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Lehrstuhl für Grundlagen Datum: 27.09.2007 Flugsystemdynamik der modernen Flugführung Rev.: 1.4 TU München Seite: 1 Inhalt 1. Einleitung 5 2. Aufgabenstellung in der Navigation und Flugführung 5 2.1 Definition der Flugführung 9 2.1.1 Mensch 9 2.1.2 Gesetz 10 2.1.3 Flugmechanik / Flugleistung / Flugregelung 12 2.1.4 Meteorologie 12 2.1.4.1 Atmosphäre 13 2.1.4.2 Druck 15 2.1.4.3 Temperatur 23 2.1.4.4 Wind 24 2.1.4.5 Wichtige Wetterphänomene für die Luftfahrt 25 2.1.5 Flugvorbereitung 28 2.1.6 Flugsicherung 30 2.1.7 Navigation 33 2.1.7.1 Grundlegende Begriffe der Navigation 36 2.1.7.2 Astronavigation 40 2.1.7.3 Dopplernavigation 41 2.1.7.4 Loran 41 2.1.7.5 Omega/VLF 42 2.1.7.6 VOR 43 2.1.7.7 NDB 45 2.1.7.8 DME 46

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Inhalt 1. Einleitung 5 2. Aufgabenstellung in der Navigation und Flugführung 5

2.1 Definition der Flugführung 9 2.1.1 Mensch 9 2.1.2 Gesetz 10 2.1.3 Flugmechanik / Flugleistung / Flugregelung 12 2.1.4 Meteorologie 12 2.1.4.1 Atmosphäre 13 2.1.4.2 Druck 15 2.1.4.3 Temperatur 23 2.1.4.4 Wind 24 2.1.4.5 Wichtige Wetterphänomene für die Luftfahrt 25 2.1.5 Flugvorbereitung 28 2.1.6 Flugsicherung 30 2.1.7 Navigation 33

2.1.7.1 Grundlegende Begriffe der Navigation 36 2.1.7.2 Astronavigation 40 2.1.7.3 Dopplernavigation 41 2.1.7.4 Loran 41 2.1.7.5 Omega/VLF 42 2.1.7.6 VOR 43 2.1.7.7 NDB 45 2.1.7.8 DME 46

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2.1.7.9 Anflug 48 2.1.7.10 Radarnavigation 50 2.1.7.11 Sichtnavigation und konventionelles Koppeln 51 2.1.7.12 Flächennavigation 52 2.1.7.13 Trägheitsnavigation 54 2.1.7.14 Satellitennavigation 54 2.2 Literaturhinweise 55

3. Funktionsweise heutiger Navigationssysteme 58 3.1 VOR 58 3.2 NDB 61 3.3 DME 65 3.4 ILS 67 3.5 Satellitennavigation 71 3.5.1 Entwicklungsgeschichte der Satellitennavigation 71 3.5.2 Komponenten der Satellitennavigation 72

3.5.2.1 Das Raumsegment 73 3.5.2.2 Das Kontrollsegment 74 3.5.2.3 Das Nutzersegment 75

3.5.3 GPS Funktionsweise 76 3.5.3.1 Signalerzeugung 77 3.5.3.2 Positionsbestimmung 81 3.5.4 Fehlerquellen 91 3.5.5 Genauigkeit von GPS 94 3.5.6 Differential GPS 96 3.5.7 GPS Anflüge 97

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3.6 Trägheitsnavigation 98 3.6.1 Komponenten von Trägheitsnavigationssystemen 98 3.6.2 Funktionsweise der Trägheitsnavigation 102 3.7 Radar 111 3.7.1 Primärradar 113 3.7.2 Sekundärradar 119 3.7.3 Antennen 120 3.8 Literaturhinweise 121 4. Anwendung und Integration von Flugführungssystemen in der Praxis 124 4.1 FMS 124 4.2 Automatische Flugführung 131 4.3 Datalink 135 4.4 Antikollisionswarnsystem (TCAS) 138 4.4.1 Systemkomponenten von TCAS 141 4.4.2 Funktionsweise von TCAS 142 4.5 Bodenannäherungswarnsystem (GPWS) 152 4.6 Militärische Flugführungssysteme 163 4.7 Flugführung auf Flugplätzen 167 5. Zukunftstechnologien 170 5.1 Virtuelle Sicht und Flugwegdarstellung 170 5.2 Flugführung auf Flugplätzen 170 5.3 TCAS III 173 5.4 EGPWS 173 5.5 FANS 174

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6. Der Mensch im Cockpit 176 7. Anhang 178 8. Abkürzungsverzeichnis 189 9. Literaturverzeichnis 194 Das vorliegende Skript wurde am Lehrstuhl für Flugsystemdynamik (vorher Lehrstuhl für Flugmechanik & Flugregelung) der TU München von Prof. Dr.-Ing. Otto Wagner und Dipl.-Ing. Ingo Sturhan erstellt. Für Kritiken bzw. Verbesserungsvorschläge haben sie die Möglichkeit unter [email protected] Ihre Wünsche mitzuteilen – vielen Dank!

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1. Einleitung In der Lernunterlage Grundlagen der modernen Flugführung soll dem Studenten ein Einblick in die Flugführungssysteme heutiger Verkehrs- und Militärluftfahrzeuge gegeben werden. Zunächst wird die Entwicklungsgeschichte anhand einiger historischer und bereits veralteter Verfahren und Geräte vorgestellt, die von den Anfängen der Fliegerei bis zum Beginn der 80er Jahre reichen. Anschließend wird mit der Einführung des Glascockpits (z.B. Airbus) die Entwicklung der Flugführungstechnik bis zum heutigen Stand erklärt (z.B. GPS bzw. GNSS, IRS/INS und FMS). Der Schwerpunkt liegt dabei auf einem prinzipiellen Verständnis der wissenschaftlichen und technischen Zusammenhänge. Typische Themengebiete sind bei-spielsweise Trägheits- und Satellitennavigation, Ground Proximity Warning System (GPWS) oder Traffic Alert & Collision Avoidance System (TCAS). Dem Studenten soll durch Aufzeigen von Vor- und Nachteilen der technischen Anlagen und der Schnittstellenthematik von Mensch-Maschine im Cockpit, die Problematik bei der Ent-wicklung heutiger aber auch zukünftiger Flugführungssysteme näher gebracht werden. Am Ende einzelner Abschnitte sowie im Anhang werden für den interessierten Studenten Verweise auf weiterführende Literatur oder Informationsquellen (z.B. Internet, Firmen...) ge-geben. Abschließend werden mögliche Entwicklungen bestehender Systeme und neue Zu-kunftstechnologien dargestellt. Es sei bereits hier angemerkt, dass diese Unterlage keinen Ersatz für eine fundierte Ausbil-dung an den entsprechenden Systemen in der Praxis sein kann. Im Unterricht werden zum besseren Verständnis zusätzlich interaktive Demonstrationen und Lehrfilme gezeigt. Abge-rundet wird die Vorlesung durch eine zusätzlich gehaltene Übung, die den vermittelten Lehr-stoff an Beispielen vertiefen soll. Um einen weiteren praktischen Einblick in die Thematik zu erhalten wird auf das Flugführungspraktikum verwiesen. 2. Aufgabenstellung in der Flugführung In diesem Kapitel werden die Gründe für eine immer weiter fortschreitende Entwicklung der Flugführung dargelegt. In einem zweiten Abschnitt werden einige einfache Zusammenhänge aus den Bereichen der Flugführung (z.B. Navigationsbegriffe) erklärt, die es auch dem Laien ermöglicht, einen Einstieg in die später behandelten Themen zu bekommen. Zunächst wird in Tabelle 1 ein grober Überblick über die Luftfahrtgeschichte und ihre technischen Entwicklun-gen gegeben. Tab. 1 Entwicklung und Geschichte der Luftfahrt [4;5]

Zeit/Ort Ereignis 1799, England Sir George Cayley entwarf das Konzept des Flugzeugs mit starren

Tragflächen; es diente als Grundlage für spätere Flugzeugentwicklungen 1804, England Sir G. Cayley experimentierte mit Flugdrachen um die Rätsel um den Auftrieb,

Antrieb und die Kontrolle zu erforschen; erster Entwurf eines Gleitflugzeuges

1890, Deutschland Otto Lilienthal experimentierte mit selbstgebauten Gleitflugzeugen;

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Entdeckung des gekrümmten Profils für die Auftriebsoptimierung; Li-lienthalpolare; Lilienthal starb bei einem Flugversuch 1896

1903, USA Kitty Hawk

Orwille und Wilbur Wright gelingt der erste angetriebene Motorflug (~37m; 12s) mit dem Flugzeug Flyer ; weitere Experimente zur geziel-ten Untersuchung von Profilen im ersten Windkanal

1906, Frankreich Alberto Santos Dumont flog als erster mit einem Motorflugzeug 59 m weit in 3 m Höhe in Europa

1907, Frankreich Paul Cornu flog als erster mit einem durch zwei sich drehende Tragflä-chen angetriebenen Luftfahrzeug⇒ erster Hubschrauber

1908, Italien Erster Alleinflug einer Frau 1908 Funkpeilung mit einem Funksender an Bord eines Zeppelins 1909, Frankreich Louis Bleriot flog über den Ärmelkanal von Frankreich nach England

(42 km); Eindecker Bleriot XI mit verdrehbaren Flächen zur Steuerung (Wright Patent)

1910, Europa Erste Alpenüberquerung durch den Perueaner Jorge Chavez 1911, USA Erste Landung auf einem Kriegsschiff 1913 Basisausführung der Cockpitinstrumentierung: Fahrt-, Höhenmesser,

künstlicher Horizont und Wendezeiger 1914, USA Erster Linienbetrieb zwischen St. Petersburgh und Tampa in Florida 1914-1918 Erster Weltkrieg

Einführung der Luftwaffe als Kriegsmittel; Entwicklung der Querruder und erste Experimente mit Metallbauweise; Entwicklung der Bordkano-ne die durch die Propellerebene schießt

1916, USA Gründung der Boeing Werke durch William Boeing 1918, USA Gründung der NACA als Vorläufer der späteren NASA 1919 Erstflug der Junkers F 13 1920 ASME (= American Society of Mechanical Engineers) entwirft typi-

sches Instrumentenbrett (T - Anordnung) 1926 Erster Flug über den Nordpol durch Cdr. Richard Byrd 1927 Charles Lindbergh überquert als erster den Atlantik nonstop von New

York nach Paris; Spirit of St. Louis 1929, USA Doolittle führt Blindflug durch 1930 Anfänge der Funknavigation 1932 Erstflug der Ju 52 1933, USA Erster Airliner Boeing 247 wird in Dienst gestellt 1937, USA Explosion des Luftschiffes Hindenburg in Lakehurst ⇒Ende der Luft-

schifffahrt 1937 Instrumenten Landesystem (ILS) wird in Deutschland und den USA

demonstriert 1937 – 1945 Zweiter Weltkrieg

Immer schneller und höher fliegende Flugzeuge und Hubschrauber; Weiterentwicklung von Radar- und Navigationstechnologien Luftwaffe wird kriegsentscheidend; Me/Bf 109 wird zum bis heute meist gebauten Flugzeug ca. 35000 Stück

1939, Deutschland Erster Flug mit einem Düsenflugzeug He 178 durch Erich Warsitz 1939, USA 4 motoriges Flugzeug (Boeing 307) mit ca. 50 Instrumenten ausgestattet

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1940 UKW Funk und Radar 1943 Langstrecken Funknavigation LORAN A 1944 Funknavigation mit Hilfe von DECCA 1947, USA 4-motoriges Flugzeug (DC6) mit elektrisch angetriebenen Kreiseln,

Fluxgate - Fernkompass und Bordradar 1947, USA Durchbrechen der Schallmauer durch Pilot Chuck Yeager im Horizon-

talflug mit dem Raketenflugzeug Bell X1; 1072 km/h bzw. Ma = 1.015 in 12600 m Höhe

1949, USA Einführung der F86 Sabre; Pfeilflügel und Überschallflugzeug, radarge-stützte Zielerfassung

1955 Vollautomatische Landung; Trägheitsnavigation 1957 Erstflug der Boeing 707 1959 Erster ’Um die Welt Flug’ mit einer Boeing 707 von PAN AM 1960 Erste autonome Antikollisionssysteme; Langstreckennavigation

LORAN C 1962 Beginn des Aufbaus des Langstreckennavigationssystems OMEGA 1964, USA Einführung des ersten auf Satelliten gestützten Navigationssystem

TRANSIT der US Navy 1965 Synthetische Informationsdarstellung im Cockpit (Head up Display) 1967, USA Erste automatische Landung im Linienbetrieb mit einer B707 1969, Frankreich Erster Flug der Concorde; Überschallflug bis Ma = 2.2 1969, USA Erstflug der Boeing 747 1969/70 Zusammenschluss von Deutschland und Frankreich zum Bau der ge-

meinsamen A 300; Gründung der Airbus Industrie in Toulouse 1972, Frankreich Erstflug der Airbus A300; Einführung des Glascockpits 1973 USA Weiterentwicklung des 621 B Programms der US Air Force in das heu-

tige Satellitennavigationssystems NAVSTAR GPS 1979, Ärmelkanal Erster Flug mit einem Muskelkraftflugzeug über den Ärmelkanal durch

Mac Cready 1981, USA Erster Flug der Columbia (Space Shuttle) 1985, USA Ende der dritten Entwicklungsphase und erste allgemeine Operationsfä-

higkeit des NAVSTAR GPS 23.12.1986 Erstmalige nonstop Umrundung der Erde ohne Auftanken > VOYAGER

von Burt Ruton 1987, Frankreich Erstflug der A 320; Weiterentwicklung des Glascockpits und Einführung

der Fly - by - wire Steuerung 1991, Frankreich Erstflug der A 340 27.03.1994 Deutschland

Erstflug des Eurofighters – Gemeinschaftsprojekt von Spanien, Italien, Großbritanien und Deutschland

02.06.1994, USA Erstflug der B 777; größtes 2-motoriges Jetflugzeug 25.07.2000 Frank-reich

Absturz einer Concorde nach dem Start in Paris Charles de Gaulle

24.10.2000 USA Erstflug des Joint Strike Fighters X35 JSF > Senkrechtstartfähigkeit 19.12.2000 Frank- Offizieller Programmstart der A3XX, die ab diesem Datum A380 heißt.

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reich Die A380 soll in der Frachtversion ein Startgewicht bis zu 583t haben und als Passagierversion über 500 Personen transportieren

23.04.2001 Frank-reich

Erstflug des A340-600 in Toulouse, dem bisher längsten, zivilen Flug-zeug der Welt (75.30 m Länge)

22.02.2002 USA Erstflug des UCAV X-45 (unmanned combat air vehicle) Juni 2002 USA Erste Boeing 747-400 ER (extended range) hat ihren Roll Out in Seattle 01.02.2003 USA Absturz des ersten Space Shuttles Columbia (heißes Plasma beschädigt

Flügelstruktur beim Wiedereintritt) 23.11.2003 Argen-tinien

Weltrekord Streckensegelflug (Klaus Ohlmann) mit 2174 km in den Anden / Südamerika (dynamischer Segelflug – Wellenflug)

26.11.2003 Frank-reich

Letzter Flug der Concorde

08.04.2004 USA Erstflug eines privaten Raumflugkörpers von Burt Ruton SPACE SHIP ONE

16.11.2004 USA Erreichen von Ma 10 mit der X-43 A (SCRAMJET – Verbrennung bei Überschallströmung)

17.01.2005 Frank-reich

Roll out des Airbus A380 in Toulouse

27.04.2005 Frank-reich

Erstflug des Airbus A380

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2.1 Definition der Flugführung Die Flugführung hat die Aufgabe einen Flug zwischen seinem Start- und Zielort in allen sei-nen Flugabschnitten entsprechend des Missionsaspekts (z.B. Sicherheit, Wirtschaftlichkeit etc.) zu ermöglichen. Sie stellt in geeigneter Weise Informationen für den Pilot und Regler durch Anzeigen im Cockpit zur Verfügung. Neben den Informationen über den Flugzustand betreffen diese die aktuelle Position und den aktuellen Flugweg, sowie die von der Flugsiche-rung vorgegebenen Bahngrößen (z.B. Höhe und Kurs) und die daraus abgeleiteten Sollwerte für die Flugzustandsgrößen (z.B. Nickwinkel θ oder Hängewinkel Φ). Die Flugführung opti-miert weiterhin die Umgebungsbedingungen des Arbeitsplatzes im Cockpit, insbesondere die vielfältigen Bedienelemente. Eine weitere immer wichtiger gewordene Aufgabe ist der Ein-satz von regelungstechnischen Einrichtungen, die den Piloten in zunehmendem Maße seiner Führungsaufgabe entlasten sollen [40]. Wie dem Leser vielleicht aufgefallen ist, umfasst der Begriff der Flugführung mehrere Fach-bereiche. Neben der Meteorologie (meteorology) oder der Flugsicherung (air traffic control) stellt die Navigation einen Hauptaspekt in der Flugführung dar. Abbildung 1 gibt einen Über-blick über die anderen an der Flugführung beteiligten Bereiche.

Mensch Gesetz Flugmechanik/~leistung und Flugregelung

Flugführung

Navigation Meteorologie Flugvorbereitung Flugsicherung Abb.1 Bereiche der Flugführung 2.1.1 Mensch Der Mensch bzw. Pilot hat die Aufgabe der Überwachung des Flugablaufs und ist für die kor-rekte Verarbeitung der Informationen seiner Cockpitsysteme (z.B. Autopilot, Flight Manage-ment System [FMS]) und Anweisungen der Flugsicherung verantwortlich. Diese Aufgaben stehen unter dem Ziel das Flugzeug entsprechend dem Zweck (= Mission) optimal zu führen. Zum Beispiel haben Flugverkehrsgesellschaften ein besonderes Interesse ihre Passagiere si-cher und möglichst wirtschaftlich von einem zum anderen Ort zu bringen. Im Vergleich dazu

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interessiert das Militär beispielsweise die schnelle und unbemerkte Aufklärung (z.B. Einsatz von Nachbrenner oder Tiefflug) feindlichen Gebietes; hierbei spielt der wirtschaftliche As-pekt eine untergeordnete Rolle. Der Pilot hat im Vergleich zu früher, als mehr das manuelle Fliegen im Vordergrund stand, im Laufe der technischen Weiterentwicklung primär Manage-mentaufgaben übernommen, die ihn immer mehr von der eigentlichen Aufgabe des Steuerns seines Flugzeugs entfernen. 2.1.2 Gesetz Die Beschränkungen, die durch den Staat bzw. durch das Gesetz die Flugführung beeinflus-sen, werden durch Artikel 1 des Luftfahrtgesetzes deutlich: „...die Nutzung des Luftraums ist frei, solange sie nicht durch andere Regeln beschränkt ist.“ Jeder Staat behält sich damit vor, die Nutzung des eigenen Luftraums z.B. durch Ausschrei-bung verschiedener Lufträume zu reglementieren. Früh wurde allerdings erkannt, dass um die Vorteile des weltweiten Luftverkehrs nutzen zu können, bestimmte internationale, verbindli-che Regelungen zwischen den Ländern getroffen werden müssen. Diese Aufgabe wird heute von internationalen Dachverbänden – wie der ICAO (international civil aviation organisation; Montreal) oder der IATA (international airline transport association; Montreal) – zusammen mit den nationalen Luftfahrtbehörden (Luftfahrtbundesamt [LBA] in Deutschland oder Fede-ral Aviation Authority [FAA] in den USA) wahrgenommen (z.B. Abkommen von Chicago 1944). In Abbildung 2 und 3 wird ein Überblick über die wichtigsten Luftraumstrukturen und Luft-raumregeln gegeben.

Abb.2 Luftraumstruktur in Deutschland [1]

Luftraum Art der Flüge

Höchstzulässige Ge-schwindigkeit

Sprechfunkverkehr Freigaben durch Flugsicherung

A IFR nicht vorgeschrieben dauernde Hörbereitschaft erforderlich

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(v.a. in USA)

B (v.a. in USA)

IFR/VFR nicht vorgeschrieben dauernde Hörbereitschaft erforderlich

C& Kontrollzone

(CTR) C

IFR

VFR

Nicht vorgeschrieben

250 kt unter FL 100

dauernde Hörbereitschaft

erforderlich

D& Kon-trollzone (CTR) D

IFR/VFR

250 kt unter FL 100

dauernde Hörbereitschaft

erforderlich

E

IFR

VFR

250 kt unter FL100 dauernde Hörbereitschaft

nicht erforderlich

erforderlich

nicht erforderlich

F

IFR

VFR

250 kt unter FL 100 dauernde Hörbereitschaft

nicht erforderlich

erforderlich

nicht erforderlich

G VFR 250 kt unter FL 100 nicht erforderlich nicht erforderlich

FL = Flugfläche (Flight Level) IFR = Flug nach Instrumentenflugregeln (instrument flight rules) VFR = Flug nach Sichtflugregeln (visual flight rules)

gerade (even) Flugflächen (FL)

ungerade (odd) Flugflächen (FL) Abb.3 Vorgabe der Flughöhen abhängig von der Flugrichtung [2]

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Abb.4 Ausweichregeln für Flugzeuge in gleicher Höhe [2] 2.1.3 Flugmechanik / Flugleistung / Flugregelung In diesem Fachbereich sind die physikalischen Grundlagen für die Bewegung des Flugzeuges niedergelegt. Mit ihrer Hilfe lässt sich die Bewegungsdynamik darstellen und letztendlich die gesamten Flugbereichsgrenzen (flight envelope) des Flugzeugs festlegen. Die Informationen aus der Flugmechanik fließen direkt in die Auslegung von Regelsystemen und damit in die Flugführung selbst ein. Beispielsweise ist es für einen Militärpiloten von Interesse, welchen Kurvenradius r oder ma-ximale Rollrate p sein Flugzeug im Stande ist zu leisten. Luftfahrtgesellschaften hingegen interessieren sich mehr für Aussagen über die aerodynamische Güte (Gleitzahl E, Auftriebs-und Widerstandsbeiwerte ca, cw oder spezifischer Treibstoffverbrauch c...). Aus diesen Infor-mationen können beispielsweise Reichweite (Breguet´sche Reichweitenformel) oder Start- und Landestrecke berechnet werden.

Breguet’sche Reichweitenformel kmm

m

cg

V

W

AR

−=

1

1ln

masseKraftstoffmeAbflugmassm

sN

kghffverbraucerKraftstospezifischc

k ==

=

;1

2.1.4 Meteorologie Als die Lehre vom Wetter und der Dynamik der Atmosphäre stellt die Meteorologie (griech.: meteoros = in der Luft schwebend; logica = Lehre folgerichtigen Denkens) einen wichtigen Beitrag zur sicheren und wirtschaftlichen Flugdurchführung dar. Als Beispiel seien die treib-stoffsparende Nutzung von Starkwindbändern (jet streams) genannt, die auf Langstreckenflü-

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gen von Nordamerika nach Europa eine Flugstundenersparnis von einer Stunde und mehr erbringen. Diese Starkwindbänder wirken als Rückenwind mit bis zu 250 km/h. Im umge-kehrten Fall ist es wichtig die genaue Lage dieser Winde vorherzusagen, um ihnen auf dem Flug nach Nordamerika auszuweichen (Gegenwind!). In den folgenden Kapiteln wird auf einige wichtige Phänomene der Meteorologie, die in der Flugführung eine Rolle spielen, eingegangen. 2.1.4.1 Atmosphäre

Die Atmosphäre stellt ein sehr komplexes dynamisches System dar, das sehr vielen Einfluss-faktoren unterworfen ist. Erdrotation, Sonneneinstrahlung, physikalische Oberflächenbeschaf-fenheit sind nur einige dieser Faktoren. In Abbildung 5 wird der Schichtaufbau der Atmo-sphäre, wie er für die militärische und zivile Luftfahrt interessant ist, erklärt.

Abb. 5 Schichtaufbau der Atmosphäre; [8; S. 24] Die Atmosphäre stellt zum einen den Bewegungsraum für die Luftfahrt dar, zum anderen dient sie aber auch als Bezugsgrundlage für den Leistungsvergleich von Flugzeugen oder Flugtriebwerken. Zu diesem Zwecke wurde von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) die internationale Standardatmosphäre (ISA) eingeführt. Die Zahlenwerte der Stan-

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dardatmosphäre beschreiben Mittelwerte der in der Atmosphäre vorkommenden Zustände, die auf 45° Breite bezogen sind. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die wichtigsten Parameter. Tab.2 Internationale Standardatmosphäre (ISA) Luftdruck in M eereshöhe (mean sea level; MSL)

1013.25 hPa

Temperatur in MSL 15 °C/288.15 K Temperaturgradient in der Troposphäre (dT/dh)

- 0.65 °C/100 m

Troposphärentemperatur (konstant) - 56.5 °C/ 216.65 K Stratosphärentemperatur 11-20km (konstant)

- 56.5 °C/ 216.65 K

Luftdichte in MSL 1.225 kg/m3 Luftfeuchtigkeit 0 % Polytropenkoeffizient n 1.235 Skalenhöhe H0 8432.1 m Troposphäre Die Troposphäre (griech.: trope =Drehung, Wendung; sphaira = (Erd)kugel), ist die unterste Schicht in der Atmosphäre. Sie enthält ¾ der gesamten Atmosphärenmasse und den gesamten Wasserdampf (z.B. Wolken). Weiterhin spielt sich in der Troposphäre fast das gesamte Wet-tergeschehen ab. Die Höhe dieser untersten Atmosphärenschicht, die jahreszeitlichen Schwankungen unterworfen ist, reicht von ca. 8 km an den Polen bis zu 17 km am Äquator (starke Konvektion der warmen Luft). Die Temperatur nimmt durchschnittlich um 6.5 K/km ab (vgl. Standardatmosphäre). Am Boden beträgt sie 15 °C und fällt bis zur Grenze der Luft-schicht (Tropopause) auf – 56 °C [8].

Die Tropopause (griech.: pauin = beendigen) stellt die obere Grenze der Troposphäre dar, die zwischen 8 und 17 km liegt. Ab der Tropopause schließt sich ein Bereich konstanter Tempe-ratur (Isothermie) an, der den Beginn der Stratosphäre kennzeichnet.

Stratosphäre

Die Stratosphäre (griech.: stratum = Decke; sphaira = (Erd)kugel) folgt auf die Troposphäre bzw. ~pause. Die Temperatur bleibt im unteren Teil (bis ca. 25 km) der Stratosphäre zunächst konstant (Isothermie) und nimmt anschließend mit einem Temperaturgradienten von ungefähr 2.5 K/km zu (Inversion). Grund für die Zunahme ist die Absorption von Strahlung an Mole-külen, insbesondere in der Ozonschicht. Die Luftfeuchte ist fast Null, weshalb kaum Wolken-bildung stattfindet.

Die Stratopause als obere Grenzschicht der Stratosphäre reicht von ca. 50 bis 60 km. Die Temperatur in dieser Höhe hat einen konstanten Verlauf (Isothermie) und liegt bei 0 °C manchmal bis 50 °C (schwankende Ozonkonzentrationen) [8].

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2.1.4.2 Druck

Unter dem Luftdruck wird die Gewichtskraft einer unendlich hohen Luftsäule bezogen auf eine Querschnittsfläche verstanden. Entsprechend der physikalischen Definition gilt für den Druck:

][

][][

2mA

NFPaP =

Der Druck wird mit sogenannten Barometern gemessen. Die internationale Standardeinheit (SI Einheit) für den Druck ist das Pascal (Pa). In der Luftfahrt gibt es aus historischen Grün-den weitere Druckeinheiten, die in Tabelle 3 zusammengefasst sind.

Tab.3 Druckeinheiten [52]

1 N/mm2 1 N/m2 1 Pascal [Pa]

1 Hektopascal [hPa]

1 Bar [bar]

1 Millibar [mbar]

1 N/mm2 1 10-6 10-6 10-8 10-11 1 1 N/m2 106 1 1 10-2 10-5 10-2 1 Pascal [Pa] 106 1 1 10-2 10-5 10-2 1 Hektopascal [hPa] 108 102 102 1 10-3 1 1 Bar [bar] 1011 10- 105 103 1 10-3 1 Millibar [mbar] 108 10- 102 1 103 1

Vereinzelt kommt noch die Einheit Millimeter bzw. Inch Quecksilbersäule [mmHg] vor:

1 mmHg = 133,322 Pa = 1.33322 mbar

760 mmHg = 1013.25 hPa (Standarddruck der ISA auf MSL)

1 inHg = 0.0295 hPa

29.92 inHg (Inch Quecksilbersäule) = 1013.25 hPa

Der Druck ist die Ursache für den Wind und andere dynamische Vorgänge in der Atmosphäre (z.B. Wettergeschehen mit den Hoch- und Tiefdruckgebieten). Er dient in der Luftfahrt dazu, mit Hilfe des Höhenmessers die Flughöhe zu bestimmen. Als Grundlage dazu dient die Grundgleichung der Aerostatik. Mit ihrer Hilfe lässt sich die barometrische Höhenformel ableiten, die als Grundlage der Höhenmessung verwendet wird.

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Kräftegleichgewicht am differentiellen Volumenelement dAdz der Atmosphäre [41; S. 9ff]:

dAdzdz

dpp

+− (1) ( )Tpg

dpdz

,ρ−=

dz dzdAgρ−

pdA+ (2) ( )∫−=p

p Tp

dp

gz

0,

1

ρ

Grundgleichung der Aerostatik

Bei barotropem Zustand ρ(p, T) = ρ(p) ist die Integration von Gleichung (2) möglich:

(3) 1

1

0

1

00

=

=

nn

T

T

p

p

ρρ

; Polytropenbeziehung

Index 0 gilt für den Bodenwert auf Meereshöhe z = 0 m

(3) in (2) ∫

−=p

p n

pp

dp

gz

0

1

0

0

1

ρ

(4)

−−=

11

1

00

n

n

p

p

n

nHz ; mit Skalenhöhe

g

RT

g

pH 0

0

00 ==

ρ

Die Skalenhöhe entspricht gerundet 8430 m der Höhe einer Luftsäule, die auf Meereshöhe (Index 0) einen Druck von p0 = 1013.25 hPa und eine Dichte von ρ0 = 1.225 kg/m3 hat (Werte der Standard – Atmosphäre - ISA). Aufgrund der schwierigeren Zusammenhänge in der poly-tropen Atmosphäre wird zur Druckmessung die isotherme (n=1) Atmosphäre verwendet. Die Temperaturabhängigkeit wird zum Teil über mechanische Ausgleichsmechanismen oder den Luftdatenrechner (air data computer; ADC) korrigiert.

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Isotherme Atmosphäre: T(z) = const.

(5)

00

1

p

p

n

ρρ =

=

(5) in (4) bzw. 1→n ergibt [41; S 13]:

(6) 0

00

00 ln

H

z

ep

p

p

pHz

−==

−=

ρρ

Barometrische Höhenformel

Die Flughöhenmessung erfolgt über die Messung des aktuellen Umgebungsluftdruckes p in Bezug zum Bodenluftdruck p0. Dieser Bezugsluftdruck kann vom Pilot an seinem Höhenmes-ser eingestellt werden (vgl. Abb.6).

Hunderter Schritte [ft ]

Tausender Schritte [ft]

Anzeige für den Bezugsdruck [mbar bzw. inHg]

Wahlmöglichkeit für den Bezugsdruck

Angezeigte Höhe: 29600 ft

Abb. 6 Höhenmesser [10; S. 37]

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Bei der Höhenmessung werden drei verschiedene Bezugsluftdrücke unterschieden. Nach dem meteorologische Q-Schlüssel gibt es das QNH, QFE und QNE.

QFE = Luftdruck der am Boden (z.B. am Flugplatz) aktuell gemessen wird

QNH = Theoretischer Luftdruck der auf Meereshöhe (mean sea level; MSL oder NN) herrscht. Er wird vom QFE aus nach den Verhältnissen der Standardatmosphä-re zurückgerechnet. Steht ein Flugzeug auf dem Flugplatz und stellt der Pilot die Höhe des Flugplatzes über MSL (elevation) ein, erhält er automatisch das richtige QNH in seiner Anzeige für den Bezugsdruck.

QNE = Luftdruck in MSL bei Standardatmosphäre (1013.25 hPa). Auf ihn beziehen sich die Flugflächenangaben (flight levels; FL). Die QNE Einstellung wird bei der von der Flugsicherung vorgegebenen Übergangshöhe (transition altitude; TA) durchgeführt. Umgekehrt wird beim Anflug bei der ebenfalls vorgegebe-nen Übergangsfläche (transition level; TL) der Bezugsdruck wieder auf das QNH des jeweiligen Flughafens umgestellt.

Flugfläche FL 131 (13123 ft)/4000 m (∆p=500hPa) aktueller Druck p=513.25 hPa

Höhe (height) 3598 m/11803 ft (∆449.75 hPa)

Übergangsfläche (transiton level) z.B.FL70 QNE auf QNH

Druckhöhe (Pressure Altitude) 4000 m/13123 ft (∆p=500hPa) auf QNE 1013.25 hPa bezogen

Übergangshöhe (transiton altitude) 5000 ft QNH auf QNE

QFE 963 hPa

Elevation 480 m/1574 ft (∆p=60 hPa) wahre Höhe (true altitude) 4078m 13379 ft (∆p = 509.75 hPa) > hier im Vergleich zur Flugfläche (bezogen auf QNE)

QNE 1013.25 hPa

QNH 1023 hPa Setzhöhe ∆p=9.75hPa ~ 78m/256 ft

MSL

Abb. 7 Höhenmessung

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Der Begriff der wahren Höhe (true altitude) beschreibt den wahren Abstand zwischen Flug-zeug und Meereshöhe bzw. überflogenem Gelände. Diese Höhe ist im Reiseflug nicht so wichtig, da alle Flugzeuge nach dem Flugflächensystem (Höhe bezogen auf QNE 1013.25 hPa) fliegen und somit den gleichen Fehler haben. Interessant wird die wahre Höhe, wenn sich das Flugzeug dem Boden (Berge, Landebahn…), z.B. während Anflügen, nähert. Exis-tiert jetzt eine größere Differenz zwischen angezeigter Höhe und wahrer Höhe besteht die Gefahr ein falsches Sinkprofil zu fliegen. Im ungünstigsten Fall, wenn die wahre Höhe also geringer als die angezeigte Höhe ist, kann es zu einem sog. CFIT (controlled flight into ter-rain) kommen, bei dem das Flugzeug Bodenberührung erfährt und abstürzt. Eine derartige Abweichung der wahren Höhe von der angezeigten Höhe tritt ein, wenn die Luftmasse sehr kalt ist. Dann nämlich ist der Abnahmegradient des Druckes mit der Höhe größer als in der Standardatmosphäre (vgl. barometrische Höhenstufe) und damit die angezeigte Höhe zu groß. Diese Problematik kann besonders schwerwiegend bei GPS Anflügen sein (vgl. Kap. 3.5.7)

Ein weiterer Begriff der Höhenmessung ist die barometrische Höhenstufe. Sie gibt an wie-viel Meter ein Druckunterschied von einem Hektopascal ergibt. Näherungsweise kann von den folgenden Werten ausgegangen werden:

auf Meereshöhe: 8 m/hPa

ab 5500 m: 16 m/hPa

ab 11000 m: 32 m/hPa

ab 16500 m: 64 m/hPa

Aus den obigen Werten ergibt sich als Faustformel eine Halbierung/Verdopplung des Luft-drucks/Höhenstufe pro 5500 m, was bei gleicher Druckdifferenz einem mit der Höhe wach-sendem Höhenunterschied entspricht.

Neben der Höhe lässt sich mit dem Druck auch die Geschwindigkeit berechnen. Dazu wird der statische und dynamische Druck benötigt. Dabei gibt der statische Druck den Luftdruck der ruhenden Umgebungsluft an und der dynamische den Gesamtdruck aus ruhender und be-wegter Luft (potentieller + kinetischer Anteil). Nach der Bernoulli Gleichung führen Druck-änderungen zu Änderungen der Geschwindigkeit.

Kompressible Strömung [41; S. 28 ff]:

(1) .12

2

constgzpW =+

−+

ρκκ

; Bernoulli für adiabate Strö-

mung

(2)

−+=−−

∞∞

∞∞ 12

11

2

2

12

2

20

κκ

κκ

ρMa

MaWpp

∞q cp0

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(3) 10 ≥=−

∞poc

q

pp; kinetischer Druck ≥ Staudruck

⇒ (innere Reibung)

cp0 muss bei der Geschwindigkeitsmessung über einen Korrekturfaktor berücksichtigt werden.

Korrekturfaktor

11,06

1,28

1,7

2,44

0

0,5

1

1,5

2

2,5

3

0 0,5 1 1,5 2 2,5

Ma

Cp

0

cpo

Abb. 8 Korrekturfaktor cp0; [41; S. 36]

aus (2) und (3) : (4) 0

0

0

2

pc

ppW ∞

∞−

Inkompressible Strömung ( ∞=κ ) [41; S. 40.ff]:

(5) 022

22pWpWp =+=+ ∞∞

ρρ; inkompressibler Bernoulli

(6) 20 2 ∞∞∞ ==− Wqpp

ρ; Staudruck q

(7) ρ

∞∞

−=

ppW 02

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Die in den Gleichungen (4) und (7) berechneten Größen sind Geschwindigkeiten der freien Luft, also derjenigen mit der sich das Flugzeug gegenüber der Luft bewegt. Sie ist ausschlag-gebend für die aerodynamischen Vorgänge am Flugzeug und wird als wahre Geschwindigkeit (true air speed, TAS) bezeichnet. Bewegt sich das Luftfahrzeug in einer ruhenden Atmo-sphäre, so stimmt die TAS mit der Geschwindigkeit über Grund (ground speed, GS) überein. Entsprechend ist die GS bei Gegenwind (head wind) geringer und bei Rückenwind (tail wind) größer als die TAS. Damit nimmt die GS eine entscheidende Rolle bei der Navigation ein, da sich aus ihr die Flugzeit berechnen lässt. Die Zusammenhänge dieser zwei Geschwindigkeiten lässt sich anschaulich in einem Vektordiagramm (Abb. 9) darstellen.

Dabei bedeuten

VWind = Windgeschwindigkeitsvektor

VCWC = Querwindkomponente (cross wind component)

VHWC/TWC = Gegen-/Rückenwindkomponente (tail/head wind component)

vCWC vCWC

vHWC vTWC

vwind vwind

vTAS vTAS

vGS vGS

vGS < vTAS vGS > vTAS

Abb. 9 Gegen/Rückenwind

Neben der VTAS und der VGS gibt es noch eine dritte wichtige Geschwindigkeit, die angezeigte Geschwindigkeit VIAS (indicateed airspeed). Sie ist diejenige Geschwindigkeit, die der Pilot auf seinem Geschwindigkeitsmesser ablesen kann. Sie unterscheidet sich teilweise erheblich von der VTAS oder VGS, da in die angezeigte Geschwindigkeit (VIAS) mehrere Fehlerquellen eingehen:

VIAS

Instrumentenfehler: max. +/- 5 kt als Eich- und Temperaturgang Restfehler

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Statikdruckquellenfehler: entsteht aus der Schwierigkeit den statischen Druck im bewegten Flugzeug exakt zu messen (Verwirbelungen der umgebenden Struktur etc.); Fehler liegt bei +/- 5 kt oder 3% und kann über Tabellen kompensiert werden, woraus die Calibrated Airspeed erhalten wird

VCAS

Kompressibillitätsfehler: er ist abhängig von der Machzahl und muss bei Geschwindigkeiten über 200 kt und/oder Höhen über 20000 ft aufgrund der Kompressibilitätseffekte beachtet werden. Eine Korrektur führt auf die Equivalent Airspeed

VEAS

Dichtefehler: er entsteht aufgrund der mit der Höhe abnehmenden Dichte. Mit Tabellen kann dieser Fehler ebenfalls korrigiert werden, woraus sich die True Airspeed ergibt.

VTAS

Die aufgeführten Fehler werden heute in modernen Flugzeugen über die Luftdatenrechner (air data computer; ADC) korrigiert [10]. In den Abbildungen 10 und 11 sind typische Anzeigen für die Geschwindigkeiten dargestellt.

Maximale Geschwindigkeit Maximale Geschwindigkeit Machzahl

Anzeige VIAS

vorgewählte Geschwindigkeit (Autopilot)

Geschwindigkeit für Landeklappen

momentane VIAS

Geschwindigkeitszeiger speed bugs (Markierungen)

Minimalgeschwindigkeit (αmax speed)

Trendvektor der Geschwindigkeit

Geschwindigkeitsband (Speedtape) konventioneller Geschwindigkeitsmesser

Abb. 10 Anzeige der VIAS; [6]

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GS (394 kt) TAS (388kt)

Windrichtung (249°)

Windstärke (16 kt)

Flugzeugsymbol (eigene Position)

Abb. 11 Darstellung der GS, TAS und der Windrichtung und ~stärke; [6]

2.1.4.3 Temperatur

Die Temperatur (lat.: temperatura = gehörige Mischung) ist ein Maß für den Wärmezustand einer Materie. Es gibt verschiedene Temperaturskalen, die je unterschiedliche Fixpunkte ha-ben und auch verschieden eingeteilt sind: Celsius, Reamur, Kelvin und Fahrenheit sind die bekanntesten. In den Naturwissenschaften wird mit Kelvin gerechnet; in anderen Bereichen wird Celsius verwendet. Die Fahrenheit-Skala wird nur noch in Großbritannien und in den USA verwendet. In folgender Übersicht werden die für die Luftfahrt wichtigen Einheiten vor-gestellt:

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Tab.4 Temperaturen [52]

Bezugspunkte Umrechnung

Grad Celsius [°C]

0°C = Gefrierpunkt des Wassers

100°C = Siedepunkt des Wassers

Dezimalsystem

( )

CKC

FC

°−=°

⋅−°=°

15.273

9

532

Grad Fahrenheit [°F]

32°F = Schmelztemperatur von Eis

212°F = Siedepunkt des Wassers

180 gleichgroße Teile

( )32

5

15.2739

325

9

+−⋅=°

+°⋅=°

KF

CF

Kelvin [K]

0K = absoluter Nullpunkt ( )15.273

9

532

15.273

+⋅−°=

+°=

FK

CK

2.1.4.4 Wind

Mit dem Begriff Wind werden horizontale und vertikale Verschiebungen der Luftmasse ver-standen. Die Ursache des Windes sind Druckunterschiede in der Atmosphäre. Danach stellt der Wind eine vektorielle Größe dar, die nach Stärke und Richtung bestimmt ist. Die Rich-tungsinformation gibt an, aus welcher Richtung der Wind weht. Die Windstärke wird in Kno-ten (1 kt = 1.852 km/h) oder Meter pro Sekunde angegeben. Folgendes Windbeispiel besagt, dass der Wind aus 270° mit 25 kt weht.

Wind: 270/25

Die Bedeutung des Windes für die Flugführung liegt zum einen darin, dass er die Geschwin-digkeit über Grund beeinflusst und zum anderen, den Anflug von Luftfahrzeugen auf die Landebahn mit den Seitenwindkomponenten (cross wind component) beeinflusst. Die Beein-flussung der Geschwindigkeit über Grund macht sich besonders im Reiseflug bemerkbar, bei dem der Treibstoffverbrauch maßgeblich von der Rücken- oder Gegenwindkomponente ab-hängt (vgl. Abb. 9 auf Seite 20).

Bei der Planung von Start und Landebahnen werden die Richtungen der Bahnen immer in die Hauptwindrichtungen gelegt, um die an- und abfliegenden Flugzeuge möglichst geringen Sei-tenwindkomponenten auszusetzen. Der Grund liegt in einer Beschränkung der Flugzeuge für

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maximale Seitenwindkomponenten. Tabelle 5 gibt einige Beispiele zu maximal zugelassenen Seitenwindkomponenten.

Tab. 5 Seitenwindkomponenten; [11]

Seitenwindkomponente [kt] Anflugart/Wetterbedingung Flugzeugmuster 30 alle besser CAT 1 / bei tro-

ckener Bahn Boeing 737-3/5

20 CAT 1 / Sicht (RVR) < 800m bis 550 m

15 CAT 2 / Sicht (RVR) bis 300 m

10 CAT 3A / Sicht (RVR) bis 200 m

RVR = runway visual range; Entfernung, aus der gerade noch die Anflugbefeuerung sichtbar ist (vgl.Kap.2.1.7.9).

An einigen Flughäfen mit jahreszeitlich oder geographisch unterschiedlichen Windrichtungen gibt es besondere Seitenwindbahnen. Beispiele hierfür sind in Abbildung 12 gezeigt.

London Heathrow (LHR) Köln-Bonn (CGN) Hamburg (HAM)

Abb. 12 Ausrichtung von Lande- /Startbahnen (Hauptwindrichtung und Seitenwindbahn) 2.1.4.5 Wichtige Wetterphänomene für die Luftfahrt In diesem Kapitel werden einige der Wettererscheinungen erklärt, die für die Luftfahrt größe-re Bedeutung haben. Sie beeinflussen beispielsweise die Wirtschaftlichkeit im Fluge, Sicher-heit als auch die Kapazität von Flughäfen. Gewitter (thunderstorm) Voraussetzung für die Entstehung von Gewittern ist eine hochreichend feuchte und labile Luftschichtung. Durch Konvektion entstehen Gewitterwolken (Cumulonimbus [CB] Wol-ken), die bis in mehrere Kilometer Höhe reichen (in den Tropen teilweise bis in die Strato-sphäre) und Gebiete extremer Turbulenz mit Blitzschlag und starken Niederschlägen darstel-

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len. Aufgrund ihrer geringen horizontalen Ausdehnung lassen sich Gewitterwolken mit Hilfe des Wetterradars gut umfliegen. Probleme können entstehen, wenn viele Gewitter dicht ge-drängt stehen oder Gewitter um Flughäfen entstehen. Durch hohen An- und Abflugverkehr können beträchtliche Einbußen in der An-/ Abflugkapazität entstehen, was letztendlich zu Warteschleifen und Verspätungen führt. Scherwinde (wind shear) / extreme Fallwinde (downdraft/microburst) Diese Phänomene entstehen v.a. bei sehr großen Gewitterwolken mit großer Konvektivität. Abbildung 13 zeigt eine charakteristische Struktur der Microbursts.

GegenwindGegenwindGegenwindGegenwind RückenwindRückenwindRückenwindRückenwind Sehr gefährlich bei der Landung; Überschießen der Bahn!!

Gefahrengebiet für Windscherungen, da hier ein abrupter Wechsel von Gegen- auf Rückenwind stattfinden kann

Abb. 13 Wind Shear und Microburst; [42; S. 6.20/3] Im Bereich der Fallwinde (downdrafts) können so hohe Sinkgeschwindigkeiten entstehen, dass selbst Triebwerke mit Vollschub nicht mehr in der Lage sind das Flugzeug aus der Ge-fahrenzone zu bringen. Eine andere Gefahr stellen die plötzlich auftretenden Windscherungen dar. Dies sind schnelle Änderungen nach Richtung und Geschwindigkeit der Luftströmungen. Es wird in zwei Arten unterschieden: Wind shear rise = plötzliche Zunahme der Windgeschwindigkeit Wind shear drop = plötzliche Abnahme der Windgeschwindigkeit Beide Erscheinungsformen stellen eine große Gefahr für an- und abfliegende Flugzeuge dar, insbesondere bei Gegen- oder Rückenwind. Schon viele Unfälle wurden dadurch verursacht. Die Vorhersage und Erkennung durch die Piloten gestaltet sich bis heute sehr schwierig. Ver-suche zur Früherkennung basieren auf Windmessungen, Dopplereffekt und der Anwendung von Licht- bzw. Laserimpulsen (z.B. LIDAR = light detection and ranging oder TDWR =

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terminal doppler weather radar). Die momentan einzige Möglichkeit der Verhinderung von Zwischenfällen besteht in der Strategie derartige Wetterphänomene abzuwarten oder zu um-fliegen. Der Vorteil der Microburst liegt in ihrer kurzen Dauer. Starkwindbänder (jet streams) Starkwindbänder kommen in der oberen Troposphäre und der unteren Stratosphäre vor. Sie sind schmale Luftströmungen mit starken vertikalen und horizontalen Windscherungen. Diese Luftströmungen können mehrere tausend Kilometer lang sein und weisen Spitzengeschwin-digkeiten bis zu 200 kt auf. Die Ursache der Jet Streams sind extreme Temperaturgegensätze in den oberen Atmosphärenschichten. Es gibt auf der Welt mehrere Starkwindbänder, die ent-sprechend ihrer geographischen Lage benannt sind (z.B. Polarfront Jet über dem Nordatlantik von West nach Ost). In der zivilen Luftfahrt werden die hohen Geschwindigkeiten der Luft-ströme besonders auf Langstreckenflügen als Rückenwind ausgenutzt. Die Lage der Stark-windbänder hilft also Treibstoff zu sparen (Rücken – und Gegenwindaspekt) und die Flugzeit zu verkürzen [8]. Vereisung (icing) Vereisung beeinträchtigt den Flugverkehr besonders in den kalten Jahreszeiten, wenn sich an Flugzeugteilen (z.B. Triebwerke, Tragflügel etc.) am Boden oder in der Luft Eis ansetzt. Der Eisansatz entsteht zum einen durch unterkühlte Flüssigkeiten, die beim Auftreffen auf die Oberfläche ihre Energie abgeben und festfrieren, und zum anderen durch Niederschläge in Form von Schnee, Eisregen (= unterkühlte Regentropfen), Graupel etc. Die meiste Vereisung tritt bei Temperaturen zwischen 0°C bis –8°C auf (z.B. in Wolken oder Nebel) und beschränkt sich meist auf die Staupunkte (z.B. Profilnase, Antennen oder Scheiben) an Flugzeugen. Ty-pische Eisformen sind: Klareis, Rauheis und Reif. Die negative Wirkung des Eisansatzes be-ruht auf einer Verminderung des Auftriebs, Erhöhung des Widerstandes und des Gewichts sowie einer Beeinträchtigung der Steuerorgane und Motoren. Um diesen Nachteilen zu entgegnen, wurden eine Reihe von Gegenmaßnahmen entwickelt: - Wetterberatung: Lokalisierung von Vereisungszonen und deren Vermeidung im

Flug - Technische Hilfsmittel: Unterscheidung in

Mechanische Mittel: pneumatisch aufblasbare Gummibalgs zum

Absprengen des Eises an der Profilnase

Thermische Mittel: elektrische, pneumatische Beheizung der kritischen Bereiche wie z.B. Propellerblätter, Cockpitscheiben, Triebwerkseinläufe etc.

Chemische Mittel: Flüssigkeiten auf Glykolbasis zur Herabsetzung

des Gefrierpunktes von Wasser

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Allgemein wird in De-Icing und Anti-Icing unterschieden. De-Icing bezeichnet das tatsächli-che Entfernen von Eisansatz, wohingegen Anti-Icing die vorbeugende Behandlung von Ober-flächen zur Vermeidung von Eisansatz bedeutet. 2.1.5 Flugvorbereitung Die Flugvorbereitung stellt einen sehr wichtigen Bereich vor der Durchführung von Flügen dar. Hier wird die Flugstrecke nach meteorologischen, sicherheitsrelevanten und wirtschaftli-chen Gesichtspunkten optimal ausgewählt. Folgende Punkte werden behandelt:

- Windrichtungen und Stärke in den verschiedenen Höhen und am Zielflughafen. Beispielsweise darf die maximal zulässige Seitenwindkomponente (crosswind) des jeweiligen Flugzeugtyps nicht überschritten werden (Boeing 737 hat ein Limit von 30kt = 54km/h).

- Einschränkungen der Flugsicherung auf der Strecke und am Ziel bzw. Aus-

weichflughafen; z.B. zu umfliegende Sperrgebiete, Funktion von Navigationsanla-gen (Anflughilfen etc...), Hindernisse im Anflugbereich wie Kräne oder Baustel-len.

Derartige Informationen werden den Piloten bei der Flugvorbereitung über die No-tice to Airmen (NOTAM ) von der Flugsicherung zur Verfügung gestellt.

- Berechnung der Flugzeit und des Treibstoffverbrauchs im Flugplan (flight

plan) entsprechend dem Gewicht des Flugzeuges. Diese Berechnung erfolgt heute im kommerziellen Flugbereich über dafür spezialisierte Fachbereiche (= Flugpla-nung – flight dispatch) der Luftfahrtgesellschaften. Die berechneten Flugpläne können weltweit von einem Zentralrechner abgerufen werden. Die gesetzlich vor-geschriebenen Treibstoffmengen werden wie folgt eingeteilt:

Trip Fuel : Treibstoff, um von A nach B zu fliegen

Contingency Fuel : Kraftstoff für unvorhergesehene Ereignisse während des Flugablaufs z.B.: An-/Abflugverspätung, stärkerer Gegenwind als vorhergesagt, Durchstartmanöver etc. Basiert auf statistischen Durchschnittswerten für zusätzlich benötigten Kraftstoff auf der jeweiligen Flugstrecke. So beträgt der Contigency Fuel nach Frankfurt aufgrund der hohen Verkehrsdichte um die 20 Minuten, dagegen z.B. nach Nürnberg nur etwa 8 Minuten.

Alternate Fuel: Kraftstoff, um vom Zielflughafen zum Ausweichflughafen zu

Fliegen.

Final Reserve Fuel : Kraftstoff, um 30 Minuten Warteschleifen in 1500ft (450m) (Holding Fuel) Höhe am Ausweichflughafen (Fixwert) fliegen zu können

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Minimum Take Off Fuel: Mindestkraftstoff an der Startposititon auf der Startbahn

Extra Fuel: durch die Cockpitbesatzung bestimmter Zusatzkraftstoff z.B. für

zu erwartende Schließung von Landebahnen wegen Schneeräumarbeiten, oder extremen Wetterverhältnissen

Take Off Fuel: Minimum Take Off Fuel + Extra Fuel Taxi Fuel: Fixwert abhängig vom Flugzeugtyp. Er soll den

Treibstoffverbrauch für das Anlassen der Triebwerke, Rollen (taxi) zur Startbahn etc. abdecken.

Block Fuel: Kraftstoff, auf den das Flugzeug aufgetankt wird Abbildung 14 gibt die Abhängigkeiten der einzelnen Treibstoffmengen am Beispiel eines Flu-ges von Frankfurt (FRA) nach Lissabon (LIS) an.

Trip Fuel 7337 02:43

Contingency Fuel 660 00:15

Alternate Fuel 1541 00:32 Faro

Final Reserve Fuel 1281 00:30 Σ Minimum Take Off Fuel 10819 04:00 Extra Fuel 600 00:15 Σ Take Off Fuel 11419 04:15 Taxi Fuel 250 00:05 Σ Block Fuel 11669 04:20

Abb. 14 Gesetzlich geforderte Treibstoffmengen; [12]

- Kontrolle der Wettersituation am Ziel- und Ausweichflughafen, damit sicherge-stellt ist, dass eine Landung möglich ist. Hierbei zu beachtende Punkte sind die Sichtweite, Wolkenuntergrenze und Windverhältnisse. Für eine automatische Lan-dung nach Kategorie III (CAT III) sind derzeit eine Mindestsichtweite von 200 m vorgeschrieben. Würde also die gemeldete Sicht niedriger sein, wäre ein Anflug gesetzlich nicht zulässig (weitere Informationen zu Wetterminima siehe Kap. 2.1.7.9 ).

-

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2.1.6 Flugsicherung Die Flugsicherung stellt diejenige Bodeneinrichtung dar, die für die reibungslose und sichere Führung der Flugzeuge in der Luft zuständig ist. Über den aufzugebenden Flugplan erfährt die Flugsicherung auf welchen Routen die Flugzeuge wann fliegen möchten. Der Flugplan muss mindestens eine Stunde vor der geplanten Abflugzeit aufgegeben werden. Anschließend findet eine Selektion entsprechend der Kapazität der einzelnen durchflogenen Sektoren statt. Kommt es dabei an einer Stelle zu Engpässen werden sogenannte Startfenster (slots) verge-ben. Diese Startfenster stellen einen fünfzehnminütigen Zeitraum dar, in der das betroffene Flugzeug gestartet sein muss. Typische Gründe für die Slots sind überfüllte Lufträume oder Personalmangel in einer Flugsicherungsstelle. Bei der Kontrolle über den Luftverkehr bedienen sich die Lotsen der Hilfe des Radars (vgl Kap. 3.7). Dabei überwacht je ein Zweierteam von Fluglotsen einen bestimmten Luftsektor, so dass auf seinem Streckenflug ein Flugzeug von einem zum nächsten Kontrollsektor weiter-gereicht wird. Dabei werden die Informationen über die einzelnen zu überwachenden Flug-zeuge auf sogenannten Kontrollstreifen festgehalten, die jedem Sektor zur Verfügung stehen. Auf diesen Ausdrucken (vgl. Abb. 15) findet der Lotse die für seinen Sektor wichtigen Daten (z.B. Höhe, Ankunftszeit an bestimmten Wegpunkten etc.)

Startflughafen (Düsseldorf/EDDL) Abflugzeit Flugzeit zw. DKB vorauss. Flugzeit zw. Funkrufzeichen/Flugnummer und WLD Frankfurt (FFM) und Dinkelsbühl (DKB) gewünschte Flugzeugtyp vorhergehender Flugfläche (FL) Meldepunkt (FFM) Zielflughafen (München/EDDM)

3

230 A 320 LH 848 470

FFM

DKB

WLD

0545 EDDL EDDM B1 3 FFM R9 MIQ

geplante Reisegeschwindigkeit nächster Meldepunkt Meldepunkt auf den Streckenführung Knoten (Walda/WLD) sich der Meldestreifen bezieht Abb. 15 Kontrollstreifen der Lotsen; [23; S. 326] Einen Überblick der Kontrollsektoren gibt folgende Darstellung: Rollkontrolle (ground oder apron) Überwachung und Steuerung des Verkehrs auf

dem Flughafen bzw. Vorfeld Turm (tower) Erteilung von Start - und Landeerlaubnissen,

sowie Überwachung des Verkehrs in der Kon-trollzone (Luftraum D; vgl. Abb.2 auf Seite 8)

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Abflugradar (departure) Überwachung und Steuerung des abfliegenden Verkehrs

Streckenflugradar (radar) Überwachung und Steuerung der Luftfahrzeuge

im Reiseflug Anflugradar (arrival/aproach) Überwachung und Steuerung des anfliegenden Verkehrs, insbesondere der Führung (z.B. radar

vector) der Flugzeuge auf das Instrumenten- landesystem (ILS)

Turm (tower) Abb.16 Aufteilung von Kontrollsektoren und Übergabereihenfolge der Flugzeuge Für die sichere Führung (z.B. Vermeidung von Zusammenstössen, Wirbelschleppen etc.) der Flugzeuge arbeiten die Fluglotsen mit sogenannten Staffelungsverfahren (separation procedures). Dabei wird das Flugzeug zu anderen Luftfahrzeugen horizontal und vertikal gestaffelt. Je nach Flugphase (z.B. An-/Abflug, Streckenflug) werden unterschiedliche Staffelungsverfahren angewendet. In Abbildung 17 wird ein kurzer Überblick über die wichtigsten Staffelungsverfahren gegeben.

COMPOSITE SEPARATION WAKE TURBULENCE SEPARATION

Staffelungsverfahren (separation)

VERTICAL SEPARATION HORIZONTAL SEPARATION RADAR SEPARATION

Abb. 17 Staffelungsverfahren [13; S. 260ff]

Heavy aircraft: Flugzeuge mit mehr als 136 t Gewicht (z.B. B 747 / A340) Medium aircraft: Flugzeuge mit einem Gewicht zwischen 7 t und 136 t (z.B.

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A320/321 oder B737) Light aircraft: Flugzeuge mit weniger als 7 t Gewicht (z.B. C 172, King Air) Abb. 18 Wirbelschleppenstaffelung (WAKE TURBULENCE SEPARATION) [13; S. 260ff]

1000 ft (300m) unter FL 290 (8850m) 2000 ft (600m) über FL 290*

* Reduced Vertical Separation (RVSM) Luftraum über z.B. Teilen von Europa und dem Nordatlantik; zur Erhöhung der Luftraumkapazität wird über FL 290 die vertikale Staffelung auf 1000ft reduziert Abb. 19 Vertikale Staffelung (VERTICAL SEPARATION) [13; S. 260ff] Zeit

Longitudinal Distanz Horizontale Staffelung Geographisch Lateral Kurs Abb. 20 Horizontale Staffelung (HORIZONTAL SEPARATION) [13; S. 260ff]

3-5NM horizontaler Abstand zwischen 3 und 5 NM; abhängig von Höhe und Entfernung zur Radar-station abhängig Abb. 21 Radarstaffelung (RADAR SEPARATION) [13; S. 260ff]

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Composite Staffelung = Vertikale Staffelung + laterale Staffelung Abb. 22 Composite Staffelung (COMPOSITE SEPARATION) [13; S. 260ff] Die geringste Staffelung in der Praxis sind 1000 ft vertikaler Abstand und 3 NM horizontaler Abstand. Unter bestimmten Auflagen (Sicht, Wolkenuntergrenze, Sichtkontakt zu anderem Flugzeug) dürfen diese Werte im Nahbereich von Flughäfen zur Kapazitätssteigerung unter-schritten werden (z.b. Anflug Frankfurt) 1000 ft

3 NM Abb. 23 Minimalabstand bei der Staffelung [13; S. 260] 2.1.7 Navigation Navigation als Wissenschaft ist im wesentlichen ein Teilgebiet der angewandten Mathematik und der Physik. Ihre Bedeutung wächst mit der steigenden Mobilität des Menschen immer mehr. Seit 1940 hat die Bedeutung der Navigation ebenfalls im militärischen Bereich stark an Bedeutung zugenommen. Heute nimmt die Navigation einen nicht mehr wegzudenkenden Bereich auf allen Transportmitteln zu Wasser (Schiffe, U-Boote) zu Lande (Autos, Militär-truppen) und in der Luft (zivile/militärische Flugzeuge, Raketen, Drohnen) ein. Die Navigati-on ist wie folgt definiert [14]: „ Navigation ist die Führung eines Fahrzeugs und die Bestimmung seines Standorts “ In der Praxis hat diese Definition folgende zwei Bedeutungen [15]:

1. Möglichst exakte Bestimmung der Position und Geschwindigkeit relativ zu einem Bezugspunkt.

2. Planung und Durchführung von Manövern (z.B. Flugmanöver), die notwendig sind,

um von einem Punkt zu einem anderen Punkt zu gelangen. Aus der Zweckbestimmung des Transportmittels ergeben sich die Voraussetzungen, unter denen ein Flug zwischen zwei Punkten durchgeführt werden soll. Dabei spielen die Zeit (z.B.

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schnell oder langsam fliegen) die Wirtschaftlichkeit (z.B. möglichst wenig Treibstoff verbrauchen) und die Genauigkeit der Navigation eine wichtige Rolle. Beispielsweise besteht in der zivilen Verkehrsluftfahrt die Aufgabe darin, sein Ziel durch eine Kombination von Zeit-, Wirtschaftlichkeits- und Genauigkeitsaspekten zu erreichen. Dem Aspekt der Wirt-schaftlichkeit wird dabei besondere Bedeutung zugemessen. Wird dagegen ein militärischer Einsatz betrachtet, spielt der Zeit- und Genauigkeitsaspekt eine dominierende Rolle [16; S. 3ff]. Neben der Planung und Führung ist die Orts- und Geschwindigkeitsbestimmung ein wichtiger Teil der Navigation. Dabei wird prinzipiell in zwei Hauptgruppen unterschieden:

Koppelnavigation (dead reckoning)

Navigation

Positionsbestimmung durch Messung (fixing)

Abb. 24 Hauptgruppen der Navigation [16; S.4]

Koppelnavigation: Von einer bekannten Ausgangsposition wird unter

(dead reckoning) Zugrundelegung von Richtung (direction), Geschwindigkeit (speed) und Zeit (time) der augenblickliche Standort errechnet. Damit hängt die Genauigkeit des so ermittelten Ortes davon ab, wie genau die Ausgangsposition und die Parameter für die Berechnung sind [16].

Positionsbestimmung

durch Messung: Hier ist es nicht notwendig zu wissen, wo sich das Flugzeug

(fixing) zuvor befunden hat bzw. in welche Richtung es sich momentan bewegt. Bei dieser Art der Positionsbestimmung ist es jedoch er-forderlich, zu wissen, wo sich der Bezugspunkt befindet, auf den sich die Messung bezieht. Das Fixing kann also immer nur eine relative Navigation sein, insofern als im Einzelfall nur gesagt werden kann, dass sich das Flugzeug in einer bestimmten Rich-tung und Entfernung zu einem Bezugspunkt befindet [16].

Bei der Positionsbestimmung durch Messung wird ein geometrischer Ort festgelegt (Gerade, Kreis oder Hyperbel), auf dem sich das Flugzeug gerade befindet. Dieser geometrische Ort wird als Standlinie (line of position, LOP oder Area of position) bezeichnet. Eine Standlinie

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ist somit die Gesamtheit aller Orte, für die ein Messwert konstant ist. Abbildung 25 gibt einen Überblick über die Hauptgruppen der Standlinien. Astronomische Standlinie Standlinie Funkstandlinie Terrestrische Standlinie Abb. 25 Standlinien [16; S. 5] In der Praxis geschieht die Führung und Ortung von Flugzeugen in aller Regel wechselweise durch Koppelnavigation und Positionsbestimmung durch Messung (Fix Monitored Dead Reckoning) [14]. Innerhalb der Navigationsverfahren kann zwischen unterschiedlichen Arten der Navigation unterschieden werden. Tabelle 6 gibt einen Überblick über die allgemeinen Verfahren. Tab. 6 Navigationsverfahren und ~arten [35]

KoppelnavigationsverfahreKoppelnavigationsverfahreKoppelnavigationsverfahreKoppelnavigationsverfahrennnn

Navigationsart Anwendung autonom/

bodenunabhängig Trägheitsnavigation* Kurz-, Mittel- und Langstre-

ckennavigation ~ Doppler-Navigation Kurz-, Mittel- und Langstre-

ckennavigation ~

Flächennavigation

Moderne Navigation zur op-timierten Nutzung des Luft-raums auf Kurz-, Mittel- und Langstrecke

Konventionelles Koppeln nach Sicht und mit Hilfe von Richtung, Zeit, Geschwindig- keit, Höhe und Wind

Sichtflugnavigation in der allgemeinen Luftfahrt (VFR)

Positionsbestimmung durch Messung (fixing)Positionsbestimmung durch Messung (fixing)Positionsbestimmung durch Messung (fixing)Positionsbestimmung durch Messung (fixing)

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bodenabhängig Navigationsart Anwendung ~ Funknavigation (VOR, NDB,

LORAN, OMEGA...) Kurz-, Mittel- und Langstre-ckennavigation

~ Astronavigation Polar- und Langstreckenflüge ~ Sichtnavigation terrestrische

Navigation) Flüge in niedrigen Höhen bei gutem Wetter (VFR)

~

Satellitennavigation

Nutzung v.a. in Verbindung mit Flächenavigation; große Verbreitung in der allgemei-nen Luftfahrt mit Handgerä-ten

* in der Praxis ist die Trägheitsnavigation aufgrund ihrer Korrekturen (up dates) mit Hilfe von bodengestützten Anlagen (z. B. DME) nicht mehr als autonom anzusehen 2.1.7.1 Grundlegende Begriffe in der Navigation In diesem Kapitel sollen einige wichtige Grundbegriffe aus der Flugnavigation erklärt wer-den, die den daran anschließenden Stoff leichter verständlich machen.

Geschwindigkeit: Unterteilung in wahre Geschwindigkeit gegenüber der Luft (TAS),

[kt oder km/h] angezeigte Geschwindigkeit (IAS) und Geschwindigkeit gegenüber Grund (GS; vgl. auch 2.4.1.2 Druck)

Höhe [m oder ft]: Unterteilung in Flugfläche (FL), Höhe über Grund (Height), Höhe über MSL (Altitude), Druckhöhe (Pressure Altitude - PA) und Flugplatzhöhe über MSL (Elevation - ELEV; vgl. Kap.2.4.1.2 Druck)

Kurs [°]: Angabe von Richtungen im geographischen (NED, north-east-down) Koordinatensystem. Die Hauptbezugsrichtung ist Norden, und wird in geographisch (true north, TN/T), magnetisch (magnetic north, MN/M) und Kompass (compass north, CN/C) Nord unterschieden. Abbildung 26 gibt die Zusammenhänge der einzelnen Nordrichtungen an, die vom Piloten während der Flugplanung und dem Flug selbst berücksichtigt werden müssen.

Magnetisch Nord ist dadurch bedingt, dass der magnetische Nordpol

nicht mit dem geographischen Nordpol übereinstimmt. Der magnetische Nordpol unterliegt geringfügigen Schwankungen und liegt zur Zeit im Bereich der Prince of Wales Inseln im nördlichen Teil der Nordwest Territories in Kanada [53].

Kompass Nord entsteht durch die Instrumentenfehler im Kompass. Die

wichtigsten Fehler sind:

systembedingte Fehler durch Inklination und Deklination

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Einbaufehler: Deviation durch magnetische Störfelder anderer In-strumente

Instrumentenfehler: Lagerreibung Betriebsfehler: Beeinflussung der Anzeige durch Beschleunigung

(z.B. im Kurvenflug oder bei Änderungen der Schubhebelstellung)

Derartige Fehler treten hauptsächlich bei den einfachen Flüssig- keitsgeräten (im Volksmund auch Schnapskompass genannt) auf. In modernen Flugzeugen ist der Richtungsbezug magnetisch Nord.

TN

MN CN VAR DEV - + VAR = Variation oder auch Ortsmissweisung (OM) DEV = Deviation Vorzeichenregel:

Abweichung nach: Westen Osten Vorzeichen: - + Westen Osten (West is best – East is least) Abb. 26 Verschiedene Nordrichtungen Neben den Bezugsrichtungen TN, MN und CN gibt es eine zweite Unterscheidung in den Kursangaben:

Course (C) = geplanter Kurs über Grund Heading = Steuerkurs den der Pilot mit seinem Flugzeug (HDG/H) fliegt (Richtung der Flugzeuglängsachse)

Track = tatsächlicher Kurs den das Flugzeug über Grund (T) zurücklegt

Aus diesen beiden Unterscheidungen ergeben sich die unterschiedlichen Kurse (vgl. Abbil- dung 27): TT, TH, TC, MC, MH, MT, CC, CH, CT

Vorhaltewinkel:Vorhaltewinkel:Vorhaltewinkel:Vorhaltewinkel: Der Windvorhaltewinkel (wind correction angle, WCA) korrigiert den

(WCA)(WCA)(WCA)(WCA) Windversatz und führt im Idealfall dazu, dass der geplante Kurs (Cour-se, C) mit dem tatsächlichen Kurs über Grund (track, T) übereinstimmt (vgl. Abbildung 27). Der WCA ist also der Winkel zwischen geplantem Kurs und dem Steuerkurs des Flugzeugs.

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Driftwinkel:Driftwinkel:Driftwinkel:Driftwinkel: Der Driftwinkel (drift angle) gibt den Unterschied zwischen dem

(DA)(DA)(DA)(DA) Steuerkurs (Course, C) und dem tatsächlichen bzw. geplanten Kurs über Grund (track, T bzw. course, C) an (vgl. Abbildung 27). Sollte die Be-rechnung des Windvorhaltewinkels nicht korrekt gewesen sein, setzt sich der Driftwinkel aus erwarteter und zusätzlicher Drift zusammen.

Großkreis:Großkreis:Großkreis:Großkreis: Kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten auf einer Kugel; im

(Orthodrome)(Orthodrome)(Orthodrome)(Orthodrome) Gegensatz dazu ist die Gerade in einer Ebene die kürzeste Entfernung zwischen zwei Punkten. Der Großkreis ergibt sich als Schnittfigur zwi-schen einer Kugel und einer Ebene, die den Kugelmittelpunkt enthält.

Kursgleiche:Kursgleiche:Kursgleiche:Kursgleiche: Verbindungslinie zwischen zwei Punkten auf der Kugel, die unter kon-

(Loxodrome)(Loxodrome)(Loxodrome)(Loxodrome) stantem Kurs geflogen werden kann.

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TN MN Wind CN DEV (+) VAR/ OM (+) CT CC CH MC MH MT TC TH DAe

WCA DAz TT

DA = DAe + DAz ; DAe = erwartete Drift DAz = zusätzliche Drift im Idealfall gilt DA = - WCA = DAe

Berechnung der Steuerkurse (Heading, H):

WCAWESTOSTDEVVARTHCH

WCAWESTOSTVARTHMH

WCATCTH

+−+−−+−=+−+−=

+=

)/()/ WEST(OST

)/(

Vorzeichen WCA: < 0 (Wind von links); > 0 (Wind von rechts) Die Berechnung der übrigen Kurse (Track und Course) ergeben sich aus obiger Abbildung Beispiel: TC (=TT) = 090°, WCA = 5°, VAR = -3°; DEV = +1° TH = 090° + 5° = 095° MH = 090° – (-3°) + 5° = 092° CH = 090° - (-3°) – 1° + 5° = 097

Abb. 27 Kursbezeichnungen

TC/TT

WCA

TH Wind

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2.1.7.2 Astronavigation Bei der Astronavigation (astronomical or celestial navigation) erfolgt die Standortbestimmung durch die Höhenbeobachtung von Gestirnen an der Himmelskugel. Dieses Verfahren stammt ursprünglich aus der Seefahrt und verwendet als Hilfsmittel einen Sternenalmanach sowie einen Sextanten. Mit dem Sextanten wird der Elevationswinkel vom Horizont zum Stern be-stimmt, woraus sich eine elliptische Standlinie (LOP) um den Fußpunkt des anvisierten Sterns ergibt (vgl. Abb. 28). Durch Wiederholung dieser Prozedur mit einem zweiten Stern ergibt sich eine zweite Standli-nie (LOP), die sich mit der ersten in zwei Punkten schneidet. Mit Hilfe von Daten aus dem Sternalmanach lässt sich diese Zweideutigkeit der Position ausschließen. p H0 p+H0

H LOP Radius d d

Fußpunkt des an-gepeilten Sterns

90°- H0 – p LOP R0 Erde d = R0 (90°- H0 – p); R0 = 6371 km Abb. 28 Astronavigation

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2.1.7.3 Doppler-Navigation Das Dopplerradar ist eine spezielle Form des Radars, mit dem vom Flugzeug aus die Ge-schwindigkeit über Grund und die Abdrift bestimmt und kontinuierlich angezeigt werden. Das Dopplerradar kann mit Navigationscomputern oder anderen Navigationssystemen kombiniert werden. Doppler wurde in den 60er und 70er Jahren verwendet (z.B. B707 auf Polflügen), spielt aber in der heutigen Verkehrsluftfahrt keine Rolle mehr. Die Grundlage dieser Anlagen basiert auf dem Doppler-Effekt.

±=c

vff R

SE 1 fE = empfangene Frequenz

fS = gesendete Frequenz; c = Geschwindigkeit der Funkwelle

Annäherung: + (fE > fS); Entfernung: - (fE < fS) 2.1.7.4 LORAN LORAN (long range navigation) ist ein Langstreckensystem, das ursprünglich aus der See-fahrt, insbesondere bei der Führung von U-Booten, stammt. Vorgänger ist das LORAN A, das eine geringere Reichweite und Genauigkeitsfehler hatte. LORAN C arbeitet im relativ stabi-len Niederfrequenzband und kann sehr große Strecken bis 5200 km abdecken (+/- 4.6 km). Eine Weiterentwicklung ist LORAN D (militärisch), das eine größere Genauigkeit aufweist (+/- 183 m). LORAN hat in der kommerziellen Luftfahrt keine Bedeutung mehr und wird nur noch vereinzelt in der allgemeinen Luftfahrt in den USA angetroffen. LORAN gehört zu den Hyperbelverfahren. Bei ihnen erfolgt die Standortbestimmung eben-falls mittels zweier Standlinien (LOP), die aber jetzt keine Geraden sondern Hyperbeln (Li-nien konstanter Abstandsdifferenz von zwei gegebenen Punkten) sind. Um einen Fixpunkt bestimmen zu können, braucht das LORAN C System ein Netz oder eine Kette von mindes-tens drei Stationen. Eine davon ist Hauptstation (master) und die anderen zwei sind Sekundär-stationen (slave). Der Master sendet eine ununterbrochene Folge von niederfrequenten (100 kHz) Impulsen , die die Sekundärstationen veranlassen ähnliche Signale auszustrahlen. Der LORAN C Empfänger entschlüsselt alle diese Signale, trennt die Haupt- von den Sekundär-signalen, berücksichtigt den Zeitverlust bis zum Auslösen der Sekundärsignale und berechnet dann die Zeitunterschiede zwischen dem Eingang der Haupt- und der einzelnen Sekundärsig-nale. Befindet sich beispielsweise ein Flugzeug gleich weit von der Hauptstation und einer Sekun-därstation, treffen die Signale gleichzeitig ein. Da sich elektromagnetische Wellen mit Licht-geschwindigkeit (c ~ 300000 km/s) ausbreiten, lassen sich die Zeitmessungen bzw. Zeitdiffe-renzen direkt in Entfernungen umrechnen. Daraus ergeben sich die Linien konstanter Ab-standsdifferenz (Hyperbeln; vgl. Abb. 29). Mit einer zweiten Station ergibt sich eine weitere Standlinie, die mit der ersten Schnittpunkte bildet, die die augenblickliche Position des Flug-zeuges darstellen [19].

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Abb. 29 Hyperbelnavigationsverfahren LORAN C [19; S. 40] 2.1.7.5 OMEGA/VLF OMEGA/VLF ist ein Langstreckensystem, das im Bereich der Längstwellen (VLF) mit sehr niedrigen Frequenzen (unter 30 kHz) arbeitet. Genaugenommen werden zwei Systeme unter-schieden: OMEGA : System für Flugnavigation (amerikanische Küstenwache); 8 Sender VLF : leistungsstarkes Kommunikationssystem (ursprünglich von der US Navy) mit bis zu 1000 kW Sendeleistung bei 7 Sendern. Die Sender versorgen einen Umkreis bis zu 20000 km mit Signalen. Jeder der acht OMEGA Stationen sendet ein Reihe von drei Frequenzen, die immer in der gleichen Reihenfolge und mit gleichem Zeitabstand zwischen den Frequenzen, aber unterschiedlichem Zeitabstand nach der letzten Frequenz (vor Beginn des neuen Zyklus), gesendet werden. Der OMEGA Emp-fänger kann jede Station an ihrem Sendeschema identifizieren. Weiterhin benutzt der Emp-fänger das einmalige Muster einer Station, um den Phasenunterschied zwischen Sendung und Empfang zu messen. Aus den Phasenunterschieden werden hyperbolische Standlinien entwi-ckelt (ähnlich LORAN). Der weitere Weg der Positionsbestimmung soll hier wegen der Komplexität nicht weiterverfolgt werden. Typische Stichpunkte sind die Betriebsarten “Abso-lut“ und “Relativ“, Hyperbelbahnen etc.

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Abb. 30 OMEGA/VLF [19; S.147]; OMEGA sendet Signale in alle Richtungen, die ein Muster konzentrischer Kreise bilden. Die Schnittpunkte beider Muster bilden hyperbolische Standlinien. 2.1.7.6 VOR Die Bezeichnung VOR leitet sich aus dem Begriff Very High Frequency (VHF Bereich) Om-nidirectional Range ab. Eine VOR ist eine Bodennavigationsanlage, mit deren Hilfe der Flug-zeugführer seine relative Position (Richtung) zu ihr bestimmen kann. Ist die VOR mit einem Entfernungsmessgerät gekoppelt, erhält der Pilot zusätzlich noch eine Entfernungsangabe zur Station. Die genaue Funktionsweise der VOR wird in Kapitel 3.1 erläutert. Im folgenden wer-den kurz wichtige Verfahren im Umgang mit der VOR dargestellt. VOR – Informationen können im Cockpit auf dreierlei Arten angezeigt werden: Radiomagnetischer Anzeiger (radio magnetic indicator, RMI ), Kursabweichanzeiger (course deviation indicator, CDI ) und einem Flugweganzeiger (horizontal situation indicator, HSI). Der modernste der drei Geräte ist der HSI, der dem Piloten die beste Orientierung mit der VOR ermöglicht. Der RMI ist ein sehr einfach abzulesendes Gerät, bedarf aber bei seiner In-terpretation einiger räumlicher Vorstellungskraft und Übung. Der CDI ist ein günstiges Gerät und wird hauptsächlich in der allgemeinen Luftfahrt verwendet. Die Positionsbestimmung relativ zur VOR Station lässt sich mit Hilfe von Standlinien (LOP), die von der Bodenstation zusammen mit dem Bordempfänger dem Piloten dargestellt werden, durchführen. Es wird dabei in 360 LOPs unterschieden, entsprechend den 360 Grad der Kom-passrose. Diejenigen Linien, die von der VOR Station weglaufen heißen Radiale (radials; FROM Anzeige), diejenigen, die auf die Station zulaufen heißen Radial Inbound (TO Anzei-ge). Mit Hilfe der VOR Bordgeräte (RMI, CDI, HSI) bestimmt der Pilot seine Position relativ zur Bodenstation und kann anschließend auf einem gewünschten Radial zu oder von der Sta-tion wegfliegen (vgl. Abb. 31). Fliegt ein Flugzeug auf dem Radial 090 (Radial 090 einge-stellt), dann fliegt der Pilot in Richtung 090° mit einer FROM Anzeige von der Bodenstation weg (FROM). Fliegt das Flugzeug im umgekehrten Fall mit 270° (Radial 270 eingestellt) auf

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die Station zu (TO), so fliegt der Pilot auf dem Radial 090 inbound mit einer TO Anzeige. Die folgende Abbildung gibt einen Einblick in die Nutzung der VOR Navigation.

MN FROM 120° Radial 300 VOR Radial 120 (FROM) bzw. Radial 300 (TO)

Einstellung: Radial mit FROM Anzeige; das Flugzeug befindet es sich auf einer LOP mit der Richtung des Radials von der Station weg (from station); hier auf einer LOP 120° von der Station weg, d.h. Radial 120 eingestellt

TO Einstellung: Radial mit TO Anzeige; das Flugzeug befindet sich auf einer LOP mit der Richtung des Ra-dials zur (to) Station; hier auf einer LOP mit Richtung 300° auf die Station zu, d.h. Radial 300 eingestellt Abb. 31 VOR Navigation – Radial/TO/FROM VOR’s dienen bis heute dazu Flugstraßen (airways) und Anflüge mit Radialen festzulegen (vgl. Abb. 32). In heutigen Verkehrsflugzeugen wird die Navigation mit VOR’s unbedeuten-der und durch die Trägheits- und die Satellitennavigation bzw. integrierte Navigationssysteme ersetzt.

Radial 020 von der Station EUR (Eurach)

Radial 252 Inbound zur Station EUR (= 072° zur Station) Abb. 32 Flugstraßen auf Basis von VORs (Radiale)

90°

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2.1.7.7 NDB Unter einem NDB wird ein ungerichtetes Funkfeuer (non directional beacon; NDB) verstan-den. Die NDB’s stellen die einfachsten und billigsten Funknavigationsanlagen dar. Die Aus-wertung der Signale erfolgt an Bord über einen Radio Kompass mit feststehender (fixed scale) bzw. drehbarer (moving dial indicator; MDI) Skala und einem RMI (radio magnetic indica-tor). Der Radio Kompass ist ein Gerät mit einer feststehenden/drehbaren 360° Skala, dessen Null-marke die Flugzeuglängsachse symbolisiert (vgl. Abb. 33). Die von den NDB Signalen ge-steuerte Nadel weist immer in Richtung zur NDB Bodenstation. Der Winkel zwischen Flug-zeuglängsachse und der Richtung zur Station wird als Seitenpeilung oder relative bearing (RB) bezeichnet. Mit diesem Winkel kennt der Pilot seine Richtung zum NDB bezogen auf die Flugzeuglängsachse. Möchte er jetzt zur Station fliegen, müsste er so fliegen, dass das RB zu Null wird, d.h. nach vorne in Richtung der Flugzeuglängsachse zeigt. Abbildung 33 zeigt das Prinzip der Navigation mit dem NDB (fixed scale):

MN MH = 050° MH QDM RB = 55°

QDR

NDB Station

000 (Flugzeuglängsachse) fixed scale Anzeige

55 MH + RB = QDM (Richtung, die man fliegen müsste, um zur Station zu gelangen) hier: 050° + 55° = 105° (QDM) Gegenrichtung QDR: QDR = QDM +/- 180° hier: 105° + 180° = 285° Abb. 33 Navigation mit NDB – QDR/QDM

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Der RMI ist ein kombiniertes Gerät aus Magnetkompass und Radio Kompass. Er hat den gro-ßen Vorteil, dass er direkt an seiner Nadelspitze das QDM und am Nadelende das QDR an-zeigt. MH 050° 105° QDM 285° QDR Abb. 34 Prinzip der RMI Anzeige 2.1.7.8 DME DME (distance measuring equipment) ist ein Entfernungsmessgerät und gibt dem Piloten zu-sätzlich zur Richtungsinformation durch z.B. VOR oder NDB eine Entfernungsinformation relativ zur DME Station. DME’s kommen fast ausschließlich in Verbindung mit VOR Statio-nen oder Instrumentenlandesystemen vor, wodurch eine eindeutige Positionsbestimmung (Richtung und Entfernung) möglich ist. Die Anzeige im Cockpit ist eine kombinierte Anzeige von Richtungs- und Entfernungsinformation. DME misst die direkte (geradlinige) Entfernung zwischen Flugzeug und Bodenstation, die als Schrägentfernung (slant range) bezeichnet wird. Daraus resultiert ein unvermeidlicher Fehler im Vergleich zur Entfernung zur Station über Grund (vgl. Abb. 35), die den Piloten interes-siert. Je näher ein Flugzeug zur DME Station kommt und je höher es fliegt, um so größer ist die Differenz zwischen Schrägentfernung und der Entfernung über Grund. Weiter entfernt und / oder in niedrigen Höhen ist diese Differenz minimal. Beispielsweise liegt der Fehler in einer Höhe von 5000 ft und einer Entfernung von 35 NM unter 0.1 NM (= 185 m) und bei 41 NM und in Flugfläche 410 bei ca. 0.6 NM (= 1.111 km). Entsprechend den ICAO-Empfehlungen, Annex 10, sollte der Fehler bis zu einer Distanz von 200 NM nicht größer als +/-0.5 NM bzw. +/-3 % der gemessenen Distanz sein, der höhere Wert zählt. Direkt über der Station entspricht die angezeigte Entfernung der Flugzeughöhe über der Station angezeigt in Nautischen Meilen. Der DME Empfänger kann mit Hilfe der Laufzeitmessung die Geschwin-digkeit über Grund ermitteln, die z.B. beim Bestimmen von Sinkraten für Anflüge wichtig ist [33; S.92ff].

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slant range R Höhe über der Station in NM (6100 ft = 1NM) H X DME Station H = Flughöhe z.B. 30000 ft (4.94 NM) R = slant range = 10 NM X = Entfernung über Grund (actual range)

NMX

HRX

HRX

69.8

22

222

=−=

−=

Abb. 35 Schrägentfernung beim DME Entsprechend dem Fehler bei der Schrägentfernung ist die Geschwindigkeit ebenfalls mit ei-nem Fehler behaftet. Nähert sich das Flugzeug der Station, d.h. nimmt der Entfernungsfehler zu, so sinkt die ermittelte Geschwindigkeit, da die Entfernung nicht mehr so schnell abnimmt wie ohne bzw. mit nur sehr kleinen Fehler. Eine weitere Anwendung des DME ist die Positionsbestimmung mit Hilfe dreier Entfer-nungskreise von DME Bodenstationen. Dieses Verfahren ist unter dem Begriff Rho-Rho-(-RHO) Navigation bekannt. Dabei steht der griechische Buchstabe Rho für die Entfernung (range) [19; S. 50ff]. Das Prinzip der Rho-Rho Navigation ist in Abbildung 36 dargestellt.

Abb. 36 Zwei Kreise schneiden sich in zwei Punkten. Erst der Schnitt mit einem dritten Kreis ergibt den Fixpunkt; [19; S.53]

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2.1.7.9 Der Anflug Die verschiedenen Anflugarten dienen dazu, das Flugzeug von seinem Reiseflug sicher zur Landebahn des Zielflughafens zu führen. Es wird in zwei Kategorien unterschieden:

Präzisionsanflüge z.B. ILS (precision approaches)

Anflugverfahren (approach procedures) Nicht-Präzisionsanflüge z.B. NDB/VOR Approach (non precision approaches) Abb. 37 Anflugverfahren Die Präzisionsanflüge sind dadurch charakterisiert, dass sie dem Piloten eine sehr genaue ho-rizontale und vertikale Führung seines Flugzeuges ermöglichen. Die Nicht –Präzisionsanflüge hingegen erlauben nur eine horizontale Führung mit deutlich geringerer Genauigkeit. Als universellstes Allwetterverfahren kommt heute das Instrumentenlandeverfahren (ILS) zum Einsatz. Das ILS leitet das Flugzeug auf einem Landekurs (localizer), der verlängerten Landebahnrichtung, und einem Gleitweg (glide path), meistens 3 Grad gegenüber der Lande-bahn, zum Aufsetzpunkt. In Tabelle 7 werden beispielhaft einige Wetterbedingungen für die jeweilige Anflugart aufgelistet. Die Entscheidungshöhe ist die Höhe, in der der Pilot die Lan-debahnbefeuerung spätestens sehen muss. Ist die Befeuerung nicht sichtbar muss ein Durch-startmanöver (go around) eingeleitet werden, und zum Ausweichflughafen geflogen oder bei genügend Treibstoffvorrat auf besseres Wetter in einer Wartschleife gewartet werden. Tab. 7 Anflugminima Entscheidungshöhe (decision

height, DH bei ILS bzw. minimum desent heigth, MDH bei NDB o. VOR)

Sichweite der Landebahnbefeue-rung (runway visual range, RVR)

Precision Approach (z. B ILS) CAT 1 CAT 2 CAT 3 A/B/C

200 ft 100 – 120 ft 15 – 50 ft / 15 – 22 ft / 0 ft

min. 550 m min. 300 m min. 200m / min. 125 m / 0 m

Non Precision Approach (z. B. NDB, VOR Approach)

400 – 650 ft 1200 – 2000 m

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Voreinflugzeichen (outer marker; OM) Wegpunkt (waypoint) als zusätzliche Höhenkontrolle

verlängerte Anfluggrundlinie (Richtung 262°) auf der das Flugzeug mit Hilfe des Landekurs-senders (localizer) entlang fliegt.

nördliche Lande-/ Startbahn in München Abb. 38 ILS Landekurs; [34] Landekurs (localizer) 262°

Landebahn Outer Marker (LOM); Kontrollhöhe 2680 ft Beginn des Gleitweges bei 12.1 NM und

5000 ft MSL (GUDEG); Neigungswin-kel 3° (3 NM ~ 1000 ft)

Höhenangaben beziehen sich auf MSL; Flugplatzhöhe über MSL 1470 ft Abb. 39 ILS Gleitweg; [34]

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2.1.7.10 Radarnavigation Radarnavigation wird sowohl im militärischen als auch im zivilen Bereich angewandt. Typi-sche militärische Anwendungen sind im Tiefflug (terrain following radar), Luftbetankung oder im Formationsflug in Wolken zu finden. In diesem Kapitel soll sich auf die zivilen bo-dengestützte Radarnavigation beschränkt werden. Beispiele für das Militär werden später in Kapitel 4.6 behandelt. Die Radarnavigation durch den Fluglotsen umfasst mehrere Aufgabenbereiche [24]: Flugverkehrskontrolle (air traffic control service; ATC) Fluginformationsdienst (flight information service; FIS) Alarmdienst (alerting service) Der Flugverkehrskontrolldienst befasst sich mit der Kontrolle und Führung der Flugzeuge im Reiseflug, Anflug und Abflug. Es wird dabei in verschiedene Kontrollverfahren unterschie-den, die den Flugzeugführern unterschiedliche Informationen geben. Kursführung bzw. Vektoren (radar vector) Bei den Vektoren weist der Lotse dem Piloten bestimmte magnetische Steuerkurse (magnetic heading; MH) zu, die der Flugzeugführer steuern muss, bis eine andere Anweisung durch den Lotsen erfolgt. Die Methode der Kursführung ist ein sehr vielseitiges Hilfsmittel für den Lot-sen. Er führt damit den anfliegenden Verkehr auf das Instrumentenlandesystem (Abb. 40), kann abfliegenden Verkehr besser zueinander staffeln und damit die Abflugkapazität erhöhen (z.B. in London Heathrow; vgl. Abb. 41) und kann abkürzende oder ausweichende Steuerkur-se verteilen. anfliegendes Flugzeug

WLD L: Lufhansa 848 turn left HDG 080

L: Lufthansa 848 turn left HDG 110

ILS 26R München (EDDM) Abb. 40 Radarvektoren für ein anfliegendes Flugzeug

L: Lufthansa 848 turn right HDG 180

L: Lufthansa 848 turn right HDG 230 Cleared ILS Runway 26R

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London Heathrow (EGLL)

ursprüngliche Abflugroute für alle 3 Flgz. durch Vektoren aufgefächerte Routen der 3 Flugzeuge.

schnellere Startreihenfolge möglich Abb. 41 Radarvektoren für abfliegenden Verkehr Navigationshilfe Der Lotse kann dem Flugzeugführer mit Hilfe seines Radars unterstützende Informationen zur Navigation geben, falls navigatorische Probleme an Bord des Flugzeuges existieren. Typische Hilfestellungen des Lotsen sind:

Standortbestimmung Angabe der Geschwindigkeit über Grund Angabe der vom Transponder übermittelten Höhe Hinweis auf Bodenhindernisse bei zu niedriger Höhe Hinweis beim Verlassen von Luftstrassen oder Eindringen in gesperrten Luft-

raum 2.1.7.11 Sichtnavigation und konventionelles Koppeln Diese Art der Navigation stellt die einfachste Methode dar, um von einem Ort A zu einem Ort B zu gelangen. Als Hilfsmittel wird eine Stoppuhr, ein Kompass, Geschwindigkeitsmesser und ein Höhenmesser sowie eine Navigationskarte benötigt. Koppelnavigation funktioniert nach folgendem Prinzip:

1. Festlegen des gewünschten Kurses und Berechnung der Steuerkurse sowie der Flugabschnittszeiten unter Berücksichtigung des Windeinflusses und der geplanten Geschwindigkeit (Flugplanung)

2. Im Flug wird für jeden Flugabschnitt die Zeit gestoppt und mit der berechneten Flugzeit verglichen; daraus lässt sich die tatsächlich Geschwindigkeit über Grund ermitteln und eine neue geschätzte Flugzeit für den nächsten Abschnitt festlegen. Durch visuelle Kontrolle der Bodenmerkmale lässt sich ein evtl. Windversatz fest-stellen und daraus ein neuer Windeinfluss berechnen.

Die Koppelnavigation ist eine sehr einfache Art der Navigation, erfordert aber eine besonders ausführliche Flugvorbereitung, um die spätere Arbeitsbelastung im Cockpit zu reduzieren. In

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den Anfängen der Fliegerei wurde die Aufgabe der Koppelnavigation durch den Navigator übernommen, der seinen eigenen Arbeitstisch hinter den Piloten hatte. 2 Weissenburg Bahnhof 12 NM werden für den 1. Abschnitt MC 318° 6 min nur 10 min benötigt: 1 Eichstätt Flugplatz neue GS 144 kt, d.h. ein Rückenwind der um 24 NM 24 kt stärker ist. Für Abschnitt 2 folgt damit 12 min eine Flugzeit von nur 5 min. MC 318° Pfaffenhofen Autobahnkreuz Abb. 42 Koppelnavigation 2.1.7.12 Flächennavigation Flächennavigationssysteme (area navigation; RNAV) verwenden bodenabhängige oder bord-eigene Navigationseinrichtungen, die auf beliebigen Flugwegen kontinuierliche Informatio-nen zu

- Kursführung - Flugzeugposition

liefern [25]. Der große Vorteil der Flächennavigation liegt in einer optimierten Ausnutzung des Luftrau-mes durch ein flexibleres Routennetzwerk (verbessertes Luftraummanagement). Weitere Vor-teile sind kraftstoffsparende Routen (direct routings), sowie eine Reduzierung der Bodennavi-gationsanlagen. Die Flugzeuge sind nicht mehr auf die durch VOR oder NDB festgelegten Luftstrassen beschränkt, sondern können auf beliebigen Flugwegen operieren, die durch so-genannte Wegpunkte (way points) definiert sind. Typische Systeme, die RNAV ermöglichen, waren früher das Doppler Radar, Omega/VLF, Loran C oder auch VOR/DME. Heutzutage stellen die Trägheitsnavigation, die Satellitenna-vigation und integrierte Navigationssysteme (z.B. FMS) die Hauptsysteme zur Verwirkli-chung von RNAV dar. Basic RNAV wurde in Europa offiziell am 23. April 1998 ab FL 100 eingeführt und fordert vom Flugzeug eine Positionsgenauigkeit von +/- 5 NM in 95 Prozent der Flugzeit. Diese Mindestgenauigkeit wird als RNP 5 (required navigation performance) bezeichnet [25]. Es gibt eine große Anwendungsvielfalt von RNAV, die mit zunehmenden Maße ausgebaut wer-den: - RNAV Abflugrouten: mit Hilfe der hohen Genauigkeit von z.B. GPS, INS etc. lassen

sich die konventionellen Abflugrouten auf Basis von VOR/DME und NDB in Routen entlang speziell definierter Wegpunkte um-

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setzen. Dadurch wird ebenfalls eine deutliche Lärmreduzierung der umliegenden Gebiete erreicht.

- RNAV Anflugrouten: analog der RNAV Abflugrouten - Abkürzungen: Abkürzungen können ja nach Verkehrssituation vom Fluglotsen (direct routings) verteilt werden. - Parallelflug: Möglichkeit der Cockpitbesatzung parallel zu einem (offset/parallel tracking) vorgegebenen Kurs (z.B. Luftstrasse) zu fliegen.

Wegpunkte, die direkt ohne Bodenstationen angeflogen werden können

Abb. 43 Flugführung mit Wegpunkten in der Abflugroute; [34]

Wegpunkte (way points) Abb. 44 Flugführung mit Wegpunkten im Anflug; [34]

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2.1.7.13 Trägheitsnavigation Trägheitsnavigation (inertial navigation system; INS) ist ein völlig in sich abgeschlossenes Navigationssystem, das in der Lage ist, beliebige Routen auf Großkreisen zu steuern – ohne die Notwendigkeit, mit irgendwelchen äußeren Informationsquellen in Verbindung zu treten [19; S.157]. In dieser Hinsicht ist INS unter den modernen Flugnavigationssystemen einzigar-tig. Auf der anderen Seite zählen INS Anlagen zu den teuersten und kompliziertesten Syste-men in heutigen Cockpits. Die Ursprünge von INS liegen im militärischen Bereich, wo ein autonomes System gefordert wurde. Vereinfacht kann die Trägheitsnavigation als ein Koppelnavigationsverfahren gesehen werden [19]: Von einem bekannten Ausgangspunkt (z.B. Parkposition des Flugzeugs auf dem Flughafen) wird aufgrund von Messung der Beschleunigung und unter Berücksichtigung der Zeit (zwei-malige Integration der Beschleunigung ergibt die Wegstrecke) fortlaufend die aktuelle Positi-on berechnet oder trivialer „...wenn ich weiß, wo ich mich jetzt befinde , und wenn ich jede Bewegung (Beschleunigung) mitverfolge, werde ich immer wissen, wo mein momentaner Standpunkt ist.“ Die INS Daten werden heute selten direkt weiterverarbeitet, sondern werden zur weiteren Optimierung an Integrierte Navigationssysteme (integrated navigation system) weitergeleitet. Integrierte Navigationssysteme (z.B. FMS Systeme) verwenden die Informationen mehrerer einzelner Navigationsanlagen und optimieren die Daten zu einer Positionsangabe, die genauer ist als jede einzelne Navigationsquelle für sich. Zur Verbesserung der Positionsgenauigkeit werden üblicherweise drei INS Einheiten installiert. Dadurch kann beispielsweise ein fehler-haft arbeitendes Gerät identifiziert werden. Zusätzlich zur aktuellen Position liefert INS die Geschwindigkeit über Grund (GS), den Kurs über Grund sowie die Abdrift des Flugzeuges. Im Gegensatz zur GS vom DME ist die INS GS sehr viel genauer. Aus der Abdrift kann ebenfalls die sehr hilfreiche Information über Windrichtung und Stärke berechnet werden [19]. 2.1.7.14 Satellitennavigation Die Satellitennavigation (global positioning system; GPS) stellt ein weltweites Allwettersys-tem dar und basiert auf Satelliten im Erdorbit . Die GPS Empfänger bestimmen mit Hilfe der Laufzeitmessung und anderen Informationen die Position des Anwenders (vgl. Kapitel 3.5). Die Satellitennavigation ermöglicht eine sehr genaue Positionsbestimmung; darüber hinaus stellen GPS unterstützte Anflüge eine Alternative zu den herkömmlichen Nicht - Präzisions-anflügen dar. Derartige Anflüge werden zur Zeit auf allen größeren Flughäfen und in den GUS Staaten installiert. Der große Vorteil liegt u.a. beim GPS darin, dass selbst in unwegsa-men Gebieten ohne entsprechende technische Ausrüstung Anflüge mit Hilfe von GPS Syste-

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men durchgeführt werden können und damit ein sicherer Linienbetrieb auf entlegene Flug-plätze (z.B. Jekaterinburg, Perm, Kazan oder Samara) möglich wird. Die Informationen, die GPS liefert sind ähnlich denen des INS:

3-dimensionale Position Geschwindigkeit Abdrift bzw. Windrichtung und ~stärke hochgenauer Zeitbezug

Der Unterschied zum INS liegt in den Fehlercharakteristiken und dem Zeit-Genauigkeitsverlauf. In Kapitel 3.5/6 wird darauf näher eingegangen. 2.2 Literaturhinweise In diesem Kapitel werden weiterführende Informationsquellen entsprechend der unterschied-lichen Gebiete in der Flugführung (vgl. Kap. 2.1) aufgelistet. Flugmechanik/Flugleistung/Flugregelung Bandu N. Pamadi, Performance, Stability, Dynamics, and Control of Airplanes, AIAA Educa-tion Series, Reston Virginia, 1998 G. Brüning, X. Hafer, G. Sachs, Flugleistungen, Springer, Berlin Heidelberg New York, 1993 Rudolf Brockhaus, Flugregelung, Springer, Berlin Heidelberg New York, 1994 X. Hafer, G. Sachs, Flugmechanik, Springer, Berlin Heidelberg, 1987 Jan Roskam, Airplane Flight Dynamics And Automatic Flight Controls Part I + II, DARcor-poration, USA 1998 Mario Asselin, An Introduction to Aircraft Performance, AIAA Education Series, Royal Mili-tary College of Canada, 1997 B. Etkin, Dynamics of athmospheric flight, J. Wiley, London,1972 H. W. Försching, Grundlagen der Aeroelastik, Springer, Berlin, 1980 Luftrecht/nationale und internatioale Behörden Jeppesen Sanderson: Homepage, www.jeppesen.com, online: 15.02.2005 von Elm Dieter: Luftrecht online, www.luftrecht-Online.de, online: 29.01.2005 Luftfahrt Bundesamt: Homepage, www.lba.de, online: 06.07.2004

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Flugsicherung Deutsche Flugsicherung: Homepage, www.dfs.de, online: 15.02.2005 Eurocontrol: Homepage, www.eurocontrol.be, online: 2002 Air Traffic Control Service – Flight Information Service, ICAO Annex 11, 1978 Heinrich Mensen, Moderne Flugsicherung, Springer, Berlin Heideberg New York 2004 W. Leutzbach, Einführung in die Theorie des Verkehrsflusses, Springer, Berlin, 1972 Flugvorbereitung W. Kühr, Der Privatflugzeugführer Band 4A/B Flug-/Funknavigation, Friedrich Schiffmann, Bergisch Gladbach 1992 F. Hesse, R. Wurster, Flugplanung, Hesse Verlag, Breidenbach 1990 (6 Bände) Mensch S. Trollip, R. Jensen, Human Factors, Jeppesen Sanderson, D. Gero, Luftfahrt Katastrophen, Motorbuch Verlag R. und L. Hurst, Flug – Unfälle und ihre Ursachen, Motorbuch Verlag, Stuttgart 1987 S. Stewart, Emergency A. Brooks, Katastrophen am Himmel Abteilung für Flugsicherheit der deutschen Lufthansa AG: FRA CF, Hr. Manfred Müller (“gelbe Seiten“) Thomas P Turner, Cockpit Resource Management Christopher D. Wickens, Anne S. Mavor, James P. McGee, Flight to the Future: Human Fac-tors in Air Traffic Control Neil Johnston, Nick McDonald, Ray Fuller, Aviation Psychology in Practice Harold F. O’Neil, Dee H. Andrews, Aircrew Training and Assessment : Methods, Technolo-gies, and Assessment NASA: Human Factors Research and Technology, http://human-factors.arc.nasa.gov online: 15.02.2005

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3. Funktionsweise heutiger Navigationsanlagen In Kapitel 2 wurden einige Navigationsverfahren hinsichtlich ihrer navigatorischen Anwen-dung erläutert. In Kapitel 3 werden die heute wichtigen Verfahren in ihrer technischen Funk-tion näher erklärt, wobei der Schwerpunkt auf die Trägheits- und Satellitennavigationsverfah-ren gelegt wird. 3.1 VOR Das VOR-UKW Drehfunkfeuer arbeitet im VHF Bereich (vgl. Kap.7) von 108 – 118 MHz. Die VOR’s werden in Anlagen mit großer und mit kleiner Reichweite (Leistung) unterschie-den und sind mit einer Kennung aus 3 Buchstaben identifiziert:

VOR’s großer Leistung mit ca. 200 Watt werden als Streckenfunkfeuer be-nutzt. Sie arbeiten auf 112 – 118 MHz. Ihre Reichweite beträgt mindestens 100 NM. Nach ICAO Standards errechnet sich die Reichweite aus [33; S. 59]:

( )][][2Re mhmHichweite +=

H [m] = Flughöhe über Grund h [m] = VOR Senderhöhe über Grund

VOR’s geringer Leistung mit ca. 25 Watt werden für Anflugverfahren benutzt

und als Terminal VOR – TVOR bezeichnet. Ihre Reichweite beträgt zwischen 25 und 50 NM.

Die Bodenstation besteht aus: VHF Sender Antennenanlage Kontrollanlage (Monitor) Die Bodenstation arbeitet mit zwei Antennensystemen, einer Rundstrahl- und einer Richtan-tenne. Die Richtantenne ist im einfachsten Fall ein horizontaler Dipol mit einem Doppelkreis-strahlungsdiagramm, die Rundstrahlantenne ist ein vertikaler Draht mit einem Kreisstrah-lungsdiagramm. Beide Antennen strahlen ununterbrochen und die beiden elektromagnetischen Wechselfelder überlagern sich zu einer Herzkurve (Kardioide). Da sich der Dipol mit 30 U/s dreht (elektrisch simuliert), wird sich ebenfalls die Kardioide drehen. Beim Empfänger wird eine sich laufend ändernde Feldstärke gemessen – 30 Maxima und 30 Minima pro Sekunde -, was als 30 Hz Amplitudenmodulation (Änderung der Amplitude; AM) bezeichnet wird [33].

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Die umlaufende Kardioide wird als variable Phase bezeichnet. Vertikalantenne

rotierender Dipol (horizontale Dipolantenne)

Kardioide Abb. 45 Strahlungscharakteristik der VOR Bodenstation (gleichgroße Amplituden);

[33; S. 61] Durch alleiniges Messen der Phasenlage der Kardioide ist eine Richtungsbestimmung noch nicht möglich. Da die Maxima und Minima dieser Wechselspannung in verschiedenen Rich-tungen zu verschiedenen Zeiten, also phasenverschoben auftreten, könnte die Phasenmessung zur Richtungsbestimmung benutzt werden, wenn ein Bezugswert gegenüber dem eine Ver-gleichsmessung durchgeführt werden könnte, zur Verfügung stünde. Um einen Bezugswert für die Phasenvergleichsmessung zu bekommen, wird eine zweite 30 Hz Schwingung über die Rundstrahlantenne ausgesandt. Diese über die Rundstrahlantenne ausgesandte Phase ist richtungsunabhängig und wird als Bezugsphase (reference phase) be-zeichnet. Beide Phasen werden so abgestrahlt, dass in der Richtung magnetisch Nord der Sta-tion kein Phasenunterschied zwischen beiden gemessen wird. An allen anderen Orten werden Phasendifferenzen gemessen, die – ausgedrückt in Winkelgraden – gleich der Richtung Sen-der–Empfänger ist. Um im Empfänger die beiden 30 Hz Schwingungen trennen zu können, darf die Bezugsphase nicht amplitudenmoduliert werden, denn durch die Drehung des Dipols erscheint bereits die umlaufende Phase als wäre sie amplitudenmoduliert. Folgendes Lösungsprinzip wird ange-wandt: Die Trägerfrequenz im VHF Bereich der rundstrahlenden Antenne wird im Sender mit ca. 10 kHz amplitudenmoduliert. Es entsteht ein Hilfsträger, der seinerseits mit 30 Hz frequenzmo-duliert wird [33]. Alle Punkte, an denen eine gleiche Phasendifferenz zwischen der Bezugsphase und der vari-ablen Phase gemessen wird, liegen auf einer Geraden, die zu der Richtung magnetisch Nord

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der Station einen bestimmten Winkel bildet, der gleich der gemessenen Phasendifferenz ist. Diese Richtung von der Station zum Empfänger wird als Leitstrahl oder Radial bezeichnet. Phasendifferenz 0° (Radial 000 bzw. 360)

Phasendifferenz 270° (Radial 270) Phasendifferenz 180° (Radial 180) Abb. 46 Richtungsinformation der VOR; [33; S. 62] Bei herkömmlichen VOR’s können aufgrund der Geländeform Abweichungen der Leitstrah-len durch Bodenreflexionen hervorgerufen werden (mountain-, shorelineeffect). Um diese möglichen Fehler klein zu halten, werden betroffene VOR-Anlagen unter Ausnutzung des Doppler-Effekts (Frequenzänderung bei relativ zueinander bewegten Sender und Empfänger) als Doppler VOR (DVOR) gebaut. Durch Verwendung der Doppler VOR ist es gelungen die Winkelfehler auch im Gebirge unterhalb von 0.5° zu halten. Die Monitoranlage überwacht automatisch die Genauigkeit des Radials, die Sendeleistung sowie Amplitude und Phasenlage der Abstrahlung. Bei Abweichungen wird ein Alarmsignal in der Verkehrskontrolle ausgelöst. Die meisten VOR Anlagen sind mit einem Ersatzsender ausgerüstet. Gemäß den ICAO Empfehlungen – Annex 10 – sollten Boden- und Bordanlagen eine Tole-ranz von 2° nicht überschreiten. In der Praxis muss demzufolge mit einer Abweichung von bis zu 4° gerechnet werden. Aufgrund des Frequenzbereichs im VHF, treten mehrere Störeinflüs-se auf [33]:

atmosphärische Störungen durch statische Aufladungen, Gewitter sowie Nacht und Dämmerungseffekte

Reflexionseffekte z.B. Reflexion an Gebirgen (mountain effect) Brechungseffekte z.B. Brechung an Küsten (shoreline effect)

Im Vergleich zum NDB sind die Fehlerabweichungen klein.

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3.2 NDB Unter den NDB's werden ungerichtete Funkfeuer (non directional beacon; NDB) verstanden, die im LF bzw. MF Bereich (vgl. Kap.7) arbeiten. Weltweit ist nach ICAO Annex 10 der Fre-quenzbereich zwischen 190 kHz und 1750 kHz vorgesehen [33]. Eine NDB Bodeneinrichtung besteht aus:

1 LF/MF Sender 1 Antennenanlage 1 Kontrollanlage (Monitor)

Das NDB dient als Strecken- und Anflugfunkfeuer und hat eine Kennung, die aus 2-3 Buch-staben des Morsecodes besteht. Die Reichweite der NDB’s als Streckenfunkfeuer beträgt zwi-schen 25 NM (Leistung ca. 25 Watt) und 150 NM (Leistung ca. 100 Watt). Größere Reich-weiten sind bei einzelnen NDB’s, die für die Langstreckennavigation errichtet wurden, mög-lich. Um die ungerichteten Signale der Bodenstation auswerten zu können bedient sich der Pilot der Hilfe eines sogenannten ADF (automatic direction finder) Gerätes. Das ADF ist ein Peil-empfänger, das automatisch die Richtung vom Flugzeug zu einem NDB ermittelt und auf ei-nem Anzeigegerät (vgl. Kapitel 2.1.7.7) darstellt. Die Komponenten der Bordanlage sind: Hilfsantenne (sense antenna) Rahmenantenne (loop antenna) Empfänger (receiver) Bediengerät (control panel) Anzeigegerät (indicator) Hilfsantenne (sense antenna) Im einfachsten Fall kann eine Hilfsantenne ein vertikaler Draht (Stabantenne) sein. Die Funkwellen induzieren in ihr, der Frequenz des Senders entsprechend, eine hochfrequente elektrische Wechselspannung, die Antennenspannung.

Abb. 47 Empfang einer Funkwelle mit einer geerdeten Hochantenne; [33; S.34]

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Der Betrag der Antennenspannung ist am größten, wenn der “Wellenberg“ (d) oder das “Wel-lental“ (b) an der Antenne vorüberzieht. Sie ist gleich Null zu den Zeiten, in denen die Null-stellen (a, c, e) vorbeilaufen. Die Antennenspannung erzeugt in der Antenne einen hochfre-quenten Wechselstrom, den Antennenstrom. Antennenspannung und Antennenstrom haben dieselbe Frequenz wie die elektromagnetische Funkwelle. Die Empfangscharakteristik der Hilfsantenne stellt einen Kreis dar, d. h. die gemessene An-tennenspannung bleibt bei konstantem Abstand immer gleich groß und es wird von einem ungerichteten Empfang gesprochen. Eine Richtungsbestimmung zum NDB ist damit nicht möglich [33]. Rahmenantenne (loop antenna) Die Rahmenantenne kann man sich als zwei miteinander verbundene Stabantennen vorstellen. Sie ist um 360° drehbar.

Abb. 48 Rahmenantenne; [33; S. 36] Da alle NDB’s vertikal polarisiert abstrahlen, wird im folgenden Beispielen zur Empfangs-charakteristik der Rahmenantenne nur die vertikal polarisierte Funkwelle behandelt. Die elektrische Feldstärke einer solchen Funkwelle kann als Sinusschwingung dargestellt werden. Die Rahmenebene stehe parallel zum Funkstrahl.

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Abb. 49 Empfangsdiagramm der Rahmenantenne; [33; S. 37] Wenn der Wellenberg (b) die Rahmenantenne passiert, sind die elektrischen Feldstärken und damit die Teilspannungen in den vertikalen Antennenflächen AC und BD aufwärts gerichtet und gleich groß. Zwischen den Punkten A und B besteht demnach im Augenblick kein Span-nungsunterschied, die Rahmenspannung UAB ist gleich Null. Dasselbe gilt beim Durchgang des Wellentals (d) an der Rahmenantenne. Am größten ist die Rahmenspannung, wenn die Nullstellen (a, c, e) der Funkwelle am Rahmen vorbeilaufen. Hier addieren sich die Teilspan-nungen in beiden Rahmenhälften. Befindet sich der Rahmen zwischen Wellental und Null-punkt, so sind die elektrischen Feldstärken in den beiden Rahmenhälften AC und BC ver-schieden groß und wirken gegeneinander, so dass zwischen den Punkten A und B nur die Dif-ferenz der Teilspannungen übrigbleibt. Daraus ergibt sich ein Phasenunterschied von 90° zwi-schen Phasenlage der elektromagnetischen Funkwelle und der Phasenlage der induzierten Spannung [33].

Abb. 50 Empfang mit einer Rahmenantenne; [33; S.38]

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Wird die Antenne um 90° gedreht, wird weiterhin eine Spannung in den beiden Rahmenhälf-ten AC und BD induziert. Da die Spannungen in beiden Rahmenhälften gleich groß sind, au-ßerdem die gleiche Richtung haben, heben sie sich gegenseitig auf. Die Antenne empfängt in dieser Stellung, bezogen auf die ankommende Funkwelle, nichts.

Abb. 51 Empfang mit einer Rahmenantenne; [33; S. 39] Steht die Rahmenantenne parallel zum Funkstrahl, spricht man von MAXIMUMSTELLUNG (maximale Induktion), steht sie senkrecht zum Funkstrahl wird von MINIMUMSTELLUNG (minimale Induktion) gesprochen. Um das Empfangsdiagramm einer Rahmenantenne kon-struieren zu können, soll ein Sender um einen feststehenden Rahmen mit konstantem Abstand herumgeführt werden. Die an der Antenne gemessene Antennenspannung wird durch Vekto-ren dargestellt.

Abb. 52 Doppelkreisdiagramm (figure eight pattern) – 2 Minima und 2 Maxima; [33; S.41]

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Der Empfang mit einer Rahmenantenne ist zweideutig, da sich je zwei Maxima und zwei Mi-nima ergeben. Die Maxima unterscheiden sich in der Phasenlage um 180°. Erst die Überlagerung der Antennenspannung aus Hilfs- und Rahmenantenne – Kreis- und Doppeldiagramm – liefert ein Empfangsdiagramm mit nur einem Minimum, die Kardioide.

Abb. 53 Herzkurve (Kardioide) als Richtlinie des Peilrahmens mit einer Hilfsantenne; [35; S. 37] Die Drehbewegungen der Rahmenantenne werden auf das Anzeigegerät übertragen und erge-be die Bewegung des Zeigers. Die Fehler, die beim Peilen mit der ADF Bordanlage auftreten, können in folgende Gruppen eingeteilt werden:

atmosphärische Störungen z.B. statische Aufladungen Nacht- und Dämmerungseffekt (twilight effect) Fehler durch Schräglage (Änderung der Winkellage der Rahmenantenne zur

elektromagnetischen Welle) des Flugzeugs (dip error) Fehler durch elektromagnetische Störfelder im Flugzeug (qudrantal error) Brechungs- und Reflexionseffekte z.B. mountain- oder shorelineeffect

Unter normalen Bedingungen (also ohne obige Fehler) haben moderne ADF Anlagen eine Peilgenauigkeit von ca. +/- 3° [35; S.47]. 3.3 DME Die Entfernung der DME Anlage wird aus der Laufzeit von Impulsen gewonnen, die der Flugzeugsender – Interrogator – ausstrahlt, die Bodenstation – Transponder – empfängt, ver-zögert und frequenzversetzt zurücksendet. An Bord wird die für einen solchen Hin- und Rücklauf benötigte Zeit unter Berücksichtigung der konstanten Verzögerungszeit gemessen , in Entfernung umgerechnet und digital zur Anzeige gebracht.

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Die Frequenzen von DME-Bordanlagen und DME-Bodenanlagen sind einander paarweise zugeordnet. Der DME Frequenzbereich erstreckt sich von 962 MHz bis 1213 MHz (UHF Be-reich; vgl. Kap. 7). Abfrage und Antwortsender arbeiten stets auf um 63 MHz versetzten Fre-quenzen. Hat der Pilot die zugehörige Frequenz gerastet, benötigt das Bordgerät etwa 1 bis 2 Minuten als Vorwärmzeit bis der Suchvorgang “SEARCH“ beginnt. Während des Suchvor-gangs, der bis zu 20 Sekunden dauern kann, werden vom Interrogator Doppelimpulse, deren zeitlicher Abstand 12 µs bzw. 36 µs (zivil bzw. militärisch) beträgt, in schneller, unregelmä-ßiger Folge abgestrahlt. Befindet sich eine Bodenstation innerhalb der Reichweite des Inter-rogators, werden diese Doppelimpulse vom Transponder empfangen und nach einer konstan-ten Verzögerungszeit von 50 µs auf einer anderen Frequenz beantwortet. Aus der Laufzeit der elektromagnetischen Wellen – Interrogator –Transponder – Interrogator, gemessen im Bord-gerät, ermittelt ein Rechner die Entfernung Flugzeug – Bodenstation (1 µs = 300 m) [33].

( )stcR µ505.0 −⋅=

c = Lichtgeschwindigkeit Befinden sich mehrere Flugzeuge im Bereich der DME-Station , die ebenfalls den Transpon-der abfragen, wird die Bodenstation auch diese beantworten. Der Bord-Empfänger muss aus der Vielzahl der ungerichtet abgestrahlten Impulspaare der Bodenstation die Doppelimpulse aussuchen, die seine Abfrage beantworten, d. h. zur Auswertung kommt nur diejenige Ant-wortfolge, die der eigenen individuellen unregelmäßigen Abfragefolge in dieser Unregelmä-ßigkeit genau entspricht. Dies geschieht durch eine Jitter Schaltung . Wenn eine genügende Anzahl solcher regelmäßigen Antwortimpulse eingetroffen und damit die DME-Station iden-tifiziert ist, entsteht “LOCK-ON“ und der Interrogator schaltet vom Suchvorgang auf Nach-lauf – TRACK/TRACKING“. Während dieses Betriebszustandes wird die Anzahl der Abfra-geimpulse stark verringert [33].

Abb. 54 Variation der Abfragefrequenz der einzelnen Flugzeuge; [33; S.94] Da die Kapazität der Bodenanlage auf ca. 2700 Antwortsignale/s begrenzt ist, können nicht beliebig viele Anfrageimpulse beantwortet werden. Praktisch ist die Anzahle der abfragenden

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Flugzeuge auf 100 limitiert. Sollten dennoch einmal mehr als 100 Flugzeuge gleichzeitig die-selbe DME-Station abfragen, werden nur noch die stärksten Abfrageimpulse beantwortet. Der Interrogator sendet seine Doppelimpulse auf den Frequenzen 1025MHz bis 1150 MHz aus. Da der Bordsender in diesem Frequenzbereich auf allen vollen MHz sendet, ergeben sich 126 verschiedene Frequenzen = 126 Kanäle. Die Bodenstation arbeitet auf den Frequenzen von 962 MHz bis 1213 MHz, von denen aller-dings einige nicht belegt sind, ebenfalls auf allen vollen MHz, so dass dies auch 126 Kanälen entspricht. Die DME Bordanlage ist so geschaltet, dass sie sich bei Betätigung des Frequenzwahlknopfes zum Rasten einer VOR automatisch auf den dazugehörigen DME-Kanal abstimmt. 3.4 ILS Das Instrumentenlandesystem ist eine elektronische Anflughilfe, die es dem Flugzeugführer gestattet fast unabhängig von den Wetterbedingungen einen Flughafen anzufliegen. Die ILS Bodenanlage hat die Komponenten:

Landekurssender (localizer) Gleitwegsender (glide path) Markierungsfunkfeuer (marker) Monitor

Abb. 55 ILS Bodenkomponenten; [35; S. 103]

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Landekurssender (localizer) Der Landekursender arbeitet im VHF Bereich (vgl. Kap. 7) von 108.10 MHz bis 111.95 MHz und dient dazu dem Piloten sein Flugzeug entlang der Anfluggrundlinie (verlängerte Lande-bahnrichtung) zu führen (vgl. Kap. 2.1.7.9). Der Localizer strahlt zwei hochfrequente, sich auf der verlängerten Landebahnmittellinie überlagernde keulenförmige Fehler ab. Das eine Feld ist mit 90 Hz, das andere mit 150 Hz moduliert. Da der Sender nicht nur in Anflugrichtung auf die für ILS vorgesehene Landebahn (runway) abstrahlt, sondern auch in die entgegengesetzte Richtung, entsteht in Anflugrichtung und in der Gegenrichtung je ein sich überlappendes Feld. In Anflugrichtung wird von dem Front Beam, in Gegenrichtung vom Back Beam gesprochen. In Anflugrichtung auf die für das ILS vorgesehene Landebahn – Front Beam – liegt der 90 Hz Sektor grundsätzlich links, der 150 Hz Sektor rechts der Anfluggrundlinie.

Abb. 56 ILS Landekurssender; [35; S. 103] Die vom Localizer Sender abgestrahlten Diagramme sind so gebündelt, dass ein voller Aus-schlag der Nadel am Anzeigegerät an der Schwelle (threshold) der Landebahn ca. 700 ft be-trägt. Diese Breite entspricht je nach Länge der Landebahn einem Winkel von ca. 2.5° nach jeder Seite der Anfluggrundlinie. Mit Hilfe einer Feldstärkenvergleichsmessung (Modulationstiefenmessung) wird die Anzeige im Cockpit gesteuert. Die Nadel steht in der Mitte, wenn die Feldstärken der 90 Hz und 150 Hz Modulation als gleich groß gemessen werden, sie wird nach links oder rechts auswandern, wenn eine der beiden Feldstärken überwiegt. Alle Anzeigegeräte sind so ausgelegt, dass die Nadel nach links auswandert, wenn sich das Flugzeug im mit 150 Hz modulierten Sektor, nach rechts, wenn es sich im mit 90 Hz modulierten Sektor befindet.

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Gleitwegsender (glide path) Der Gleitwinkel gibt dem Flugzeugführer einen konstanten Gleitwinkel vor, der es ihm er-möglicht das Flugzeug mit einer bestimmten Hindernisfreiheit bis in eine Höhe von ca. 20 ft über dem Aufsetzpunkt der Landebahn zu führen. Der Gleitwegsender arbeitet im UHF Be-reich von 329.15 bis 335.0 MHz. Durch die ICAO sind allen Landekurssendern feste Gleit-wegsender zugeteilt, die dadurch nicht extra eingestellt werden müssen, sondern automatisch mit dem Localizer eingestellt werden. Der Gleitwegsender strahlt in Anflugrichtung auf die für ILS vorgesehene Landebahnrichtung zwei sich überlappende hochfrequente Felder ab. Diese beiden Felder sind wie beim Localizer mit 90 Hz und 150 Hz moduliert. Die sich überlappenden Felder bilden den Gleitweg. Die 90 Hz Modulation wird so abgestrahlt, dass sie den oberen Teil, die 150 Hz Modulation den unteren Teil des Gleitweges bildet. Die Mitte des Gleiweges liegt dort, wo der Grad der 90 Hz und 150 Hz Modulation gleich stark sind. Der Erhebungswinkel des Gleitweges zur Horizon-talen beträgt je nach den gegebenen Platzverhältnissen zwischen 2° und 4°. Die Bündelung des Gleitweges ist schärfer als beim Localizer und beträgt ca. 1°, d. h. je 0.5° nach oben und unten. Es ist technisch nicht möglich, nur zwei scharf gebündelte, auf die Modulationsfre-quenz 90 Hz und 150 Hz abgestimmte Felder auszustrahlen.

Abb. 57 ILS Gleitwegsender; [33; S. 119] Die Folge ist, dass mehrere Gleitwege mit ca. 6° Winkeldifferenz zueinander entstehen. Das bedeutet, dass der erste „falsche“ Gleitweg einen Winkel von ca. 9° mit der Horizontalen bil-det. Aufgrund in der Praxis veröffentlichter Anflugverfahren ist es jedoch üblicherweise na-hezu ausgeschlossen, dass dem falschen Gleitweg gefolgt wird. Monitor Wie bei allen zur Navigation benutzten Sendeanlagen überwacht eine automatische Kontroll-anlage ständig den Gleitweg. Der Monitor gibt eine Störanzeige an die nächste Kontrollstelle, sobald er Abweichungen vom

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Erhebungswinkel Bündelung Sendeleistung

feststellt. Markierungsfunkfeuer Diese Marker dienen als Vor- und Haupteinflugzeichen und werden als

Outer Marker – OM Middle Marker – MM

bezeichnet. Der Aufstellungsort des OM befindet sich zwischen 4 und 7 NM vor der Landebahnschwelle auf der verlängerten Anfluggrundlinie. Er kann maximal 250 ft seitlich der Grundlinie ver-setzt sein und ist mit 400 Hz tonmoduliert als tiefer Ton zu hören. Der MM steht ca. 0.5 NM vor der Landebahnschwelle und ebenfalls maximal 250 ft seitlich versetzt von der Anfluggrundlinie. Die Kennung ist mit 1300 Hz tonmoduliert und ist als mit-telhoher Ton beim Überflug zu hören. Das bisherige beschriebene ILS Landesystem ist auf einigen Flugplätzen nicht einsetzbar, da der Localizer durch Hindernisse (z. B. Flughafengebäude oder geographische Gegebenheiten) reflektiert werden kann. Dies führt zu Kursabweichungen, den sogenannten BENDS. Um die-ses Problem zu umgehen, werden Zweifrequenzlandekurssysteme verwendet [33]. Im Gegen-satz zum herkömmlichen Landekurssender, wird mit zwei Sender und zwei Antennensyste-men gearbeitet:

Landekursantenne Clearanceantenne

Abb. 58 Clearance – Diagramm; [33; S. 127]

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Der Unterschied in der Ausstrahlungscharakteristik liegt in einer schärferen Bündelung der Landekursantenne, die derart gewählt ist, dass bereits ca. 10° neben der Anfluggrundlinie kei-ne Energie mehr vorhanden ist. Wegen dieser scharfen Bündelung kann von seitlichen Hin-dernissen keine Energie mehr reflektiert werden, der Kurs verläuft gerade. Um dennoch die ICAO Forderungen zu erfüllen ist ein zweiter Sender – die Clearanceantenne – notwendig, bei der die Bündelung so gewählt ist, dass die ICAO Forderungen erfüllt wer-den. Die Trägerfrequenzen von Kurs- und Clearance Sender sind um 9 kHz verschieden (Träger-frequenz des Kurssenders 4.5 kHz unter, Trägerfrequenz des Clearancesenders 4.5 kHz über der veröffentlichten Localizer Frequenz. Die Sendeleistung ist derart gewählt, dass die Feld-stärke des Kursdiagramms überwiegt, wodurch fehlerhafte Abstrahlungen der Clearance An-tenne keine Auswirkungen auf den geraden Kursverlauf haben. 3.5 Satellitennavigation In diesem Kapitel werden die mathematischen und technischen Hintergründe eines globalen Satellitennavigationssystems (global navigation satellite system; GNSS) am Beispiel des ame-rikanischen NAVSTAR Satellitennavigationssystems (NAVSTAR Global Positioning Sys-tem; NAVSTAR GPS) erklärt. Zunächst wird ein kurzer geschichtlicher Überblick über die Entwicklung gegeben. Anschließend wird ein Einblick in die einzelnen Segmente des GPS gewährt und abschließend die mathematische Beschreibung der Positionsbestimmung mit Hilfe der Satellitennavigation erklärt. 3.5.1 Entwicklungsgeschichte der Satellitennavigation Die Anfänge der Satellitennavigation gehen auf die Unzulänglichkeiten der konventionellen Navigationssysteme (z.B. VOR, NDB...) mit steigendem Flugverkehr, für die ein adäquater Ersatz gesucht wurde, zurück. Typische Nachteile der konventionellen Anlagen waren [39]

eine kostenintensive Wartung und Instandhaltung der Funknavigationsanlagen eine unflexible Luftraumstruktur, die auf Bodennavigationsanlagen basiert eine begrenzte Verfügbarkeit auf der Erde (z.B. nicht: Ozeane, Asien...) mangelnde weltweite Zuverlässigkeit starke Beeinflussung durch Wetterphänomene (z.B. NDB) eine teilweise limitierte Anzahl der Nutzer (z.B. DME)

Parallel dazu suchte das amerikanische Militär ebenfalls nach einem weltweit verfügbaren Navigationssystem. Die US Navy startete zwei auf Satelliten gestützte Systeme: TRANSIT und TIMATION. Beide Systeme konnten eine zweidimensionale Position (Länge und Breite; longitude and latitude) bestimmen; TRANSIT war 1964 operationsbereit. Die TRANSIT Sa-telliten befanden sich in niederen polaren Orbits auf einer Höhe von ca. 580 NM (~1074km). Die Positionsbestimmung basierte auf der Messung von Dopplerfrequenzverschiebungen der von den einzelnen Satelliten ausgesandten Signale [38]. Jedoch waren die Ergebnisse nicht zufriedenstellend [38]:

nur zweidimensionale Positionsbestimmung Verfügbarkeit der Positionsbestimmung nur etwa einmal pro Stunde möglich

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als Zusatzeingaben mussten möglichst genau Höhe und Geschwindigkeit zur Verfü-gung stehen

aufgrund der polnahen Orbits war eine Positionsbestimmung in den Polregionen nur sehr ungenau möglich.

Als neues Programm wurde 621 B der amerikanischen Luftwaffe ins Leben gerufen. Es war bereits ein dreidimensionales Ortungssystem (Breite, Länge und Höhe) und wurde 1973 in das heutige NASTAR GPS weiterentwickelt. Die erste Phase der Konzeptvalidierung endete 1979. Bis 1985 schloss sich mit der Entwicklung der Hardware (z.B. Satelliten, Kontrollstati-onen...) und der Benutzergeräte die zweite Phase der Entwicklung an. Danach begann Phase drei und endete am 8. Dezember 1993 mit der ersten Einsatzfähigkeit, die sich auf 24 Satelli-ten stützte. Im April 1995 wurde nach vielen Tests und Zertifizierungsverfahren die volle Einsatzbereitschaft erreicht. Parallel zu den amerikanischen Entwicklungen bauten die Staaten der ehemaligen UDSSR ein ähnliches Satellitennavigationssystem auf: GLONASS. Die offizielle Einsatzfähigkeit wurde am 05.02.1996 verkündet. Aufgrund der instabilen politischen und schlechten finanziellen Entwicklung konnte sich GLONASS bis heute nicht auf dem Markt etablieren. Ein weiterer großer Nachteil ist, dass das sowjetische geodätische System von 1985 auf dem GLONASS basiert. Auch Bemühungen um eine Kopplung beider Systeme konnte keinen Erfolg bringen [39]. 3.5.2 Komponenten der Satellitennavigation NAVSTAR GPS kann in drei Hauptfunktionsgruppen gegliedert werden:

Raumsegment (space segment) NAVSTAR GPS Nutzersegment (user segment) Kontrollsegment (control segment)

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Abb. 59 Hauptfunktionsgruppen von GPS; [44] 3.5.2.1 Das Raumsegment Das Raumsegment (space segment) stellt den Teil des GPS dar, der sich in Orbits um die Erde befindet. Es besteht derzeit aus 24 NAVSTAR Block II bzw. II R Satelliten (21 aktiv, 3 als Reserve), mit folgenden Bahndaten:

24 Satelliten auf 6 Orbitalbahnen, aufsteigende Knoten der Äquatorialbahnen haben einen Längenabstand von 60° zueinander.

Inklination: 55° Höhe 10898 NM (20183 km) Umlaufzeit 11:57 h, d. h. dass sich die Satellitenbahnen über Grund ca. alle 24 Stun-

den wiederholen.

Abb. 60 Block II Satellit; [42]

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Die Satelliten sind für die Empfänger der Nutzer (z. B. Flugzeuge, Schiffe...) erreichbar, wenn sie einen Elevationswinkel von mindestens 5° über dem Horizont haben. Neuere Satelliten können bereits bei einer Elevation von 0° mit den Empfängern in Kontakt treten. Die Geomet-rie der Satellitenbahnen bzw. ~positionen erlaubt es, dass zu jedem Ort und zu jeder Zeit auf der Erde mindestens 5 Satelliten empfangen werden können [42]. Die ersten Satelliten des NAVSTAR GPS mit Atomuhren, waren die SVNTS (space vehicle navigation technology satellite) Block Zero Satelliten, und dienten der Evaluierung des NAVSTAR Systems. Von 1978 bis 1985 wurden die SV’s (space vehicle) Block One Satelli-ten gestartet, die die erste Einsatzfähigkeit sichern sollten und eine Lebensdauer von 60 Mo-naten (5 Jahre) hatten. 1989 wurden die moderneren Block II Satelliten in die Erdumlaufbahn gebracht. Sie haben eine erwartete Lebensdauer von 7.5 Jahren und besitzen deutlich verbes-serte elektronische Komponenten, die Fähigkeit der Selective Availability (SA; vgl. Kap. 3.5.4) und das Anti Spoofing (AS; vgl. Kap. 3.5.4) sowie die Möglichkeit selbständig Fehler zu lokalisieren und Korrekturmaßnahen zu ergreifen. Bis zur Startnummer 21 benötigen alle Block One Satelliten nach 3.5 Tagen einen Informationsupdate (z. B. Almanachdaten, Steuer-signale etc.) durch die Hauptbodenkontrollstation (master control station; MCS), um die Leis-tungsfähigkeit aufrecht erhalten zu können. Seit 1990 sind die modifizierten Block II A Satel-liten im Einsatz, die nur noch alle 180 Tage einen Routinekontakt mit der Bodenkontrollstelle benötigen. Wegen möglicher ungewöhnlicher Abweichungen müssen die Satelliten dennoch aufgrund der geforderten Integrität so häufig wie möglich kontrolliert werden. Mitte 1996 wurden die Block II R Satelliten eingeführt. Ihr großer Vorteil ist die Fähigkeit AUTONAV (autonomous navigation) zu betreiben. Mit AUTONAV sind die Satelliten in der Lage, bei ausbleibenden Informationssignalen (alle 3.5 bzw. 180 Tage) von der Kontrollstation am Bo-den, ihre eigenen Navigationsdaten zu berechnen. Ein älterer Block II A Satellit würde in die-sem Fall falsche Signale senden [42]. Die neuesten und modernsten Block II F sollen 2004 eingeführt werden. Genauere Informati-onen sind derzeit nicht verfügbar. Jedoch sollen die Block II F Satelliten eine weitere neue zivile Frequenz zur Verfügung stellen. 3.5.2.2 Das Kontrollsegment Das Kontrollsegment (control segment) lässt sich in folgende Hauptgruppen einteilen [42]:

Hauptkontrollstation am Boden (master control station; MCS) auf dem US Luftwaf-fenstützpunkt Falcon in Colorado Springs, Colorado.

5 Monitor Stationen (MS) 3 Sendestationen bzw. Antennenanlagen (ground antenna; GA)

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Abb. 61 Komponenten des Kontrollsegmentes; [42] Die MCS stellt das Herzstück des Kontrollsegmentes dar. Ihre Aufgabe ist die kontinuierliche Bahnverfolgung, Überwachung und das Management der GPS Satelliten. Die Monitorstatio-nen (MS) können von bis zu 11 Satelliten gleichzeitig Navigationsdaten (z. B. Bahndaten) empfangen, die zur Auswertung und Generierung von Korrektursignalen an die MCS weiter-geleitet werden. Die Bahndaten dienen dazu, Korrektursignale an die Satelliten zu übermitteln. Bis auf die Station auf Hawaii sind alle Monitoranlagen auch mit Sendeantennen ausgerüstet. 3.5.2.3 Das Nutzersegment Unter dem Nutzersegment (user segment) werden alle Anwender (militärisch und zivil) zu-sammengefasst, die die GPS Daten der Satelliten auswerten und für ihren Gebrauch weiter-verwenden. Das GPS System stellt dem Anwender zwei verschiedene Arten von Navigations-daten zur Verfügung, die sich hauptsächlich in der daraus erzielbaren Genauigkeit unterschei-den: SPS standard position service (zivil) PPS precision positioning service (vorwiegend militärisch) Mit PPS lassen sich deutlich exaktere Positionsdaten ermitteln. Für den zivilen Nutzer gibt es zwei Möglichkeiten die GPS Empfänger (GPS Sensor Unit; GPSSU) einzusetzen:

als einzelnes Empfangsgerät (stand alone GPSSU) GPS Empfänger der in integrierten Navigationssystemen (z. B. FMS) arbeitet

und damit eine höhere Genauigkeit liefert, als ein einzelner GPS Empfänger

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(vgl. Optimierung der Position durch verschiedene Navigationssysteme z. B. INS, GPS, DME)

Prinzipiell kann ein GPS Empfänger in folgende Funktionseinheiten gegliedert werden: Antenne Vorverstärker Hochfrequenzmodul Mikroprozessor Ausgabebildschirm Speicher Energieversorgung Empfangene Satellitensignale (signals in space; SIS) werden vorverstärkt und an das Hoch-frequenzmodul weitergeleitet. Dort werden sie identifiziert und für die Positionsberechnung durch den Mikroprozessor vorbereitet. Empfangsantennen können in ihrer Bauart sehr klein gehalten werden (vgl. hohe Frequenz – kleine Wellenlänge). Jedoch muss bei der Installation am Flugzeug auf folgende Punkte ge-achtet werden [42]: möglichst nahe Positionierung am Schwerpunkt des Flugzeuges, da ansonsten

bei schnellen Bewegungen der Antenne Dopplerverschiebungen auftreten kön-nen, die das Signal zusätzlich stören.

Antenne darf nicht von anderen Flugzeugteilen abgedeckt werden (z. B. Unter- bringung im Rumpfinneren)

Antennen haben meist eine Richtungscharakteristik, wodurch eine Verschlech- terung des Signals um ca. 5 – 10 dB erfolgen kann. 3.5.3 GPS Funktionsweise Allgemein kann GPS den Nutzer mit folgenden Daten versorgen:

Position (bezogen auf WGS 84) Höhe (bezogen auf WGS 84) Zeit

Die Daten werden in der GPSSU berechnet. Dies geschieht vereinfacht gesprochen nach dem Prinzip der Laufzeitmessung der Satellitensignale. Entsprechend der Anzahl der zur Positionierung Verfügung stehenden Satelliten (heute min-destens 5) kann in verschiedene Positionsangaben unterschieden werden [42]: 2 Satelliten 2 mögliche Positionen (2 Standlinien = 2 Kugel, als geom. Ort

aller Punkte die von einem gegebenen Zentrum = Satellit kon- stanten Abstand haben)

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3 Satelliten 3 Satelliten ermöglichen dem Empfänger eine zweidimensionale Navigation (Länge, Breite, Uhrenfehler)

4 Satelliten 4 Satelliten ermöglichen eine drei dimensionale Navigation,

d. h. die minimal notwendige Anzahl für eine normale (3 – dim.) Navigation ist 4. Der Grund hierfür liegt in dem zu korrigieren den Uhrenfehler bezüglich der Nutzeruhr (4 Gleichungen: Brei-te, Länge, Höhe, Uhrenfehler)

5/6 Satelliten 5 Satelliten ermöglichen eine Fehlersuche und mit 6 Satelliten

können die besten Signale genutzt werden, indem schwache oder fehlerhafte Signale nicht berücksichtigt werden.

3.5.3.1 Signalerzeugung Jeder Satellit hat 2 Atomuhren (sogar 4 Atomuhren in den neuen Block II A Satelliten), die eine Genauigkeit im Nanosekundenbereich (10-9 s) aufweisen können. Der erwartete Uhren-fehler zwischen den Satellitenuhren liegt damit bei 1 s in 200000 Jahren [42]. Um den Ionosphäreneffekt (Laufzeitverzögerung des Signals durch die Ionosphäre) ausschal-ten zu können, senden die NAVSTAR Satelliten auf zwei Frequenzen im L – Band (UHF; vgl Kap.7) [43]:

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L Band

L1 1575.42 MHz L2 1227.60 MHz C/A & PRN P PRN

Abb. 62 Frequenzaufteilung der Satellitensignale

Abb. 63 GPS Satellitensignale; [44] Zum Zwecke der Verschlüsselung gegen den Zugriff unautorisierter Benutzer, zur Erhöhung des Störabstandes gegenüber beabsichtigten und zufälligen Störsignalen, zur Unterscheidung der einzelnen Satelliten und zur Übermittlung von Zeitmarken wird die allen gemeinsame Trägerfrequenz für jeden Satelliten mit einem individuellen Kenncode (PRBS – Code = pseu-do random binary sequence code, oder PRN = pseudo random noise) moduliert. Dieser Code besteht aus einem unregelmäßigen (pseudo random) Wechsel der Polarität des UHF Signals zu festen diskreten Zeitpunkten. Dies entspricht einer Phasenmodulation. Ein nicht autorisier-ter Benutzer, der das Bildungsgesetz der Codes nicht kennt, könnte die Signale nur schwer entschlüsseln, da die Codes quasi Zufallscharakter haben. Die vom Satelliten gesendeten Signale/Codes enthalten die Navigationsinformationen (NAV Information) zur Bestimmung der Position (vgl. Abb. 64). Die Datenrate beträgt 50 bit/s. Jede NAV Information enthält 25 Datenrahmen, von denen jeder aus 1500 bits (5 Gruppen mit je 300 bits) besteht. Um einen Datenrahmen zu empfangen sind 30 s notwendig, für alle 25 Rahmen werden 12:30 min. benötigt. Ein GPS Empfänger braucht also mindestens 13 min beim ersten Einschalten (ohne Zusatzinformation über die vorherige Position beim Abschal-ten). Die NAV Informationen bestehen aus folgenden Inhalten [43]: GPS Systemzeit der Signalsendung Uhrendaten des jeweiligen Satelliten Almanach Daten über die Orbits der Satelliten Ephemeriden der exakten Orbitposition des einzelnen Satelliten Korrekturkoeffizienten zur Berechnung der Zeit (UTC = universal time coordinated) Korrektursignale für Ionosphärenfehler für den C/A Nutzer

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Abb. 64 Datenrahmen; [44] Die Signale können in einen P (precision) Code, der die genaueste Positionsbestimmung ermöglicht (militärisch) und einen

C/A (coarse/aquisition oder clear/access) Code, der ein schnelles Auffassen der Signale bei geringerer Genauigkeit ermöglicht (zivil),

aufgeteilt werden. Mit Hilfe von Phasensprüngen liefern diese Codes binäre Informationen ( 1 – 0 Zustände). Die Trägerfrequenz L1 = 1575.42 MHz wird mit dem C/A Code und dem P Code, die Trä-gerfrequenz L2 = 1227.60 MHz nur mit dem P Code moduliert [43]. Um das hochfrequente Sendesignal L1 mit beiden Codes modulieren zu können, wird es in zwei um 90° phasenver-schobene Komponenten zerlegt. Eine Komponente wird mit dem C/A Code, die andere mit dem P Code moduliert. Die 180° Phasenmodulation entspricht einem Polarisationswechsel der Trägersignalkomponenten. Anschließend werden diese Komponenten addiert und abge-strahlt. Das so erzeugte Signal kann sprunghaft, je nach Zustand des P Codes und des C/A Codes vier verschiedene Phasenlagen einnehmen (0/0, 0/1, 1/1, 1/0).

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Abb. 65 Signalerzeugung; [42] Das Signal wird im Empfänger demoduliert, so dass C/A – und P Code getrennt vorliegen (vgl.Kap.7). Das Prinzip der Laufzeitmessung der Signale besteht darin, dass im Empfänger ein Code-Generator gleichzeitig die selben spezifischen Codes erzeugt, die in den jeweiligen Satelliten erzeugt werden. Das wichtige dabei ist, dass die Codes genau zeitsynchron zu den Codes in den Satelliten laufen müssen. Die “Empfängeruhren“ müssen mit den “Satellitenuh-ren“ übereinstimmen. In den Satelliten wird die Zeittaktung durch eine hochkonstante Atomfrequenznormale gene-riert. In den Empfängern genügt ein ungenauerer, aber preiswerterer quarzgesteuerter Oszilla-tor als Uhr. Die Ungenauigkeit kann bei der Positionsbestimmung durch mindestens 4 Satelli-ten ausgewertet und korrigiert werden. Ein vom Satelliten gesendetes Signal wird aufgrund seiner endlichen Ausbreitungsgeschwin-digkeit (Lichtgeschwindigkeit) mit seiner Codierung zeitverzögert am Empfänger eintreffen. Der Code-Generator wird soweit verstellt, dass der erzeugte Code synchron zum Code des ankommenden Signals ist. Die Größe der Verstellung des Code Generators (Zeitunterschied) ist ein Maß für die Laufzeit des Signals zwischen Satellit und Empfänger. Das Synchronisie-ren der Codierungen wird Korrelieren genannt (Autokorrelation ). Genaue Korrelation liegt vor, wenn der Signalausgang im Empfänger maximal ist (vgl. Abb. 66). Aus den Laufzeiten ergeben sich die Entfernung zu den Satelliten, die jedoch noch fehlerbehaftet sind (pseudo ranges). Für die weitere Ortsbestimmung des Empfängers sind zusätzlich v.a. die genauen aktuellen Koordinaten der einzelnen Satelliten notwendig. Diese und andere benötigte Infor-mationen werden mit Hilfe der Datenrahmen übermittelt.

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Abb. 66 Prinzip der Korrelation; [44] Empfängerseitig werden Einkanal- und Mehrkanalempfänger mit richtungsempfindlichen Antennen verwendet. Ein Einkanalempfänger wird alternierend auf mindestens 4 Satelliten geschaltet. Der Nachteil hierbei liegt darin, dass das jeweilige Satellitensignal immer wieder neu aufgefasst und synchronisiert werden muss. Für Benutzer mit geringer Eigengeschwin-digkeit (z. B. Ballone, Segelflugzeuge oder auch kleine Motorflugzeuge ) stellt das kein Prob-lem dar, da die Position in engen Grenzen bekannt bleibt und eine Synchronisation somit schneller als eine komplett neu gestartete abläuft. Sequentielle Zweikanalempfänger sind bei geringer Eigendynamik ebenfalls üblich. Bei Luftfahrtvehikeln mit hoher Eigendynamik (z. B. Fighter ) werden Empfänger mit min-destens vier Kanälen benötigt. Die Satellitensignale können gleichzeitig empfangen und “fest-gehalten“ werden. Dieses sogenannten Tracking wird durch Regelkreise realisiert [43]. 3.5.3.2 Positionsbestimmung Wie im vorherigen Abschnitt bereits erwähnt, basiert die Positionsbestimmung auf dem Prin-zip der Laufzeitmessung, aus der die jeweiligen Entfernungen von den Satelliten zum Benut-zer ermittelt werden (pseudo ranges). tvs ⋅= Im dreidimensionalen stellen die Entfernungen um die Satelliten Kugeln dar (Kugel = geom. Ort aller Punkte, die von einem Zentrum konstanten Abstand haben)

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Abb. 67 Entfernungsmessung von den Satelliten (Clock bias ist aufgrund der synchroni- sierten Satellitenuhren für alle Satelliten konstant); [44] Abbildung 68 stellt eine zweidimensionale Darstellung der Entfernungsverhältnisse dar.

Abb. 68 Entfernungsmessung zum Satelliten (2 – dim.); [45; S. 39]

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Wie bereits in Kapitel 3.5.3 erwähnt wurde, sind zur Berechnung einer 3 – dimensionalen Position mindestens vier Satelliten notwendig. Entsprechend den vier Satelliten ergeben sich vier gemessene Entfernungen Ri (i = 1...4; pseudo ranges) – Satellit – Empfänger [15; S.145]:

(1) ( ) ( ) ( )[ ]1111

11

5.021

21

211

η++++∆+∆+∆+−+−+−=

MPESA

tctctczZyYxXR aSVr

(2) ( ) ( ) ( )[ ]

2222

22

5.022

22

222

η+++

+∆+∆+∆+−+−+−=

MPESA

tctctczZyYxXR aSVr

(3) ( ) ( ) ( )[ ]

3333

33

5.023

23

233

η++++∆+∆+∆+−+−+−=

MPESA

tctctczZyYxXR aSVr

(4) ( ) ( ) ( )[ ]4444

44

5.024

24

244

η++++∆+∆+∆+−+−+−=

MPESA

tctctczZyYxXR aSVr

i = 1...4 Ri = gemessene Entfernung Satellit – Empfänger X i = Satellitenkoordinaten im erdfesten KOS (ECEF) x,y,z = Empfängerkoordinaten im erdfesten KOS (ECEF) ∆tr = Uhrenfehler des Empfängers ∆tSVi = Uhrenfehler des Satelliten (SV = space vehicle) ∆tai = Zeitverzögerung durch atmosphärische Störungen (z. B. Ionosphäre) SAi = Fehler durch künstliche Verschlechterung des Signals (SA = selective availability) Ei = Fehler durch Ephemeridendaten MPi = Fehler durch Mehrwegausbreitung ηi = Fehler durch Empfänger bei der Signalerfassung und ~verfolgung der einzelnen

Satelliten c = Lichtgeschwindigkeit Da es bei der Positionsbestimmung entscheidend ist, zwischen den einzelnen Koordinatensys-temen (KOS) genau zu unterscheiden, werden kurz die wichtigsten in der Praxis verwendeten KOS mit ihren jeweiligen Transformationen vorgestellt:

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Erdfestes Koordinatensystem Im erdfesten KOS (earth centered earth fixed frame; ECEF Frame), der Ursprung liegt im Erdmittelpunkt, werden das kartesische und das geodätische System unterschieden. Das kartesische erdfeste KOS hat drei Achsen (x, y, z) von denen die x – Achse vom Erdmit-telpunkt durch den Schnittpunkt zwischen Nullmeridian (prime meridian) und Äquatorialebe-ne geht. Die z – Achse weist in positiver Richtung durch den geographischen Nordpol und stimmt mit der Rotationsachse der Erde überein. Die y – Achse vervollständigt das Rechtssys-tem und liegt in der Äquatorialebene auf 90° Länge (vgl. Abb. 69).

Abb. 69 ECEF System; [44] Das geodätische erdfeste System berücksichtigt die Abplattung der Erde und weist die Form eines Rotationsellipsoids auf. Das Ellipsoid ist durch die folgenden Parameter bestimmt: große Halbachse a Exzentrizität e kleine Halbachse b Derartige Erdmodelle (Geoide) auf der Basis von Rotationsellipsoiden werden durch Vermes-sen der Erdoberfläche erstellt (z. B. mit Hilfe von Satelliten). Abbildung 70 zeigt die Unter-schiede zwischen dem geometrisch exakten Rotationsellipsoiden, dem vermessenen Geoid und der wahren Erdgestalt. Die letzte Vermessung fand auf der Mission des amerikanischen Space Shuttles STS 99 (Radar Topography Mission, Februar 2000) mit dem deutschen Astro-nauten G. Thiele statt. Das bis heute verwendete Geoidmodell ist das WGS-84 (world ge-ographic system)[15; S.20ff]: große Halbachse a = 6378137.0 m kleineHalbachse b = 6356752.3142 m

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Abb. 70 Rotationsellipsoid, Geoid und wahre Erdform; [45] Die Koordinaten sind die Länge Φ, die Breite λ und die Höhe h (beachte in manchen Ausfüh-rungen umgekehrte Bezeichnung von Länge und Breite). Die Breite λ ist der Winkel zwischen der Äquatorialebene und der Ellipsoidnormalen N; beachte, dass N i.a. nicht durch den Mit-telpunkt des Rotationsellipsoids läuft. Die Länge beschreibt den Winkel in der Äquatorialebe-ne zwischen dem Nullmeridian und einem gewünschten Punkt P. Die Höhe ist die Entfernung entlang der Ellipsoidnormalen zwischen Ellipsoidoberfläche und einem gewünschten Punkt P (vgl. Abb. 71).

Abb. 71 Geodätische Ellipse; [15; S.27] Ausgehend von den Laufzeit- bzw. Entfernungsmessungen stellt die Transformation vom kar-tesischen KOS in das gewünschte geodätische KOS eine wichtige Anwendung im GPS dar. Koordinatentransformation : Geodätisches in Kartesisches KOS Als Grundlage dienen die Werte des WGS 84:

0033528.0=−=a

baf Abplattung

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( ) 0818.02 =−= ffe numerische Exzentrizität

( )λ

λ22 sin1 e

aN

−= Länge von N (Krümmungskreisradius)

z P (N + h) (N + h) cosλ sinΦ (N + h) cosλ λ y (N + h) cosλ cosΦ Φ x

( )2

222

22

'

arctan

b

bae

pb

za

yxp

−=

+=

( )( )

( )[ ] λλλ

sin1

sincos

coscos

2 heNz

hNy

hNx

+−=Φ+=Φ+=

Kartesisches in geodätisches KOS

( )

( )( )λ

λ

λ

Np

h

xy

ep

bez

−=

Θ−Θ+=

cos

,2arctan

cos

sin'arctan

32

32

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Navigationskoordinatensystem = navigational system = local geodetic system = tangent plane system; Der Ursprung dieses Koordinatensystems liegt auf der Erdoberfläche. Die x – Achse weist in die lokale Nordrich-tung (geogr. Nordpol), die y – Achse zeigt in die lokale Ostrichtung, und die z – Achse steht senkrecht auf die x – und y – Achse, wodurch sich wieder ein Rechtssystem ergibt.

Abb. 72 Navigationskoordinatensystem; [15; S. 23] Körperfestes Koordinatensystem Ursprung dieses KOS ist meist der Massenmittelpunkt. Hat das Flugzeug eine Symmetrieebe-ne (wie die meisten), so liegt in ihr die xz – Ebene des KOS. Die x – Achse liegt in Richtung der Längsachse oder auch der Nullauftriebsrichtung, die y – Achse liegt auf der Querachse in Richtung der rechten Tragfläche. Die z – Achse liegt in der xz – Ebene nach unten und ver-vollständigt das Rechtssystem. x

z y Abb. 73 Körperfestes (body fixed) KOS

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Transformation: Prinzipiel stehen mehrere Möglichkeiten für die Ausführung einer Transformation zur Verfü-gung: Euler Winkel Θ, Ψ, Φ (vgl. [46], [47], [15], [40]) Richtungskosinus (vgl. [46], [47], [15]) Quaternionen (vgl. [46], [15]) In den folgenden Ausführungen wird sich auf die Verwendung der Euler Winkel beschränkt. Kartesisches erdfestes KOS in Navigationskoordinatensystem Euler Winkel: Ψ = λ; θ = - (λ + 90°)

T =

−Φ−Φ−ΦΦ−

Φ−Φ−

λλλ

λλλ

sinsincoscoscos

0cossin

cossinsincossin

Die umgekehrte Transformation vom Navigationskoordinatensystem in das erdfeste kartesi-sche Koordinatensystem ergibt sich durch die Inversion bzw. Transposition (orthogonale Mat-rizen) von T.

T-1 = TT =

−Φ−ΦΦ−Φ−Φ−Φ−

λλλλλλ

sin0cos

sincoscossinsin

coscossincossin

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Kartesisches erdfestes in körperfestes KOS Rotation um die drei Euler Winkel Θ, Ψ, Φ (x – Folge; vgl. Abb. 74)

Abb. 74 Eulerwinkel Θ, Ψ, Φ; [46; S.324]

T =

ΘΦΘΨ−ΦΘΨΦΨ+ΨΦΘΘΦΦΨ+ΦΘΨΦΨ−ΨΦΘ

Θ−ΨΘΨΘ

coscossincoscossinsincossincoscossin

cossincoscossinsinsincossincossinsin

sinsincoscoscos

Auch hier gilt für die umgekehrte Transformation vom körperfesten in das kartesische erdfes-te Koordinatensystem:

T-1 = TT =

ΘΦΘΦΘ−ΘΨ−ΦΘΨΦΨ+ΦΘΨΨΘΦΨ+ΨΦΘΦΨ−ΨΦΘΨΘ

coscoscossinsin

sincoscossinsincoscossinsinsinsincos

sinsincoscossincossincossinsincoscos

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Körperfestes KOS in das Navigationskoordinatensystem Rotation um drei Euler Winkel Θ, Ψ, Φ [46; S.326ff]

T =

ΘΦΘΨ−ΦΘΨΦΨ+ΨΦΘΘΦΦΨ+ΦΘΨΦΨ−ΨΦΘ

Θ−ΨΘΨΘ

coscossincoscossinsinsinsincoscossin

cossincoscossinsinsincossincossinsin

sinsincoscoscos

Umgekehrte Transformationsrichtung:

T-1 = TT =

ΘΦΘΦΘ−ΘΨ−ΦΘΨΦΨ+ΦΘΨΨΘΦΨ+ΨΦΘΦΨ−ΨΦΘΨΘ

coscoscossinsin

sincoscossinsincoscossinsinsinsincos

sinsincoscossincossincossinsincoscos

Nach diesem kurzen Einschub über die Koordinatensysteme, kommen wir zurück zur Lösung der vier Gleichungen zur Positionsbestimmung. Werden die Gleichungen 1 – 4 mit Hilfe der Taylorentwicklung unter Vernachlässigung von Termen höherer Ordnung linearisiert, so er-gibt sich das folgende Ergebnis [45; S.146f]:

(5)

( )( )( )( )

( )( )( )( )

THO

tc

zz

yy

xx

H

xR

xR

xR

xR

xR

xR

xR

xR

r

+

+

∆−−−

+

=

4

3

2

1

0

0

0

04

03

02

01

4

3

2

1

χχχχ

( )000 ,,

444

333

222

111

1

1

1

1

zyx

iiiiaiSVii

z

R

y

R

x

Rz

R

y

R

x

Rz

R

y

R

x

Rz

R

y

R

x

R

H

MPESAtctc

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

∂∂

=

++++∆+∆= ηχ

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( )( ) ( ) ( )[ ]

( )( ) ( ) ( )[ ]

( )( ) ( ) ( )[ ] 5.0222

5.0222

5.0222

zZyYxX

zZ

z

R

zZyYxX

yY

y

R

zZyYxX

xX

x

R

iii

ii

iii

ii

iii

ii

−+−+−

−−=

∂∂

−+−+−

−−=

∂∂

−+−+−

−−=

∂∂

THO = Terme höherer Ordnung Für eine einzelne Komponente aus Gleichung 5 gilt als Lösung mit 4 Satelliten:

( ) ( )

+

=

++=−=

−− TOHH

R

R

R

R

Hx

TOHxhxRxRR iiii

4

3

2

1

1

4

3

2

1

1

0

χχχχ

δδδδ

δ

χδδ

Mit Hilfe der geringsten Fehlerquadrate (least error squares)[15; S.145f]:

(6) ( ) ( )xRHHHx TT δδ 11 −−=

(7) xxx δ+= 0

xδ = Positionsfehler 3.5.4 Fehlerquellen Die empfangsseitig gemessene Laufzeit bzw. Entfernung Satellit – Empfänger (pseudo range) ist mit verschiedenen Fehlern behaftet: Satelliten Uhrenfehler Alle Satelliten haben genaugehende Atomuhren, doch bereits geringste Abweichungen von der Systemzeit ergeben größere Distanzfehler (1 µs = 300m), so dass Korrekturwerte ange-bracht werden müssen. Dies geschieht mit Hilfe der Uhren Koeffizienten im 1. Daten – Unter-rahmen (vgl. S. 78).

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Ephemeriden – Fehler Eine ideale Ellipsenbahn, wie sie durch die Keppler Gesetze festgelegt wird, ist in der Realität nur für kurze Zeit zu erreichen. Äußere Störeinflüsse wie der Strahlungsdruck der Sonne, Gravitationseinflüsse anderer Himmelskörper (z. B. Mond, Sonne) oder den Gravitations-anomalien der Erde beeinflussen die Bahnbewegungen der einzelnen Satelliten. Diese Fehler liegen im Zentimeter bis Dekameterbereich pro Stunde [43]. Der größte Fehlereinfluss auf die Bahnbewegungen der Satelliten, ist die Abplattung der Erde. Damit sind die für ideale Massenpunkte geltenden Kepler Gesetze nicht mehr gültig und müs-sen mit entsprechenden Korrekturtermen in den 2. und 3. Daten – Unterrahmen (vgl. S. 78) korrigiert werden. Ohne diese Berücksichtigung der Abplattungsfehler können Bahnfehlerra-ten von 300 m pro Stunde auftreten [43]. Ionosphärische Laufzeitverzögerung Die von den Satelliten kommenden Funkwellen erleiden beim Passieren der Ionosphäre eine Laufzeitverzögerung gegenüber der Laufzeit im Vakuum (bis zu 60 ns bei Normalbedingun-gen). Die zusätzliche Laufzeit lässt sich wie folgt bestimmen [43; S.29]:

(8) 2

3

23.40

s

m

cf

TECT =∆

f = Sendefrequenz c = Lichtgeschwindigkeit im Vakuum TEC = Total Electron Count (Anzahl der freien Elektronen in einer Volumensäule mit der

Grundfläche von 1 m2 zwischen Sender und Empfänger)

40.3 2

3

s

m = Konstante

Troposphärische Laufzeitverzögerung Der troposphärische Laufzeitfehler ist frequenzunabhängig und relativ klein. Er kann mit ge-ringem Rechneraufwand in Abhängigkeit vom Erhebungswinkel des Satelliten bestimmt wer-den. Mehrwegausbreitung (multipath) Mehrwegausbreitung tritt bei Reflexionen an Gebäuden oder Geländeformationen in Empfän-gernähe sowie bei ungünstigen Positionierungen der Empfangsantenne auf. Durch Überlage-rung wird die Signalstruktur gestört. Fehler aufgrund der Mehrwegausbreitung können v. a. mit dem C/A Code recht groß werden.

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Empfängerrauschen und Signalverarbeitung Messfehler aufgrund von Empfängerrauschen und Signalverarbeitung durch Hardware und Software liegen bei präzisen Mehrkanal – Empfängern unter Ausnutzung des P – Codes < 1m. Fehler durch Empfänger – Dynamik Fehler durch die Empfänger - Dynamik entstehen durch die Eigenbewegung des Empfängers bzw. des Flugzeugs. Die Eigenbewegung beeinflusst die Stabilität der Frequenzen und Pha-sen, so dass das Tracking der Satelliten verloren gehen kann. Bei sehr hoher Empfänger – Dynamik muss dieser Effekt durch entsprechende Filtertechnik (z.B. Kalman Filter) kompensiert werden, da besonders die Geschwindigkeitsbestimmung über die Dopplerverschiebung sehr ungenau wird. Kopplungen mit vorhandenen INS Anlagen liefern Lösungsmöglichkeiten, so dass ein Fest-halten der Signale gewährleistet ist [43]. Empfänger – Uhrenfehler Die Empfänger sind mit ungenaueren Quarzuhren ausgerüstet, deren Fehler mit Hilfe von vier Satelliten kompensiert werden kann. Relativistischer Uhrenfehler Entsprechend der speziellen Relativitätstheorie gehen bewegte Uhren langsamer als Uhren, die in einem Inertialsystem ruhen. Weiterhin laufen Uhren in der Nähe großer Massen (z. B. Erde) langsamer, als Uhren die weiter entfernt sind. Der unterschiedliche Gang der Uhren lässt sich im ersten Fall mit Hilfe der Lorentztransformation (Zeitdilatation; vgl. Anhang) und im zweiten Fall mittels der Unterschiede der Gravitationspotentiale (vgl. Anhang) berechnen. Beispiel: Die Satellitenuhr geht schneller relativ zu einer gleichwertigen Uhr im Empfänger eines Be-obachters auf der Erde. Selective Availability (SA) Entgegen den ursprünglichen Erwartungen ermöglichte der C/A Code in den Augen des ame-rikanischen Verteidigungsministerium (department of defence; DOD) für zivile Benutzer eine noch zu genaue Positionsbestimmung. Aus diesem Grund wurden die Signale bei SPS (stan-dard positioning service) künstlich verschlechtert. Bei SA wurden die Frequenzen der Satelli-tenuhren und die Satellitenbahndaten nach dem Zufallsprinzip (stochastisch) verfälscht. Die damit zu erzielende Genauigkeit lag mit 95% Wahrscheinlichkeit bei 100 m. Mit 99.9% Wahrscheinlichkeit lag die eigene Position in einem Kreis von 300 m [49]. Die künstliche

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Verschlechterung durch SA wurde im März 2000 durch den Präsidenten der USA aufgeho-ben. Anti Spoofing (AS) Am 31. Januar 1994 wurde zusätzlich zur Selective Availabilty (SA) das Anti Spoofing (AS; spoof = Schwindel, Täuschung) eingeführt. AS ist eine bestimmte Form der Verschlüsselung, die kurzzeitig geändert wird, damit der P – Code nicht von Unbefugten entschlüsselt werden kann [49]. 3.5.5 Genauigkeit von GPS Die Genauigkeit der Orts-, Geschwindigkeits- und Zeitermittlung eines Empfängers mit Hilfe von Satelliten ist in großem Maße von der geometrischen Konstellation der Satelliten relativ zum Benutzer abhängig. Da nicht alle Fehler restlos erfasst bzw. kompensiert werden können, muss bei jeder Distanz- bzw. Positionsbestimmung mit Restfehlern gerechnet werden. Für stationäre P – Code Empfänger beträgt dieser sogenannte User Equivalent Ranging Error (UERE) in der Gesamtbilanz etwa 4 m; für stationäre C/A – Code Empfänger etwa 8 m. Ta-belle 8 gibt einen Überblick der einzelnen Fehlerbeiträge für einen stationären GPS Empfän-ger. Tab. 8 Restfehler bei stationärem Empfänger; [43; S.33]

Fehlerquelle (error source) Geschätzte Fehlertoleranz [m/ft]

Satellite clock error 3.1/10 Ephemeris error 2.6/8.6 P – Code C/A - Code Ionosperic delay error 0.4/1.3 6.4/21.0 Tropospheric delay error 0.4/1.3 0.4/1.3 Receiver noise/quantizationerror

0.2/0.8 2.4/8.0

Receiver interchannel bias 0.2/0.5 0.6/2.0 Multipath 1.2/4.0 3.1/10.0 UERE 4.2/13.9 8.5/27.9

Bei der Positionsbestimmung mit mindestens 4 Satelliten lässt sich ein richtungsabhängiger Qualitätsfaktor herleiten. Er gibt in Abhängigkeit von der geometrischen Verteilung der Satel-liten Auskunft über die Güte der Orts-, Geschwindigkeits- und Zeitbestimmung. Dieser Faktor wird Geometric Dilution of Precision (GDOP) genannt und ist umgekehrt proportional zum Volumen eines Tetraeders, der durch die Verbindungslinien der Endpunkte der vier Einheits-vektoren vom Beobachter zu den Satelliten gebildet wird. Je größer das Volumen des Tetra-eders bzw. je kleiner der GDOP Faktor, desto günstiger ist die Verteilung der Satelliten für eine präzise Datenbestimmung. Eine optimale Situation liegt beispielsweise vor, wenn drei um 120° zueinander versetzte Satelliten eine minimale Elevation besitzen und der vierte Sa-

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tellit im Zenit des Beobachters steht. Für die Bestimmung des GDOP Faktors werden mehrer unterschiedliche Gütefaktoren verwendet [43]: PDOP – precision dilution of precision = Qualität der dreidimensionalen Position HDOP – horizontal dilution of precision = Qualität der horizontalen Position VDOP – vertical dilution of precision = Qualität der vertikalen Position TDOP – time dilution of precision = Beschreibung des Uhrenfehlers vom Empfäng-

er

( ) ( ) ( )

( ) ( )22

222

TDOPPDOPGDOP

TDOPVDOPHDOPGDOP

+=

++=

Ein GDOP Faktor von 1 würde den Idealfall bedeuten. Werte zwischen 3 und 8 sind aber rea-listischer. Liegt die Systemgenauigkeit beispielsweise bei 300 m und GDOP Faktor ist 5, so ergibt sich durch Multiplikation eine Positionsgenauigkeit von 1500 m. Wie bereits in Kapitel 3.5.2.3 angedeutet wird in zwei Genauigkeitsklassen unterschieden: PPS – precision positioning service: es können der C/A und der P – Code empfangen wer-

den und es lässt sich eine horizontale Genauigkeit von bis zu 16 m und eine Zeitkonstsante bis zu 100 ns erzie-len.

SPS – standard positioning service: er basiert auf dem C/A – Code und eine horizontale

Genauigkeit ist bis auf 100 m, eine Zeitkonstante bis auf 340 ns erreichbar.

Tab. 9 GPS Systemgenauigkeit; [44]

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3.5.6 Differential GPS Differential GPS wurde eingeführt, um die Genauigkeit von GPS insbesondere in Flughafen-nähe zu steigern. Die Absicht war die für Instrumentenanflüge benötigten Auflagen zu erfül-len. DGPS arbeitet nach folgendem Prinzip: Ein auf der Erdoberfläche stationierter GPS Empfänger, dessen geographische Position sehr exakt bestimmbar ist, empfängt kontinuierlich die Satellitendaten und bestimmt aus ihnen die eigene Position. Anschließend wird die errechnete und gespeicherte, exakte Position mitein-ander verglichen und daraus Korrekturterme bestimmt. Diese Korrekturdaten werden an die Empfänger gesandt, die mit einem Zusatzmodul ausgerüstet sind und die Korrekturdaten zu einer noch exakteren Position verarbeiten können. Günstig wirkt sich hierbei die gleiche DOP von Bodenstation und Nutzer aus. Allerdings nimmt die Genauigkeit von DGPS mit zunehmendem Abstand von der DGPS Bo-denstation ab. Die erzielbare Genauigkeit mit SPS liegt unter 10 m. Für den zivilen Bereich werden von einigen nationalen und internationalen Organisationen (FAA; ICAO, JAA) dem DGPS ähnliche Systeme erprobt: WAAS – wide area augmentation system: ziviles Gegenstück zum DGPS, eingeführt von der

FAA EGNOS – european geostationary navigation overlay service: europäisches Gegenstück zum

amerikanischen WAAS

LAAS – local area augmentation system: Weiterenwicklung des WAAS für den nahen Flug hafenbereich (Präzisionsanflüge, Rollführung...)

GBAS – ground based augmentation system: System von der ICAO

Abb. 75 DGPS; [44]

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Tab. 10 Vergleich GPS und DGPS; [44]

3.5.7 GPS Anflüge Eine sehr nützliche Anwendung von GPS ist neben der Navigation im Reiseflug auch die late-rale und vertikale Führung zu Landeplätzen (GPS Approach). Die Funktionsweise ist ver-gleichsweise einfach: es werden mit Namen kodierte Wegpunktkoordinaten zu einem gesam-ten Anflug zusammengefügt, in das Flugmanagementsystem bzw. Autopiloten implementiert und dann abgeflogen. Dabei stellt die weitestgehende Bodenunabhängigkeit des GPS Anflu-ges gleichzeitig einen großen Vorteil aber auch Nachteil dar. Der Vorteil liegt darin, dass auf teure und wartungsintensive Bodenanlagen verzichtet werden kann, aber trotzdem in entlege-nen und strukturschwachen Gebieten (Schwarzafrika, GUS Staaten…) Anflüge mit sehr guter Genauigkeit durchgeführt werden können. Der Nachteil liegt in der Tatsache, dass es während dem Anflug keine Plausibilitätskontrollen (Höhe?) mehr gibt. Ein Beispiel ist hier in Abbil-dung 76 dargestellt. Das Flugzeug wird in der Intermediate Approach Altitude (Höhe von der aus der Endanflug begonnen wird) an den Final Approach Waypoint geführt. Von dort aus regelt der Autopilot den Anflug entsprechend dem gefordertem Sinkprofil (z.B. 3°). Das Problem dabei ist, dass keine Korrekturen für eine falsche wahre Höhe (kalte Luft > angezeig-te Höhe zu niedrig > vgl. Kap. 2.1.4.2 wahre Höhe) durchgeführt werden. Das analoge Prob-lem ergibt sich bei zu hoher Referenzdruckeinstellung am Höhenmesser (z.B. zu hohes QNH), da der Höhenmesser dann einen größeren Druckunterschied (= größere Höhe) misst als in der Realität besteht.

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5000 ft angezeigte Höhe (Intermediate Approach Altitude) am Final Approach WPT (N 34°…W 008°…)

4800 ft wahre Höhe (true altitude) 3° Sinkprofil (nominal)

3° Sinkprofil (aktuell aber zu tief begonnen!) Crash (CFIT) Abb. 76 Problem der wahren und angezeigten Höhe beim GPS Approach 3.6 Trägheitsnavigation Die Grundidee bei der Trägheitsnavigation (inertial navigation) ist die Integration der Be-schleunigung, um daraus die Geschwindigkeit und durch eine weitere Integration die Wegstrecke bzw. Position zu ermitteln. Wie bereits in Kapitel 2.1.7 erwähnt, zählt die Träg-heitsnavigation zu den Koppelnavigationsverfahren, d. h. bei der Initialisierung des Systems muss eine Anfangsposition und Anfangsgeschwindigkeit vorgegeben werden. Von dieser An-fangsposition ausgehend, wird durch die obige Integrationsmethode die aktuelle Position be-stimmt. Außer der Position kann mit Hilfe der Trägheitsnavigation die Geschwindigkeit und die Nicklage (attitude) gegenüber dem Horizont bestimmt werden. 3.6.1 Komponenten von Trägheitsnavigationssystemen Um die für die Positions~ und Nicklagebestimmung erforderlichen Beschleunigungswerte zu erhalten, sind Kreiselgeräte bzw. Kreiselplattformen (gyros) sowie Beschleunigungsmesser (accelerometer) notwendig. Die Kreisel werden in

mechanische Kreisel/Kardankreisel (mechanically gimballing systems) und

Laserkreisel (laser gyros) unterschieden [38; S.39].

Flugplatz

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Mechanische Kreisel/Kardankreisel Mechanische Kreisel werden bei der Trägheitsnavigation entsprechend den drei Raumrich-tungen zu einer sogenannte Kreiselplattform zusammengefasst. Durch diese Anordnung kann der Kardanfehler (Vermeidung des Kardanverschlusses) beseitigt werden. Die Plattform be-hält ihre ursprüngliche Lage bei und kann in drei Bezugssystemen ausgerichtet werden [37]:

erdfeste Plattform: horizontale Lage bezogen auf die Erdoberfläche und nach Norden ausgerichtet; das Flugzeug bewegt sich um die Plattform (hier Nachführung notwendig)

raumfeste Plattform: auf den Trägheitsraum fixierte Plattform; Flugzeug und Erde

bewegen sich gegenüber der raumfesten Plattform (nicht nach- geführte kardanisch aufgehängte Plattform)

flugzeugfeste Plattform: fest mit dem Flugzeug verbunden; Erde und Trägheitsraum

bewegen sich gegenüber der Plattform (sog. Strapdown- systeme; Flugzeug = Plattform)

Die Stabilität der Plattformlage bei raumfester und erdfester Ausführung wird durch Kreisel sicher gestellt. Mit Hilfe der inertialen Kreisel werden die raumfesten Plattformen um ihre drei Achsen mit Servomotoren nachgeführt, wenn sich die Lage des Flugzeuges ändert. Bei erdfesten Plattformen werden entsprechende Korrektursignale an die Drehmomentgeber der Kreisel gegeben. Damit bleibt die Plattform erdfest und die Nick-, Roll- und Gierwinkel des Flugzeuges lassen sich direkt an der Plattform messen.

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Abb. 77 Kreiselplattform; [37; S. 59] Um die mechanischen Komponenten (z. B. Rahmen) der Plattform einsparen zu können, wur-den die Plattformen fest mit dem Flugzeug verbunden (strap down). Dadurch wird das Flug-zeug selbst zur Plattform und die Kreisel werden nicht mehr zum Stützen der Plattformen verwendet, sondern messen die Drehwinkel des Flugzeuges um die drei Achsen und müssen dafür einen sehr großen dynamischen Bereich mit sehr hoher Genauigkeit abdecken. Der Nick-, Roll- und Gierwinkel muss unverzüglich durch Koordinatentransformationen, die die Flugzeugbewegung um die drei Achsen und das scheinbare Driften und Kippen, das durch die Erde verursacht wird, berücksichtigen, errechnet werden [37]. Laserkreisel Laserkreisel erfahren prinzipiell die gleiche Verwendung wie die mechanischen Kreisel auf den Plattformen. Laserkreisel basieren auf dem Prinzip der Masse – Energie Äquivalenz (Trägheit der Masse entspricht Trägheit der elektromagnetischen Strahlung). Mit Hilfe von Lasern wird monochromes Licht, d. h. Licht von einer einzigen Frequenz (= Farbe), und in kohärenter Form (durch Resonanz in phasenkonstanter Strahlung) erzeugt. Um einen Kreisel zu erhalten, muss wie beim mechanischen Kreisel, bei dem sich eine Masse um ihre Achse im Kreis dreht, jetzt das Licht im Kreis laufen. Statt im Kreis, kann das Licht sich auch im Quad-

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rat oder im gleichseitigen Dreieck bewegen. Als Lichtleiter werden Spiegel oder zu Spulen aufgewickelte Glasfaser verwendet. Bei den Laserkreiseln wird in zwei Ausführungen unterschieden:

aktive Laserkreisel: das Licht wird innerhalb des Lichtpfades (Weg der Lichtleiter) erzeugt und läuft in beiden Richtungen (Uhrzeigersinn und Ge- genuhrzeigersinn)

passive Laserkreisel: das Licht wird außerhalb des Lichtpfades erzeugt und über halb

durchlässige Spiegel in den Lichtpfad (z. B. Glasfaser) eingekoppelt.

Wird die Lichtpfadebene um deren Mittelpunktachse gedreht, so entsteht der Sagnac - Effekt. Durch die Drehung wird, relativ betrachtet, der Lichtpfad in der einen Umlaufrichtung länger, in der anderen Umlaufrichtung kürzer. Diese Laufweglängendifferenz ist der Winkelge-schwindigkeit der Drehung um die Mittelpunktachse (Eingangsachse) proportional [37]. Sagnac – Effekt – Formel:

ω⋅=∆c

Al

4

c

A4 = Proportionalitätsfaktor

l∆ = Laufweglängendifferenz ω = Winkelgeschwindigkeit um die Drehachse A = Fläche, die der Lichtpfad einschließt c = Lichtgeschwindigkeit Beschleunigungsmesser Die Bestandteile eines Beschleunigungsmessers sind eine Masse, Rückstellkraft (Feder) und ein Dämpfungselement. Sie sind entweder linear oder in Form eines Pendels angeordnet. Die Dämpfung wird oft mit Flüssigkeiten, aber auch durch Wirbelströme erreicht. In neueren Techniken kommen piezokeramische Bauteile zur Anwendung. Bei ihnen wird die Beschleunigung proportional in elektrische Spannungssignale umgesetzt.

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3.6.2 Funktionsweise der Trägheitsnavigation Die prinzipielle Funktionsweise der Trägheitsnavigation wird durch die Newton’schen Axio-me beschrieben. Hierbei spielen das 1. und 2. Axiom eine wichtige Rolle: 1. Axiom:

Trägheitssatz: Jeder Körper bleibt in Ruhe oder bewegt sich mit konstanter Geschwindigkeit geradlinig weiter, wenn keine Kraft auf ihn wirkt.

2. Axiom: Kraftgesetz: Um einer Masse m die Beschleunigung a zu erteilen, ist eine Kraft F er-

erforderlich, die gleich dem Produkt aus der Masse m und der Beschleu- nigung a ist:

amF ⋅=

Wirkt auf einen Körper eine beschleunigende Kraft, so entsteht im gleichen Moment eine dem Betrag nach gleich große entgegengesetzt gerichtete Trägheitskraft. Diese Trägheitskraft kann durch geeignete Inertialsensoren gemessen werden. Dabei gilt das 2. Axiom:

sdt

sda

m

Fa

&&==

=

2

2

Wird ein geeignetes, unbeschleunigtes Bezugssystem (z. B. inertiales KOS) gewählt, so kann bei bekanntem Ausgangsort (z. B. die Parkposition des Flugzeugs) und definierten Richtun-gen der Messachsen (Plattform oder strap down) durch einfache Zeitintegration der Beschleu-nigung eines Körpers seine Geschwindigkeit und durch zweifache Integration der Beschleu-nigung der zurückgelegte Weg und dadurch der Ort im gewählten Koordinatensystem gewählt werden.

∫∫∫

∫==

=

adtdtvdts

adtv

Bei der Navigation in geographischen Koordinaten wird die Messung (Beschleunigungen) in den Nord/Süd und Ost/West Komponenten vorgenommen und aus dem Ergebnis unter Be-

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rücksichtigung weiterer Trägheitsbeschleunigungen mit Hilfe der Zweifachintegration direkt die Position bestimmt. Dazu wird die bereits beschriebene Trägheitsplattform verwendet. Auf ihr werden die Trägheitssensoren (Beschleunigungsmesser und Kreisel) in den Achsen eines kartesischen Koordinatensystems ausgerichtet. Vor dem Verlassen einer Ausgangsposition wird das Plattformsystem in das horizontale nord-orientierte Navigationssystem (vgl. S. 86) ausgerichtet. Aus den Messwerten, unter der Be-rücksichtigung der Korrekturen für die Trägheitskräfte, kann die Bewegung im geographi-schen System direkt bestimmt werden. Für die Anfangsausrichtung der Plattform, das soge-nannte Alignment, werden die Schwerebeschleunigung g und die Winkelgeschwindigkeit Ω der Erde verwendet. Die Komponente dieser beiden Größen können durch die Beschleuni-gungsmesser und Kreisel in den jeweiligen Achsen gemessen werden. Voraussetzung dabei ist, dass keine weiteren Beschleunigungen während der Ausrichtung (Alignment) auftreten. Das bedeutetet, dass das Flugzeug möglichst ruhig (z. B. kein Beladen, keine Sturmböen...) auf der Parkposition stehen muss. Ω Pol

Ω cos φ φ Abb. 78 Komponenten der Erddrehung Die Komponenten dieser beiden Größen können durch Beschleunigungsmesser und Kreisel in den jeweiligen Achsen gemessen werden. Voraussetzung hierfür ist, dass das Flugzeug keine weiteren Beschleunigungen während der Ausrichtung erfährt (z. B. Beladen, starke Windböen oder Schleppen des Flugzeugs). Die in Kardanrahmen angeordnete Plattform wird durch Stellmotoren in die horizontale Lage gebracht, indem die anteiligen g – Werte der x – y Beschleunigungsmesser ausgenullt werden. Für die Ausrichtung der horizontalen x - Achse nach geographisch Nord, wird die in der Me-ridianebene liegende Horizontalkomponente der Erdwinkelbeschleunigung Ω cosφ verwen-det.

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Nordrichtung x Ω cosφ y Abb. 79 Nordausrichtung Solange die x – Achse noch nicht nach Norden zeigt, wird sie durch die Erdrotation kontinu-ierlich wieder aus der horizontalen Lage auswandern. Das dadurch entstehende Signal des x Beschleunigungsmessers wird dazu verwendet, ein proportionales Drehmoment auf den z Kreisel zu geben. Die dadurch entsehende Präzession der Kreiselachse steuert einen Nach-drehmotor am Kardanrahmensystem, der die x Achse nach Norden dreht. Ist die Nordrichtung erreicht, dann ist das Beschleunigungssignal der x Achse bzw. der Anteil der Erdwinkelge-schwindigkeit Ω cosφ, der auf die y Achse fällt, gleich Null. Da die Horizontalkomponente der Winkelgeschwindigkeit der Erde zu den geographischen Polen hin gegen Null geht (cos 90° = 0), ist eine Plattformausrichtung in Polnähe (ab etwa 80° Nord) nicht mehr möglich. Ist der Ausrichtungsprozess beendet, so übernimmt der Rechner des Trägheitsnavigationssys-tems in Verbindung mit den Kreiseln und Nachdrehmotoren die Nachführung der Plattform ins geographische Navigationssystem. Für die Kompensation der Erdrehung muss die Platt-form um die vertikale z Achse um – Ω sinφ und um die horizontale x Achse um Ω cosφ nach-gedreht werden (vgl. Abb. 80). Nach Beendigung der Ausrichtung kann die Ausgangsposition verlassen werden. Durch die Bewegung des Flugzeuges im rotierenden System der Erde, treten weitere Trägheitskräfte bzw. ~ beschleunigungen auf. Diese Winkelgeschwindigkeitskomponenten müssen über den INS Rechner und die Kreisel – Kardanrahmensysteme für die Ausrichtung der Plattform ver-wendet werden. Erdrehung (earth rate precission; ERP): Pol Ω φ - Ω sinφ Ω cosφ φ φ g Abb. 80 Erddrehung; [50; S. 8]

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Flugzeugbewegung (earth transport precission; ETP):

Abb. 81 Flugzeugbewegung; [50; S.8]

ϕω

ω

ω

ϕω

ω

tan

cos

R

vR

vR

v

R

v

rv

z

ny

x

−=

−=

=

=

=

v = Flugzeuggeschwindigkeit im erdfesten System vn = Flugzeuggeschwindigkeit im Navigationssystem Index n: Navigationssystem

ϕϕω

ω

ϕω

tansin

cos

R

vR

vR

v

zn

nyn

xn

−Ω−=

−=

+Ω=

Für die Trägheitsnavigation gilt nach dem allgemeinen mechanischem Prinzip: Die vektorielle Summe aus Gravitationsbeschleunigung und Flugzeugbeschleunigung ist gleich der vektoriellen Summe aus Radial-, tangential-, Coriolis- und Zentripetalbeschleuni-gung.

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ϕϕ

sin2

sin2

ne

en

va

va

Ω=Ω−=

Die von den Beschleunigungsmessern bestimmten Werte müssen bezüglich der vom System selbst bestimmbaren Coriolis-, Zentripetal- und Tangentialbeschleunigung sowie der Erdbe-schleunigung korrigiert werden. Durch Integration der korrigierten Beschleunigungswerte erfolgt die Bestimmung von Bahngeschwindigkeit und Position in geographischen Koordina-ten. Bei Änderung der Nicklage (attitude) des Flugzeugs würde die Ausrichtung der Plattform im geographischen Koordinatensystem verloren gehen. Da aber Lageänderungen des Flugzeugs ein Drehmoment auf die sensiblen Kreiselachsen ausüben, kann die dadurch entstehende Prä-zessionsbewegung der Kreiselachsen benutzt werden, um über die Kardanrahmenmotoren die Plattform wieder zurückzuführen. Dies geschieht mit erhöhter Winkelgeschwindigkeit, wo-durch die Plattform praktisch unbeeinflusst von Nicklageänderungen bleibt.

BeschleunigungskorrekturenBeschleunigungskorrekturenBeschleunigungskorrekturenBeschleunigungskorrekturen: Erddrehung: In einer Modellvorstellung rotiert die Atmosphäre mit der Erde entsprechend einem festen Körper. Dadurch fliegt ein Flugzeug bei einer Höhen- und Breitenänderung in andere Atmo-sphärenumfangsgeschwindigkeiten. Die daraus resultierenden Beschleunigung ruft jedoch keine Positionsänderung hervor, da sie durch weitere Flugzeugbeschleunigungen kompensiert wird. Die INS Beschleunigungswerte im Navigationskoordinatensystem ergeben sich für die reine Erdrehung aus der Coriolis – Beschleunigung:

( )rc va ×= ω2

Ω−

Ω=

ϕ

ϕω

sin

0

cos

windigkeitlativgesch

v

v

v

v

v

e

n

r Re;

=

Drehung um die z – Achse: -Ω sinφ - z y ve - an - x Abb. 82 Rotation um die z - Achse

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Drehung um die x – Achse Ω cosφ x y ve - av - z Abb. 83 Rotation um die x - Achse Flugzeugbewegung: Fliegt ein Flugzeug längs eines Großkreises über die Erde, unterliegt es einer Zentrifugalbe-schleunigung, die die Beschleunigungssensoren messen. Diese Beschleunigung ruft, da sie durch die Flugzeugbeschleunigung ausgeglichen wird, keine Positionsänderung hervor. Die Beschleunigungswerte ergeben sich aus der Rotationsbewegung (radiale Beschleunigung) des Flugzeugs um die drei Achsen des Navigationskoordinatensystems (vgl. Abb. 84 - 86):

Ω−=Ω−= vrar2

ar = Relativbeschleunigung in jeweiliger Achsenrichtung Rotation um z – Achse: - ve/R tanφ - z y ve - x - an Abb. 84 Rotation um die z - Achse

ϕϕ

cos2

cos2

ve

ev

va

va

Ω=Ω−=

ϕ

ϕ

tan

tan2

R

vva

R

va

nee

en

=

−=

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Rotation um y – Achse: - vn/R - y z vv an x Abb. 85 Rotation um die y - Achse Rotation um die x – Achse: ve/R x y ve av - z Abb. 86 Rotation um die x - Achse Werden alle Beschleunigungsanteile zusammengefasst, ergibt sich für die drei Achsenrich-tungen das folgende Ergebnis:

++

−Ω−=

+Ω+

+Ω=+Ω++Ω=

+

+Ω−=+−Ω−=

gR

vvva

R

vvvv

R

v

R

vvv

R

vvva

R

vvv

R

vv

R

vv

R

vva

enev

vevn

evev

nene

vne

ee

vneen

22

22

cos2

cos2tansin2cos2tansin2

tansin2tansin2

ϕ

ϕϕϕϕϕϕ

ϕϕϕϕ

Aus obiger Zusammenfassung ergibt sich die Flugzeugbeschleunigung, um die die gemesse-nen Werte reduziert werden müssen:

++

−Ω−

+Ω+

+

+Ω−

+

=

=

gR

vvv

R

vvvv

R

vR

vvv

R

vv

ga

a

a

v

v

v

ene

vevn

e

vne

ee

v

e

n

v

e

n

22

cos2

cos2tansin2

tansin2

0

0

ϕ

ϕϕϕ

ϕϕ

&

&

&

R

va

R

vva

nv

vnn

2

−=

=

R

vva

R

va

vee

ev

=

−=2

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Die Trägheitsnavigation gehört zu den Koppelnavigationsverfahren. Die wichtigsten Parame-ter sind die Beschleunigung und die Zeit. Wie bereits erwähnt, ergibt sich mit Hilfe der Zwei-fachintegration der Weg bzw. die Position. In der Trägheitsnavigation wird die Flughöhe (z – Komponente) nicht durch Integration der vertikalen Beschleunigung bestimmt, da nicht bestimmbare Beschleunigungsfehler sich schnell zu großen Höhenfehler aufsummieren würden (sog. 2 – Achs - Anlage). Ein Ortungs-fehler von wenigen Seemeilen (NM) in der horizontalen Position hat in der Navigation nicht die Bedeutung, wie der gleiche Betrag in der Höhe [50]. Da jedoch die Flughöhe für die richtige Bestimmung der Winkelgeschwindigkeiten aufgrund der Flugzeugbewegung benötigt wird, benutzt man die Druckhöhe aus dem Luftdatenrechner. Die Plattform ist kardanisch aufgehängt und kann um ihre Kardanachsen schwingen. Zusam-men mit der Rückführung bilden sie einen Regelkreis, der bei vernachlässigbarer Dämpfung beim 2 Achssystem die Schulerschwingungsdauer besitzt. Dazu sei ein einfaches Beispiel angeführt [50; S.13f]: „Ein Flugkörper am Äquator, dessen INS Plattform bezüglich der Erdrotation ins geographi-sche Koordinatensystem (Nord-/Ost- und Vertikalrichtung) nachgeführt wird, möge unter Berücksichtigung der notwendigen Beschleunigungskorrekturen mit einer kurzzeitigen An-fangsbeschleunigung auf eine konstante östliche Geschwindigkeit gebracht werden (kein Luftwiderstand). Die Plattform wird durch das Signal ve/R um die nach Norden zeigende Plattformachse (x – Achse) im gleichen Maße nachgedreht, wie es die Ortsveränderung auf der Erde erfordert. Die Plattform bleibt ausgerichtet und im Lot. Lot

ae Prüfmasse Abb. 87 Beschleunigungsmesser Da das System jedoch fehlerhaft ist (Nullpunktfehler der Beschleunigungsmesser, Kreiseldrif-ten usw.), wird die Nachführung ebenfalls mit Fehlern behaftet sein. Angenommen die Nach-führung sei schneller als es der Ortsveränderung entspricht, so wird die Plattform aus der Ho-rizontalen auswandern. In einem vereinfachten Ost/West Beschleunigungsmesser bewegt sich die Prüfmasse aufgrund der nun wirksam werdenden Erdbeschleunigungskomponente g sinα in Flugrichtung nach vorne.

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Die Beschleunigung g sinα ergibt integriert einen Geschwindigkeitsfehler, der mit der ur-sprünglichen Bahngeschwindigkeit ve überlagert wegen der entgegengesetzten Vorzeichen eine geringere Gesamtgeschwindigkeit ergibt. Die Nachführung wird so allmählich geringer und die Plattform kehrt langsam in ihre hori-zontale Lage zurück. Da die Plattform nicht in dieser Lage verharren kann – die auf das Erdlot bezogene Winkelgeschwindigkeit ist aufgrund der Integration maximal – taucht das andere Ende der Plattformachse unter die Ortshorizontale und das Spiel beginnt von neuem nur mit anderem Vorzeichen. Die Plattform schwingt damit um das Erdlot. Aufgrund dieser Anord-nung in einem geschlossenen Regelkreis ist es überhaupt erst möglich geworden, in einem beschleunigten System das Erdlot sehr exakt darzustellen, denn die Schwingungen um das Erdlot liegen im Bereich von Bruchteilen von Bogenminuten. Die Plattform liefert daher ei-nen idealen Nicklagebezug (attiude reference; z. B. für den künstlichen Horizont). Aus der mathematischen Untersuchung der Plattformschwingung im Regelkreis ergibt sich für die Schwingungsperiode die Formel:

g

RT π2=

R = Erdradius + Flughöhe g = Erdbeschleunigung Das Ergebnis entspricht der Schwingungsdauer eines Fadenpendels (mathematisches Pendel) mit der Fadenlänge l = R. Für Meereshöhe ergibt sich eine Schwingungsdauer von 84.4 min. Ein solches theoretisches Fadenpendel (Erdpendel) bliebe in Ruhe bzw. würde bei kleinen Amplituden ungestört schwingen, auch wenn der Aufhängepunkt horizontal beschleunigt würde, weil die Pendelmasse kräftefrei im engen Bereich des Erdschwerpunkts verbleibt. Je-des andere Fadenpendel l ≠ R würde bei Horizontalbeschleunigungen des Aufhängepunktes (Flugkörper) aus der Ruhelage ausgelenkt bzw. vorhandene Schwingungen würden gestört werden. a a l ≠ R l = R R Abb. 88 Erdpendel; [50; S. 14]

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Der Wissenschaftler Schuler hat zu Beginn dieses Jahrhunderts die Eigenschaften des Erd-pendels erkannt und dadurch die Entwicklung eines beschleunigungsunabhängigen Kreisel-kompasses ermöglicht. Das Erdpendel wird deshalb häufig Schulerpendel und die Schwin-gungsdauer Schulerperiode genannt. Auf die Trägheitsplattform bezogen bedeutet dies, dass deren Schwingungsdauer ebenfalls unempfindlich gegen horizontale Beschleunigungen ist. Durch die Plattformnachführung im geschlossenen Regelkreis und dadurch bewirkter harmo-nischer Schwingung um das Schwerelot, ist die erdbezogene Trägheitsnavigation erst möglich geworden. Dieses Grundprinzip ist während des zweiten Weltkrieges durch die deutschen Wissenschaft-ler Reisch und Gievers unabhängig voneinander auf der Grundlage des sogenannten Boykow-schen Wegemesserpatentes (Geradeausintegration ohne Regelkreis) im Labor erfolgreich an-gewandt worden. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die darauf basierende Entwicklung besonders in den USA fortgeführt (Weltraumprogramme: Mercury, Apollo). Durch die parallele Verbes-serung und Neuentwicklung von präzisen Messfühlern (Beschleunigungsmesser und Kreisel) und der Einführung von digitalen Rechnersystemen, wurde die praktische Anwendung auf breiter Basis im zivilen und militärischen Bereich möglich. Die Genauigkeit der Beschleuni-gungsmesser liegt bei ca. 10-5g, die der Kreisel bei 0.01 – 0.001°/h. Trotz dieser Genauigkeit wäre der Einsatz ohne Regelkreis und Schulerschwingung nicht möglich, denn ohne diese Anordnung würde die Plattform mit der Zeit immer weiter aus dem Lot wandern und durch Integration der anteiligen Erdbeschleunigung würden sehr große Geschwindigkeits- und Positionsfehler entstehen. 3.7 Radar Der Begriff Radar leitet sich von der ursprünglichen Zielsetzung ab, mit Hilfe eines Senders die Richtung und Entfernung zu einem Objekt festzustellen und ergibt sich aus der englischen Bezeichnung radio detection and ranging – RADAR. Prinzipiell wird in das Impuls- und Dauersignalverfahren unterschieden [50]: Impulsverfahren Zu den impulsmodulierten Verfahren gehören Primär- und Sekundärradarsysteme. Primäranlagen senden einen Impuls aus und empfangen das reflektierte Signal, aus dessen Laufzeit und Richtung der Antenne zur Zeit der Ankunft des Echos, Distanz und Richtung zum Ziel bestimmt werden kann. Das Zielobjekt nimmt hierbei eine passive Rolle ein. Typi-sche Beispiele sind das Wetterradar an Bord und die Radaranlagen der Flugsicherung zur Überwachung des Luftraums. Sekundärradarsysteme arbeiten nach dem Prinzip, mit Hilfe von ausgestrahlten Signalen einen Sender (z. B. Transponder im Flugzeug) zum Senden eines eigenen Signals zu veranlassen. Dieses Sekundärsignal wird von der Radaranlage empfangen und über die Laufzeitmessung ausgewertet. Das Zielobjekt ist bei diesem Verfahren aktiv an der Ortung beteiligt.

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Dauersignalverfahren Zu ihnen gehören beispielsweise das DOPPLER Radar und der Radarhöhenmesser (radio al-timeter; RA). Der Radarhöhenmesser zählt unter den Dauersignalverfahren zu den frequenzmodulierten Radarsystemen. Die ausgestrahlte Trägerwelle wird mit einer niedrigen Frequenz moduliert. Aus der Veränderung von ausgesandter und reflektierter Modulationsfrequenz, dem sogenannten Frequenzhub, wird die vertikale Distanz berechnet. Ein weiteres Verfahren stellt einen konstanten Frequenzhub ein und misst die sich daraus ergebende Periode. Bei heutigen Großflugzeugen sitzt der Radarhöhenmesser meist am Hauptfahrwerk, unterstützt die Piloten bei der Landung und liefert Eingangssignale für das Bodenannäherungswarngerät (ground proximity warning system; GPWS)