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Gabriel Schwaderer 82 Die Balkan-Halbinsel ist einer der Hot Spots der Biodiversität in Euro- pa. Die Grenzregionen des Eisernen Vorhangs sind hierbei von besonderer Bedeutung, da sie während des Kal- ten Kriegs kaum genutzt und teilweise nur von autorisierten Personen betre- ten werden durften. Der qualifizierte Schutz dieser hochwertigen Natur- und Kulturlandschaften, die sich in Südosteuropa entlang des Grünen Bands wie Perlen auf einer Kette an- einanderreihen, ist das zentrale Ziel der Naturschutzaktivitäten am Grü- nen Band Balkan. Es geht dabei nicht nur um den Grenzstreifen im engeren Sinne, sondern um einen wesentlich breiteren Korridor. Die EuroNatur Stiftung setzt sich seit 1990 für den Schutz des Naturerbes auf dem Balkan und insbesondere entlang des Grünen Bands ein. Seit 2004 hat die Stiftung als regiona- ler Koordinator für das Grüne Band im Südosten Europas Verantwortung übernommen. Die Vision von EuroNa- tur ist, dass sich am Grünen Band auf dem Balkan ein Schutzgebiet an das nächste reiht und somit ein umfas- sender Biotopverbund gesichert wird. Die bereits bestehenden und noch zu schaffenden Schutzgebiete sind dabei als die Kerngebiete zu sehen und das sie verbindende Grüne Band als öko- logischer Korridor. Derzeit haben die Schutzbemühun- gen für das Bojana-Buna-Delta und den größten See auf dem Balkan, den Skutari-See, im Grenzgebiet zwischen Albanien und Montenegro ebenso höchste Priorität wie der qualifizierte Schutz der letzten Rückzugsgebiete des Balkanluchses, einer stark vom Aussterben bedrohten Unterart des Eurasischen Luchses, im Grenzge- biet zwischen Albanien, dem Kosovo, Grünes Band Balkan – Rettung für bedrohte Paradiese? Gabriel Schwaderer Der Eiserne Vorhang trennte nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa über Jahrzehnte in Ost und West. Im Südosten Europas war die Situation sogar etwas komplizierter. Auf der Balkan-Halbinsel verlief die Trennlinie zwischen den Ost- blockstaaten Ungarn, Rumänien und Bulgarien auf der einen und dem blockfreien Jugoslawien auf der anderen Seite. Im Süden trennte der Eiserne Vorhang Bulga- rien und Griechenland. Zudem hatte sich Albanien vollständig isoliert und seine Außengrenze war streng gesichert. Ziel der Initiative „Grünes Band Europa“ ist es, aus diesen einst trennenden Grenzen ein verbindendes grünes Band zu entwickeln und einen einzigartigen ökologischen Korridor quer durch Europa zu schaffen. Auf der Balkan-Halbinsel soll dies auf einer Strecke von mehr als 3.000 Kilometern Länge gelingen.

Grünes Band Balkan – Rettung für bedrohte Paradiese? · aus diesen einst trennenden Grenzen ein verbindendes grünes Band zu entwickeln ... von der Barentssee im Norden bis zur

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Gabriel Schwaderer

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Die Balkan-Halbinsel ist einer der Hot Spots der Biodiversität in Euro-pa. Die Grenzregionen des Eisernen Vorhangs sind hierbei von besonderer Bedeutung, da sie während des Kal-ten Kriegs kaum genutzt und teilweise nur von autorisierten Personen betre-ten werden durften. Der qualifizierte Schutz dieser hochwertigen Natur- und Kulturlandschaften, die sich in Südosteuropa entlang des Grünen Bands wie Perlen auf einer Kette an-einanderreihen, ist das zentrale Ziel der Naturschutzaktivitäten am Grü-nen Band Balkan. Es geht dabei nicht nur um den Grenzstreifen im engeren Sinne, sondern um einen wesentlich breiteren Korridor.

Die EuroNatur Stiftung setzt sich seit 1990 für den Schutz des Naturerbes auf dem Balkan und insbesondere entlang des Grünen Bands ein. Seit 2004 hat die Stiftung als regiona-

ler Koordinator für das Grüne Band im Südosten Europas Verantwortung übernommen. Die Vision von EuroNa-tur ist, dass sich am Grünen Band auf dem Balkan ein Schutzgebiet an das nächste reiht und somit ein umfas-sender Biotopverbund gesichert wird. Die bereits bestehenden und noch zu schaffenden Schutzgebiete sind dabei als die Kerngebiete zu sehen und das sie verbindende Grüne Band als öko-logischer Korridor.

Derzeit haben die Schutzbemühun-gen für das Bojana-Buna-Delta und den größten See auf dem Balkan, den Skutari-See, im Grenzgebiet zwischen Albanien und Montenegro ebenso höchste Priorität wie der qualifizierte Schutz der letzten Rückzugsgebiete des Balkanluchses, einer stark vom Aussterben bedrohten Unterart des Eurasischen Luchses, im Grenzge-biet zwischen Albanien, dem Kosovo,

Grünes Band Balkan –Rettung für bedrohte Paradiese?Gabriel Schwaderer

Der Eiserne Vorhang trennte nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa über Jahrzehnte in Ost und West. Im Südosten Europas war die Situation sogar etwas komplizierter. Auf der Balkan-Halbinsel verlief die Trennlinie zwischen den Ost-blockstaaten Ungarn, Rumänien und Bulgarien auf der einen und dem blockfreien Jugoslawien auf der anderen Seite. Im Süden trennte der Eiserne Vorhang Bulga-rien und Griechenland. Zudem hatte sich Albanien vollständig isoliert und seine Außengrenze war streng gesichert. Ziel der Initiative „Grünes Band Europa“ ist es, aus diesen einst trennenden Grenzen ein verbindendes grünes Band zu entwickeln und einen einzigartigen ökologischen Korridor quer durch Europa zu schaffen. Auf der Balkan-Halbinsel soll dies auf einer Strecke von mehr als 3.000 Kilometern Länge gelingen.

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Montenegro und Mazedonien1. Auf dem Papier bereits gut geschützt ist die Seenregion im Dreiländereck Al-banien, Griechenland und Mazedoni-en. Das gesamte Wassereinzugsgebiet der beiden Prespa-Seen in Albanien und in Griechenland ist bereits als Nationalpark ausgewiesen. Und auch in Mazedonien stehen wichtige Teile des Einzugsgebiets unter Schutz. Hier muss aber dringend die grenzüber-schreitende Zusammenarbeit und das Management der Schutzgebiete ver-bessert werden.

1 Das Grüne Band Europa

Über 40 Jahre war Europa geteilt in West und Ost. Eine fast unüberwind-bare Grenze trennte die Menschen. Aufgrund der stark eingeschränkten Nutzung der Natur entlang der Grenze, entwickelte sich der Eiserne Vorhang über die Jahre zu einem bedeutenden Rückzugsraum für bedrohte Tier- und Pflanzenarten. Das Ziel der internati-onalen Initiative „Grünes Band Euro-pa“ ist es, die einst trennende Grenze in ein verbindendes Grünes Band zu transformieren. Es gilt, dem nach der politischen Wende immer stärker wer-denden Nutzungs- und Zerstörungs-druck entgegenzutreten und so eine grüne Lebensader für Europa zu erhal-ten. Das Grüne Band Europa erstreckt

1 Seit der Unabhängigkeit Mazedoniens gibt es Streit über den Namen des Landes. Bis 1991 war es die Jugoslawische Republik Mazedonien. Seit-her ist der kleine Staat unabhängig und bezeich-net sich als Republik Mazedonien. Hiergegen hat Griechenland Protest eingelegt. International wird daher meist von der Ehemaligen Jugoslawi-schen Republik Mazedonien (EJRM oder FYRoM) gesprochen. In diesem Artikel wird aufgrund der besseren Lesbarkeit die Bezeichnung Mazedoni-en verwendet. Damit ist hier nur das Gebiet der EJRM gemeint und nicht die gleichnamigen Ge-biete im Norden Griechenlands.

sich über mehr als 12.500 Kilometern von der Barentssee im Norden bis zur Adria im Süden und dem Schwarzen Meer im Südosten. Seit 2004 setzen sich unter der Schirmherrschaft der IUCN die inzwischen 24 Anliegerstaa-ten am Grünen Band gemeinsam mit einer Vielzahl von lokal, national und regional tätigen Naturschutzorganisa-tionen für die Erhaltung des Grünen Bands in Europa ein. Koordiniert wer-den die Aktivitäten am Grünen Band Europa im Norden insbesondere vom Baltic Fund for Nature, im zentralen Bereich vom BUND und im Südosten von der EuroNatur Stiftung.

Die herausragende Bedeutung des Grünen Bands Europa für den Natur-schutz in Europa lässt sich eindrucks-voll mit der Anzahl der Schutzgebiete unterstreichen. Mehr als 3.200 Schutz-gebiete sichern wichtige Lebensräume entlang des Grünen Bands in Europa. Derzeit verbinden 39 Nationalparke, die sich unmittelbar am Grünen Band befinden, hochwertige Schutzziele mit Großflächigkeit. Damit liegen mehr als 10 % aller Nationalparke in Europa direkt am Grünen Band. Und auch das ist kein Zufall, sondern Ausdruck der großen Bedeutung des Grünen Bands für die Sicherung des europäischen Naturerbes.

Das Grüne Band auf dem Balkan folgt im Wesentlichen der früheren Grenze zwischen den einstigen Mitgliedsstaa-ten des Warschauer Pakts Ungarn, Ru-mänien und Bulgarien und dem block-freien Jugoslawien sowie Griechenland. Hinzu kommt die Außengrenze Alba-niens, das sich über Jahrzehnte herme-tisch von der Außenwelt abgeschirmt hatte. Das Grüne Band auf dem Balkan verbindet fünf verschiedene biogeo-graphische Regionen. Nur Gebiete, die

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der arktischen, der borealen oder der atlantischen biogeographischen Region zuzuordnen sind, fehlen auf dem Bal-kan. Gekennzeichnet ist die Halbinsel durch ein Mosaik von Gebieten, die der pannonischen, der kontinentalen, der alpinen, der mediterranen sowie der pontischen biogeographischen Region zugehörig sind. Dieser starke Wechsel der biogeographischen Regionen auf engem Raum macht die Balkan-Halb-insel zu einem Hotspot der biologi-schen Vielfalt in Europa.

2 Die Prespa-Ohrid-Region

Im Dreiländereck zwischen Albanien, Griechenland und Mazedonien liegt eine der interessantesten und viel-fältigsten Landschaften Europas. Der Kleine und der Große Prespa-See so-wie der Ohrid-See sind von eindrucks-vollen Gebirgszügen umrahmt und sie zählen zu den ältesten Seen der Welt. Der Ohrid-See ist fast 300 Meter tief und 357 Quadratkilometer groß. Er wird durch einen aus Kalksteinforma-

Abb. 1: Das Grüne Band

Europa – der frühere

Eiserne Vorhang soll in

ein verbindendes Band

der Natur transformiert

werden. Das Grüne

Band Europa verbindet

von der Barentssee

bis zum Schwarzen

Meer auf einer Strecke

von mehr als 12.500

Kilometern 24 Staaten

miteinander.

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tionen aufgebauten Gebirgszug von den beiden insgesamt rund 300 Qua-dratkilometer großen Prespa-Seen ge-trennt und liegt annähernd 150 Meter tiefer als diese. Dennoch ist der Große Prespa-See mit dem Ohrid-See durch ein unterirdisches Entwässerungssys-tem verbunden. Beide Prespa-Seen verfügen über keinen oberirdischen Abfluss. Im Großen Prespa-See sind aber zahlreiche Schlucklöcher nachge-wiesen, in denen das Wasser in ein un-terirdisches Höhlen- und Kanalsystem

versickert. Ein Großteil dieses Wasser speist zahlreiche Quellen am Rande des Ohrid-Sees. Der Ohrid-See ist bis-her äußerst nährstoffarm, umso wich-tiger sind Wasserreinhaltungsmaß-nahmen im gesamten Einzugsgebiet. Die beiden Prespa-Seen verändern sich aufgrund ihrer wesentlich gerin-geren Wassertiefe durch die zuneh-mende Eutrophierung deutlich stärker.

Die beiden Prespa-Seen und der Ohrid-See sind ein europäisches Kleinod der

Abb. 2: Großschutz-

gebiete in der Prespa-

Ohrid-Region

(Aus: Schwaderer &

Spangenberg 2009)

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biologischen Vielfalt. Es gibt bisher keine synoptische Untersuchung der Flora und Fauna der Region, so dass es derzeit nicht möglich ist, einen um-fassenden Überblick über die Arten-zahl im Gebiet zu geben. Aber alleine die Anzahl der bedrohten und ende-mischen Arten in der Prespa-Ohrid-Region ist so bemerkenswert, dass das Gebiet ein besonderes Augenmerk des Naturschutzes verdient. Im Ohrid-See wird die Anzahl der endemischen Ar-ten auf mehr als 200 geschätzt. Alleine zehn Fischarten kommen weltweit nur im Ohrid-See vor. Und auch in den beiden Prespa-Seen leben acht ende-mische Fischarten.

Hervorzuheben ist die weltweit größ-te Brutkolonie des Krauskopfpelikans (Pelecanus crispus) am Kleinen Pres-

pa-See in Griechenland. Seit einigen Jahren brüten hier regelmäßig mehr als 1.000 Paare der seltensten Peli-kanart der Welt. In manchen Jahren konnten sogar bis zu 1.300 Brutpaare nachgewiesen werden, das entspricht rund einem Viertel des Weltbestands. Die Pelikane nutzen genauso wie die in großer Zahl brütenden Zwergschar-ben vor allem die beiden fischreichen Prespa-Seen als Nahrungsgewässer.

Bereits seit vielen Jahrzehnten gibt es große Anstrengungen, die heraus-ragenden Naturschätze der Prespa-Ohrid-Region durch großflächige Schutzgebiete zu erhalten. Der 1948 ausgewiesene Pelister-Nationalpark in Mazedonien ist das älteste Groß-schutzgebiet der Region. Einst wurde er gegründet, um die fünfnadelige

© Uwe Riecken

Prespa-See

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Molika-Kiefer (Pinus peuce), die in Mazedonien ihren Verbreitungs-schwerpunkt hat, zu erhalten. Der Pelister-Nationalpark wurde inzwi-schen erweitert und schützt auch ei-nen Teil des Wassereinzugsgebiets des Großen Prespa-Sees. Der Galicica-Nationalpark in Mazedonien besteht seit 1958 auf einer Fläche von rund 22.150 Hektar und umfasst das Ostu-fer des Ohrid-Sees ebenso wie das Westufer des Großen Prespa-Sees. Im Jahr 1974 mündeten die Naturschutz-bemühungen in Griechenland in der Ausweisung des griechischen Prespa-Nationalparks, der mit einer Fläche von rund 25.700 Hektar den gesamten griechischen Teil des Wassereinzugs-gebiets der Prespa-Seen unter Schutz stellt. Das größte Schutzgebiet mit rund 27.750 Hektar ist der im Jahr 1999 ausgewiesene Prespa-National-park in Albanien, der das gesamte albanische Prespa-Wassereinzugsge-biet unter Schutz stellt. Die EuroNa-tur Stiftung hat gemeinsam mit ih-rer albanischen Partnerorganisation PPNEA2 einen großen Beitrag dazu geleistet, dass dieser Nationalpark ausgewiesen und in den Folgejahren entwickelt werden konnte. Ebenfalls mit EuroNatur-Unterstützung ist im Jahr 1995 das kleinste Schutzgebiet in der Region entstanden, das 2.800 Hektar große Ezerani-Naturschutzge-biet, welches das gesamte Nordufer des Großen Prespa-Sees mit seiner ausgedehnten Flachwasserzone unter Schutz stellt. Aufgrund der am Gro-ßen Prespa-See und auch am Ohrid-See vorherrschenden steilen Ufer sind alle Flachwasserzonen im Gebiet von herausragender Bedeutung für die

2 Protection and Preservation of Natural Environ-ment in Albania (PPNEA)

Fischreproduktion sowie für durchzie-hende und ruhende Wasservögel.

Bereits im Jahr 2000 haben sich die drei Anrainer-Staaten der beiden Prespa-Seen darauf verständigt, das gesamte Wassereinzugsgebiet als trila-teralen Prespa-Park auszuweisen, der perspektivisch als grenzüberschrei-tendes Biosphärenreservat entwickelt werden soll. Aufgrund der politischen Spannungen, insbesondere zwischen Griechenland und Mazedonien, ist dieser wünschenswerte Prozess aber immer wieder ins Stocken geraten und es ist derzeit kaum absehbar, dass die ambitionierten Ziele ohne eine grund-sätzliche Beilegung des Namensstreits zwischen Griechenland und Mazedo-nien erreichbar sind.

EuroNatur hat einen Naturreiseführer über die Prespa-Ohrid-Region heraus-gegeben, um die schönen Landschaf-ten im Südosten Europas erlebbar zu machen.

3 Grünes Band Balkan –eine Heimat für den Balkanluchs

Im Jahr 2004 hat die EuroNatur Stif-tung gemeinsam mit der albanischen Naturschutzorganisation PPNEA und der Mazedonischen Ökologischen Gesellschaft (MES) die ersten konkre-ten Schritte zur Identifizierung der wichtigsten Naturgebiete im Grenz-gebiet zwischen Albanien und Ma-zedonien unternommen. Zunächst standen Aktivitäten zur Ausweisung von Großschutzgebieten im Shebenik-Jablanica-Gebirge im Mittelpunkt, die insbesondere vom Bundesamt für Na-turschutz mit Mitteln des Bundesmi-nisteriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit unterstützt

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wurden. Im Mai 2008 hat die alba-nische Regierung den Shebenik-Jab-lanica-Nationalpark mit einer Fläche von rund 340 Quadratkilometern aus-gewiesen. Der Vorschlag für die Aus-weisung eines 160 Quadratkilometer großen Jablanica-Nationalparks in Mazedonien wurde bereits vor gerau-mer Zeit beim zuständigen Umwelt-ministerium in Skopje eingereicht. Eine abschließende Entscheidung des Ministeriums steht noch aus. Das Um-weltprogramm der Vereinten Natio-nen UNEP hat in einer jüngst publi-zierten Machbarkeitsstudie für weitere grenzüberschreitende Schutzgebiet-sprojekte auf dem Balkan die Projekte und das bisher Erreichte im Shebenik-Jablanica-Gebirge als vorbildlich und modellhaft herausgestellt.

Ausgehend von den erfolgreichen Be-mühungen zum großflächigen Schutz des Shebenik-Jablanica-Gebirges hat die EuroNatur Stiftung gemeinsam mit

den Partnerorganisationen in Albani-en und Mazedonien sowie unterstützt von den zuständigen Ministerien in beiden Ländern weitere Schutzgebiets-konzeptionen für herausragende Na-turgebiete im Grünen Band entwickelt. Diese Bemühungen werden derzeit im Rahmen des Balkan Lynx Recovery Programmes gemeinsam mit der MES, der PPNEA sowie KORA (Koordinier-te Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz) mit finanzieller Un-terstützung der Mava-Stiftung für Naturschutz vorangetrieben (Abb.3). Augenblicklich geht es in erster Linie um die Vorbereitung des Natur-parks Korab nördlich von Peshkopi in Albanien, eines Schutzgebiets im Grenzgebiet zum Kosovo (Pastrik-Mo-rine) sowie um die Entwicklung eines Großschutzgebiets für die Albanischen Alpen im Norden Albaniens. In Maze-donien wird prioritär die Ausweisung eines Nationalparks im Shar Planina-

Abb. 3: Die bereits

bestehenden Natio-

nalparke und die dar-

gestellten Schutzge-

bietsvorschläge dienen

der langfristigen

Sicherung des bedeu-

tenden Naturerbes

entlang des Grünen

Bands im Südwesten

der Balkanhalbinsel.

Dieses Netzwerk

an Schutzgebieten

leistet zudem einen

wichtigen Beitrag zur

Erhaltung der bedeu-

tendsten Lebensräume

des Balkanluchses.

© EuroNatur

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Abb. 4: Diese Aufnah-

me eines Balkanluch-

ses ist im April 2010

mit einer Kamerafalle

gelungen.

Gebirge vorangetrieben. Aber auch die Vorbereitung eines Schutzgebiets in den Gebirgszügen Ilinska-Plakens-ka ist insbesondere im Hinblick auf die Vernetzung bereits bestehender Schutzgebiete von großer Bedeutung.

In den Grenzgebieten zwischen Al-banien einerseits sowie Montenegro, Kosovo und Mazedonien anderer-seits befinden sich die letzten derzeit bekannten Rückzugsräume des Balk-anluchses. Damit ist die Erhaltung des Grünen Bands auf dem Balkan in diesem Abschnitt entscheidend für die Rettung dieser Unterart des Eura-sischen Luchses (Lynx lynx). Der Be-stand des Balkanluchses (Lynx lynx martinoii) wird derzeit auf weniger als 100 Individuen geschätzt (Abb. 4). Aber auch für Braunbären und Wölfe sind die Lebensräume am Grünen Band von großer Bedeutung.

Im Rahmen des Balkan Lynx Reco-very Programmes haben unsere Part-ner umfassende Untersuchungen zur Situation des Balkanluchses durch-geführt. Hierfür wurde ein Monito-ringsystem aufgebaut mit dem bisher im Mavrovo-Nationalpark und seiner Umgebung sowie im vorgeschlagenen Jablanica-Nationalpark Tiere nachge-wiesen werden konnten. Das Moni-toring wird insbesondere durch den systematischen und sporadischen Ein-satz von Kamerafallen durchgeführt. Im rund 700 Quadratkilometer gro-ßen Mavrovo-Nationalpark konnten bisher mindestens fünf Balkanluchse nachgewiesen werden. Wahrscheinlich leben dort aber noch mehr Tiere. Be-sonders bedeutsam sind die Fotos von Jungluchsen, die belegen, dass sich die Balkanluchse reproduzieren. Ein har-ter Nachweis für das Vorkommen des Balkanluchses in Albanien ist in den

letzten Jahren dagegen trotz intensi-ver Bemühungen nicht gelungen.

Im Frühjahr 2010 konnten die EuroNa-tur-Projektpartner im Mavrovo-Natio-nalpark einen Balkanluchs fangen und ihn mit einem Halsbandsender aus-statten. Marko – so wird der Luchs ge-nannt – wandert vor allem durch den Mavrovo-Nationalpark. Sein Streifge-biet umfasst eine Fläche von rund 300 Quadratkilometern und er ernährt sich in erster Linie von Rehen und Gämsen. Dies bestätigt die im Rahmen des Pro-jekts entwickelte Hypothese, dass sich der Balkanluchs ähnlich verhält wie der Eurasische Luchs.

4 Skutari-See und Bojana-Buna-Delta

Der Skutari-See im Grenzgebiet zwi-schen Montenegro und Albanien ist der größte See auf dem Balkan. Seine Wasserfläche schwankt je nach Was-serstand zwischen 370 und 600 Quad-ratkilometern. Zum Vergleich: der Bo-densee ist 540 Quadratkilometer groß. Die starken Wasserstandsschwankun-gen um bis zu 5 Meter gehen auf durch die Schneeschmelze und die sehr ho-hen Niederschläge in den benachbar-ten Gebirgen verursachte Hochwässer zurück. Im Mittel liegt der Wasserspie-gel des Skutari-Sees nur 7 Meter über

© BLRP/SNF

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dem Meeresspiegel. In großen Berei-chen liegt der Grund dieses flachen Sees sogar unter dem Meeresspiegel. Der wichtigste Zufluss des Skutari-Sees ist die Moraca, die entsprechend der Planungen der montenegrinischen Regierung mit Wasserkraftwerken verbaut werden soll. Damit würde das derzeit noch natürliche hydrologische Regime am Skutari-See der Vergan-genheit angehören. Eine Veränderung der natürlichen Seedynamik würde sich sehr negativ auf die Auwälder und vor allem auf die ausgedehnten Schwimmblatt-Gesellschaften auswir-ken, die bis zu einem Drittel der Was-

serfläche bedecken. Geprägt sind diese vor allem durch See- und Teichrosen sowie Wassernuss. Die großflächigen Vegetations-Teppiche wiederum sind die Basis für vielfältiges Leben. Ral-lenreiher schreiten von Blatt zu Blatt und machen Jagd auf Frösche. Vier-streifennattern schlängeln sich über die schwimmenden Blätter und ha-ben es auf die Eier der hier brütenden Weißbartseeschwalben abgesehen.

Am Skutari-See brüten auch einige wenige Brutpaare des Krauskopfpe-likans. Da es in Europa ohnehin nur etwa 15 Brutkolonien dieser Pelikan-

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des Schutz- und Zonierungskonzept für den Skutari-See geleistet (Abb. 6) und setzt sich intensiv für deren Um-setzung ein.

Der sich bei Shkodra befindliche Ab-fluss des Skutari-Sees heißt auf Mon-tenegrinisch Bojana und auf Alba-nisch Buna. Der Fluss mündet nach nur rund 30 Kilometern Fließstrecke in der Adria und markiert fast durch-gängig die Grenze zwischen Albanien und Montenegro. Kurz nach dem Ab-fluss der Bojana-Buna aus dem Sku-tari-See mündet der Drin in den Fluss. Das Bojana-Buna Delta, zwischen

art gibt, kommt den von EuroNatur unterstützten Schutzmaßnahmen am Skutari-See eine besonders große Be-deutung zu. Der montenegrinische Teil des Skutari-Sees sowie benach-barte Gebiete sind auf einer Fläche von rund 400 Quadratkilometern als Nationalpark geschützt. Der albani-sche Teil des Sees steht auch unter Schutz. Dies ist zwar eine gute Vor-aussetzung für einen wirkungsvollen Naturschutz, allerdings muss kritisch angemerkt werden, dass das Manage-ment der Schutzgebiete stark zu op-timieren ist. EuroNatur hat wertvolle Beiträge für ein grenzüberschreiten-

Abb. 5: Rund ein Drit-

tel der Wasserfläche

des Skutari-Sees wird

von Schwimmblatt-

Gesellschaften

bedeckt.

© G

abrie

l Sch

wad

erer

Gabriel Schwaderer

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Ulcinj in Montenegro und Velipoja in Albanien gelegen, ist einer der letzten durch weitgehend natürliche Dyna-mik charakterisierte Küstenabschnitt an der östlichen Adria. Doch auch hier sind durch einen weiteren sich derzeit im Bau befindlichen Staudamm star-ke Veränderungen zu erwarten. Denn durch die Stauseen am Drin werden Sedimente zurückgehalten, die dann nicht im Delta abgelagert werden können. Dies führt zu starker Erosi-on an der Küste und das junge Delta wächst derzeit nicht weiter, sondern wird jedes Jahr kleiner.

Der Strand nördlich der Bojana-Buna-Mündung, die „Velika Plaza“, ist einer der längsten noch naturnahen Strän-de an der ganzen Adria. Hier konnten mehr als 100 rufende Zwergsumpf-hühner nachgewiesen werden. Das hinderte die montenegrinische Regie-

rung jedoch nicht daran, die Velika Plaza für die Bebauung mit riesigen Hotel-Komplexen freizugeben. Noch ist kein Investor gefunden, der die geforderten Beträge aufbringen will, aber die Planung hängt wie ein Da-moklesschwert über einem der letzten unbebauten und dynamischen Natur-strände der Adria.

Bisher ist der sogenannte Adriatic Flyway in seiner Bedeutung für den Vogelzug unterschätzt worden. Das von EuroNatur vor einigen Jahren angeschobene und seither unterstütz-te Monitoring hat jedoch gezeigt, dass gerade das Bojana-Buna-Delta mit seinen Lagunen und Strandseen eine besonders wichtige Funktion für Zugvögel auf ihrem jährlichen Pen-delflug zwischen Brutgebieten und Winterquartieren hat. Hier wurde der weltweit vom Aussterben bedrohte

Abb. 6: Die EuroNatur

Stiftung hat für

den Skutari-See

ein Schutz- und

Zonierungskonzept

erarbeitet.

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Dünnschnabel-Brachvogel letztmalig in Europa nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund ist die im Bojana-Buna-Delta stattfindende intensive Jagd auf Wasservögel ein besonders schwer-wiegender Eingriff. EuroNatur hat es sich zum Ziel gesetzt, die Vogeljagd in den wichtigen Rast- und Winter-gebieten entlang der östlichen Adria-küste zu stoppen.

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So wurde beispielsweise in der Sali-ne Ulcinj mit der Geschäftsführung der Saline die Einstellung der Jagd auf dem gesamten Betriebsgelände vereinbart. Die Beruhigung der rund 1.500 Hektar großen Feuchtgebiets-fläche hat einen sehr wertvollen Bei-trag zum Schutz der Zugvögel auf dem Adriatic Flyway geleistet.

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