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DOI: 10.1002/ckon.201310198 Grɒn, gelb, rot – Das Ampel-Thermochrom Sabine Nick* [a] und Gerda Ledwig* [a] Stichworte: Ampel-Thermochromie · Bis(diethylammonium)- tetrachloridocuprat · Komplex-Chemie 1. Einleitung Thermochrome sind Verbindungen, die in AbhȨngigkeit von der Temperatur ihre Farbe reversibel Ȩndern. Im Falle von an- organischen Verbindungen ist der temperaturbedingte Farb- wechsel zumeist auf eine Ɛnderung in der KoordinationssphȨ- re des Metallzentrums zurɒckzufɒhren, beispielsweise durch den Austausch von Liganden, durch eine Ɛnderung der Koor- dinationsgeometrie oder auch durch beides [1]. Bekannte Bei- spiele anorganischer Festkçrper-Thermochrome sind Queck- silber(II)-iodid, Cadmiumsulfid oder Zinkoxid (Abb. 1 und 2). Als ein besonders eindrɒckliches Beispiel fɒr einen reversi- blen Ligandenaustausch kçnnen die Komplexe von zweiwerti- gem Cobalt in salzsaurer Lçsung genannt werden. Hier wird ein temperaturabhȨngiges Gleichgewicht zwischen dem rosa gefȨrbten Hexaaquakomplex und dem blauen Tetrachlorido- komplex beobachtet. Der Farbwechsel beruht auf einer Ɛnde- rung der oktaedrischen Koordinationsgeometrie mit einer Hauptabsorption bei 20000 cm 1 in eine tetraederfçrmige An- ordnung, die bei 13 000 cm 1 ihre Hauptabsorption zeigt (Abb. 3) [3]. ½CoðH 2 OÞ 6 2þ þ 4 Cl G DT H ½CoCl 4 2 þ 6H 2 O Thermochrome Phasenumwandlungen im Festkçrper lassen sich auch bei einigen Komplexsalzen des zweiwertigen Kup- fers und Nickels beobachten [4]. Ein schçnes Beispiel dieser Gruppe ist Bis(diethylammonium)tetrachloridocuprat, (C 2 H 5 ) 2 N) 2 CuCl 4 , welches sich aus mindergefȨhrlichen Stoffen leicht herstellen lȨsst und damit auch hervorragend als Schɒ- lerexperiment geeignet ist [5–8]. Das thermochrome Verhal- ten dieser Verbindung kann schon bei ErwȨrmung mit einem gewçhnlichen Haarfçn beobachtet werden, da der reversible Phasenɒbergang bereits bei einer Temperatur von etwa 50 8C stattfindet (Abb. 4) [8]. Bei 82– 83 8C schmilzt die Verbindung zu einer roten Flɒssigkeit, die dann wieder, entsprechend der Stufenregel nach Ostwald, ɒber die gelbe Form letztendlich als grɒne Modifikation erstarrt. Der reversible Farbwechsel lȨsst sich auch sehr schçn beob- achten, wenn ein Porzellantiegel von außen mit einer Klar- lack-Farbe dieser Verbindung angemalt wird. Nach dem Trocknen im Exsikkator kann durch Einfɒllen von heißem Wasser, die Funktion einer thermochromen Beschichtung von Tassen eindrɒcklich simuliert werden (Abb. 5). Der Farbwechsel beruht auf einer Ɛnderung der Koordinati- onsgeometrie der Kupfer-Kationen im Festkçrper, wodurch sich die Ligandenfelder und damit die Farbe Ȩndert [3]. In der grɒnen Form liegen in der Elementarzelle drei unabhȨngige Kupferatome vor, von denen eines eine quadratisch-planare Koordination aufweist, die beiden anderen stark verzerrte und gestauchte Tetraeder ausbilden. In der gelben Hochtempera- Abb. 3: Cobalt(II)-chlorid in salzsaurer wȨssriger Lçsung (links: bei Raumtem- peratur, rechts: nach dem ErwȨrmen) Abb. 4: Thermochromes Verhalten von Bis(diethylammonium)tetra- chloridocuprat beim ErwȨrmen im Porzellantiegel in einem Wasser- bad (Umwandlungs- und Schmelztemperatur experimentell bestimmt mit einer Apparatur nach Totolli) Abb. 1: Nachweis von Cadmium als thermochromes Cadmiumsulfid mit Hilfe der Glɒhrçhrchenprobe [2] (oben: bei Raumtemperatur, unten: nach dem Erhitzen in noch heißem Zustand) Abb. 2: Thermochromes Verhalten von Zinkoxid (links: Raumtempe- ratur, Mitte: beim Aufheizen, rechts: nach Erhitzen) [a] PD Dr. S. Nick, G. Ledwig Leibniz-Institut fɒr die PȨdagogik der Naturwissenschaften und Mathematik Olshausenstr. 62 24118 Kiel * E-Mail: [email protected] [email protected] Abb. 5: Ein mit einer Mischung aus Bis(diethylammonium)tetrachlo- ridocuprat und Klarlack behandelter Porzellantiegel als thermochro- mer „Becher“ CHEMKON 2013, 20, Nr. 2, 85 – 86 # 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 85 DAS EXPERIMENT

Grün, gelb, rot - Das Ampel-Thermochrom

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Page 1: Grün, gelb, rot - Das Ampel-Thermochrom

DOI: 10.1002/ckon.201310198

Gr�n, gelb, rot – Das Ampel-ThermochromSabine Nick*[a] und Gerda Ledwig*[a]

Stichworte: Ampel-Thermochromie · Bis(diethylammonium)-tetrachloridocuprat · Komplex-Chemie

1. Einleitung

Thermochrome sind Verbindungen, die in Abh�ngigkeit vonder Temperatur ihre Farbe reversibel �ndern. Im Falle von an-organischen Verbindungen ist der temperaturbedingte Farb-wechsel zumeist auf eine �nderung in der Koordinationssph�-re des Metallzentrums zur�ckzuf�hren, beispielsweise durchden Austausch von Liganden, durch eine �nderung der Koor-dinationsgeometrie oder auch durch beides [1]. Bekannte Bei-spiele anorganischer Festkçrper-Thermochrome sind Queck-silber(II)-iodid, Cadmiumsulfid oder Zinkoxid (Abb. 1 und 2).Als ein besonders eindr�ckliches Beispiel f�r einen reversi-blen Ligandenaustausch kçnnen die Komplexe von zweiwerti-gem Cobalt in salzsaurer Lçsung genannt werden. Hier wirdein temperaturabh�ngiges Gleichgewicht zwischen dem rosagef�rbten Hexaaquakomplex und dem blauen Tetrachlorido-komplex beobachtet. Der Farbwechsel beruht auf einer �nde-rung der oktaedrischen Koordinationsgeometrie mit einerHauptabsorption bei 20000 cm�1 in eine tetraederfçrmige An-ordnung, die bei 13000 cm�1 ihre Hauptabsorption zeigt(Abb. 3) [3].

½CoðH2OÞ6�2þ þ 4 Cl� GDT

H½CoCl4�2� þ 6 H2O

Thermochrome Phasenumwandlungen im Festkçrper lassensich auch bei einigen Komplexsalzen des zweiwertigen Kup-fers und Nickels beobachten [4]. Ein schçnes Beispiel dieserGruppe ist Bis(diethylammonium)tetrachloridocuprat,(C2H5)2N)2CuCl4, welches sich aus mindergef�hrlichen Stoffen

leicht herstellen l�sst und damit auch hervorragend als Sch�-lerexperiment geeignet ist [5–8]. Das thermochrome Verhal-ten dieser Verbindung kann schon bei Erw�rmung mit einemgewçhnlichen Haarfçn beobachtet werden, da der reversiblePhasen�bergang bereits bei einer Temperatur von etwa 508Cstattfindet (Abb. 4) [8]. Bei 82–838C schmilzt die Verbindungzu einer roten Fl�ssigkeit, die dann wieder, entsprechend derStufenregel nach Ostwald, �ber die gelbe Form letztendlichals gr�ne Modifikation erstarrt.

Der reversible Farbwechsel l�sst sich auch sehr schçn beob-achten, wenn ein Porzellantiegel von außen mit einer Klar-lack-Farbe dieser Verbindung angemalt wird. Nach demTrocknen im Exsikkator kann durch Einf�llen von heißemWasser, die Funktion einer thermochromen Beschichtung vonTassen eindr�cklich simuliert werden (Abb. 5).Der Farbwechsel beruht auf einer �nderung der Koordinati-onsgeometrie der Kupfer-Kationen im Festkçrper, wodurchsich die Ligandenfelder und damit die Farbe �ndert [3]. In dergr�nen Form liegen in der Elementarzelle drei unabh�ngigeKupferatome vor, von denen eines eine quadratisch-planareKoordination aufweist, die beiden anderen stark verzerrte undgestauchte Tetraeder ausbilden. In der gelben Hochtempera-

Abb. 3: Cobalt(II)-chlorid in salzsaurerw�ssriger Lçsung (links: bei Raumtem-peratur, rechts: nach dem Erw�rmen)

Abb. 4: Thermochromes Verhalten von Bis(diethylammonium)tetra-chloridocuprat beim Erw�rmen im Porzellantiegel in einem Wasser-bad (Umwandlungs- und Schmelztemperatur experimentell bestimmtmit einer Apparatur nach Totolli)

Abb. 1: Nachweis von Cadmium alsthermochromes Cadmiumsulfid mitHilfe der Gl�hrçhrchenprobe [2](oben: bei Raumtemperatur, unten:nach dem Erhitzen in noch heißemZustand)

Abb. 2: Thermochromes Verhalten von Zinkoxid (links: Raumtempe-ratur, Mitte: beim Aufheizen, rechts: nach Erhitzen)

[a] PD Dr. S. Nick, G. LedwigLeibniz-Institut f�r die P�dagogik der Naturwissenschaften undMathematikOlshausenstr. 6224118 Kiel* E-Mail: [email protected]

[email protected]

Abb. 5: Ein mit einer Mischung aus Bis(diethylammonium)tetrachlo-ridocuprat und Klarlack behandelter Porzellantiegel als thermochro-mer „Becher“

CHEMKON 2013, 20, Nr. 2, 85 – 86 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim 85

DAS EXPERIMENT

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turform finden sich in der Elementarzelle zwei unabh�ngigeKupferatome, die beide eine (verzerrt) tetraedrische Koordi-nation besitzen (Abb. 6 und 7) [6–8].

Versuch 1: Herstellung von Bis(diethylammonium)tetra-chloridocuprat

Ger�te: 2 100-mL-Erlenmeyerkolben, Magnetr�hrer mit Ma-gnetr�hrst�bchen, 25-mL-Messzylinder, 5-mL-Messpipette,10-mL-Messpipette, Plastiksch�ssel, Glasstab, Vakuumpumpe,Saugflasche, B�chner-Trichter, Papierfilter (2 passende Rund-filter), Exsikkator mit Trockenmittel, SpatelChemikalien: Diethylammoniumchlorid, (C2H5)2NH2Cl, Kup-fer(II)-chlorid, CuCl2 (wasserfrei oder als Dihydrat) (umwelt-gef�hrdend, gesundheitssch�dlich), Ethanol (brandfçrdernd),2-Propanol (brandfçrdernd, gesundheitssch�dlich), Ethylace-tat (brandfçrdernd, gesundheitssch�dlich), Eis zum K�hlen,destilliertes WasserDurchf�hrung: In einem Erlenmeyerkolben werden 2,2 g(20 mmol) Diethylammoniumchlorid mit 15 mL 2-Propanolversetzt und unter leichtem Erw�rmen auf der Heizplatte desMagnetr�hrers in Lçsung gebracht. In einem zweiten Erlen-meyerkolben werden 1,72 g (10 mmol) Kupfer(II)-chlorid-Di-hydrat oder 1,4 g (10 mmol) dehydratisiertes Kupfer(II)-chlo-rid (s. Hinweise) mit 3 mL Ethanol aufgeschl�mmt und nachZugabe eines Magnetr�hrst�bchens unter R�hren und leich-tem Erw�rmen ebenfalls in Lçsung gebracht. Die Lçsung desAmmoniumsalzes wird in die Kupfer(II)-chlorid-Lçsung gege-ben und mit einer Mischung aus 2 mL 2-Propanol und 8 mLEthylacetat versetzt. Die Mischung wird f�r 3–4 Minutenunter leichtem Erw�rmen ger�hrt und anschließend aufRaumtemperatur abgek�hlt. Zur Kristallisation wird der Er-lenmeyerkolben in eine Sch�ssel mit Eis gestellt.Der ausgefallene Feststoff wird mit Hilfe eines B�chnertrich-ters abfiltriert, dreimal mit etwa 10 mL Ethylacetat gewa-schen, bis der Feststoff homogen aussieht und zum Trocknen�ber Trockenperlen in den Exsikkator gestellt. Die Ausbeutebetr�gt 2,74 g (theoretisch: 2,80 g, 97,8%) (Abb. 8).

Hinweise: Das thermochrome Produkt ist hydrolyseempfind-lich und lçst sich sehr leicht in Wasser. Es sollte daher im Ex-sikkator �ber Trockenmittel aufbewahrt werden. Um weitge-hend wasserfrei zu arbeiten, kann auch hydratwasserfreiesKupferchlorid verwendet werden. Zum Entw�ssern wird Kup-fer(II)-chlorid-Dihydrat im Trockenschrank bei einer Tempe-ratur von 130–150 8C gehalten, bis es eine braun-gelbe Farbeaufweist. Soll eine thermochrome Farbe angemischt werden,so muss in jedem Fall ein wasserfreier Farbtr�ger, z.B. Klar-lack, verwendet werden.

Literatur

[1] Day, J. H. (1968). Thermochromism of Inorganic Compounds.Chem. Rev. 68, 649–657.

[2] Jander, G., Blasius, E., Str�hle, J., Schweda, E. (1995). Lehrbuchder analytischen und pr�parativen anorganischen Chemie. 14. Auf-lage, Hirzel Verlag, Stuttgart, S. 487.

[3] Holleman, A. F., Wiberg, Nils (1995). Lehrbuch der AnorganischenChemie. 101. Auflage. De Gruyter Verlag, Berlin, S. 1559–1560.

[4] Bloomquist, D. R., Willett, R. D. (1982). Thermochromic PhaseTransistions in Transition Metal Salts. Coord. Chem. Rev. 47,125–164.

[5] Choi, S., Larrabee, J. A. (1989). Thermochromic Tetrachloroupra-te(II). J. Chem. Educ. 66, 774–776.

[6] Strasser, C. E., Cronje, S., Raubenheimer, H. G. (2007). The Low-Temperature Phase of Diethylammonium Tetrachloridocuprate(II).Acta Cryst. E 63, m2915–m2916.

[7] Willett, R. D., Twamley, B. (2007). Bis(diethylammonium) Tetra-chloridocuprate(II). Acta Cryst. E 63, m2591.

[8] Bloomquist, D. R., Pressprich, M. R., Willett, R. D. (1988). Ther-mochromism in Copper(II) Halide Salts. 4. [(C2H5)2NH2]2CuCl4,Structure of the High-Temperature Phase and Physical Charac-terization of Its Two Phases. J. Am. Chem. Soc. 110, 7391–7398.

Eingegangen am 12. Juli 2012Angenommen am 16. Oktober 2012Online verçffentlicht am 4. April 2013

Abb. 8: Synthese von Bis(diethylammonium)tetrachloridocuprat:Edukte (1), Lçsungen der Edukte (2), Reaktionsmischung (3)sowie abfiltriertes Produkt (4)

Abb. 7: Ausschnitt aus der Kristallstruktur der gelben Hochtem-peraturform: Blick entlang b mit Bezeichnung der Kupferatome(A), gleicher Ausschnitt mit Tetrachloridocuprat-Polyedern (B)sowie die beiden unabh�ngigen Kupferatome mit ihrer Chlorido-Koordinationssph�re (C). (Zur besseren �bersicht sind die Was-serstoffatome weglassen).

Abb. 6: Ausschnitt aus der Kristallstruktur der gr�nen Tieftempe-raturform: Blick entlang a mit Bezeichnung der Kupferatome (A),gleicher Ausschnitt mit Tetrachloridocuprat-Polyedern (B) sowiedie drei unabh�ngigen Kupferatome mit ihrer Chlorido-Koordina-tionssph�re (C). (Zur besseren �bersicht sind die Wasserstoff-atome weglassen.)

86 � 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim CHEMKON 2013, 20, Nr. 2, 85 – 86

DAS EXPERIMENT Nick, Ledwig