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Grundlagen der Homöopathie (aus der Sicht des Pharmakologen) Block 3, KV 15 13. 2. 2006 H. Porzig Pharmakologisches Institut

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Grundlagen der Homöopathie(aus der Sicht des Pharmakologen)

Block 3, KV 15

13. 2. 2006

H. Porzig

Pharmakologisches Institut

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Lernziele

Verständnis der Grundprinzipien von dogmatischen versus empirischen Therapieverfahren (Signaturenlehre, anthroposophische Medizin Homöopathie)

Verständnis der grundsätzlichen Unterschiede zwischen Homöopathie und naturwissenschaftlicher Medizin (‚Schulmedizin‘)

Die Rolle von Pharmaka im Kontext von Homöopathie und moderner Medizin. Wirksamkeitskontrolle homeopathischer versus schulmedizinischer Therapie.

Irrationale Aspekte in der ‚Schulmedizin‘

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Daguerrotypie des 86-jährigen Hahnemann

Paris 1841

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Grundprinzipien der Homöopathie

1. Ähnlichkeitsprinzip

(similia similibus curentur) 2. Arzneimittelprüfung am Gesunden

(Suchen nach deckungsgleichen Symptomen) 3. Verdünnung

(Potenzierung; Dynamisierung) 4. Monotherapie (Verarbeitung nur einer potenzierten Urtinktur) 5. Annahme eines geistartigen Lebensprinzips, das die

Körperlichkeit eines lebendigen Organismus belebt und auf das die Arznei einwirkt.

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Ähnlichkeitsprinzip

Lässt man gesunde Menschen bestimmte Naturstoffe in ausreichend kräftigen Dosen einnehmen, erzeugen sie Krankheitserscheinungen, die für den eingenommenen Stoff charakteristisch sind.

Nur derjenige Stoff ist in der Lage, einen kranken Menschen zu heilen, dessen Prüfungssymptome dem Krankheitszustand des Patienten ähnlich ist.

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Homöopathische ‘Materia Medica’

Mineralische Arzneistoffe in der Ordnung der Elemente und ihrer

Verbindungen nach dem periodischen System

Pflanzliche Arzneistoffe in der Ordnung des natürlichen Systems des

Pflanzenreiches Tierische Arzneistoffe in der Ordnung des natürlichen Sytems des

Tierreiches Sarkoden - Arzneistoffe aus gesunden Geweben Nosoden - Arzneistoffe aus kranken Geweben Imponderabilien - Arzneistoffe weitgehend ungeklärter Wirkungsursache Neuzeitliche Ergänzungen - Histaminum hydrochloricum, Penicillinum,

Phenobarbital etc.

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"Wenn ein Chemiker die homöopathische Arznei untersucht, findet er nur Wasser und Alkohol; wenn er eine Diskette untersucht, nur Eisenoxid und Vinyl. Beide können jedoch jede Menge Informationen bergen.”

Dr. Peter Fisher, Forschungsleiter am Royal London Homeopathic Hospital

"Ich fordere gar keinen Glauben dafür und verlange nicht, dass dies jemandem begreiflich sei. Auch ich begreife es nicht; genug aber, die Tatsache ist so und nicht anders. Bloß die Erfahrung sagt's, welcher ich mehr glaube als meiner Einsicht." S. Hahnemann

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Organon 12 § Wie die Lebenskraft den Organismus zu den krankhaften Äusserungen bringt, d.i. wie sie die Krankheit schafft; von diesem Wie und Warum kann der Heilkünstler keinen Nutzen ziehen und sie wird ihm ewig verborgen bleiben; nur was ihm von der Krankheit zu wissen nöthig und völlig hinreichend zum Heilbehufe war, legte der Herr des Lebens vor seine Sinne.

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„Schulmedizin“ Hömöopathie

Anschauung

Molekular- vitalistisch mechanistisch

Therapeutische Prinzipien

Physikalisch-chemisch immateriell (exp. prüfbar) (exp. nicht prüfbar) ursachenzentriert symptomzentriert

Psychosomatik

ZNS Lebenskraft Körperfunktionen Körperfunktionen

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Homöopathische Therapieformen

Klassische Homöopathie: Symptomenzentrierte Individualtherapie. Behandlung mit individuell ausgesuchter Einzelsubstanz.

Klinische Homöopathie: keine individuelle Symptomatologie. Alle Patienten mit der gleichen Diagnose erhalten das gleiche homöopathische Medikament.

Komplexe Homöopathie: Behandlung mit einer Kombination verschiedener homöopathischer Medikamente.

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Therapeutisches Vorgehen in der Homöopathie

1. Bestimmung des korrekten Arzneimittels nach

1.1 Detaillierter Symptomatik 1.2 Modalitäten (durch was werden die Beschwerden gebessert oder

verschlimmert?) 1.3 Gemütssituation (ist der Patient z.B. ängstlich oder verärgert?,

Gewohnheiten) Gesucht wird speziell nach Merkmalen, die für den Patienten eigenartig sind, ihn also von anderen Kranken mit der gleichen Krankheit unterscheiden.

1.4 Aufsuchen des geeigneten Mittels im Repertorium (Symptomenverzeichnis) und in der Materia Medica (Arzneimittelverzeichnis)

2. Verabreichung des Medikaments

2.1 Bestimmung der Arzneiform (Globuli, Tropfen, Tabletten) 2.2 Bestimmung der Potenz (‚Verdünnungsgrad’ der Urtinktur) 2.3 Bestimmung der Frequenz der Arzneimittelgabe (wichtiger als die Dosis)

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Beispiele von ‘Symptombildern’ für häufig verschriebene homöopathische Medikamente

Patient: Kleinkind während des Zahndurchbruchs Symptome: Kind möchte herumgetragen werden und ist dann ruhiger Zuckungen und Krämpfe während des Zahnens Reizbarkeit und Überempfindlichkeit gegen Schmerz unleidlich, quengelig Bauchkrämpfe nach Aufregung Verschlimmerung bei Ärger, in der Nacht und nach Kaffee Besserung beim Herumtragen, bei warmem, feuchtem Wetter Verschreibung: Kamille (Matricaria Chamomilla) Patient: Klagt über Gelenkschmerzen, die zu Beginn einer Bewegung und nach einer

Ruhephase schlimmer sind und sich während der Bewegung bessern Symptome: Schmerz und Steifheit schlechter bei feuchtem Wetter

Reizbarkeit und Ruhelosigkeit während der Nacht. Patient muss Bett verlassen. Rückenschmerzen und Steifigkeit zwingen zu dauernden Bewegungen im Bett Hautauschlag, Bläschen. Kalte Luft macht die Haut schmerzempfindlich Asthmatische Beschwerden wechseln mit Hautausschlägen ab Verschlimmerung bei Feuchte, Kälte, Tiefdrucklagen Besserung bei kontinuierlicher Bewegung, Abreibung, heissem Bad

Verschreibung: Rhus Toxicodendron (Giftiger Efeu)

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Symptom Therapie

Wadenkrämpfe Cuprum

Zahnen Kamille

Schürfungen, Trauma Arnika

Cystitis Cantharidin

Croup Aconitum

Kindliche Kolik Colocynthium

Gelenkschmerzen Rhus toxicodend.

Beispiele symptomatischer homöopathischer Verschreibung

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Häufigste Krankheiten in der homöopathischen Praxis

Ekzem Rheumatoide Arthritis Chronische Müdigkeit Asthma Migräne Dismenorrhoe Reizdarm Rezidivierende Infektionen der Luftwege oder des Urogenitaltrakts Depressionen (Mittlere Zeitdauer einer Konsultation ~ 30 min)

Häufigste Krankheiten in der konventionellen Praxis

Hypertonie Infektionen des oberen Respirationstrakts Mittelohrentzündung Diabetes Akute Pharyngitis Chronische Sinusitis Bronchitis Rückenschmerzen Allergische Rhinitis (Mittlere Zeitdauer einer Konsultation ~ 12 min)

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Metaanalyse homöopathischer Therapiestudien

(Indikationsgebiete: Asthma, Infektionen des oberen Respirationstrakts, Hals-, Nasen-, Ohrenerkrankungen

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Homöopathie 1796 Sicht der Pharmakologie heute

Similiaregel Stimmt (halbwegs) nur in wenigen Ausnahmefällen

(Digitalis?). Als Prinzip unbrauchbar

Monotherapie Immer noch korrektes Prinzip

Potenzierung Ignoriert die Fortschritte der Chemie der letzten 200 Jahre

Arzneiprüfung am Gesunden Immer noch essentiell

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Probleme beim Wirkungsnachweis homöopathischer Therapie

•Zu wenige gut kontrollierte Studien. Sehr variable Methodik.

•Fallzahl meist relativ klein

•Individualisierte Therapie. Die Wirksamkeit einzelner Medikamente kann nicht standardisiert erfasst werden.

•Häufig subjektive oder sonst schwierig zu objektivierende Endpunkte (Veränderung/Besserung von Symptomen)

•‚Harte‘ Endpunkte (z.B. Verschwinden einer Warze) werden häufig nicht beeinflusst

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Weitere Probleme homöopathischer Therapie

•Festhalten an oberflächlichen Analogien

•Verlust des ursprünglich kritisch empirischen Ansatzes

•Unverändertes Festhalten an einmal etablierten Vorgehensweisen nach dem Vermächtnis Hahnemanns:

•‚Macht‘s nach, aber macht‘s genau nach‘

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„Diese Wahl der Mittel und Art der Anwendung ist es, die den wahren Arzt auszeichnet, der keinem Systeme geschworen hat, nichts ununtersucht verwirft, oder aufs Wort für bar annimmt, und das Herz hat, selbst zu denken und eigenmächtig zu handeln.“ Aus: Hahnemann, Anleitung alte Schäden und Geschwüre gründlich zu heilen (1784).