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24 GLASWELT | 09.2012 | www.glaswelt.de GLAS ISOLIERGLAS 3-FACH-ISO ALS DACHVERGLASUNG So klappt es Gerade beim Einbau für Loggien, Wintergärten und Überdachungen unterliegen die eingesetzten 3-fach-Isoliergläser hohen Anforderungen bzw. Belastungen. Dr. Frank Ensslen und Joachim Verne von Semcoglas geben Tipps für die Bemessung und Herstellung solcher Verglasungen. _ Eine unsachgemäße Dimensionie- rung kann bei 3-fach-ISO schnell zu Glasbruch führen. Diese Bruchgefahr lässt sich ei- gentlich leicht minimieren – wird sie aber häufig nicht. Denn leider werden die Unterschiede zwi- schen einem 2-fach- und einem 3-fach-ISO oft falsch eingeschätzt. Und allgemeine Empfehlun- gen (u. a. vom Bundesverband Flachglas) werden in der Praxis häufig außer Acht gelassen. Gerade die klimatisch bedingte Last (kurz: Klima- last) hat infolge von Temperatur- und Druckän- derungen bei großen Scheibenzwischenräumen (SZR) ≥ 2 x 12 mm große Auswirkungen und ist für die Standsicherheit der Verglasung ein maß- geblicher Faktor. Die Klimalast kann bei großen Gasvolumina – je nach Einwirkungskombination, -grad sowie Scheibenaufbau und -format – leicht Werte von ungefähr 10 kN/m² (= 1000 kg/m²) und mehr annehmen. Im Vergleich dazu: Die im Flachland übliche Annahme für die Windlast be- trägt gerade einmal ca. 1 kN/m² (= 100 kg/m²). Dabei muss die Klimabeanspruchung im SZR als flächenförmige, „unsichtbare“ innere Druck- last neben den anderen auf das Isolierglassys- tem wirkenden Kräften dauerhaft (ca. 25 Jah- re) über Einzelglasscheiben und den Isolierglas- Randverbund aufgenommen werden. Nach der neuen Bemessungsnorm für Glas im Bauwesen (DIN 18008-2) ist sie für den statischen Nachweis bei möglichen Luftdruckunterschieden zwischen Produktionsort und Einbauort sogar als ständige Einwirkung anzusetzen. Der Einfluss der Temperaturbelastung nimmt bei Mehrfach-Beschichtungen, beim Einsatz von VSG, dunklen Gläsern und Einbauten (im SZR) aufgrund der erhöhten thermischen Absorption und somit stärkeren Aufheizung (= erhöhte Vo- lumenausdehnung des Füllgases) im SZR deut- lich zu. Zu beachten sind besonders südliche Ein- baulagen, da sich hier die Klimalast u. U. gravie- rend erhöht, je nach Aufbau und Abmessung der Scheiben. Dachverglasungen unterliegen extremen klima- tischen Lasten, da sich die ISO-Einheiten dort u. a. sehr stark aufheizen (z. T. über 80 °C). Deshalb sollte gerade bei Dachverglasungen mit ungüns- tigen Kantenverhältnissen der SZR bei 3-fach-Iso- lierglas auf 2 x 12 mm begrenzt werden. Zusätzliche Anforderungen nach Schallschutz, Angriffhemmung usw. verstärken bei großen SZR und kurzen Kantenlängen die Belastung für die (dünneren äußeren) Einzelgläser und den Randverbund erheblich. Beispielhaft sind da- für Isolierglasaufbauten, wie etwa 6/4/VSG44.2, ggf. Kombinationen mit weiteren Verbund- oder Sondergläsern (z.B. P6B/6/VSG55.2). Der Einfluss des Neigungswinkels Der U g -Wert von Verglasungen wird nach DIN EN 673 berechnet. Der U g -Wert ist dabei u. a. abhän- gig vom Neigungswinkel der Verglasung. Bei ge- neigten Verglasungen (Wärmestrom aufwärts) ist die Konvektion – bedingt durch zahlreiche kleine, schnelle Wirbel im SZR – stärker und folg- lich der U g -Wert schlechter (höher). Generell be- ziehen sich in der Regel alle Angaben der Her- steller von Verglasungen auf senkrecht einge- baute Verglasungen (90 Grad), auch wenn die Verwendung als geneigte Verglasung bzw. Über- kopfverglasung angeboten oder gefordert wird. Die tatsächlichen Werte müssen im Einzelfall un- ter Berücksichtigung aller Einflussgrößen ermit- telt werden. In Abhängigkeit vom Neigungswinkel kön- nen als Richtwerte für den 2-fach- bzw. 3-fach- Standardaufbau mit einem U g -Wert von 1,1 bzw. 0,7 (0,5) W/m²K angenommen werden: Neigungswinkel 90° 75° 60° 40° 20° U g -Wert 2-fach (SZR 16 mm) 1,1 1,2 1,4 1,5 1,6 U g -Wert 3-fach (SZR 2x12 mm, Ar-Füllung) 0,7 0,7 0,7 0,8 0,9 U g -Wert 3-fach (SZR 2x12 mm, Kr-Füllung) 0,5 0,6 0,7 0,7 0,7 Bei 2-fach-Isoliergläsern steigt der U g -Wert mit abnehmendem Neigungswinkel stark an. Bei 3-fach-Gläsern – besonders mit kleinen SZR – bleibt der U g -Wert durch die geringe Konvekti- on über große Winkelbereiche konstant. Solche Gläser eignen sich daher sehr gut, um auch bei geneigtem Einbau niedrige U g -Werte zu erzielen. KRITISCHE PUNKTE BEI 3-FACH-ISO Folgende Punkte sollten Verarbeiter beim Einsatz von 3-fach-ISO beachten und möglichst vermeiden: SZR > 2 x 12 mm mit kurzen Kantenlängen < 700 – 800 mm (vgl. DIN 18008-2:2010-12), ungünstige Kantenverhältnisse (sog. „Handtuchformate“, z. B. Dachgläser 650 x 3000 mm), asymmetrische Glasaufbauten, beschichtete mittlere Scheiben, geringe bzw. verringerte Glaseinstände, der Einsatz schlecht wärmedämmender Rahmen- und Abstandhalterprofile, schlechte Kantenqualität sowie ein Versatz der Glaskanten untereinander. Viel Licht durch große Glasflächen in Dach und Fassade. 3-fach-ISO wird dabei zuneh- mend als Überkopfverglasung eingesetzt. Für diese gelten hohe Anforderungen.

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Glas IsolIerglas

3-fach-ISO alS DachverglaSung

So klappt esGerade beim Einbau für Loggien, Wintergärten und Überdachungen unterliegen die eingesetzten 3-fach-Isoliergläser hohen Anforderungen bzw. Belastungen. Dr. Frank Ensslen und Joachim Verne von Semcoglas geben Tipps für die Bemessung und Herstellung solcher Verglasungen._

Eine unsachgemäße Dimensionie-rung kann bei 3-fach-ISO schnell zu

Glasbruch führen. Diese Bruchgefahr lässt sich ei-gentlich leicht minimieren – wird sie aber häufig nicht. Denn leider werden die Unterschiede zwi-schen einem 2-fach- und einem 3-fach-ISO oft falsch eingeschätzt. Und allgemeine Empfehlun-gen (u. a. vom Bundesverband Flachglas) werden in der Praxis häufig außer Acht gelassen. Gerade die klimatisch bedingte Last (kurz: Klima-last) hat infolge von Temperatur- und Druckän-derungen bei großen Scheibenzwischenräumen (SZR) ≥ 2 x 12 mm große Auswirkungen und ist für die Standsicherheit der Verglasung ein maß-geblicher Faktor. Die Klimalast kann bei großen Gasvolumina – je nach Einwirkungskombination, -grad sowie Scheibenaufbau und -format – leicht Werte von ungefähr 10 kN/m² (= 1000 kg/m²) und mehr annehmen. Im Vergleich dazu: Die im Flachland übliche Annahme für die Windlast be-trägt gerade einmal ca. 1 kN/m² (= 100 kg/m²).Dabei muss die Klimabeanspruchung im SZR als flächenförmige, „unsichtbare“ innere Druck-last neben den anderen auf das Isolierglassys-tem wirkenden Kräften dauerhaft (ca. 25 Jah-re) über Einzelglasscheiben und den Isolierglas-Randverbund aufgenommen werden. Nach der neuen Bemessungsnorm für Glas im Bauwesen

(DIN 18008-2) ist sie für den statischen Nachweis bei möglichen Luftdruckunterschieden zwischen Produktionsort und Einbauort sogar als ständige Einwirkung anzusetzen.Der Einfluss der Temperaturbelastung nimmt bei Mehrfach-Beschichtungen, beim Einsatz von VSG, dunklen Gläsern und Einbauten (im SZR) aufgrund der erhöhten thermischen Absorption und somit stärkeren Aufheizung (= erhöhte Vo-lumenausdehnung des Füllgases) im SZR deut-lich zu. Zu beachten sind besonders südliche Ein-baulagen, da sich hier die Klimalast u. U. gravie-rend erhöht, je nach Aufbau und Abmessung der Scheiben.Dachverglasungen unterliegen extremen klima-tischen Lasten, da sich die ISO-Einheiten dort u. a. sehr stark aufheizen (z. T. über 80 °C). Deshalb sollte gerade bei Dachverglasungen mit ungüns-tigen Kantenverhältnissen der SZR bei 3-fach-Iso-lierglas auf 2 x 12 mm begrenzt werden.Zusätzliche Anforderungen nach Schallschutz, Angriffhemmung usw. verstärken bei großen SZR und kurzen Kantenlängen die Belastung für die (dünneren äußeren) Einzelgläser und den Randverbund erheblich. Beispielhaft sind da-für Isolierglasaufbauten, wie etwa 6/4/VSG44.2, ggf. Kombinationen mit weiteren Verbund- oder Sondergläsern (z.B. P6B/6/VSG55.2).

Der einfluss des neigungswinkels Der Ug-Wert von Verglasungen wird nach DIN EN 673 berechnet. Der Ug-Wert ist dabei u. a. abhän-gig vom Neigungswinkel der Verglasung. Bei ge-neigten Verglasungen (Wärmestrom aufwärts) ist die Konvektion – bedingt durch zahlreiche kleine, schnelle Wirbel im SZR – stärker und folg-lich der Ug-Wert schlechter (höher). Generell be-ziehen sich in der Regel alle Angaben der Her-steller von Verglasungen auf senkrecht einge-baute Verglasungen (90 Grad), auch wenn die Verwendung als geneigte Verglasung bzw. Über-kopfverglasung angeboten oder gefordert wird. Die tatsächlichen Werte müssen im Einzelfall un-ter Berücksichtigung aller Einflussgrößen ermit-telt werden.In Abhängigkeit vom Neigungswinkel kön-nen als Richtwerte für den 2-fach- bzw. 3-fach-Standardaufbau mit einem Ug-Wert von 1,1 bzw. 0,7 (0,5) W/m²K angenommen werden:

Neigungswinkel 90° 75° 60° 40° 20°

Ug-Wert 2-fach (SZR 16 mm)

1,1 1,2 1,4 1,5 1,6

Ug-Wert 3-fach (SZR 2x12 mm, Ar-Füllung)

0,7 0,7 0,7 0,8 0,9

Ug-Wert 3-fach (SZR 2x12 mm, Kr-Füllung)

0,5 0,6 0,7 0,7 0,7

Bei 2-fach-Isoliergläsern steigt der Ug-Wert mit abnehmendem Neigungswinkel stark an. Bei 3-fach-Gläsern – besonders mit kleinen SZR – bleibt der Ug-Wert durch die geringe Konvekti-on über große Winkelbereiche konstant. Solche Gläser eignen sich daher sehr gut, um auch bei geneigtem Einbau niedrige Ug-Werte zu erzielen.

Kritische PunKte bei 3-fach-isO

Folgende Punkte sollten Verarbeiter beim Einsatz von 3-fach-ISO beachten und möglichst vermeiden:

■ SZR > 2 x 12 mm mit kurzen Kantenlängen < 700 – 800 mm (vgl. DIN 18008-2:2010-12),

■ ungünstige Kantenverhältnisse (sog. „Handtuchformate“, z. B. Dachgläser 650 x 3000 mm),

■ asymmetrische Glasaufbauten,

■ beschichtete mittlere Scheiben,

■ geringe bzw. verringerte Glaseinstände,

■ der Einsatz schlecht wärmedämmender Rahmen- und Abstandhalterprofile,

■ schlechte Kantenqualität sowie ein Versatz der Glaskanten untereinander.

Viel Licht durch große Glasflächen in Dach und Fassade. 3-fach-ISO wird dabei zuneh-mend als Überkopfverglasung eingesetzt. Für diese gelten hohe Anforderungen.

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empfehlungen der autorenBei Einhaltung folgender Aspekte ist der Einsatz von 3-fach-Gläsern – ob als Vertikal- oder Dach-verglasung – meist unproblematisch:

■ Durchführung einer statischen Bemessung, ■ Bemessung stets mit den realen Höhen von Produktions- und Einbauort, falls bekannt,

■ bei asymmetrischem Glasaufbau die dünne-re äußere Scheibe in ESG ausführen,

■ beschichtete mittlere Scheiben zwingend in ESG ausführen (minimiert thermische Bruch-gefahr, gerade in den Übergangsmonaten),

■ erhöhten Glaseinstand wählen (max. 30 mm bei hochwärmedämmenden Profilen),

■ bei kritischen Scheibenformaten (Vorsicht: hohe Randlasten) eine höhere Randverbund-überdeckung im Vgl. zu 2-fach-ISO wählen, alternativ Randverbund mit TPS,

■ Vergrößerung von kritischen Formaten anstreben, ggf. SZR mit Krypton-Füllung.

Die Erfahrungen zeigen, dass die genannten Empfehlungen in der Praxis, z. T. aufgrund von Preis und Lieferzeit, immer wieder ignoriert wer-den. Oftmals bleibt dies scheinbar ohne Auswir-

kung, da die Schadensursache(n) nur in wenigen Fällen eindeutig geklärt wird sowie hohe Sicher-heiten (für die Glasfestigkeit) vorhanden sind. Zudem treten in der Realität die Lastannahmen (nach Norm) nur selten in voller Höhe oder in der ungünstigsten Kombination auf.Sofern sich jedoch mehrere ungünstige thermi-sche bzw. klimatische Belastungen (u. a. Teilbe-schattung, Morgensonne nach kalten Nächten, hohe Außentemperaturen, Luftdruckänderun-gen, usw.) sowie nachteilige strukturelle, kon-struktive und geometrische Randbedingungen überlagern, kann dies zu einer Beschädigung des Randverbunds führen (Kondensat und Gas-verlust). Im schlimmsten Fall kommt es sogar zum Scheibenbruch.Die generell deutlich höheren Gewichte von 3-fach-Gläsern wirken sich auf die Konstruktion und Beschläge aus. Daher ist die Auswahl einer geeigneten Rahmenkonstruktion (Beschläge) Voraussetzung für die zuverlässige und siche-re Verglasung als 3-fach-ISO. Von Vorteil ist da-bei eine zwängungsfreie Stützwirkung der Glas-ränder. Für die statische Bemessung der Gläser wird eine 2-, 3- oder 4-seitige, versatzfreie Lage-rung der Glaskanten unter Annahme einer fach-gerechten Verklotzung vorausgesetzt. Bei hohen Scheibengewichten sollten Verarbeiter dafür ge-eignete Schwerlastklötze verwenden.Die Durchbiegung der Unterkonstruktion ist all-gemein auf 1/200 der aufgelagerten Scheiben-länge zu begrenzen.Für die Aufnahme hoher Randlasten und Ver-formungen im Isolierglas-Randverbund infolge Überdrucks bietet sich der Einsatz eines thermo-

plastischen Abstandhalters (TPS) an. Dieser kann aufgrund seines elastischen, flexiblen Verhaltens Scheibenbewegungen gegenüber einer kon-ventionellen Butylierung (Polyisobutylen) besser kompensieren. Zudem weist ein TPS-Abstandhalter um 50 Pro-zent reduzierte Grenzflächen auf und führt so ne-ben seiner guten Glashaftung zu einer verbes-serten, d. h. dauerhaften Wasserdampf- und Gas-dichtigkeit. Weiter überzeugt er durch niedrige Psi-Werte und erlaubt es, 3-fach-ISO ohne Spa-cer-Versatz und in einer definierten Paketstärke herzustellen. —

Dr. Frank Ensslen , Joachim Verne,

Die autOren

Dr. Frank Ensslen, Semcoglas Holding GmbH, Leiter Anwendungstechnik. Joachim Verne, Semcoglas Holding GmbH, Glastechnischer Berater.

www.semcoglas.de

Prinzip der Konvektion im Isolierglas: (01) Vertikalver-glasung: Warmluft steigt an der Innenseite auf, es ent-steht ein langsamer Wirbel im SZR mit weniger Luft-bewegung. (02) Um 60 Grad geneigte Verglasung. (03) Horizontalverglasung: Aufsteigende Warmluft erreicht schnell die kalte Außenseite. Es bilden sich viele kleine schnelle Luftwirbel.

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