundrechtseingriffen der Richter davonüberzeugt, dass die Voraussetzungen – insbesondere die Er-forderlichkeit und die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne– für den beantragten Grundrechtseingriff im Zeitpunkt derEntscheidung vorliegen. Die Tatsache der pauschalen Ge-nehmigung im Vorhinein verhindert jedoch gerade, dass derRichter sich im jeweiligen Zeitpunkt der konkreten Durch-führung der Zwangsmedikation nochmals Gedanken über dietatsächliche Erforderlichkeit der zwangsweisen Durchfüh-rung der Maßnahme macht. Diese Entscheidung wird viel-mehr auf den Betreuer übertragen, der weder Organ derRechtspflege noch überhaupt staatlicher Hoheitsträger ist.

ZuArtikel 1 Nr. 14 Buchstabe c(§ 1908f Abs. 4 BGB – neu –)Die Bundesregierung unterstützt das Anliegen, die individu-elle Rechtsberatung durch Betreuungsvereine zu stärken. Sieschlägt jedoch vor, eine Regelung über eine Befugnis zur in-dividuellen Rechtsberatung bei der Erstellung von Vorsorge-vollmachten (§ 1908f Abs. 4 BGB-E) nicht durch das Betreu-ungsrechtsänderungsgesetz, sondern im Rahmen der Reformdes Rechtsberatungsgesetzes vorzunehmen. Das Rechtsbera-tungsgesetz soll in dieser Legislaturperiode an die gesell-schaftlichen Bedürfnisse angepasst werden. Einen Schwer-punkt der Reformarbeiten bildet der Bereich der so genann-ten altruistischen Rechtsberatung, der u. a. die unentgeltlicheRechtsberatung durch Verbände im sozialen Bereich betrifft.Die Rechtsberatung durch Betreuungsvereine stellt einenkleinen Ausschnitt dieser Fallgruppe dar. Ein Regelungskon-zept für die Fallgruppe ist noch nicht erarbeitet worden. Vor-aussetzungen – in der Begründung des Bundesrates wird dieFrage der Qualifikation der Mitarbeiter angesprochen – undGrenzen der Rechtsberatung sollten für alle Unter-Fallgrup-pen grundsätzlich einheitlich geregelt werden. WeitererÜberlegungen und Prüfungen bedarf die Frage, ob und gege-benenfalls unter welchen Umständen Verbände in dem ge-nannten Bereich auch entgeltlich sollen tätig werden können.

ZuArtikel 1 Nr. 1 Buchstabe f und Nr. 18(§§ 1908l bis 1908o BGB – neu –)Die Bundesregierung akzeptiert, dass eine Pauschalierungder Vergütung und der Aufwandsentschädigung der Berufs-betreuer eingeführt werden sollen. Sie können zur Entbüro-kratisierung des Betreuungsverfahren führen, indem die Be-rufsbetreuer nicht mehr gezwungen sind, jede vergütungsfä-hige Minute und jeden gefahrenen Kilometer gegenüber demVormundschaftsgericht nachzuweisen. Auch bei den Vor-mundschaftsgerichten können die Arbeitsabläufe durch diePauschalierung gestrafft und die Rechtspflegerinnen undRechtspfleger für Tätigkeiten eingesetzt werden, die den Be-treuten konkret zugute kommen.

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In redaktioneller Hinsicht sollte geprüft werden, ob die Rege-lungen über die Vergütung der Berufsbetreuer in Bezug aufihren Standort nicht stärker konzentriert werden können.Derzeit wird deren Vergütung sowohl im Betreuungsrecht(§ 1908i Abs. 1 BGB), im Vormundschaftsrecht (§§ 1835 f.BGB) als auch im Berufsvormündervergütungsgesetz gere-gelt. Künftig käme mit den §§ 1908l bis 1908o BGB-E einvierter Standort hinzu. Die Bundesregierung wird aus diesemGrund im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens ei-nen eigenen Vorschlag unterbreiten.

ZuArtikel 2 (§ 11 Abs. 7 MRRG – neu –)Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag nicht zu. EineRegelung des hier in Rede stehenden Tatbestandes im MRRGwäre aus systematischen Gründen verfehlt. Als Standort füreine entsprechende Regelung kommt ausschließlich das Lan-desmelderecht in Betracht.

ZuArtikel 3 (§ 6 PassG)Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag, bei der Bean-tragung eines Passes die Vertretung durch einen Bevollmäch-tigten zuzulassen, nicht zu. Der Ausschluss der gewillkürtenStellvertretung im Passantragsverfahren dient dem Schutzvor dem Missbrauch eines Passes als öffentliche Urkundeund Dokument. Diese Schutzfunktion könnte durch die Zu-lassung der Vertretung durch Bevollmächtigte umgangenwerden. Das wird auch nicht dadurch verbessert, dass dieVertretung nur für den Fall der Betreuungsbedürftigkeit zu-gelassen wird.

ZuArtikel 5 (§ 51 Abs. 1 ZPO)Die Bundesregierung begrüßt das mit dem Vorschlag ver-folgte Ziel, die Vorsorgevollmacht dadurch zu stärken, dassein Prozessunfähiger, der vorsorglich eine Vollmacht auch zuseiner gerichtlichen Vertretung erteilt hat, unmittelbar durcheinen Bevollmächtigten vertreten werden kann.

Die vorgeschlagene Änderung des § 51 Abs. 1 ZPO hätte je-doch weitreichende Auswirkungen auf die Vertretungsmög-lichkeiten natürlicher und juristischer Personen vor Gericht,die weit über das Betreuungsrecht hinausgehen; der Kreis dermöglichen Prozessvertreter würde dadurch in nicht wün-schenswertem Maß erweitert. Die Bundesregierung wird imweiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens einen Vor-schlag machen, der das angestrebte Ziel ohne diese weitrei-chenden Folgen erreicht.

ZuArtikel 6 Nr. 1 und 8 (§§ 65a, 70 FGG)Die Bundesregierung stimmt diesen Vorschlägen, die demZiel der Erleichterung der Abgabe von Betreuungs- bzw. Un-terbringungsverfahren dienen sollen, nicht zu.

Der Vorschlag behandelt ein Problem der Ausgestaltung derAbgabe eines gerichtlichen Verfahrens und damit primär einProblem des Allgemeinen Teils des Gesetzes über die Ange-legenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG). Noch inder laufenden Legislaturperiode ist eine Reform der freiwilli-gen Gerichtsbarkeit in Aussicht genommen, so dass eine vor-herige isolierte Regelung für das Betreuungsrecht nicht sinn-voll erscheint.

Sachlich enthält der Vorschlag zwei (maßgebliche) Änderun-gen mit Blick auf das geltende Recht (Fortfall des Zustim-mungserfordernisses des Betreuers, nähere Ausgestaltungdes Begriffs „gewöhnlicher Aufenthalt“).Dass für die beabsichtigte Regelung – außerhalb des Reform-vorhabens – ein akuter Handlungsbedarf besteht, ist wederaus der Begründung des Vorschlags noch sonst ersichtlich.Die herangezogene Entscheidung trägt die Änderung nicht.Bei gleichem Sachverhalt dürfte auch die vorgeschlageneRegelung, die an einen Aufenthalt „von mehr als einem Jahran einem anderen Ort“ anknüpft, nicht (zwingend) zu einemanderen Ergebnis führen, da die Jahresfrist im Zeitpunkt derEntscheidung nicht verstrichen war. Die genannte Vorausset-zung wäre – fallbezogen – nur vor dem Hintergrund einer„gutachterlichen Äußerung“ und „Einschätzung“ erfüllt ge-wesen.Dem Vorschlag sollte schließlich aus rechtssystematischenErwägungen nicht gefolgt werden, da durch eine Änderungim Verhältnis zu Vormundschafts-, Pflegschafts- sowie ande-ren Verfahren eine „Schieflage“ durch eine unterschiedlicheBehandlung entstünde, für die es an einer Rechtfertigungfehlt.

Artikel 6 Nr. 3 und 6, Artikel 10(§ 68b Abs. 1 Satz 2 bis 5, § 69i FGG; §§ 74a – neu –,76 Abs. 2 Nr. 2 SGBX)Die Bundesregierung stimmt dem Vorschlag nicht zu.Durch § 68b Abs.1 Satz 2 bis 5 FGG-E sollen Verfahren zurBestellung eines Betreuers vereinfacht und verkürzt werden,indem ein zu diesem Zweck zu erstellendes Sachver-ständigengutachten über die Betreuungsbedürftigkeit desBetroffenen durch in anderen Verfahren bereits erstellte Gut-achten ersetzt werden bzw. der Betroffene auf ein Gutachtenverzichten kann.Gegen diese Verfahrensweise bestehen datenschutzrechtli-che Bedenken, insbesondere im Hinblick auf die Verhältnis-mäßigkeit eines solchen Verfahrens.Es stellt sich bereits die Frage, ob die Heranziehung von au-ßerhalb des Betreuungsverfahrens erstellten Gutachten ge-eignet ist, das Ziel des Entwurfs, wiederholte Begutachtun-gen zu vermeiden, zu erreichen. Es kann nicht vorausgesetztwerden, dass die Vormundschaftsgerichte ohne sachver-ständige Unterstützung in der Lage sind, die auf einen ande-ren Sachverhalt bezogenen Feststellungen auf die im Betreu-ungsverfahren relevanten Fragen zu übertragen. Die für dasVormundschaftsgericht bei der Prüfung der Bestellung einesBetreuers maßgebliche Frage, ob die psychische Krankheitoder die körperliche, geistige oder seelische BehinderungAuswirkungen darauf hat, dass der oder die Betroffene die ei-genen Angelegenheiten rechtlich nicht mehr besorgen kann,wird in Gutachten, die im Rahmen von Verfahren zur Gewäh-rung von Sozialleistungen erstellt worden sind, regelmäßignicht ausdrücklich beantwortet werden. Denn die Feststel-lungen in diesen Verfahren sind zweckgerichtet auf die Ge-währung der jeweiligen Sozialleistung hin getroffen worden.So sind zum Beispiel die Voraussetzungen der „Pflege-bedürftigkeit“ und die der „Betreuung“ voneinander zu un-terscheiden und das Bestehen des einen lässt nicht notwendi-gerweise auf das des anderen schließen. Mit der Regelungwerden jedoch alle Sozialleistungsträger sowie der Medizini-

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Deutscher Bundestag – 15. Wahlperiode – 49 – Drucksache 15/2494

sche Dienst verpflichtet, auf Verlangen eines Gerichts in Ver-fahren zur Feststellung der Betreuungsbedürftigkeit, medi-zinische Gutachten und gutachtliche Stellungnahmen ein-schließlich der darin enthaltenen Sozialdaten zu übermitteln(§ 68b Abs.1 Satz 3, § 69i Abs.1 Satz 2 erster HalbsatzFGG-E; § 74a SGB X-E).

Auch bestehen Zweifel an der Erforderlichkeit des Verfah-rens.

Der durch die ärztliche Schweigepflicht gewährte Schutzwird durch die Regelung des § 76 Abs. 2 Nr. 2 SGB X-E auf-gehoben. Es kann jedoch nicht ohne weiteres davon ausge-gangen werden, dass der Betroffene, der sich für die Gewäh-rung von Sozialleistungen hat begutachten lassen und damiteinverstanden war, dass zu diesem Zweck bei seinem ArztDaten erhoben werden, auch damit einverstanden ist, dassdiese – sensiblen – Daten nun für ein Betreuungsverfahrenverwendet werden.

Schließlich dürfte der Eingriff in das Grundrecht auf infor-mationelle Selbstbestimmung nicht mit der Erleichterung desbetreuungsrechtlichen Verfahrens zu rechtfertigen sein.

Die vorgesehene Regelung ist auch aus systematischen Grün-den verfehlt, weil die Normen des Sozialdatenschutzes Be-fugnisnormen sind und keine Verpflichtungen beinhalten.Richtiger Standort könnte allenfalls § 71 Abs. 1 SGB X sein,der Übermittlungen für die Erfüllung besonderer gesetzlicherPflichten und Mitteilungsbefugnisse – als Befugnisnorm kor-

respondierend zu der jeweiligen Verpflichtungsnorm (hier:§ 68b Abs. 1 Satz 3 FGG-E) – regelt.

Sprachlich bedarf es einer Anpassung des § 68b Abs. 1 Satz 2FGG-E an den (fortgeltenden) § 68b Abs.1 Satz 4 FGG, wo-nach der Sachverständige den Betroffenen vor Erstattung desGutachtens persönlich zu untersuchen oder zu befragen hat.

ZuArtikel 9 Nr. 2 (§ 6 Abs. 2 bis 6 BtBG – neu –)Zu diesem Vorschlag nimmt die Bundesregierung wie folgtStellung:

Die zu der Regelung insbesondere von der Bundesnotarkam-mer vorgebrachten Bedenken gegen die Schaffung einer wei-teren Urkundsperson für die Beglaubigung von Handzeichenund Unterschriften auf Vorsorgevollmachten und Betreu-ungsverfügungen sind unter rechtssystematischen Aspektenbeachtenswert. Die Entwurfsregelung erklärt sich vor demHintergrund des Schriftformerfordernisses in den Fällen der§ 1904 Abs. 2, § 1906 Abs. 5 Satz 1 BGB, sofern sich eineschreibunkundige oder anderweitig am Schreiben gehindertePerson statt der Namensunterschrift eines Handzeichens be-dient (§§ 126,129 BGB). Auch muss im Lichte der auf dieLänder zukommenden Kostenlawine über Alternativen zurVermeidung von Betreuungsverfahren verstärkt nachgedachtwerden. Im Rahmen einer solchen Prüfung müssen auch bis-her eingenommene Grundpositionen in Frage gestellt odermodifiziert werden. Im weiteren Gesetzgebungsverfahrenwird zu der Problematik endgültig Position bezogen werden.

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