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gefördert. Während laut Porter viele Aktivisten der anarchistischen Bewegung An- fang des 20. Jahrhunderts trotz fe- ministischer Rhetorik im Alltag in al- te patriachale Verhaltensmuster zu- rückfielen, besonders im Umgang mit Frauen, denen die Verantwortung des gesamten Haushalts aufgetragen wurde und der daraus folgenden nicht gleichberechtigten Teilnahme beider Partner an Protesten, lebte Emma Goldmann ihre Freiheit und ließ sich auch durch Liebesbeziehun- gen nicht an der politischen Arbeit hindern. Und dies obwohl ihr bei- spielsweise von Edward Brady nahe gelegt wurde, "sie solle vorüberge- hend das aktivistische Leben aufge- ben, um die Rolle als Hausfrau (und vermutlich auch Mutter) zu über- nehmen". 9 So schrieb sie an Max Nettlau 1935: "hier stehst Du, ein Anarchist, der an die uneingeschränkte Freiheit des Menschen glaubt, und doch glorifi- zierst Du die Frau als Köchin und Bruthenne großer Familien.". 10 Eine ebensolche Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis beobachtete Goldmann auch in der anarchisti- schen Bewegung in Spanien der 30er Jahre. Besonders angetan war Goldmann hingegen von der eigenständigen an- archistischen Frauenorganisation MUJERES LIBRES, welche sie mittels ei- 43 gener Artikel unterstützte. Die Frauen der MUJERES LIBRES gaben Kindern und Erwachsenen Unterricht, beispielsweise im Auto- fahren und besuchten Verwundete in den Kran- kenhäusern, um sie mora- lisch zu unterstützen 11 . Insgesamt sind beide Bü- cher empfehlenswert, um sich mit linker Bewe- gungsgeschichte zu be- schäftigen, wobei sich das Buch von Silke Makowski mehr zur speziellen The- matik der Frauen im Wi- derstand beschäftigt. Silke Makowski: Helft den Ge- fangenen in Hitlers Kerkern– Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illegalität ab 1933, Verlag gegen den Strom, Hans-Litten- Archiv München, 2016 David Porter: Entfachte Utopie – Emma Goldmann über die Spanische Revolution, Unrast Verlag, Münster 2016 1 „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern – Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illega- lität ab 1933“ von Silke Makowski, S. 58 2 Ebenda, S. 54 3 Ebenda, S. 54 4 Ebenda, S. 55, S. 58-59 5 Ebenda, S. 61 6 Ebenda, S. 59 7 Ebenda, S. 61 8 Ebenda, S. 63 9 "Entfachte Utopie – Emma Goldmann über die Spanische Revolution" von David Porter, S. 330-331 10 Ebenda, S. 338 11 Ebenda, S.343 grünes blatt » Frühjahr 2017 -ANZEIGE -

grünes blatt » Frühjahr 2017 43 · So schrieb sie an Max Nettlau 1935: "hier stehst Du, ein Anarchist, der an die uneingeschränkte Freiheit des Menschen glaubt, und doch glorifi

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gefördert.

Während laut Porter viele Aktivistender anarchistischen Bewegung An­fang des 20. Jahrhunderts trotz fe­ministischer Rhetorik im Alltag in al­te patriachale Verhaltensmuster zu­rückfielen, besonders im Umgang mitFrauen, denen die Verantwortung desgesamten Haushalts aufgetragenwurde und der daraus folgendennicht gleichberechtigten Teilnahmebeider Partner an Protesten, lebteEmma Goldmann ihre Freiheit undließ sich auch durch Liebesbeziehun­gen nicht an der politischen Arbeithindern. Und dies obwohl ihr bei­spielsweise von Edward Brady nahegelegt wurde, "sie solle vorüberge­hend das aktivistische Leben aufge­ben, um die Rolle als Hausfrau (undvermutlich auch Mutter) zu über­nehmen".9

So schrieb sie an Max Nettlau 1935:"hier stehst Du, ein Anarchist, der andie uneingeschränkte Freiheit desMenschen glaubt, und doch glorifi­zierst Du die Frau als Köchin undBruthenne großer Familien.".10

Eine ebensolche Diskrepanz zwischenTheorie und Praxis beobachteteGoldmann auch in der anarchisti­schen Bewegung in Spanien der 30erJahre.

Besonders angetan war Goldmannhingegen von der eigenständigen an­archistischen FrauenorganisationMUJERES LIBRES, welche sie mittels ei­

43

gener Artikel unterstützte.

Die Frauen der MUJERES

LIBRES gaben Kindern undErwachsenen Unterricht,beispielsweise im Auto­fahren und besuchtenVerwundete in den Kran­kenhäusern, um sie mora­lisch zu unterstützen11.

Insgesamt sind beide Bü­cher empfehlenswert, umsich mit linker Bewe­gungsgeschichte zu be­schäftigen, wobei sich dasBuch von Silke Makowskimehr zur speziellen The­matik der Frauen im Wi­derstand beschäftigt.

Silke Makowski: Helft den Ge-fangenen in Hitlers Kerkern–Die Rote Hilfe Deutschlands inder Illegalität ab 1933, Verlaggegen den Strom, Hans-Litten-Archiv München, 2016

David Porter: Entfachte Utopie– Emma Goldmann über dieSpanische Revolution, UnrastVerlag, Münster 2016

1 „Helft den Gefangenen in Hitlers Kerkern– Die Rote Hilfe Deutschlands in der Illega-lität ab 1933“ von Silke Makowski, S. 582 Ebenda, S. 543 Ebenda, S. 544 Ebenda, S. 55, S. 58-595 Ebenda, S. 616 Ebenda, S. 59

7 Ebenda, S. 618 Ebenda, S. 639 "Entfachte Utopie – Emma Goldmannüber die Spanische Revolution" von DavidPorter, S. 330-33110 Ebenda, S. 33811 Ebenda, S.343

grünes blatt » Frühjahr 2017

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