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Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung Eine Information der privaten Banken Berlin, Sommer 2017

Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

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Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung

Eine Information der privaten BankenBerlin, Sommer 2017

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Erwartungen an eine neue Bundesregierung

Wirtschaftspolitische Positionen des Bankenverbandes

im Wahljahr 2017

Berlin, Sommer 2017

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4 Wirtschaftspolitische Positionen

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Wir Banken

Der Bankensektor befindet sich in einer Phase des Wan-

dels, wie er ihn nie zuvor erlebt hat. Dieser Wandel resul-

tiert aus drei elementaren Veränderungen:

Die erste große Veränderung ergibt sich aus der grund-

legenden Neuordnung des regulativen Rahmens in den

zurückliegenden Jahren. An diesen passen die Banken suk-

zessive ihre Geschäftsmodelle an, indem sie zum Beispiel

ihr Eigenkapital nicht nur quantitativ aufgebaut, sondern

auch hinsichtlich der Qualität deutlich verbessert haben.

Aber auch in Bezug auf die Geschäftstätigkeiten haben sich

grundlegende Veränderungen ergeben – so etwa durch

die Einstellung des Eigenhandels, die vollumfängliche Do-

kumentation im Wertpapierberatungsgeschäft oder die

Veränderung von Kreditlaufzeiten und -konditionen.

Die zweite große Veränderung resultiert aus dem allge-

meinen Trend hin zur Digitalisierung aller Lebensberei-

che, der dem Bankensektor auf der einen Seite viele neue

Chancen eröffnet, aber diesen gleichzeitig vor enorme

Herausforderungen stellt. Auch wenn den Banken ge-

legentlich vorgehalten wird, dass sie die Digitalisierung

zu spät angepackt hätten, zeigt die Praxis, dass sie keine

Kosten und Mühen scheuen, um die Möglichkeiten der

Digitalisierung im Sinne ihrer Kunden voll auszuschöpfen.

Dass junge Start-up-Firmen aufgrund ihrer Genetik hier

schneller und innovativer vorgehen können als Banken,

ist nur natürlich. Aus diesem Grund arbeiten Banken ak-

tiv mit den sogenannten FinTechs zusammen, indem sie

ihnen zum Beispiel Versuchslabore zur Verfügung stellen.

Wir Banken in Deutschland werden die Digitalisierung der

Geschäfte im Interesse der Kunden weiter vorantreiben.

Dafür ist es aber unter anderem erforderlich, digitale Pro-

zesse durchgehend medienbruchfrei im deutschen Recht

zuzulassen.

Die dritte große Herausforderung erwächst aus der weiter-

hin expansiven Geldpolitik und der dadurch andauernden

Niedrigzinsphase in Europa. Durch diese außergewöhn-

liche Situation wird es Banken sehr erschwert, Erträge

aus dem Einlagen- und Kreditgeschäft zu erwirtschaften,

das zu den Hauptertragsfeldern insbesondere deutscher

Banken zählt. Dieser Wegfall einer wichtigen Ertragssäu-

le zwingt Kreditinstitute zu Anpassungen, zum Beispiel

bei der Bepreisung ihrer Dienstleistungen oder bei der

Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder. Eine stabile Ertrags-

lage ist und bleibt die Voraussetzung für die nachhaltige

Erbringung von Finanzdienstleistungen für die Kunden.

Die Veränderungen im Umfeld – seien es politisch gewoll-

te wie die Regulierung, seien es technische wie die Digi-

talisierung, seien es eher unintendierte aus der Niedrig-

zinsphase – führen zu geändertem Kundenverhalten und

zu neuen Angebotsbedingungen. Sie machen Anpassun-

gen bei uns Banken erforderlich. Aber auch Politik und

Verwaltung müssen in der nächsten Wahlperiode in der

Erkenntnis rasanter Marktveränderungen ihre Regulie-

rung endlich auf den Prüfstand dieser neuen Parameter

stellen und in manchen Punkten neu ausrichten. Deshalb

muss gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode der

bereits im letzten Koalitionsvertrag vereinbarte, jedoch

nicht umgesetzte, regulatorische Review entschieden

angegangen werden. Die Wirtschaft braucht starke Ban-

ken, die nicht durch inkonsistente, unangemessene und

ungenaue Finanzmarktregulierung geschwächt werden.

Dr. Hans-Walter Peters Dr. Michael Kemmer

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 5

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6 Wirtschaftspolitische Positionen

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Inhaltsübersicht

1 Wirtschaftspolitik 12

Risiken der Finanzstabilität infolge der Niedrigzinsphase verringern. Deshalb wirtschaftliche

Rahmenbedingungen in Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher gestalten.

� Stabiles Finanzsystem Voraussetzung für funktionsfähige Marktwirtschaft 12

Kritik an der Globalisierung ernst nehmen und mit den Bürgern und verunsicherten Menschen

direkt kommunizieren, indem Herausforderungen und Ziele klar benannt werden.

� Globalisierung und deren Kritik 13

� Maßnahmen der Wirtschaftspolitik 13

� Rolle der Banken 14

� Freihandel 14

� Europäische Union als Teil der Lösung 14

Reformpause beenden und intelligente Strukturreformen zur Überwindung der Wachstumsschwäche

vorantreiben. Signifikante Investitionen zum Aufbau einer zeitgemäßen Infrastruktur sind längst

überfällig und müssen nun getätigt werden.

� Intelligente Strukturreformen 15

� Investitionsstandort Deutschland 15

� Innovationen und Unternehmensgründungen 15

� Bildung und Ausbildung 15

Bürokratieabbau muss weiter engagiert angegangen werden. Hierzu ist das Instrument der

Bürokratiebremse zu verfeinern und die Transparenz bzgl. Annahmen und Schätzmethoden

zu erhöhen.

� Bürokratiebremse und Transparenz 16

2 Europa 17

Bei allen Integrationsschritten ist darauf zu achten, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip gehandelt wird

und Verantwortung und Haftung auf einer Ebene liegen. Der Erhalt der vier Grundfreiheiten – freier

Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr – bleibt unverzichtbar.

� Subsidiarität 17

Die Fortentwicklung der Europäischen Union kann aktuell nur über den „Weg der kleinen Schritte“

erfolgen.

� Fortentwicklung der EU 18

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 7

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Brexit so gestalten, dass der Schaden minimiert wird; langfristig sind enge Beziehungen zwischen

der EU und UK erforderlich. Chancen für den Finanzplatz Frankfurt nutzen.

� Brexit und Banken 18

� Austrittsverhandlungen 18

� Freihandelsabkommen 19

� Finanzplatz Frankfurt 19

Dauer und Intensität der Geldpolitik passen nicht zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.

Die EZB sollte von ihrem engen Blick auf die Inflationsrate Abstand nehmen und die Aufmerksamkeit

auf einen umfassenderen Rundumblick, der die Finanzstabilität beinhaltet, richten.

� Risiken und Nebenwirkungen 20

� Ausstiegsdebatte 20

Der europäische Gesetzgeber muss in der Verantwortung bleiben und die entscheidenden Bereiche

eines Regulierungsvorhabens selbst bestimmen. Eine übermäßige Delegierung an nachgelagerte,

nicht parlamentarisch legitimierte Behörden muss vermieden werden.

� Gesetzgeber in der Verantwortung 21

3 Digitalisierung 22

Digitalisierung des Bankgeschäftes durch Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen

ermöglichen. Hierzu gehören die Möglichkeit zur ausschließlich digitalen und papierlosen

Kommunikation sowie vollständig digital zu tätigende Finanzgeschäfte.

� Digitale Kundenkommunikation 22

� Digitaler Geschäftsabschluss 22

Netzwerke stärken statt Regionalismus pflegen.

� Standort 23

FinTechs und Banken – gute und gleiche Regeln für alle. Möglichkeit des „Ausprobierens“ muss

für FinTechs und Banken gleichermaßen gelten.

� Regulatorischer Sandkasten 23

Hindernisse im Privatrecht abbauen: Vorschriften europäisieren. Verbindliche Auskunft mit fester

Antwortzeit einführen. Datenschutzföderalismus überbrücken.

� Europäischer Binnenmarkt 24

� Verbindliche Auskunft durch die Aufsicht 24

� Datenschutzföderalismus 24

� Europäisches Passporting 24

8 Wirtschaftspolitische Positionen

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Digitales Bezahlen 2020: Rahmenbedingung für eine höhere Akzeptanz und Reichweite bei

gleichzeitig hoher Sicherheit bei mobilen Zahlverfahren schaffen.

� Mobile Zahlverfahren 25

Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Wahlfreiheit beim Zahlverfahren herzustellen. Dort sind klare Standards für das Bezahlen aus Verbraucher-

sicht und Sicherung eines fairen Wettbewerbs von Verfahrensanbietern erforderlich.

� E-Commerce-Zahlverfahren 25

Keiner regulativen Intervention bedarf der Bereich der Echtzeitzahlverfahren, da hier bereits die

Entwicklung eines paneuropäischen Verfahrens vorangetrieben wird. Gleichstellung von unbaren

und baren Zahlverfahren vornehmen.

� Echtzeitzahlungen 26

� Bargeld und Bargeldalternativen 26

Zur Förderung eines im Sinne des Verbrauchers zunehmenden Wettbewerbs Möglichkeit der

einmaligen (Erst-)Legitimation schaffen.

� Onboarding 26

4 Verbraucherschutz 27

Verbraucherpolitik sollte den Verbraucher weder bevormunden noch allein lassen, sondern stets als

selbstbestimmtes Individuum ansehen. Um selbstbestimmt entscheiden zu können, ist eine gute

Information und Bildung notwendig. Ökonomische Bildung hat hier einen besonderen Stellenwert,

da diese im alltäglichen Leben für jeden von Bedeutung ist. Um dies zu unterstreichen, wäre die

Teilnahme Deutschlands an dem Zusatzmodul „Finanzwissen“ im Rahmen der PISA-Schulleistungs-

studie ein deutliches Zeichen.

� Selbstbestimmte Verbraucher 27

� Wirtschafts- und Finanzkompetenz 27

Etablierung einer Informationsplattform zur transparenten Darstellung der persönlichen

Rentenansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge (Pension Dashboard).

� Altersvorsorge 27

Eine Verquickung von Lobbyinteressen des vzbv mit den dem Marktwächter Finanzen zugewiesenen

und mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufgaben muss ausgeschlossen sein.

� Marktwächter Finanzen 28

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 9

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Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-field besteht kein Anlass mehr, weitergehende

anlegerschützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in Deutschland erlassen wurden,

beizubehalten. Anbieter auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt einer effizienten Aufsicht durch

die BaFin unterstellen.

� Deutsches Goldplating 29

� Grauer Kapitalmarkt 29

Anlegerschützende Bestimmungen verringern das Angebot für Anleger, etwa zur Sicherung der

Altersvorsorge. Hier sollte Regulierung weitsichtiger erfolgen.

� Geschäftsmodelle 30

Zugang zum Recht möglichst leicht gestalten, dann besteht kein Anlass für die Etablierung einer

„Klageindustrie“.

� Kollektiver Rechtsschutz/ Sammelklagen 30

5 Bankenmarkt 31

Die Überprüfung der Finanzmarktregulierung im Hinblick auf Konsistenz, Angemessenheit

und Zielgenauigkeit endlich entschieden angehen.

� Überprüfung der Finanzmarktregulierung 31

Zukünftige Struktur und Kosten der europäischen Bankenaufsicht unter dem Aspekt der

Mehrfachzuständigkeiten prüfen und diese zukünftig vermeiden.

� Europäische Bankenaufsicht 31

Die Instrumente der Gläubigerbeteiligung und der Abwicklungsfonds müssen glaubwürdig bleiben.

� Gläubigerbeteiligung und Abwicklungsfonds 32

Die Finanzierung der Einlagensicherung, auch im Rahmen eines europäischen Mechanismus, soll so

weit wie möglich dezentral durch die nationalen Einlagensicherungssysteme erfolgen.

� Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit 32

� Vorherige Risikoverringerung 33

Bürokratische Belastungen für die Kreditwirtschaft, wie z. B. Meldeanforderungen der Aufsicht,

die keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Nutzen haben, reduzieren. Nach HGB bilanzierenden

Banken ermöglichen, regulatorische Meldungen auf HGB-Basis abzugeben.

� Datenanforderungen 33

Stärkere Proportionalität in der Bankenregulierung. Grundregel „Same business, same risk,

same rules“ darf nicht ausgehebelt werden. Hürden der Regulierung auch auf nationaler Ebene

begrenzen.

� Small Banking Box 33

10 Wirtschaftspolitische Positionen

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Einen angemessenen europäischen Weg zur Umsetzung des internationalen Baseler Abkommens

zur Eigenkapitalunterlegung finden.

� Eigenkapitalunterlegung 35

Regulierung darf die Heterogenität des deutschen Bankenmarktes nicht gefährden. Ein befreiender

IFRS-Einzelabschluss würde zu erheblichen Kosteneinsparungen und einem deutlichen Abbau

bürokratischer Lasten führen und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steigern.

� Anforderungen der deutschen Aufsicht 35

� Befreiender IFRS-Einzelabschluss 36

Bekämpfung von Geldwäsche und Schwerkriminalität: Maß und Mitte halten, digitale

Bankdienstleistungen ermöglichen.

� Bekämpfung Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche 36

Bewährte Finanzierungsstrukturen erhalten – neue Chancen eröffnen. Verbriefungsmärkte sind

als Voraussetzung zum Erhalt der klassischen Kreditfinanzierung unverzichtbar.

� Lage der Unternehmensfinanzierung 37

� Kapitalmarkt 37

Schwerpunkte der Förderpolitik müssen überprüft und da wo erforderlich neu definiert werden.

Hermes-Instrumentarium einschließlich der Refinanzierungsinstrumente fortlaufend weiterentwickeln.

� Förderpolitik 37

� Exportfinanzierung 37

6 Steuerpolitik 39

In der Unternehmensbesteuerung sind weiterhin durchgreifende strukturelle Reformen erforderlich.

Die Einführung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe wäre kontraproduktiv. Die

Abgeltungsteuer muss erhalten bleiben. Eine Finanztransaktionssteuer ist strikt abzulehnen.

� Unternehmenssteuerrecht 39

� Substanzbesteuerung 39

� Bankenabgabe 39

� Internationales Steuerrecht 40

� Missbrauchsbekämpfung 40

� Steuerlicher Informationsaustausch 41

� Finanztransaktionssteuer 41

� Abgeltungsteuer 41

� Einkommensteuer 42

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 11

Page 12: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Risiken der Finanzstabilität infolge der Niedrigzinsphase

verringern. Deshalb wirtschaftliche Rahmenbedingungen

in Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher

gestalten.

Stabiles Finanzsystem Voraussetzung für funktions-

fähige Marktwirtschaft

Die Stabilität des Finanzsystems ist eine wichtige Vor-

aussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirt-

schaft. Das Finanzsystem muss – auch in Phasen der

Anspannung oder von Umbrüchen – in der Lage sein,

seine Funktionen zu erfüllen und Finanztransaktionen

aller Art effizient und sicher abzuwickeln. Gefährdungen

der Finanzstabilität entstehen oft aus Kreditblasen an

den Finanzmärkten. Derzeit erleben wir aber, dass auch

Phasen mit niedrigen Zinsen bei einem vergleichsweise

geringen Wachstumspotenzial und einer eher schwachen

Kreditentwicklung das Entstehen von Risiken für die Fi-

nanzstabilität begünstigen.

Im anhaltend niedrigen Zinsumfeld kommen die größten

Risiken für die Finanzmarktstabilität aus einem sich er-

höhenden Druck auf die Profitabilität und die Abschwä-

chung der Widerstandsfähigkeit in einigen Bereichen des

Finanzsystems, einer weiterhin zunehmenden Risikobe-

reitschaft sowie aus einem beschleunigten Übergang zu

einem stärker marktbasierten Finanzsystem.

Von einem Verlust an Profitabilität sind neben den Ban-

ken vor allem auch Institutionen betroffen, die – wie

Lebensversicherungen und Pensionseinrichtungen –

längerfristige Renditegarantien bieten. Hält dies länger

an, wird sich die Widerstandsfähigkeit von Banken und

anderen Finanzinstitutionen verringern.

Selbstverständlich hat die Verfassung des Finanzsektors

selbst einen wesentlichen Einfluss darauf, wie stark ein-

tretende Risiken die Realwirtschaft in Mitleidenschaft zie-

hen. Es ist ohne Zweifel die Aufgabe der Vertragsparteien

im Finanzsektor, Risiken angemessen einzuschätzen, in

den privat geschlossenen Verträgen zu berücksichtigen

und eine robuste Finanzierungsstruktur zu wählen. Pri-

vatwirtschaftliche Entscheidungen haben somit einen we-

sentlichen Einfluss auf die Risikotragfähigkeit des Finanz-

systems. Entsprechende Risikopuffer mindern die Gefahr

sich selbst verstärkender Prozesse im Finanzsystem.

Die Banken in Deutschland waren diesbezüglich in den

zurückliegenden Jahren erfolgreich. Die harten Kernka-

pitalquoten haben zugelegt, die Risikopuffer sind kräftig

aufgestockt worden. Die Banken sind widerstandsfähig

und uneingeschränkt in der Lage, der deutschen Wirt-

schaft als Finanzier zur Verfügung zu stehen.

Damit dies so bleibt, müssen Anstrengungen unter-

nommen werden, um Risiken für die Finanzstabilität in

der Niedrigzinsphase zu verringern. Aufsichtsbehörden

sehen die Lösung des Problems vornehmlich in einer

Stärkung der Widerstandskraft der Finanzinstitute, also

erheben sie in erster Linie weitere Forderungen nach

zusätzlichen Eigenkapitalpuffern. Dies wäre jedoch nur

eine symbolische Politik, da nichts an den Ursachen für

die erhöhten Stabilitätsrisiken – die schon lange anhal-

tende Phase niedriger Zinsen – geändert würde.

Finanzstabilität lässt sich in einer Niedrigzinsphase am

besten dadurch herstellen, dass die geeigneten wirt-

schaftspolitischen Instrumente dazu eingesetzt werden,

um diese Phase schnellstmöglich zu beenden. Die Ver-

antwortung liegt damit zum einen bei der Geldpolitik,

die möglichst rasch den Krisenmodus verlassen sollte,

aber vielmehr noch bei der allgemeinen Wirtschafts-

politik. Die niedrigen Zinsen sind das Pendant eines

gesunkenen Trendwachstums. Um diese zu erhöhen,

müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in

Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher

gestaltet werden.

Wirtschaftspolitik

1

12 Wirtschaftspolitische Positionen

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Kritik an der Globalisierung ernst nehmen und mit den

Bürgern und verunsicherten Menschen direkt kommu-

nizieren, indem Herausforderungen und Ziele klar be-

nannt werden.

Globalisierung und deren Kritik

Die Globalisierung hat in den vergangenen Dekaden

weltweit zur deutlichen Wohlstandssteigerung beige-

tragen. Vor allem in vielen Schwellenländern hat sie

zu einem Rückgang der Armut geführt. Sie hat Produk-

tionsprozesse effizienter gemacht, Innovationen geför-

dert und über niedrige Produktionskosten die Konsum-

möglichkeiten in nahezu allen Gesellschaftsschichten

ausgeweitet. Die von vielen Ökonomen als Phase der

„großen Moderation“ bezeichnete Entwicklung von

Ende der 1980er Jahre bis zum Beginn der Finanzmarkt-

krise wäre ohne die in dieser Zeit rasch fortschreitende

Globalisierung nicht möglich gewesen. Diese Phase

hat der Weltwirtschaft – trotz einiger krisenhaften Zu-

spitzungen, wie der Asienkrise oder dem Platzen der

New-Economy-Blase – eine vergleichsweise hohe Preis-

niveaustabilität und im Durchschnitt recht hohe reale

Wachstumsraten beschert.

Doch insbesondere in den Industrieländern wächst

die Kritik an der Globalisierung. Viele Bürger – auch in

Deutschland – assoziieren mit Globalisierung vor allem

eine höhere Unsicherheit, die sich niederschlägt in stei-

genden Einkommensungleichheiten und zunehmender

Arbeitsplatzunsicherheit. Hinzu kommen anschwellen-

de Migrantenströme und eine tatsächliche oder ver-

meintliche Machterosion der Regierungen gegenüber

weltweit agierenden Unternehmen. Die Maxime der

Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, Wohlstand

für alle zu schaffen, steht damit auf dem Prüfstand

und es droht die Gefahr, dass die breite Öffentlichkeit

der Marktwirtschaft ihre Unterstützung entzieht. Der

auch hierzulande zu beobachtende Trend hin zu auto-

kratischen Weltbildern könnte eine unmittelbare Aus-

wirkung davon sein und führt vor Augen, dass Soziale

Marktwirtschaft und Demokratie zwei Seiten der glei-

chen Medaille sind.

Es ist daher dringend geboten, die wachsende Kritik

an der Globalisierung ernst zu nehmen. Geschieht dies

nicht und gelingt es in der Folge nicht, das Versprechen

der Sozialen Marktwirtschaft wieder einzulösen, dann

drohen zunehmende Akzeptanzprobleme für offene

Märkte und für die grenzüberschreitende Arbeitstei-

lung. Eine Entwicklung, die letztlich nur Verlierer ha-

ben wird.

Erste Anzeichen dafür sind erkennbar. Das inzwischen

in Relation zur globalen Wirtschaftsleistung sinkende

Welthandelsvolumen und die seit Beginn der Finanz-

krise weltweit wieder wachsenden protektionistischen

Hürden sind auf jeden Fall Alarmsignale.

Die nächste Bundesregierung steht also vor einer gro-

ßen Herausforderung – wirtschaftspolitisch, aber auch

kommunikativ. Anders als viele andere Regierungen

in Europa wird sie jedoch von einer soliden Basis aus

agieren können. Unter den Industrieländern gehört

Deutschland zu den am schnellsten wachsenden Län-

dern, die öffentlichen Haushalte sind ausgeglichen, die

Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Beschäftigung hoch.

Und trotz aller Klagen über eine wachsende Ungleich-

heit funktioniert die Umverteilung in Deutschland.

Der Blick in die Zukunft ist aber nicht mehr ganz so

günstig. Der demografische Wandel wird unsere sozi-

alen Sicherungssysteme vor immense Finanzierungs-

probleme stellen und damit auch die Verteilungsfrage

neu beleben. Der Schlüssel zum Erfolg wird in einer

Wirtschaftspolitik liegen, die die Wachstumspotenziale

der deutschen Wirtschaft erhöht und dabei auch jene

Branchen und Regionen nicht aus den Augen verliert,

die im globalen Wettbewerb zu den Verlierern zählen.

Maßnahmen der Wirtschaftspolitik

Ein gezieltes Gegensteuern muss gleich mehrere Hebel

in Bewegung setzen: Der erste ist die direkte Kommuni-

kation mit den Bürgern, insbesondere den verunsicher-

ten. Die Wirtschaftspolitik muss die Herausforderungen

klar formulieren und kommunizieren, auch die aus den

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 13

Page 14: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Verteilungswirkungen des internationalen Handels und

des technischen Fortschritts entstehenden Veränderun-

gen. Wirtschaftspolitische Entscheidungen und Konzep-

te müssen klar vermittelt, vor allem aber überzeugend

erläutert werden. Dazu gehört auch der breitere Blick

auf wichtige Zusammenhänge. Viele vermeintlich „ein-

fache Lösungen“ entpuppen sich dann schnell als grobe

Täuschung mit hohem Potenzial zur Eigenschädigung.

Rolle der Banken

Wir private Banken in Deutschland sehen für unsere

Branche hier die wichtige Aufgabe, uns im gesellschaft-

lichen Diskurs zu Fragen der Globalisierung zu äußern

und für die Prinzipien und Vorteile einer sozialen Markt-

wirtschaft einzutreten.

Freihandel

Ohne offene internationale Märkte wird die deutsche

Wirtschaft den Wohlstand des Landes nicht sichern kön-

nen. Weitere Marktöffnungen sind daher unverzichtbar.

Multilaterale und bilaterale Freihandelsverträge müs-

sen vorangetrieben und erfolgreich umgesetzt werden.

Wir möchten TTIP (Transatlantic Trade and Investment

Partnership) mit unserem wichtigsten Außenhandels-

partner, den USA, wiederbeleben und neue Abkommen

befördern.

Es ist notwendig, auf internationaler Ebene konstruktiv

über einvernehmliche Rahmenbedingungen zu verhan-

deln. Eine wichtige Plattform ist dabei zum Beispiel die

Staatengruppe der G20. Doch auch hier gilt es, die im

internationalen Rahmen diskutierten Konzepte auch auf

nationaler Ebene sorgfältig zu erläutern und dafür zu

werben. Der Eindruck, dass etwa Handelsabkommen

„Geheimverhandlungen“ sind – wie bei TTIP gesche-

hen –, darf erst gar nicht aufkommen.

Europäische Union als Teil der Lösung

Was Europa anbelangt, muss die Stabilisierung der EU

und der Währungsunion als Teil der Lösung für den Um-

gang mit der Globalisierungskritik verstanden werden.

Hier geht es ganz wesentlich um das Zurückgewinnen

von Vertrauen, was vor allem durch schlüssiges und

verlässliches Handeln erreicht werden kann. In einem

gemeinsamen Europa der Nationalstaaten sind ver-

bindliche Regeln weder Gängelband noch die Aufgabe

des politischen Gestaltungsspielraums, sondern eine

unerlässliche Voraussetzung für ein vertrauensvolles

Miteinander.

Die Europäische Union steht dabei durchaus vor wich-

tigen Weichenstellungen: Geben die Regierungen den

Forderungen nach weniger Europa nach, dann dro-

hen in allen EU-Staaten wirtschaftliche und finanzielle

Rückschläge. Versucht man andererseits den Weg der

fortschreitenden Integration weiter zu verfolgen, dann

drohen wachsende Verteilungskonflikte auf europäi-

scher Ebene sowie Akzeptanzprobleme und Auseinan-

dersetzungen über den für die weitere Integration not-

wendigen Souveränitätsverzicht auf nationaler Ebene.

Es ist daher unverzichtbar, auf europäischer Ebene nur

solche Aufgaben zu ergreifen, die sich auf nationaler

Ebene nicht überzeugend lösen lassen. Die gemeinsa-

me Handelspolitik oder der Schutz der gemeinsamen

Außengrenzen gehören auf jeden Fall dazu, während

bei Maßnahmen gegen hohe Arbeitslosigkeit oder zum

Schuldenabbau in erster Linie die nationalen Regierun-

gen in der Verantwortung stehen.

1

14 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 15: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Reformpause beenden und intelligente Struktur reformen

zur Überwindung der Wachstumsschwäche vorantrei-

ben. Signifikante Investitionen zum Aufbau einer zeitge-

mäßen Infrastruktur sind längst überfällig und müssen

nun getätigt werden.

Intelligente Strukturreformen

Die langfristige wirtschaftliche Entwicklung einer

Volkswirtschaft hängt vor allem davon ab, dass sie ihre

Wirtschaftsstruktur erfolgreich an die Gegebenheiten

der Märkte anpassen kann. Die Erfahrungen haben ge-

zeigt, dass in erster Linie die institutionellen Rahmen-

bedingungen darüber entscheiden, ob und wie gut der

Strukturwandel gelingt. Auch aus diesem Grund muss

die Reformpause der abgelaufenen Legislaturperiode

überwunden werden.

Ins Zentrum der Wirtschaftspolitik gehört wieder eine

Wachstumsstrategie. Sie hat höchste Priorität. Die der-

zeitig gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und im Bundes-

haushalt ist trügerisch: Denn das aktuelle Wachstum

des Produktionspotenzials ist mit weniger als 1,5 Pro-

zent jährlich zu niedrig, um weiter steigende Realein-

kommen, sichere Arbeitsplätze, die soziale Absicherung

des demographischen Wandels sowie die Erfüllung

zunehmender internationaler Verpflichtungen zu ge-

währleisten. Strukturreformen können allerdings nur

dann erfolgreich sein, wenn die Politik Unternehmen

und Gründer auch in die Lage versetzt, die Chancen des

Veränderungsprozesses zu nutzen.

Investitionsstandort Deutschland

Wohlstand für alle wird sich nur dann realisieren lassen,

wenn Deutschland ein attraktiver Investitionsstandort

bleibt. Eine Grundvoraussetzung dafür ist eine gute

Infrastruktur, die sich aber längst nicht nur auf Stra-

ßen und Brücken erstreckt, sondern auch die digitale

Vernetzung oder die sichere Energieversorgung zu

akzeptablen Preisen beinhaltet. Dazu gehört auch der

Ausbau der Breitbandversorgung, vor allem im ländli-

chen Raum. Die Netzbetreiber benötigen dafür gerade

in diesen Regionen Unterstützung durch die öffentliche

Hand. Hier muss – Stichwort Industrie 4.0 – ein absolu-

ter Schwerpunkt für Investitionen liegen.

In vielen Bereichen gilt es Rückstände aufzuholen. Die

Hürden dabei liegen aber weniger bei den dafür erfor-

derlichen finanziellen Mitteln – erst recht, wenn auch

privates Kapital verstärkt eingebunden wird –, sondern

zum großen Teil bei den Rahmenbedingungen, wie

komplexen und zeitaufwändigen Planungs- und Geneh-

migungsverfahren. Auch die häufig geringe Akzeptanz

von großen Infrastrukturprojekten in der Bevölkerung

ist ein Aspekt, für den politische Lösungen entwickelt

werden müssen.

Innovationen und Unternehmensgründungen

Innovationen finden in Deutschland oftmals in bereits

etablierten Unternehmen statt. Aber gerade durch die

Gründung neuer Unternehmen kommen Neuerungen

schnell in die Märkte. Die Förderung der Gründungs-

bereitschaft zusammen mit einer ausreichenden Fi-

nanzierung auf den verschiedenen Stufen kann die

wirtschaftliche Dynamik weiter steigern. Eine steuer-

liche Forschungsförderung würde die Innovationsmög-

lichkeiten der Unternehmen weiter erhöhen. Hier sind

Maßnahmen überfällig.

Bildung und Ausbildung

Zu den günstigen Rahmenbedingungen für Investitio-

nen – unter anderem für Investitionen in Forschung und

Entwicklung – gehört im besonderen Maße der Bereich

Bildung und Ausbildung. Eine stärkere politische Ge-

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 15

Page 16: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Bürokratieabbau muss weiter engagiert angegangen

werden. Hierzu ist das Instrument der Bürokratiebremse

zu verfeinern und die Transparenz bzgl. Annahmen und

Schätzmethoden zu erhöhen.

Bürokratiebremse und Transparenz

Die Bürokratiebremse – auch bekannt als „One in, one

out“-Regel – hat sich bereits bewährt. Damit diese je-

doch ihre angestrebte Wirkung uneingeschränkt ent-

falten kann, sind weitere Verfeinerungen notwendig.

So müssen alle anfallenden bürokratischen Kosten mit

berücksichtigt werden, so auch der einmalige Erfül-

lungsaufwand für die Umsetzung von neuen Regelun-

gen (z. B. für die Anpassung der IT-Systeme) sowie die

Kosten, die in Verbindung mit Regelungen entstehen,

die EU-Vorgaben 1:1 umsetzen.

Mit Blick auf die Anwendung der Bürokratiebremse ist

eine belastbare Schätzung des Erfüllungsaufwands un-

verzichtbar. Hierzu können und wollen die Verbände

beitragen und äußern sich bereits frühzeitig im Rah-

men von Stellungnahmen zu neuen Gesetzen. Dies

geschieht allerdings oft unter großem Zeitdruck. Aus

diesem Grund sollten mindestens die von den Ressorts

getroffenen Grundannahmen für deren Bürokratiekos-

tenschätzung (Lohnsätze, Zeit, Anzahl und Häufigkeit)

offengelegt werden. Auf dieser Grundlage könnten

die Zahlen deutlich schneller und sachlich fundierter

plausibilisiert, erörtert und kommentiert werden. Die

Zahlen würden im Ergebnis realistischer und weniger

angreifbar.

Um eine bessere Überprüfbarkeit der Zielerreichung

zu ermöglichen, ist ein Mindestmaß an Transparenz

erforderlich. Daher sollten Übersichten mit konkreten

Angaben zu Be- und Entlastungen neuer Regelungen

sowie zu den Ergebnissen von Nachmessungen ver-

öffentlicht werden. Hilfreich wäre zudem, wenn die

Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollra-

tes schon vor der Kabinettsentscheidung öffentlich

zugänglich sind und dem Gesetzentwurf prominent

vorangestellt werden.

wichtsverlagerung in diesen Bereich ist wünschenswert.

Dies muss aber begleitet werden durch eine Debatte

um dringend erforderliche Effizienzverbesserungen im

gesamten Bildungssektor, was letztlich auch Fragen der

föderalen Struktur beinhaltet.

Eine gute Ausbildung – sowohl von Akademikern wie

von Fachkräften aus dem dualen Ausbildungssystem –

bildet die Basis für innovative Entwicklungen der Un-

ternehmen, neue Produkte und neue Geschäftsfelder.

Die Sicherung der Fachkräftebasis durch Ausbildung,

Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Zuwanderung

muss zu den politischen Prioritäten der nächsten Wahl-

periode zählen.

1

16 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 17: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Bei allen Integrationsschritten ist darauf zu achten,

dass nach dem Subsidiaritätsprinzip gehandelt wird

und Verantwortung und Haftung auf einer Ebene lie-

gen. Der Erhalt der vier Grundfreiheiten – freier Güter-,

Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr – bleibt

unverzichtbar.

Subsidiarität

Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollte die jeweils grö-

ßere gesellschaftliche oder staatliche Einheit nur dann

aktiv werden und regulierend, kontrollierend oder hel-

fend eingreifen, wenn die kleinere Einheit dazu nicht

in der Lage ist. Damit geht einher, dass Haftung und

Verantwortung auf einer Ebene liegen müssen, da

sonst Anreize bestehen, den Handlungsspielraum für

den eigenen Nutzen auszureizen und nicht unbedingt

zum Nutzen der Sache. Die EU sieht deshalb in ihren

Verträgen Mechanismen vor, die der Wahrung dieses

Prinzips dienen.

In Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat zur

Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

vertritt der Bankenverband die Position, dass die folgen-

den Politikbereiche bei konsequenter Anwendung des

Subsidiaritätsprinzips auf die Ebene der EU gehören:

Binnenmarkt, Wettbewerbspolitik, Außenwirtschaftspo-

litik, Bankenunion und Kapitalmarktunion.

In den Bereichen Binnenmarkt, Wettbewerbspolitik und

Außenwirtschaftspolitik gibt es innerhalb des europäi-

schen Binnenmarkts keine tarifären und nicht-tarifären

Handelshemmnisse. Daraus ergibt sich eine gemeinsa-

me Außenwirtschaftspolitik, die von der höheren Ebene

wahrgenommen werden muss. Dazu gehört, – in gewis-

sen Grenzen – auf gleiche Wettbewerbsbedingungen

innerhalb dieses Wirtschaftsraums zu achten. Gleich-

zeitig darf nicht jeder Unterschied in einem nationalen

Markt als Wettbewerbshindernis deklariert und der

Standortwettbewerb nicht zu stark beschränkt werden.

Auch wenn die Bankenunion vollendet werden muss,

gilt es dennoch, gleichzeitig grenzüberschreitende An-

steckungseffekte für das europäische Finanzsystem auf

europäischer Ebene als Ergänzung zur nationalen mak-

roprudenziellen Aufsicht zu berücksichtigen.

Um dem Ziel der Kapitalmarktunion – die stärkere In-

tegration der europäischen Kapitalmärkte – näher zu

kommen, sind eine Reihe von Standardisierungen und

Harmonisierungen sinnvoll, die nur auf übergeordneter

Ebene durchgeführt werden können. Dazu zählen ins-

besondere das Verbriefungsrecht, das Insolvenzrecht,

das Prospektrecht, aber auch weitere Rechtsgebiete.

Weiterhin auf nationaler Ebene sollten hingegen die

Fiskalpolitik sowie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik

verbleiben. So sollte die Verantwortung für die öffent-

lichen Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich dezen-

tral wahrgenommen werden. Zum einen wird damit

der Standortwettbewerb sichergestellt. Zum anderen

gibt es unterschiedliche lokale Gegebenheiten, wie

z. B. unterschiedliche Bemessungsgrundlagen, denen

zentral nicht Rechnung getragen werden könnte. Vor-

aussetzung dafür ist, dass die Möglichkeit von Staaten,

sich übermäßig zu verschulden, vertraglich wirksam

beschränkt wird, da sonst die Einhaltung des Subsidia-

ritätsprinzips gefährdet ist.

Im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sind die

Unterschiede regional so erheblich, dass einheitliche

Regelungen die lokalen Präferenzen kaum berücksich-

tigen können. Rigide Arbeitsmarktverfassungen würden

Staaten zudem zu Moral-Hazard-Verhalten einladen.

Europa

2 bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 17

Page 18: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Die ökonomischen Risiken für UK entstehen durch an-

dauernde Unsicherheit, Investitionszurückhaltung und

Erschwernisse beim internationalen Handel; auch die

Finanzierung des Haushalts- und des Leistungsbilanzde-

fizits wird eine langfristige Herausforderung darstellen.

Deutschland als wichtiger Handelspartner von UK ist

von diesen Risiken auch betroffen; insgesamt dürften

sie aber nur mäßige Auswirkungen auf Wachstum und

Beschäftigung in Deutschland haben.

Der Brexit beeinträchtigt die Bereitstellung von Finanz-

dienstleistungen für Privat- und Unternehmenskunden

nicht; allenfalls bei sehr großen Finanzierungen oder

Absicherungsgeschäften sind Veränderungen denkbar,

da diese bisher die hohe Liquidität, Risikotragfähigkeit

und Internationalität Londons genutzt haben. Durch

den Drittstaaten-Status wird erhöhter Dokumenta-

tions- und sonstiger Abwicklungsaufwand entstehen

und eventuell die Zahl der Anbieter sinken. In diesem

Sinne ist der Brexit für die in Deutschland tätigen Ban-

ken aufwändig, aber handhabbar, da ein Regelwerk und

umfangreiche Erfahrungen mit Drittstaaten bestehen.

Austrittsverhandlungen

Die Verhandlungen müssen von beiden Seiten fair und

konstruktiv geführt werden. UK sollte auf die Schaffung

einseitiger Wettbewerbsvorteile zum Beispiel durch Bei-

hilfen, Steuerdumping oder Herbeiführen eines Regulie-

rungsgefälles, das Arbitrage ermöglicht, verzichten – was

sich auch in den Leitlinien der EU27 findet. Je eher die

Verhandlungen beendet sind, desto schneller können

Themen der Zukunftsgestaltung verhandelt werden.

Wir empfehlen unseren Mitgliedern, sich auf einen

„harten Brexit“ (d. h. ein Ausscheiden UKs aus der EU

mit einem Austrittsabkommen, aber ohne Vereinba-

rung über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen) ein-

zustellen, der zur Folge hätte, dass UK am 1. April 2019

im Wesentlichen als Drittstaat gelten würde.

Wirtschaft und Banken benötigen Regelungen für den

künftigen Drittstaatenstatus von UK, die die seit dem

Die Fortentwicklung der Europäischen Union kann ak-

tuell nur über den „Weg der kleinen Schritte“ erfolgen.

Fortentwicklung der EU

Für die Fortentwicklung der EU gibt es zwar kein Patent-

rezept, Veränderungen müssen aber mit mehr Energie

angegangen werden. Eine Veränderung der Europä-

ischen Verträge ist langwierig und mit hohen politischen

Kosten verbunden. Zudem würden sich zurzeit zu viele

diametral entgegenstehende Interessen gegenseitig blo-

ckieren. Deshalb ist aktuell der „Weg der kleinen Schritte“

zu verfolgen: mit Maßnahmen, die politisch und wirt-

schaftlich handhabbar und kurzfristig umsetzbar sind.

Diese Schritte könnten wie folgt aussehen: Die Über-

wachung der nationalen Haushalte wird auf eine neu-

trale Haushaltsinstitution übertragen. Anhand transpa-

renter und nachvollziehbarer Regeln sollte diese die

strikte Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts

überwachen. Zudem wäre die Verständigung auf eine

gemeinsame Strategie in der Wirtschaftspolitik ein

weiterer wichtiger – und realistischer – Schritt. Und

auch die verlässliche Wahrnehmung der von den Län-

dern aufgegebenen Souveränität durch die EU-Ebene,

wie den Schutz der Außengrenzen, muss erfolgen.

Brexit so gestalten, dass der Schaden minimiert wird;

langfristig sind enge Beziehungen zwischen der EU und

UK erforderlich. Chancen für den Finanzplatz Frankfurt

nutzen.

Brexit und Banken

Wir bedauern die „Brexit-Entscheidung“ des Vereinig-

ten Königreichs (UK). Wir halten diese Entscheidung für

falsch, aber derzeit für irreversibel und gehen davon

aus, dass UK die Europäische Union verlassen wird.

UK ist ein Teil Europas, wichtiger NATO-Partner und Mit-

glied der westlichen Wertegemeinschaft. Eine politisch

und wirtschaftlich enge Beziehung zwischen der EU

und UK liegt auch weiterhin im gegenseitigen Interesse.

2

18 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 19: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

EU-Beitritt UKs gewachsenen Wirtschaftsbeziehungen

reflektieren. Insbesondere müssen die zum Zeitpunkt

des EU-Austritts von UK bestehenden Vertragsbezie-

hungen geschützt werden; sie sollen auch zum Bei-

spiel bankaufsichtlich so behandelt werden, als wäre

UK noch Mitglied der EU („Grandfathering“). Auf EU-

Ebene, für den SSM, und in Deutschland sind deshalb

Brexit-Anpassungsgesetze erforderlich. Die beste und

einfachste Lösung ist das vollständige Fortbestehen der

EU-Regeln (aquis communautaire) für eine Übergangs-

zeit von mindestens drei Jahren, um in dieser Zeit die

dauerhaften Beziehungen zu regeln.

Freihandelsabkommen

Langfristig ist zwischen der EU und UK ein umfassendes

Wirtschaftsabkommen erforderlich, das einen weitge-

henden, gegenseitigen Marktzugang ermöglicht. Fi-

nanzdienstleistungen müssen ein integraler Bestandteil

dieses Freihandelsabkommens sein.

Dieses liegt im Interesse der exportorientierten deut-

schen Wirtschaft und wird Arbeitsplätze und Finanzie-

rungsmöglichkeiten sichern. London hätte die Chance,

sich als wichtigster Finanzplatz Europas zu behaupten.

Allerdings haben die Staats- und Regierungschefs der

EU27 in ihren Leitlinien zu den Verhandlungen klarge-

stellt, dass man sich zwar um die Finanzstabilität sorgen

wolle, aber bestimmte Sektoren keine Sonderbehand-

lung erhalten sollen. UK als Ganzes könnte mit seiner

bisher hohen internationalen Orientierung ein wichti-

ger Markt für die deutsche Wirtschaft bleiben.

Finanzplatz Frankfurt

Einige Finanzplätze innerhalb der EU werden voraus-

sichtlich mittelfristig an Bedeutung gewinnen; Verlage-

rungen heutiger Londoner Aktivitäten werden in Teilen

regulativ notwendig sein, in Teilen erfolgen, um den

Marktzugang zu sichern. Wir wollen, dass der Finanz-

standort Frankfurt das Tor von London in die EU27 wird.

Deshalb müssen selbst gemachte Hemmnisse abgebaut

werden. Erforderlich ist ein klares Bekenntnis der deut-

schen Politik für eine solche Strategie.

Der Finanzplatz Frankfurt präsentiert sich bereits heute

als sehr attraktiver Finanzplatz für Kreditinstitute aus

Europa und der Welt. Mit einer leistungsfähigen Börse

und dem Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) mit

der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht (SSM)

sowie der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Ver-

sicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung

(EIOPA) bietet Frankfurt hervorragende Voraussetzun-

gen für die Ansiedlung von Kredit- und Finanzdienst-

leistungsinstituten.

Neben der fachlich herausragenden und effektiven Auf-

sichtskultur bietet Frankfurt ein ebenso gutes und effi-

zientes Rechtssystem mit stabilen und leistungsstarken

unabhängigen Institutionen und die breite Bereitschaft

zu einer echten europäischen Ausrichtung. Dies sind

sehr gute Grundvoraussetzungen dafür, dass Deutsch-

land und auch deutsches Recht im Wettbewerb der Fi-

nanzplätze eine sehr gute Ausgangsposition einnimmt.

Diese Ausgangsposition kann jedoch von Seiten einer

neuen Bundesregierung durch Änderungen bestimm-

ter rechtlicher Rahmenbedingungen noch deutlich

verbessert werden. Zu nennen sind beispielsweise die

Einführung eines befreienden IFRS-Einzelabschlusses im

HGB, die Aufhebung rechtlicher Hindernisse infolge der

Anwendung der allgemeinen Geschäftsbedingungen

im unternehmerischen Geschäftsverkehr und Locke-

rungen beim Kündigungsschutz für Spitzenverdiener.

Zudem würden wenige punktuelle Änderungen den

hohen deutschen Verbraucherschutzstandard nicht

in Frage stellen, deutsches Recht und den Finanzplatz

Deutschland aber für traditionelle wie innovative neue

Marktteilnehmer aus dem Ausland deutlich attraktiver

machen.

Ein wichtiges Zeichen für den Finanzplatz Frankfurt

wäre, wenn die Europäische Bankenaufsichtsbehörde

(EBA) ihren Sitz nach Frankfurt verlagert. Hier ist eine

schnelle Entscheidung angebracht, nicht nur um die

Leistungsfähigkeit der EBA nicht mehr als erforderlich

zu beeinträchtigen, sondern auch den Mitarbeitern die

notwendige persönliche Sicherheit zu geben.

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 19

Page 20: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Dauer und Intensität der Geldpolitik passen nicht zu den

wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die EZB sollte von

ihrem engen Blick auf die Inflationsrate Abstand neh-

men und die Aufmerksamkeit auf einen umfassenderen

Rundumblick, der die Finanzstabilität beinhaltet, richten.

Risiken und Nebenwirkungen

Die EZB fährt ihre Geldpolitik nach wie vor mit Vollgas:

Der Einlagezins bei der EZB ist seit Mitte 2014 nega-

tiv (!) und über das laufende Aufkaufprogramm werden

die europäischen Währungshüter allein im Jahr 2017

zusätzliche Wertpapiere im Umfang von 780 Mrd. € er-

werben.

Der Verdienst der EZB bei der Bekämpfung der Finanz-

krise und der Stabilisierung der Währungsunion ist

unstrittig. Das gilt ebenso für die Notwendigkeit, die

geldpolitischen Zügel weiterhin etwas locker zu halten.

Doch es gibt kein Vertun, auch für das „Heilmittel“ der

Geldpolitik gilt: Die Dosis macht das Gift.

Die Risiken und Nebenwirkungen der extrem lockeren

Geldpolitik nehmen weiter zu. Zu der stabileren Wirt-

schaftsentwicklung und der tendenziell anziehenden

Teuerungsrate passt die geldpolitische Vollgasfahrt

schon lange nicht mehr. Gravierend ist aber auch: Mit

Dauer und Intensität der expansiven Geldpolitik wird es

für die EZB immer schwieriger, den Krisenmodus wieder

zu verlassen.

Ausstiegsdebatte

Die wachsenden Risiken durch die Geldpolitik dürfen

nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die

Gefahren für die Finanzstabilität steigen, und auch über

den Euro-Raum hinaus drohen sich Ungleichgewichte

aufzuschaukeln, wie etwa bei den Wechselkursen oder

den internationalen Zinszusammenhang am Kapital-

markt. Eine Debatte über den vorsichtigen Ausstieg der

EZB aus ihrem Krisenmodus ist daher überfällig und

sollte auch von der allgemeinen Wirtschaftspolitik ein-

gefordert werden. Bei dieser Debatte sollten nicht nur

die Vor- und Nachteile der extrem langen Festlegung

der EZB auf ihr Kaufprogramm, sondern auch eine mög-

liche Perspektive für den Ausstieg aus der Negativzins-

politik sorgfältig erörtert werden. Besonders wichtig ist

schon bei Beginn der Debatte eine offene Kommunika-

tion mit den Akteuren an den Finanzmärkten, um die

Markterwartungen möglichst ohne abrupte Ausschläge

zu lenken.

Über den Start der Ausstiegsdebatte hinaus sollte die

EZB auch für mehr Transparenz bei der operativen

Umsetzung ihres Mandats der Preisniveaustabilität

sorgen. Der Bankenverband hat in diesem Zusammen-

hang in den letzten Jahren einen sachgerechten und

umfassenden Rundumblick der EZB vermisst. So wird

das Preisniveauziel viel zu eng, beinahe als Punktziel

von 1,9 %, interpretiert und auf vorübergehende Son-

dereffekte, wie der massive Verfall der Rohstoffpreise,

wird zu mechanistisch reagiert. Angesicht der langen

Wirkungsverzögerung der Geldpolitik sowie der recht

unterschiedlichen Wirkungskanäle hätte weniger kurz-

fristiger Aktionismus wohl bessere Wirkungen erzielt.

In dem umfassenderen Rundumblick der EZB müs-

sen aber auch Aspekte der Finanzstabilität eine Rolle

spielen. Die von verschiedenen Seiten propagierte

Trennung zwischen der Geldpolitik, die sich fast aus-

schließlich auf die Stabilität der Verbraucherpreise

konzentriert und einer makroprudenziellen Politik,

die die Risiken für die Finanzstabilität bekämpft, soll-

te auf keinem Fall strikt sein. Gegen eine strikte Auf-

gabentrennung bei der Finanzstabilität spricht unter

anderem, dass die makroprudenzielle Politik noch in

den Kinderschuhen steckt und es keine belastbaren

Erfahrungen über deren Effektivität gibt. Die EZB sollte

daher nicht aus ihrer Mitverantwortung für die Finanz-

stabilität entlassen werden. Die makroprudenzielle Po-

litik würde ansonsten schnell überfordert.

2

20 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 21: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Der europäische Gesetzgeber muss in der Verantwortung

bleiben und die entscheidenden Bereiche eines Regulie-

rungsvorhabens selbst bestimmen. Eine übermäßige

Delegierung an nachgelagerte, nicht parlamentarisch

legitimierte Behörden muss vermieden werden.

Gesetzgeber in der Verantwortung

Auf europäischer Ebene hat sich über die Jahre ein

Trend verstetigt, wonach das Europäische Parlament

eine Vielzahl von maßgeblichen Vorgaben nicht mehr

im Gesetzes- bzw. Richtlinientext regelt, sondern die

Formulierung den Aufsichtsbehörden EBA und ESMA

über sogenannte technische Standards überlässt. Es

spricht viel dafür, technische Feinheiten über diesen

Weg zu regulieren. Kritisch ist es jedoch, wenn sich

der Gesetzgeber der Verantwortung entzieht und es-

senzielle Regulierungsthemen der Verantwortung von

Behörden übergibt. Hinzu kommt eine oft sehr weite,

die ursprüngliche Regelungsintention überdehnende

Auslegung durch EBA und ESMA. Zudem müssen Parla-

ment und Kommission viel stärker darüber wachen, was

EBA und ESMA eigenmächtig aus den Level-1-Vorgaben

machen.

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 21

Page 22: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Bezüglich des Zugangs von Erklärungen in den elektro-

nischen Postboxen bestehen anders als beim Einwurf

des Schriftstückes in den Briefkasten des Empfängers

erhebliche Zweifel, wann diese als zugegangen anzuse-

hen sind. Oft sind an die Erklärungen Fristen gebunden

oder diese unverzüglich zu erteilen. Eine gesetzliche

Regelung besteht bisher nicht. Wenn der Empfänger

einen elektronischen Zugang für Erklärungen eröffnet

(z. B. durch Benennung seiner Email-Adresse oder die

Vereinbarung der Nutzung eines Online-Postfachs), ist

grundsätzlich davon auszugehen, dass er die eingehen-

den Nachrichten auch täglich abrufen wird. Im Verwal-

tungsrecht hingegen gelten Schreiben in der Regel nach

drei Tagen als zugegangen. Hieran angelehnt sollten

Erklärungen daher spätestens am dritten Tag als zuge-

gangen gelten, um Rechtsicherheit zu schaffen.

Digitaler Geschäftsabschluss

Neben der digitalen Kundenkommunikation wünschen

sich Kunden mehr und mehr, auch Finanzgeschäfte

komplett digital zu tätigen, z. B. in Form einer Konto-

eröffnung, im Rahmen eines Kreditabschlusses oder

indem sie unterwegs Zahlungen autorisieren. Auch

hier stehen gesetzliche Vorschriften oftmals noch einer

nutzerfreundlichen digitalen Lösung entgegen. Daher

sollte bei Verbraucherdarlehensverträgen wie bei ande-

ren Verträgen auch die Textform genügen, um so den

berechtigten Interessen der Verbraucher umfassend

Rechnung zu tragen.

Digitalisierung des Bankgeschäftes durch Anpassung

der regulatorischen Rahmenbedingungen ermöglichen.

Hierzu gehören die Möglichkeit zur ausschließlich digi-

talen und papierlosen Kommunikation sowie vollständig

digital zu tätigende Finanzgeschäfte.

Digitale Kundenkommunikation

Die Digitalisierung hat einen tiefgreifenden Wandel

unserer Gesellschaft sowie des gesamten Wirtschafts-

lebens in Gang gesetzt. Die Banken stehen dieser Ent-

wicklung positiv gegenüber. Diese Entwicklung bietet

die Chance, Verbrauchern den Zugang zu Bankdienst-

leistungen zu erleichtern und ihnen Produkte und Ser-

vices anzubieten, die wesentlich stärker auf ihre indivi-

duellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Bereits heute

möchte eine Vielzahl von Verbrauchern ausschließlich

auf elektronischem Wege mit dem eigenen Finanz-

dienstleister in Kontakt treten bzw. Geschäfte tätigen.

Banken können diesem Anliegen aktuell jedoch nicht

vollumfänglich Rechnung tragen. Gesetzliche Vorschrif-

ten, die oft die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht

ausreichend berücksichtigen, weil sie noch vom Bild der

Filialbank und des Kundenkontaktes am Bankschalter

geprägt sind, stehen dem entgegen. So können Ver-

braucher, die die Möglichkeiten der Digitalisierung

nutzen wollen, momentan nicht in vollem Umfang von

deren Vorteilen profitieren.

Um verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für

eine digitale Kundenkommunikation zu schaffen, ist

es unter anderem notwendig, den Begriff des „ange-

messenen Zeitraumes“ für die Aufbewahrung und Spei-

cherung von Informationen im Sinne des § 126b BGB

klar zu definieren. Diese Präzisierung ist im Bereich der

elektronischen Postkörbe relevant, die Kreditinstitute

ihren Kunden anbieten, um dort wichtige Unterlagen

sicher zu speichern. Eine Frist von vier Jahren sollte

ausreichend sein.

3

Digitalisierung

22 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 23: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Es ist zu beobachten, dass hinsichtlich der FinTechs noch

keine einheitliche und abgeschlossene Auffassung bei

Politik und Behörden besteht: Bankenregulierer und

-aufseher urteilen mit Blick auf die Finanzmarktstabilität

eher konservativ, Politik und Kartellbehörden betonen

die innovative und wettbewerbsfördernde Komponente.

In diesem Zusammenhang wird unter anderem die

Möglichkeit der Erleichterung von regulativen Vorga-

ben in einem geschützten Umfeld („Sandbox“) disku-

tiert, insbesondere um neue Finanzdienstleistungen zu

ermöglichen oder Unternehmen, die solche anbieten

wollen, an das regulatorische Umfeld heranzuführen.

Um Innovation und Schnelligkeit bei der Digitalisierung

des Bankgewerbes zu fördern, kann das „Ausprobieren“

unter weniger stark regulierten Bedingungen sinnvoll

sein. Diese Möglichkeit muss allen Anbietern von Fi-

nanzdienstleistungen gleichermaßen offenstehen, d. h.

FinTech-Unternehmen genauso wie Banken. Nationale

Ansätze sind in diesem Feld weniger hilfreich als eine

europaweit einheitliche Regelung. Über konkrete Inhal-

te muss eine ergebnisoffene Diskussion geführt werden.

Politische Maßnahmen sollten aber vor allem da anset-

zen, wo im bestehenden Regelwerk unpraktikable oder

unzeitgemäße Vorschriften das in diesem Zusammen-

hang auch politisch gewünschte Innovationspotenzial

behindern.

FinTech-Unternehmen in Deutschland benötigen per se

keinen auf sie zugeschnittenen „Welpenschutz“. Trotz

allen Wettbewerbs entstehen enge und vielfältige Ko-

operationsbeziehungen zu Banken. Das Chancenpo-

tenzial muss von allen Marktteilnehmern, von neuen

wie von etablierten Anbietern gleichermaßen, genutzt

werden können. Das bedeutet, dass auch Banken nicht

per se und ohne Beachtung des betroffenen Geschäfts

strenger reguliert oder beaufsichtigt werden als andere

Marktteilnehmer. Es braucht gute Regeln für alle anstel-

le weniger Regeln für manche.

Netzwerke stärken statt Regionalismus pflegen.

Standort

In einem stark von Föderalismus geprägten Land ist

die Herausbildung leistungsfähiger und selbstbewuss-

ter regionaler Wirtschafts-, Technologie-, Finanz- und

Wissenschaftszentren selbstverständlich. Deutschland

ist aber keine Insel, es ist im europäischen und inter-

nationalen Wettbewerb eng eingebettet. Vor diesem

Hintergrund ist regionaler Standortwettbewerb oft

zu kleinteilig. Es gilt regionale Kräfte zu bündeln, um

das vorhandene Potenzial im Sinne des Finanz- und

Wirtschaftsstandortes Deutschland optimal nutzen zu

können. So ist etwa Berlin eine der Start-up Hauptstäd-

te Europas, so wie Frankfurt einer der wichtigsten Fi-

nanzplätze in der Europäischen Union ist. Gemeinsame

Initiativen von Industrie, Politik, Banken, Wissenschaft

und regionalen Zentren (z. B. German Hub Initiative) be-

ginnen diese Lücke in Deutschland zu schließen. Diese

institutionalisierte Zusammenarbeit muss dabei Hand

in Hand gehen mit der Verlinkung zu anderen Zentren

weltweit. Der Zugang zu Investitionen, Wissens- und

Erfahrungstransfer ist nur so gewährleistet. Die neue

Bundesregierung ist aufgefordert, nach dem Vorbild

des FinTechRates, diese Vernetzung voranzutreiben.

FinTechs und Banken – gute und gleiche Regeln für alle.

Möglichkeit des „Ausprobierens“ muss für FinTechs und

Banken gleichermaßen gelten.

Regulatorischer Sandkasten

Politik und Finanzaufsicht haben sich in den letzten

Jahren zurecht für eine strenge Regulierung des Bank-

geschäfts – insbesondere des Kredit- und Einlagen-

geschäftes sowie der Anlageberatung – eingesetzt

und dessen Risikotragfähigkeit deutlich verbessert.

Aufgrund umfangreicher Berichtspflichten und tie-

fer, auch präventiver Eingriffsrechte der Aufseher

hat sich die Finanzmarktstabilität insgesamt erhöht.

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 23

Page 24: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

bindlichen Auskunft zu regulativen Fragen eingeführt

werden. Die Aufsicht müsste so auf konkrete Frage-

stellungen eines Anbieters verbindliche Beurteilungen

zur regulativen Behandlung abgeben. Die Antwort der

Aufsichtsbehörden muss in einer angemessenen Zeit er-

folgen. Bei der Ausgestaltung der Gebühren für die Aus-

kunft sollte berücksichtigt werden, dass FinTechs sich

oftmals in der Aufbauphase befinden und demgemäß

nur über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügen.

Datenschutzföderalismus

Finanzdienstleistungen sind in der Regel mit der Ver-

arbeitung personenbezogener Daten verbunden. Die

datenschutzrechtliche Beurteilung von Sachverhalten,

gerade wenn es sich um neue Geschäftsmodelle han-

delt, ist deshalb neben der bankaufsichtlichen Ebene von

herausragender Bedeutung. Die Erlangung belastbarer

Beurteilungen wird in Deutschland durch die Länderzu-

ständigkeit in diesen Fragen erschwert. Dies bedeutet

für die Anbieter einen hohen Abstimmungsaufwand und

eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die sich negativ auf

die Position Deutschlands im europäischen Standort-

wettbewerb auswirken kann. Deutschland braucht ein

homogenes Verwaltungshandeln in Datenschutzfragen.

Dies kann durch eine Konzentration der Zuständigkei-

ten auf Bundesebene oder eine klare und verbindliche

Koordinationsregelung zwischen den Bundesländern er-

reicht werden. Auch die neue EU-Datenschutzgrundver-

ordnung wird ein solch homogenes Verwaltungshandeln

in Deutschland erforderlich machen, wie es in anderen

EU-Mitgliedstaaten Standard ist.

Europäisches Passporting

Geschäftsmodelle der Finanzdienstleistungsbranche

sind prinzipiell skalierbar. Für die leistungsstarken deut-

schen Banken, aber auch für viele FinTechs, liegen in

den anderen Mitgliedsstaaten der EU attraktive Märk-

te. Vielfach wird das Ausrollen von Geschäftsmodellen

aber durch abweichende Detailregelungen im Zivil-

recht, im Verbraucher- oder Datenschutz verhindert.

Eine neue Bundesregierung muss sich dafür einsetzen,

dass in der Bankenunion neben dem Single Rulebook

Hindernisse im Privatrecht abbauen: Vorschriften euro-

päisieren. Verbindliche Auskunft mit fester Antwortzeit

einführen. Datenschutzföderalismus überbrücken.

Europäischer Binnenmarkt

Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes muss

weiter vorangetrieben werden. Noch immer wird dies

durch regulatorische Fragmentierung und Regulierungs-

arbitrage ausgehebelt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für

den Bereich „FinTech“, sondern für Bankenregulierung

insgesamt; so existiert bis heute kein Binnenmarkt für

Retailprodukte. Die hier notwendige Angleichung der

Regeln muss deshalb über Regulierungsfragen hinaus-

gehen und auch das Privatrecht erfassen.

Gleiche Geschäftsvorfälle werden innerhalb Deutsch-

lands und Europas durch die Heterogenität des Privat-

rechts nach wie vor unterschiedlich beurteilt und be-

handelt. Dies kann durch folgende Vorschläge für einen

attraktiven Banken- und FinTech-Standort Deutschland

geändert werden:

Verbindliche Auskunft durch die Aufsicht

Neue Geschäftsmodelle und -praktiken, gerade wenn

sie moderne Technologien nutzen, sind oft mit dem

bestehenden Regulierungsrahmen nicht eindeutig zu

beurteilen. Bank- und Marktaufsicht müssen in diesem

Umfeld erst Erfahrungen bei der Einschätzung von In-

novationen einerseits und Kundenschutz und Finanz-

marktstabilität andererseits gewinnen.

Aus Sicht der Anbieter ist die damit einhergehende

Rechtsunsicherheit mitunter problematisch. Gerade

FinTechs und ihre oft angelsächsisch geprägten Inves-

toren sind verbindliche Auskünfte der Aufsicht von an-

deren Finanzstandorten gewohnt. Diese Situation kann

ein Hindernis für Investitionen und den Markteintritt in

Deutschland sein.

In Anlehnung an das Steuerrecht (§ 89 Abs. 2 Abgaben-

ordnung) sollte deshalb auch im Bereich der Bank- und

Finanzmarktaufsicht ausdrücklich das Institut einer ver-

3

24 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 25: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

auch das Verwaltungshandeln vereinheitlicht wird. Dies

kann bedeuten, dass auch in Deutschland Regeln oder

Verwaltungshandeln im Interesse der europäischen

Integration geändert werden müssen. Wo immer mög-

lich, ist ein europäisches Passporting anzustreben.

Digitales Bezahlen 2020: Rahmenbedingung für eine hö-

here Akzeptanz und Reichweite bei gleichzeitig hoher

Sicherheit bei mobilen Zahlverfahren schaffen.

Mobile Zahlverfahren

Mit der Schaffung eines digitalen Binnenmarkts für Wa-

ren, Personen, Dienstleistungen und Kapital verfolgt die

Europäische Kommission im Rahmen von Europa 2020

ein ambitioniertes Wachstumsziel. Im Grünbuch wer-

den Ziele für einen digitalen Binnenmarkt für Finanz-

dienstleistungen definiert. Eine wesentliche Vorausset-

zung hierfür sind verlässliche Standards für Verbraucher

beim Bezahlen in Europa.

Mit mobilen Zahlverfahren können Verbraucher schnell

und effizient in Situationen bezahlen, für die bisher kei-

ne Lösung bestand. Insbesondere im P2P und POS bie-

ten mobile Zahlverfahren eine effiziente, komfortablere

und weit verbreitete Alternative zu traditionellen Zah-

lungsmitteln (z. B. Karte, Bargeld). Um dieses Service-

angebot zu einer höheren Akzeptanz und Reichweite

bei gleichzeitig hoher Sicherheit zu verhelfen, ist es not-

wendig, dass essenzielle Infrastrukturen, wie beispiel-

weise Fingerabdruckscanner zur Authentifizierung oder

auch die NFC-Technologie zur Datenübertragung allen

Zahlungsdienstanbietern offen stehen. Hinzu kommt,

dass mobile Zahlverfahren von allen EU-Kunden nutzbar

sein sollen (kein Geoblocking) und über ein zentrales

Register Zugang und Erreichbarkeit untereinander her-

stellen können. Um das Vertrauen der Verbraucher in

digitales Bezahlen zu steigern, sind Mindestsicherheits-

standards für Endgeräte und verbraucherfreundliche,

alternative Formen der starken Authentifizierung un-

erlässlich.

Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmen-

ten des E-Commerce die uneingeschränkte Wahlfreiheit

beim Zahlverfahren herzustellen. Dort sind klare Stan-

dards für das Bezahlen aus Verbrauchersicht und Siche-

rung eines fairen Wettbewerbs von Verfahrensanbietern

erforderlich.

E-Commerce-Zahlverfahren

Im E-Commerce werden Verbrauchern unterschiedli-

che Zahlverfahren angeboten, die hinsichtlich Kosten,

Sicherheit und Haftung sowie kommerzielle Nutzung

ihrer Daten sehr unterschiedliche Standards erfüllen.

Zudem ist für Verbraucher und Händler in relevanten

Segmenten des E-Commerce die Wahlfreiheit beim

Zahlverfahren eingeschränkt. Erforderlich sind klare

Standards für das Bezahlen aus Verbrauchersicht und

Sicherung eines fairen Wettbewerbs von Verfahren und

-anbietern.

Alle Zahlungsdiensteanbieter sollen alternative Erlös-

modelle wie direkte Entgelte und/oder Nutzung von

Daten unter gleichen Bedingungen nutzen können; da-

für sollen sie in Geschäftsmodellkategorien eingeteilt

werden, das Einverständnis der Verbraucher zur Daten-

nutzung einholen und über die Folgen aufklären. Sorg-

faltspflichten und Haftungsregeln beim digitalen Bezah-

len sollen dem Verbraucher eindeutig und transparent

gemacht werden; vor dem Hintergrund des Kontozu-

gangs für Dritte sollen auch Banken Rechtssicherheit

hinsichtlich Haftung erhalten. Verbraucher wie Händler

sollen diskriminierungsfrei aus Kosten-, Komfort- und/

oder Sicherheitsgründen das für sie attraktivere Verfah-

ren wählen können; insbesondere Marktplatz-Anbieter

sollen diese Wahl nicht begrenzen (z. B. Bundling von

Zahlung & Handel).

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 25

Page 26: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

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Keiner regulativen Intervention bedarf der Bereich der

Echtzeitzahlverfahren, da hier bereits die Entwicklung

eines paneuropäischen Verfahrens vorangetrieben wird.

Gleichstellung von unbaren und baren Zahlverfahren

vornehmen.

Echtzeitzahlungen

In bestimmten Situationen sind Echtzeitzahlverfahren

für Verbraucher von Vorteil. Die Entwicklung eines pan-

europäischen Verfahrens wird von öffentlichen Instan-

zen und Branchenakteuren bereits kooperativ vorange-

trieben. Einsatzgebiete für dieses Verfahren, aber auch

für alternative Echtzeitzahlsysteme, sollen sich dabei

am tatsächlichen Verbraucherbedarf und -nutzen orien-

tieren. Für eine regulatorische Intervention in diesem

Bereich ergibt sich daher kein Bedarf.

Bargeld und Bargeldalternativen

Verbraucher und Händler sind in der Wahl der Zahlver-

fahren eingeschränkt. Dies betrifft insbesondere den

impliziten Annahmezwang für Bargeld, das einzige ge-

setzliche Zahlungsmittel. Erhöhte Kosten des Bargelds

treffen Händler und damit auch Verbraucher. Auf der

anderen Seite nimmt die Nutzung unbarer Zahlungs-

mittel zu, was zu steigenden Kosten einer flächende-

ckenden Bargeldversorgung führen wird. Es sind da-

her regulatorische Maßnahmen erforderlich, die eine

Gleichstellung unbarer und barer Zahlverfahren einer-

seits und andererseits eine effiziente, flächendeckende

Bargeldversorgung weiterhin ermöglichen. Hier zählen

die Anerkennung weitverbreiteter unbarer Zahlverfah-

ren als gesetzliche Zahlungsmittel und die Möglichkeit,

für die Verbraucher in geeigneten, unbaren Zahlverfah-

ren anonym – ohne Übermittlung persönlicher Daten

an den Zahlungsempfänger (insb. Händler) – zu zahlen.

Für eine weiterhin lückenlose Bargeldversorgung sollen

Banken weitreichende Kooperationen ermöglicht wer-

den, sowohl bankübergreifend als auch mit Dritten,

z. B. durch Aufhebung kartellrechtlicher Schranken.

Zur Förderung eines im Sinne des Verbrauchers zuneh-

menden Wettbewerbs Möglichkeit der einmaligen (Erst-)

Legitimation schaffen.

Onboarding

Der Zugang zu digitalen Bezahlverfahren und Finanz-

dienstleistungsangeboten insgesamt wird Verbrau-

chern unnötig erschwert. Gründe liegen unter anderem

in der geographischen Beschränkung von Angeboten,

EU-weit unterschiedlichen Legitimationsanforderun-

gen und papierhaften Dokumentationspflichten. Dies

beschränkt de facto den europäischen Binnenmarkt und

erhöht die Kosten für Anbieter wie Verbraucher.

Damit Verbraucher wirklich in den Genuss eines ver-

einfachten und einheitlich volldigitalen Zugangs kom-

men ist es nicht nur wichtig, dass sie unabhängig von

ihrem Standort ihren Dienstleister uneingeschränkt

auswählen können, sondern auch dass Anbieter von

Finanzdienstleistungen EU-weit grenzüberschreiten-

den Zugang zu nationalen Auskunfteien erhalten. Um

den Aufwand für den Verbraucher bezüglich seiner

Legitimation zu reduzieren und damit potenziell mehr

Wettbewerb zu erzeugen, sollte es zukünftig möglich

sein, dass sich Verbraucher einmalig bei ihrer Hausbank

(„Erstlegitimierer“) legitimieren. Ist in einer weiteren

Geschäftsbeziehung mit einem Dritten eine Legitima-

tion erforderlich, soll dieser sich auf die Legitimation

beim Erstlegitimierer stützen dürfen, die er gegen ein

angemessenes Entgelt und ohne Enthebung seiner Haf-

tung erhält.

Letztendlich sollen Verbraucher auf rein digitale, pa-

pierlose Weise digitale Zahlverfahren end-to-end nut-

zen können, von der erstmaligen Registrierung mit

digitaler Legitimation und Dokumentation, über die

digitale Nutzung bis hin zu Vertragsverwaltung und

KYC-Erneuerungen.

26 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 27: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Verbraucherpolitik sollte den Verbraucher weder be-

vormunden noch allein lassen, sondern stets als selbst-

bestimmtes Individuum ansehen. Um selbstbestimmt

entscheiden zu können, ist eine gute Information und

Bildung notwendig. Ökonomische Bildung hat hier ei-

nen besonderen Stellenwert, da diese im alltäglichen

Leben für jeden von Bedeutung ist. Um dies zu unter-

streichen, wäre die Teilnahme Deutschlands an dem

Zusatzmodul „Finanzwissen“ im Rahmen der PISA-

Schulleistungsstudie ein deutliches Zeichen.

Selbstbestimmte Verbraucher

Verbraucherpolitik vollzieht sich im Spannungsver-

hältnis zwischen Freiheit und Eigenverantwortung der

Bürger einerseits und der Befriedigung grundlegender

Schutz- und Sicherheitsbedürfnisse der Verbraucher

durch den Staat andererseits. Das jeweilige Maß an

„Verbraucherschutz“ ist dabei nicht absolut festzulegen,

sondern ergibt sich in einem ständigen Interessenaus-

gleich in der Gesellschaft. Es stellt sich dabei immer

die Frage, wie weit staatliche Regulierung gehen kann

und darf, ohne die Freiheit und Selbstbestimmung der

Bürger, die Marktfreiheit und einen funktionierenden

Wettbewerb unverhältnismäßig einzuschränken.

Nicht nur in der Finanzmarktregulierung, aber durch die

Finanzmarktkrise auf diesem Feld in besonderer Weise,

sind in den letzten Jahren zahllose Regulierungen und

Verbraucherschutzvorschriften umgesetzt worden, die

nicht nur gut gemeinten Schutzzielen dienen, sondern

letztlich auch Handlungsspielräume der Verbraucher

einschränken und ihnen – wie den betroffenen Unter-

nehmen – enorme bürokratische Lasten aufbürden. Das

Leitbild des (mündigen und) selbstbestimmten Verbrau-

chers rückt dabei immer öfter in den Hintergrund. Diese

Entwicklung gilt es umzukehren und die Verbraucher in

die Lage zu versetzen, die für sie richtigen Konsument-

scheidungen selbstverantwortlich zu treffen.

Wirtschafts- und Finanzkompetenz

Voraussetzung dafür ist eine ausreichende ökonomi-

sche und finanzielle Grundbildung. Die Verbesserung

der Wirtschafts- und Finanzkompetenz der Verbraucher

ist ein zentraler Beitrag, um Verbraucher vor (vermeid-

baren) finanziellen Fehlentscheidungen zu schützen.

Die Entwicklung zum (mündigen und) selbstbestimm-

ten Verbraucher beginnt dabei schon in der Schule,

auch um junge Menschen fit für den Weg in die digitale

Gesellschaft zu machen.

Alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte sollten

sich daher für ein eigenständiges Schulfach „Wirtschaft“

in allen Bundesländern einsetzen. Ein wichtiger Beitrag,

um das gesellschaftliche Bewusstsein für die Notwen-

digkeit von Finanzwissen zu stärken, wäre zudem die

Teilnahme Deutschlands an dem Zusatzmodul „Finanz-

wissen“ im Rahmen der PISA-Schulleistungsstudie. Dies

ist auch mit Blick auf die Vergleichbarkeit mit den eu-

ropäischen Ländern, die an diesem Zusatztest bereits

teilnehmen, mehr als geboten.

Etablierung einer Informationsplattform zur transpa-

renten Darstellung der persönlichen Rentenansprüche

aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge

(Pension Dashboard).

Altersvorsorge

In Deutschland ist es für Verbraucher äußerst mühsam,

sich einen Gesamtüberblick über ihre persönlichen Alters-

rentenansprüche zu verschaffen – vor allem dann, wenn

neben der gesetzlichen Rente weitere Ansprüche aus der

betrieblichen oder privaten Altersvorsorge bestehen. Ei-

ner aktuellen Studie zufolge können 70 % der Befragten

ihre Gesamtrente nicht einschätzen. Ein Grund ist, dass

Versorgungsträger und Produktanbieter über verschiede-

ne Medien, in unterschiedlichen Formaten und zu unter-

schiedlichen Zeitpunkten über die Rentenansprüche infor-

Verbraucherschutz

4 bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 27

Page 28: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

4

mieren. Diese Komplexität und Intransparenz erschweren,

dass zusätzlicher Vorsorgebedarf rechtzeitig erkannt wird.

Eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung über

weitere notwendige Vorsorgemaßnahmen kann der Ver-

braucher deshalb nur schwer treffen.

Es ist daher dringend geboten, die Transparenz in der

Altersversorgung zu erhöhen, um Bürgern die Möglich-

keit zu verschaffen, dass sie ihre Gesamtversorgung im

Alter möglichst einfach und leicht verständlich ermit-

teln können. Die neue Bundesregierung wird aufgefor-

dert, eine neutrale Informationsplattform zu etablieren,

die ein Zusammenführen der persönlichen Rentenan-

sprüche für den Kunden aus gesetzlicher, betrieblicher

und privater Vorsorge bei gleichzeitiger Wahrung des

Datenschutzes ermöglicht. Neben einem bedarfsge-

rechten und objektiven Rentenüberblick für den Bürger

würden auch Anbieter von einer sauberen Daten- und

Argumentationsgrundlage für eine ganzheitliche Bera-

tung profitieren. Als wesentliche Voraussetzung für eine

solche zentrale Renteninformationsplattform wären

gemeinsame Standards und technische Schnittstellen

für einen automatisierten Datentransfer zu entwickeln.

Daneben bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung für

Rententräger, standardisierte Standmitteilungen elekt-

ronisch bereit zu stellen.

Eine Verquickung von Lobbyinteressen des vzbv mit den

dem Marktwächter Finanzen zugewiesenen und mit öf-

fentlichen Mitteln finanzierten Aufgaben muss ausge-

schlossen sein.

Marktwächter Finanzen

Als Gemeinschaftsprojekt des Verbraucherzentrale Bun-

desverband (vzbv) und aller 16 Verbraucherzentralen

wurde im Jahr 2014 der Marktwächter Finanzen ein-

gerichtet. Im Rahmen dieses Projekts beobachten fünf

Schwerpunkt-Verbraucherzentralen ausgewählte The-

menschwerpunkte im Bereich des Finanzmarkts. Ziel

der Arbeit des Marktwächters ist es, Marktwissen zu

bündeln, Fehlentwicklungen sichtbar zu machen und

Schaden von Verbrauchern abzuwenden. Insbesondere

durch eine empirische Auswertung von Verbraucherbe-

schwerden sollen Missstände in den Märkten erkannt

werden. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen der In-

28 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 29: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

formation von Behörden, Politik, Institutionen und An-

bietern sowie der Öffentlichkeit. Die privaten Banken

anerkennen und unterstützen diese Zielsetzung.

Der mit öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums

der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) finanzier-

te Marktwächter Finanzen stellt sich neben die staat-

liche Finanzmarktaufsicht durch die Bundesanstalt für

Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin ist eine

effiziente, national wie international anerkannte Sol-

venz- und Finanzmarktaufsichtsbehörde, die im Rahmen

der ihr zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben auch den

kollektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten hat.

Um eine Verwässerung der jeweils zugewiesenen

Aufgabenstellungen und eine damit einhergehende

mögliche Beeinträchtigung der Reputation der BaFin

auszuschließen, wird sich der Marktwächter Finanzen

klar auf die ihm zugewiesenen Aufgabenstellungen

beschränken müssen. Eine Verquickung von Lobbyin-

teressen des vzbv mit den dem Marktwächter Finanzen

zugewiesenen und mit öffentlichen Mitteln finanzierten

Aufgaben muss ausgeschlossen sein.

Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-

field besteht kein Anlass mehr, weitergehende anleger-

schützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in

Deutschland erlassen wurden, beizubehalten. Anbieter

auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt einer effizi-

enten Aufsicht durch die BaFin unterstellen.

Deutsches Goldplating

Zum 1. Januar 2018 werden die Finanzmarktlichtlinie

(MiFID II) und die Finanzmarktverordnung (MiFIR) in

Kraft treten. Damit erfährt Europa eine einheitliche Re-

gulierung der Finanzmärkte. Insbesondere MiFID II – in

Deutschland umgesetzt durch das 2. Finanzmarktnovel-

lierungsgesetz (2. FiMaNoG) – wird den Anleger- und

Verbraucherschutz in Europa durch Einführung umfas-

sender neuer Dokumentations- und Transparenzpflich-

ten deutlich erhöhen und europaweit harmonisieren.

Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-

field besteht kein Anlass mehr, weitergehende anleger-

schützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in

Deutschland erlassen wurden, beizubehalten.

Grauer Kapitalmarkt

Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute unter-

liegen der strengen und regelmäßigen Aufsicht durch

die Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht.

Anbieter auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt

werden von der BaFin nicht beaufsichtigt; ihre Tätigkeit

wird durch die regional zuständigen Gewerbeaufsichts-

ämter kontrolliert, deren Prüfungsintensität hinter der

von der BaFin gewährleisteten Kontrolldichte deutlich

zurückbleibt. Die neue Bundesregierung wird aufgefor-

dert, dieses Aufsichtsgefälle zu beseitigen, indem auch

die am Grauen Kapitalmarkt tätigen Anbieter einer ef-

fizienten Aufsicht durch die BaFin unterstellt werden.

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 29

Page 30: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

4

Anlegerschützende Bestimmungen verringern das Ange-

bot für Anleger, etwa zur Sicherung der Altersvorsorge.

Hier sollte Regulierung weitsichtiger erfolgen.

Geschäftsmodelle

Die seit der Finanzkrise im Jahr 2008 erfolgte Regulie-

rung der Kreditinstitute zeichnet sich durch eine Viel-

zahl verbraucher- und anlegerschützender Bestimmun-

gen aus. Dies gilt in hohem Maße für die Regulierung

der Anlageberatung im Wertpapiergeschäft. Deutsche

Maßnahmen wie die Einführung eines Beratungspro-

tokolls, die Pflicht zur aufsichtlichen Registrierung von

Anlageberatern, die zentrale Erfassung von Kundenbe-

schwerden bei der BaFin oder die Pflicht zum Einsatz

von Produktinformationsblättern haben die Dienstleis-

tung „Anlageberatung“ nachhaltig verändert. Berech-

tigte Wünsche von Kunden, auf anlegerschützende

Maßnahmen verzichten zu können, fanden keine Be-

rücksichtigung. Mit dem Inkrafttreten von MiFID II/

MiFIR zum 1. Januar 2018 wird das Anlegerschutzni-

veau bei Wertpapiergeschäften durch umfassende

Dokumentations- und Transparenzpflichten nochmals

maßgeblich gesteigert. Durch die dann folgende Pflicht

zur Aufzeichnung von Telefongesprächen wird das zwi-

schen Banken und ihren Kunden bestehende Vertrau-

ensverhältnis deutlich beeinträchtigt.

Angesichts dieser Entwicklung werden alle Kreditinstitu-

te gehalten sein, ihre Geschäftsmodelle zur Erbringung

von Wertpapierdienstleistungen auf Effizienz und Renta-

bilität zu überprüfen. Erkennbar ist, dass erste Institute

bereits entschieden haben, sich aus der Anlageberatung

in Wertpapieren gänzlich zurückzuziehen. Andere wer-

den ihre Angebotspalette verkleinern, ihre Kunden-

struktur überdenken oder Dienstleistungen mit starker

technischer Unterstützung anbieten. Ein Übermaß anle-

gerschützender Bestimmungen kann im Ergebnis dazu

führen, dass das Angebot für Anleger, die etwa zur Siche-

rung ihrer Altersvorsorge auf qualitativ gute Beratung

angewiesen sind, geringer wird. Die neue Bundesregie-

rung wird aufgefordert, ein Jahr nach Inkrafttreten solche

negativen Auswirkungen zu evaluieren.

Zugang zum Recht möglichst leicht gestalten, dann

besteht kein Anlass für die Etablierung einer „Klage-

industrie“.

Kollektiver Rechtsschutz/ Sammelklagen

Zu den Grundsätzen des deutschen Rechtssystems

zählt neben der individuellen Freiheit zur Eingehung

und Beendigung von Verträgen auch die eigenständige

Geltendmachung von Ansprüchen im Streitfall. Eigen-

verantwortlichkeit endet nicht vor den Türen der Gerich-

te. Deshalb ist es richtig, den Zugang der Bürger zum

Recht möglichst leicht zu gestalten – durch Prozesskos-

tenhilfe und die Bereitstellung von außergerichtlichen

Schlichtungsverfahren (z. B. Ombudsmann der privaten

Banken). Zugleich muss aber vermieden werden, dass

den Bürgern Entscheidungen über eine gerichtliche

Geltendmachung (vermeintlicher) Ansprüche durch

eine „Klageindustrie“ abgenommen werden. Regulie-

rungsvorstellungen, die sich entsprechend auswirken

können, sind eine klare Absage zu erteilen.

30 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 31: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Die Überprüfung der Finanzmarktregulierung im Hin-

blick auf Konsistenz, Angemessenheit und Zielgenauig-

keit endlich entschieden angehen.

Überprüfung der Finanzmarktregulierung

Die Koalitionsfraktionen der 18. Legislaturperiode hat-

ten bereits im Jahre 2013 richtigerweise erkannt, dass

nach Jahren intensiver Regulierung der Finanzmärkte

der Zeitpunkt gekommen war, den neuen Regulierungs-

rahmen einer Evaluierung zu unterziehen. Aus diesem

Grund ist diese – auch für die deutsche Wirtschaft ins-

gesamt – dringende Aufgabe in den Koalitionsvertrag

aufgenommen worden. Leider wurde diese Aufgabe nur

mit geringem Engagement angegangen, wobei grund-

sätzlich nur die Aspekte kritisch bewertet wurden, die

auf europäischer Ebene angepackt werden müssen.

Eigener Handlungsbedarf wurde in Summe nicht fest-

gestellt.

In der Zwischenzeit ist das Thema Evaluation der Finanz-

marktregulierung auch auf die Tagesordnung in Brüssel

gesetzt worden. Gerade vor diesem Hintergrund ist die

neue Bundesregierung aufgefordert, die Überprüfung

der Finanzmarktregulierung im Hinblick auf Konsistenz,

Angemessenheit und Zielgenauigkeit endlich entschie-

den anzugehen, auch um auf europäischer Ebene die

deutschen Interessen zu vertreten.

Zukünftige Struktur und Kosten der europäischen Ban-

kenaufsicht unter dem Aspekt der Mehrfachzuständig-

keiten prüfen und diese zukünftig vermeiden.

Europäische Bankenaufsicht

Mit der Etablierung des einheitlichen Aufsichtsmecha-

nismus der EZB (Single Supervisory Mechanism, SSM) im

Jahre 2014 hat eine Neuausrichtung der Bankenaufsicht

im Euro-Raum stattgefunden. Grundsätzlich ist dies po-

sitiv zu bewerten. Die Eingliederung des SSM in die EZB

kann hierbei jedoch nur eine Übergangslösung darstel-

len. Eine Bankenaufsicht muss, um Interessenkonflik-

te zu vermeiden, vollständig unabhängig von einem

Währungshüter beziehungsweise Geldwertstabilisator

agieren können und vice versa. Zum unabhängigen

Agieren des SSM gehören zudem ausreichend eigene

Mitarbeiter, die frei von nationalen Aufsichtsbehörden

und möglichen Interessenkonflikten sind.

Ein wichtiger Baustein der Reform ist der Austausch und

die Zusammenarbeit innerhalb des SSM mit nationalen

Aufsichten und Regulierern sowie mit der Europäischen

Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Wenn es hierbei um die

einheitliche Regelsetzung in der EU geht, sollte dies

ausschließlich der EBA obliegen. Regelungen, die der

SSM explizit (durch Verordnungen) oder implizit (z. B.

durch Leitlinien oder Empfehlungen) definiert, werden

dann zum Kritikpunkt, wenn sie über den gesteckten

Rahmen hinausgehen oder widersprüchlich zu anderen

Regelungen sind. Anpassungen an Regelungen bezie-

hungsweise neue Regelungen sollten zwischen den

vielfältig eingebundenen EU-Institutionen bestmöglich

abgestimmt sein.

In der EU wurden verschiedene Institutionen und Rah-

menwerke etabliert, die eine Stabilisierung der Finanz-

märkte und Überwachung der Finanzindustrie beab-

sichtigen. Hieraus resultieren zahlreiche Maßnahmen,

um makro- und mikroprudenziellen Einfluss zu nehmen.

Die EU-Kommission hat im Jahre 2016 einen umfang-

reichen Review der Europäischen Aufsichtsbehörden

(ESAs) initiiert, der sich vor allem mit den Kompeten-

zen, der Struktur sowie der Finanzierung auseinander-

setzt. Die ESAs haben zweifelsfrei zur Harmonisierung

der Aufsicht in den verschiedenen Mitgliedsstaaten

beigetragen. Allerdings waren dabei wiederholt Über-

schreitungen der Vorgaben des Europäischen Gesetz-

gebers bzw. ein Trend zur Selbstmandatierung im Hin-

blick auf Leitlinien und Empfehlungen auszumachen,

Bankenmarkt

5 bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 31

Page 32: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

5

die kritisch zu hinterfragen sind. Die vorgeschlagene

Erweiterung der Zuständigkeit der europäischen Wert-

papieraufsichtsbehörde ESMA im Bereich des Verbrau-

cherschutzes ist abzulehnen, da der Verbraucherschutz

durch nationale Gesetzgebung geprägt ist. Gerade für

grenzüberschreitend tätige Institute ist eine weitere An-

gleichung von Aufsichtspraxis und Regulierung in den

Mitgliedsstaaten von besonderer Bedeutung. Diese Ver-

einheitlichung der Regulierung sollte zugleich auch zur

Beseitigung von doppelten oder widersprüchlichen An-

forderungen der verschiedenen Behörden führen. Ein

Austausch der ESAs mit dem SSM ist daher unerlässlich.

Die neue Bundesregierung wird aufgefordert, sich für

eine Beibehaltung der aktuellen Finanzierungsstruktur

der ESAs einzusetzen. Die ESAs werden zu 40 % durch

die Kommission finanziert. Den Rest tragen die zumeist

finanzwirtschaftlich finanzierten nationalen Aufsichtsbe-

hörden. Die Beteiligung der Kommission ist zur Wahrung

der Haushaltsdisziplin notwendig und auch sachgemäß,

da die ESAs regulatorische Tätigkeiten wahrnehmen, die

unmittelbar der Europäischen Kommission obliegen.

Der Brexit macht die Verlegung der Europäischen Ban-

kenaufsichtsbehörde (EBA) erforderlich. Frankfurt am

Main ist für einen Umzug der EBA, ggf. unter Zusam-

menlegung mit der EIOPA, aufgrund der dort vorhande-

nen Infrastruktur und der Möglichkeit der Gewinnung

von Fachpersonal für die EBA geradezu prädestiniert.

Auch die Nähe zur EZB könnte einen Austausch der Be-

hörden beflügeln. Die privaten Banken unterstützen die

Bemühungen der Bundesregierung, die EBA in Frank-

furt am Main anzusiedeln.

Die Instrumente der Gläubigerbeteiligung und der Ab-

wicklungsfonds müssen glaubwürdig bleiben.

Gläubigerbeteiligung und Abwicklungsfonds

Die Abwicklungsrichtlinie (BRRD), insbesondere das

hierin vorgesehene Instrument der Gläubigerbeteili-

gung und der Abwicklungsfonds, ist die sachgerechte

Antwort zur Abwendung von Gefahren für die Stabilität

des Finanzsystems. Es ist wichtig, dass diese Regeln, die

eine Bestandsgefährdung eines Instituts voraussetzen,

europaweit auch angewandt werden – im Interesse der

Glaubwürdigkeit wie im Interesse der Steuerzahler und

der Kreditwirtschaft. Eine „Rettung“ von Instituten um

jeden Preis mit Mitteln des Steuerzahlers muss vermie-

den werden. Und genauso wenig ist den profitablen

Instituten geholfen, wenn eine notwendige Marktbe-

reinigung ausbleibt. Wir erwarten hier von einer neuen

Bundesregierung eine klare und konsequente Positio-

nierung in Brüssel.

Die Finanzierung der Einlagensicherung, auch im Rah-

men eines europäischen Mechanismus, soll so weit wie

möglich dezentral durch die nationalen Einlagensiche-

rungssysteme erfolgen.

Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Bei den Verhandlungen über einen europäischen Me-

chanismus im Bereich der Einlagensicherung als dritter

Säule der Bankenunion soll die neue Bundesregierung

darauf hinwirken, den Grundsätzen der Subsidiarität

und der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Unionsge-

setzgebung zu entsprechen. Die Finanzierung der Ein-

lagensicherung, auch im Rahmen eines europäischen

Mechanismus, soll so weit wie möglich dezentral durch

die nationalen Einlagensicherungssysteme erfolgen.

Europäische Stellen sollen zentral mit Verwaltungsauf-

gaben im Rahmen des europäischen Mechanismus be-

traut werden, ohne das bewährte System der nationalen

Einlagensicherung in Frage zu stellen. Die Unterstützung

der nationalen Einlagensicherungssysteme durch einen

europäischen Mechanismus soll nur so weit gehen, wie

sie im Einzelfall erforderlich ist, insbesondere um Gefah-

ren für die Finanzstabilität abzuwenden. Die nationalen

Systeme bleiben dabei primär für die Finanzierung ihrer

Aufgaben verantwortlich. Es ist darauf zu achten, dass

nur Maßnahmen unterstützt werden, die den gebotenen

Einlegerschutz auf die wirtschaftlich günstigste Weise

erreichen. Zur Steigerung der Kosteneffizienz der Einla-

32 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 33: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

gensicherung soll es auch den gesetzlichen Entschädi-

gungseinrichtungen in Deutschland gestattet werden,

ihre finanziellen Mittel für wirtschaftlich sinnvolle Stüt-

zungsmaßnahmen einzusetzen.

Vorherige Risikoverringerung

Eine gegenseitige Unterstützung der Einlagensicherungs-

systeme im Rahmen eines europäischen Mechanismus

setzt voraus, dass zuvor zentrale Maßnahmen zur Verrin-

gerung der Risiken im Bankensektor in der Eurozone wirk-

sam umgesetzt wurden. Hierzu gehören u. a. eine stärkere

Harmonisierung des Insolvenzrechts und eine einheitliche

Insolvenzrangfolge, eine gründliche Bilanzprüfung aller

teilnehmenden Kreditinstitute und höhere Kapitalanfor-

derungen an das Halten staatlicher Schuldtitel.

Bürokratische Belastungen für die Kreditwirtschaft, wie

z. B. Meldeanforderungen der Aufsicht, die keinen oder

nur einen sehr eingeschränkten Nutzen haben, redu-

zieren. Nach HGB bilanzierenden Banken ermöglichen,

regulatorische Meldungen auf HGB-Basis abzugeben.

Datenanforderungen

Die Datenanforderungen an Banken sind in den letzten

Jahren kontinuierlich gestiegen und haben mittlerweile

ein Ausmaß erreicht, welches die Institute an den Rand

der Belastungsfähigkeit bringt. Dies gilt insbesondere

für kleine und mittelgroße Banken. Ein Grund hierfür

ist, dass verschiedene Aufsichtsbehörden (EZB, natio-

nale Aufsicht) Meldeanforderungen stellen, die sich

inhaltlich oftmals in erheblichem Maße überschnei-

den. Beispiele hierfür sind das künftige Kreditregister

AnaCredit und die deutsche Millionenkreditmeldung

oder die Meldung von Finanzinformationen an die EZB

(FINREP) und die weitgehend ähnliche Meldung an die

nationale Behörde gemäß der Finanzinformations- und

Risikoverordnung (FinaRisikoV).

Hier ist eine neue Bundesregierung aufgefordert zu han-

deln: Eine deutliche Entlastung könnte erzielt werden,

wenn Meldungen gleichen beziehungsweise ähnlichen

Inhalts ausschließlich an einen Adressaten zu berichten

wären. Nationale Meldungen sollten somit entfallen,

sobald es vergleichbare europäische Meldeanforde-

rungen gibt. Auch der Informationsaustausch zwischen

den nationalen Notenbanken und Aufsichtsbehörden

könnte die Meldelast insbesondere von ausländischen

Niederlassungen von Kreditinstituten verringern.

Generell sollten Kosten-/Nutzenerwägungen und der

Proportionalitätsgedanke bei der Definition von Melde-

anforderungen eine größere Bedeutung beigemessen

werden. Dem Proportionalitätsgedanken folgend beab-

sichtigt die deutsche Aufsicht, einen Vorschlag in den

CRR-Review einzubringen, mit dem Ziel, die so genann-

ten COREP-Meldungen (Eigenmittelmeldungen) für

kleine Institute zu entschlacken. Dieses Vorhaben wäre

ein guter Startpunkt und wird von uns uneingeschränkt

unterstützt. Die Entlastung darf jedoch nicht auf die

COREP-Meldungen beschränkt werden. Eine Durchfors-

tung der Meldepflichten im nationalen Berichtswesen

halten wir genauso für notwendig wie die kritische

Überprüfung der statistischen Berichtspflichten.

Für Institute, die nach HGB Rechnung legen, kommt hin-

zu, dass die Meldeanforderungen der EZB sich regelmä-

ßig an den internationalen Rechnungslegungsgrundsät-

zen IFRS orientieren. Für deutsche HGB-Institute sollte

es ausreichend sein, regulatorische Meldungen auf

HGB-Basis abzugeben. Anderenfalls würde das klare Be-

kenntnis zum HGB letztendlich durch die aufsicht lichen

Meldeanforderungen unterlaufen.

Stärkere Proportionalität in der Bankenregulierung.

Grundregel „Same business, same risk, same rules“ darf

nicht ausgehebelt werden. Hürden der Regulierung auch

auf nationaler Ebene begrenzen.

Small Banking Box

Kleine und mittelständische Banken sind von der fort-

schreitenden Ausweitung der aufsichtlichen Anforde-

rungen im besonderen Maße belastet. Dies betrifft we-

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 33

Page 34: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

niger die Anforderungen hinsichtlich der Kapital- und

Liquiditätsausstattung, sondern vielmehr die administ-

rativen Belastungen. Eine einzelne mittelständische Bank

verantwortet ein geringeres Geschäftsvolumen und weni-

ger Transaktionen als große Banken. Bezogen hierauf ist

der Umsetzungsaufwand von regulatorischen und bank-

aufsichtlichen Anforderungen mittelständischer Banken

jedoch gleich groß dem von großen Banken.

Vergleicht man mittelständische Kreditinstitute unterei-

nander, sind insbesondere die Institute von deutlich ge-

ringeren Aufwänden betroffen, die einer Institutsgruppe

angehören (z. B. Sparkassen und Volksbanken). Erleichte-

rungen sollten daher nicht von der Rechtsform abhängig

sein (Verbundbanken), sondern alleine von Größe und

Komplexität des Geschäftsmodells (z. B. gelten die ver-

schärften Anforderungen der Abschlussprüferreform nur

für Unternehmen von öffentlichem Interesse und damit

für alle, auch kleinste Privatbanken, wohingegen Verbund-

banken generell ausgenommen sind). Gerade bei der Er-

füllung der Meldeanforderungen, sind Verbundbanken

relativ gesehen weniger belastet als kleine Privatbanken,

da sie über einen zentralen IT-Dienstleister verfügen. Pri-

vatbanken müssen sich – anders als Institute in Verbünden

– wirklich eigenständig auf dem Markt behaupten.

Daher befürworten wir eine stärkere Berücksichtigung

des Proportionalitätsgedankens in der Bankenregulie-

rung und somit eine angemessenere Ausgestaltung von

Regelungen, die für kleine Kreditinstitute erhebliche ad-

ministrative Lasten darstellen. Dies ist auch deshalb ge-

rechtfertigt, weil diese Institute aufgrund ihrer Größe und

Komplexität weniger intensiv und detailliert beaufsichtigt

werden müssen. Zum einen stellen sie dadurch eine gerin-

ge Bedrohung der Finanzmarktstabilität dar. Zum anderen

bedarf es für eine angemessene Aufsicht weniger detail-

lierte Informationen in geringerer Frequenz. Die ersten

Vorschläge von Bundesbank und Bundesregierung sind

ein richtiger Schritt in diese Richtung.

Die Diskussion über eine proportionale Ausgestaltung

der Regulierung für mittelständische Banken darf jedoch

aus Wettbewerbsgründen nicht zu einem für die Gruppe

eigenständigen Aufsichtsansatz führen oder gar zu einer

kompletten Ausnahme von aufsichtsrechtlichen Rege-

lungen. Daraus folgt, dass es keine Erleichterungen bei

quantitativen Kapital- und Liquiditätsanforderungen unter

Säule I geben darf. Es gilt die Grundregel „Same business,

same risk, same rules”. Gleiche Geschäfte müssen den

gleichen Regeln unterliegen. Denn das Risiko eines Kre-

dites ist gleich, unabhängig von der Größe einer Bank.

Daher müssen die Kapital- und Liquiditätsanforderungen

für das gleiche Geschäft identisch sein. Das gilt auch für

die Leverage Ratio sowie für Regelungserleichterungen

oder -ausnahmen, die für Handelsbuchinstitute über das

derzeitige Maß hinausgehen.

In den Entwürfen der EU-Kommission zum CRR-Review

finden sich Ansätze, die eine stärkere Proportionalität

der Regulierung zum Ziel haben. Dies betrifft vor allem

die Regelungen zur Offenlegung und zum Meldewesen

sowie Ausnahmeregelungen im Bereich des Marktrisi-

kos (vgl. auch Abschnitt „Datenanforderungen“). Diese

Ansätze sind jedoch viel zu verhalten. Insbesondere wer-

den sie an eine äußerst niedrige Bilanzsumme geknüpft

(1,5 Mrd. Euro). Neben den bereits genannten Punkten

sollten u.  a. folgende Themen für kleine und mittlere

Banken proportionaler ausgestaltet sein: Vergütungsvor-

gaben, Sanierungsplanung, Einrichtung von Ausschüssen

(Risiko-, Normierungs- und Vergütungsausschuss) sowie

die Abschlussprüferverordnung. Die Deutsche Kreditwirt-

schaft hat hierzu einen abgestuften Ansatz erarbeitet, der

Institute in drei Klassen unterteilt, für die dann jeweils ent-

sprechende Anforderungen gelten sollen. Gerade wegen

der besonderen Struktur des deutschen Bankenmarktes

muss sich die neue Bundesregierung in diesem Thema

stark engagieren.

Bestimmungen zur Produkt-, Dienstleistungen- und

Marktregulierung sowie zum Anlegerschutz lassen hin-

gegen eine unterschiedliche Behandlung der Institute in

Abhängigkeit von ihrer Größe nicht zu. Nur so lässt sich

das angestrebte einheitliche Schutzniveau innerhalb der

EU-Staaten realisieren. Dieses Prinzip muss auch für die

5

34 Wirtschaftspolitische Positionen

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Einen angemessenen europäischen Weg zur Umsetzung

des internationalen Baseler Abkommens zur Eigenkapi-

talunterlegung finden.

Eigenkapitalunterlegung

Die Baseler Rahmenvereinbarung zur Eigenkapitalunter-

legung von Kreditinstituten wurde seit dem Jahre 2010

kontinuierlich verändert. Das gesamte Reformpaket wird

unter dem Stichwort Basel III subsumiert. Aus diesem

Paket sind bereits einige Punkte in europäisches Recht

umgesetzt, etliche stehen aber noch aus. Besonders in-

tensiv wurden die Vorschläge diskutiert, die in den letzten

beiden Jahren neu auf den Verhandlungstisch gekommen

sind. Hierbei steht das Bemühen der internationalen Auf-

seher im Vordergrund, die Variabilität von Modellergeb-

nissen zu reduzieren, die insbesondere in Europa die

Berechnung der Eigenmittelanforderungen maßgeblich

bestimmen. Die aktuell diskutierten Vorschläge würden

zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Wettbewerbs-

fähigkeit europäischer Banken führen, da diese mit einem

deutlichen Mehrbedarf an Kapital rechnen müssten. Die

insbesondere von amerikanischer Seite vorgeschlagenen

Lösungen zur Standardisierung erhöhen lediglich den

Kapitalbedarf, verbessern aber nicht die Risikosensitivität

und Qualität der zugrunde liegenden Modelle. Hier gehen

die europä ischen Aufsichtsbehörden im Rahmen der EBA

und des SSM eigene und bessere Wege. Wir werden auch

mit einer neuen Bundesregierung gemeinsam mit unse-

ren europäischen Partnern für eine faire Lösung streiten,

die die europäischen Banken nicht benachteiligt.

Im europäischen Gesetzgebungsprozess bei einer fina-

len Umsetzung der Baseler Vorschläge sollte geprüft

werden, bis zu welchem Grad die Baseler Vorschläge

zur Standardisierung umgesetzt werden sollten, und

gegebenenfalls, an wichtigen Punkten eine angemes-

sene eigene europäische Lösung geeigneter wäre.

Dazu gehört auch, im seit Ende 2016 laufenden euro-

päischen Gesetzgebungsverfahren zur Überarbeitung

der Capital Requirements Regulation (CRR), die Umset-

zung der Baseler Regelungen zur Kapitalunterlegung

des Marktrisikos zu unterbrechen. Derzeit überarbeitet

der Baseler Ausschuss (BCBS) die Regelungen erneut.

Erst wenn der BCBS seine Arbeit finalisiert hat, sollten

die europäischen Arbeiten daran fortgeführt werden.

Regulierung darf die Heterogenität des deutschen Ban-

kenmarktes nicht gefährden. Ein befreiender IFRS-Einzel-

abschluss würde zu erheblichen Kosteneinsparungen und

einem deutlichen Abbau bürokratischer Lasten führen

und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steigern.

Anforderungen der deutschen Aufsicht

Die in den letzten Jahren gestiegenen regulatorischen

Anforderungen haben insbesondere kleinere Banken

deutlich gespürt. Aus unserer Sicht muss der Gesetzge-

ber den regulatorischen Rahmen derart ausgestalten, dass

sich das Bankgeschäft auch in Zukunft für kleinere Banken

rechnet und somit die Heterogenität des deutschen Ban-

kenmarktes erhalten bleibt. Eine wichtige Stellschraube

ist dabei neben der europäischen insbesondere auch die

deutsche Regulierung. Die Anforderungen der deutschen

Aufsicht über die Mindestanforderungen an das Risiko-

management (MaRisk) sind kontinuierlich in den letzten

Jahren erweitert worden und haben mittlerweile einen

Detaillierungsgrad erreicht, der die Anwendung der Me-

thodenfreiheit und der Prinzipienorientierung zumindest

fraglich erscheinen lässt. Insofern halten wir es für sinn-

voll, die MaRisk insgesamt in diesem Lichte zu überprü-

fen. Gerade in Bezug auf kleinere Banken erachten wir

die Anforderungen bei Auslagerungen als zu restriktiv.

Kleine Banken benötigen spezialisierte Dienstleister, um

im Wettbewerb bestehen zu können. Die Anforderungen

der MaRisk führen jedoch zu einem hohen administrativen

Ausgestaltung von Meldepflichten gegenüber Aufsichts-

einrichtungen oder Vorgaben für die Identifizierung von

Kunden einheitlich gelten. Lediglich im Bereich von Or-

ganisationspflichten, insbesondere zur Einrichtung einer

Compliance- oder Risikokontrollfunktion, sind Unterschie-

de mit Blick auf die jeweilige Institutsgröße denkbar.

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 35

Page 36: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Aufwand und bedeuten im Einzelfall, dass spezialisiertes

Know-how weiter vorgehalten werden muss und die Aus-

lagerung damit ad absurdum geführt wird. Ferner sollte es

kleineren Instituten gestattet sein, einfachere Risikomess-

verfahren auch um den Preis gewisser Unschärfen nutzen

zu dürfen. Wir begrüßen ausdrücklich die bisherigen An-

strengungen von Bundesregierung und Bundesbank und

unterstützen diese.

Ein weiterer Punkt betrifft die zusätzlichen Kapitalanfor-

derungen, die über den aufsichtlichen Bewertungs- und

Überprüfungsprozess SREP verhängt werden. Gerade für

kleinere Privatbanken ist es nicht ohne weiteres möglich,

in kurzer Zeit zusätzliches Kapital aufzunehmen bezie-

hungsweise durch Gewinnthesaurierung zu erzeugen. Zu

hohe Kapitalanforderungen begrenzen jedoch das Wachs-

tum von diesen Instituten und damit deren Möglichkeiten,

die deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Aus unserer Sicht

sollten die ohnehin schon hohen Kapitalanforderungen

der Säule I nicht noch durch zusätzliche Kapitalanforde-

rungen über die Säule II unangemessen erhöht werden.

Auch sollte sichergestellt werden, dass deutsche Institute

im Vergleich zu anderen europäischen Banken nicht stren-

ger beurteilt und damit benachteiligt werden.

Befreiender IFRS-Einzelabschluss

Auch in Deutschland sollte die Option bestehen, den Ein-

zelabschluss nach internationalen Rechnungslegungs-

grundsätzen (IFRS – International Financial Reporting

Standards) mit befreiender Wirkung aufstellen zu dürfen.

Ein befreiender IFRS-Einzelabschluss würde insbesondere

bei denjenigen Unternehmen, die in einen IFRS-Konzern-

abschluss einbezogen werden, zu erheblichen Kostenein-

sparungen und einem deutlichen Abbau bürokratischer

Lasten führen. In vielen Ländern der Europäischen Union

sind die IFRS bereits als Rechnungslegungsstandards so-

wohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss zu-

gelassen. Die Einführung eines Wahlrechts in Deutschland

würde zu gleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb

der EU, einer Komplexitätsreduzierung, einer verbes-

serten internationalen Vergleichbarkeit und einer einfa-

cheren Kommunikation führen. Im Zusammenhang mit

Bekämpfung von Geldwäsche und Schwerkriminalität:

Maß und Mitte halten, digitale Bankdienstleistungen

ermöglichen.

Bekämpfung Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche

Der Bankenverband unterstützt seit jeher zielführende

und angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung von

Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und organisierter

Schwerstkriminalität. Zugleich setzt er sich nachdrücklich

für zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Fortentwick-

lung von Bankdienstleistungen im digitalen Umfeld ein.

Die Gesetzgeber haben in der ausgehenden 18. Wahl-

periode des Deutschen Bundestages sowohl in Deutsch-

land als auch auf EU-Ebene ebenfalls beide Zielsetzungen

verfolgt. Sie haben sich jedoch in zentralen Punkten von

äußeren Anlässen zu überzogenen und teils widersprüch-

lichen Regelungen verleiten lassen. Als Beispiele seien der

Entwurf einer Änderungsrichtlinie zur 4. EU-Geldwäsche-

Richtlinie und national das Steuerumgehungsbekämp-

fungsgesetz genannt. Beide Regulierungsvorgaben gehen

insbesondere bei der Erhebung von Daten über den so

genannten „wirtschaftlich Berechtigten“ massiv über das

bisher geltende risikoorientierte Recht hinaus. Nament-

lich wird der Kundenannahmeprozess allgemein mit weit

überzogenen bürokratischen Prüfprozeduren belastet;

darüber hinaus wird die angestrebte medienbruchfreie

Kundenannahme über das Internet – ein wesentlicher

Innovationsschritt im digitalen Bankgeschäft – in Frage

gestellt. Der Gesetzgeber muss an dieser Stelle in der

kommenden Legislaturperiode dringend für eine Reduzie-

rung der bürokratischen Lasten der Kreditwirtschaft und

für Konsistenz der Vorschriften sorgen. Zudem müssen

auch in diesem Rechtsbereich Regelungen gefunden

werden, die im Internetzeitalter zeitgemäß sind. Hierfür

wäre eine gemeinsame Überprüfung mit Praktikern aus

dem Finanzsektor hilfreich.

5

dem Brexit spielt ein IFRS-Einzelabschluss mit befreiender

Wirkung eine bedeutsame Rolle, um den Finanzstandort

Frankfurt für ausländische Banken attraktiver zu machen.

36 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 37: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Bewährte Finanzierungsstrukturen erhalten – neue

Chancen eröffnen. Verbriefungsmärkte sind als Voraus-

setzung zum Erhalt der klassischen Kreditfinanzierung

unverzichtbar.

Lage der Unternehmensfinanzierung

Trotz weltwirtschaftlicher Unsicherheiten ist die Lage

der Unternehmensfinanzierung in weiten Teilen der

deutschen Wirtschaft sehr gut. Die traditionell stabi-

len, langfristigen Bank-Kunde-Beziehungen haben sich

bewährt. Diese Finanzierungskultur muss auch für die

Zukunft gesichert bleiben. Die Auswirkung der in Kraft

getretenen Banken- und Finanzmarktregulierung auf die

Finanzierung der Wirtschaft wird derzeit noch überlagert

von begünstigenden Faktoren (Niedrigzinsphase, verhal-

tene Kreditnachfrage, gute Situation/geringe Risiken der

Unternehmen). Dies gilt es bei weiteren Regulierungs-

schritten zu beachten. Die langfristig zu erwartenden

Veränderungen in der Unternehmensfinanzierung müs-

sen im Blick behalten werden. Die erhöhten Eigenkapi-

talanforderungen an die Banken werden die Spreizung

der Konditionen zwischen bonitätsstarken und boni-

tätsschwachen Unternehmen verstärken. Bei Bedarf ist

gegenzusteuern.

Kapitalmarkt

Die von der Europäischen Kommission angestrebte Ka-

pitalmarktunion muss auf einen effizienten, starken

Bankensektor aufsetzen. Banken erfüllen dabei eine

Intermediärsfunktion, die für Stabilität in der Unterneh-

mensfinanzierung sorgt. Dies gilt gerade auch für die

Begleitung von mittleren und großen Unternehmen an

den Kapitalmarkt. Banken als Intermediär nehmen die

zentrale Aufgabe der individuellen Risikoprüfung wahr.

Effiziente Verbriefungsmärkte sind eine notwendige Vo-

raussetzung, um die Kreditfinanzierung (auch kleiner Un-

ternehmen) mit dem Kapitalmarkt sinnvoll zu verknüpfen.

Eine neue Bundesregierung ist aufgefordert, in Brüssel

die bislang eher zögerlichen ersten Schritte in Sachen

Kapitalmarktunion voranzutreiben, erst Recht vor dem

Hintergrund der Brexit-Folgen.

Schwerpunkte der Förderpolitik müssen überprüft

und da wo erforderlich neu definiert werden. Hermes-

Instrumentarium einschließlich der Refinanzierungsins-

trumente fortlaufend weiterentwickeln.

Förderpolitik

Unternehmen in Deutschland steht eine ausdifferen-

zierte und stark arbeitsteilige Förderlandschaft zur

Verfügung, die international als vorbildlich gilt und

in ihrer Struktur erhalten bleiben muss. Das bewährte

Hausbankprinzip sichert die Qualität der Kreditvergabe

im Fördergeschäft und belässt das Risiko grundsätzlich

im Geschäftsbankenbereich. Ohne diese Risikoüber-

nahme durch die Hausbank wäre ein so umfassendes

Förderangebot wie in Deutschland für die öffentlichen

Hände nicht darstellbar. Dieser Grundsatz der Subsidi-

arität darf auch mit fortschreitender Digitalisierung des

Fördergeschäfts nicht in Frage gestellt werden.

Durch die regulatorisch bedingte Verdrängung der Ban-

ken aus wichtigen Finanzierungsbereichen (wie z. B.

Langfristfinanzierung und bei besonderen Risiken) wird

die Bedeutung von Förderinstrumenten weiter steigen.

Den Auswirkungen einer strengeren Regulierung in

der Breite über öffentliche Förderung zu begegnen, ist

jedoch problematisch. Förderinstrumente sollen den

klassischen Bankkredit ergänzen und ihn nicht erset-

zen. Notwendig ist daher eine Regulierung mit Augen-

maß, die es Banken ermöglicht, ihrer Verantwortung

gegenüber der Wirtschaft umfassend nachzukommen.

Überdies müssen Förderschwerpunkte überprüft und

falls nötig neu definiert werden. Neben der allgemei-

nen Mittelstandsfinanzierung, Gründung, Innovation

sowie Energie und Umwelt ist die Digitalisierung für

die Unternehmen zentral und muss als Förderschwer-

punkt stärker als bislang adressiert werden. Förderin-

strumente müssen besser untereinander verzahnt und

entbürokratisiert werden.

Exportfinanzierung

Wie in keinem anderen Land der Welt hängen unser

wirtschaftlicher Wohlstand sowie die Lage am Arbeits-

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 37

Page 38: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

markt vom Außenhandel ab und sind nicht zuletzt

Ergebnis der Exportstärke der deutschen Wirtschaft.

Die Banken begleiten deutsche Unternehmen bei ihren

Exporten indem sie die internationalen Zahlungsströ-

me abwickeln, wirtschaftliche und politische Risiken

absichern, sowie maßgeschneiderte Finanzierungen

bereitstellen.

Im kurzfristigen Handelsgeschäft unterstützen die

Banken gemeinsam mit ihren Korrespondenzbanken

in den Zielländern die internationalen Handelsaktivi-

täten der Unternehmer mit Zahlungsabwicklungs- und

Absicherungsinstrumenten, bspw. Akkreditiven oder

Garantien.

Kreditinstitute unterliegen richtigerweise im Rah-

men der geltenden rechtlichen und aufsichtlichen

Vorgaben zur Bekämpfung von Geldwäsche und Ter-

rorismusfinanzierung sowie der Einhaltung von Sank-

tionen vielfältigen Pflichten. Diese führen vor allem

auch im Außenhandelsgeschäft zu einem erheblichen

Mehraufwand. Im Hinblick auf ein einheitliches level-

playing-field sollte darauf geachtet werden, dass diese

Maßnahmen und Pflichten, die wichtig für eine glo-

balisierte Wirtschaft sind, auf internationaler Ebene

einheitlich durch- und umgesetzt werden.

Die Exportkreditgarantien des Bundes, die sogenann-

ten Hermesdeckungen, unterstützen Industrie und

Handel besonders bei ihren Geschäften mit Schwellen-

und Entwicklungsländern und helfen so, Arbeitsplätze

in der deutschen Exportwirtschaft und ihren Zuliefer-

betrieben zu schaffen und zu sichern.

Die deutsche Exportwirtschaft konkurriert mit Anbie-

tern aus der OECD und zunehmend aus Nicht-OECD-

Staaten. Die Möglichkeit, attraktive Finanzierungen

anzubieten, ist immer mehr zu einem Erfolgsfaktor

geworden. In vielen Ländern ist die staatliche Export-

kreditversicherung im Hinblick auf internationale

Wertschöpfungsketten flexibler, was zu Wettbewerbs-

nachteilen für deutsche Unternehmen und die sie be-

gleitenden Banken führt. Zudem wurden bislang die

Auswirkungen der umfassenden Bankenregulierung

auf die Exportwirtschaft und ihre Belange in Finanzie-

rungsfragen zu wenig berücksichtigt.

Damit die Banken weiterhin Exportfinanzierungen in

einem sich verschärfenden internationalen Wettbe-

werbsumfeld sowie anspruchsvolleren Regulierungs-

gefüge anbieten können, sollte das Hermes-Instrumen-

tarium einschließlich der Refinanzierungsinstrumente

fortlaufend weiterentwickelt werden. Gleichzeitig

sollte der Bund eine konsistente und praxisorientier-

te Handhabung des Instruments sicherstellen. So die-

nen Hermes-Deckungen in erster Linie der Exportför-

derung und sollten nicht mit zusätzlichen Zielen und

Anforderungen überfrachtet werden.

5

38 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 39: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

In der Unternehmensbesteuerung sind weiterhin durch-

greifende strukturelle Reformen erforderlich. Die Ein-

führung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe

wäre kontraproduktiv. Die Abgeltungsteuer muss er-

halten bleiben. Eine Finanztransaktionssteuer ist strikt

abzulehnen.

Unternehmenssteuerrecht

Die Unternehmenssteuerreform 2008 hat mit der Ab-

senkung der nominalen Steuerbelastung auf rund

30 % einschließlich Gewerbesteuer ein positives Signal

gesetzt. Die grundlegenden Probleme der deutschen

Unternehmensbesteuerung bestehen jedoch fort: Das

sind insbesondere die Regelungen, die zu einer im-

mer weiteren, nicht sachgerechten Verbreiterung der

Ertragsteuerbemessungsgrundlagen zulasten der Un-

ternehmen geführt haben. Auch die erforderliche Mo-

dernisierung des deutschen Außensteuerrechts wurde

nicht vorgenommen. Wir erwarten von einer neuen

Bundesregierung, dass die Steuerpolitik in der neuen

Wahlperiode wieder eine deutlich stärkere Aufmerk-

samkeit bekommt.

Insbesondere sollte die aus fiskalischen Gründen vor ei-

nigen Jahren eingeführte sog. Mindestgewinnbesteue-

rung zunächst abgemildert und mittelfristig wieder ab-

geschafft werden. Auch sie stellt eine Sonderbelastung

der in Deutschland ansässigen Unternehmen dar. Glei-

ches gilt für die gewebesteuerlichen Hinzurechnungen.

Die deutsche Gewerbesteuer ist ohnehin ein Sonder-

weg und zugleich Hemmnis bei den Bemühungen

nach einer einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage

in Europa. Langfristig führt auch deshalb am Ersatz der

Gewerbesteuer durch eine zudem für die Kommunen

stabilere Einnahmequelle kein Weg vorbei. Die aktuel-

len Bestrebungen des Bundesrates zur Verhinderung

des Wettbewerbs der Kommunen um günstige gewer-

besteuerliche Standortbedingungen sehen wir kritisch,

auch weil sie das Steuerrecht noch weiter verkomplizie-

ren und streitanfällig machen würden.

Substanzbesteuerung

Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erfordert an einem

Standort wie Deutschland mit hohen Lohn- und Pro-

duktionskosten moderne und effiziente Produktions-

stätten. Diese sollten neben den bereits bestehenden

Substanzsteuern (z.  B. Erbschaftsteuer, Grundsteuer)

nicht mit weiteren an der Substanz zehrenden Steuern

oder Abgaben, wie etwa einer Vermögensteuer belastet

werden. Mit derartigen zusätzlichen Belastungen würde

es den Unternehmen hierzulande erschwert, Investiti-

onen zu tätigen und in neue Arbeitsplätze oder in die

Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren.

Die anstehende Grundsteuerreform darf nicht zu einer

weiteren Erhöhung des Grundsteueraufkommens oder

zu einer Verschiebung der Steuerlasten hin zu den Un-

ternehmen führen.

Bankenabgabe

Seit 2010 leisten in Deutschland ansässige Kreditinsti-

tute Beiträge zum deutschen Restrukturierungsfonds

(sog. Bankenabgabe). Diese Beiträge können nach einer

eigens dafür geschaffenen Sonderregelung steuerlich

nicht geltend gemacht werden. Gleiches gilt für die seit

2016 in den europäischen Single Resolution Fund (SRF)

fließenden Bankenabgaben.

Aus dem steuerlichen Abzugsverbot ergibt sich eine

signifikante Benachteiligung der in Deutschland ansäs-

sigen Kreditinstitute gegenüber Instituten in anderen

(europäischen) Staaten. Dabei wäre die steuerliche Ab-

ziehbarkeit der Bankenabgabe kein Steuergeschenk.

Vielmehr würde damit dem allgemeinen Prinzip ent-

sprochen, nach dem nur das Nettoeinkommen der Be-

steuerung unterliegt, also das um betrieblich veranlass-

te Aufwendungen verminderte Einkommen.

Steuerpolitik

6 bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 39

Page 40: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

Unsere deutliche Forderung lautet daher: Um dem Net-

toprinzip der Besteuerung zu genügen und zur Herstel-

lung gleicher Wettbewerbsbedingungen muss das in

Deutschland für die Bankenabgabe geltende Betriebs-

ausgabenabzugsverbot abgeschafft werden.

Internationales Steuerrecht

Die komplexen und vielschichtigen Rahmenbedingun-

gen, die die deutsche Steuergesetzgebung einengen,

sollten verstärkt im Rahmen der Gesetzgebung zum in-

ternationalen Steuerrecht beachtet werden. Zu nennen

sind hier zunächst das Verfassungsrecht, das mit dem

Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Besteu-

erung nach der Leistungsfähigkeit konzeptionell und

folgerichtig auszugestaltende Maßstäbe setzt, und – in

seinen praktischen Auswirkungen immer wichtiger –

das Recht der Europäischen Union mit seinen Diskri-

minierungs- und Beschränkungsverboten sowie dem

Beihilfeverbot. Wieder stärker zu beachten sind das

DBA-Recht einschließlich der doppelbesteuerungsrecht-

lichen Diskriminierungsverbote sowie die Empfehlun-

gen der OECD zu international koordinierten Maßnah-

men im Sinne einer globalen Steuergerechtigkeit für

Staaten und Unternehmen.

So nachvollziehbar das Ziel der G20/OECD Maßnahmen

gegen eine Erosion der Bemessungsgrundlage und der

Gewinnverschiebung („Base Erosion and Profit Shifting“

[BEPS]) sowie der aktuellen Post-BEPS-Arbeiten ist, Steu-

erlücken zu schließen, gilt es gleichzeitig, auch eine

ungerechtfertigte Doppelbesteuerung zu Lasten von

Unternehmen, insbesondere Banken, zu vermeiden.

Missbrauchsbekämpfung

Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung

werden in ihrer Zielsetzung selbstverständlich unter-

stützt. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das angedachte

Ziel mit deutlich erweiterten Meldepflichten für Steu-

erpflichtige und Kreditinstitute erreicht werden kann.

Anstatt Kreditinstituten die aufwändige Pflicht aufzuer-

legen, unbestimmt definierte Sachverhalte zu melden,

bei denen sie die Beziehung von Steuerpflichtigen zu

Drittstaatengesellschaften hergestellt oder vermittelt

haben, könnten Beteiligungen in solchen Staaten zu

melden sein, die nicht am internationalen automa-

tischen Informationsaustausch nach FATCA (Foreign

Account Tax Compliance Act) und nach CRS (Common

Reporting Standard) teilnehmen und die als nicht ko-

operierende Staaten qualifiziert werden. Hierfür könnte

an eine Liste angeknüpft werden, die aktuell von der

EU entwickelt wird. So könnte unnötiger Aufwand bei

den Kreditinstituten vermieden werden. Zudem ist es

unbedingt notwendig, bei der nationalen Umsetzung

der in der Diskussion befindlichen EU-Richtlinie zur Ein-

führung einer Meldepflicht für grenzüberschreitende

Gestaltungsmodelle nicht auch noch nationale Gestal-

tungen einzubeziehen.

Die Erweiterung der Legitimationsprüfung bei der

Kontoeröffnung ist abzulehnen. Durch das Steuerum-

gehungsbekämpfungsgesetz wurden die Pflichten zur

Feststellung der Identität auch auf wirtschaftlich Be-

rechtigte erweitert und eine Erhebung der Steuer-ID

des Kontoinhabers, aller Verfügungsberechtigten und

aller wirtschaftlich Berechtigten eingeführt. Die Kennt-

nis des Verfügungsberechtigten ist für die Besteuerung

der über ein Konto/Depot zufließenden Kapitaleinkünf-

te ohne Bedeutung. Auch im Rahmen des internationa-

len automatischen Informationsaustauschs (CRS) und

FATCA werden grundsätzlich nur der Kontoinhaber und

der wirtschaftlich Berechtigte erfasst. Die neue Rege-

lung ist nicht von der IV. Geldwäscherichtlinie gedeckt

und schießt weit über dieses Ziel hinaus, indem auch die

Steuer-ID der Verfügungsberechtigten erfasst wird und

damit Daten generiert werden, die nicht für das Besteu-

erungsverfahren benötigt werden. Für die Praxis ist es

unbedingt erforderlich, dass zumindest die momentan

von der Finanzverwaltung gewährten Praxiserleichte-

rungen für Legitimations-/Identifizierungszwecke auch

zukünftig gewährt werden.

Vorschläge hinsichtlich der Entziehung der Bankerlaub-

nis als „ultima ratio“ bei Steuerhinterziehungsdelikten

von Bankkunden lehnen wir ab. Denn schon das gelten-

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40 Wirtschaftspolitische Positionen

Page 41: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

de Kreditwesengesetz stellt ein umfangreiches Instru-

mentarium zur Reaktion auf strafbare Handlungen oder

deren vermeintliche Unterstützung durch Kreditinstitu-

te zur Verfügung. Dazu gehören die Abberufung von

Geschäftsleitern und als letztes Mittel bereits jetzt der

Erlaubnisentzug unter anderem bei Unzuverlässigkeit

der Geschäftsleiter und bei nachhaltigen Gesetzesver-

stößen (§§ 35, 36 KWG).

Steuerlicher Informationsaustausch

Der gemeinsame Meldestandard für den automatischen

Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen

wurde innerhalb von weniger als zwei Jahren weltweit

erfolgreich eingeführt. Die Banken haben hierfür in

kurzer Zeit immense Anstrengungen erbracht und sehr

hohe finanzielle Aufwände in Kauf genommen. Bei et-

waigen Weiterentwicklungen dieses multilateralen In-

formationsaustauschsystems muss sichergestellt sein,

dass diese international koordiniert und sachgerecht

sind und keine singulären Erweiterungen auf nationaler

oder auf EU-Ebene erfolgen. Dabei müssen unnötige

bürokratische kostenträchtige Lasten für die Banken

vermieden werden.

Finanztransaktionssteuer

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wie

sie derzeit auf EU-Ebene im Wege einer verstärkten

Zusammenarbeit von noch zehn Mitgliedstaaten erör-

tert wird, ist mit unkalkulierbaren Risiken behaftet. Im

Ergebnis würde sie – entgegen den Argumenten ihrer

Befürworter – nicht nur den Finanzsektor treffen, son-

dern alle Erwerber von Finanzprodukten, d. h. vor allem

Unternehmen der kreditnehmenden Wirtschaft und die

Sparer. Betroffen wären insbesondere der deutsche Mit-

telstand und die Exportwirtschaft, da sich sinnvolle und

notwendige Finanztransaktionen, wie Absicherungen

gegen Zins-, Währungs- und Rohstoffrisiken, verteuern

würden. In hohem Maße betroffen wäre aber auch die

betriebliche und private Altersvorsorge. Eine Finanz-

transaktionssteuer würde den Aufbau der privaten

Vermögensbildung beeinträchtigen und die staatliche

Förderung der privaten Altersvorsorge konterkarieren,

da sie finanzielle Anreize, die der Staat setzt, mitunter

überkompensiert. Wegen der Gefahr von Ausweichre-

aktionen, die gerade bei einer nur auf einige EU-Mit-

gliedstaaten beschränkten Finanztransaktionssteuer

unvermeidbar sind, würde die internationale Wett-

bewerbsfähigkeit nicht nur der Banken, sondern der

gesamten deutschen Wirtschaft stark beeinträchtigt.

Insgesamt birgt die Finanztransaktionssteuer unkalku-

lierbare Risiken für den Wirtschafts- und Finanzstand-

ort Deutschland. Ihre weitreichenden negativen Folgen

werden offenbar völlig unterschätzt. Vor diesem Hinter-

grund ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer

strikt abzulehnen.

Abgeltungsteuer

Das vor Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar

2009 geltende Recht zur Besteuerung von privaten Kapi-

talanlagen war für Bürger und Fiskus nicht mehr über-

schaubar und höchst gestaltungs- und streitanfällig.

Die pauschale Besteuerung der Erträge an der Quelle

durch die Kreditinstitute befreit die Kapitalanleger von

bürokratischen Steuererklärungspflichten und entlastet

den Fiskus von aufwändigen Veranlagungsarbeiten. Mit

der abschließenden Besteuerung an der Quelle besteht

kein Raum mehr für Ausweichreaktionen des Kapitalan-

legers, d. h. die Besteuerung der Erträge im Inland wird

so sichergestellt und die früher empfundene Ungerech-

tigkeit der Besteuerung beseitigt.

Es wäre eine unverantwortliche Verschwendung aus

rein populistischen Gründen, eine mit einem Aufwand

von vielen hundert Millionen Euro als Zukunftsinves-

tition von der Kreditwirtschaft mit internationalem

Modellcharakter umgesetzte Reform, die zudem in der

Praxis reibungslos und effektiv funktioniert, wieder

rückgängig zu machen. Durch die Besteuerung der Ka-

pitaleinkünfte mit dem „normalen“ Steuertarif würde

keine Gerechtigkeit, sondern nur eine Scheingerechtig-

keit hergestellt.

Der bestehende Abgeltungsteuersatz ist Teil eines mit

Bedacht ausgewählten ausgewogenen Gesamtkon-

bankenverband

Wirtschaftspolitische Positionen 41

Page 42: Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung€¦ · Mobile Zahlverfahren 25 Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte

zepts. Die pauschale Besteuerung von privaten Kapi-

talanlagen wurde in dieser Höhe insbesondere durch

die vollständige Einbeziehung von Wertpapierveräu-

ßerungs- und Termingeschäften, den Ausschluss des

Abzugs von Werbungskosten, dem Ausblenden der

steuerlichen Doppelbelastung von Aktien sowie der

Berücksichtigung der Inflationsanfälligkeit gerade von

längerfristigen Kapitalanlagen verfassungskonform

bestimmt. Dieses Konzept würde durch eine Erhöhung

des Abgeltungsteuersatzes konterkariert und die be-

schriebenen sinnvollen Maßnahmen müssten wieder

rückgängig gemacht werden. Insbesondere würde der

Vereinfachungseffekt der Abgeltungsteuer hinfällig,

da sehr viele Sparer bei einem höheren Steuerabzug

gezwungen wären, ihre Kapitalerträge wieder in der

normalen Einkommensteuer-Veranlagung zu deklarie-

ren, um ihren geringeren individuellen Steuersatz gel-

tend zu machen. Zudem ist (durch Studien des BMF und

namhafter Institute) die These widerlegt, dass bei einer

Rückkehr zum klassischen Steuertarif Steuermehrein-

nahmen entstehen würden.

Einkommensteuer

Die Belastung mit Steuern und Abgaben ist in Deutsch-

land weiterhin sehr hoch, insbesondere im mittleren

Einkommensbereich bis zu den Höchstgrenzen der So-

zialversicherungspflicht. Die Finanzpolitik sollte ihren

Spielraum nutzen und den Bürgern mehr finanziellen

Handlungsspielraum lassen. In einer umfassenden Ein-

kommensteuerreform sollten die kalte Progression ab-

gebaut, der Mittelstandsbauch gemildert und der Soli-

daritätsbeitrag abgeschafft, auf jeden Fall aber in den

regulären Einkommensteuertarif eingebaut werden.

Schon heute werden Einkommen ab rund 54.000 €,

also mittlere Einkommen, mit dem Spitzensteuersatz

in Höhe von 42 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf.

Kirchensteuer belastet. Trotz schwindender Kaufkraft

der Einkommen ist die Grenze für diesen Spitzensteu-

ersatz nicht erhöht worden. Während er im Jahr 1965

erst beim 12-fachen des Durchschnittseinkommens

fällig wurde, greift der Spitzensteuersatz heute be-

reits beim 1,9-fachen des Durchschnittseinkommens.

Für hohe Einkommen ab rund 254.000 € beträgt der

Spitzensteuersatz derzeit sogar 45 % zzgl. Solidaritäts-

zuschlag und ggf. Kirchensteuer. Das sind insgesamt

rund 50 %. Hinzu kommt, dass die – am Einkommen

gemessen – oberen 10 % der Steuerpflichtigen mehr

als die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkom-

mens aufbringen. „Starke Schultern“ tragen daher be-

reits heute deutlich mehr Lasten.

Auch sehr viele mittelständische Personenunterneh-

mer wären von Einkommensteuererhöhungen betrof-

fen, denn in Deutschland sind mehr als 90 % der Unter-

nehmen Personenunternehmen. Auch deshalb lehnen

wir eine weitere Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab

und fordern stattdessen eine grundlegende Korrek-

tur des Einkommensteuertarifverlaufs zum Abbau des

sog. Mittelstandsbauchs.

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42 Wirtschaftspolitische Positionen

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Fotos Wiktor Dabkowski, Jochen Zick, action press

Ann-Christine Krings, PHOTOGRAPHY

Die Hoffotografen

Gedruckt August 2017

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