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Grundbegriffe der Schulgeometrie SS 2008 Teil 1 (M. Hartmann) Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

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Grundbegriffe der Schulgeometrie

SS 2008 Teil 1

(M. Hartmann)

Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

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Organisatorisches• Vorlesung (Hartmann) 11.30 – 13.00 Uhr

– Mittwoch: Immer Montag: Zweistündig im Wechsel

• Übungen (Hartmann) Dienstag 9.45 – 11.15 Uhr – Wöchentliche Übungsaufgaben

www.didmath.ewf.uni-erlangen.de / Material zu den Veranstaltungen

• Login: student Password: ewf• Abgabe zu Beginn der jeweiligen Übungsgruppe• Rückgabe und exemplarische Besprechung eine Woche später in

den Übungen• Bewertung +, o, -

– Teilweise auch Präsenzübungen• Schein

– Bei Bestehen der Klausur am Ende des Semesters– Voraussetzung zur Klausurteilnahme:

Etwa 75% der Übungsaufgaben mit mindestens o bewertet!• Werkzeug: Geodreieck, Zirkel, TR, Schere, Kleber

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Virtuelle Hochschule Bayern

• Wer hier teilnehmen will, wird dringend gebeten, sich zusätzlich kostenfrei bei der vhb für den Kurs „Grundbegriffe der Schulgeometrie“ einschreiben!

• Wer nach dem neuem Modus Mathe als Didaktikfach studiert, muss an diesem Kurs teilgenommen haben

• Schreiben Sie sich heute noch ein!!– Frage: Wie geht das?– Antwort: Steht auf unserer Homepage– Vorbesprechung für vhb-Kurse

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Was soll die Vorlesung leisten?

• Vorbereitung auf das Unterrichten von Geometrie in der zweiten Phase– Didaktische Grundideen des Geometrieunterrichts

• Ziele des Geometrieunterrichts aufzeigen• Wege zum Erreichen dieser Ziele vermitteln• Exemplarisch

– Schulmathematisches Wissen • Auffrischen• Elaborierte Sichtweise• Teilweise fachmathematische Hintergründe

• Inhaltliche Vorbereitung fürs Examen

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Was kann die Vorlesung nicht leisten?

• Allgemeine Methodik des Unterrichtens• Stoffverteilungsplan• Komplette Stundenbilder• Vollständige Behandlung der Schulgeometrie

– Mathematisch– Didaktisch

• Strategische Vorbereitung fürs Examen – → Seminar zur Examensvorbereitung

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I. Ziele und Eigenheiten des Geometrieunterrichts der HS

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Ziele des Geometrieunterrichts der HS• Erwerb

– elaborierten Wissens über Figuren, Körper, geometrische Operationen sowie deren Beziehungen

– handwerklicher und formaler Techniken (Konstruieren, Zeichnen, Messen, Berechnen,…)

• Befähigung zur Anwendung dieses Wissens– Alltag, Beruf und weiterführende Schulen

• Erziehung zu konzentriertem sauberen Arbeiten– Zeichnen, Basteln, Lösen einer Berechnungsaufgabe

• Förderung von Problemlösetechniken– speziell auf die Geometrie bezogen aber auch allgemein

• Sprachschulung – Beschreiben, kohärentes Argumentieren, Fachsprache nutzen,…

• Förderung kreativen Verhaltens– Freude am Schaffen und Entdecken – Kreativitätsroutinen

• Schaffung eines kulturhistorischen Bewusstseins

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Defizitärer Ansatz

• Hauptschüler sind minderbegabt, deshalb– können und müssen sie Inhalte nicht wirklich

verstehen– sollten sie ohne lange Ableitungen schnell einfache

Regeln an die Hand bekommen und diese dafür intensiver trainieren

– sollte auf Themen, die der eh schon überfüllte Lehrplan nicht einfordert, unbedingt verzichtet werden

– benötigt der Lehrer kein weitergehendes fachliches Hintergrundwissen, sondern vor allem methodisches und pädagogisches Geschick

Verschiedene Bilder von HS-Mathematik

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Konstruktivistischer Ansatz• Die Schüler müssen das Wissen eigenständig

konstruieren, deshalb– sollten die Schüler das Unterrichtsziel mithilfe stummer Impulse

selbst entdecken– müssen sie die Inhalte selbst erarbeiten– dürfen Inhalte nicht vom Lehrer fertig angeboten werden– sollten die Schüler Ergebnisse möglichst immer selbst darstellen– ist ein Lehrervortrag zum Erklären von Sachverhalten nicht mehr

notwendig– sollte der Lehrer sich weitgehend zurücknehmen – muss der Lehrer eher Moderationskompetenz als Fachwissen

besitzen

Verschiedene Bilder von HS-Mathematik

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Fachorientierter Ansatz

• Fachwissen ist die unabdingbare Voraussetzung für die Vermittlung fachlichen Wissens, deshalb– benötigt der Lehrer anstelle von fachdidaktischem und

methodischem Schnickschnack vor allem fundiertes fachliches Wissen

– sollte der Lehrer möglichst auch Fachmathematik studiert haben– sollte anstelle eines umständlichen Erarbeitens der Inhalt

übersichtlich, fachlich korrekt und dadurch auch gut verständlich dargeboten werden

Verschiedene Bilder von HS-Mathematik

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Umwelt- und alltagsweltorientierter Ansatz

• Abstrakte Mathematik ist nichts für Hauptschüler. Im HS-Mathematikunterricht– muss der Einstieg in ein neues Thema aus Alltag und

Umwelt motiviert werden – müssen Aufgaben möglichst Umweltbezug haben– sollte auf Fachsprache zugunsten einer leichter

verständlichen Alltagssprache verzichtet werden

Verschiedene Bilder von HS-Mathematik

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• Hauptschüler sind minderbegabt, deshalb– können und müssen sie Inhalte nicht wirklich

verstehen– sollten sie ohne lange Ableitungen schnell einfache

Regeln an die Hand bekommen und diese dafür intensiver trainieren

– sollte auf Themen, die der eh schon überfüllte Lehrplan nicht einfordert, unbedingt verzichtet werden

– benötigt der Lehrer kein weitergehendes fachliches Hintergrundwissen, sondern vor allem methodisches und pädagogisches Geschick

Kritik des defizitären AnsatzesFalsch! Die Aufteilung nach Fähigkeit auf die Schularten gelingt nur sehr unzureichend

Mathematik ohne Verständnis ist Quälerei ohne Effekt

Studien belegen die Unwirksamkeit dieser Methode

Der LP ist nicht überfüllt! Oft bedeutet mehr Inhalt kaum mehr Aufwand! Oft wird im Unterricht Zeit vergeudet

Ohne fundiertes fachliches Wissen gibt es keinen sinnvollen Methodeneinsatz

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• Die Schüler müssen das Wissen eigenständig konstruieren, deshalb

– sollten die Schüler das Unterrichtsziel mithilfe stummer Impulse selbst entdecken

– müssen sie die Inhalte selbst erarbeiten– dürfen Inhalte nicht vom Lehrer fertig angeboten

werden

– sollten die Schüler Ergebnisse möglichst immer selbst darstellen

– ist ein Lehrervortrag zum Erklären von Sachverhalten nicht mehr notwendig

– sollte der Lehrer sich weitgehend zurücknehmen

– muss der Lehrer eher Moderationskompetenz als Fachwissen besitzen

Kritik des konstruktivistischen Ansatzes

Das ist nur an wenigen Stellen möglich! Dort muss es dann wirklich geschult werden!

Oft unfruchtbare Zeitvergeudung! Wichtiger ist, dass die Problemstellung jedem klar ist!

Ist aber aus ökonomische Gründen in manchen Fällen unabdingbar

Präsentieren ist zwar eigenes Ziel, darf aber nicht einer guten Reflexion geopfert werden

Der Lehrervortrag ist fundamentaler Bestandteil zur Sicherung von Verständnis und zur Spracherziehung

Fundiertes fachliches Wissen ist Voraussetzung, um sinnvoll zu Eigenkonstruktionen anzuleiten

Das ist kein Freibrief, um alles laufenzulassen

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• Fachwissen ist die unabdingbare Voraussetzung für die Vermittlung fachlichen Wissens, deshalb– benötigt der Lehrer anstelle von fachdidaktischem und

methodischem Schnickschnack vor allem fundiertes fachliches Wissen

– sollte der Lehrer möglichst auch Fachmathematik studiert haben

– sollte anstelle eines umständlichen Erarbeitens der Inhalt übersichtlich, fachlich korrekt und dadurch auch gut verständlich dargeboten werden

Kritik des fachorientierten Ansatzes

Die fachorientierte Darstellung ist meist das konzentrierte Resultat eine langen Erkenntnisprozesses und beinhaltet nicht für den

Verstehensprozess wesentliche Aspekte

Hochschulmathematik ist zusätzliches Wissen aber meist kein Hintergrundwissen der Schulmathematik

Fachlich korrekte Darstellung allein ist weder motivierend noch führt sie zu zu einem wirklichen

Verständnis des Inhalts

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• Abstrakte Mathematik ist nichts für Hauptschüler. Im HS-Mathematikunterricht– muss der Einstieg in ein neues Thema aus Alltag und Umwelt

motiviert werden

– müssen Aufgaben möglichst Umweltbezug haben

– sollte auf Fachsprache zugunsten einer leichter verständlichen Alltagssprache verzichtet werden

Kritik des alltagsweltorientierten Ansatzes

Innermathematische Motivation ist auch für Hauptschüler zugänglich, kann sehr faszinierend sein und ist oft angemessener. Mathematik soll auch als

gedankliches Spiel erfahren werden, das als solches Spaß macht!

Umweltbezüge als Einkleidungen werden auch von Schülern nicht ernst genommen. Lieber seltener dafür gut ausgearbeitet und dann wirklich

alltagstauglich!

Der Verzicht auf die Fachsprache führt oft zu mehr Verständnisproblemen als deren korrekter Gebrauch! Verwendung von Fachsprache ist Unterrichtsziel!

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Forderungen aus dem Mathematik-Fachprofil (LP)• Beim Lösen … geometrischer Aufgaben sollen die Schüler … Flexibilität

und problemlösendes Denken entwickeln …• Der Unterricht soll zur Selbstständigkeit ermuntern, den Einfallsreichtum

fördern und Freude am mathematischen Tun wecken …gestalterischer Umgang mit geometrischen Formen können dazu beitragen, dass die Schüler Freude an mathematischem Tun gewinnen.

• Versuche, … Lösungswege zu variieren, sollen den Schülern das Durchdringen und selbstständige Bearbeiten von Aufgaben erleichtern.

• …räumt der Unterricht auch der Entwicklung von Lösungsideen Platz ein.• Zunehmend verwenden die Schüler gängige Begriffe der mathematischen

Fachsprache. Es ist aber darauf zu achten, dass sie mathematische Bezeichnungen und Symbole mit inhaltlichen Vorstellungen und Wissen verbinden.

• Kenntnisse über geometrische Figuren und das Wissen um geometrische Beziehungen können aus der Arbeit mit konkreten Modellen sowie dem zeichnerischen Darstellen erwachsen. Durch häufige und vielfältige kopfgeometrische Aufgaben wird intensiv das räumliche Denken und Vorstellungsvermögen geschult.

• Berechnungsformeln dürfen nicht zu früh eingeführt, sie müssen schrittweise aus der Anschauung entwickelt werden. Eine wiederholte Rückbesinnung auf ihre Gewinnung erleichtert den Schülern eine flexible Anwendung.

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II. Bildung geometrischer Begriffe

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Variieren

Analogisieren

Definitionen

Eigenschaften

Naive Vorstellung

FachmathematischerAspekt

Vorkommen

KreativesArbeiten

UnterrichtlicheRepräsentation

GeometrischerBegriff

Fachsprache

Fachsprache

Funktion

Anwendung

Lebensweltlicher AspektAlltag/Beruf

Begriffsumfeld

Beziehungen

Eigenschaften entdecken

Mentaler BegriffMentales Modell/Proposition

Analysieren

Vernetzen

Handeln/Werken

Verbalisieren

Zeichnen

Schüleraktivität

Modell

Text

Bild

Ordnen

Operativ vorgehen

Ungenauigkeit

Anknüpfenan propädeutische

Erfahrungen

Alltags-sprache

Modularisieren

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Sprech- und Schreibweisen

• Man fasst in der Geometrie Figuren bzw. Körper als Teilmengen und Punkte als Elemente der Ebene bzw. des Raumes auf

• Damit sind spezielle Sprech- bzw. Schreibweisen aus der Mengenlehre verbunden

• Die Ebene (bzw. der Raum) kann mittels eines Koordinatensystems beschrieben werden (Man spricht dann vom IR² bzw. IR³)

• Es muss generell zwischen Figur bzw. dem Körper und dem zugeordneten Maß unterschieden werden!

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Empfohlene Schreibweisen (LP)

A, B, C... PunkteP (x | y) Punkt im Koordinatensystem mit

den Koordinaten x und yAB Gerade durch A und B[AB] Strecke von A nach B

Länge der Strecke ABg, h, k... Geradeng || h g ist parallel zu h

g h g ist senkrecht zu h (ABC) Winkel mit Scheitelpunkt Bα, β, γ, δ... Winkelmaß

AB

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Verwendung von Relations- und Operationszeichen

A B

Relationen drücken Beziehungen zwischen Objekten aus, z.B.

2 < 5

Operationszeichen erzeugen aus Objekten wieder Objekte, z.B.

2 + 5

Dabei entstehen keine Aussagen!

Der Implikationspfeil drückt Beziehungen zwischen Aussagen aus, z.B.

Dabei entstehen Aussagen, die wahr oder falsch sein können!

A B

A B

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Relationszeichen:

Zwischen MengenZwischen Zahlen oder zwischenGrößen (Längen, Flächen, Gewichte etc)

Zwischen Elementen und Mengen

... Ù...

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Operationszeichen:

Zwischen MengenZwischen Zahlen oder zwischenGrößen (Längen, Flächen, Gewichte etc)

+ - · :

Zwischen Elementen und Mengen ist keine Operation möglich

\ ... ð

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• Was ist typisch für naive Vorstellungen?– Fixierung auf Sachsituation (Bsp. Pyramide Cheops)– Einschränkung der Begriffe auf Prototypen

• Sonderformen (Bsp. nur Rechteck für Viereck, nur gleichseitiges Dreieck für Dreieck, nur gerader Kreiszylinder für Zylinder, reguläre quadratische Pyramide für Pyramide)

• Standardproportionen (Draht ein Zylinder?, Blatt Papier ein Quader?)

– Beschränkung auf Normallagen (Bsp. Quadrat auf Ecke wird zu Raute? Steht das Prisma auf der Grundfläche?)

– Unschärfe (Achsensymmetrie …zwei gleiche Teile) – Eigenschaftsarmut (Parallelogramm nur Parallelität)

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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Cheopspyramide

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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PrismaPrisma als Fachbegriff in Optik mussmathematisch kein Prisma sein!

Klassisches Dreiecksprisma in Optik und Mathematik

Klassisches Dreiecksprisma in Umwelt der Schüler

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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Prototyp typ. Lage

typ. Form untyp. Lage

untyp. Form typ. Lage

Sonderfall Gegenbeispiel0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

richtig

falsch

unsicher

nichts

Aus einer Untersuchung mit 118 Schülern der Klassen 7 - 9 einer Hauptschule

Prototyp untyp. Lage

Katastrophale Begriffsbildung als Realität der Hauptschule

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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• Welche Probleme entstehen, wenn unzureichende Begriffsbildung im Unterricht nicht bekämpft wird?– Banaler Unterricht ohne Herausforderungen

→ Demotivierung – Reibungsverlusten in späteren Jgst. durch unnötige

Umlernprozesse– Unfähigkeit realistische Sachproblemen zu lösen – Eingeschränkte Problemlösefähigkeit – Einschränkung sprachlicher Möglichkeiten

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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• Auf was muss im Unterricht geachtet werden?– Fachliche Begriffe müssen explizit mit vorgeprägten

naiven Begriffen kontrastiert werden– An naive Begriffe sollte im Unterricht angeknüpft

werden, um sie in fachlicher Hinsicht zu präzisieren– Naive Begriffe können als Merkhilfe für

Bezeichnungen genutzt werden

(Mentale Prototypen haben auch bei Profis Charakteristika naiver Vorstellungen. Diese können aber den elaborierten Begriff problemlos assoziieren)

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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Trapez(gleichschenkliges)

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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Zylinder(gerader Kreis-)

Vierzylinder

Unzureichende Begriffsbildung / Naive Vorstellungen

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Historische Anmerkungen

• Elemente von Euklid (4.Jh vor Chr.)– Geometrie: Band 1-6 und 11-13 – Definitionen, Postulate, Axiome– Zweitausend Jahre der Inbegriff eines strengen deduktiven Aufbaus einer

Wissenschaft– Problematisch: „Definition“ von Grundbegriffen

• „Ein Punkt ist, was keine Teile hat“

• „Eine gerade Linie ist eine solche, die zu den Punkten auf ihr gleichmäßig liegt.“

• Mängel wurden erst in den „Grundlagen der Geometrie“ (1899) von Hilbert behoben

• In der Geometrie Hilberts basiert auf nicht weiter definierten Grundbegriffen deren Relationen durch Axiome bestimmt werden. Damit ist keinerlei Bezug zur Anschauung mehr nötig!

Leitfaden S.64ffElementarmathematik S.9ff

Fachmathematischer Aspekt

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Klassisches Axiomensystem der Geometrie

I. Axiome der Verknüpfung• Bsp.: „Zu zwei Punkten A,B gibt es stets eine Gerade a, die mit

diesen verknüpft ist.“

II. Axiome der Anordnung• Bsp.: „Zu zwei Punkten A und C gibt es stets wenigstens einen

Punkt B auf AC, so dass C zwischen A und B liegt.“

III. Axiome der Kongruenz• Bsp.: „Wenn zwei Strecken einer dritten kongruent sind, dann sind

sie auch untereinander kongruent.“

IV. Parallelenaxiom• „Zu jedem Punkt P außerhalb einer beliebigen Geraden g existiert

höchstens eine Parallele zu g durch P.“ • Fordert man anstelle der Eindeutigkeit z.B. mehr als eine bzw. keine

Parallele, so erhält man die so genannte „hyperbolische“ bzw. „elliptische“ Geometrie“ (nichteuklidische Geometrien)

V. Axiome der Stetigkeit • Voraussetzung für reelle Maßzahlen

Fachmathematischer Aspekt

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Fachmathematischer Aspekt

Die Großkreise haben hier die Funktion der Geraden. Da sich zwei Großkreise stets in mindesten zwei Punkten schneiden, gibt es hier nie eine Parallele zu einer Geraden durch einen Punkt außerhalb der Geraden.

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Abbildungsgeometrie (Felix Klein: Erlanger Programm)

• Abbildungen werden anstelle der Kongruenz zu einem zentralen Grundbegriff

• Begriffe wie z.B. Streckenlänge werden als Invarianten unter bestimmten Abbildungen eingeführt

Fachmathematischer Aspekt

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Bedeutung bzw. Grenzen der Axiomatik für den Hauptschulunterricht

• Grundbegriffe werden aus der Anschauung heraus gewonnen– Punkt, Gerade, senkrecht … – Thematisierung der Idealisierung notwendig

• Im Unterricht wird auf einen rein deduktiven Aufbau zugunsten eines lokalen Begründens verzichtet

• Die Begründungen nehmen Bezug teils auf Argumente der klassischen Geometrie (z.B. Kongruenzsätze) nutzen aber auch abbildungsgeometrische Argumentationen

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Definitionen

• Begriffe, die keine Grundbegriffe sind, werden definiert, d.h. so knapp wie möglich eindeutig beschrieben und mit einem Namen bezeichnet– Definitionen erfolgen oft

• durch Einschränkung bereits definierter Begriffe mithilfe von Grundbegriffen bzw. bereits definierter Begriffe

• mittels eines Abstraktionsprozesses durch Äquivalenzklassenbildung (→ z.B. Flächeninhalt)

• konstruktiv

– „Definierende“ Forderungen müssen unabhängig sein– Meist existiert eine Vielzahl möglicher äquivalenter

Definitionen– Gerade scheinbar einfache Begriffe sind fachmathematisch

oft schwer zu definieren (Beispiel: Vieleck, Kurve, Fläche …)

Fachmathematischer Aspekt

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Versuch der Definition eines allgemeinen n-Ecks:

Fachmathematischer Aspekt

VieleckeKeine Vielecke

Dreieck, nicht Viereck!

offen

überschlagen

Vorüberlegung:

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Bedeutung des Definierens für den HS-Unterricht

• Für den Unterricht sind strenge Definitionen manchmal zu kompliziert. Dennoch müssen auch dort „Definitionen“ klar und eindeutig sein!

• Ausgangsbegriff oder einschränkende Eigenschaften können im Unterricht– vorher definiert,– aus Alltag bekannt und eindeutig verwendet oder– an Beispielen und Gegenbeispielen geklärt werden.

• Bsp. für eine schulgerechte „Definition“ von Vieleck:Beispiele und Gegenbeispiele, sowie Text: „Ein Vieleck ist ein ebener, nicht überschlagener, geschlossener Streckenzug“

• Definitionen können „statisch“ oder „dynamisch“ erfolgen– Bsp. Kegel, Parallelogramm, Kreis, Zylinder…

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Bsp. Definition Prisma in der Schule

1. Definition statisch über Begrenzungsflächen

• Ein Körper, der von zwei parallelen kongruenten Vielecken (den so genannten Grundflächen) und ansonsten nur von Parallelogrammen (den so genannten Seitenflächen) begrenzt wird, heißt Prisma. Sind die Seitenflächen Rechtecke nennt man das Prisma gerade.

Anmerkung: Im HS-LP werden zur Zeit nur gerade Prismen gefordert

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Bsp. Definition Prisma in der Schule

2. Definition dynamisch über Verschiebung

• Verschiebt man ein Vieleck (nicht parallel zu sich), so entsteht ein Prisma. Die Vielecksflächen am Anfang und Ende der Verschiebung heißen Grundflächen, die anderen Begrenzungsflächen nennt man Seitenflächen. Erfolgt die Verschiebung senkrecht zur Vielecksfläche, so entsteht ein gerades Prisma.

• Verschiebt man eine Strecke entlang eines Vielecks (Strecke zu Vieleck nicht parallel!), so entsteht ein Prisma.

Weniger relevantWeniger relevant

Sehr relevantSehr relevant

Page 42: Grundbegriffe der Schulgeometrie SS 2008 Teil 1 (M. Hartmann) Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

Begriffe beinhalten meist eine Vielzahl von Eigenschaften

• Eigenschaften von Figuren können sich z.B. beziehen auf– Seiten (Längen, Lage), – Winkel– Besondere Linien, Diagonalen (Längen, Lage)– Symmetrien (Achsen-, Punkt-, Drehsymmetrie)– Umfang, Flächeninhalt– Inkreis, Umkreis, Ankreis– Besondere Punkte– Parkettierungsmöglichkeit – …

Fachmathematischer Aspekt

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Begriffe beinhalten meist eine Vielzahl von Eigenschaften

• Bsp. Kreis– Kreis ist der Ort aller Punkte gleichen Abstands

von einem Zentrum– Kreis ist Figur minimalen Umfangs bei

maximalem Flächeninhalt– Kreis ist Figur maximaler Symmetrie– Kreis ist Rotationsfigur– Kreis ist Figur konstanter Krümmung

Fachmathematischer Aspekt

Page 44: Grundbegriffe der Schulgeometrie SS 2008 Teil 1 (M. Hartmann) Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

• Die Eigenschaften eines Begriffs stehen meist in engen Beziehungen zueinander – z.B. Aus Längengleichheit der Gegenseiten folgt im Viereck

Maßgleichheit der Gegenwinkel

• Begriffe stehen in Bezug zu anderen Begriffen und sind in ein Begriffsnetz eingebunden– Gemeinsames Auftreten (z.B. Kreise, gleichschenklige Dreiecke)– Analoge Begriffe in anderen Dimensionen (z.B. Strecke, Quadrat,

Würfel, …)– Hierarchische Begriffsbeziehungen

• Unter-, Ober-, bzw. Nachbarbegriff• Kreatives Ordnen (z.B. Siehe Übungen: Beim Aufbau des

„Hauses“ wurden Vierecke erzeugt)• Ordnen bekannter Begriffe

Fachmathematischer Aspekt

Page 45: Grundbegriffe der Schulgeometrie SS 2008 Teil 1 (M. Hartmann) Lehrstuhl für Didaktik der Mathematik

Begriffe werden beim Ordnen erarbeitet!

1) Wähle einen Satz ordnender Eigenschaften (z.B. Achsensymmetrie, Punktsymmetrie)

2) Prüfe, welche Vierecksformen dabei entstehen:– Achsensymmetrie

– bzgl. Diagonalen (Drachen)– bzgl. Mittelsenkrechte (Trapez)

– Punktsymmetrie (Parallelogramm)3) Kombiniere die ordnenden Eigenschaften

– Z.B. Achsensymmetrie bzgl.• zweier Diagonalen• dreier Mittelsenkrechter• einer Diagonalen und Punktsymmetrie…

4) Prüfe insbesondere Existenz und Abhängigkeiten– Nichtexistenz sowie (andere) Abhängigkeiten verringern die Zahl der zu

ordnenden Vierecke• Z.B. ist ein Viereck, welches zwei verschiedene Symmetrieachsen besitzt bereits

auch punktsymmetrisch oder aus der Symmetrie bzgl. einer Diagonalen und einer Mittelsenkrechten folgt die Symmetrie bzgl. der anderen Diagonalen und Mittelsenkrechten

• In einem Viereck können sich Symmetrieachsen nur in den Winkeln 45° oder 90° schneiden

5) Ordnung ergibt sich aus Kombination der geforderten Eigenschaften

Vorgehen beim kreativen Ordnen

Fachmathematischer Aspekt

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Vorgehen beim Ordnen bekannter Begriffe

Begriffe sind bereits erarbeitet, d.h. in all ihren Eigenschaften bekannt!

1) Wähle definierende Eigenschaften für einen Viereckstyp A (z.B. Punktsymmetrie für Parallelogramm)

2) Prüfe, ob diese Eigenschaft auch anderen Typen B zueigen ist:

– Wenn ja, dann ist Typ B Unterbegriff von A (z.B. Rechteck, Raute oder Quadrat)

– Wenn nein, dann ist Typ B• Nachbarbegriff zu A(z.B. Drache, gleichschenkliges

Trapez) oder• Oberbegriff zu A (z.B. Trapez, allgemeines Viereck); in

diesem Fall muss eine definierende Eigenschaft von Typ B stets auch Typ A zueigen sein

Fachmathematischer Aspekt

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Begründung des Ordnens im Unterricht• Notwendige Fähigkeit im Alltag (z.B. Ordnerstruktur im Computer)• Propädeutik allgemeinen systematischen wissenschaftlichen Ordnens

(z.B. zoologische Systematik)• Lernerfolgssicherung der Einzelinhalte durch

– Wiederholung– Vernetzung– Reduktion des Lernstoffes (Vererbung der Eigenschaften)

• Klärung korrekter Sprechweisen (z.B. „Das Parallelogramm ist ein Trapez“)

• Einsicht in die Bedeutung solcher hierarchischer Begriffssysteme für die Formulierung mathematischer Sätze (Sätze für Oberbegriffe gelten insbesondere auch für entsprechende Unterbegriffe und müssen dort nicht neu bewiesen werden)

• Beim kreativen Ordnen– Innermathematische Hinführung auf neue Begriffe– Schüler erfahren

• die Schlagkraft kreativer Techniken• Mathematik als eine Wissenschaft des Forschens