Upload
others
View
0
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
Wahl 2017: Erwartungen an eine neue Bundesregierung
Eine Information der privaten BankenBerlin, Sommer 2017
Erwartungen an eine neue Bundesregierung
Wirtschaftspolitische Positionen des Bankenverbandes
im Wahljahr 2017
Berlin, Sommer 2017
4 Wirtschaftspolitische Positionen
Wir Banken
Der Bankensektor befindet sich in einer Phase des Wan-
dels, wie er ihn nie zuvor erlebt hat. Dieser Wandel resul-
tiert aus drei elementaren Veränderungen:
Die erste große Veränderung ergibt sich aus der grund-
legenden Neuordnung des regulativen Rahmens in den
zurückliegenden Jahren. An diesen passen die Banken suk-
zessive ihre Geschäftsmodelle an, indem sie zum Beispiel
ihr Eigenkapital nicht nur quantitativ aufgebaut, sondern
auch hinsichtlich der Qualität deutlich verbessert haben.
Aber auch in Bezug auf die Geschäftstätigkeiten haben sich
grundlegende Veränderungen ergeben – so etwa durch
die Einstellung des Eigenhandels, die vollumfängliche Do-
kumentation im Wertpapierberatungsgeschäft oder die
Veränderung von Kreditlaufzeiten und -konditionen.
Die zweite große Veränderung resultiert aus dem allge-
meinen Trend hin zur Digitalisierung aller Lebensberei-
che, der dem Bankensektor auf der einen Seite viele neue
Chancen eröffnet, aber diesen gleichzeitig vor enorme
Herausforderungen stellt. Auch wenn den Banken ge-
legentlich vorgehalten wird, dass sie die Digitalisierung
zu spät angepackt hätten, zeigt die Praxis, dass sie keine
Kosten und Mühen scheuen, um die Möglichkeiten der
Digitalisierung im Sinne ihrer Kunden voll auszuschöpfen.
Dass junge Start-up-Firmen aufgrund ihrer Genetik hier
schneller und innovativer vorgehen können als Banken,
ist nur natürlich. Aus diesem Grund arbeiten Banken ak-
tiv mit den sogenannten FinTechs zusammen, indem sie
ihnen zum Beispiel Versuchslabore zur Verfügung stellen.
Wir Banken in Deutschland werden die Digitalisierung der
Geschäfte im Interesse der Kunden weiter vorantreiben.
Dafür ist es aber unter anderem erforderlich, digitale Pro-
zesse durchgehend medienbruchfrei im deutschen Recht
zuzulassen.
Die dritte große Herausforderung erwächst aus der weiter-
hin expansiven Geldpolitik und der dadurch andauernden
Niedrigzinsphase in Europa. Durch diese außergewöhn-
liche Situation wird es Banken sehr erschwert, Erträge
aus dem Einlagen- und Kreditgeschäft zu erwirtschaften,
das zu den Hauptertragsfeldern insbesondere deutscher
Banken zählt. Dieser Wegfall einer wichtigen Ertragssäu-
le zwingt Kreditinstitute zu Anpassungen, zum Beispiel
bei der Bepreisung ihrer Dienstleistungen oder bei der
Entwicklung neuer Tätigkeitsfelder. Eine stabile Ertrags-
lage ist und bleibt die Voraussetzung für die nachhaltige
Erbringung von Finanzdienstleistungen für die Kunden.
Die Veränderungen im Umfeld – seien es politisch gewoll-
te wie die Regulierung, seien es technische wie die Digi-
talisierung, seien es eher unintendierte aus der Niedrig-
zinsphase – führen zu geändertem Kundenverhalten und
zu neuen Angebotsbedingungen. Sie machen Anpassun-
gen bei uns Banken erforderlich. Aber auch Politik und
Verwaltung müssen in der nächsten Wahlperiode in der
Erkenntnis rasanter Marktveränderungen ihre Regulie-
rung endlich auf den Prüfstand dieser neuen Parameter
stellen und in manchen Punkten neu ausrichten. Deshalb
muss gleich zu Beginn der nächsten Legislaturperiode der
bereits im letzten Koalitionsvertrag vereinbarte, jedoch
nicht umgesetzte, regulatorische Review entschieden
angegangen werden. Die Wirtschaft braucht starke Ban-
ken, die nicht durch inkonsistente, unangemessene und
ungenaue Finanzmarktregulierung geschwächt werden.
Dr. Hans-Walter Peters Dr. Michael Kemmer
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 5
6 Wirtschaftspolitische Positionen
Inhaltsübersicht
1 Wirtschaftspolitik 12
Risiken der Finanzstabilität infolge der Niedrigzinsphase verringern. Deshalb wirtschaftliche
Rahmenbedingungen in Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher gestalten.
� Stabiles Finanzsystem Voraussetzung für funktionsfähige Marktwirtschaft 12
Kritik an der Globalisierung ernst nehmen und mit den Bürgern und verunsicherten Menschen
direkt kommunizieren, indem Herausforderungen und Ziele klar benannt werden.
� Globalisierung und deren Kritik 13
� Maßnahmen der Wirtschaftspolitik 13
� Rolle der Banken 14
� Freihandel 14
� Europäische Union als Teil der Lösung 14
Reformpause beenden und intelligente Strukturreformen zur Überwindung der Wachstumsschwäche
vorantreiben. Signifikante Investitionen zum Aufbau einer zeitgemäßen Infrastruktur sind längst
überfällig und müssen nun getätigt werden.
� Intelligente Strukturreformen 15
� Investitionsstandort Deutschland 15
� Innovationen und Unternehmensgründungen 15
� Bildung und Ausbildung 15
Bürokratieabbau muss weiter engagiert angegangen werden. Hierzu ist das Instrument der
Bürokratiebremse zu verfeinern und die Transparenz bzgl. Annahmen und Schätzmethoden
zu erhöhen.
� Bürokratiebremse und Transparenz 16
2 Europa 17
Bei allen Integrationsschritten ist darauf zu achten, dass nach dem Subsidiaritätsprinzip gehandelt wird
und Verantwortung und Haftung auf einer Ebene liegen. Der Erhalt der vier Grundfreiheiten – freier
Güter-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr – bleibt unverzichtbar.
� Subsidiarität 17
Die Fortentwicklung der Europäischen Union kann aktuell nur über den „Weg der kleinen Schritte“
erfolgen.
� Fortentwicklung der EU 18
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 7
Brexit so gestalten, dass der Schaden minimiert wird; langfristig sind enge Beziehungen zwischen
der EU und UK erforderlich. Chancen für den Finanzplatz Frankfurt nutzen.
� Brexit und Banken 18
� Austrittsverhandlungen 18
� Freihandelsabkommen 19
� Finanzplatz Frankfurt 19
Dauer und Intensität der Geldpolitik passen nicht zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
Die EZB sollte von ihrem engen Blick auf die Inflationsrate Abstand nehmen und die Aufmerksamkeit
auf einen umfassenderen Rundumblick, der die Finanzstabilität beinhaltet, richten.
� Risiken und Nebenwirkungen 20
� Ausstiegsdebatte 20
Der europäische Gesetzgeber muss in der Verantwortung bleiben und die entscheidenden Bereiche
eines Regulierungsvorhabens selbst bestimmen. Eine übermäßige Delegierung an nachgelagerte,
nicht parlamentarisch legitimierte Behörden muss vermieden werden.
� Gesetzgeber in der Verantwortung 21
3 Digitalisierung 22
Digitalisierung des Bankgeschäftes durch Anpassung der regulatorischen Rahmenbedingungen
ermöglichen. Hierzu gehören die Möglichkeit zur ausschließlich digitalen und papierlosen
Kommunikation sowie vollständig digital zu tätigende Finanzgeschäfte.
� Digitale Kundenkommunikation 22
� Digitaler Geschäftsabschluss 22
Netzwerke stärken statt Regionalismus pflegen.
� Standort 23
FinTechs und Banken – gute und gleiche Regeln für alle. Möglichkeit des „Ausprobierens“ muss
für FinTechs und Banken gleichermaßen gelten.
� Regulatorischer Sandkasten 23
Hindernisse im Privatrecht abbauen: Vorschriften europäisieren. Verbindliche Auskunft mit fester
Antwortzeit einführen. Datenschutzföderalismus überbrücken.
� Europäischer Binnenmarkt 24
� Verbindliche Auskunft durch die Aufsicht 24
� Datenschutzföderalismus 24
� Europäisches Passporting 24
8 Wirtschaftspolitische Positionen
Digitales Bezahlen 2020: Rahmenbedingung für eine höhere Akzeptanz und Reichweite bei
gleichzeitig hoher Sicherheit bei mobilen Zahlverfahren schaffen.
� Mobile Zahlverfahren 25
Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmenten des E-Commerce die uneingeschränkte
Wahlfreiheit beim Zahlverfahren herzustellen. Dort sind klare Standards für das Bezahlen aus Verbraucher-
sicht und Sicherung eines fairen Wettbewerbs von Verfahrensanbietern erforderlich.
� E-Commerce-Zahlverfahren 25
Keiner regulativen Intervention bedarf der Bereich der Echtzeitzahlverfahren, da hier bereits die
Entwicklung eines paneuropäischen Verfahrens vorangetrieben wird. Gleichstellung von unbaren
und baren Zahlverfahren vornehmen.
� Echtzeitzahlungen 26
� Bargeld und Bargeldalternativen 26
Zur Förderung eines im Sinne des Verbrauchers zunehmenden Wettbewerbs Möglichkeit der
einmaligen (Erst-)Legitimation schaffen.
� Onboarding 26
4 Verbraucherschutz 27
Verbraucherpolitik sollte den Verbraucher weder bevormunden noch allein lassen, sondern stets als
selbstbestimmtes Individuum ansehen. Um selbstbestimmt entscheiden zu können, ist eine gute
Information und Bildung notwendig. Ökonomische Bildung hat hier einen besonderen Stellenwert,
da diese im alltäglichen Leben für jeden von Bedeutung ist. Um dies zu unterstreichen, wäre die
Teilnahme Deutschlands an dem Zusatzmodul „Finanzwissen“ im Rahmen der PISA-Schulleistungs-
studie ein deutliches Zeichen.
� Selbstbestimmte Verbraucher 27
� Wirtschafts- und Finanzkompetenz 27
Etablierung einer Informationsplattform zur transparenten Darstellung der persönlichen
Rentenansprüche aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge (Pension Dashboard).
� Altersvorsorge 27
Eine Verquickung von Lobbyinteressen des vzbv mit den dem Marktwächter Finanzen zugewiesenen
und mit öffentlichen Mitteln finanzierten Aufgaben muss ausgeschlossen sein.
� Marktwächter Finanzen 28
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 9
Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-field besteht kein Anlass mehr, weitergehende
anlegerschützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in Deutschland erlassen wurden,
beizubehalten. Anbieter auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt einer effizienten Aufsicht durch
die BaFin unterstellen.
� Deutsches Goldplating 29
� Grauer Kapitalmarkt 29
Anlegerschützende Bestimmungen verringern das Angebot für Anleger, etwa zur Sicherung der
Altersvorsorge. Hier sollte Regulierung weitsichtiger erfolgen.
� Geschäftsmodelle 30
Zugang zum Recht möglichst leicht gestalten, dann besteht kein Anlass für die Etablierung einer
„Klageindustrie“.
� Kollektiver Rechtsschutz/ Sammelklagen 30
5 Bankenmarkt 31
Die Überprüfung der Finanzmarktregulierung im Hinblick auf Konsistenz, Angemessenheit
und Zielgenauigkeit endlich entschieden angehen.
� Überprüfung der Finanzmarktregulierung 31
Zukünftige Struktur und Kosten der europäischen Bankenaufsicht unter dem Aspekt der
Mehrfachzuständigkeiten prüfen und diese zukünftig vermeiden.
� Europäische Bankenaufsicht 31
Die Instrumente der Gläubigerbeteiligung und der Abwicklungsfonds müssen glaubwürdig bleiben.
� Gläubigerbeteiligung und Abwicklungsfonds 32
Die Finanzierung der Einlagensicherung, auch im Rahmen eines europäischen Mechanismus, soll so
weit wie möglich dezentral durch die nationalen Einlagensicherungssysteme erfolgen.
� Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit 32
� Vorherige Risikoverringerung 33
Bürokratische Belastungen für die Kreditwirtschaft, wie z. B. Meldeanforderungen der Aufsicht,
die keinen oder nur einen sehr eingeschränkten Nutzen haben, reduzieren. Nach HGB bilanzierenden
Banken ermöglichen, regulatorische Meldungen auf HGB-Basis abzugeben.
� Datenanforderungen 33
Stärkere Proportionalität in der Bankenregulierung. Grundregel „Same business, same risk,
same rules“ darf nicht ausgehebelt werden. Hürden der Regulierung auch auf nationaler Ebene
begrenzen.
� Small Banking Box 33
10 Wirtschaftspolitische Positionen
Einen angemessenen europäischen Weg zur Umsetzung des internationalen Baseler Abkommens
zur Eigenkapitalunterlegung finden.
� Eigenkapitalunterlegung 35
Regulierung darf die Heterogenität des deutschen Bankenmarktes nicht gefährden. Ein befreiender
IFRS-Einzelabschluss würde zu erheblichen Kosteneinsparungen und einem deutlichen Abbau
bürokratischer Lasten führen und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steigern.
� Anforderungen der deutschen Aufsicht 35
� Befreiender IFRS-Einzelabschluss 36
Bekämpfung von Geldwäsche und Schwerkriminalität: Maß und Mitte halten, digitale
Bankdienstleistungen ermöglichen.
� Bekämpfung Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche 36
Bewährte Finanzierungsstrukturen erhalten – neue Chancen eröffnen. Verbriefungsmärkte sind
als Voraussetzung zum Erhalt der klassischen Kreditfinanzierung unverzichtbar.
� Lage der Unternehmensfinanzierung 37
� Kapitalmarkt 37
Schwerpunkte der Förderpolitik müssen überprüft und da wo erforderlich neu definiert werden.
Hermes-Instrumentarium einschließlich der Refinanzierungsinstrumente fortlaufend weiterentwickeln.
� Förderpolitik 37
� Exportfinanzierung 37
6 Steuerpolitik 39
In der Unternehmensbesteuerung sind weiterhin durchgreifende strukturelle Reformen erforderlich.
Die Einführung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe wäre kontraproduktiv. Die
Abgeltungsteuer muss erhalten bleiben. Eine Finanztransaktionssteuer ist strikt abzulehnen.
� Unternehmenssteuerrecht 39
� Substanzbesteuerung 39
� Bankenabgabe 39
� Internationales Steuerrecht 40
� Missbrauchsbekämpfung 40
� Steuerlicher Informationsaustausch 41
� Finanztransaktionssteuer 41
� Abgeltungsteuer 41
� Einkommensteuer 42
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 11
Risiken der Finanzstabilität infolge der Niedrigzinsphase
verringern. Deshalb wirtschaftliche Rahmenbedingungen
in Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher
gestalten.
Stabiles Finanzsystem Voraussetzung für funktions-
fähige Marktwirtschaft
Die Stabilität des Finanzsystems ist eine wichtige Vor-
aussetzung für die Funktionsfähigkeit einer Marktwirt-
schaft. Das Finanzsystem muss – auch in Phasen der
Anspannung oder von Umbrüchen – in der Lage sein,
seine Funktionen zu erfüllen und Finanztransaktionen
aller Art effizient und sicher abzuwickeln. Gefährdungen
der Finanzstabilität entstehen oft aus Kreditblasen an
den Finanzmärkten. Derzeit erleben wir aber, dass auch
Phasen mit niedrigen Zinsen bei einem vergleichsweise
geringen Wachstumspotenzial und einer eher schwachen
Kreditentwicklung das Entstehen von Risiken für die Fi-
nanzstabilität begünstigen.
Im anhaltend niedrigen Zinsumfeld kommen die größten
Risiken für die Finanzmarktstabilität aus einem sich er-
höhenden Druck auf die Profitabilität und die Abschwä-
chung der Widerstandsfähigkeit in einigen Bereichen des
Finanzsystems, einer weiterhin zunehmenden Risikobe-
reitschaft sowie aus einem beschleunigten Übergang zu
einem stärker marktbasierten Finanzsystem.
Von einem Verlust an Profitabilität sind neben den Ban-
ken vor allem auch Institutionen betroffen, die – wie
Lebensversicherungen und Pensionseinrichtungen –
längerfristige Renditegarantien bieten. Hält dies länger
an, wird sich die Widerstandsfähigkeit von Banken und
anderen Finanzinstitutionen verringern.
Selbstverständlich hat die Verfassung des Finanzsektors
selbst einen wesentlichen Einfluss darauf, wie stark ein-
tretende Risiken die Realwirtschaft in Mitleidenschaft zie-
hen. Es ist ohne Zweifel die Aufgabe der Vertragsparteien
im Finanzsektor, Risiken angemessen einzuschätzen, in
den privat geschlossenen Verträgen zu berücksichtigen
und eine robuste Finanzierungsstruktur zu wählen. Pri-
vatwirtschaftliche Entscheidungen haben somit einen we-
sentlichen Einfluss auf die Risikotragfähigkeit des Finanz-
systems. Entsprechende Risikopuffer mindern die Gefahr
sich selbst verstärkender Prozesse im Finanzsystem.
Die Banken in Deutschland waren diesbezüglich in den
zurückliegenden Jahren erfolgreich. Die harten Kernka-
pitalquoten haben zugelegt, die Risikopuffer sind kräftig
aufgestockt worden. Die Banken sind widerstandsfähig
und uneingeschränkt in der Lage, der deutschen Wirt-
schaft als Finanzier zur Verfügung zu stehen.
Damit dies so bleibt, müssen Anstrengungen unter-
nommen werden, um Risiken für die Finanzstabilität in
der Niedrigzinsphase zu verringern. Aufsichtsbehörden
sehen die Lösung des Problems vornehmlich in einer
Stärkung der Widerstandskraft der Finanzinstitute, also
erheben sie in erster Linie weitere Forderungen nach
zusätzlichen Eigenkapitalpuffern. Dies wäre jedoch nur
eine symbolische Politik, da nichts an den Ursachen für
die erhöhten Stabilitätsrisiken – die schon lange anhal-
tende Phase niedriger Zinsen – geändert würde.
Finanzstabilität lässt sich in einer Niedrigzinsphase am
besten dadurch herstellen, dass die geeigneten wirt-
schaftspolitischen Instrumente dazu eingesetzt werden,
um diese Phase schnellstmöglich zu beenden. Die Ver-
antwortung liegt damit zum einen bei der Geldpolitik,
die möglichst rasch den Krisenmodus verlassen sollte,
aber vielmehr noch bei der allgemeinen Wirtschafts-
politik. Die niedrigen Zinsen sind das Pendant eines
gesunkenen Trendwachstums. Um diese zu erhöhen,
müssen die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in
Deutschland innovations- und investitionsfreundlicher
gestaltet werden.
Wirtschaftspolitik
1
12 Wirtschaftspolitische Positionen
Kritik an der Globalisierung ernst nehmen und mit den
Bürgern und verunsicherten Menschen direkt kommu-
nizieren, indem Herausforderungen und Ziele klar be-
nannt werden.
Globalisierung und deren Kritik
Die Globalisierung hat in den vergangenen Dekaden
weltweit zur deutlichen Wohlstandssteigerung beige-
tragen. Vor allem in vielen Schwellenländern hat sie
zu einem Rückgang der Armut geführt. Sie hat Produk-
tionsprozesse effizienter gemacht, Innovationen geför-
dert und über niedrige Produktionskosten die Konsum-
möglichkeiten in nahezu allen Gesellschaftsschichten
ausgeweitet. Die von vielen Ökonomen als Phase der
„großen Moderation“ bezeichnete Entwicklung von
Ende der 1980er Jahre bis zum Beginn der Finanzmarkt-
krise wäre ohne die in dieser Zeit rasch fortschreitende
Globalisierung nicht möglich gewesen. Diese Phase
hat der Weltwirtschaft – trotz einiger krisenhaften Zu-
spitzungen, wie der Asienkrise oder dem Platzen der
New-Economy-Blase – eine vergleichsweise hohe Preis-
niveaustabilität und im Durchschnitt recht hohe reale
Wachstumsraten beschert.
Doch insbesondere in den Industrieländern wächst
die Kritik an der Globalisierung. Viele Bürger – auch in
Deutschland – assoziieren mit Globalisierung vor allem
eine höhere Unsicherheit, die sich niederschlägt in stei-
genden Einkommensungleichheiten und zunehmender
Arbeitsplatzunsicherheit. Hinzu kommen anschwellen-
de Migrantenströme und eine tatsächliche oder ver-
meintliche Machterosion der Regierungen gegenüber
weltweit agierenden Unternehmen. Die Maxime der
Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland, Wohlstand
für alle zu schaffen, steht damit auf dem Prüfstand
und es droht die Gefahr, dass die breite Öffentlichkeit
der Marktwirtschaft ihre Unterstützung entzieht. Der
auch hierzulande zu beobachtende Trend hin zu auto-
kratischen Weltbildern könnte eine unmittelbare Aus-
wirkung davon sein und führt vor Augen, dass Soziale
Marktwirtschaft und Demokratie zwei Seiten der glei-
chen Medaille sind.
Es ist daher dringend geboten, die wachsende Kritik
an der Globalisierung ernst zu nehmen. Geschieht dies
nicht und gelingt es in der Folge nicht, das Versprechen
der Sozialen Marktwirtschaft wieder einzulösen, dann
drohen zunehmende Akzeptanzprobleme für offene
Märkte und für die grenzüberschreitende Arbeitstei-
lung. Eine Entwicklung, die letztlich nur Verlierer ha-
ben wird.
Erste Anzeichen dafür sind erkennbar. Das inzwischen
in Relation zur globalen Wirtschaftsleistung sinkende
Welthandelsvolumen und die seit Beginn der Finanz-
krise weltweit wieder wachsenden protektionistischen
Hürden sind auf jeden Fall Alarmsignale.
Die nächste Bundesregierung steht also vor einer gro-
ßen Herausforderung – wirtschaftspolitisch, aber auch
kommunikativ. Anders als viele andere Regierungen
in Europa wird sie jedoch von einer soliden Basis aus
agieren können. Unter den Industrieländern gehört
Deutschland zu den am schnellsten wachsenden Län-
dern, die öffentlichen Haushalte sind ausgeglichen, die
Arbeitslosigkeit ist niedrig und die Beschäftigung hoch.
Und trotz aller Klagen über eine wachsende Ungleich-
heit funktioniert die Umverteilung in Deutschland.
Der Blick in die Zukunft ist aber nicht mehr ganz so
günstig. Der demografische Wandel wird unsere sozi-
alen Sicherungssysteme vor immense Finanzierungs-
probleme stellen und damit auch die Verteilungsfrage
neu beleben. Der Schlüssel zum Erfolg wird in einer
Wirtschaftspolitik liegen, die die Wachstumspotenziale
der deutschen Wirtschaft erhöht und dabei auch jene
Branchen und Regionen nicht aus den Augen verliert,
die im globalen Wettbewerb zu den Verlierern zählen.
Maßnahmen der Wirtschaftspolitik
Ein gezieltes Gegensteuern muss gleich mehrere Hebel
in Bewegung setzen: Der erste ist die direkte Kommuni-
kation mit den Bürgern, insbesondere den verunsicher-
ten. Die Wirtschaftspolitik muss die Herausforderungen
klar formulieren und kommunizieren, auch die aus den
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 13
Verteilungswirkungen des internationalen Handels und
des technischen Fortschritts entstehenden Veränderun-
gen. Wirtschaftspolitische Entscheidungen und Konzep-
te müssen klar vermittelt, vor allem aber überzeugend
erläutert werden. Dazu gehört auch der breitere Blick
auf wichtige Zusammenhänge. Viele vermeintlich „ein-
fache Lösungen“ entpuppen sich dann schnell als grobe
Täuschung mit hohem Potenzial zur Eigenschädigung.
Rolle der Banken
Wir private Banken in Deutschland sehen für unsere
Branche hier die wichtige Aufgabe, uns im gesellschaft-
lichen Diskurs zu Fragen der Globalisierung zu äußern
und für die Prinzipien und Vorteile einer sozialen Markt-
wirtschaft einzutreten.
Freihandel
Ohne offene internationale Märkte wird die deutsche
Wirtschaft den Wohlstand des Landes nicht sichern kön-
nen. Weitere Marktöffnungen sind daher unverzichtbar.
Multilaterale und bilaterale Freihandelsverträge müs-
sen vorangetrieben und erfolgreich umgesetzt werden.
Wir möchten TTIP (Transatlantic Trade and Investment
Partnership) mit unserem wichtigsten Außenhandels-
partner, den USA, wiederbeleben und neue Abkommen
befördern.
Es ist notwendig, auf internationaler Ebene konstruktiv
über einvernehmliche Rahmenbedingungen zu verhan-
deln. Eine wichtige Plattform ist dabei zum Beispiel die
Staatengruppe der G20. Doch auch hier gilt es, die im
internationalen Rahmen diskutierten Konzepte auch auf
nationaler Ebene sorgfältig zu erläutern und dafür zu
werben. Der Eindruck, dass etwa Handelsabkommen
„Geheimverhandlungen“ sind – wie bei TTIP gesche-
hen –, darf erst gar nicht aufkommen.
Europäische Union als Teil der Lösung
Was Europa anbelangt, muss die Stabilisierung der EU
und der Währungsunion als Teil der Lösung für den Um-
gang mit der Globalisierungskritik verstanden werden.
Hier geht es ganz wesentlich um das Zurückgewinnen
von Vertrauen, was vor allem durch schlüssiges und
verlässliches Handeln erreicht werden kann. In einem
gemeinsamen Europa der Nationalstaaten sind ver-
bindliche Regeln weder Gängelband noch die Aufgabe
des politischen Gestaltungsspielraums, sondern eine
unerlässliche Voraussetzung für ein vertrauensvolles
Miteinander.
Die Europäische Union steht dabei durchaus vor wich-
tigen Weichenstellungen: Geben die Regierungen den
Forderungen nach weniger Europa nach, dann dro-
hen in allen EU-Staaten wirtschaftliche und finanzielle
Rückschläge. Versucht man andererseits den Weg der
fortschreitenden Integration weiter zu verfolgen, dann
drohen wachsende Verteilungskonflikte auf europäi-
scher Ebene sowie Akzeptanzprobleme und Auseinan-
dersetzungen über den für die weitere Integration not-
wendigen Souveränitätsverzicht auf nationaler Ebene.
Es ist daher unverzichtbar, auf europäischer Ebene nur
solche Aufgaben zu ergreifen, die sich auf nationaler
Ebene nicht überzeugend lösen lassen. Die gemeinsa-
me Handelspolitik oder der Schutz der gemeinsamen
Außengrenzen gehören auf jeden Fall dazu, während
bei Maßnahmen gegen hohe Arbeitslosigkeit oder zum
Schuldenabbau in erster Linie die nationalen Regierun-
gen in der Verantwortung stehen.
1
14 Wirtschaftspolitische Positionen
Reformpause beenden und intelligente Struktur reformen
zur Überwindung der Wachstumsschwäche vorantrei-
ben. Signifikante Investitionen zum Aufbau einer zeitge-
mäßen Infrastruktur sind längst überfällig und müssen
nun getätigt werden.
Intelligente Strukturreformen
Die langfristige wirtschaftliche Entwicklung einer
Volkswirtschaft hängt vor allem davon ab, dass sie ihre
Wirtschaftsstruktur erfolgreich an die Gegebenheiten
der Märkte anpassen kann. Die Erfahrungen haben ge-
zeigt, dass in erster Linie die institutionellen Rahmen-
bedingungen darüber entscheiden, ob und wie gut der
Strukturwandel gelingt. Auch aus diesem Grund muss
die Reformpause der abgelaufenen Legislaturperiode
überwunden werden.
Ins Zentrum der Wirtschaftspolitik gehört wieder eine
Wachstumsstrategie. Sie hat höchste Priorität. Die der-
zeitig gute Lage auf dem Arbeitsmarkt und im Bundes-
haushalt ist trügerisch: Denn das aktuelle Wachstum
des Produktionspotenzials ist mit weniger als 1,5 Pro-
zent jährlich zu niedrig, um weiter steigende Realein-
kommen, sichere Arbeitsplätze, die soziale Absicherung
des demographischen Wandels sowie die Erfüllung
zunehmender internationaler Verpflichtungen zu ge-
währleisten. Strukturreformen können allerdings nur
dann erfolgreich sein, wenn die Politik Unternehmen
und Gründer auch in die Lage versetzt, die Chancen des
Veränderungsprozesses zu nutzen.
Investitionsstandort Deutschland
Wohlstand für alle wird sich nur dann realisieren lassen,
wenn Deutschland ein attraktiver Investitionsstandort
bleibt. Eine Grundvoraussetzung dafür ist eine gute
Infrastruktur, die sich aber längst nicht nur auf Stra-
ßen und Brücken erstreckt, sondern auch die digitale
Vernetzung oder die sichere Energieversorgung zu
akzeptablen Preisen beinhaltet. Dazu gehört auch der
Ausbau der Breitbandversorgung, vor allem im ländli-
chen Raum. Die Netzbetreiber benötigen dafür gerade
in diesen Regionen Unterstützung durch die öffentliche
Hand. Hier muss – Stichwort Industrie 4.0 – ein absolu-
ter Schwerpunkt für Investitionen liegen.
In vielen Bereichen gilt es Rückstände aufzuholen. Die
Hürden dabei liegen aber weniger bei den dafür erfor-
derlichen finanziellen Mitteln – erst recht, wenn auch
privates Kapital verstärkt eingebunden wird –, sondern
zum großen Teil bei den Rahmenbedingungen, wie
komplexen und zeitaufwändigen Planungs- und Geneh-
migungsverfahren. Auch die häufig geringe Akzeptanz
von großen Infrastrukturprojekten in der Bevölkerung
ist ein Aspekt, für den politische Lösungen entwickelt
werden müssen.
Innovationen und Unternehmensgründungen
Innovationen finden in Deutschland oftmals in bereits
etablierten Unternehmen statt. Aber gerade durch die
Gründung neuer Unternehmen kommen Neuerungen
schnell in die Märkte. Die Förderung der Gründungs-
bereitschaft zusammen mit einer ausreichenden Fi-
nanzierung auf den verschiedenen Stufen kann die
wirtschaftliche Dynamik weiter steigern. Eine steuer-
liche Forschungsförderung würde die Innovationsmög-
lichkeiten der Unternehmen weiter erhöhen. Hier sind
Maßnahmen überfällig.
Bildung und Ausbildung
Zu den günstigen Rahmenbedingungen für Investitio-
nen – unter anderem für Investitionen in Forschung und
Entwicklung – gehört im besonderen Maße der Bereich
Bildung und Ausbildung. Eine stärkere politische Ge-
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 15
Bürokratieabbau muss weiter engagiert angegangen
werden. Hierzu ist das Instrument der Bürokratiebremse
zu verfeinern und die Transparenz bzgl. Annahmen und
Schätzmethoden zu erhöhen.
Bürokratiebremse und Transparenz
Die Bürokratiebremse – auch bekannt als „One in, one
out“-Regel – hat sich bereits bewährt. Damit diese je-
doch ihre angestrebte Wirkung uneingeschränkt ent-
falten kann, sind weitere Verfeinerungen notwendig.
So müssen alle anfallenden bürokratischen Kosten mit
berücksichtigt werden, so auch der einmalige Erfül-
lungsaufwand für die Umsetzung von neuen Regelun-
gen (z. B. für die Anpassung der IT-Systeme) sowie die
Kosten, die in Verbindung mit Regelungen entstehen,
die EU-Vorgaben 1:1 umsetzen.
Mit Blick auf die Anwendung der Bürokratiebremse ist
eine belastbare Schätzung des Erfüllungsaufwands un-
verzichtbar. Hierzu können und wollen die Verbände
beitragen und äußern sich bereits frühzeitig im Rah-
men von Stellungnahmen zu neuen Gesetzen. Dies
geschieht allerdings oft unter großem Zeitdruck. Aus
diesem Grund sollten mindestens die von den Ressorts
getroffenen Grundannahmen für deren Bürokratiekos-
tenschätzung (Lohnsätze, Zeit, Anzahl und Häufigkeit)
offengelegt werden. Auf dieser Grundlage könnten
die Zahlen deutlich schneller und sachlich fundierter
plausibilisiert, erörtert und kommentiert werden. Die
Zahlen würden im Ergebnis realistischer und weniger
angreifbar.
Um eine bessere Überprüfbarkeit der Zielerreichung
zu ermöglichen, ist ein Mindestmaß an Transparenz
erforderlich. Daher sollten Übersichten mit konkreten
Angaben zu Be- und Entlastungen neuer Regelungen
sowie zu den Ergebnissen von Nachmessungen ver-
öffentlicht werden. Hilfreich wäre zudem, wenn die
Stellungnahmen des Nationalen Normenkontrollra-
tes schon vor der Kabinettsentscheidung öffentlich
zugänglich sind und dem Gesetzentwurf prominent
vorangestellt werden.
wichtsverlagerung in diesen Bereich ist wünschenswert.
Dies muss aber begleitet werden durch eine Debatte
um dringend erforderliche Effizienzverbesserungen im
gesamten Bildungssektor, was letztlich auch Fragen der
föderalen Struktur beinhaltet.
Eine gute Ausbildung – sowohl von Akademikern wie
von Fachkräften aus dem dualen Ausbildungssystem –
bildet die Basis für innovative Entwicklungen der Un-
ternehmen, neue Produkte und neue Geschäftsfelder.
Die Sicherung der Fachkräftebasis durch Ausbildung,
Erhöhung der Erwerbsbeteiligung und Zuwanderung
muss zu den politischen Prioritäten der nächsten Wahl-
periode zählen.
1
16 Wirtschaftspolitische Positionen
Bei allen Integrationsschritten ist darauf zu achten,
dass nach dem Subsidiaritätsprinzip gehandelt wird
und Verantwortung und Haftung auf einer Ebene lie-
gen. Der Erhalt der vier Grundfreiheiten – freier Güter-,
Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr – bleibt
unverzichtbar.
Subsidiarität
Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip sollte die jeweils grö-
ßere gesellschaftliche oder staatliche Einheit nur dann
aktiv werden und regulierend, kontrollierend oder hel-
fend eingreifen, wenn die kleinere Einheit dazu nicht
in der Lage ist. Damit geht einher, dass Haftung und
Verantwortung auf einer Ebene liegen müssen, da
sonst Anreize bestehen, den Handlungsspielraum für
den eigenen Nutzen auszureizen und nicht unbedingt
zum Nutzen der Sache. Die EU sieht deshalb in ihren
Verträgen Mechanismen vor, die der Wahrung dieses
Prinzips dienen.
In Übereinstimmung mit dem Sachverständigenrat zur
Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung
vertritt der Bankenverband die Position, dass die folgen-
den Politikbereiche bei konsequenter Anwendung des
Subsidiaritätsprinzips auf die Ebene der EU gehören:
Binnenmarkt, Wettbewerbspolitik, Außenwirtschaftspo-
litik, Bankenunion und Kapitalmarktunion.
In den Bereichen Binnenmarkt, Wettbewerbspolitik und
Außenwirtschaftspolitik gibt es innerhalb des europäi-
schen Binnenmarkts keine tarifären und nicht-tarifären
Handelshemmnisse. Daraus ergibt sich eine gemeinsa-
me Außenwirtschaftspolitik, die von der höheren Ebene
wahrgenommen werden muss. Dazu gehört, – in gewis-
sen Grenzen – auf gleiche Wettbewerbsbedingungen
innerhalb dieses Wirtschaftsraums zu achten. Gleich-
zeitig darf nicht jeder Unterschied in einem nationalen
Markt als Wettbewerbshindernis deklariert und der
Standortwettbewerb nicht zu stark beschränkt werden.
Auch wenn die Bankenunion vollendet werden muss,
gilt es dennoch, gleichzeitig grenzüberschreitende An-
steckungseffekte für das europäische Finanzsystem auf
europäischer Ebene als Ergänzung zur nationalen mak-
roprudenziellen Aufsicht zu berücksichtigen.
Um dem Ziel der Kapitalmarktunion – die stärkere In-
tegration der europäischen Kapitalmärkte – näher zu
kommen, sind eine Reihe von Standardisierungen und
Harmonisierungen sinnvoll, die nur auf übergeordneter
Ebene durchgeführt werden können. Dazu zählen ins-
besondere das Verbriefungsrecht, das Insolvenzrecht,
das Prospektrecht, aber auch weitere Rechtsgebiete.
Weiterhin auf nationaler Ebene sollten hingegen die
Fiskalpolitik sowie die Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik
verbleiben. So sollte die Verantwortung für die öffent-
lichen Einnahmen und Ausgaben grundsätzlich dezen-
tral wahrgenommen werden. Zum einen wird damit
der Standortwettbewerb sichergestellt. Zum anderen
gibt es unterschiedliche lokale Gegebenheiten, wie
z. B. unterschiedliche Bemessungsgrundlagen, denen
zentral nicht Rechnung getragen werden könnte. Vor-
aussetzung dafür ist, dass die Möglichkeit von Staaten,
sich übermäßig zu verschulden, vertraglich wirksam
beschränkt wird, da sonst die Einhaltung des Subsidia-
ritätsprinzips gefährdet ist.
Im Bereich der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik sind die
Unterschiede regional so erheblich, dass einheitliche
Regelungen die lokalen Präferenzen kaum berücksich-
tigen können. Rigide Arbeitsmarktverfassungen würden
Staaten zudem zu Moral-Hazard-Verhalten einladen.
Europa
2 bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 17
Die ökonomischen Risiken für UK entstehen durch an-
dauernde Unsicherheit, Investitionszurückhaltung und
Erschwernisse beim internationalen Handel; auch die
Finanzierung des Haushalts- und des Leistungsbilanzde-
fizits wird eine langfristige Herausforderung darstellen.
Deutschland als wichtiger Handelspartner von UK ist
von diesen Risiken auch betroffen; insgesamt dürften
sie aber nur mäßige Auswirkungen auf Wachstum und
Beschäftigung in Deutschland haben.
Der Brexit beeinträchtigt die Bereitstellung von Finanz-
dienstleistungen für Privat- und Unternehmenskunden
nicht; allenfalls bei sehr großen Finanzierungen oder
Absicherungsgeschäften sind Veränderungen denkbar,
da diese bisher die hohe Liquidität, Risikotragfähigkeit
und Internationalität Londons genutzt haben. Durch
den Drittstaaten-Status wird erhöhter Dokumenta-
tions- und sonstiger Abwicklungsaufwand entstehen
und eventuell die Zahl der Anbieter sinken. In diesem
Sinne ist der Brexit für die in Deutschland tätigen Ban-
ken aufwändig, aber handhabbar, da ein Regelwerk und
umfangreiche Erfahrungen mit Drittstaaten bestehen.
Austrittsverhandlungen
Die Verhandlungen müssen von beiden Seiten fair und
konstruktiv geführt werden. UK sollte auf die Schaffung
einseitiger Wettbewerbsvorteile zum Beispiel durch Bei-
hilfen, Steuerdumping oder Herbeiführen eines Regulie-
rungsgefälles, das Arbitrage ermöglicht, verzichten – was
sich auch in den Leitlinien der EU27 findet. Je eher die
Verhandlungen beendet sind, desto schneller können
Themen der Zukunftsgestaltung verhandelt werden.
Wir empfehlen unseren Mitgliedern, sich auf einen
„harten Brexit“ (d. h. ein Ausscheiden UKs aus der EU
mit einem Austrittsabkommen, aber ohne Vereinba-
rung über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen) ein-
zustellen, der zur Folge hätte, dass UK am 1. April 2019
im Wesentlichen als Drittstaat gelten würde.
Wirtschaft und Banken benötigen Regelungen für den
künftigen Drittstaatenstatus von UK, die die seit dem
Die Fortentwicklung der Europäischen Union kann ak-
tuell nur über den „Weg der kleinen Schritte“ erfolgen.
Fortentwicklung der EU
Für die Fortentwicklung der EU gibt es zwar kein Patent-
rezept, Veränderungen müssen aber mit mehr Energie
angegangen werden. Eine Veränderung der Europä-
ischen Verträge ist langwierig und mit hohen politischen
Kosten verbunden. Zudem würden sich zurzeit zu viele
diametral entgegenstehende Interessen gegenseitig blo-
ckieren. Deshalb ist aktuell der „Weg der kleinen Schritte“
zu verfolgen: mit Maßnahmen, die politisch und wirt-
schaftlich handhabbar und kurzfristig umsetzbar sind.
Diese Schritte könnten wie folgt aussehen: Die Über-
wachung der nationalen Haushalte wird auf eine neu-
trale Haushaltsinstitution übertragen. Anhand transpa-
renter und nachvollziehbarer Regeln sollte diese die
strikte Einhaltung des Stabilitäts- und Wachstumspakts
überwachen. Zudem wäre die Verständigung auf eine
gemeinsame Strategie in der Wirtschaftspolitik ein
weiterer wichtiger – und realistischer – Schritt. Und
auch die verlässliche Wahrnehmung der von den Län-
dern aufgegebenen Souveränität durch die EU-Ebene,
wie den Schutz der Außengrenzen, muss erfolgen.
Brexit so gestalten, dass der Schaden minimiert wird;
langfristig sind enge Beziehungen zwischen der EU und
UK erforderlich. Chancen für den Finanzplatz Frankfurt
nutzen.
Brexit und Banken
Wir bedauern die „Brexit-Entscheidung“ des Vereinig-
ten Königreichs (UK). Wir halten diese Entscheidung für
falsch, aber derzeit für irreversibel und gehen davon
aus, dass UK die Europäische Union verlassen wird.
UK ist ein Teil Europas, wichtiger NATO-Partner und Mit-
glied der westlichen Wertegemeinschaft. Eine politisch
und wirtschaftlich enge Beziehung zwischen der EU
und UK liegt auch weiterhin im gegenseitigen Interesse.
2
18 Wirtschaftspolitische Positionen
EU-Beitritt UKs gewachsenen Wirtschaftsbeziehungen
reflektieren. Insbesondere müssen die zum Zeitpunkt
des EU-Austritts von UK bestehenden Vertragsbezie-
hungen geschützt werden; sie sollen auch zum Bei-
spiel bankaufsichtlich so behandelt werden, als wäre
UK noch Mitglied der EU („Grandfathering“). Auf EU-
Ebene, für den SSM, und in Deutschland sind deshalb
Brexit-Anpassungsgesetze erforderlich. Die beste und
einfachste Lösung ist das vollständige Fortbestehen der
EU-Regeln (aquis communautaire) für eine Übergangs-
zeit von mindestens drei Jahren, um in dieser Zeit die
dauerhaften Beziehungen zu regeln.
Freihandelsabkommen
Langfristig ist zwischen der EU und UK ein umfassendes
Wirtschaftsabkommen erforderlich, das einen weitge-
henden, gegenseitigen Marktzugang ermöglicht. Fi-
nanzdienstleistungen müssen ein integraler Bestandteil
dieses Freihandelsabkommens sein.
Dieses liegt im Interesse der exportorientierten deut-
schen Wirtschaft und wird Arbeitsplätze und Finanzie-
rungsmöglichkeiten sichern. London hätte die Chance,
sich als wichtigster Finanzplatz Europas zu behaupten.
Allerdings haben die Staats- und Regierungschefs der
EU27 in ihren Leitlinien zu den Verhandlungen klarge-
stellt, dass man sich zwar um die Finanzstabilität sorgen
wolle, aber bestimmte Sektoren keine Sonderbehand-
lung erhalten sollen. UK als Ganzes könnte mit seiner
bisher hohen internationalen Orientierung ein wichti-
ger Markt für die deutsche Wirtschaft bleiben.
Finanzplatz Frankfurt
Einige Finanzplätze innerhalb der EU werden voraus-
sichtlich mittelfristig an Bedeutung gewinnen; Verlage-
rungen heutiger Londoner Aktivitäten werden in Teilen
regulativ notwendig sein, in Teilen erfolgen, um den
Marktzugang zu sichern. Wir wollen, dass der Finanz-
standort Frankfurt das Tor von London in die EU27 wird.
Deshalb müssen selbst gemachte Hemmnisse abgebaut
werden. Erforderlich ist ein klares Bekenntnis der deut-
schen Politik für eine solche Strategie.
Der Finanzplatz Frankfurt präsentiert sich bereits heute
als sehr attraktiver Finanzplatz für Kreditinstitute aus
Europa und der Welt. Mit einer leistungsfähigen Börse
und dem Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) mit
der einheitlichen europäischen Bankenaufsicht (SSM)
sowie der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Ver-
sicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung
(EIOPA) bietet Frankfurt hervorragende Voraussetzun-
gen für die Ansiedlung von Kredit- und Finanzdienst-
leistungsinstituten.
Neben der fachlich herausragenden und effektiven Auf-
sichtskultur bietet Frankfurt ein ebenso gutes und effi-
zientes Rechtssystem mit stabilen und leistungsstarken
unabhängigen Institutionen und die breite Bereitschaft
zu einer echten europäischen Ausrichtung. Dies sind
sehr gute Grundvoraussetzungen dafür, dass Deutsch-
land und auch deutsches Recht im Wettbewerb der Fi-
nanzplätze eine sehr gute Ausgangsposition einnimmt.
Diese Ausgangsposition kann jedoch von Seiten einer
neuen Bundesregierung durch Änderungen bestimm-
ter rechtlicher Rahmenbedingungen noch deutlich
verbessert werden. Zu nennen sind beispielsweise die
Einführung eines befreienden IFRS-Einzelabschlusses im
HGB, die Aufhebung rechtlicher Hindernisse infolge der
Anwendung der allgemeinen Geschäftsbedingungen
im unternehmerischen Geschäftsverkehr und Locke-
rungen beim Kündigungsschutz für Spitzenverdiener.
Zudem würden wenige punktuelle Änderungen den
hohen deutschen Verbraucherschutzstandard nicht
in Frage stellen, deutsches Recht und den Finanzplatz
Deutschland aber für traditionelle wie innovative neue
Marktteilnehmer aus dem Ausland deutlich attraktiver
machen.
Ein wichtiges Zeichen für den Finanzplatz Frankfurt
wäre, wenn die Europäische Bankenaufsichtsbehörde
(EBA) ihren Sitz nach Frankfurt verlagert. Hier ist eine
schnelle Entscheidung angebracht, nicht nur um die
Leistungsfähigkeit der EBA nicht mehr als erforderlich
zu beeinträchtigen, sondern auch den Mitarbeitern die
notwendige persönliche Sicherheit zu geben.
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 19
Dauer und Intensität der Geldpolitik passen nicht zu den
wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die EZB sollte von
ihrem engen Blick auf die Inflationsrate Abstand neh-
men und die Aufmerksamkeit auf einen umfassenderen
Rundumblick, der die Finanzstabilität beinhaltet, richten.
Risiken und Nebenwirkungen
Die EZB fährt ihre Geldpolitik nach wie vor mit Vollgas:
Der Einlagezins bei der EZB ist seit Mitte 2014 nega-
tiv (!) und über das laufende Aufkaufprogramm werden
die europäischen Währungshüter allein im Jahr 2017
zusätzliche Wertpapiere im Umfang von 780 Mrd. € er-
werben.
Der Verdienst der EZB bei der Bekämpfung der Finanz-
krise und der Stabilisierung der Währungsunion ist
unstrittig. Das gilt ebenso für die Notwendigkeit, die
geldpolitischen Zügel weiterhin etwas locker zu halten.
Doch es gibt kein Vertun, auch für das „Heilmittel“ der
Geldpolitik gilt: Die Dosis macht das Gift.
Die Risiken und Nebenwirkungen der extrem lockeren
Geldpolitik nehmen weiter zu. Zu der stabileren Wirt-
schaftsentwicklung und der tendenziell anziehenden
Teuerungsrate passt die geldpolitische Vollgasfahrt
schon lange nicht mehr. Gravierend ist aber auch: Mit
Dauer und Intensität der expansiven Geldpolitik wird es
für die EZB immer schwieriger, den Krisenmodus wieder
zu verlassen.
Ausstiegsdebatte
Die wachsenden Risiken durch die Geldpolitik dürfen
nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Die
Gefahren für die Finanzstabilität steigen, und auch über
den Euro-Raum hinaus drohen sich Ungleichgewichte
aufzuschaukeln, wie etwa bei den Wechselkursen oder
den internationalen Zinszusammenhang am Kapital-
markt. Eine Debatte über den vorsichtigen Ausstieg der
EZB aus ihrem Krisenmodus ist daher überfällig und
sollte auch von der allgemeinen Wirtschaftspolitik ein-
gefordert werden. Bei dieser Debatte sollten nicht nur
die Vor- und Nachteile der extrem langen Festlegung
der EZB auf ihr Kaufprogramm, sondern auch eine mög-
liche Perspektive für den Ausstieg aus der Negativzins-
politik sorgfältig erörtert werden. Besonders wichtig ist
schon bei Beginn der Debatte eine offene Kommunika-
tion mit den Akteuren an den Finanzmärkten, um die
Markterwartungen möglichst ohne abrupte Ausschläge
zu lenken.
Über den Start der Ausstiegsdebatte hinaus sollte die
EZB auch für mehr Transparenz bei der operativen
Umsetzung ihres Mandats der Preisniveaustabilität
sorgen. Der Bankenverband hat in diesem Zusammen-
hang in den letzten Jahren einen sachgerechten und
umfassenden Rundumblick der EZB vermisst. So wird
das Preisniveauziel viel zu eng, beinahe als Punktziel
von 1,9 %, interpretiert und auf vorübergehende Son-
dereffekte, wie der massive Verfall der Rohstoffpreise,
wird zu mechanistisch reagiert. Angesicht der langen
Wirkungsverzögerung der Geldpolitik sowie der recht
unterschiedlichen Wirkungskanäle hätte weniger kurz-
fristiger Aktionismus wohl bessere Wirkungen erzielt.
In dem umfassenderen Rundumblick der EZB müs-
sen aber auch Aspekte der Finanzstabilität eine Rolle
spielen. Die von verschiedenen Seiten propagierte
Trennung zwischen der Geldpolitik, die sich fast aus-
schließlich auf die Stabilität der Verbraucherpreise
konzentriert und einer makroprudenziellen Politik,
die die Risiken für die Finanzstabilität bekämpft, soll-
te auf keinem Fall strikt sein. Gegen eine strikte Auf-
gabentrennung bei der Finanzstabilität spricht unter
anderem, dass die makroprudenzielle Politik noch in
den Kinderschuhen steckt und es keine belastbaren
Erfahrungen über deren Effektivität gibt. Die EZB sollte
daher nicht aus ihrer Mitverantwortung für die Finanz-
stabilität entlassen werden. Die makroprudenzielle Po-
litik würde ansonsten schnell überfordert.
2
20 Wirtschaftspolitische Positionen
Der europäische Gesetzgeber muss in der Verantwortung
bleiben und die entscheidenden Bereiche eines Regulie-
rungsvorhabens selbst bestimmen. Eine übermäßige
Delegierung an nachgelagerte, nicht parlamentarisch
legitimierte Behörden muss vermieden werden.
Gesetzgeber in der Verantwortung
Auf europäischer Ebene hat sich über die Jahre ein
Trend verstetigt, wonach das Europäische Parlament
eine Vielzahl von maßgeblichen Vorgaben nicht mehr
im Gesetzes- bzw. Richtlinientext regelt, sondern die
Formulierung den Aufsichtsbehörden EBA und ESMA
über sogenannte technische Standards überlässt. Es
spricht viel dafür, technische Feinheiten über diesen
Weg zu regulieren. Kritisch ist es jedoch, wenn sich
der Gesetzgeber der Verantwortung entzieht und es-
senzielle Regulierungsthemen der Verantwortung von
Behörden übergibt. Hinzu kommt eine oft sehr weite,
die ursprüngliche Regelungsintention überdehnende
Auslegung durch EBA und ESMA. Zudem müssen Parla-
ment und Kommission viel stärker darüber wachen, was
EBA und ESMA eigenmächtig aus den Level-1-Vorgaben
machen.
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 21
Bezüglich des Zugangs von Erklärungen in den elektro-
nischen Postboxen bestehen anders als beim Einwurf
des Schriftstückes in den Briefkasten des Empfängers
erhebliche Zweifel, wann diese als zugegangen anzuse-
hen sind. Oft sind an die Erklärungen Fristen gebunden
oder diese unverzüglich zu erteilen. Eine gesetzliche
Regelung besteht bisher nicht. Wenn der Empfänger
einen elektronischen Zugang für Erklärungen eröffnet
(z. B. durch Benennung seiner Email-Adresse oder die
Vereinbarung der Nutzung eines Online-Postfachs), ist
grundsätzlich davon auszugehen, dass er die eingehen-
den Nachrichten auch täglich abrufen wird. Im Verwal-
tungsrecht hingegen gelten Schreiben in der Regel nach
drei Tagen als zugegangen. Hieran angelehnt sollten
Erklärungen daher spätestens am dritten Tag als zuge-
gangen gelten, um Rechtsicherheit zu schaffen.
Digitaler Geschäftsabschluss
Neben der digitalen Kundenkommunikation wünschen
sich Kunden mehr und mehr, auch Finanzgeschäfte
komplett digital zu tätigen, z. B. in Form einer Konto-
eröffnung, im Rahmen eines Kreditabschlusses oder
indem sie unterwegs Zahlungen autorisieren. Auch
hier stehen gesetzliche Vorschriften oftmals noch einer
nutzerfreundlichen digitalen Lösung entgegen. Daher
sollte bei Verbraucherdarlehensverträgen wie bei ande-
ren Verträgen auch die Textform genügen, um so den
berechtigten Interessen der Verbraucher umfassend
Rechnung zu tragen.
Digitalisierung des Bankgeschäftes durch Anpassung
der regulatorischen Rahmenbedingungen ermöglichen.
Hierzu gehören die Möglichkeit zur ausschließlich digi-
talen und papierlosen Kommunikation sowie vollständig
digital zu tätigende Finanzgeschäfte.
Digitale Kundenkommunikation
Die Digitalisierung hat einen tiefgreifenden Wandel
unserer Gesellschaft sowie des gesamten Wirtschafts-
lebens in Gang gesetzt. Die Banken stehen dieser Ent-
wicklung positiv gegenüber. Diese Entwicklung bietet
die Chance, Verbrauchern den Zugang zu Bankdienst-
leistungen zu erleichtern und ihnen Produkte und Ser-
vices anzubieten, die wesentlich stärker auf ihre indivi-
duellen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Bereits heute
möchte eine Vielzahl von Verbrauchern ausschließlich
auf elektronischem Wege mit dem eigenen Finanz-
dienstleister in Kontakt treten bzw. Geschäfte tätigen.
Banken können diesem Anliegen aktuell jedoch nicht
vollumfänglich Rechnung tragen. Gesetzliche Vorschrif-
ten, die oft die Möglichkeiten der Digitalisierung nicht
ausreichend berücksichtigen, weil sie noch vom Bild der
Filialbank und des Kundenkontaktes am Bankschalter
geprägt sind, stehen dem entgegen. So können Ver-
braucher, die die Möglichkeiten der Digitalisierung
nutzen wollen, momentan nicht in vollem Umfang von
deren Vorteilen profitieren.
Um verlässliche rechtliche Rahmenbedingungen für
eine digitale Kundenkommunikation zu schaffen, ist
es unter anderem notwendig, den Begriff des „ange-
messenen Zeitraumes“ für die Aufbewahrung und Spei-
cherung von Informationen im Sinne des § 126b BGB
klar zu definieren. Diese Präzisierung ist im Bereich der
elektronischen Postkörbe relevant, die Kreditinstitute
ihren Kunden anbieten, um dort wichtige Unterlagen
sicher zu speichern. Eine Frist von vier Jahren sollte
ausreichend sein.
3
Digitalisierung
22 Wirtschaftspolitische Positionen
Es ist zu beobachten, dass hinsichtlich der FinTechs noch
keine einheitliche und abgeschlossene Auffassung bei
Politik und Behörden besteht: Bankenregulierer und
-aufseher urteilen mit Blick auf die Finanzmarktstabilität
eher konservativ, Politik und Kartellbehörden betonen
die innovative und wettbewerbsfördernde Komponente.
In diesem Zusammenhang wird unter anderem die
Möglichkeit der Erleichterung von regulativen Vorga-
ben in einem geschützten Umfeld („Sandbox“) disku-
tiert, insbesondere um neue Finanzdienstleistungen zu
ermöglichen oder Unternehmen, die solche anbieten
wollen, an das regulatorische Umfeld heranzuführen.
Um Innovation und Schnelligkeit bei der Digitalisierung
des Bankgewerbes zu fördern, kann das „Ausprobieren“
unter weniger stark regulierten Bedingungen sinnvoll
sein. Diese Möglichkeit muss allen Anbietern von Fi-
nanzdienstleistungen gleichermaßen offenstehen, d. h.
FinTech-Unternehmen genauso wie Banken. Nationale
Ansätze sind in diesem Feld weniger hilfreich als eine
europaweit einheitliche Regelung. Über konkrete Inhal-
te muss eine ergebnisoffene Diskussion geführt werden.
Politische Maßnahmen sollten aber vor allem da anset-
zen, wo im bestehenden Regelwerk unpraktikable oder
unzeitgemäße Vorschriften das in diesem Zusammen-
hang auch politisch gewünschte Innovationspotenzial
behindern.
FinTech-Unternehmen in Deutschland benötigen per se
keinen auf sie zugeschnittenen „Welpenschutz“. Trotz
allen Wettbewerbs entstehen enge und vielfältige Ko-
operationsbeziehungen zu Banken. Das Chancenpo-
tenzial muss von allen Marktteilnehmern, von neuen
wie von etablierten Anbietern gleichermaßen, genutzt
werden können. Das bedeutet, dass auch Banken nicht
per se und ohne Beachtung des betroffenen Geschäfts
strenger reguliert oder beaufsichtigt werden als andere
Marktteilnehmer. Es braucht gute Regeln für alle anstel-
le weniger Regeln für manche.
Netzwerke stärken statt Regionalismus pflegen.
Standort
In einem stark von Föderalismus geprägten Land ist
die Herausbildung leistungsfähiger und selbstbewuss-
ter regionaler Wirtschafts-, Technologie-, Finanz- und
Wissenschaftszentren selbstverständlich. Deutschland
ist aber keine Insel, es ist im europäischen und inter-
nationalen Wettbewerb eng eingebettet. Vor diesem
Hintergrund ist regionaler Standortwettbewerb oft
zu kleinteilig. Es gilt regionale Kräfte zu bündeln, um
das vorhandene Potenzial im Sinne des Finanz- und
Wirtschaftsstandortes Deutschland optimal nutzen zu
können. So ist etwa Berlin eine der Start-up Hauptstäd-
te Europas, so wie Frankfurt einer der wichtigsten Fi-
nanzplätze in der Europäischen Union ist. Gemeinsame
Initiativen von Industrie, Politik, Banken, Wissenschaft
und regionalen Zentren (z. B. German Hub Initiative) be-
ginnen diese Lücke in Deutschland zu schließen. Diese
institutionalisierte Zusammenarbeit muss dabei Hand
in Hand gehen mit der Verlinkung zu anderen Zentren
weltweit. Der Zugang zu Investitionen, Wissens- und
Erfahrungstransfer ist nur so gewährleistet. Die neue
Bundesregierung ist aufgefordert, nach dem Vorbild
des FinTechRates, diese Vernetzung voranzutreiben.
FinTechs und Banken – gute und gleiche Regeln für alle.
Möglichkeit des „Ausprobierens“ muss für FinTechs und
Banken gleichermaßen gelten.
Regulatorischer Sandkasten
Politik und Finanzaufsicht haben sich in den letzten
Jahren zurecht für eine strenge Regulierung des Bank-
geschäfts – insbesondere des Kredit- und Einlagen-
geschäftes sowie der Anlageberatung – eingesetzt
und dessen Risikotragfähigkeit deutlich verbessert.
Aufgrund umfangreicher Berichtspflichten und tie-
fer, auch präventiver Eingriffsrechte der Aufseher
hat sich die Finanzmarktstabilität insgesamt erhöht.
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 23
bindlichen Auskunft zu regulativen Fragen eingeführt
werden. Die Aufsicht müsste so auf konkrete Frage-
stellungen eines Anbieters verbindliche Beurteilungen
zur regulativen Behandlung abgeben. Die Antwort der
Aufsichtsbehörden muss in einer angemessenen Zeit er-
folgen. Bei der Ausgestaltung der Gebühren für die Aus-
kunft sollte berücksichtigt werden, dass FinTechs sich
oftmals in der Aufbauphase befinden und demgemäß
nur über begrenzte finanzielle Ressourcen verfügen.
Datenschutzföderalismus
Finanzdienstleistungen sind in der Regel mit der Ver-
arbeitung personenbezogener Daten verbunden. Die
datenschutzrechtliche Beurteilung von Sachverhalten,
gerade wenn es sich um neue Geschäftsmodelle han-
delt, ist deshalb neben der bankaufsichtlichen Ebene von
herausragender Bedeutung. Die Erlangung belastbarer
Beurteilungen wird in Deutschland durch die Länderzu-
ständigkeit in diesen Fragen erschwert. Dies bedeutet
für die Anbieter einen hohen Abstimmungsaufwand und
eine erhebliche Rechtsunsicherheit, die sich negativ auf
die Position Deutschlands im europäischen Standort-
wettbewerb auswirken kann. Deutschland braucht ein
homogenes Verwaltungshandeln in Datenschutzfragen.
Dies kann durch eine Konzentration der Zuständigkei-
ten auf Bundesebene oder eine klare und verbindliche
Koordinationsregelung zwischen den Bundesländern er-
reicht werden. Auch die neue EU-Datenschutzgrundver-
ordnung wird ein solch homogenes Verwaltungshandeln
in Deutschland erforderlich machen, wie es in anderen
EU-Mitgliedstaaten Standard ist.
Europäisches Passporting
Geschäftsmodelle der Finanzdienstleistungsbranche
sind prinzipiell skalierbar. Für die leistungsstarken deut-
schen Banken, aber auch für viele FinTechs, liegen in
den anderen Mitgliedsstaaten der EU attraktive Märk-
te. Vielfach wird das Ausrollen von Geschäftsmodellen
aber durch abweichende Detailregelungen im Zivil-
recht, im Verbraucher- oder Datenschutz verhindert.
Eine neue Bundesregierung muss sich dafür einsetzen,
dass in der Bankenunion neben dem Single Rulebook
Hindernisse im Privatrecht abbauen: Vorschriften euro-
päisieren. Verbindliche Auskunft mit fester Antwortzeit
einführen. Datenschutzföderalismus überbrücken.
Europäischer Binnenmarkt
Die Vollendung des europäischen Binnenmarktes muss
weiter vorangetrieben werden. Noch immer wird dies
durch regulatorische Fragmentierung und Regulierungs-
arbitrage ausgehebelt. Dies gilt im Übrigen nicht nur für
den Bereich „FinTech“, sondern für Bankenregulierung
insgesamt; so existiert bis heute kein Binnenmarkt für
Retailprodukte. Die hier notwendige Angleichung der
Regeln muss deshalb über Regulierungsfragen hinaus-
gehen und auch das Privatrecht erfassen.
Gleiche Geschäftsvorfälle werden innerhalb Deutsch-
lands und Europas durch die Heterogenität des Privat-
rechts nach wie vor unterschiedlich beurteilt und be-
handelt. Dies kann durch folgende Vorschläge für einen
attraktiven Banken- und FinTech-Standort Deutschland
geändert werden:
Verbindliche Auskunft durch die Aufsicht
Neue Geschäftsmodelle und -praktiken, gerade wenn
sie moderne Technologien nutzen, sind oft mit dem
bestehenden Regulierungsrahmen nicht eindeutig zu
beurteilen. Bank- und Marktaufsicht müssen in diesem
Umfeld erst Erfahrungen bei der Einschätzung von In-
novationen einerseits und Kundenschutz und Finanz-
marktstabilität andererseits gewinnen.
Aus Sicht der Anbieter ist die damit einhergehende
Rechtsunsicherheit mitunter problematisch. Gerade
FinTechs und ihre oft angelsächsisch geprägten Inves-
toren sind verbindliche Auskünfte der Aufsicht von an-
deren Finanzstandorten gewohnt. Diese Situation kann
ein Hindernis für Investitionen und den Markteintritt in
Deutschland sein.
In Anlehnung an das Steuerrecht (§ 89 Abs. 2 Abgaben-
ordnung) sollte deshalb auch im Bereich der Bank- und
Finanzmarktaufsicht ausdrücklich das Institut einer ver-
3
24 Wirtschaftspolitische Positionen
auch das Verwaltungshandeln vereinheitlicht wird. Dies
kann bedeuten, dass auch in Deutschland Regeln oder
Verwaltungshandeln im Interesse der europäischen
Integration geändert werden müssen. Wo immer mög-
lich, ist ein europäisches Passporting anzustreben.
Digitales Bezahlen 2020: Rahmenbedingung für eine hö-
here Akzeptanz und Reichweite bei gleichzeitig hoher
Sicherheit bei mobilen Zahlverfahren schaffen.
Mobile Zahlverfahren
Mit der Schaffung eines digitalen Binnenmarkts für Wa-
ren, Personen, Dienstleistungen und Kapital verfolgt die
Europäische Kommission im Rahmen von Europa 2020
ein ambitioniertes Wachstumsziel. Im Grünbuch wer-
den Ziele für einen digitalen Binnenmarkt für Finanz-
dienstleistungen definiert. Eine wesentliche Vorausset-
zung hierfür sind verlässliche Standards für Verbraucher
beim Bezahlen in Europa.
Mit mobilen Zahlverfahren können Verbraucher schnell
und effizient in Situationen bezahlen, für die bisher kei-
ne Lösung bestand. Insbesondere im P2P und POS bie-
ten mobile Zahlverfahren eine effiziente, komfortablere
und weit verbreitete Alternative zu traditionellen Zah-
lungsmitteln (z. B. Karte, Bargeld). Um dieses Service-
angebot zu einer höheren Akzeptanz und Reichweite
bei gleichzeitig hoher Sicherheit zu verhelfen, ist es not-
wendig, dass essenzielle Infrastrukturen, wie beispiel-
weise Fingerabdruckscanner zur Authentifizierung oder
auch die NFC-Technologie zur Datenübertragung allen
Zahlungsdienstanbietern offen stehen. Hinzu kommt,
dass mobile Zahlverfahren von allen EU-Kunden nutzbar
sein sollen (kein Geoblocking) und über ein zentrales
Register Zugang und Erreichbarkeit untereinander her-
stellen können. Um das Vertrauen der Verbraucher in
digitales Bezahlen zu steigern, sind Mindestsicherheits-
standards für Endgeräte und verbraucherfreundliche,
alternative Formen der starken Authentifizierung un-
erlässlich.
Für Verbraucher und Händler ist in relevanten Segmen-
ten des E-Commerce die uneingeschränkte Wahlfreiheit
beim Zahlverfahren herzustellen. Dort sind klare Stan-
dards für das Bezahlen aus Verbrauchersicht und Siche-
rung eines fairen Wettbewerbs von Verfahrensanbietern
erforderlich.
E-Commerce-Zahlverfahren
Im E-Commerce werden Verbrauchern unterschiedli-
che Zahlverfahren angeboten, die hinsichtlich Kosten,
Sicherheit und Haftung sowie kommerzielle Nutzung
ihrer Daten sehr unterschiedliche Standards erfüllen.
Zudem ist für Verbraucher und Händler in relevanten
Segmenten des E-Commerce die Wahlfreiheit beim
Zahlverfahren eingeschränkt. Erforderlich sind klare
Standards für das Bezahlen aus Verbrauchersicht und
Sicherung eines fairen Wettbewerbs von Verfahren und
-anbietern.
Alle Zahlungsdiensteanbieter sollen alternative Erlös-
modelle wie direkte Entgelte und/oder Nutzung von
Daten unter gleichen Bedingungen nutzen können; da-
für sollen sie in Geschäftsmodellkategorien eingeteilt
werden, das Einverständnis der Verbraucher zur Daten-
nutzung einholen und über die Folgen aufklären. Sorg-
faltspflichten und Haftungsregeln beim digitalen Bezah-
len sollen dem Verbraucher eindeutig und transparent
gemacht werden; vor dem Hintergrund des Kontozu-
gangs für Dritte sollen auch Banken Rechtssicherheit
hinsichtlich Haftung erhalten. Verbraucher wie Händler
sollen diskriminierungsfrei aus Kosten-, Komfort- und/
oder Sicherheitsgründen das für sie attraktivere Verfah-
ren wählen können; insbesondere Marktplatz-Anbieter
sollen diese Wahl nicht begrenzen (z. B. Bundling von
Zahlung & Handel).
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 25
3
Keiner regulativen Intervention bedarf der Bereich der
Echtzeitzahlverfahren, da hier bereits die Entwicklung
eines paneuropäischen Verfahrens vorangetrieben wird.
Gleichstellung von unbaren und baren Zahlverfahren
vornehmen.
Echtzeitzahlungen
In bestimmten Situationen sind Echtzeitzahlverfahren
für Verbraucher von Vorteil. Die Entwicklung eines pan-
europäischen Verfahrens wird von öffentlichen Instan-
zen und Branchenakteuren bereits kooperativ vorange-
trieben. Einsatzgebiete für dieses Verfahren, aber auch
für alternative Echtzeitzahlsysteme, sollen sich dabei
am tatsächlichen Verbraucherbedarf und -nutzen orien-
tieren. Für eine regulatorische Intervention in diesem
Bereich ergibt sich daher kein Bedarf.
Bargeld und Bargeldalternativen
Verbraucher und Händler sind in der Wahl der Zahlver-
fahren eingeschränkt. Dies betrifft insbesondere den
impliziten Annahmezwang für Bargeld, das einzige ge-
setzliche Zahlungsmittel. Erhöhte Kosten des Bargelds
treffen Händler und damit auch Verbraucher. Auf der
anderen Seite nimmt die Nutzung unbarer Zahlungs-
mittel zu, was zu steigenden Kosten einer flächende-
ckenden Bargeldversorgung führen wird. Es sind da-
her regulatorische Maßnahmen erforderlich, die eine
Gleichstellung unbarer und barer Zahlverfahren einer-
seits und andererseits eine effiziente, flächendeckende
Bargeldversorgung weiterhin ermöglichen. Hier zählen
die Anerkennung weitverbreiteter unbarer Zahlverfah-
ren als gesetzliche Zahlungsmittel und die Möglichkeit,
für die Verbraucher in geeigneten, unbaren Zahlverfah-
ren anonym – ohne Übermittlung persönlicher Daten
an den Zahlungsempfänger (insb. Händler) – zu zahlen.
Für eine weiterhin lückenlose Bargeldversorgung sollen
Banken weitreichende Kooperationen ermöglicht wer-
den, sowohl bankübergreifend als auch mit Dritten,
z. B. durch Aufhebung kartellrechtlicher Schranken.
Zur Förderung eines im Sinne des Verbrauchers zuneh-
menden Wettbewerbs Möglichkeit der einmaligen (Erst-)
Legitimation schaffen.
Onboarding
Der Zugang zu digitalen Bezahlverfahren und Finanz-
dienstleistungsangeboten insgesamt wird Verbrau-
chern unnötig erschwert. Gründe liegen unter anderem
in der geographischen Beschränkung von Angeboten,
EU-weit unterschiedlichen Legitimationsanforderun-
gen und papierhaften Dokumentationspflichten. Dies
beschränkt de facto den europäischen Binnenmarkt und
erhöht die Kosten für Anbieter wie Verbraucher.
Damit Verbraucher wirklich in den Genuss eines ver-
einfachten und einheitlich volldigitalen Zugangs kom-
men ist es nicht nur wichtig, dass sie unabhängig von
ihrem Standort ihren Dienstleister uneingeschränkt
auswählen können, sondern auch dass Anbieter von
Finanzdienstleistungen EU-weit grenzüberschreiten-
den Zugang zu nationalen Auskunfteien erhalten. Um
den Aufwand für den Verbraucher bezüglich seiner
Legitimation zu reduzieren und damit potenziell mehr
Wettbewerb zu erzeugen, sollte es zukünftig möglich
sein, dass sich Verbraucher einmalig bei ihrer Hausbank
(„Erstlegitimierer“) legitimieren. Ist in einer weiteren
Geschäftsbeziehung mit einem Dritten eine Legitima-
tion erforderlich, soll dieser sich auf die Legitimation
beim Erstlegitimierer stützen dürfen, die er gegen ein
angemessenes Entgelt und ohne Enthebung seiner Haf-
tung erhält.
Letztendlich sollen Verbraucher auf rein digitale, pa-
pierlose Weise digitale Zahlverfahren end-to-end nut-
zen können, von der erstmaligen Registrierung mit
digitaler Legitimation und Dokumentation, über die
digitale Nutzung bis hin zu Vertragsverwaltung und
KYC-Erneuerungen.
26 Wirtschaftspolitische Positionen
Verbraucherpolitik sollte den Verbraucher weder be-
vormunden noch allein lassen, sondern stets als selbst-
bestimmtes Individuum ansehen. Um selbstbestimmt
entscheiden zu können, ist eine gute Information und
Bildung notwendig. Ökonomische Bildung hat hier ei-
nen besonderen Stellenwert, da diese im alltäglichen
Leben für jeden von Bedeutung ist. Um dies zu unter-
streichen, wäre die Teilnahme Deutschlands an dem
Zusatzmodul „Finanzwissen“ im Rahmen der PISA-
Schulleistungsstudie ein deutliches Zeichen.
Selbstbestimmte Verbraucher
Verbraucherpolitik vollzieht sich im Spannungsver-
hältnis zwischen Freiheit und Eigenverantwortung der
Bürger einerseits und der Befriedigung grundlegender
Schutz- und Sicherheitsbedürfnisse der Verbraucher
durch den Staat andererseits. Das jeweilige Maß an
„Verbraucherschutz“ ist dabei nicht absolut festzulegen,
sondern ergibt sich in einem ständigen Interessenaus-
gleich in der Gesellschaft. Es stellt sich dabei immer
die Frage, wie weit staatliche Regulierung gehen kann
und darf, ohne die Freiheit und Selbstbestimmung der
Bürger, die Marktfreiheit und einen funktionierenden
Wettbewerb unverhältnismäßig einzuschränken.
Nicht nur in der Finanzmarktregulierung, aber durch die
Finanzmarktkrise auf diesem Feld in besonderer Weise,
sind in den letzten Jahren zahllose Regulierungen und
Verbraucherschutzvorschriften umgesetzt worden, die
nicht nur gut gemeinten Schutzzielen dienen, sondern
letztlich auch Handlungsspielräume der Verbraucher
einschränken und ihnen – wie den betroffenen Unter-
nehmen – enorme bürokratische Lasten aufbürden. Das
Leitbild des (mündigen und) selbstbestimmten Verbrau-
chers rückt dabei immer öfter in den Hintergrund. Diese
Entwicklung gilt es umzukehren und die Verbraucher in
die Lage zu versetzen, die für sie richtigen Konsument-
scheidungen selbstverantwortlich zu treffen.
Wirtschafts- und Finanzkompetenz
Voraussetzung dafür ist eine ausreichende ökonomi-
sche und finanzielle Grundbildung. Die Verbesserung
der Wirtschafts- und Finanzkompetenz der Verbraucher
ist ein zentraler Beitrag, um Verbraucher vor (vermeid-
baren) finanziellen Fehlentscheidungen zu schützen.
Die Entwicklung zum (mündigen und) selbstbestimm-
ten Verbraucher beginnt dabei schon in der Schule,
auch um junge Menschen fit für den Weg in die digitale
Gesellschaft zu machen.
Alle politischen und gesellschaftlichen Kräfte sollten
sich daher für ein eigenständiges Schulfach „Wirtschaft“
in allen Bundesländern einsetzen. Ein wichtiger Beitrag,
um das gesellschaftliche Bewusstsein für die Notwen-
digkeit von Finanzwissen zu stärken, wäre zudem die
Teilnahme Deutschlands an dem Zusatzmodul „Finanz-
wissen“ im Rahmen der PISA-Schulleistungsstudie. Dies
ist auch mit Blick auf die Vergleichbarkeit mit den eu-
ropäischen Ländern, die an diesem Zusatztest bereits
teilnehmen, mehr als geboten.
Etablierung einer Informationsplattform zur transpa-
renten Darstellung der persönlichen Rentenansprüche
aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge
(Pension Dashboard).
Altersvorsorge
In Deutschland ist es für Verbraucher äußerst mühsam,
sich einen Gesamtüberblick über ihre persönlichen Alters-
rentenansprüche zu verschaffen – vor allem dann, wenn
neben der gesetzlichen Rente weitere Ansprüche aus der
betrieblichen oder privaten Altersvorsorge bestehen. Ei-
ner aktuellen Studie zufolge können 70 % der Befragten
ihre Gesamtrente nicht einschätzen. Ein Grund ist, dass
Versorgungsträger und Produktanbieter über verschiede-
ne Medien, in unterschiedlichen Formaten und zu unter-
schiedlichen Zeitpunkten über die Rentenansprüche infor-
Verbraucherschutz
4 bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 27
4
mieren. Diese Komplexität und Intransparenz erschweren,
dass zusätzlicher Vorsorgebedarf rechtzeitig erkannt wird.
Eine informierte und selbstbestimmte Entscheidung über
weitere notwendige Vorsorgemaßnahmen kann der Ver-
braucher deshalb nur schwer treffen.
Es ist daher dringend geboten, die Transparenz in der
Altersversorgung zu erhöhen, um Bürgern die Möglich-
keit zu verschaffen, dass sie ihre Gesamtversorgung im
Alter möglichst einfach und leicht verständlich ermit-
teln können. Die neue Bundesregierung wird aufgefor-
dert, eine neutrale Informationsplattform zu etablieren,
die ein Zusammenführen der persönlichen Rentenan-
sprüche für den Kunden aus gesetzlicher, betrieblicher
und privater Vorsorge bei gleichzeitiger Wahrung des
Datenschutzes ermöglicht. Neben einem bedarfsge-
rechten und objektiven Rentenüberblick für den Bürger
würden auch Anbieter von einer sauberen Daten- und
Argumentationsgrundlage für eine ganzheitliche Bera-
tung profitieren. Als wesentliche Voraussetzung für eine
solche zentrale Renteninformationsplattform wären
gemeinsame Standards und technische Schnittstellen
für einen automatisierten Datentransfer zu entwickeln.
Daneben bedarf es einer gesetzlichen Verpflichtung für
Rententräger, standardisierte Standmitteilungen elekt-
ronisch bereit zu stellen.
Eine Verquickung von Lobbyinteressen des vzbv mit den
dem Marktwächter Finanzen zugewiesenen und mit öf-
fentlichen Mitteln finanzierten Aufgaben muss ausge-
schlossen sein.
Marktwächter Finanzen
Als Gemeinschaftsprojekt des Verbraucherzentrale Bun-
desverband (vzbv) und aller 16 Verbraucherzentralen
wurde im Jahr 2014 der Marktwächter Finanzen ein-
gerichtet. Im Rahmen dieses Projekts beobachten fünf
Schwerpunkt-Verbraucherzentralen ausgewählte The-
menschwerpunkte im Bereich des Finanzmarkts. Ziel
der Arbeit des Marktwächters ist es, Marktwissen zu
bündeln, Fehlentwicklungen sichtbar zu machen und
Schaden von Verbrauchern abzuwenden. Insbesondere
durch eine empirische Auswertung von Verbraucherbe-
schwerden sollen Missstände in den Märkten erkannt
werden. Die gewonnenen Erkenntnisse dienen der In-
28 Wirtschaftspolitische Positionen
formation von Behörden, Politik, Institutionen und An-
bietern sowie der Öffentlichkeit. Die privaten Banken
anerkennen und unterstützen diese Zielsetzung.
Der mit öffentlichen Mitteln des Bundesministeriums
der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) finanzier-
te Marktwächter Finanzen stellt sich neben die staat-
liche Finanzmarktaufsicht durch die Bundesanstalt für
Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Die BaFin ist eine
effiziente, national wie international anerkannte Sol-
venz- und Finanzmarktaufsichtsbehörde, die im Rahmen
der ihr zugewiesenen hoheitlichen Aufgaben auch den
kollektiven Verbraucherschutz zu gewährleisten hat.
Um eine Verwässerung der jeweils zugewiesenen
Aufgabenstellungen und eine damit einhergehende
mögliche Beeinträchtigung der Reputation der BaFin
auszuschließen, wird sich der Marktwächter Finanzen
klar auf die ihm zugewiesenen Aufgabenstellungen
beschränken müssen. Eine Verquickung von Lobbyin-
teressen des vzbv mit den dem Marktwächter Finanzen
zugewiesenen und mit öffentlichen Mitteln finanzierten
Aufgaben muss ausgeschlossen sein.
Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-
field besteht kein Anlass mehr, weitergehende anleger-
schützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in
Deutschland erlassen wurden, beizubehalten. Anbieter
auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt einer effizi-
enten Aufsicht durch die BaFin unterstellen.
Deutsches Goldplating
Zum 1. Januar 2018 werden die Finanzmarktlichtlinie
(MiFID II) und die Finanzmarktverordnung (MiFIR) in
Kraft treten. Damit erfährt Europa eine einheitliche Re-
gulierung der Finanzmärkte. Insbesondere MiFID II – in
Deutschland umgesetzt durch das 2. Finanzmarktnovel-
lierungsgesetz (2. FiMaNoG) – wird den Anleger- und
Verbraucherschutz in Europa durch Einführung umfas-
sender neuer Dokumentations- und Transparenzpflich-
ten deutlich erhöhen und europaweit harmonisieren.
Angesichts des europaweit angestrebten level-playing-
field besteht kein Anlass mehr, weitergehende anleger-
schützende Regelungen, die im Vorfeld von MiFID II in
Deutschland erlassen wurden, beizubehalten.
Grauer Kapitalmarkt
Kreditinstitute und Finanzdienstleistungsinstitute unter-
liegen der strengen und regelmäßigen Aufsicht durch
die Bundesanstalt für Finanzdienstleitungsaufsicht.
Anbieter auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt
werden von der BaFin nicht beaufsichtigt; ihre Tätigkeit
wird durch die regional zuständigen Gewerbeaufsichts-
ämter kontrolliert, deren Prüfungsintensität hinter der
von der BaFin gewährleisteten Kontrolldichte deutlich
zurückbleibt. Die neue Bundesregierung wird aufgefor-
dert, dieses Aufsichtsgefälle zu beseitigen, indem auch
die am Grauen Kapitalmarkt tätigen Anbieter einer ef-
fizienten Aufsicht durch die BaFin unterstellt werden.
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 29
4
Anlegerschützende Bestimmungen verringern das Ange-
bot für Anleger, etwa zur Sicherung der Altersvorsorge.
Hier sollte Regulierung weitsichtiger erfolgen.
Geschäftsmodelle
Die seit der Finanzkrise im Jahr 2008 erfolgte Regulie-
rung der Kreditinstitute zeichnet sich durch eine Viel-
zahl verbraucher- und anlegerschützender Bestimmun-
gen aus. Dies gilt in hohem Maße für die Regulierung
der Anlageberatung im Wertpapiergeschäft. Deutsche
Maßnahmen wie die Einführung eines Beratungspro-
tokolls, die Pflicht zur aufsichtlichen Registrierung von
Anlageberatern, die zentrale Erfassung von Kundenbe-
schwerden bei der BaFin oder die Pflicht zum Einsatz
von Produktinformationsblättern haben die Dienstleis-
tung „Anlageberatung“ nachhaltig verändert. Berech-
tigte Wünsche von Kunden, auf anlegerschützende
Maßnahmen verzichten zu können, fanden keine Be-
rücksichtigung. Mit dem Inkrafttreten von MiFID II/
MiFIR zum 1. Januar 2018 wird das Anlegerschutzni-
veau bei Wertpapiergeschäften durch umfassende
Dokumentations- und Transparenzpflichten nochmals
maßgeblich gesteigert. Durch die dann folgende Pflicht
zur Aufzeichnung von Telefongesprächen wird das zwi-
schen Banken und ihren Kunden bestehende Vertrau-
ensverhältnis deutlich beeinträchtigt.
Angesichts dieser Entwicklung werden alle Kreditinstitu-
te gehalten sein, ihre Geschäftsmodelle zur Erbringung
von Wertpapierdienstleistungen auf Effizienz und Renta-
bilität zu überprüfen. Erkennbar ist, dass erste Institute
bereits entschieden haben, sich aus der Anlageberatung
in Wertpapieren gänzlich zurückzuziehen. Andere wer-
den ihre Angebotspalette verkleinern, ihre Kunden-
struktur überdenken oder Dienstleistungen mit starker
technischer Unterstützung anbieten. Ein Übermaß anle-
gerschützender Bestimmungen kann im Ergebnis dazu
führen, dass das Angebot für Anleger, die etwa zur Siche-
rung ihrer Altersvorsorge auf qualitativ gute Beratung
angewiesen sind, geringer wird. Die neue Bundesregie-
rung wird aufgefordert, ein Jahr nach Inkrafttreten solche
negativen Auswirkungen zu evaluieren.
Zugang zum Recht möglichst leicht gestalten, dann
besteht kein Anlass für die Etablierung einer „Klage-
industrie“.
Kollektiver Rechtsschutz/ Sammelklagen
Zu den Grundsätzen des deutschen Rechtssystems
zählt neben der individuellen Freiheit zur Eingehung
und Beendigung von Verträgen auch die eigenständige
Geltendmachung von Ansprüchen im Streitfall. Eigen-
verantwortlichkeit endet nicht vor den Türen der Gerich-
te. Deshalb ist es richtig, den Zugang der Bürger zum
Recht möglichst leicht zu gestalten – durch Prozesskos-
tenhilfe und die Bereitstellung von außergerichtlichen
Schlichtungsverfahren (z. B. Ombudsmann der privaten
Banken). Zugleich muss aber vermieden werden, dass
den Bürgern Entscheidungen über eine gerichtliche
Geltendmachung (vermeintlicher) Ansprüche durch
eine „Klageindustrie“ abgenommen werden. Regulie-
rungsvorstellungen, die sich entsprechend auswirken
können, sind eine klare Absage zu erteilen.
30 Wirtschaftspolitische Positionen
Die Überprüfung der Finanzmarktregulierung im Hin-
blick auf Konsistenz, Angemessenheit und Zielgenauig-
keit endlich entschieden angehen.
Überprüfung der Finanzmarktregulierung
Die Koalitionsfraktionen der 18. Legislaturperiode hat-
ten bereits im Jahre 2013 richtigerweise erkannt, dass
nach Jahren intensiver Regulierung der Finanzmärkte
der Zeitpunkt gekommen war, den neuen Regulierungs-
rahmen einer Evaluierung zu unterziehen. Aus diesem
Grund ist diese – auch für die deutsche Wirtschaft ins-
gesamt – dringende Aufgabe in den Koalitionsvertrag
aufgenommen worden. Leider wurde diese Aufgabe nur
mit geringem Engagement angegangen, wobei grund-
sätzlich nur die Aspekte kritisch bewertet wurden, die
auf europäischer Ebene angepackt werden müssen.
Eigener Handlungsbedarf wurde in Summe nicht fest-
gestellt.
In der Zwischenzeit ist das Thema Evaluation der Finanz-
marktregulierung auch auf die Tagesordnung in Brüssel
gesetzt worden. Gerade vor diesem Hintergrund ist die
neue Bundesregierung aufgefordert, die Überprüfung
der Finanzmarktregulierung im Hinblick auf Konsistenz,
Angemessenheit und Zielgenauigkeit endlich entschie-
den anzugehen, auch um auf europäischer Ebene die
deutschen Interessen zu vertreten.
Zukünftige Struktur und Kosten der europäischen Ban-
kenaufsicht unter dem Aspekt der Mehrfachzuständig-
keiten prüfen und diese zukünftig vermeiden.
Europäische Bankenaufsicht
Mit der Etablierung des einheitlichen Aufsichtsmecha-
nismus der EZB (Single Supervisory Mechanism, SSM) im
Jahre 2014 hat eine Neuausrichtung der Bankenaufsicht
im Euro-Raum stattgefunden. Grundsätzlich ist dies po-
sitiv zu bewerten. Die Eingliederung des SSM in die EZB
kann hierbei jedoch nur eine Übergangslösung darstel-
len. Eine Bankenaufsicht muss, um Interessenkonflik-
te zu vermeiden, vollständig unabhängig von einem
Währungshüter beziehungsweise Geldwertstabilisator
agieren können und vice versa. Zum unabhängigen
Agieren des SSM gehören zudem ausreichend eigene
Mitarbeiter, die frei von nationalen Aufsichtsbehörden
und möglichen Interessenkonflikten sind.
Ein wichtiger Baustein der Reform ist der Austausch und
die Zusammenarbeit innerhalb des SSM mit nationalen
Aufsichten und Regulierern sowie mit der Europäischen
Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Wenn es hierbei um die
einheitliche Regelsetzung in der EU geht, sollte dies
ausschließlich der EBA obliegen. Regelungen, die der
SSM explizit (durch Verordnungen) oder implizit (z. B.
durch Leitlinien oder Empfehlungen) definiert, werden
dann zum Kritikpunkt, wenn sie über den gesteckten
Rahmen hinausgehen oder widersprüchlich zu anderen
Regelungen sind. Anpassungen an Regelungen bezie-
hungsweise neue Regelungen sollten zwischen den
vielfältig eingebundenen EU-Institutionen bestmöglich
abgestimmt sein.
In der EU wurden verschiedene Institutionen und Rah-
menwerke etabliert, die eine Stabilisierung der Finanz-
märkte und Überwachung der Finanzindustrie beab-
sichtigen. Hieraus resultieren zahlreiche Maßnahmen,
um makro- und mikroprudenziellen Einfluss zu nehmen.
Die EU-Kommission hat im Jahre 2016 einen umfang-
reichen Review der Europäischen Aufsichtsbehörden
(ESAs) initiiert, der sich vor allem mit den Kompeten-
zen, der Struktur sowie der Finanzierung auseinander-
setzt. Die ESAs haben zweifelsfrei zur Harmonisierung
der Aufsicht in den verschiedenen Mitgliedsstaaten
beigetragen. Allerdings waren dabei wiederholt Über-
schreitungen der Vorgaben des Europäischen Gesetz-
gebers bzw. ein Trend zur Selbstmandatierung im Hin-
blick auf Leitlinien und Empfehlungen auszumachen,
Bankenmarkt
5 bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 31
5
die kritisch zu hinterfragen sind. Die vorgeschlagene
Erweiterung der Zuständigkeit der europäischen Wert-
papieraufsichtsbehörde ESMA im Bereich des Verbrau-
cherschutzes ist abzulehnen, da der Verbraucherschutz
durch nationale Gesetzgebung geprägt ist. Gerade für
grenzüberschreitend tätige Institute ist eine weitere An-
gleichung von Aufsichtspraxis und Regulierung in den
Mitgliedsstaaten von besonderer Bedeutung. Diese Ver-
einheitlichung der Regulierung sollte zugleich auch zur
Beseitigung von doppelten oder widersprüchlichen An-
forderungen der verschiedenen Behörden führen. Ein
Austausch der ESAs mit dem SSM ist daher unerlässlich.
Die neue Bundesregierung wird aufgefordert, sich für
eine Beibehaltung der aktuellen Finanzierungsstruktur
der ESAs einzusetzen. Die ESAs werden zu 40 % durch
die Kommission finanziert. Den Rest tragen die zumeist
finanzwirtschaftlich finanzierten nationalen Aufsichtsbe-
hörden. Die Beteiligung der Kommission ist zur Wahrung
der Haushaltsdisziplin notwendig und auch sachgemäß,
da die ESAs regulatorische Tätigkeiten wahrnehmen, die
unmittelbar der Europäischen Kommission obliegen.
Der Brexit macht die Verlegung der Europäischen Ban-
kenaufsichtsbehörde (EBA) erforderlich. Frankfurt am
Main ist für einen Umzug der EBA, ggf. unter Zusam-
menlegung mit der EIOPA, aufgrund der dort vorhande-
nen Infrastruktur und der Möglichkeit der Gewinnung
von Fachpersonal für die EBA geradezu prädestiniert.
Auch die Nähe zur EZB könnte einen Austausch der Be-
hörden beflügeln. Die privaten Banken unterstützen die
Bemühungen der Bundesregierung, die EBA in Frank-
furt am Main anzusiedeln.
Die Instrumente der Gläubigerbeteiligung und der Ab-
wicklungsfonds müssen glaubwürdig bleiben.
Gläubigerbeteiligung und Abwicklungsfonds
Die Abwicklungsrichtlinie (BRRD), insbesondere das
hierin vorgesehene Instrument der Gläubigerbeteili-
gung und der Abwicklungsfonds, ist die sachgerechte
Antwort zur Abwendung von Gefahren für die Stabilität
des Finanzsystems. Es ist wichtig, dass diese Regeln, die
eine Bestandsgefährdung eines Instituts voraussetzen,
europaweit auch angewandt werden – im Interesse der
Glaubwürdigkeit wie im Interesse der Steuerzahler und
der Kreditwirtschaft. Eine „Rettung“ von Instituten um
jeden Preis mit Mitteln des Steuerzahlers muss vermie-
den werden. Und genauso wenig ist den profitablen
Instituten geholfen, wenn eine notwendige Marktbe-
reinigung ausbleibt. Wir erwarten hier von einer neuen
Bundesregierung eine klare und konsequente Positio-
nierung in Brüssel.
Die Finanzierung der Einlagensicherung, auch im Rah-
men eines europäischen Mechanismus, soll so weit wie
möglich dezentral durch die nationalen Einlagensiche-
rungssysteme erfolgen.
Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit
Bei den Verhandlungen über einen europäischen Me-
chanismus im Bereich der Einlagensicherung als dritter
Säule der Bankenunion soll die neue Bundesregierung
darauf hinwirken, den Grundsätzen der Subsidiarität
und der Verhältnismäßigkeit im Rahmen der Unionsge-
setzgebung zu entsprechen. Die Finanzierung der Ein-
lagensicherung, auch im Rahmen eines europäischen
Mechanismus, soll so weit wie möglich dezentral durch
die nationalen Einlagensicherungssysteme erfolgen.
Europäische Stellen sollen zentral mit Verwaltungsauf-
gaben im Rahmen des europäischen Mechanismus be-
traut werden, ohne das bewährte System der nationalen
Einlagensicherung in Frage zu stellen. Die Unterstützung
der nationalen Einlagensicherungssysteme durch einen
europäischen Mechanismus soll nur so weit gehen, wie
sie im Einzelfall erforderlich ist, insbesondere um Gefah-
ren für die Finanzstabilität abzuwenden. Die nationalen
Systeme bleiben dabei primär für die Finanzierung ihrer
Aufgaben verantwortlich. Es ist darauf zu achten, dass
nur Maßnahmen unterstützt werden, die den gebotenen
Einlegerschutz auf die wirtschaftlich günstigste Weise
erreichen. Zur Steigerung der Kosteneffizienz der Einla-
32 Wirtschaftspolitische Positionen
gensicherung soll es auch den gesetzlichen Entschädi-
gungseinrichtungen in Deutschland gestattet werden,
ihre finanziellen Mittel für wirtschaftlich sinnvolle Stüt-
zungsmaßnahmen einzusetzen.
Vorherige Risikoverringerung
Eine gegenseitige Unterstützung der Einlagensicherungs-
systeme im Rahmen eines europäischen Mechanismus
setzt voraus, dass zuvor zentrale Maßnahmen zur Verrin-
gerung der Risiken im Bankensektor in der Eurozone wirk-
sam umgesetzt wurden. Hierzu gehören u. a. eine stärkere
Harmonisierung des Insolvenzrechts und eine einheitliche
Insolvenzrangfolge, eine gründliche Bilanzprüfung aller
teilnehmenden Kreditinstitute und höhere Kapitalanfor-
derungen an das Halten staatlicher Schuldtitel.
Bürokratische Belastungen für die Kreditwirtschaft, wie
z. B. Meldeanforderungen der Aufsicht, die keinen oder
nur einen sehr eingeschränkten Nutzen haben, redu-
zieren. Nach HGB bilanzierenden Banken ermöglichen,
regulatorische Meldungen auf HGB-Basis abzugeben.
Datenanforderungen
Die Datenanforderungen an Banken sind in den letzten
Jahren kontinuierlich gestiegen und haben mittlerweile
ein Ausmaß erreicht, welches die Institute an den Rand
der Belastungsfähigkeit bringt. Dies gilt insbesondere
für kleine und mittelgroße Banken. Ein Grund hierfür
ist, dass verschiedene Aufsichtsbehörden (EZB, natio-
nale Aufsicht) Meldeanforderungen stellen, die sich
inhaltlich oftmals in erheblichem Maße überschnei-
den. Beispiele hierfür sind das künftige Kreditregister
AnaCredit und die deutsche Millionenkreditmeldung
oder die Meldung von Finanzinformationen an die EZB
(FINREP) und die weitgehend ähnliche Meldung an die
nationale Behörde gemäß der Finanzinformations- und
Risikoverordnung (FinaRisikoV).
Hier ist eine neue Bundesregierung aufgefordert zu han-
deln: Eine deutliche Entlastung könnte erzielt werden,
wenn Meldungen gleichen beziehungsweise ähnlichen
Inhalts ausschließlich an einen Adressaten zu berichten
wären. Nationale Meldungen sollten somit entfallen,
sobald es vergleichbare europäische Meldeanforde-
rungen gibt. Auch der Informationsaustausch zwischen
den nationalen Notenbanken und Aufsichtsbehörden
könnte die Meldelast insbesondere von ausländischen
Niederlassungen von Kreditinstituten verringern.
Generell sollten Kosten-/Nutzenerwägungen und der
Proportionalitätsgedanke bei der Definition von Melde-
anforderungen eine größere Bedeutung beigemessen
werden. Dem Proportionalitätsgedanken folgend beab-
sichtigt die deutsche Aufsicht, einen Vorschlag in den
CRR-Review einzubringen, mit dem Ziel, die so genann-
ten COREP-Meldungen (Eigenmittelmeldungen) für
kleine Institute zu entschlacken. Dieses Vorhaben wäre
ein guter Startpunkt und wird von uns uneingeschränkt
unterstützt. Die Entlastung darf jedoch nicht auf die
COREP-Meldungen beschränkt werden. Eine Durchfors-
tung der Meldepflichten im nationalen Berichtswesen
halten wir genauso für notwendig wie die kritische
Überprüfung der statistischen Berichtspflichten.
Für Institute, die nach HGB Rechnung legen, kommt hin-
zu, dass die Meldeanforderungen der EZB sich regelmä-
ßig an den internationalen Rechnungslegungsgrundsät-
zen IFRS orientieren. Für deutsche HGB-Institute sollte
es ausreichend sein, regulatorische Meldungen auf
HGB-Basis abzugeben. Anderenfalls würde das klare Be-
kenntnis zum HGB letztendlich durch die aufsicht lichen
Meldeanforderungen unterlaufen.
Stärkere Proportionalität in der Bankenregulierung.
Grundregel „Same business, same risk, same rules“ darf
nicht ausgehebelt werden. Hürden der Regulierung auch
auf nationaler Ebene begrenzen.
Small Banking Box
Kleine und mittelständische Banken sind von der fort-
schreitenden Ausweitung der aufsichtlichen Anforde-
rungen im besonderen Maße belastet. Dies betrifft we-
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 33
niger die Anforderungen hinsichtlich der Kapital- und
Liquiditätsausstattung, sondern vielmehr die administ-
rativen Belastungen. Eine einzelne mittelständische Bank
verantwortet ein geringeres Geschäftsvolumen und weni-
ger Transaktionen als große Banken. Bezogen hierauf ist
der Umsetzungsaufwand von regulatorischen und bank-
aufsichtlichen Anforderungen mittelständischer Banken
jedoch gleich groß dem von großen Banken.
Vergleicht man mittelständische Kreditinstitute unterei-
nander, sind insbesondere die Institute von deutlich ge-
ringeren Aufwänden betroffen, die einer Institutsgruppe
angehören (z. B. Sparkassen und Volksbanken). Erleichte-
rungen sollten daher nicht von der Rechtsform abhängig
sein (Verbundbanken), sondern alleine von Größe und
Komplexität des Geschäftsmodells (z. B. gelten die ver-
schärften Anforderungen der Abschlussprüferreform nur
für Unternehmen von öffentlichem Interesse und damit
für alle, auch kleinste Privatbanken, wohingegen Verbund-
banken generell ausgenommen sind). Gerade bei der Er-
füllung der Meldeanforderungen, sind Verbundbanken
relativ gesehen weniger belastet als kleine Privatbanken,
da sie über einen zentralen IT-Dienstleister verfügen. Pri-
vatbanken müssen sich – anders als Institute in Verbünden
– wirklich eigenständig auf dem Markt behaupten.
Daher befürworten wir eine stärkere Berücksichtigung
des Proportionalitätsgedankens in der Bankenregulie-
rung und somit eine angemessenere Ausgestaltung von
Regelungen, die für kleine Kreditinstitute erhebliche ad-
ministrative Lasten darstellen. Dies ist auch deshalb ge-
rechtfertigt, weil diese Institute aufgrund ihrer Größe und
Komplexität weniger intensiv und detailliert beaufsichtigt
werden müssen. Zum einen stellen sie dadurch eine gerin-
ge Bedrohung der Finanzmarktstabilität dar. Zum anderen
bedarf es für eine angemessene Aufsicht weniger detail-
lierte Informationen in geringerer Frequenz. Die ersten
Vorschläge von Bundesbank und Bundesregierung sind
ein richtiger Schritt in diese Richtung.
Die Diskussion über eine proportionale Ausgestaltung
der Regulierung für mittelständische Banken darf jedoch
aus Wettbewerbsgründen nicht zu einem für die Gruppe
eigenständigen Aufsichtsansatz führen oder gar zu einer
kompletten Ausnahme von aufsichtsrechtlichen Rege-
lungen. Daraus folgt, dass es keine Erleichterungen bei
quantitativen Kapital- und Liquiditätsanforderungen unter
Säule I geben darf. Es gilt die Grundregel „Same business,
same risk, same rules”. Gleiche Geschäfte müssen den
gleichen Regeln unterliegen. Denn das Risiko eines Kre-
dites ist gleich, unabhängig von der Größe einer Bank.
Daher müssen die Kapital- und Liquiditätsanforderungen
für das gleiche Geschäft identisch sein. Das gilt auch für
die Leverage Ratio sowie für Regelungserleichterungen
oder -ausnahmen, die für Handelsbuchinstitute über das
derzeitige Maß hinausgehen.
In den Entwürfen der EU-Kommission zum CRR-Review
finden sich Ansätze, die eine stärkere Proportionalität
der Regulierung zum Ziel haben. Dies betrifft vor allem
die Regelungen zur Offenlegung und zum Meldewesen
sowie Ausnahmeregelungen im Bereich des Marktrisi-
kos (vgl. auch Abschnitt „Datenanforderungen“). Diese
Ansätze sind jedoch viel zu verhalten. Insbesondere wer-
den sie an eine äußerst niedrige Bilanzsumme geknüpft
(1,5 Mrd. Euro). Neben den bereits genannten Punkten
sollten u. a. folgende Themen für kleine und mittlere
Banken proportionaler ausgestaltet sein: Vergütungsvor-
gaben, Sanierungsplanung, Einrichtung von Ausschüssen
(Risiko-, Normierungs- und Vergütungsausschuss) sowie
die Abschlussprüferverordnung. Die Deutsche Kreditwirt-
schaft hat hierzu einen abgestuften Ansatz erarbeitet, der
Institute in drei Klassen unterteilt, für die dann jeweils ent-
sprechende Anforderungen gelten sollen. Gerade wegen
der besonderen Struktur des deutschen Bankenmarktes
muss sich die neue Bundesregierung in diesem Thema
stark engagieren.
Bestimmungen zur Produkt-, Dienstleistungen- und
Marktregulierung sowie zum Anlegerschutz lassen hin-
gegen eine unterschiedliche Behandlung der Institute in
Abhängigkeit von ihrer Größe nicht zu. Nur so lässt sich
das angestrebte einheitliche Schutzniveau innerhalb der
EU-Staaten realisieren. Dieses Prinzip muss auch für die
5
34 Wirtschaftspolitische Positionen
Einen angemessenen europäischen Weg zur Umsetzung
des internationalen Baseler Abkommens zur Eigenkapi-
talunterlegung finden.
Eigenkapitalunterlegung
Die Baseler Rahmenvereinbarung zur Eigenkapitalunter-
legung von Kreditinstituten wurde seit dem Jahre 2010
kontinuierlich verändert. Das gesamte Reformpaket wird
unter dem Stichwort Basel III subsumiert. Aus diesem
Paket sind bereits einige Punkte in europäisches Recht
umgesetzt, etliche stehen aber noch aus. Besonders in-
tensiv wurden die Vorschläge diskutiert, die in den letzten
beiden Jahren neu auf den Verhandlungstisch gekommen
sind. Hierbei steht das Bemühen der internationalen Auf-
seher im Vordergrund, die Variabilität von Modellergeb-
nissen zu reduzieren, die insbesondere in Europa die
Berechnung der Eigenmittelanforderungen maßgeblich
bestimmen. Die aktuell diskutierten Vorschläge würden
zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Wettbewerbs-
fähigkeit europäischer Banken führen, da diese mit einem
deutlichen Mehrbedarf an Kapital rechnen müssten. Die
insbesondere von amerikanischer Seite vorgeschlagenen
Lösungen zur Standardisierung erhöhen lediglich den
Kapitalbedarf, verbessern aber nicht die Risikosensitivität
und Qualität der zugrunde liegenden Modelle. Hier gehen
die europä ischen Aufsichtsbehörden im Rahmen der EBA
und des SSM eigene und bessere Wege. Wir werden auch
mit einer neuen Bundesregierung gemeinsam mit unse-
ren europäischen Partnern für eine faire Lösung streiten,
die die europäischen Banken nicht benachteiligt.
Im europäischen Gesetzgebungsprozess bei einer fina-
len Umsetzung der Baseler Vorschläge sollte geprüft
werden, bis zu welchem Grad die Baseler Vorschläge
zur Standardisierung umgesetzt werden sollten, und
gegebenenfalls, an wichtigen Punkten eine angemes-
sene eigene europäische Lösung geeigneter wäre.
Dazu gehört auch, im seit Ende 2016 laufenden euro-
päischen Gesetzgebungsverfahren zur Überarbeitung
der Capital Requirements Regulation (CRR), die Umset-
zung der Baseler Regelungen zur Kapitalunterlegung
des Marktrisikos zu unterbrechen. Derzeit überarbeitet
der Baseler Ausschuss (BCBS) die Regelungen erneut.
Erst wenn der BCBS seine Arbeit finalisiert hat, sollten
die europäischen Arbeiten daran fortgeführt werden.
Regulierung darf die Heterogenität des deutschen Ban-
kenmarktes nicht gefährden. Ein befreiender IFRS-Einzel-
abschluss würde zu erheblichen Kosteneinsparungen und
einem deutlichen Abbau bürokratischer Lasten führen
und die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Banken steigern.
Anforderungen der deutschen Aufsicht
Die in den letzten Jahren gestiegenen regulatorischen
Anforderungen haben insbesondere kleinere Banken
deutlich gespürt. Aus unserer Sicht muss der Gesetzge-
ber den regulatorischen Rahmen derart ausgestalten, dass
sich das Bankgeschäft auch in Zukunft für kleinere Banken
rechnet und somit die Heterogenität des deutschen Ban-
kenmarktes erhalten bleibt. Eine wichtige Stellschraube
ist dabei neben der europäischen insbesondere auch die
deutsche Regulierung. Die Anforderungen der deutschen
Aufsicht über die Mindestanforderungen an das Risiko-
management (MaRisk) sind kontinuierlich in den letzten
Jahren erweitert worden und haben mittlerweile einen
Detaillierungsgrad erreicht, der die Anwendung der Me-
thodenfreiheit und der Prinzipienorientierung zumindest
fraglich erscheinen lässt. Insofern halten wir es für sinn-
voll, die MaRisk insgesamt in diesem Lichte zu überprü-
fen. Gerade in Bezug auf kleinere Banken erachten wir
die Anforderungen bei Auslagerungen als zu restriktiv.
Kleine Banken benötigen spezialisierte Dienstleister, um
im Wettbewerb bestehen zu können. Die Anforderungen
der MaRisk führen jedoch zu einem hohen administrativen
Ausgestaltung von Meldepflichten gegenüber Aufsichts-
einrichtungen oder Vorgaben für die Identifizierung von
Kunden einheitlich gelten. Lediglich im Bereich von Or-
ganisationspflichten, insbesondere zur Einrichtung einer
Compliance- oder Risikokontrollfunktion, sind Unterschie-
de mit Blick auf die jeweilige Institutsgröße denkbar.
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 35
Aufwand und bedeuten im Einzelfall, dass spezialisiertes
Know-how weiter vorgehalten werden muss und die Aus-
lagerung damit ad absurdum geführt wird. Ferner sollte es
kleineren Instituten gestattet sein, einfachere Risikomess-
verfahren auch um den Preis gewisser Unschärfen nutzen
zu dürfen. Wir begrüßen ausdrücklich die bisherigen An-
strengungen von Bundesregierung und Bundesbank und
unterstützen diese.
Ein weiterer Punkt betrifft die zusätzlichen Kapitalanfor-
derungen, die über den aufsichtlichen Bewertungs- und
Überprüfungsprozess SREP verhängt werden. Gerade für
kleinere Privatbanken ist es nicht ohne weiteres möglich,
in kurzer Zeit zusätzliches Kapital aufzunehmen bezie-
hungsweise durch Gewinnthesaurierung zu erzeugen. Zu
hohe Kapitalanforderungen begrenzen jedoch das Wachs-
tum von diesen Instituten und damit deren Möglichkeiten,
die deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Aus unserer Sicht
sollten die ohnehin schon hohen Kapitalanforderungen
der Säule I nicht noch durch zusätzliche Kapitalanforde-
rungen über die Säule II unangemessen erhöht werden.
Auch sollte sichergestellt werden, dass deutsche Institute
im Vergleich zu anderen europäischen Banken nicht stren-
ger beurteilt und damit benachteiligt werden.
Befreiender IFRS-Einzelabschluss
Auch in Deutschland sollte die Option bestehen, den Ein-
zelabschluss nach internationalen Rechnungslegungs-
grundsätzen (IFRS – International Financial Reporting
Standards) mit befreiender Wirkung aufstellen zu dürfen.
Ein befreiender IFRS-Einzelabschluss würde insbesondere
bei denjenigen Unternehmen, die in einen IFRS-Konzern-
abschluss einbezogen werden, zu erheblichen Kostenein-
sparungen und einem deutlichen Abbau bürokratischer
Lasten führen. In vielen Ländern der Europäischen Union
sind die IFRS bereits als Rechnungslegungsstandards so-
wohl für den Einzel- als auch für den Konzernabschluss zu-
gelassen. Die Einführung eines Wahlrechts in Deutschland
würde zu gleichen Wettbewerbsbedingungen innerhalb
der EU, einer Komplexitätsreduzierung, einer verbes-
serten internationalen Vergleichbarkeit und einer einfa-
cheren Kommunikation führen. Im Zusammenhang mit
Bekämpfung von Geldwäsche und Schwerkriminalität:
Maß und Mitte halten, digitale Bankdienstleistungen
ermöglichen.
Bekämpfung Terrorismusfinanzierung und Geldwäsche
Der Bankenverband unterstützt seit jeher zielführende
und angemessene Maßnahmen zur Bekämpfung von
Terrorismusfinanzierung, Geldwäsche und organisierter
Schwerstkriminalität. Zugleich setzt er sich nachdrücklich
für zeitgemäße Rahmenbedingungen für die Fortentwick-
lung von Bankdienstleistungen im digitalen Umfeld ein.
Die Gesetzgeber haben in der ausgehenden 18. Wahl-
periode des Deutschen Bundestages sowohl in Deutsch-
land als auch auf EU-Ebene ebenfalls beide Zielsetzungen
verfolgt. Sie haben sich jedoch in zentralen Punkten von
äußeren Anlässen zu überzogenen und teils widersprüch-
lichen Regelungen verleiten lassen. Als Beispiele seien der
Entwurf einer Änderungsrichtlinie zur 4. EU-Geldwäsche-
Richtlinie und national das Steuerumgehungsbekämp-
fungsgesetz genannt. Beide Regulierungsvorgaben gehen
insbesondere bei der Erhebung von Daten über den so
genannten „wirtschaftlich Berechtigten“ massiv über das
bisher geltende risikoorientierte Recht hinaus. Nament-
lich wird der Kundenannahmeprozess allgemein mit weit
überzogenen bürokratischen Prüfprozeduren belastet;
darüber hinaus wird die angestrebte medienbruchfreie
Kundenannahme über das Internet – ein wesentlicher
Innovationsschritt im digitalen Bankgeschäft – in Frage
gestellt. Der Gesetzgeber muss an dieser Stelle in der
kommenden Legislaturperiode dringend für eine Reduzie-
rung der bürokratischen Lasten der Kreditwirtschaft und
für Konsistenz der Vorschriften sorgen. Zudem müssen
auch in diesem Rechtsbereich Regelungen gefunden
werden, die im Internetzeitalter zeitgemäß sind. Hierfür
wäre eine gemeinsame Überprüfung mit Praktikern aus
dem Finanzsektor hilfreich.
5
dem Brexit spielt ein IFRS-Einzelabschluss mit befreiender
Wirkung eine bedeutsame Rolle, um den Finanzstandort
Frankfurt für ausländische Banken attraktiver zu machen.
36 Wirtschaftspolitische Positionen
Bewährte Finanzierungsstrukturen erhalten – neue
Chancen eröffnen. Verbriefungsmärkte sind als Voraus-
setzung zum Erhalt der klassischen Kreditfinanzierung
unverzichtbar.
Lage der Unternehmensfinanzierung
Trotz weltwirtschaftlicher Unsicherheiten ist die Lage
der Unternehmensfinanzierung in weiten Teilen der
deutschen Wirtschaft sehr gut. Die traditionell stabi-
len, langfristigen Bank-Kunde-Beziehungen haben sich
bewährt. Diese Finanzierungskultur muss auch für die
Zukunft gesichert bleiben. Die Auswirkung der in Kraft
getretenen Banken- und Finanzmarktregulierung auf die
Finanzierung der Wirtschaft wird derzeit noch überlagert
von begünstigenden Faktoren (Niedrigzinsphase, verhal-
tene Kreditnachfrage, gute Situation/geringe Risiken der
Unternehmen). Dies gilt es bei weiteren Regulierungs-
schritten zu beachten. Die langfristig zu erwartenden
Veränderungen in der Unternehmensfinanzierung müs-
sen im Blick behalten werden. Die erhöhten Eigenkapi-
talanforderungen an die Banken werden die Spreizung
der Konditionen zwischen bonitätsstarken und boni-
tätsschwachen Unternehmen verstärken. Bei Bedarf ist
gegenzusteuern.
Kapitalmarkt
Die von der Europäischen Kommission angestrebte Ka-
pitalmarktunion muss auf einen effizienten, starken
Bankensektor aufsetzen. Banken erfüllen dabei eine
Intermediärsfunktion, die für Stabilität in der Unterneh-
mensfinanzierung sorgt. Dies gilt gerade auch für die
Begleitung von mittleren und großen Unternehmen an
den Kapitalmarkt. Banken als Intermediär nehmen die
zentrale Aufgabe der individuellen Risikoprüfung wahr.
Effiziente Verbriefungsmärkte sind eine notwendige Vo-
raussetzung, um die Kreditfinanzierung (auch kleiner Un-
ternehmen) mit dem Kapitalmarkt sinnvoll zu verknüpfen.
Eine neue Bundesregierung ist aufgefordert, in Brüssel
die bislang eher zögerlichen ersten Schritte in Sachen
Kapitalmarktunion voranzutreiben, erst Recht vor dem
Hintergrund der Brexit-Folgen.
Schwerpunkte der Förderpolitik müssen überprüft
und da wo erforderlich neu definiert werden. Hermes-
Instrumentarium einschließlich der Refinanzierungsins-
trumente fortlaufend weiterentwickeln.
Förderpolitik
Unternehmen in Deutschland steht eine ausdifferen-
zierte und stark arbeitsteilige Förderlandschaft zur
Verfügung, die international als vorbildlich gilt und
in ihrer Struktur erhalten bleiben muss. Das bewährte
Hausbankprinzip sichert die Qualität der Kreditvergabe
im Fördergeschäft und belässt das Risiko grundsätzlich
im Geschäftsbankenbereich. Ohne diese Risikoüber-
nahme durch die Hausbank wäre ein so umfassendes
Förderangebot wie in Deutschland für die öffentlichen
Hände nicht darstellbar. Dieser Grundsatz der Subsidi-
arität darf auch mit fortschreitender Digitalisierung des
Fördergeschäfts nicht in Frage gestellt werden.
Durch die regulatorisch bedingte Verdrängung der Ban-
ken aus wichtigen Finanzierungsbereichen (wie z. B.
Langfristfinanzierung und bei besonderen Risiken) wird
die Bedeutung von Förderinstrumenten weiter steigen.
Den Auswirkungen einer strengeren Regulierung in
der Breite über öffentliche Förderung zu begegnen, ist
jedoch problematisch. Förderinstrumente sollen den
klassischen Bankkredit ergänzen und ihn nicht erset-
zen. Notwendig ist daher eine Regulierung mit Augen-
maß, die es Banken ermöglicht, ihrer Verantwortung
gegenüber der Wirtschaft umfassend nachzukommen.
Überdies müssen Förderschwerpunkte überprüft und
falls nötig neu definiert werden. Neben der allgemei-
nen Mittelstandsfinanzierung, Gründung, Innovation
sowie Energie und Umwelt ist die Digitalisierung für
die Unternehmen zentral und muss als Förderschwer-
punkt stärker als bislang adressiert werden. Förderin-
strumente müssen besser untereinander verzahnt und
entbürokratisiert werden.
Exportfinanzierung
Wie in keinem anderen Land der Welt hängen unser
wirtschaftlicher Wohlstand sowie die Lage am Arbeits-
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 37
markt vom Außenhandel ab und sind nicht zuletzt
Ergebnis der Exportstärke der deutschen Wirtschaft.
Die Banken begleiten deutsche Unternehmen bei ihren
Exporten indem sie die internationalen Zahlungsströ-
me abwickeln, wirtschaftliche und politische Risiken
absichern, sowie maßgeschneiderte Finanzierungen
bereitstellen.
Im kurzfristigen Handelsgeschäft unterstützen die
Banken gemeinsam mit ihren Korrespondenzbanken
in den Zielländern die internationalen Handelsaktivi-
täten der Unternehmer mit Zahlungsabwicklungs- und
Absicherungsinstrumenten, bspw. Akkreditiven oder
Garantien.
Kreditinstitute unterliegen richtigerweise im Rah-
men der geltenden rechtlichen und aufsichtlichen
Vorgaben zur Bekämpfung von Geldwäsche und Ter-
rorismusfinanzierung sowie der Einhaltung von Sank-
tionen vielfältigen Pflichten. Diese führen vor allem
auch im Außenhandelsgeschäft zu einem erheblichen
Mehraufwand. Im Hinblick auf ein einheitliches level-
playing-field sollte darauf geachtet werden, dass diese
Maßnahmen und Pflichten, die wichtig für eine glo-
balisierte Wirtschaft sind, auf internationaler Ebene
einheitlich durch- und umgesetzt werden.
Die Exportkreditgarantien des Bundes, die sogenann-
ten Hermesdeckungen, unterstützen Industrie und
Handel besonders bei ihren Geschäften mit Schwellen-
und Entwicklungsländern und helfen so, Arbeitsplätze
in der deutschen Exportwirtschaft und ihren Zuliefer-
betrieben zu schaffen und zu sichern.
Die deutsche Exportwirtschaft konkurriert mit Anbie-
tern aus der OECD und zunehmend aus Nicht-OECD-
Staaten. Die Möglichkeit, attraktive Finanzierungen
anzubieten, ist immer mehr zu einem Erfolgsfaktor
geworden. In vielen Ländern ist die staatliche Export-
kreditversicherung im Hinblick auf internationale
Wertschöpfungsketten flexibler, was zu Wettbewerbs-
nachteilen für deutsche Unternehmen und die sie be-
gleitenden Banken führt. Zudem wurden bislang die
Auswirkungen der umfassenden Bankenregulierung
auf die Exportwirtschaft und ihre Belange in Finanzie-
rungsfragen zu wenig berücksichtigt.
Damit die Banken weiterhin Exportfinanzierungen in
einem sich verschärfenden internationalen Wettbe-
werbsumfeld sowie anspruchsvolleren Regulierungs-
gefüge anbieten können, sollte das Hermes-Instrumen-
tarium einschließlich der Refinanzierungsinstrumente
fortlaufend weiterentwickelt werden. Gleichzeitig
sollte der Bund eine konsistente und praxisorientier-
te Handhabung des Instruments sicherstellen. So die-
nen Hermes-Deckungen in erster Linie der Exportför-
derung und sollten nicht mit zusätzlichen Zielen und
Anforderungen überfrachtet werden.
5
38 Wirtschaftspolitische Positionen
In der Unternehmensbesteuerung sind weiterhin durch-
greifende strukturelle Reformen erforderlich. Die Ein-
führung einer Vermögensteuer oder Vermögensabgabe
wäre kontraproduktiv. Die Abgeltungsteuer muss er-
halten bleiben. Eine Finanztransaktionssteuer ist strikt
abzulehnen.
Unternehmenssteuerrecht
Die Unternehmenssteuerreform 2008 hat mit der Ab-
senkung der nominalen Steuerbelastung auf rund
30 % einschließlich Gewerbesteuer ein positives Signal
gesetzt. Die grundlegenden Probleme der deutschen
Unternehmensbesteuerung bestehen jedoch fort: Das
sind insbesondere die Regelungen, die zu einer im-
mer weiteren, nicht sachgerechten Verbreiterung der
Ertragsteuerbemessungsgrundlagen zulasten der Un-
ternehmen geführt haben. Auch die erforderliche Mo-
dernisierung des deutschen Außensteuerrechts wurde
nicht vorgenommen. Wir erwarten von einer neuen
Bundesregierung, dass die Steuerpolitik in der neuen
Wahlperiode wieder eine deutlich stärkere Aufmerk-
samkeit bekommt.
Insbesondere sollte die aus fiskalischen Gründen vor ei-
nigen Jahren eingeführte sog. Mindestgewinnbesteue-
rung zunächst abgemildert und mittelfristig wieder ab-
geschafft werden. Auch sie stellt eine Sonderbelastung
der in Deutschland ansässigen Unternehmen dar. Glei-
ches gilt für die gewebesteuerlichen Hinzurechnungen.
Die deutsche Gewerbesteuer ist ohnehin ein Sonder-
weg und zugleich Hemmnis bei den Bemühungen
nach einer einheitlichen Steuerbemessungsgrundlage
in Europa. Langfristig führt auch deshalb am Ersatz der
Gewerbesteuer durch eine zudem für die Kommunen
stabilere Einnahmequelle kein Weg vorbei. Die aktuel-
len Bestrebungen des Bundesrates zur Verhinderung
des Wettbewerbs der Kommunen um günstige gewer-
besteuerliche Standortbedingungen sehen wir kritisch,
auch weil sie das Steuerrecht noch weiter verkomplizie-
ren und streitanfällig machen würden.
Substanzbesteuerung
Der Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit erfordert an einem
Standort wie Deutschland mit hohen Lohn- und Pro-
duktionskosten moderne und effiziente Produktions-
stätten. Diese sollten neben den bereits bestehenden
Substanzsteuern (z. B. Erbschaftsteuer, Grundsteuer)
nicht mit weiteren an der Substanz zehrenden Steuern
oder Abgaben, wie etwa einer Vermögensteuer belastet
werden. Mit derartigen zusätzlichen Belastungen würde
es den Unternehmen hierzulande erschwert, Investiti-
onen zu tätigen und in neue Arbeitsplätze oder in die
Aus- und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren.
Die anstehende Grundsteuerreform darf nicht zu einer
weiteren Erhöhung des Grundsteueraufkommens oder
zu einer Verschiebung der Steuerlasten hin zu den Un-
ternehmen führen.
Bankenabgabe
Seit 2010 leisten in Deutschland ansässige Kreditinsti-
tute Beiträge zum deutschen Restrukturierungsfonds
(sog. Bankenabgabe). Diese Beiträge können nach einer
eigens dafür geschaffenen Sonderregelung steuerlich
nicht geltend gemacht werden. Gleiches gilt für die seit
2016 in den europäischen Single Resolution Fund (SRF)
fließenden Bankenabgaben.
Aus dem steuerlichen Abzugsverbot ergibt sich eine
signifikante Benachteiligung der in Deutschland ansäs-
sigen Kreditinstitute gegenüber Instituten in anderen
(europäischen) Staaten. Dabei wäre die steuerliche Ab-
ziehbarkeit der Bankenabgabe kein Steuergeschenk.
Vielmehr würde damit dem allgemeinen Prinzip ent-
sprochen, nach dem nur das Nettoeinkommen der Be-
steuerung unterliegt, also das um betrieblich veranlass-
te Aufwendungen verminderte Einkommen.
Steuerpolitik
6 bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 39
Unsere deutliche Forderung lautet daher: Um dem Net-
toprinzip der Besteuerung zu genügen und zur Herstel-
lung gleicher Wettbewerbsbedingungen muss das in
Deutschland für die Bankenabgabe geltende Betriebs-
ausgabenabzugsverbot abgeschafft werden.
Internationales Steuerrecht
Die komplexen und vielschichtigen Rahmenbedingun-
gen, die die deutsche Steuergesetzgebung einengen,
sollten verstärkt im Rahmen der Gesetzgebung zum in-
ternationalen Steuerrecht beachtet werden. Zu nennen
sind hier zunächst das Verfassungsrecht, das mit dem
Gleichheitsgrundsatz und dem Grundsatz der Besteu-
erung nach der Leistungsfähigkeit konzeptionell und
folgerichtig auszugestaltende Maßstäbe setzt, und – in
seinen praktischen Auswirkungen immer wichtiger –
das Recht der Europäischen Union mit seinen Diskri-
minierungs- und Beschränkungsverboten sowie dem
Beihilfeverbot. Wieder stärker zu beachten sind das
DBA-Recht einschließlich der doppelbesteuerungsrecht-
lichen Diskriminierungsverbote sowie die Empfehlun-
gen der OECD zu international koordinierten Maßnah-
men im Sinne einer globalen Steuergerechtigkeit für
Staaten und Unternehmen.
So nachvollziehbar das Ziel der G20/OECD Maßnahmen
gegen eine Erosion der Bemessungsgrundlage und der
Gewinnverschiebung („Base Erosion and Profit Shifting“
[BEPS]) sowie der aktuellen Post-BEPS-Arbeiten ist, Steu-
erlücken zu schließen, gilt es gleichzeitig, auch eine
ungerechtfertigte Doppelbesteuerung zu Lasten von
Unternehmen, insbesondere Banken, zu vermeiden.
Missbrauchsbekämpfung
Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung
werden in ihrer Zielsetzung selbstverständlich unter-
stützt. Es ist jedoch zweifelhaft, ob das angedachte
Ziel mit deutlich erweiterten Meldepflichten für Steu-
erpflichtige und Kreditinstitute erreicht werden kann.
Anstatt Kreditinstituten die aufwändige Pflicht aufzuer-
legen, unbestimmt definierte Sachverhalte zu melden,
bei denen sie die Beziehung von Steuerpflichtigen zu
Drittstaatengesellschaften hergestellt oder vermittelt
haben, könnten Beteiligungen in solchen Staaten zu
melden sein, die nicht am internationalen automa-
tischen Informationsaustausch nach FATCA (Foreign
Account Tax Compliance Act) und nach CRS (Common
Reporting Standard) teilnehmen und die als nicht ko-
operierende Staaten qualifiziert werden. Hierfür könnte
an eine Liste angeknüpft werden, die aktuell von der
EU entwickelt wird. So könnte unnötiger Aufwand bei
den Kreditinstituten vermieden werden. Zudem ist es
unbedingt notwendig, bei der nationalen Umsetzung
der in der Diskussion befindlichen EU-Richtlinie zur Ein-
führung einer Meldepflicht für grenzüberschreitende
Gestaltungsmodelle nicht auch noch nationale Gestal-
tungen einzubeziehen.
Die Erweiterung der Legitimationsprüfung bei der
Kontoeröffnung ist abzulehnen. Durch das Steuerum-
gehungsbekämpfungsgesetz wurden die Pflichten zur
Feststellung der Identität auch auf wirtschaftlich Be-
rechtigte erweitert und eine Erhebung der Steuer-ID
des Kontoinhabers, aller Verfügungsberechtigten und
aller wirtschaftlich Berechtigten eingeführt. Die Kennt-
nis des Verfügungsberechtigten ist für die Besteuerung
der über ein Konto/Depot zufließenden Kapitaleinkünf-
te ohne Bedeutung. Auch im Rahmen des internationa-
len automatischen Informationsaustauschs (CRS) und
FATCA werden grundsätzlich nur der Kontoinhaber und
der wirtschaftlich Berechtigte erfasst. Die neue Rege-
lung ist nicht von der IV. Geldwäscherichtlinie gedeckt
und schießt weit über dieses Ziel hinaus, indem auch die
Steuer-ID der Verfügungsberechtigten erfasst wird und
damit Daten generiert werden, die nicht für das Besteu-
erungsverfahren benötigt werden. Für die Praxis ist es
unbedingt erforderlich, dass zumindest die momentan
von der Finanzverwaltung gewährten Praxiserleichte-
rungen für Legitimations-/Identifizierungszwecke auch
zukünftig gewährt werden.
Vorschläge hinsichtlich der Entziehung der Bankerlaub-
nis als „ultima ratio“ bei Steuerhinterziehungsdelikten
von Bankkunden lehnen wir ab. Denn schon das gelten-
6
40 Wirtschaftspolitische Positionen
de Kreditwesengesetz stellt ein umfangreiches Instru-
mentarium zur Reaktion auf strafbare Handlungen oder
deren vermeintliche Unterstützung durch Kreditinstitu-
te zur Verfügung. Dazu gehören die Abberufung von
Geschäftsleitern und als letztes Mittel bereits jetzt der
Erlaubnisentzug unter anderem bei Unzuverlässigkeit
der Geschäftsleiter und bei nachhaltigen Gesetzesver-
stößen (§§ 35, 36 KWG).
Steuerlicher Informationsaustausch
Der gemeinsame Meldestandard für den automatischen
Austausch von Finanzinformationen in Steuersachen
wurde innerhalb von weniger als zwei Jahren weltweit
erfolgreich eingeführt. Die Banken haben hierfür in
kurzer Zeit immense Anstrengungen erbracht und sehr
hohe finanzielle Aufwände in Kauf genommen. Bei et-
waigen Weiterentwicklungen dieses multilateralen In-
formationsaustauschsystems muss sichergestellt sein,
dass diese international koordiniert und sachgerecht
sind und keine singulären Erweiterungen auf nationaler
oder auf EU-Ebene erfolgen. Dabei müssen unnötige
bürokratische kostenträchtige Lasten für die Banken
vermieden werden.
Finanztransaktionssteuer
Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer, wie
sie derzeit auf EU-Ebene im Wege einer verstärkten
Zusammenarbeit von noch zehn Mitgliedstaaten erör-
tert wird, ist mit unkalkulierbaren Risiken behaftet. Im
Ergebnis würde sie – entgegen den Argumenten ihrer
Befürworter – nicht nur den Finanzsektor treffen, son-
dern alle Erwerber von Finanzprodukten, d. h. vor allem
Unternehmen der kreditnehmenden Wirtschaft und die
Sparer. Betroffen wären insbesondere der deutsche Mit-
telstand und die Exportwirtschaft, da sich sinnvolle und
notwendige Finanztransaktionen, wie Absicherungen
gegen Zins-, Währungs- und Rohstoffrisiken, verteuern
würden. In hohem Maße betroffen wäre aber auch die
betriebliche und private Altersvorsorge. Eine Finanz-
transaktionssteuer würde den Aufbau der privaten
Vermögensbildung beeinträchtigen und die staatliche
Förderung der privaten Altersvorsorge konterkarieren,
da sie finanzielle Anreize, die der Staat setzt, mitunter
überkompensiert. Wegen der Gefahr von Ausweichre-
aktionen, die gerade bei einer nur auf einige EU-Mit-
gliedstaaten beschränkten Finanztransaktionssteuer
unvermeidbar sind, würde die internationale Wett-
bewerbsfähigkeit nicht nur der Banken, sondern der
gesamten deutschen Wirtschaft stark beeinträchtigt.
Insgesamt birgt die Finanztransaktionssteuer unkalku-
lierbare Risiken für den Wirtschafts- und Finanzstand-
ort Deutschland. Ihre weitreichenden negativen Folgen
werden offenbar völlig unterschätzt. Vor diesem Hinter-
grund ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer
strikt abzulehnen.
Abgeltungsteuer
Das vor Einführung der Abgeltungsteuer zum 1. Januar
2009 geltende Recht zur Besteuerung von privaten Kapi-
talanlagen war für Bürger und Fiskus nicht mehr über-
schaubar und höchst gestaltungs- und streitanfällig.
Die pauschale Besteuerung der Erträge an der Quelle
durch die Kreditinstitute befreit die Kapitalanleger von
bürokratischen Steuererklärungspflichten und entlastet
den Fiskus von aufwändigen Veranlagungsarbeiten. Mit
der abschließenden Besteuerung an der Quelle besteht
kein Raum mehr für Ausweichreaktionen des Kapitalan-
legers, d. h. die Besteuerung der Erträge im Inland wird
so sichergestellt und die früher empfundene Ungerech-
tigkeit der Besteuerung beseitigt.
Es wäre eine unverantwortliche Verschwendung aus
rein populistischen Gründen, eine mit einem Aufwand
von vielen hundert Millionen Euro als Zukunftsinves-
tition von der Kreditwirtschaft mit internationalem
Modellcharakter umgesetzte Reform, die zudem in der
Praxis reibungslos und effektiv funktioniert, wieder
rückgängig zu machen. Durch die Besteuerung der Ka-
pitaleinkünfte mit dem „normalen“ Steuertarif würde
keine Gerechtigkeit, sondern nur eine Scheingerechtig-
keit hergestellt.
Der bestehende Abgeltungsteuersatz ist Teil eines mit
Bedacht ausgewählten ausgewogenen Gesamtkon-
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 41
zepts. Die pauschale Besteuerung von privaten Kapi-
talanlagen wurde in dieser Höhe insbesondere durch
die vollständige Einbeziehung von Wertpapierveräu-
ßerungs- und Termingeschäften, den Ausschluss des
Abzugs von Werbungskosten, dem Ausblenden der
steuerlichen Doppelbelastung von Aktien sowie der
Berücksichtigung der Inflationsanfälligkeit gerade von
längerfristigen Kapitalanlagen verfassungskonform
bestimmt. Dieses Konzept würde durch eine Erhöhung
des Abgeltungsteuersatzes konterkariert und die be-
schriebenen sinnvollen Maßnahmen müssten wieder
rückgängig gemacht werden. Insbesondere würde der
Vereinfachungseffekt der Abgeltungsteuer hinfällig,
da sehr viele Sparer bei einem höheren Steuerabzug
gezwungen wären, ihre Kapitalerträge wieder in der
normalen Einkommensteuer-Veranlagung zu deklarie-
ren, um ihren geringeren individuellen Steuersatz gel-
tend zu machen. Zudem ist (durch Studien des BMF und
namhafter Institute) die These widerlegt, dass bei einer
Rückkehr zum klassischen Steuertarif Steuermehrein-
nahmen entstehen würden.
Einkommensteuer
Die Belastung mit Steuern und Abgaben ist in Deutsch-
land weiterhin sehr hoch, insbesondere im mittleren
Einkommensbereich bis zu den Höchstgrenzen der So-
zialversicherungspflicht. Die Finanzpolitik sollte ihren
Spielraum nutzen und den Bürgern mehr finanziellen
Handlungsspielraum lassen. In einer umfassenden Ein-
kommensteuerreform sollten die kalte Progression ab-
gebaut, der Mittelstandsbauch gemildert und der Soli-
daritätsbeitrag abgeschafft, auf jeden Fall aber in den
regulären Einkommensteuertarif eingebaut werden.
Schon heute werden Einkommen ab rund 54.000 €,
also mittlere Einkommen, mit dem Spitzensteuersatz
in Höhe von 42 % zzgl. Solidaritätszuschlag und ggf.
Kirchensteuer belastet. Trotz schwindender Kaufkraft
der Einkommen ist die Grenze für diesen Spitzensteu-
ersatz nicht erhöht worden. Während er im Jahr 1965
erst beim 12-fachen des Durchschnittseinkommens
fällig wurde, greift der Spitzensteuersatz heute be-
reits beim 1,9-fachen des Durchschnittseinkommens.
Für hohe Einkommen ab rund 254.000 € beträgt der
Spitzensteuersatz derzeit sogar 45 % zzgl. Solidaritäts-
zuschlag und ggf. Kirchensteuer. Das sind insgesamt
rund 50 %. Hinzu kommt, dass die – am Einkommen
gemessen – oberen 10 % der Steuerpflichtigen mehr
als die Hälfte des gesamten Einkommensteueraufkom-
mens aufbringen. „Starke Schultern“ tragen daher be-
reits heute deutlich mehr Lasten.
Auch sehr viele mittelständische Personenunterneh-
mer wären von Einkommensteuererhöhungen betrof-
fen, denn in Deutschland sind mehr als 90 % der Unter-
nehmen Personenunternehmen. Auch deshalb lehnen
wir eine weitere Erhöhung des Spitzensteuersatzes ab
und fordern stattdessen eine grundlegende Korrek-
tur des Einkommensteuertarifverlaufs zum Abbau des
sog. Mittelstandsbauchs.
6
42 Wirtschaftspolitische Positionen
Impressum
Herausgeber Bundesverband deutscher Banken e. V.
Postfach 040307, 10062 Berlin
Verantwortlich Michael Kemmer
Druck PieReg Druckcenter Berlin GmbH
Gestaltung doppel:punkt redaktionsbüro janet eicher, Bonn
Fotos Wiktor Dabkowski, Jochen Zick, action press
Ann-Christine Krings, PHOTOGRAPHY
Die Hoffotografen
Gedruckt August 2017
bankenverband
Wirtschaftspolitische Positionen 43
So erreichen Sie den Bankenverband
Per Post: Bundesverband deutscher Banken Postfach 04030710062 Berlin
Per E-Mail:[email protected]
Im Internet:bankenverband.de
Per Fax: +49 30 1663-1399
Per Telefon:+49 30 1663-0
Scannen Sie diesen QR-Code für weitere Informationen zum Bankenverband.
Social Media:
www.twitter.com/bankenverband
www.youtube.com/user/bankenverb
www.flickr.com/photos/bankenverband