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Grundlagen der Physik – Lerneinheit 3
3
Grundlagen der Physik – Lerneinheit 3
Einführung in die Mechanik
Der Sterngucker (Carl Spitzweg 1808 – 1885)
Dieter Bangert
Januar 2017
Inhaltsverzeichnis Lerneinheit 3 - Grundlagen der Physik -
4
Inhaltsverzeichnis Lerneinheit 3 - Grundlagen der Physik -
Vorwort 5 1 Mechanik der Massenpunkte und starren Körper 6 1.1 Einführung 6 2 Grundbegriffe der linearen Bewegung 7 2.1 Geschwindigkeit bei gleichförmiger und ungleichförmiger Bewegung 7 2.1.1 Gleichförmige Bewegung 8 2.1.2 Ungleichförmige Bewegung 9 2.2 Beschleunigung 11 2.2.1 Gleichmäßig beschleunigte Bewegung 12 2.2.2 Ungleichmäßig beschleunigte Bewegung 14 2.2.3 Berechnung der Wegfunktion s(t) 14 3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft 17 3.1 Träge Masse 17 3.2 Impuls 17 3.3 Newtonsche Axiome 17 3.4 Kräfte, Wechselwirkungen und ihre Ursachen 22 3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte 27 3.5.1 Haftreibung 28 3.2.2 Gleitreibung 31 3.5.3 Rollreibung 32 3.5.4 Anwendungsbeispiel: Bremsen im Straßenverkehr 34 3.5.5 Fahrwiderstand 36 3.5.6 Geschwindigkeitsabhängige Reibungskräfte 37 4 Arbeit, Energie und Leistung 42 4.1 Hubarbeit und potentielle Energie im Schwerefeld der Erde 42 4.2 Beschleunigungsarbeit und kinetische Energie 42 4.3 Federkraft und Federspannarbeit 48 4.4 Leistung 50 4.5 Impulserhaltung 51 4.5.1 Zentrale Stoßprozesse 52 4.5.2 Raketenantrieb und Strahltriebwerk 56 4.6 Konservative Kräfte und Energieerhaltung 59 5 Drehbewegungen 64 5.1 Kinematik der Rotation 65 5.2 Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft 69 5.3 Drehmoment 70 5.4 Massenträgheitsmoment 78 5.5 Drehimpuls 84 5.6 Dynamisches Grundgesetz der Rotation 85 5.7 Rotationsenergie 86 5.8 Verfahrenstechnische Anwendung: Zentrifugen 89 5.9 Schleudern und Kippen im Straßenverkehr 90 5.9.1 Schleudern 90
Inhaltsverzeichnis Lerneinheit 3 - Grundlagen der Physik -
5
5.9.2 Kippen 92 5.9.3 Rekuperation 97 6 Wiederholungstest 98 6.1 Testfragen 98 6.2 Lösungen der Testfragen 100 7 Zusammenfassung 102 8 Übungen 106 8.1 Übungsaufgaben 106 8.2 Lösungen der Übungsaufgaben 108 Anhang A1 Griechisches Alphabet 115 A2 Formelzeichen 116 A3 Literaturauswahl 117
Vorwort
6
Vorwort
Nicht weil es schwer ist, fangen wir nicht an, sondern weil wir nicht anfangen, ist es schwer. Seneca (4 v. Chr. – 65 n. Chr.)
Die vorliegende Lerneinheit stellt eine elementare Einführung in die Mechanik für Studierende des Wirtschaftsingenieurwesens dar, die Physik als Hilfswissenschaft betreiben. Im Vordergrund steht eine ausführliche Behandlung der physikalischen Grundbegriffe der Ki-nematik und Dynamik. Ziel dieser Lerneinheit ist das Vertrautwer-den mit mechanischen Phänomenen. Dabei soll die Einsicht in phy-sikalische Gesetzmäßigkeiten vertieft werden. So gerüstet soll das Erlernte handlungsorientiert zur Bearbeitung physikalischer Prob-lemstellungen genutzt werden. Die selbständige Lösung von physika-lischen Aufgaben stellt eine über das Lesen und Nachvollziehen des vorliegenden Textes hinausgehende Fertigkeit dar. Die dazu notwen-dige Problemlösungskompetenz muss sich jeder angehende Ingenieur eigeninitiativ erarbeiten. Das Qualifizierungskonzept dafür ist ein-fach: Intellektuelles Training durch Beschäftigen, Auseinandersetzen und immer wieder Üben. Die Beschreibung der Grundbegriffe der linearen Bewegung ist das Thema von Kapitel 2. Daran anschließend liefert Kapitel 3 einen Überblick über Kräfte und ihre Eigenschaften. Kapitel 4 beschäftigt sich mit den Begriffen Arbeit, Energie und Leistung. In Kapitel 5 erfolgt abschließend eine Behandlung der Drehbewegungen. Den für die Ingenieurspraxis wichtigen Phänomenen der Schwingungen und Wellen ist eine eigenständige Lerneinheit gewidmet. Verbesserungsvorschläge, Fehlermeldungen und sonstige Kommen-tare oder Hinweise sind erwünscht. Bitte richten Sie diese an folgen-de E-Mail-Adresse: [email protected] Marburg, Januar 2017 Dieter Bangert
1.1 Einführung
7
1 Mechanik der Massenpunkte und starren Körper
1.1 Einführung
Dieses Kapitel liefert unter Verzicht auf Vollständigkeit eine Einfüh-rung in die Prinzipien und Grundbegriffe der Mechanik. Die Mecha-nik als ältestes Teilgebiet der Physik basiert auf einer makroskopi-schen Betrachtung der Materie. Ihre Gesetzmäßigkeiten sind auch für andere Teilbereiche der Physik von Bedeutung. So führt die Anwen-dung der mechanischen Stoßgesetze auf der Ebene der Atome und Moleküle zur kinetischen Theorie der Wärme und zur statistischen Mechanik, die eine mikroskopische Erklärung der phänomenologi-schen Thermodynamik ermöglicht. In Kapitel 2 erfolgt eine Einfüh-rung in die Kinematik von einfachen Bewegungsvorgängen in Raum und Zeit. Zentrales Thema von Kapitel 3 ist die Dynamik. Dort wer-den die Kräfte untersucht, welche die Ursache aller Bewegungsände-rungen darstellen. Nachdem in Kapitel 4 die Begriffe Arbeit, Energie und Leistung vorgestellt wurden, wird schließlich in Kapitel 5 eine für die Technik wichtige Klasse von Bewegungen beschrieben, näm-lich die Drehbewegungen. Die Eigenschaften materieller Objekte werden im Rahmen der Me-chanik anhand zweier idealisierter Modellkörper diskutiert: Massen-punkt und starrer Körper. Die Bewegung eines Körpers ist dann voll-ständig beschrieben, wenn die Bewegung aller seiner Teile angege-ben werden kann. Der einfachste Fall liegt vor, wenn die Abmessun-gen des Körpers klein gegen die bei seiner Bewegung zurückgeleg-ten Entfernungen sind, sodass man sich auf die Betrachtung der Be-wegung eines einzigen Punktes beschränken kann. Dazu idealisiert man den betrachteten Körper durch einen materiellen Punkt, den so genannten Massenpunkt, der keine räumliche Ausdehnung besitzt und den man die Masse des betrachteten Körpers zuweist. So kann beispielsweise die Bewegung der Erde bei ihrem Umlauf um die Sonne als Massenpunkt behandelt werden. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn die Drehung der Erde um ihre eigene Achse behan-delt werden soll. Hier kann von der Ausdehnung der Erde nicht ab-gesehen werden. Werden bei einem festen Körper Formänderungen ausgeschlossen, so kann er als starrer Körper idealisiert werden, der in allen seinen Teilen von absolut unveränderlicher Gestalt ist. Ein starrer Körper kann daher als ein System von Massenpunkten aufge-fasst werden, deren gegenseitige Abstände sich nicht verändern.
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
8
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
Die Lehre von den Bewegungen der Körper im Raum wird als Ki-nematik bezeichnet. Weg s
r, Geschwindigkeit
rv und Beschleuni-
gung ar
stellen vektorielle Größen dar, für deren vollständige Be-
schreibung die Angabe von Betrag und Richtung erforderlich ist. Die allgemeinste Form einer Bewegung erfolgt auf einer gekrümmten Raumkurve im dreidimensionalen Raum. Bei den Bewegungsfor-men, die ein Körper im Raum ausführen kann, wird zwischen Trans-lationen, Rotationen und aus Translation und Rotation zusammenge-setzten Bewegungen unterschieden. Bei einer Translation erfolgt eine Verschiebung aller Punkte des bewegten Körpers auf kongruenten Bahnen gleicher Form und Größe. Bei einer reinen Rotation be-schreiben alle Punkte des ausgedehnten Körpers konzentrische Krei-se mit unterschiedlichen Radien. Für den Spezialfall der linearen Bewegung, bei der die Bewegungsrichtung durch die Lage einer Geraden definiert ist, können Weg, Geschwindigkeit und Beschleu-nigung vereinfachend durch skalare Größen beschrieben werden. Die lineare Bewegung erfolgt geradlinig und ist dadurch auf eine Raum-dimension beschränkt. Sie ist eindimensional und stellt die einfachste Bewegungsart dar. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf diesen Sonderfall der linearen Bewegung. Der Rotationsbewegung ist ein eigenständiges Kapitel gewidmet.
2.1 Geschwindigkeit bei gleichförmiger und ungleichförmiger Bewegung
Zur analytischen Beschreibung von Bewegungsvorgängen wurde die Differenzialrechnung erstmals durch Isaac Newton (1643 – 1727) eingeführt. Dieses mathematische Konzept soll am Beispiel des freien Falles eines Massenpunktes näher erläutert werden. Ein Regentropfen falle aus einer Wolke reibungsfrei unter dem Ein-fluss einer konstanten Schwerkraft senkrecht nach unten. Die quanti-tative Beschreibung dieser geradlinigen Bewegung erfolge mithilfe einer vertikalen Zahlengerade, mit welcher der Ort s des Regentrop-fens in Abhängigkeit von der Zeit t angegeben werden kann. Die Funktion s(t) gibt dabei Auskunft darüber, an welcher Stelle s sich der Tropfen zum Zeitpunkt t befindet. Der Ort könnte auch durch die Ortskoordinate x bezeichnet werden. Für die zeitabhängige Ortsfunk-tion erhielte man dann x(t) statt s(t). Als analytisches Maß für seine momentane Ortsveränderung wird die Geschwindigkeit v des Trop-fens definiert. Der Regentropfen hat dann zu jedem Zeitpunkt t eine wohldefinierte Geschwindigkeit v(t). Befindet sich der Tropfen zur Zeit
0t am Ort
0s und zu einer späteren Zeit
1t am Ort
1s , dann hat
er im Zeitintervall 01
ttt −=∆ den Weg 01
sss −=∆ zurückgelegt.
Seine mittlere Geschwindigkeit v ist dann:
2.1 Geschwindigkeit bei gleichförmiger und ungleichförmiger Bewegung
9
t
s
tt
tstsv
∆∆
=−−
=01
01 )()( (2.1)
Im Zähler und Nenner dieses Ausdrucks stehen jeweils Differenzen. Die mittlere Geschwindigkeit v wird als Quotient dieser Differen-zen, d. h. als Differenzenquotient definiert. Die freie Fallbewegung unter dem Einfluss einer konstanten Schwerkraft ist eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung, bei der die Fallgeschwindigkeit ständig zunimmt. Soll die Momentangeschwindigkeit v(t) zum Zeitpunkt t bestimmt werden, zu dem der Tropfen die Position s(t) einnimmt, so ist nach Verstreichen einer infinitesimal kurzen Zeitspanne t∆ , d. h. zum Zeitpunkt tt ∆+ eine erneute Positionsbestimmung (Wegmes-sung) notwendig. Der Tropfen wird sich um s∆ weiterbewegt und die neue Position s)t(s ∆+ eingenommen haben. Eine immer besse-re Approximation der Momentangeschwindigkeit zum Zeitpunkt t erhält man nun dadurch, dass man die Zeitspanne t∆ immer kleiner wählt. Als Momentangeschwindigkeit v(t) wird dann der Grenzwert des Differenzenquotienten mit 0t →∆ definiert.
t
slim
t
)t(s)tt(slim)t(v
0t0t ∆∆
=∆
−∆+=
→∆→∆ (2.2)
Dieser Grenzwert des Differenzenquotienten heißt Differenzialquoti-ent. Aus historischen Gründen werden Differenzialquotienten nach der Zeit durch einen Punkt über dem Symbol der zu differenzieren-den Größe bezeichnet:
)t(v)t(s)t(sdt
d
t
slim
0t===
∆∆
→∆& (2.3)
2.1.1 Gleichförmige Bewegung
Wird der zurückgelegte Weg s als Funktion der Zeit t in einem rechtwinkligen Koordinatensystem aufgetragen, so lässt sich der Bewegungsablauf grafisch in einem Weg-Zeit-Diagramm darstellen. Ein Läufer befinde sich zum Zeitpunkt
1t an einem Ort
1s . Aufgrund
seiner Bewegung erreicht er zu einem späteren Zeitpunkt 2
t den Ort
2s . Er hat sich somit von dem Ort
1s zum Ort
2s bewegt und dabei
die Wegstrecke 12
sss −=∆ zurückgelegt. Die für die zurückgelegte
Wegstrecke s∆ benötigte Zeitspanne ist 12
ttt −=∆ . Dieser Sach-
verhalt ist in Abb. 1 skizziert.
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
10
s
s
s
s
s
s
∆ s
t t
∆ t
0
0
2
2
1
1
1 2 t
Abb. 1: Weg-Zeit-Diagramm einer gleichförmigen Bewegung
Eine Bewegung heißt gleichförmig, wenn in gleichen Zeitintervallen t∆ gleiche Wegstrecken s∆ zurückgelegt werden. Die gleichförmi-
ge Bewegung erfolgt mit konstanter Geschwindigkeit 0
vv = .
Es ist: t
sv
0 ∆∆
= oder tvs0∆=∆
Die Geschwindigkeit v ist eine abgeleitete physikalische Größe. Ihre
SI - Einheit ist s
m]v[ = .
2.1.2 Ungleichförmige Bewegung
Bei der ungleichförmigen Bewegung ist die Geschwindigkeit v nicht konstant, sondern eine Funktion v = v(t) der Zeit t (Abb.2).
s
s
s
s(t)
∆s
∆t
t t t t
s
2
i
1
1 i 20
Abb. 2: Weg-Zeit-Diagramm einer ungleichförmigen Bewegung
2.1 Geschwindigkeit bei gleichförmiger und ungleichförmiger Bewegung
11
Die Durchschnittsgeschwindigkeit oder mittlere Geschwindig-keit v wird durch den Differenzenquotienten
t
ss =v 2
∆∆
=−
−
12
1
tt
s (2.4)
dargestellt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit wird häufig auch durch das Symbol < v > gekennzeichnet. Die Momentangeschwindigkeit v wird durch den Grenzwert des Differenzenquotienten, d.h. durch den Differenzialquotienten be-stimmt:
(t)s= s(t)dt
d =
t
s lim = v(t)
0t&
∆∆
→∆ (2.5)
(t)s& beschreibt mathematisch die 1. Ableitung der Wegfunktion s(t)
nach der Zeit t. Im Weg-Zeit-Diagramm ergibt sich die Momentangeschwindigkeit
)t(vi
zum Zeitpunkt i
t als Steigung der Tangente im Punkt (i
s ,i
t )
an die Bahnkurve s(t). Allgemein gilt: Eine zeitliche Änderung der Geschwindigkeit kann, da die Ge-schwindigkeit eine vektorielle Größe ist, sowohl durch eine Ände-rung des Geschwindigkeitsbetrages als auch durch eine Änderung der Richtung der Geschwindigkeit bei konstantem Geschwindig-keitsbetrag verursacht werden. Die Geschwindigkeit v
rstellt nämlich
einen polaren Vektor dar. Raumspiegelung führt zur Umkehr der Bewegungsrichtung, d. h. bewegt sich ein Körper beispielsweise von links nach rechts, so zeigt das Spiegelbild eine Bewegung von rechts nach links. Mathematisch wird die Raumspiegelung durch Anwen-dung des Paritätsoperators P auf den Geschwindigkeitsvektor v
r
ausgedrückt. Es gilt dabei:
dt
rdv
rr
= (2.6)
Für den Ortsvektor r
r erhält man bei Spiegelung:
P rr
= rr
− und P rdrdrr
−=
Daraus folgt:
P =vr
P vdt
rd
dt
rd rrr
−=−=
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
12
Durch Raumspiegelung kehrt sich das Vorzeichen von polaren Vek-toren um, es findet eine Umkehrung der Bewegungsrichtung statt.
2.2 Beschleunigung
Um Änderungen der Geschwindigkeit während des Bewegungsvor-ganges beschreiben zu können, führt man den Begriff der Beschleu-nigung ein. Die Geschwindigkeit beschreibt die Änderung der zu-rückgelegten Wegstrecke mit der Zeit, und die Beschleunigung wird definiert als Änderung der Geschwindigkeit mit der Zeit. Für die Durchschnittsbeschleunigung a gilt
t
va
∆∆
= . (2.7)
Die Durchschnittsbeschleunigung a ist das Verhältnis aus der Ände-rung der Geschwindigkeit
12vvv −=∆ zwischen zwei Orten s2 und
s1 und dem zum Zurücklegen der Strecke 12
sss −=∆ benötigten
Zeitintervall12
ttt −=∆ .
Für die Momentanbeschleunigung a(t) folgt:
)t(sdt
sd)
dt
ds(
dt
d
dt
dv
t
vlim)t(a
2
2
0t&&====
∆∆
=→∆
. (2.8)
)t(s&& beschreibt mathematisch die zweite Ableitung der Wegfunktion
s(t) nach der Zeit t. Die SI-Einheit der Beschleunigung a ist
2s
m]a[ = .
Diese skalare Schreibweise ist nur bei geradliniger Bewegung zuläs-sig. Im allgemeinen Fall der krummlinigen Bewegung ist der Vek-torcharakter der Geschwindigkeit zu berücksichtigen und man erhält
vdt
da
rr= . (2.9)
Unter dieser vektoriellen Definition der Beschleunigung ist Folgen-des zu verstehen: Die Position eines sich im dreidimensionalen Raum bewegenden Massenpunktes wird zu jedem beliebigen Zeit-punkt t durch eine vektorwertige Wegfunktion ))t(s),t(s),t(s()t(s
zyx=
r
2.2 Beschleunigung
13
beschrieben, deren Komponenten die Koordinaten des Massenpunk-tes darstellen, die ihrerseits reelle Funktionen der Zeitvariablen t sind. Für die Geschwindigkeit des Massenpunktes folgt dann:
))t(v),t(v),t(v())t(sdt
d),t(s
dt
d),t(s
dt
d()t(s
dt
dv
zyxzyx===
rr.
Die Beschleunigung ist dann ebenfalls eine vektorwertige Funktion und es gilt:
))t(a),t(a),t(a())t(vdt
d),t(v
dt
d),t(v
dt
d(v
dt
da
zyxzyx===
rr.
Der Vektor a
v enthält dabei sowohl die Änderung des Betrages als
auch der Richtung von vv
; er weist in Richtung von vdr
, fällt also im
Allgemeinen nicht mit der Bahnrichtung zusammen. Es gilt:
Jede krummlinige Bewegung ist immer eine ungleich-mäßig beschleunigte Bewegung.
Im Folgenden erfolgt eine Beschränkung auf geradlinige Bewegun-gen, bei denen keine Richtungsänderung auftritt und somit nur Ände-rungen des Geschwindigkeitsbetrages betrachtet werden müssen.
2.2.1 Gleichmäßig beschleunigte Bewegung
Eine Bewegung heißt gleichmäßig beschleunigt, wenn die Beschleu-nigung a konstant ist, d.h. unabhängig von der Zeit immer denselben Wert besitzt. Das Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm für die gleich-mäßig beschleunigte Bewegung hat die in Abb.3 dargestellte Form. Zum Anfangszeitpunkt (t = 0) besitzt der Körper die Anfangsge-schwindigkeit 0v .
0 t
v
v
v
v
v
t t t1
1
2
2
0
i
i
∆ t
∆ v
Abb. 3: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
14
Die gleichmäßig beschleunigte Bewegung ist eine Bewegung mit konstanter Beschleunigung a. Für eine beschleunigte Bewegung ist die Beschleunigung a positiv (a > 0), während für eine verzögerte Bewegung (Abbremsung) a negativ (a < 0) ist. Im Folgenden wird mit a der Betrag der Be-schleunigung bezeichnet. Es ist dann:
0≥= aa Das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung lautet dann:
atvtv ±= 0)( Das positive Vorzeichen gilt für die beschleunigte Bewegung, bei der im Laufe der Zeit die Geschwindigkeit linear zunimmt. Bei einer verzögerten Bewegung, bei der die Geschwindigkeit stetig abnimmt, gilt das negative Vorzeichen im Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz. Der freie Fall stellt ein Beispiel für eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung mit positiver Beschleunigung a = g dar. Das Weg-Zeit-Gesetz des freien Falls aus der Ruhelage mit konstanter Beschleuni-gung g lautet:
2tg2
1)t(s = (2.10)
Die Proportionalitätskonstante g ist dabei die so genannte Erdbe-schleunigung. Das zugehörige Geschwindigkeits- Zeit-Gesetz des freien Falls erhält man durch Bildung des Differenzialquotienten.
t
)t(s)tt(slim)t(v
0t ∆−∆+
=→∆
t
t)tt(g
2
1lim
t
gt2
1)tt(g
2
1
lim)t(v22
0t
22
0t ∆−∆+
=∆
−∆+=
→∆→∆
gt)tt2(g2
1lim)t(v
0t=∆+=
→∆
Die Momentangeschwindigkeit tg)t(v = nimmt beim freien Fall
linear mit der Fallzeit t zu.
Ist speziell a = 0, so ist wegen 0t
va =
∆∆
= auch 0v =∆ und damit ist
die Geschwindigkeit 0
vv = konstant. Für beliebige Zeiten 1
t und
2t gilt dann:
021v)t(v)t(v == . Die Bewegung mit einer von der
2.2 Beschleunigung
15
Zeit unabhängigen Geschwindigkeit v0 erfolgt gleichförmig ohne Beschleunigung (Abb. 4).
0 t t t
a=0v v(t)0
1 2
v
Abb. 4: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm einer gleichförmigen Bewegung
2.2.2 Ungleichmäßig beschleunigte Bewegung
Ändert sich der Betrag oder die Richtung der Beschleunigung, so nennen wir die Bewegung ungleichmäßig beschleunigt. Es gilt
)t(aa = . In Abb. 5 sind zwei Beispiele für ungleichmäßig beschleu-
nigte Bewegungen dargestellt. Die Kurve 1 der Funktion )t(v1
stellt eine positiv beschleunigte Bewegung (a(t) > 0) dar. Die Kurve 2 der Funktion )t(v
2 beschreibt eine negativ beschleunigte Bewe-
gung (Abbremsung) mit a(t) < 0. Die jeweilige Momentangeschwin-digkeit )(1 tv bzw. )(2 tv ist dann eine nichtlineare Funktion der Zeit.
0
v
v
a >0
a <0
v (t)
v (t)
0
1
2
1
2
t
Abb. 5: Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm für zwei ungleichmäßig beschleunigte Bewegungen
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
16
2.2.3 Berechnung der Wegfunktion s(t) aus Geschwindigkeit v(t) und Beschleunigung
Für eine Bewegung mit konstanter Beschleunigung 0
a gilt
0
adt
dv= . (2.11)
Daraus ergibt sich: dtadv
0=
∫∫t
00
t
0
a = dv dt
ta)0t(v)t(v0
==−
Für v(t=0) wird abkürzend
0v gesetzt. Damit folgt das Geschwin-
digkeits-Zeit-Gesetz für die gleichmäßig beschleunigte Bewegung:
00vta)t(v += (2.12)
Dabei gilt:
dt
ds = v(t) und ds = v(t)dt oder dt)vta(ds
00+= .
Für den zurückgelegten Weg s als Funktion der Zeit t erhält man:
( )∫∫t
0
00
t
0
dt v + ta = ds
tvta2
1)0t(s)t(s
02
0+==−
Wird für s(t=0) abkürzend
0s gesetzt, so folgt daraus das Weg-Zeit-
Gesetz für die geradlinige, gleichförmig beschleunigte Bewegung
2000ta
2
1tvs)t(s ++= . (2.13)
Wird in Gl. 2.13 die Zeit t mithilfe von Gl. 2.12 eliminiert, so erhält man die Endgeschwindigkeit v, die ein mit der Anfangsgeschwin-digkeit 0v gleichmäßig beschleunigter Körper nach Durchlaufen der
Wegstrecke s erreicht:
as2vv 20 += (2.14)
2.2 Beschleunigung
17
Je nach Art der Bewegung kann die konstante Beschleunigung 0
a >0
oder 0
a < 0 (Abbremsung) sein. Werden zum Zeitpunkt 0t0
= die
Anfangsbedingungen 0s0
= und 0v0 = gewählt, so erhält man für
Bewegungen im Schwerefeld der Erde mit der konstanten Erdbe-schleunigung ga
0= aus dem Weg-Zeit-Gesetz das Fallgesetz für
den freien Fall aus der Ruhelage
2gt2
1)t(s = .
Das Fallgesetz erlaubt mithilfe der Messung von Fallstrecke s und Fallzeit t eines zum Anfangszeitpunkt ruhenden Körpers die expe-rimentelle Bestimmung der Fallbeschleunigung oder Erdbeschleuni-gung, die üblicherweise durch das Symbol g bezeichnet wird.
2t
s2g = (2.15)
In Abb. 6 ist das Berechnungsverfahren zur Ermittlung der Wegfunk-tion s(t) aus einer gegebenen Beschleunigungsfunktion 0)( ata = mittels mathematischer Integration sowie die Bestimmung der Be-schleunigungsfunktion a(t) aus einer gegebenen Wegfunktion s(t) mithilfe der Differenziation grafisch dargestellt. Hierzu wurde eine gleichmäßig beschleunigte Bewegung gewählt.
s
v
a
s
v
a
0
0
0
0
0
0
s(t)
v(t)
a(t)
t
t
t
s(t)= a t²+v t+s
s(t)= a t²+v t+s1
1
2
2
0
0
0
0
0
0
s(t)= v(t)dtt
t
0
0v(t) = =s(t)
ds(t) dt
v(t)=a t+v0 0
0
0
v(t)= a(t)dt
a(t)= = = s(t)dv(t)dt
d²s(t)dt²
a(t)=a
a(t)=a
Abb. 6: Weg-Zeit-, Geschwindigkeits-Zeit- und Beschleunigungs- Zeit-Diagramme
2 Grundbegriffe der linearen Bewegung
18
Die Darstellung in Abb. 6 gilt für eine positive Beschleunigung. Bei einer Bremsbewegung unter der Einwirkung einer konstanten Rei-bungskraft tritt eine Verzögerung auf. Im Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz und im Weg-Zeit-Gesetz tritt dann ein Minuszeichen vor der Beschleunigung 0a auf. Dieser Sachverhalt wird im Unterabschnitt 3.5.4 am Beispiel Straßenverkehr beschrieben. Analog zu Gl. 2.14 erhält man für eine gleichmäßig verzögerte Bewegung für die Ge-schwindigkeit v als Funktion des zurückgelegten Bremsweges s:
sa2vv 20 −= (Gl. 2.16)
Die Wurzel erstreckt sich über die gesamte rechte Seite der Gl. 2.16. v = v(t) ist die Geschwindigkeit des Körpers zum Zeitpunkt t und
)0(0 == tvv seine Anfangsgeschwindigkeit zum Anfangszeitpunkt
t = 0. Für den zurückgelegten Weg s = s(t) einer gleichmäßig beschleunig-ten oder einer gleichmäßig verzögerten Bewegung folgt:
tvv
s ⋅+
=2
0 (Gl. 2.17)
Und für den Spezialfall einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung
mit 00 =v folgt: tv
s ⋅=2
Bei einem Bremsvorgang (gleichmäßig verzögerte Bewegung) wird
)tt(ss BB == als Bremsweg bezeichnet. Setzt der Abbremsvorgang
zum Anfangszeitpunkt t = 0 ein und sei Bt die Bremsdauer, nach
deren Ablauf der bewegte Körper vollständig zur Ruhe gekommen ist, dann ist 0)( == Bttv . Für den Bremsweg Bs folgt dann:
B0
B t2
vs ⋅=
Die Kinematik der für die technischen Anwendungen wichtigen Drehbewegung (Rotation) wird in Kap. 5 anhand der gleichförmi-gen Kreisbewegung im Detail behandelt.
3.1 Träge Masse
19
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
3.1 Träge Masse
Die Masse ist eine Basisgröße des SI-Systems mit der Basiseinheit Kilogramm.
Die Masse eines Körpers ist Ursache für sein Beharrungsvermögen gegenüber Versuchen, seinen Bewegungszustand zu ändern. Sie ist somit Ausdruck für die Trägheit des Körpers. Sie stellt einen Be-schleunigungswiderstand dar und wird auch als träge Masse be-zeichnet. Die Masse ist somit ein Mengenbegriff, durch den ein quantitatives Maß für die Trägheit gegeben ist.
3.2 Impuls
Der Impuls pr
eines Körpers wird als das Produkt des Skalars Masse
m mit seinem Geschwindigkeitsvektor vr
definiert.
vmprr
= (3.1)
Der Impuls ist damit ein Vektor, der in Richtung des Geschwindig-keitsvektors weist. Für die Einheit des Impulses folgt
s
m kg== ]v[]m[]p[ .
3.3 Newtonsche Axiome
Da ein sich bewegender Körper zum Stillstand kommt, behaupteten die Griechen, es sei eine Kraft nötig, um einen Körper in Bewegung zu halten. Das war die Aussage der Naturlehre des griechischen Phi-losophen Aristoteles (384 - 322 ), die ja auch mit der alltäglichen Erfahrung überein zustimmen scheint. Galileo Galilei sowie Isaac Newton behaupteten dagegen, dass der bewegte Körper zum Stillstand kommt, ist die Folge einer auf den Körper einwirkenden Reibungskraft. Soll diese Aussage in einem Versuch experimentell überprüft werden, so stellt sich heraus, dass die bremsende Reibungskraft nicht völlig ausgeschaltet werden kann, aber sie kann klein gehalten werden, und je kleiner die Rei-bung wird, desto weiter bewegt sich der Körper, bevor er zur Ruhe kommt.
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
20
Es ist daher vernünftig anzunehmen, dass im Grenzfall verschwin-dender Reibung der Bewegungszustand unverändert bleibt, wie es das 1. Newtonsche Axiom besagt. Das 1. Newtonsche Axiom, das auch als Galileischer Trägheitssatz bezeichnet wird, beschreibt, wie frei bewegliche Körper sich bewegen, wenn keine Kräfte auf sie einwirken. Körper heißen frei beweglich, wenn sie keinen Zwangs-bedingungen unterworfen sind.
1. Newtonsche Axiom:
Wirken auf einen frei beweglichen Körper keine Kräfte, so verharrt er im Zustand der Ruhe (v = 0) oder der gleichförmigen Bewegung (
rv = konst.).
Die Kraft, die auf einen Körper wirkt, ist an ihrer Auswirkung er-kennbar. Deshalb spricht man oft auch statt von Kräften von Wech-
selwirkungen. Die Kraft führt, wenn der Körper beweglich ist, zur Änderung seines Bewegungszustandes, anderenfalls zu seiner De-formation.
2. Newtonsche Axiom:
Die Einwirkung einer Kraft auf einen frei beweglichen Körper ruft eine Änderung seines Bewegungszustandes, d.h. seine Beschleunigung (oder Verzögerung), hervor. Die Größe der Kraft ist gegeben als zeitliche Änderung des Impulses
Fv
= pdt
d r=
dt
d (m v
v). (3.2)
Für Körper, deren Massen sich nicht mit der Zeit ändern (wie dies z.B. wegen des Brennstoffverbrauchs bei einer Rakete der Fall wäre), d.h. für einen Körper mit konstanter Masse m ergibt sich:
Fv
= dt
d (m v
v) =
dt
vdm
r
= m av
. (3.3)
Das 2. Newtonsche Axiom beschreibt, wie sich die Geschwindigkeit eines Körpers unter dem Einfluss von Kräften ändert. Es wird wegen seiner Bedeutung auch als Grundgleichung der Mechanik bezeich-net. Dabei stellt die Beschleunigung a
r die zeitliche Änderung der
Geschwindigkeit vr
dar. Die Masse m ist ein Skalar, die Beschleuni-gung a
r ist eine vektorielle Größe. Die Kraft als das Produkt von
Masse und Beschleunigung ist damit ein Vektor, der in Richtung des Beschleunigungsvektors a
r weist. Die Kraft im 2. Newtonschen
Axiom ist immer eine resultierende Kraft, d.h. die Vektorsumme aller Kräfte, die auf einen Körper einwirken.
3.3 Newtonsche Axiome
21
Für die Einheit der Kraft gilt
[ F ] = [m] [a] = 1 2s
mkg = 1 N (Newton). (3.4)
Es zeigt sich, dass das 1. Newtonsche Axiom nur einen Spezialfall
des 2. Newtonschen Axioms darstellt. Ist nämlich 0F =r
, dann ist auch 0a =
r und daraus folgt
rv = konstant.
Aus pdt
dF
rr= folgt durch Multiplikation mit dt:
pddtFrr
=
Integration über die Zeitspanne zwischen einem Anfangszeitpunkt
At und einem Endzeitpunkt
Bt ergibt das Zeitintegral über die Kraft
Fr
, das auch als Kraftstoß bezeichnet wird.
)t(p)t(ppddtFAE
t
t
t
t
E
A
E
A
rrrr−== ∫∫ (3.5)
Der Kraftstoß ist somit gleich der durch ihn bewirkten Impulsände-rung )t(p)t(pp
AE
rrr−=∆ .
3. Newtonsche Axiom: actio = reactio
Das 3. Newtonsche Axiom wird auch als das Prinzip der Gleichheit von actio (Kraft) und reactio (Gegenkraft) bezeichnet.
Übt ein Körper 1 auf einen Körper 2 eine Kraft 21
F →
r aus, so
zeigt die Erfahrung, dass der Körper 2 auf den Körper 1 mit ei-
ner Kraft 12
F →
r wirkt, die von gleichem Betrag, aber entgegen-
gesetzt gerichtet ist.
1221FF →→ −=rr
(3.6)
21p
dt
dp
dt
d rr−= (3.7)
Mit dem 3. Newtonschen Axiom hat Newton eine Regel, d.h. eine allgemeine Eigenschaft der Kräfte formuliert. Dazu soll ein Lauf-schienenexperiment betrachtet werden, bei dem zwei ruhende Wagen gleicher Masse durch eine elastisch gespannte Feder miteinander verbunden sind (Abb. 7). Lässt man die Feder sich entspannen, wer-den die Wagen in entgegen gesetzte Richtungen beschleunigt, sodass sie sich auf der Schiene mit entgegengesetzt gleicher Geschwindig-
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
22
keit voneinander fortbewegen. Es ist m1 = m2 . Die Auswertung des
Experimentes liefert 21
aa −= . Daher ist 1221
FF →→ −=rr
.
Abb. 7: Laufschienenexperiment
Die Bedeutung des 3. Newtonschen Axioms (actio gleich reactio) soll an einigen Beispielen demonstriert werden. Beispiele:
a) Die Gewichtskraft gmFrr
=
Ein 150 kg schwerer Unternehmensberater, der im 25. Stock-werk eines Bürohochhauses an seinem Schreibtisch sitzt, fällt in-folge seiner Gewichtskraft nicht durch die Decke des Bodens nach unten (entsprechende Tragfähigkeit der Decke sei voraus-gesetzt), da diese Gewichtskraft gemäß des 3. Newtonschen Axioms durch eine gleich große aber entgegengesetzt gerichtete
Gegenkraft gmFrr
−= kompensiert wird. Nach längerem Sitzen
macht sich diese Gegenkraft übrigens schmerzhaft bemerkbar.
b) Das Mond-Erde-System Die Erde übt auf den Mond eine Anziehungskraft aus. Infolge dieser Kraft bewegt sich der Mond um die Erde. Diese Kraft ist ein Spezialfall der Newtonschen Gravitationskraft, die in Ab-schnitt 3.5 näher beschrieben wird. Nach dem 3. Newtonschen Axiom übt der Mond eine gleich große aber entgegengesetzt ge-richtete Anziehungskraft auf die Erde aus. Da die Erdmasse 100mal schwerer als die Mondmasse ist, bewegt sich die Erde nicht um den Mond. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass sich der Mond und die Erde gemeinsam um den Massenschwer-punkt des Mond-Erde-Systems bewegen, der sich allerdings noch innerhalb der Erdkugel befindet.
c) Das Paradoxon vom Elch und dem Baustamm
3.3 Newtonsche Axiome
23
J. Balif und W. Dibble berichten in ihrem Buch Anschauliche Physik (S. 208) von folgender Fabel. Ein Elch soll vor einen Baumstamm gespannt werden, um einen gefällten Stamm zu ziehen. In der Forstwirtschaft wird diese Arbeit als Rückearbeit bezeichnet, worunter man das Herausziehen der Stämme aus dem Bestand hin zu einem geeigneten Abfuhrplatz versteht. Der gebildete Elch weigert sich aber und zitiert Isaac Newtons drittes Axiom und schließt daraus, dass, wie kräftig er auch den Stamm ziehen möge, der Stamm ihn immer mit der gleichen Kraft zu-rückzieht. "Also", sagt er, "ist es völlig nutzlos, dass ich versu-che, den Stamm zu ziehen (oder irgendeinen anderen Gegen-stand), denn jede Kraft, die ich auf den Baustamm ausübe, um ihn zu bewegen, wird genau ausgeglichen durch die Kraft, mit der der Stamm zurückzieht". Diese Argumentation beruht jedoch auf einem Trugschluss. Wird der Stamm über den Boden gezo-gen, so greift an dem Stamm eine bremsende Reibungskraft an. Sie ist als bremsende Kraft der Bewegungsrichtung des ziehen-den Elches entgegengerichtet. Daneben greift die Zugkraft des Elches an dem Stamm an, die, sofern sie die Reibungskraft überwiegt als resultierende Kraft den Stamm in Richtung des ziehenden Elches beschleunigt. Da die Bewegung des Stammes horizontal erfolgt, können alle vertikalen Kräfte ignoriert wer-den. Soll der Elch den Stamm mit konstanter Geschwindigkeit weiterziehen, nachdem er einmal in Bewegung ist, muss er auf den Stamm eine Kraft ausüben, deren Betrag gleich dem Betrag der Reibungskraft auf den Stamm ist. Die resultierende Kraft ist in diesem Fall null. Der Stamm wird sich dann gemäß dem Gali-leieschen Trägheitssatz (1. Newtonsches Axiom) mit konstanter Geschwindigkeit weiterbewegen. Bei dieser Argumentation wurde die Kraft des Stammes auf den Elch nicht erwähnt. Diese Kraft wirkt nicht auf den Stamm; sie beeinflusst zwar die Bewe-gung des Elches, aber nicht die Bewegung des Stammes. Ob-wohl die Wechselwirkung zwischen dem Elch und dem Stamm aus zwei Kräften besteht, wirkt nur eine von ihnen auf den Stamm.
Um Missverständnisse bei der Anwendung des 3. Newtonschen Axi-oms auszuschließen ist Folgendes zu beachten: Die beiden betrags-mäßig immer gleich großen aber entgegengesetzt gerichteten Kräfte (Aktionskraft und Reaktionskraft) wirken niemals beide auf dasselbe Objekt ein. Ein vertieftes Studium der Natur der Kräfte zeigt: Das 3. Newtonsche Axiom gilt nur bei einer Beschränkung auf nicht-relativistische Phänomene. Es ist somit kein allgemein gültiges Na-turgesetz, da es dem Relativitätsprinzip widerspricht, nachdem alle Naturgesetze in allen nicht beschleunigten Bezugssystemen, den so genannten Inertialsystemen, gleich sein sollen. Gemäß der Aussage
actio = reactio müssen nämlich die beiden Kräfte 21
F →
r und
12F →
r
zur gleichen Zeit t miteinander verglichen werden. Die Definition der Gleichzeitigkeit bereitet jedoch Schwierigkeiten, da sie vom jeweili-
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
24
gen Bezugssystem abhängig ist. Zwei von einem Bezugssystem aus gleichzeitig registrierte Ereignisse, sind nämlich nicht notwendiger-weise gleichzeitig, wenn sie von einem anderen Bezugssystem aus beobachtet werden, das sich relativ zum Ersten bewegt.
3.4 Kräfte, Wechselwirkungen und ihre Ursachen
Kräfte sind vektorielle physikalische Größen, d.h. Vektoren mit zu ihrer Größe proportionalen Längen. Ein Körper befindet sich im statischen Gleichgewicht, wenn er keiner resultierenden Gesamtkraft ausgesetzt ist, die ihn andernfalls in Bewegung setzen würden. In diesem Fall bilden die Kräfte ein geschlossenes Vieleck, d.h. die Kräfte, die ihrerseits alle von null verschieden sind, addieren sich nach den Regeln der Vektoraddition zu einer resultierenden Vektor-summe mit dem Betrag Null. Dabei müssen die Kräfte nicht notwen-digerweise in einer Ebene liegen, sie können vielmehr im dreidi-mensionalen Raum in jede beliebige Richtung weisen. Auf einen frei beweglichen aber ruhenden Körper sollen beispielsweise drei nicht
parallele Kräfte 1
Fr
, 2
Fr
und 3
Fr
einwirken (Abb. 8).
F
F
F
F
F
F
1
1
2
2
3
3
Abb. 8: Kräftegleichgewicht von drei nicht parallelen Kräften
Ein Kräftegleichgewicht bezüglich Translationsbewegungen liegt immer dann vor, wenn verschiedene Kräfte, die an einer Punktmasse m angreifen ein geschlossenes Vieleck (Polygon) bilden.
3.4 Kräfte, Wechselwirkungen und ihre Ursachen
25
FF
F
F
F
F
F
FF
F
1
1
2
2
3
3 4
4
5
5
m
Abb.9: Kräftegleichgewicht von fünf nicht parallelen Kräften
In Vektorschreibweise gilt dann:
0FF...FF)F,F,F(Fn
1iin21zyx
rrrrrr==+++== ∑
= (3.8)
Der Vektorcharakter der Kräfte führt zu dem interessanten Ergebnis,
dass die Summe unterschiedlicher Kräfte, die alle vom Nullvektor 0r
verschieden sind, zu einer verschwindenden Resultierenden ( 0Frr
= )
führt. In Komponentenschreibweise kann diese Vektorgleichung durch drei skalare Gleichungen ersetzt werden:
0F...FFFFn
1ix,ix,3x,2x,1x
==+++= ∑=
0F...FFFFn
1iy,iy,3y,2y,1y
==+++= ∑=
0F...FFFFn
1iz,iz,3z,2z,1z
==+++= ∑=
Das 2. Newtonsche Axiom amFrr
= kann als eine Art Definition der Kraft angesehen werden. Die Aussage dieses Axioms geht aber über eine reine Definition hinaus. Einerseits ist die Art und Weise, wie sich materielle Objekte unter dem Einfluss von Kräften verhalten, völlig unabhängig von irgendeiner Wahl von Definitionen. Anderer-seits ist das 2. Newtonsche Axiom als physikalisches Gesetz unvoll-
ständig, denn die auf der linken Seite der Gleichung amFrr
= stehen-
de Kraft ist noch nicht näher bestimmt. Eine Kraft Fr
muss daher zusätzlich zum 2. Newtonschen Axiom noch einige unabhängige Eigenschaften aufweisen, welche die jeweilige Kraft genauer spezifi-zieren. Eine der wichtigsten physikalischen Eigenschaften jeder Kraft ist dabei, dass sie einen materiellen Ursprung hat. Massen und elektrische Ladungen als die wichtigsten qualitativen Eigenschaften der Materie und ihrer Konstituenten in Form der Elementarteilchen können daher als die grundlegenden Quellen der Kräfte angesehen werden. Die Frage „was ist eine Kraft?" wird beispielsweise im Falle der Wechselwirkung zwischen den beiden Massen m und M, die einen Abstand r voneinander haben durch das von Newton 1666
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
26
formulierte Gravitationsgesetz beantwortet. Für den Betrag G
F der
Gravitationskraft gilt:
2Gr
mMGF = (3.9)
Die Gravitation ist eine langreichweitige Wechselwirkung, die nicht abschirmbar ist, da es nur Massen eines Vorzeichens gibt. Wird die Masse M in den Ursprung eines Koordinatensystems gelegt, dann weist der Ortsvektor r
r zur Masse m. Mithilfe des in Richtung des
Ortsvektors rr
weisenden radialen Einheitsvektors r
re
r
rr
= kann
die Anziehungskraft Fr
, die eine Masse M auf eine punktförmige Masse m im Abstand r ausübt in vektorieller Form geschrieben wer-den:
r2Ge
r
mMGF
rr−= . (3.10)
Fr
greift in m an und weist nach M. Die Richtung der Kraft wird dabei durch den zu r
r− parallelen Einheitsvektor
rer
− charakteri-
siert. Die Kraft, mit der die Masse m gemäß dem 3. Newtonschen Axioms auf die Masse M einwirkt, unterscheidet sich nur durch ein positives Vorzeichen. Dies ist in der folgenden Abbildung am Bei-spiel des Erde-Mond-Systems dargestellt. Der Mond übt eine Gravi-
tationskraft EM
F →
r auf die Erde aus. Die Erde übt eine gleich große
entgegengesetzt gerichtete Gravitationskraft ME
F →
r auf den Mond
aus. Diese Aussage ergibt sich aus dem 3. Newtonschen Axiom:
EMF →
r
MEF →−=r
(3.11)
r
mM MEF F
M E E M
Abb. 10: Gravitationswechselwirkung
Die Proportionalitätskonstante G, die so genannte Gravitations-
konstante, die erstmals 1798 durch Henry Cavendish (1731 - 1810) experimentell bestimmt wurde, hat den Zahlenwert
3.4 Kräfte, Wechselwirkungen und ihre Ursachen
27
2211 kgNm10672,6G −−⋅= . (3.12)
Die Gravitation infolge der Erdmasse
EM nennen wir die Schwer-
kraft, Gewichtskraft oder Erdanziehungskraft S
F . Die Schwerkraft
oder Gewichtskraft einer Masse m auf der Erdoberfläche, d. h. im Abstand ER vom Erdmittelpunkt ergibt sich zu:
mgR
mMGF
2E
EG
== . (3.13)
Die Erde verhält sich dabei so, als sei ihre gesamte Masse im Erdmit-telpunkt vereinigt. Diese Tatsache liefert eine Rechtfertigung für die idealisierende Modellannahme der Punktmechanik: Massen können als mathematische Punkte aufgefasst werden, denen zusätzliche phy-sikalische Eigenschaften zugewiesen werden. Für die Schwerebeschleunigung der Erde, die kurz als Erdbeschleu-
nigung g bezeichnet wird, folgt:
2E
E
R
MGg = . (3.14)
Mit den Zahlenwerten für die Erdmasse 24E
10974,5M ⋅= kg und
dem mittleren Erdradius 6E
10371,6R ⋅= m erhält man für die
Erdbeschleunigung:
g = 9,81 2s
m. (3.15)
Die Form der Erde ist nicht starr, sondern einer dynamischen Verän-derung unterworfen. Sie stellt in guter Näherung ein Rotationsellip-
soid dar mit einem Äquatorialradius von 6Ä,E
10378,6R ⋅= m und
einem Polradius von 6P,E
10357,6R ⋅= m. Die Abplattung
P,EÄ,ERRR −=∆ beträgt zurzeit in einer Phase der Zunahme des
Äquatorialradius km21R =∆ . Die Abplattung und die Zentrifugal-
kraft infolge der Erdrotation führen dazu, dass ein Gegenstand am Pol schwerer ist als am Äquator. Abweichend von dem auf Meeres-niveau definierten Standardwert der Erdbeschleunigung von
g = 9,80665 2s/m , misst man am Pol einen größeren Wert von etwa
g = 9,83 2s/m , während man am Äquator einen kleineren Messwert
von etwa g = 9,78 2s/m registriert.
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
28
Die Gravimetrie ist ein Messverfahren, dass im Rahmen der Lager-stättenkunde die genaue Messung der lokalen Erdbeschleunigung g ausnutzt, um beispielsweise Aussagen über mögliche Erdölvorkom-men zu machen. Oberflächennahe Gesteine mit Unterschieden in der Dichte beeinflussen das Schwerefeld der Erde und damit den Betrag der Erdbeschleunigung. So ist beispielsweise die lokale Erdbe-schleunigung über einem dichten Erzvorkommen etwas größer, über Salzstöcken mit geringer Dichte etwas kleiner als der Normalwert. Während ursprünglich zur Messung der Erdbeschleunigung Pendel-versuche eingesetzt wurden, beruhen moderne Gravimeter auf dem Prinzip der Federwaage. An einer Spiralfeder ist eine bestimmte Masse m aufgehängt. Durch Änderung der Erdbeschleunigung ändert sich die Gewichtskraft mgF
S= und damit die Länge der Feder.
Federwaagen-Gravimeter liefern Schwereunterschiede mit einer
Genauigkeit von 27 s/m10−± . Grundlage ist das Hookesche Gesetz
der Elastizität, das der Physiker Robert Hooke (1635 - 1703) im Jahr 1679 aufstellte. Die Dehnung einer Schraubenfeder ist demnach der wirkenden Kraft direkt proportional.
Ein Kraftgesetz mit der gleichen mathematischen Struktur, das die Größe der Kraft
CF zwischen elektrisch geladenen Objekten mit den
Ladungen 1
q und 2
q , die sich im Abstand r voneinander befinden
beschreibt, entdeckte Charles Augustin Coulomb (1736 - 1806). Dieses Gesetz kann betragsmäßig folgendermaßen geschrieben wer-den:
221
EC r
qqkF = . (3.16)
Die Kopplungskonstante
Ek beschreibt die Stärke der Coulomb-
schen Kraft, die auch als elektromagnetische Wechselwirkung bezeichnet wird. Für
Ek gilt:
0E 4
1k
πε= (3.17)
0ε heißt elektrische Feldkonstante. Ihr Wert ist
Vm
As10854,8 12
0−⋅=ε . Die Richtung der Coulombschen Kraft hängt
davon ab, ob die elektrischen Ladungen gleiches oder ungleiches Vorzeichen haben. Die experimentelle Beobachtung zeigt nämlich:
Gleichnamige elektrische Ladungen stoßen sich ab, un-gleichnamige elektrische Ladungen ziehen sich an.
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
29
Für die Anziehungskraft, mit der im Wasserstoffatom das Elektron mit der elektrischen Ladung eq
1−= an das Proton mit der Ladung
eq2
+= gebunden ist folgt:
2
2
0C
r
e
4
1F
πε−= . (3.18)
Durch diese Coulombsche Kraft werden Proton und Elektron im Wasserstoffatom zusammengehalten.
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
Unter realen Bedingungen wird die Bewegung von Körpern durch Reibung beeinflusst. Aber auch bei statischen Problemen der Me-chanik spielt die Reibung eine hervorragende Rolle. Ohne Reibungs-kräfte würde kein Knoten halten und kein Nagel in der Wand blei-ben. Auch spanende Werkstückbearbeitung (Bohren, Fräsen, Dre-hen) wäre ohne Reibung unmöglich. Ursache der Bewegungsänderung durch Reibung ist die Reibungs-
kraft R
Fr
. Sie ist der Bewegungsrichtung, d.h. der Momentange-
schwindigkeit vv
des Körpers stets entgegengerichtet und wirkt da-
her bremsend auf den Bewegungsablauf. Die Reibungskräfte haben ihren Ursprung in den zwischen den Ato-men/ Molekülen eines Körpers und den Atomen/Molekülen des um-gebenden Mediums wirkenden Anziehungskräfte (Adhäsion). Diese Kräfte wirken nur auf kleine Entfernungen und sind elektromagneti-scher Natur. Je nach Art des umgebenden Mediums unterscheidet man zwischen: - Festkörperreibung - Reibung in Flüssigkeiten und Gasen. Die Festkörperreibung wird auch als äußere Reibung oder auch als Coulombsche Reibung bezeichnet; sie tritt nur bei der Relativbe-wegung zweier verschiedener fester Körper gegeneinander auf. Ein besonderes Kennzeichen der äußeren Reibung ist ihre weit gehende Unabhängigkeit von der Geschwindigkeit der Relativbewegung.
Bei der Festkörperreibung unterscheidet man zwischen: - Haftreibung - Gleitreibung - Rollreibung
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
30
Die Reibungskräfte R
F können unabhängig von der genauen Kennt-
nis der zwischenmolekularen Prozesse vereinfachend durch empi-risch gewonnene Regeln näherungsweise beschrieben werden. Sie haben die folgende mathematische Struktur:
NRFF ⋅µ= (3.19)
NF ist die Normalkraft, d.h. die Komponente der Schwerkraft, die
senkrecht auf die jeweilige Unterlage als Bewegungsebene des Kör-pers wirkt. Die Festkörperreibung hängt dabei von der Oberflächen-beschaffenheit der reibenden Körper ab, die durch einen Reibungs-koeffizienten µ berücksichtigt wird. Unterschiedliche Oberflächen-
beschaffenheit führt z.B. dazu, dass zwei plan polierte Glasplatten fester aneinander haften als zwei aufgeraute. Die Reibung in Flüssigkeiten und Gasen wird als innere Reibung oder auch als Newtonsche Reibung bezeichnet. Sie tritt bei Relativ-bewegungen von Molekülen/Atomen ein und desselben Körpers wie z.B. bei Strömungen in einer Flüssigkeit auf und ist geschwindig-keitsabhängig. Eine wesentliche Eigenschaft der inneren Reibung ist ihre ausgeprägte Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Relativ-bewegung. Die Reibungskräfte in Flüssigkeiten und Gasen werden im Rahmen einer Einführung in die Fluiddynamik behandelt.
3.5.1 Haftreibung
Unter Haftreibung versteht man die Reibung zwischen ruhenden Körpern. Sie ist im eigentlich Sinne keine Reibung dar, denn die aneinander haftenden Körper reiben sich nicht, da keine Relativbe-wegung vorhanden ist. Die Haftreibung stellt vielmehr einen Haft-widerstand oder eine Haftkraft dar. Sie lässt sich durch die Rauhig-keit der sich berührenden Oberflächen aufgrund der Verzahnung der Rauigkeitsgebirge erklären.
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
31
Abb. 11: Oberflächenrauigkeit als Reibungsursache
Auch eine polierte ebene Fläche ist keine ideale Ebene. Sie besitzt aufgrund von Polierungenauigkeiten eine Mikrorauigkeit, deren Ein-hüllende sich als makroskopische Abweichungen von der mittleren Oberfläche (Soll-Ebene 0h = ) bemerkbar macht (Abb. 12).
Abb. 12:Mikrorauigkeit einer polierten ebenen Fläche
Ein auf einer schiefen Ebene ruhender Körper setzt sich erst dann in
Bewegung, wenn die Hangabtriebskraft T
Fr
die Reibungskraft H
Fr
überschreitet (Abb. 13).
ϕ
m
F
F
F
F
HR
N
S
Tϕ
Abb. 13: Festkörperreibung
B
A
FN
mittlereOberfläche
Einhüllende
Mikrorauhigkeit
h
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
32
Aus der in Abb. 13 dargestellten schiefen Ebene ergibt sich für die
wirkenden Kräfte: TNS
FFFrrr
+=
NFr
ist dabei die Normalkraft, sie ist die Komponente der Schwer-
kraft S
Fr
, die senkrecht auf die jeweilige Unterlage wirkt. mgFS
=
ist der Betrag der Schwerkraft. Im Folgenden werden nur die Beträge der Reibungskräfte betrachtet. Für die Festkörperreibung gilt das empirisch gefundene Coulombsche Reibungsgesetz: Die Reibungs-kraft ist proportional zur Normalkraft. Für die Haftreibungskraft
HRF macht man daher in Übereinstimmung mit der Erfahrung den
Ansatz
NHHRFF µ= . (3.20)
1N
N
]F[
]F[][
N
HRH
===µ (3.21)
Die dimensionslose Zahl Hµ heißt aus historischen Gründen Haft-
reibungszahl oder üblicherweise Haftreibungskoeffizient. Bei präzisem Sprachgebrauch müsste er Haftkraftkoeffizient genannt werden. Der Reibungskoeffizient stellt eine so genannte Material-
konstante dar. Er beschreibt eine stoffspezifische Eigenschaft von Körpern, nämlich die Stärke der Reibungskraft. Ferner sind
ϕ= cosFFSN
(3.22)
ϕ= sinFF
ST. (3.23)
Die Bewegung auf der schiefen Ebene setzt ein für
THRFFrr
−=
oder betragsmäßig
ϕ=ϕµ sinFcosFSSH
.
Ein Körper mit einer Masse m bleibt in Ruhe, solange der Nei-gungswinkel ϕ der schiefen Ebene kleiner als ein Grenzwinkel
Hϕ
ist. Bei H
ϕ=ϕ beginnt Körper auf der schiefen Ebene zu gleiten.
Dieser Winkel H
ϕ heißt Haftreibungswinkel und es gilt
HHtan ϕ=µ . (3.24)
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
33
Ist speziell °=ϕ 45
H, dann ergibt sich für den Haftreibungskoeffi-
zienten 1H
=µ . So hinderlich die Reibung bei vielen technischen
Anwendungen ist, so muss doch eindeutig festgestellt werden, dass die Haftreibung eine bewegungsfördernde Kraft ist. So wird z.B. ein Pkw durch die Haftreibung der Reifen vorwärts getrieben.
3.5.2 Gleitreibung
Ist die Haftreibung überwunden, so gleitet der Körper über die Auf-lagefläche. Die Reibungskraft nimmt dabei ab. Schon Leonardo da Vinci (1452 – 1519) erkannte, dass sowohl die Haft- als auch die Gleitreibung bei harten Oberflächen nicht von der Größe der Aufla-gefläche, sondern nur von der Gewichtskraft senkrecht zur Unterlage abhängig ist. Bei Autoreifen trifft dies jedoch nicht zu. So besitzen breite Reifen eine größere Haft- und Gleitreibung. Auf mikroskopi-scher Ebene ist nämlich die Reibungskraft proportional zur effekti-ven Berührungsfläche und damit von der Anzahl der atomaren oder molekularen Paarwechselwirkungen der vorhandenen Kontaktstellen abhängig. Die Gleitreibungskraft
GRF ist entgegengesetzt gleich der
Kraft, die dann erforderlich ist, um die Bewegung des Körpers auf konstanter Geschwindigkeit zu halten. Es gilt
NGGRFF µ= . (3.25)
Die Reibungskraft ist unabhängig von der Größe und der Form der Berührungsfläche.
Gµ heißt Gleitreibungszahl oder Gleitreibungs-
koeffizient. Es ist HG
µ<µ . Bei großen Geschwindigkeiten zeigt
sich ferner eine Geschwindigkeitsabhängigkeit der Gleitreibungszahl )v(
GGµ=µ . Dabei beobachtet man mit wachsender Geschwindig-
keit eine Abnahme der Gleitreibungszahl G
µ . Umgekehrt nähert sich
bei abnehmender Geschwindigkeit der Gleitreibungskoeffizient dem Haftreibungskoeffizienten an.
H0vGµ →µ
→ (3.26)
Bei sehr kleinen Geschwindigkeiten erfolgt das Gleiten ruckweise. Man spricht dann von einem Slip-Stick-Prozess, der auch die Grund-lage für die Tonerzeugung von Streichinstrumenten darstellt. Die Reibungskoeffizienten lassen sich nicht mikroskopisch aus den Ei-genschaften der Atome der beiden relativ zueinander bewegten Kör-per und den zwischen ihnen wirkenden Kräften ableiten. Durch Ver-wendung von Schmiermitteln, welche die sich berührenden Oberflä-chen benetzen, lässt sich
Gµ erheblich verringern. Diese Schmier-
mittelreibung ist von großer technischer Bedeutung. Denn überall
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
34
wo Körper aufeinander gleiten treten infolge von Reibungskräften auch Verschleißerscheinungen auf, die zu einem Materialabrieb füh-ren. Die Schmiermittelreibung ist keine Festkörperreibung. Sie stellt eine innere Reibung der an beiden Festkörperoberflächen haftenden Flüssigkeitsschichten dar. Die Tribologie, ein Teilgebiet der Werk-stoffwissenschaften, beschäftigt sich mit den werkstofftechnischen Maßnahmen zur Verschleißminderung und Energieeinsparung durch Reduzierung der Reibung.
3.5.3 Rollreibung
Zur Beschreibung der Reibungseffekte beim Rollvorgang führt man die Rollreibung ein. Sie ist kleiner als die Gleitreibung, da beim Ab-rollen viele Unebenheiten infolge der Mikrorauigkeit ohne abbrem-sende Wirkung überbrückt werden können. Voraussetzung für die Rollbewegung ist allerdings die Haftreibung, ohne die eine Kugel oder ein Rad nicht rollen würde, sondern nur gleiten. Beim Rollen einer Kugel haftet die momentane Auflagefläche infolge der Haftrei-bung fest an der Unterlage. Die Rollreibung hat ihre Ursache darin, dass beim Rollen eine Drehbewegung abläuft und der rollende Kör-per (Kugel, Rad oder Zylinder) und Unterlage wegen der kleinen Auflagefläche beim Abrollen verformt werden können.
Abb. 14: Deformation der Unterlage beim Rollvorgang
Durch die Deformation der Oberfläche um die Berührungslinie wird Deformationsarbeit (Walkarbeit) verrichtet, die teilweise in Wärme dissipiert wird. Der Laufwiderstand beim Abrollen eines Rades ohne Achskugellager auf einer Unterlage hängt aber nicht nur von der elastischen Verformung der Unterlage durch die Normalkraft sowie vom Raddurchmesser ab, sondern auch von der Gleitreibung in den Achslagern, nämlich an den Berührungsflächen von Achszapfen und Radnabe. Die die Rollbewegung hemmende Reibungskraft wird analog zur Haft- und Gleitreibung proportional zur Normalkraft angesetzt. Es gilt:
NRRRFF µ= . (3.27)
F = mg
F
N
E
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
35
N
RRR F
F=µ ist die dimensionslose Rollreibungszahl.
Um den Betrag der Rollreibungskraft abschätzen zu können, sind als Anwendungsbeispiel die beiden folgenden Zahlenwerte für
Rµ auf-
geführt. Für Eisenbahnräder gilt R
µ ≈ 0,001 und für Pkw-Räder liegt
die Rollreibungszahl im Bereich R
µ ≈ 0,02 - 0,05.
Die Erfindungen von Rad und Wälzlagern, zu denen neben dem Ku-gellager auch das Zylinderrollenlager gehört, waren die Vorausset-zung für den Transport von Lasten auf dem Landwege über große Entfernungen. Die aufzuwendende Reibungsenergie wurde dabei durch die geringere Rollreibung größenordnungsmäßig um den Fak-
tor 310 reduziert. Das Kugellager besteht aus zwei Ringen: Außen-
ring (Lagerring) L und Innenring (Käfigring) K. Der Innenring K wird nach Erwärmung auf die Achse A aufgeschrumpft und sitzt nach dem Abkühlen fest auf der rotierenden Achse A, welche durch den Lagerring L gehalten wird. Der Käfigring K hat die Aufgabe, die Kugeln auf festen seitlichen Abstand zu halten und eine unmit-telbare Berührung zu verhindern. Bei Rotation der Achse A rollen die Kugeln zwischen dem Innen- und Außenring und reduzieren dadurch die Reibung. Das Lager ist mit Schmierstoff gefüllt und wird durch nicht eingezeichnete Dichtungs- und Deckscheiben im Lager gehalten, die zugleich das Eindringen von Fremdkörpern (Ver-schmutzung) verhindern. Für die Aufnahme großer radialer Lasten werden bevorzugt Zylinderrollenlager eingesetzt, da diese wegen ihrer größeren Kontaktfläche mit dem äußeren und inneren Lagerring bei gleicher Belastung einen im Vergleich zum Kugellager kleineren Druck hervorrufen.
15: Kugellager in schematischer Darstellung
L
K
A
K : Käfigring
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
36
In Tabelle 1 sind einige Zahlenbeispiele für die Koeffizienten der Haft- bzw. Gleitreibung für verschiedene Materialkombinationen aufgeführt. Werkstoffpaarung H
µ G
µ
Stahl – Stahl 0,1 – 0,7 0,1 – 0,2 Gummi – Asphalt - trocken - nass ohne Wasserfilm
0,9 – 1,2 0,5 – 0,6
0,7 – 1,05 0,4
Gummi - Beton 0,5 – 1,0 0,5 – 0,6 Gummi – Eis 0,05 – 0,1 0,05 Aluminium (Al) – Al 1,1 0,8 – 1,0 Diamant - Diamant 0,1 0,08 Teflon - Teflon 0,04 0,04 Glas-Glas 0,9 0,4 Sandpapier – Sandpapier 1 – 5 0,5 – 3
Tab. 1: Haft- und Gleitreibungszahlen
Die genauen Werte hängen stark von der jeweiligen Oberflächenbe-schaffenheit (Bearbeitungszustand) und der Reinheit der Oberflächen ab. Die genannten Zahlenwerte können schwanken und stellen daher nur Richtwerte dar.
3.5.4 Anwendungsbeispiel: Bremsen im Straßenverkehr
Ein auf ebener Strecke fahrendes Auto mit der Masse m = 1500 kg und der Geschwindigkeit v0 = 144 km/h wird durch Blockie-ren aller Räder gebremst. Die Gleitreibungszahl zwischen Auto-reifen und Straßenbelag betrage
Gµ = 0,8155.
a) Wie groß ist die bremsende Reibungskraft
GRF ?
b) Wie lang ist der Bremsweg B
s ?
a) Für die Gleitreibungskraft
GRF gilt:
2/81,915008155,0 smkgmgFF GNGGR ⋅⋅=µ=µ=
GRF = 12000 N = 12 kN
b) Gemäß des 2. Newtonschen Axioms gilt für alle Kräfte:
GRFmaF ==
Mit mgF GGR µ= folgt für den Betrag der Beschleunigung a
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
37
ga Gµ= .
Da es sich um einen Abbremsvorgang handelt, ist die Beschleu-nigung a in skalarer Schreibweise allerdings negativ.
0t
vlim
tt
vvlima
0t12
12
0t<
∆∆
=−
−=
→∆→∆
Denn bei Abbremsung gilt für
12tt > :
v2 = v(t2) < v1 = v(t1)
Dann ist 12
vvv −=∆ < 0 und damit a negativ.
Das Weg-Zeit-Gesetz und das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz ei-ner unter konstanter Beschleunigung verzögerten Bewegung ei-nes Abbremsvorganges, der durch das negative Vorzeichen im Beschleunigungsterm gekennzeichnet ist, lautet:
00
2 s + t v + t a 2
1−=)t(s
0
v + t a- = s(t) = dt
s(t) d=)t(v
a ist dabei der Betrag der Beschleunigung ( )0a( > ). Das Be-
tragszeichen kann auch weggelassen werden, wenn der obige Sachverhalt klar ist. Der Bremsvorgang setze zum Zeitpunkt
0t = ein und der Nullpunkt der Wegmessung sei so gewählt, dass s(t=0) = 0s
0= gilt. Nach Ablauf der Abbremszeit
Bt ist
dann der Bremsweg
B0
2B
t v + t a 2
1−== )t(ss
BB .
Zum Zeitpunkt
Btt = ist das Fahrzeug zum Stillstand gekom-
men ( 0)t(vB
= ). Aus dem Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz
atv)t(v 0 −= folgt:
B0atv0 −=
a
vt 0
B=
Damit folgt für den Bremsweg:
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
38
a
v
2
1=
a
va
2
1-
a
v at
2
12
02
20
202
B=−=
B0Btvs
Mit ga
Gµ= ergibt sich für
Bs :
0
20
2
1
2
1vt
g
vs B
GB =
µ= (3.28)
Durch Einsetzen der Daten dieses Beispiels erhält man für die Länge des Bremsweges das Ergebnis
Bs = 100 m.
Die quadratische Abhängigkeit des Bremsweges
Bs von der Aus-
gangsgeschwindigkeit 0
v ist für verschiedene Gleitreibungskoeffi-
zienten G
µ in Abb. 16 grafisch dargestellt.
250
200
150
100
50
000 25 50 75 100 125 150 v
(km/h)0
Sm
B
1,0
0,8
0,60,4
0,2µ =G
Abb. 16: Bremsweg als Funktion der Anfangsgeschwindigkeit
3.5.5 Fahrwiderstand
An den Rädern von Fahrzeugen wirkt nicht nur die Rollreibungskraft
RRF am Umfang des Rades, sondern zusätzlich noch jeweils die
Reibungskraft in seinem Achslager. Diese beiden bewegungshem-menden Kräfte werden oft zur Fahrwiderstandskraft FRF zusam-
mengefasst und durch eine Fahrwiderstandszahl F
µ gekennzeichnet.
Für den Fahrwiderstand gilt dann:
NFFR FF µ= (3.29)
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
39
Für eine horizontale Straße ist die Normalkraft gleich der Ge-wichtskraft des Fahrzeugs und wegen mgF
N= gilt dann
mgF FFR µ= .
Die beherrschende Reibungskraft im realen Straßenverkehr ist je-doch die geschwindigkeits-abhängige Luftwiderstandskraft WF . Die
Fortbewegung eines Fahrzeugs wird dann durch die Summenkraft
SRF aus Fahrwiderstand und Luftwiderstand behindert.
WFRSR FFF +=
3.5.6 Geschwindigkeitsabhängige Reibungskräfte
Reale Fluide, die Körper umströmen, üben Widerstandskräfte W
F auf
diese aus. Bewegt sich ein Körper der Masse m durch Luft oder ein anderes viskoses Medium, so wirkt auf ihn eine der Bewegungsrich-tung entgegen gerichtete Reibungskraft. Die theoretische Berech-nung dieser Widerstandskraft gelingt nur in einfachen Spezialfällen. Ansonsten müssen diese Kräfte in Strömungsversuchen (z.B. in Windkanälen) experimentell ermittelt werden. Als Beispiele ge-schwindigkeitsabhängiger Reibungskräfte werden im Rahmen der Fluiddynamik die Stokesche Reibungskraft
rv6FR
πη−= (3.30)
und die Luftwiderstandskraft
2wW
vAc2
1F ρ−= (3.31)
detailliert behandelt. Da diese Reibungskräfte von der Relativge-schwindigkeit v des Körpers zum fluiden Medium abhängig sind, macht man folgenden allgemeinen Ansatz:
2W
DvBv)v(F −−= (3.32)
Die Minuszeichen weisen darauf hin, dass die Reibungskraft )v(F
W,
die hier betragsmäßig angegeben ist, eine bremsende Kraft ist, die entgegengesetzt zur Bewegungsrichtung gerichtet ist. Die Reibungs-koeffizienten B und D sind positive Konstanten, die von der Größe und geometrischen Form des umströmten Körpers sowie von den stoffspezifischen Eigenschaften des fluiden Mediums abhängen. Details zu Reibungsphänomenen in fluiden Medien werden in der Lerneinheit Fluiddynamik behandelt. Bei geringen Geschwindigkei-
ten ist der zweite Term 2Dv klein im Vergleich zum ersten Term Bv. Der zweite Term kann dann vernachlässigt werden und man erhält eine geschwindigkeitsproportionale Reibungskraft. Bei größe-
3 Dynamik: Masse, Impuls und Kraft
40
ren Geschwindigkeiten dominiert der zweite Term 2Dv , und der lineare Term Bv kann weggelassen werden. Dieser Fall ist typisch für Bewegungen unter dem Einfluss der Luftwiderstandskraft. In der folgenden Betrachtung sollen jedoch beide Terme berücksichtigt werden. Dabei soll die Geschwindigkeits-Zeit-Funktion v(t) für einen Körper mit der Masse m und der Anfangsgeschwindigkeit
0v unter-
sucht werden, welcher der alleinigen Wirkung einer Reibungskraft )v(F
Wausgesetzt ist. Gemäß dem zweiten Newtonschen Axiom
maF = lautet die Bewegungsgleichung für diese Bewegung:
2DvBvdt
dvmma −−== (3.33)
oder
2DvBv
dt/mdv1
+−= .
Unbestimmte Integration über die Zeit t liefert:
dtDvBv
dt/mdvdt1
2+−= ∫∫
∫∫ +−=
+−= dv
)DvB(v
1mdt
)DvB(v
dt/dvmt
Die Ausführung der Integration erfolgt mithilfe der Methode der
Partialbruchzerlegung. Die Partialbruchzerlegung des Integranden liefert:
DvB
A
v
A
)DvB(v
1 21
++=
+
DvB
vAA
DvB
1 21 +
+=+
Mit v = 0 folgt: B
1A
1=
Mit v = 1 folgt: B
DA2 −=
Damit folgt für die Partialbruchzerlegung:
)DvB
D
v
1(
B
1
)DvB(B
D
Bv
1
DvB
A
v
A
)DvB(v
1 21
+−=
+−=
++=
+
dv)DvB
D
v
1(
B
mdv
)DvB(v
1mt ∫∫ +
−−=+
−=
[ ] C)DvBln(vlnB
mt ++−−= . (3.34)
3.5 Coulombsche und Newtonsche Reibungskräfte
41
Zum Anfangszeitpunkt t = 0 hat der Körper voraussetzungsgemäß die Ausgangsgeschwindigkeit
0v)0(v = . Damit folgt für die Integ-
rationskonstante C:
[ ])DvBln(vlnB
mC
00+−=
Folglich ist:
[ ] [ ]
+
+=+−++−−=
)DvB(v
)DvB(vln
B
m)DvBln(vln
B
m)vDBln(vln
B
mt
0
000
Nach Multiplikation mit B/m und Exponentation zur Basis e folgt:
)DvB(v
)DvB(ve
0
0m/Bt
+
+= . (3.35)
Auflösung dieser Gleichung nach v(t) ergibt schließlich die gesuchte Geschwindigkeits-Zeit-Funktion
)e1(DvB
eBv)t(v
m/Bt0
m/Bt0
−
−
−+= . (3.36)
4 Arbeit, Energie und Leistung
42
4 Arbeit, Energie und Leistung
Den Jägern und Sammlern der Steinzeit stand neben dem Feuer nur die menschliche Arbeitskraft zur Verfügung. Dies änderte sich als in der neolithischen Revolution der Übergang zu Ackerbau und Vieh-zucht stattfand und dadurch auch die Muskelkraft der Haustiere genutzt werden konnte. Erst im Mittelalter wurden Wasser- und Windmühlen als Antriebsmaschinen, die bereits seit der Antike be-kannt waren, systematisch zur Mechanisierung der Arbeit eingesetzt. Mit ihnen konnten mit Hilfe von Transmissionsrädern und -riemen mechanische Leistungen zum Betrieb von Hammer- und Sägewerken sowie von Entwässerungspumpen im Bergbau übertragen werden. Die physikalische Größe Energie (gr. energeia: Wirkungsvermögen) wurde phänomenologisch von Thomas Young (1773 - 1829) in die Naturwissenschaften eingeführt und erstmals durch William Rankine (1820 -1872) mit der Wortschöpfung Energie versehen. Die Energie stellt eine abstrakte Größe dar, die nicht direkt messbar ist. Sie kann nur aus anderen messbaren Größen berechnet werden. Während al-lerdings der Kraftbegriff bereits durch Newton definiert wurde, ge-lang es erst infolge der experimentellen Untersuchungen von Julius R. Mayer (1814 - 1878) und Hermann von Helmholtz (1821 – 1894) über die Äquivalenz von Wärme und Arbeit den abstrakten Energie-begriff zu präzisieren. Einen wichtigen Beitrag leistete hierbei der britische Physiker James Prescott Joule (1818 – 1889) durch eine genaue Messung des mechanischen Wärmeäquivalents bei der me-chanische Arbeit durch Reibung vollständig in Wärme umgewandelt wird. In diesem Abschnitt sollen die Begriffe Arbeit, Energie und Leistung aus der Sicht der Mechanik näher erläutert werden. Eine Erweiterung des Energiekonzeptes auf die Wärmeerscheinungen erfolgt in einer separaten Lerneinheit im Rahmen einer Einführung in die Thermodynamik.
4.1 Hubarbeit und potentielle Energie im Schwerefeld der Erde
Wenn auf einen beweglichen Körper eine äußere Kraft einwirkt, so ändert sich der Bewegungszustand des Körpers. Der Körper soll in diesem Abschnitt als Massenpunkt aufgefasst werden. Soll bei-spielsweise ein Körper entgegen der nach unten gerichteten Schwer-
kraft gmFS
rr−= um das Wegstück sd
r senkrecht nach oben angeho-
ben werden, so muss eine Gegenkraft S
FFrr
−= aufgewandt werden,
die den Einfluss der Schwerkraft aufhebt. Hierbei ist ein kartesisches Koordinatensystem zugrunde gelegt, dessen positive z-Achse in
Richtung des Einheitsvektors kr
senkrecht nach oben weist. Durch
die Kraft Fr
wird gegen die Schwerkraft S
Fr
längs eines Weges sdr
eine Hubarbeit dsFsdFdW =⋅=rr
verrichtet. Die von der Kraft ge-
leistete Arbeit dW wird über das "Innere Produkt" oder "Skalarpro-
4.1 Hubarbeit und potentielle Energie im Schwerefeld der Erde
43
dukt" der Vektoren Fr
und sdr
definiert. Besteht zwischen den Vek-toren der Kraft und der Verschiebungsrichtung sd
r ein Winkel α ,
so ist die verrichtete Arbeit (Abb. 17) gleich dem Produkt aus der Kraftkomponente F|| parallel zur Wegrichtung und der zurückgeleg-ten Strecke ds. dW = F|| ds = sdFdsFdsF
rr⋅=α=α coscos (4.1)
Damit erhält man die in Abb. 17 dargestellte Komponentenzerlegung einer Kraft bezüglich einer vorgegebenen Verschiebungsrichtung
sdv
.
m ds
FF
F
α
Abb. 17: Komponentenzerlegung einer Kraft
Ist die Kraft )s(FFrrr
= ortsabhängig, so kann der insgesamt zurück-
zulegende Weg sr
in eine Summe von vielen infinitesimal kleinen Wegstücken s
r∆ zerlegt werden, entlang derer die jeweils wirkende
Kraft )F,F,F(Fzyx
=r
als konstant angesehen werden kann. Die ent-
lang eines endlichen Weges von einer Ausgangsposition Arr
bis zu
einer Endposition Err
verrichtete Arbeit W ist dann gegeben durch
∑∑ ∆=∆⋅++∆⋅+∆⋅=∆=i
iinn2211i
isFsF...sFsFWWrrrrrrrr
. (4.2)
Für eine unendlich feine Zerlegung erhält man im Grenzübergang:
∫∑ ⋅=∆⋅=→∆
E
Ai
r
riii0s
sd)s(FsFlimW
r
r
rrrrr (4.3)
Die Arbeit wird somit als das Linienintegral sdFE
A
r
r
rr
r
r
⋅∫ über das
vektorielle Linienelement sdr
auf dem Weg von einem Anfangs-punkt A mit )z,y,x(r
AAAA=
r nach einem Endpunkt E mit
)z,y,x(rEEEE
=r
definiert. Das Linienintegral stellt aufgrund der
Definition des Skalarproduktes die Kurzschreibweise für den Aus-druck
4 Arbeit, Energie und Leistung
44
∫∫∫∫ ++=⋅=Ez
Azz
Ey
Ayy
Ex
Axx
Er
Ar
dzFdyFdxFsdsFW
r
r
rrr)( (4.4)
dar. Die physikalische Größe Arbeit ist somit eine skalare Größe mit der Dimension „Kraft mal Weg“. Für ihre Einheit erhält man [W] = [F][s] = mN ⋅ = J (Joule). Beispiel:
Ein Körper mit der Masse m soll unter dem Einfluss der Schwerkraft auf einer schiefen Ebene mit dem Neigungswinkel ϕ entlang eines Weges s bis auf die Höhe h reibungsfrei ver-schoben werden (Abb. 18).
ϕ ϕ
m mF F
ss
h h
s = 100 m s = 50 m0,1 0,2
1 2
12
1 2
Abb. 18: Arbeit am Beispiel der schiefen Ebene
Es sei: hhh21
== . Nach Maßgabe der Neigungswinkel der
Ebenen gilt dann für die Wegstrecken
1
11 sin
hs
ϕ= und
2
22 sin
hs
ϕ= .
Die auf die Masse m wirkende Schwerkraft S
Fr
kann vektoriell zer-
legt werden in eine Komponente N
Fr
, die normal (senkrecht) zur
Auflagefläche der schiefen Ebene gerichtet ist und in eine Kompo-
nente IIT FFrr
= tangential (parallel) zur Auflagefläche. Diese Kompo-
nente wird auch als Hangabtriebskraft HAFr
bezeichnet
( IITHA FFF == ).
TNS
FFFrrr
+= (4.5)
Es gilt dann betragsmäßig
ϕ=ϕ= cosmgcosFF
SN
ϕ=ϕ= sinmgsinFFST
.
4.1 Hubarbeit und potentielle Energie im Schwerefeld der Erde
45
Um den Körper reibungsfrei die schiefe Ebene hochzuschieben ist eine Kraft erforderlich, die der Tangentialkraft (Hangab-triebskraft) entgegengesetzt gerichtet ist.
T
FFrr
−=
Für die jeweils zu verrichtende Arbeit folgt:
11
11111 sin
sin hgmh
gmsFW =ϕ
ϕ==
22
22222 sin
sin hgmh
gmsFW =ϕ
ϕ==
Wegen hhh
21== , folgt
21
WW = .
Die Arbeit mghhFWS
== hängt nur vom Betrag der Schwerkraft
mgFS
= und der erreichten Höhe h zwischen End- und Anfangslage
ab. Die Arbeit ist von der Form des Weges zwischen Anfangs- und Endpunkt unabhängig.
Wird an einem Körper Arbeit verrichtet, so ändert sich der Zustand des Körpers. Dem Körper ist Energie zu-geführt worden, die dann in verschiedenen Formen von dem Körper gespeichert werden kann. Energie stellt das Vermögen dar, Arbeit zu verrichten.
Der Energieinhalt eines Körpers ist somit ein quantitatives Maß für die Arbeitsfähigkeit des Körpers. Die physikalische Größe Energie wird durch das Symbol E bezeichnet. Für ihre Einheit gilt [E] = [W] = J (Joule). (4.6) Die Einheit der Energie ist identisch mit der Einheit der Arbeit. Wird an einem Körper durch eine äußere Kraft Arbeit geleistet, so nimmt der Körper Energie auf. In welcher Form der Körper dabei Energie gewinnt, hängt dabei von der Art der Kräfte ab, gegen die die Arbeit geleistet wird. Die Energie ist eine Zustandsgröße. Sie wird von dem Körper, an dem die Arbeit verrichtet wurde gespeichert. Der Körper besitzt damit die Möglichkeit, selbst Arbeit zu verrichten. Im Gegensatz zur Energie stellt die Arbeit eine Prozessgröße dar. Durch Zufuhr von Arbeit ( 0W ≥∆ ) wird die Energie eines mechani-schen Systems vergrößert. Durch Abgabe von Arbeit ( 0W ≤∆ ) wird die Energie eines mechanischen Systems verringert.
4 Arbeit, Energie und Leistung
46
Im Folgenden soll die Hubarbeit W berechnet werden, die verrichtet werden muss, wenn eine Masse m von einem Punkt
Arr
mit 0zA
=
zu einem auf der Höhe h gelegenen Punkt Err
mit hzE
= gegen die
nach unten gerichtete Gewichtskraft )mg,0,0(gmFS
−=−=rr
angeho-
ben wird (Abb. 19). Für die dazu nötige Gegenkraft Fr
gilt
kmgFFS
rrr=−= .
h
z
z
z
Fm
mmE
A
Abb. 19: Hubarbeit
Wird der Vektor sr
mit dem Ortsvektor rr
identifiziert, dessen Spitze die Bahnkurve beschreibt, auf welcher der Körper mit der Masse m infolge der Kraftwirkung verschoben wird, dann folgt für das vekto-rielle Linienelement rdsd
rr=
dzkdyjdxisd
rrrr++= . (4.7)
Für die Arbeit dW ergibt sich damit
mgdzsdkmgsdFdW =⋅=⋅=rrrr
. (4.8) Die Arbeit dW ist unabhängig von der Art des Weges von
Arr
nach
Err
. Sie ist nur von der relativen Höhenänderung dz abhängig. Die
insgesamt gegen eine konstante Schwerkraft zu verrichtende Arbeit W ergibt sich damit zu
mghmgdzdWsdFWh
0
z
z
r
r
E
A
E
A
===⋅= ∫∫∫r
r
rr. (4.9)
Die Hubarbeit hängt nur vom Höhenunterschied h ab.
Sie ist unabhängig von der Form der Bahnkurve, auf der der Körper von
Arr
nach Err
gelangt ist. Die geleistete Hubarbeit wird als po-
4.2 Beschleunigungsarbeit und kinetische Energie
47
tentielle Energie Epot (Energie der Lage) vom Körper mit der Masse m gespeichert.
mghEpot
= (4.10)
Für die Arbeit, welche die Gegenkraft G
FFrr
−= zur ortsabhängigen
Newtonschen Gravitationskraft r2
EG
er
mMGF
rr−= beim Anheben
der Masse m bis zur Höhe h über der Erdoberfläche (Erdradius E
R )
verrichtet, gilt:
∫∫∫+++
=⋅=⋅=hR
R2
EhR
Rr2
EhR
R
E
E
E
E
E
E
drr
mMGrde
r
mMGsdFW
rrrr
h)hR(R
GmM
R
GmM
hR
GmMW
EE
E
E
E
E
E
+=+
+−= (4.11)
Unter der Annahme, dass h <<
ER ist, d.h. in der Nähe der Erdober-
fläche, folgt für die Hubarbeit
mghhR
GMmW
2E
E == . (4.12)
Für kleine Abstände oberhalb der Erdoberfläche kann die Gravitati-onskraft als konstant angesehen werden. In einer Höhe von
km70h = oberhalb der Erdoberfläche weicht die Erdbeschleuni-gung um 1% von ihrem auf Meereshöhe definiertem Standardwert von g = 9,80665 2s/m ab. Die Hubarbeit gegen die Gravitations-kraft kann somit bis in stratosphärische Höhen (h < 100 km) in guter Näherung durch mghW = beschrieben werden.
4.2 Beschleunigungsarbeit und kinetische Energie
Soll beispielsweise ein frei beweglicher aber ruhender Körper (v = 0) durch Einwirkung einer Kraft F
r auf eine Geschwindigkeit v
beschleunigt werden, so muss Beschleunigungsarbeit W verrich-tet werden. Für die beschleunigende Kraft gilt das 2. Newtonsche Axiom
amFrr
= . Die Kraft F
r und die Beschleunigung a
r sind gleichgerichtet. Der
durch die Kraft beschleunigte Körper bewegt sich in Richtung der wirkenden Kraft F
r und wird dabei in Richtung der einwirkenden
4 Arbeit, Energie und Leistung
48
Kraft um die Wegstrecke sdr
verschoben. Für die dabei zu verrich-tende Beschleunigungsarbeit dW folgt
dsamdsFcosdsFsdFdW ==α=⋅=rr
. (4.13) Wegen F
r|| d s
r ist 0=α und 1cos =α .
dvdt
dsmds
dt
dvmdsFdW === (4.14)
Mit dt
dsv = erhält man
mvdvdW =
2v
0
mv2
1mvdvW == ∫ . (4.15)
Den durch seine Beschleunigung bedingten Zuwachs an Energie des Körpers bezeichnet man als kinetische Energie oder Bewegungs-
energie kin
E .
2kin
mv2
1E = (4.16)
Besitzt der Körper bereits eine Anfangsgeschwindigkeit vom Betrag v0 und somit eine kinetische Anfangsenergie
00,kinWE = , so folgt
für die durch die Kraft Fr
durch Beschleunigung auf die Endge-schwindigkeit v verrichtete Beschleunigungsarbeit W∆ :
20
20
v
v
mv2
1mv
2
1WWmvdvW
0
−=−==∆ ∫ (4.17)
4.3 Federkraft und Federspannarbeit
Eine Schraubenfeder mit der Länge 0l soll an einer Seite an einem starren Balken befestigt werden. Die Feder soll senkrecht nach unten hängen. Wird eine Kugel mit der Masse m an der unteren Federseite befestigt, so dehnt sich die Feder um eine Länge l∆ auf die Gesamt-länge lll ∆+= 0 . Sie erreicht dadurch eine Gleichgewichtslage, in der die Gesamtkraft F
r als Summe der auf die Masse m einwirkenden
Schwerkraft SFr
und der rücktreibenden Federkraft DFr
gleich Null ist.
0rrrr
=+= DS FFF
4.3 Federkraft und Federspannarbeit
49
In dieser Ruhe- oder Gleichgewichtslage soll der Mittelpunkt der Kugel mit dem Nullpunkt eines Maßstabes zusammenfallen (Abb. 20). Der Maßstab wird durch eine nach unten weisende x-Achse repräsentiert. Wird die Schraubenfeder um eine Länge x0 aus der Ruhelage x = 0 gedehnt oder gestaucht, so tritt eine rücktreibende Federkraft DF
r auf. Die experimentelle Erfahrung zeigt, dass diese
Federkraft direkt proportional zur Auslenkung xr
aus der Ruhelage ist.
xDFD
rr−= (4.18) (4.18)
Da es sich hierbei um einen eindimensionalen Bewegungsablauf in Richtung der x-Achse handelt, können die auftretenden Vektoren ebenfalls als einkomponentige Größen aufgefasst werden, deren Richtung durch das jeweilige Vorzeichen gegeben ist. Die die Bewe-gung beschreibenden Größen lassen sich somit in skalarer Schreib-weise darstellen.
m
D
m
x
0
x
D
F = -FD
l + l∆0
0
Abb. 20: Federkraft
Die durch die Federkraft FD beschriebene elastische Rückwirkung wird auch als das Hookesche Gesetz (Robert Hooke (1635 - 1703)) bezeichnet. Die Größe D heißt Federkonstante oder Richtgröße und charakterisiert die Stärke der Schraubenfeder. Die Einheit von D ergibt sich zu
m
N
x
FD D ==
][
][][ . (4.19)
Durch das Minuszeichen im Hookeschen Gesetz wird zum Ausdruck gebracht, dass Federkraft und Auslenkung entgegengesetzt gerichtet sind. Wird die Masse m durch eine Gegenkraft F = -FD = +Dx aus
4 Arbeit, Energie und Leistung
50
der Ruhelage ausgelenkt und von x = 0 bis x = x0 gedehnt, so ist gegen die Federkraft eine Spannarbeit Ws zu leisten (Abb. 21).
DxdxFdxsdFdWs ==⋅=rr
20
0
0
0
0 2x
DDxdxFdxW
xx
s =∫=∫= (4.20)
Die Federkraft ist vom Weg x, d. h. vom Ausmaß der Dehnung ab-hängig. Dass die Federkraft beschreibende Hookesche Gesetz kann als eine Gerade in einem Kraft-Weg-Diagramm dargestellt werden. Die Fläche unter der F(x)-Kurve repräsentiert dabei die bei der Deh-nung verrichtete Spannarbeit Ws, die in Form von potentieller Ener-gie in der gespannten Feder gespeichert wird.
0 X0 X
F
F = Dx
Ws
Abb. 21: Spannarbeit bei einer elastischen Feder
Die bei einer Federdehnung um die Länge x verrichtete Spannarbeit wird von der gespannten Feder als potentielle Energie potE gespei-chert. Gespannte Federn sind somit Energiespeichervorrichtungen.
2
2x
DWE spot == (4.21)
4.4 Leistung
Unter der Leistung P versteht man die pro Zeiteinheit t∆ verrichtete Arbeit W∆ :
t
WP
∆∆
= . (4.22)
Für die Einheit der Leistung gilt
Ws
J
]t[
]W[]P[ === (Watt) (4.23)
4.4 Leistung
51
32smkg1S
J1W1 −== . (4.24)
Die Einheit der Leistung leitet sich vom Eigennamen des schotti-schen Instrumentenbauers und Erfinders James Watt (1736 – 1819) ab. Dieser verbesserte 1768 mithilfe eines Kondensators die 1712 durch den englischen Eisenwarenhändler Thomas Newcomen (1663 – 1729) entwickelte atmosphärische Dampfmaschine. Die physikali-sche Größe Leistung wird häufig benutzt, um kontinuierlich arbei-tende Maschinen zu charakterisieren.
Beispiel:
Ein Motor, der pro Stunde eine Arbeit von 360 MJ verrichtet, besitzt eine Leistung P von
kWs
MJ
t
WP 100
3600
360==
∆∆
= .
Ändert sich die geleistete Arbeit mit der Zeit, so definiert man den Differentialquotienten aus Arbeit und Zeit
vFt
sF
dt
dW
t
WP
tt=
∆∆
==∆
∆=
→∆→∆ 00limlim (4.25)
und bezeichnet ihn als Momentanleistung. v stellt dabei die Mo-mentangeschwindigkeit dar. In der folgenden Tabelle 2 sind einige typische Leistungen zusammengestellt.
Physikalischer Vorgang Leistung
Elektrische Leistung eines Kernkraftwerkes 1 GW
Nennleistung einer Windkraftanlage 1 MW
Pkw 100 kW
Höchstleistung eines Menschen 1 kW
Glühlampe 100 W
Energiesparlampe 10 W
Dauerleistung beim Gehen mit 5 km/h 120 W
Akustik (Sprechen) ≈ 10 µW
Hörschwelle des Ohres bei 1000 Hz ≈ 0,1 fW
Tab. 2: Größenordnungen verschiedener Leistungen
4 Arbeit, Energie und Leistung
52
4.5 Impulserhaltung
Es sollen zwei Körper 1 und 2 betrachtet werden, die wechselseitig Kräfte, so genannte innere Kräfte oder Wechselwirkungskräfte auf-einander ausüben. Auf die beiden Körper sollen keine Kräfte von außen (äußere Kräfte) einwirken. Eine solche Situation liegt bei-spielsweise beim Aufeinandertreffen zweier reibungsfrei aufeinander zurollender Billardkugeln vor. Im Augenblick des Zusammenstoßes üben sie gegenseitig abstoßende Wechselwirkungskräfte aufeinander aus.
Aufgrund des 3. Newtonschen Axioms (1221
FF →→ −=rr
) ist dann die
zeitliche Änderung des Impulses 1
pv
von Körper 1 gleich der nega-
tiven zeitlichen Änderung des Impulses 2
pr
von Körper 2 .
dt
d
21p
dt
dp
rv−= (4.26)
oder:
0)pp(dt
dp
dt
dp
dt
d2121
=+=+rrrr
(4.27)
Wenn die zeitliche Änderung des Gesamtimpulses
21ppprrr
+= null
ist, so heißt dies: Der Gesamtimpuls 21
ppprrr
+= ändert sich nicht.
Diese Aussage stellt das Gesetz der Impulserhaltung dar. Für zwei verschiedene Zeitpunkte
1t und
2t bleibt der Gesamtimpuls kon-
stant.
)t(p)t(p)t(p)t(p22211211
rrrr+=+ (4.28)
Im obigen Beispiel wird die Impulszunahme des ersten genau durch die Impulsabnahme des zweiten Körpers kompensiert. Alle Wech-selwirkungskräfte sind somit ausgeglichen und können daher den Gesamtimpuls der Körper nicht ändern. Der Gesamtimpuls ist somit eine Konstante der Bewegung. Die Impulserhaltung gilt auch für Systeme, die aus mehr als zwei Körpern bestehen. Im Gegensatz zu Wechselwirkungskräften oder inneren Kräften sind äußere Kräfte
solche Kräfte, die nicht von der gegenseitigen Wechselwirkung der betrachteten Körper oder Teilchen herrühren. Die Erfahrung zeigt:
Stellt Fr
die Summe aller äußeren Kräfte dar, die auf ein Ensemble
von Teilchen einwirken, so ist diese resultierende Kraft Fr
gleich der zeitlichen Änderung des Gesamtimpulses p
raller dieser Teilchen.
4.5 Impulserhaltung
53
pdt
dF
rr= (4.29)
4.5.1 Zentrale Stoßprozesse zwischen zwei Teilchen
Abweichend von der Modellvorstellung der Punktmechanik sollen im Folgenden die betrachteten Teilchen eine räumliche Ausdehnung besitzen und durch Kugeln grafisch dargestellt werden. Man unter-scheidet: – Gerade Stöße – Schiefe Stöße Bei geraden Stößen liegen die Impulse der Teilchen vor und nach dem Stoß auf einer Geraden, während dies bei schiefen Stößen nicht der Fall ist. Einen Spezialfall der geraden Stöße stellen die zentralen Stöße dar, bei der die Impulse der stoßenden Teilchen vor und nach dem Stoß auf derselben Geraden liegen. Die Impulserhaltung bei zentralen Stoßvorgängen zwischen zwei Teilchen, die ein so genann-tes Zweikörpersystemen bilden, soll in diesem Unterabschnitt erläu-tert werden. Zwei ausgedehnte Teilchen können bei Annäherung einen peripheren (streifenden) Stoß oder einen zentralen Stoß ausü-ben. Im Folgenden soll nur der einfache Spezialfall des zentralen Stoßes näher betrachtet werden. Bei einem zentralen Stoß bewegen sich die beiden Teilchen auf einer Geraden aufeinander zu, die durch ihre Schwerpunkte verläuft (Abb. 22). Der Berührungspunkt der beiden Teilchen liegt auf dieser Verbindungsgeraden. Dabei werden zwei idealisierte Grenzfälle zentraler Stöße unterschieden:
- vollkommen elastischer Stoß - vollkommen unelastischer Stoß
m m1 1m m2 2
vor dem Stoß nach dem Stoß
v v u u1 2 1 2
Abb. 22: Vollkommen elastischer Stoß Werden die Geschwindigkeiten der beiden Teilchen vor dem Stoß mit
1vr
und 2
vr
und nach dem Stoß mit 1
ur
und 2
ur
bezeichnet, so
erhält man folgende Formulierung des Gesetzes der Impulserhal-tung:
4 Arbeit, Energie und Leistung
54
22112211umumvmvmrrrr
+=+ (4.30)
Bei einem vollkommen elastischen Stoß zeigt die experimentelle Erfahrung, dass zusätzlich zur Impulserhaltung auch die kinetische Energie der Stoßpartner erhalten bleibt. Diese Konstanz der Gesam-tenergie wird als Energieerhaltung bezeichnet und in Abschnitt 4.6 als Energieerhaltungssatz formuliert. Sind
1,kinE bzw.
2,kinE die
kinetischen Energien der Teilchen vor dem Stoß und 1,kin
E′ bzw.
2,kinE′ die kinetischen Energien nach dem Stoß, so gilt:
2,kin1,kin2,kin1,kinEEEE ′+′=+ (4.31)
Da beim zentralen Stoß die Impulse der Teilchen nur eine Kompo-nente in Richtung ihrer Verbindungsgeraden haben, kann hier der Impulserhaltungssatz für die Impulsbeträge angewendet werden:
22112211umumvmvm +=+ (4.32)
Die Erhaltung der kinetischen Energien (Energiesatz) liefert:
222
211
222
211
um2
1um
2
1vm
2
1vm
2
1+=+ (4.33)
Aus (4.32) und (4.33) können die Geschwindigkeiten
1u und
2u
der beiden Teilchen nach dem Stoß berechnet werden:
21
221211 mm
vm2v)mm(u
+
+−= (4.34)
)mm(
vm2v)mm(u
21
112122 +
+−= (4.35)
Aus diesen beiden Gleichungen lassen sich folgende Spezialfälle ableiten:
1. Ist 21
mm = , so folgt: 21
vu = und 12
vu = . Sind die beiden
Massen identisch, so vertauschen die Teilchen beim Stoß ih-re Geschwindigkeiten.
2. Ist 0v
2= , das heißt ruht ein Stoßpartner vor dem Stoß, so
folgt für die vom stoßenden auf das gestoßene Teilchen übertragene Energie
2E∆ :
212
21
2212
222,kin2v
)mm(
mm2um
2
1EE
+==′=∆ (4.36)
4.5 Impulserhaltung
55
Der relative Energieverlust
1,kin1E/E∆ des stoßenden Teil-
chens ergibt sich dann zu:
221
21
1,kin
1
)mm(
mm4
E
E
+=
∆ (4.37)
Der relative Energieverlust des stoßenden Teilchens
1,kin1E/E∆ wird maximal, wenn
21mm = ist.
Ein Stoß heißt unelastisch, wenn ein Teil der kinetischen Energie in andere Energieformen umgewandelt wird, zum Beispiel in Deforma-tionsenergie oder Wärme. Unelastische Stöße stellen die wichtigsten Wechselwirkungsprozesse in der Natur dar. Unelastische Stöße wer-den unterteilt in teilelastische und vollständig inelastische Stöße. Beim vollkommen unelastischem Stoß (Abb. 23) vereinigen sich die beiden Teilmassen zu einer Gesamtmasse
21mmm += , die sich
nach dem Stoß mit der gemeinsamen Geschwindigkeit ur
fortbewegt.
m m +m1 1m
2
vor dem Stoßnach dem Stoß
v v u1 2
2
Abb. 23: Vollkommen unelastischer Stoß Wird das Gesetz der Impulserhaltung auf den vollkommen unelasti-schen Stoßvorgang angewandt, so erhält man die Beziehung
umu)mm(vmvm212211
rrrr=+=+ . (4.38)
Der Anteil der kinetischen Energie, der bei einem solchen Stoß in andere Energieformen umgewandelt wird, soll mit Q∆ bezeichnet werden. Der Energieerhaltungssatz liefert dann die Gleichung
)EE()EE(Q2,kin1,kin2,kin1,kin
′+′−+=∆ . (4.39)
)um2
1um
2
1()vm
2
1vm
2
1(Q 2
22211
222
211
+−+=∆ (4.40)
Q∆ stellt die in Form von plastischer Verformungs- und Reibungs-
arbeit dissipierte Energie dar, die neben der Deformation auch eine Temperaturerhöhung hervorruft.
4 Arbeit, Energie und Leistung
56
War der gestoßene Körper 2
m vor dem Stoß in Ruhe, so gilt
0v2
= . 1
vr
und ur
liegen dann auf einer Geraden und sind parallel
zueinander. Der Impulserhaltungssatz (4.38) kann dann in skalarer Form geschrieben werden:
u)mm(vm2111
+= (4.41)
Für den Energieerhaltungssatz folgt dann:
Qu)mm(2
1vm
2
1 221
211
∆++= (4.42)
Aus Impuls- und Energieerhaltung folgt dann für die Geschwindig-keit u bzw. die beim Stoß dissipierte Energie Q∆ :
121
1 vmm
mu
+= (4.43)
1,kin21
2211
21
2 Emm
mvm
2
1
mm
mQ
+=
+=∆ (4.44)
Hierbei bedeutet
1,kinE die kinetische Energie des stoßenden Kör-
pers. Aus (4.44) folgt, dass im Allgemeinen nicht die gesamte kineti-sche Energie beim Stoß dissipiert werden kann. Ursache hierfür ist der Impulserhaltungssatz: Der vor dem Stoß vorhandene Gesamtim-puls muss auch nach Stoß unverändert vorhanden sein. Die dazu erforderliche kinetische Energie bleibt der Bewegung der beiden Stoßpartner erhalten und kann daher nicht umgewandelt werden. Einzige Ausnahme bildet der Fall, in dem sich zwei Körper mit glei-cher Masse und betragsmäßig gleicher (antiparallel gerichteter) Ge-schwindigkeit aufeinander zu bewegen. Beim vollkommen unelasti-schen Stoß kann dann die gesamte kinetische Energie dissipiert wer-den. Dieser Fall kann beispielsweise beim Frontalzusammenstoß zweier Pkw auftreten. Der vollständig inelastische Stoß soll ab-schließend für drei Spezialfälle näher betrachtet werden: 1.
21mm = : Haben stoßender und gestoßener Körper die gleiche
Masse, so gilt für die Geschwindigkeit u nach dem Stoß:
1
v2
1u =
Für die dissipierte Energie gilt dann: 1,kin
E2
1Q =∆
2.
21mm << : Ist die stoßende Masse
1m sehr klein im Vergleich
zur vor dem Stoß ruhenden Masse 2
m , dann ist die gemeinsame
Geschwindigkeit u nach dem Stoß ebenfalls sehr klein und es
4.5 Impulserhaltung
57
wird fast die gesamte kinetische Energie (1,kin
EQ ≈∆ ) dissi-
piert. 3.
21mm >> : Ist die stoßende Masse
1m sehr groß im Vergleich
zur vor dem Stoß ruhenden Masse 2
m , dann bleiben seine Ge-
schwindigkeit (1
vu ≈ ) und seine kinetische Energie 1,kin
E
beim Stoßvorgang nahezu erhalten. Der in andere Energiefor-men umgewandelte Energieanteil ist dann vernachlässigbar klein ( 0Q ≈∆ ).
4.5.2 Raketenantrieb und Strahltriebwerk
Ein typisches Anwendungsbeispiel des Impulserhaltungssatzes stellt der Raketenantrieb dar. Er funktioniert im Gegensatz zu den auf Reibungskräften basierenden Antriebsarten wie der Propellerantrieb auch im luftleeren Raum.
m
m+dm
t
t'= t+ dt
v
v +dv
R
R R
FSchub
GVG
dm
Abb. 24: Prinzip des Raketenantriebs Die Rückstoßimpulse der mit hoher Geschwindigkeit
Gvr
relativ
zum Raketenkörper und antiparallel zur Raketengeschwindigkeit R
vr
ausströmenden heißen Verbrennungsgase ändern laufend den Impuls der Rakete. Die Beschleunigung der Rakete ist ein Rückstoßprozess, bei dem der Gesamtimpuls, d. h. die Vektorsumme der Impulse von Rakete und ausströmenden Verbrennungsgasen zu jedem Zeitpunkt gleich null ist.
4 Arbeit, Energie und Leistung
58
Im Folgenden soll eine Rakete im kräftefreien Weltraum betrachtet werden, die sich entlang einer Geraden bewegt. Zum Zeitpunkt t besitze diese Rakete eine Masse m = m(t) sowie eine Geschwindig-keit
Rv relativ zur ruhend gedachten Erde. Die Geschwindigkeit
der ausgestoßenen Verbrennungsgase relativ zur Erde ist dann be-tragsmäßig
GRvv − . Im Zeitintervall ttdt −′= wird die Gasmasse
Gdm mit der Relativgeschwindigkeit
Gv ausgestoßen (Abb. 24).
Die Rakete hat zum Zeitpunkt dttt +=′ eine Geschwindigkeit von
RRdvv + . Aufgrund des Impulserhaltungssatzes ist der Gesamtim-
puls von Rakete samt Brennstoff zum Zeitpunkt t gleich demjenigen zum späteren Zeitpunkt dttt +=′ :
)vdvv(dm)dvv)(dmm(mvGRRGRRR
−++++= (4.45)
dm ist die Änderung der Raketenmasse im Zeitintervall dt . Auf-grund der Massenerhaltung gilt:
Gdmdm −= (4.46)
Damit folgt für den Impulserhaltungssatz:
)vdvv(dm)dvv)(dmm(mvGRRGRRGR
−+++−= (4.47)
Nach Umformung erhält man die Gleichung:
GGRvdmmdv = (4.48)
Da die ausgestoßene Gasmasse der Abnahme der Raketenmasse ent-spricht ( dmdm
G−= ) folgt:
GRdmvmdv −=
GRv
m
dmdv −= (4.49)
Hiermit kann die Raketenmasse m(t) als Funktion der Zeit berechnet werden. Hat die Rakete zum Zeitpunkt
1t die Geschwindigkeit
1,Rv
und die Masse 1
m , sowie zum späteren Zeitpunkt 2
t die entspre-
chenden Größen 2,R
v und 2
m , so folgt:
∫∫ −=2
1
2,R
1,R
m
mG
v
vR m
dmvdv
4.5 Impulserhaltung
59
)t(m
)t(mlnv)t(v)t(v
22
11G11,R22,R
=− (4.50)
Diese Beziehung stellt die vom russischen Mathematiker und Physi-ker Konstantin Ziolkowski (1857 – 1935) aufgestellte Raketenglei-chung dar. Zu einem Anfangszeitpunkt 0t
1= sei die Raketengeschwindigkeit
0v1,R
= und die zugehörige Startmasse sei 10
mm = . Die Ge-
schwindigkeit der Rakete 2,RR
vv = zu einem späteren Zeitpunkt
2tt = lässt sich dann aus der Raketengleichung und der aktuellen
Raketenmasse 2
m)t(m = berechnen.
)t(m
mlnvv 0
GR= (4.51)
Ist die Geschwindigkeit
Rv vorgegeben, so lassen sich die Rake-
tenmasse und damit der Brennstoffverbrauch )t(mm)t(m0B
−=∆
ermitteln. Auflösen von Gl. 4.51 nach m(t) liefert:
G
R
v
v
0em)t(m
−
= (4.52)
Ist der Brennstoff
E0Bmmm −= vollständig verbrannt, dann hat
die Rakete ihre Endmasse E
m und zugleich ihre maximale Ge-
schwindigkeit RE
v erreicht. Für diese Endgeschwindigkeit folgt:
E
0GRE m
mlnvv = (4.53)
Jets mit Düsenantrieb besitzen sog. Strahltriebwerke (Abb. 25), die jedoch keine Raketen darstellen, da sie ihre Rückstoßmasse überwie-gend in Form von Luft ansaugen und abgesehen von der Treibstoff-masse nicht selbst mitführen.
4 Arbeit, Energie und Leistung
60
VerdichterTurbine
heiße Gase
Brennkammer
Brennstoff-einspritzung
Luft
Abb. 25: Strahltriebwerk in schematischer Darstellung
4.6 Konservative Kräfte und Energieerhaltung
Alle physikalischen Kräfte lassen sich in zwei Klassen einteilen:
Konservative und dissipative Kräfte. Eine Kraft heißt konservativ, wenn bei der Arbeit gegen diese Kraft die mechanische Energie des Körpers, auf den die Kraft ein-wirkt, erhöht wird. Die Arbeit gegen eine konservative Kraft wird dann als kinetische oder potentielle Energie des Körpers gespeichert. Man sagt: Konservative Kräfte besitzen ein Potential. Das wichtigste Beispiel einer konservativen Kraft stellt die Gravitationskraft dar. Für konservative Kräfte ist die Arbeit, die auf einem beliebigen Weg von einer Anfangsposition
Arr
zu einer Endposition Err
verrichtet
wird von der Wahl des Weges von Arr
nach Err
unabhängig. Mit
anderen Worten: Die Arbeitsintegrale ∫ ⋅=E
A
r
r
sdFW
r
r
rr sind unabhängig
von der Form des Weges. Für einen in sich geschlossenen Weg fallen End- und Anfangsposition zusammen, es ist
EArrrr
= , und es gilt
∫ =⋅= 0sdFWrr
.
Das Kreissymbol im Integrationszeichen weist darauf hin, dass hier das Arbeitsintegral über einen geschlossenen Weg auszuwerten ist. Konservative Kräfte F
rbesitzen ein Potential Epot. Mit Hilfe der Vek-
toranalysis kann gezeigt werden, dass zwischen der konservativen Kraft F
rund ihrer potentiellen Energie Epot eine mathematische Be-
ziehung der Form
pot
EgradF −=r
4.6 Konservative Kräfte und Energieerhaltung
61
existiert. Der mit der Bezeichnung grad abgekürzte Gradient ist ein so genannter vektorieller Differentialoperator, für den die folgende Definition gilt:
kz
jy
ix
)z
,y
,x
(gradrrr
∂∂
+∂∂
+∂∂
=∂∂
∂∂
∂∂
=
Der Gradient stellt somit formal einen Vektor dar, dessen Kompo-nenten aus partiellen Ableitungen bestehen. Wirkt eine konservative Kraft auf einen Massenpunkt ein, so besitzt der Massenpunkt an jedem Raumpunkt eine wohldefinierte potentielle Energie, die somit eine skalare Funktion repräsentiert. Wird der Gradient auf den Skalar der potentiellen Energie angewandt, so ergibt sich als abgeleitete Größe ein Vektor, der in die Richtung der maximalen Änderung der potentiellen Energie zeigt. Dieser Vektor ist mit der einwirkenden Kraft identisch. Die Zentralkräfte wie die Gravitationskraft oder die Coulombkraft sind konservativ und besitzen jeweils ein Potential Epot. Der Nullpunkt der potentiellen Energie kann dabei willkürlich festgelegt werden. Wegen der (1/r2)-Abhängigkeit dieser Kräfte ist es sinnvoll, den Nullpunkt der potentiellen Energie ins Unendliche zu legen. Dort verschwindet die Krafteinwirkung und dann ist E rpot ( )= ∞ = 0 . Als Beispiel soll dazu die Gravitationskraft näher untersucht werden. Für die Arbeit W, die gewonnen wird, wenn eine Masse m aus sehr großer Entfernung bis auf einen Abstand r an die Masse M herange-führt wird erhält man:
∫ ∫∫∞ ∞∞
−==−⋅−=⋅=r r
2r2
r
G r
GmMdr
r
mMG)rd(e
r
mMGsdFW
rrrr
Dabei ist rdsd
rr−= , da der Weg in Richtung auf die sich im Zentrum
des Koordinatensystems befindliche Masse M durchlaufen wird. Als Ergebnis erhält man:
r
GmME0)r(E)r(E)r(EW
potpotpotpot−==−=∞=−=
Die gewonnene Arbeit ist somit gleich der Differenz der potentiellen Energie zwischen Anfangs- und Endposition. Stellt r den Abstand der Masse m von der Masse M dar, dann kann man der Masse m an jeder Stelle des Raumes einen Skalar, nämlich seine potentielle Energie Epot, zuordnen. Für die an einer beliebigen Stelle r auf die Masse m einwirkende Kraft gilt dann:
)z
E,
y
E,
x
E(EgradF
potpotpot
pot ∂
∂−
∂
∂−
∂
∂−=−=
r
4 Arbeit, Energie und Leistung
62
Für den Abstand r folgt mit Hilfe kartesischer Koordinaten:
222 zyxr ++=
Komponentenweise Differentiation liefert schließlich:
33222222
pot
xr
GmMx
)zyx(
GmMx2
2
1
zyx
GmM
xx
EF −=
++−=
++∂∂
=∂
∂−=
Analog folgt für die anderen beiden Komponenten:
3
pot
y r
GmMy
y
EF −=
∂
∂−=
3
pot
zr
GmMz
z
EF −=
∂
∂−=
In vektorieller Schreibweise erhält man für die Kraft F
r:
rr
GmM)z,y,x(
r
MmG)
z
E,
y
E,
x
E(F
33
potpotpot rr−=−=
∂
∂−
∂
∂−
∂
∂−=
Gr22Fe
r
GmM
r
r
r
GmMF
rrr
r=−=−=
Als einwirkende Kraft ergibt sich konsistenterweise die Newtonsche Gravitationskraft. Wird eine Arbeit gegen eine dissipative Kraft verrichtet, dann ändert sich die potentielle Energie nicht. Dissipative Kräfte besitzen nämlich kein Potential. Die von der dissipativen Kraft geleistete Ar-beit wird deswegen nicht in Form von mechanischer (potentieller oder kinetischer) Energie gespeichert, sondern ständig in Wärme-energie umgewandelt
Dissipative Kräfte sind Reibungskräfte. Durch dissipative Kräfte verrichtete Reibungsarbeit wird in Wärme-energie umgewandelt, die sich nicht vollständig in potentielle oder kinetische Energie zurückverwandeln lässt. Einzelheiten dazu wer-den in der Thermodynamik im Zusammenhang mit irreversiblen
Prozessen behandelt. Dagegen sind mechanische Energien (potenti-elle Energie
potE und kinetische Energie
kinE ) Energieformen, die
vollständig ineinander umgewandelt werden können.
4.6 Konservative Kräfte und Energieerhaltung
63
Die große Bedeutung der physikalischen Größe Energie beruht da-rauf, dass sie in verschiedenen Formen auftritt und dass sie insge-samt erhalten bleibt, d. h. die Gesamtenergie bleibt konstant. Sie ändert sich im Laufe der Zeit nicht. Die Gesamtenergie ist somit eine Erhaltungsgröße. Mit anderen Worten: In einem abgeschlossenen System, auf das keine äußeren Kräfte einwirken, ändert sich die me-chanische Energie des Systems nicht. Für konservative Kräfte gilt der Erhaltungssatz für die mechanische Energie:
Die Summe E aus potentieller und kinetischer Energie bleibt in einem abgeschlossenen System konstant. Epot + Ekin = E = konstant. (4.54)
Nimmt die kinetische Energie ab, so wird diese Abnahme gerade wieder durch die Zunahme der potentiellen Energie um denselben Betrag ausgeglichen und umgekehrt. Der Energieerhaltungssatz ist ein Erfahrungssatz. Aufgrund von Rei-bungskräften geht allerdings bei realen Bewegungen immer ein Teil der mechanischen Energie verloren. Diese mechanischen Energiever-luste verschwinden jedoch nicht, denn sie werden in eine andere Energieform, nämlich Wärme umgewandelt. Wird die durch die Rei-bungsarbeit gegen dissipative Kräfte entstandene Wärmeenergie mit in der Energiebilanz berücksichtigt, dann lässt sich im Rahmen der Thermodynamik ein erweiterter Energieerhaltungssatz formulie-ren.
In einem abgeschlossenen System bleibt die Summe aus mechanischer Energie und Wärmeenergie konstant.
Energie kann damit weder erzeugt noch vernichtet werden. Sie kann lediglich unter Erhaltung ihres Gesamtbetrages auf verschiedene Energieformen verteilt und zwischen ihnen umgewandelt werden. Der Heilbronner Arzt Julius Robert Mayer (1814 – 1878) beobachte-te als Erster, dass Bewegungsenergie in Wärmenergie umgewandelt werden kann. Er konnte zeigen, dass mechanische Arbeit und Wärme äquivalent sind. Diese Erkenntnis wird als Erster Hauptsatz der Wärmelehre bezeichnet. Durch seine Messungen des Mechanischen Wärmeäquivalents konnte Mayer das konstante Umwandlungsver-hältnis von mechanischer Energie in Wärmeenergie experimentell belegen. Darauf aufbauend wurde der oben genannte erweiterte Energieerhaltungssatz 1847 von dem Physiologen und Physiker Hermann Helmholtz (1821 – 1894) formuliert.
5 Drehbewegungen
64
5 Drehbewegungen
Die Beschleunigung ar
ist definiert als
dt
vd = a
rr
. (5.1)
Ist a
r konstant, so ändert sich weder der Betrag noch die Richtung
der Beschleunigung. Die Bewegung heißt dann geradlinig, gleich-mäßig beschleunigte Bewegung. Ist a
r nicht konstant, so ändert sich
der Betrag oder die Richtung der Beschleunigung. Die Bewegung heißt dann ungleichmäßig beschleunigt. Zur Klasse der ungleichmä-ßig beschleunigten Bewegungen gehören die Drehbewegungen, die im Folgenden am Beispiel der Kreisbewegung genauer betrachtet werden sollen. Eine Masse m bewege sich mit konstanter Bahnge-schwindigkeit gemäß Abb. 26 auf einer Kreisbahn mit dem Radius r. Eine solche Bewegung heißt gleichförmige Kreisbewegung. Hier-bei durchläuft der Körper in gleichen Zeitintervallen gleiche Winkel. Da der Kreismittelpunkt im Ursprung eines kartesischen Koordina-tensystems liegt, wird die Lage der Punktmasse m durch den Orts-vektor )y,x(r =
r eindeutig charakterisiert. Die Lage des Massen-
punktes m kann jedoch auch durch den Abstand r vom Koordinaten-ursprung und durch den Winkel ϕ , den der Ortsvektor mit der posi-tiven Richtung der x-Achse bildet, angegeben werden. Die Koordina-ten r und ϕ werden ebene Polarkoordinaten genannt. Aus Abb. 26 liest man folgende Transformationsformeln zwischen den kartesi-
schen und den Polarkoordinaten ab:
ϕ⋅= cosrx (5.2)
ϕ⋅= sinry (5.3)
z
r
0r
m
x
y
ϕ
Abb. 26: Kreisbewegung eines Massenpunktes
5.1 Kinematik der Rotation
65
5.1 Kinematik der Rotation
Die ideale Rotationsbewegung ist ein gleichförmig durchlaufener Kreis. Hierbei durchläuft der Körper in gleichen Zeitabschnitten gleiche Winkel. Da der Radius r bei der Kreisbewegung unverändert bleibt, wird der Bewegungsablauf durch die Änderung des Winkels ϕ mit der Zeit t beschrieben. Der Differentialquotient dt/dϕ wird als Winkelgeschwindigkeit ω definiert
ω=ϕ
=∆ϕ∆
→∆ dt
d
tlim
0t. (5.4)
Für die Einheit der Winkelgeschwindigkeit erhält man
s
rad
]dt[
]d[][ =
ϕ=ω . (5.5)
Bei einem vollständigen Umlauf auf der Kreisbahn wird der Voll-winkel π2 vom Ortsvektor r
r während der Umlaufzeit T überstri-
chen. Damit folgt für die konstante Winkelgeschwindigkeit ω der Kreisbewegung
fTT
π=π=π
=ω 21
22
. (5.6)
Die Größe T
1f = ist die Umlauffrequenz. Die Winkelgeschwin-
digkeit fπ=ω 2 wird wegen dieser Proportionalität auch als Kreis-frequenz bezeichnet. Die Kreisfrequenz ω kann zusammen mit der Drehachse und dem Drehsinn zu einem axialen Vektor der Winkel-geschwindigkeit ω
r zusammengefasst werden. Die Kreisfrequenz
gibt dann den Betrag und die Drehachse samt Drehsinn die Orientie-rung des Vektors der Winkelgeschwindigkeit an. Aufgrund dieser Eigenschaften stellt ω
r einen axialen Vektor dar (Abb. 27). Der Vek-
tor vr
der Bahngeschwindigkeit verläuft immer tangential zur Kreis-bahn und steht senkrecht auf dem Ortsvektor r
r, der die momentane
Lage des Massenpunktes auf der Kreisbahn mit dem Radius r kenn-zeichnet.
y
x∆ϕ∆sr
v
m
ω
Abb. 27: Vektoren der Kreisbewegung
5 Drehbewegungen
66
Der Winkel ϕ als mathematische Größe stellt einen Skalar dar. For-
mal lässt sich die Winkelgeschwindigkeit dt
dϕ=ω in Vektorschreib-
weise darstellen. Man schreibt dann dt
dϕ=ω
rr
. ϕr
d beschreibt dabei die
Lage der Ebene im Raum, die durch den Winkel ϕd bestimmt ist,
der durch zwei sich schneidende Geraden aufgespannt wird. Dies geschieht durch Angabe ihrer Normalenrichtung, durch welche die Ausrichtung der Ebene im Raum gegeben ist. Denn die Lage einer Ebene im Raum kann durch den Normalenvektor, der senkrecht auf dieser Ebene steht, gekennzeichnet werden. Offen ist dabei noch der
Richtungssinn von dt
dϕr
, durch den angegeben werden soll, in wel-
chem mathematischen Sinne der Winkel ϕd durchlaufen wird. Erst
durch Angabe des Richtungssinns wird die Orientierung der Ebene festgelegt. Dadurch lässt sich eindeutig bestimmen, welche Seite der Ebene ihre Oberseite und welche ihre Unterseite ist. Mit Hilfe eines rechtshändigen Koordinatensystems lässt sich die x-y-Ebene so in die Ebene von ϕd legen, dass ϕd als positiv durchlaufen zählt,
wenn der rotierende Körper von der positiven x- zur positiven y-Achse läuft. Dann stellt die der positiven z-Richtung zugewandte Seite der Ebene von ϕd die Oberseite dar und der Vektor ϕ
rd weist
in die positive z-Richtung. Der Betrag der Bahngeschwindigkeit v ergibt sich als Quotient aus dem Kreisumfang rπ2 und der Umlaufzeit T zu
rfrT
r
t
sv ω=π=
π=
∆∆
= 22
. (5.7)
In Vektorschreibweise ergibt sich die Bahngeschwindigkeit v
r als
Vektorprodukt der Winkelgeschwindigkeit ωr
und des Ortsvektors rr
.
rvrr
×ω= (5.8) Bei der Kreisbewegung stehen die Vektoren ω
r und r
r stets senk-
recht aufeinander. Die mit konstantem Betrag der Bahngeschwindigkeit erfolgende gleichförmige Kreisbewegung ist eine beschleunigte Bewegung mit nicht-konstanter Beschleunigung. Sowohl der Beschleunigungsvek-tor a
r als auch der Geschwindigkeitsvektor v
r ändern zwar ihre Be-
träge nicht, jedoch ständig ihre Richtung. Der Geschwindigkeitsvek-tor v
v ändert sich im Zeitintervall t∆ um das gleiche Winkelintervall
ϕ∆ wie der Orts- oder Radiusvektor rr
. Da der Radius bei einer Kreisbewegung konstant ist, folgt aus der konstanten Bahnge-schwindigkeit v, aufgrund von rv ω= , auch die Konstanz der Win-kelgeschwindigkeit ω . Da die Lage (Orientierung) der Drehachse
5.1 Kinematik der Rotation
67
ebenfalls unverändert bleibt, erfolgt die gleichförmige Kreisbewe-gung mit konstantem Vektor ω
r.
Die zugehörige Beschleunigung vdt
da
rr= ergibt sich zu
vdt
d rrrrrrrr×ω×ω×ω = r =)r(
dt
d=v
dt
d=a . (5.9)
Der Beschleunigungsvektor a
r liegt in der Bahnebene. Er steht senk-
recht auf der Bahngeschwindigkeit vr
und ist gemäß der Rechten-Hand-Regel antiparallel zum Ortvektor r
r und weist damit zum
Kreiszentrum. Die zeitliche Änderung des Ortsvektors rr
ist gleich dem Vektor v
r der Bahngeschwindigkeit (Abb. 28). Dies sei im Fol-
genden kurz erläutert. Zum Zeitpunkt 1t befindet sich der Massen-
punkt an der durch den Ortsvektor )( 11 trrrr
= bzw. den Winkel 1ϕ
gekennzeichneten Stelle. Zu einem späteren Zeitpunkt 2t hat der
Massenpunkt die durch )( 22 trrrr
= bzw. 2
ϕ charakterisierte Position
erreicht. Dabei hat der Ortsvektor des sich auf einer Kreisbahn be-wegenden Massenpunktes im Zeitintervall
12ttt −=∆ das Winke-
lintervall 12
ϕ−ϕ=ϕ∆ überstrichen und sich um 12 rrrvvv −=∆ geän-
dert. Der Ortsvektor wird bei der Kreisbewegung auch als Radius-vektor bezeichnet. r
r∆ verläuft auf der Sekanten und weist von 1r
r
nach 2rr
. Die Länge der Sekante r∆ stimmt näherungsweise mit der
Lände des Kreisbogenelementes s∆ überein. y
x
ϕ1
ϕ2
∆ϕ
∆ s
r (t )
r (t )
1
2
∆r = r (t ) - r (t ) 2 1
Abb. 28: Ableitung der Bahngeschwindigkeit vr
Für beliebig kleine Winkel ϕ∆ kann das Kreisbogenelement s∆ durch die Sehne r
r∆ approximiert werden. Mit 0t →∆ wird die
Änderung des Radiusvektors rdr
mit dem Kreisbogen sdr
identisch:
dt
sd =
dt
rd =
t
rlim=v
0t
rrrr
∆∆
→∆ (5.10)
5 Drehbewegungen
68
Der Geschwindigkeitsvektor v
r hat die Richtung der Kreistangente
und steht senkrecht auf rr
und auf ωr
. Für die gleichförmige Kreis-bewegung gelten dann betragsmäßig folgende Beziehungen:
va ω= (5.11)
rv ω= (5.12)
ra 2ω= . (5.13)
Die Richtung des Beschleunigungsvektors a
r ergibt sich aus:
( )r = v=a
rrrrrr×ω×ω×ω (5.14)
Der letzte Ausdruck stellt ein mehrfaches Vektorprodukt dar. Für das dreifache Vektorprodukt aus beliebigen Vektoren b,a
rr und c
r
gilt der Entwicklungssatz der Vektoralgebra:
( ) ( ) ( )bac-cab=cbarrrrrrrrr
⋅⋅×× (5.15) Das dreifache Vektorprodukt ist somit wiederum ein Vektor. Für die Beschleunigung a
r folgt damit:
( ) ( ) ( )ω⋅ω⋅ωω×ω×ω
rrrrrrrrrrr-r=r=a (5.16)
Da r
rr⊥ω ist 0=r
rr⋅ω . Damit verschwindet der erste Term auf der
rechten Seite. Für das Skalarprodukt folgt: 2= ωω⋅ωrr
. Der Be-schleunigungsvektor a
r steht nach den Rechenregeln zur Bildung des
Vektorproduktes senkrecht auf ωr
und vr
und weist zum Zentrum des Kreises ( r
r− ist antiparallel zu r
r):
r - = a 2 rr
ω (5.17) Erfolgt die Kreisbewegung mit konstantem Betrag v der Bahnge-schwindigkeit (gleichförmige Kreisbewegung), so ändert sich stän-dig nur die Richtung, nicht aber der Betrag des radial gerichteten Beschleunigungsvektors a
r. Sie wird Radialbeschleunigung genannt.
ar
ist immer entgegengesetzt zum Radiusvektor rr
gerichtet, aber betragsmäßig konstant. Nach Ablauf des Zeitintervalls
12ttt −=∆ ist der Geschwindig-
keitsvektor )t(vv11
rr= durch Drehung um den Winkel ϕ∆ in den
Vektor )t(vv22
rr= übergegangen. Er hat sich dabei um
12 vvvrrr
−=∆ mit dem Betrag ϕ∆=∆ vv geändert. v∆ entspricht
dabei der Länge eines Kreisbogenausschnitts, der vom Zentrum des Kreises mit dem Radius v unter dem Winkel ϕ∆ „gesehen“ wird.
vvt
vt
va ω=ω=
∆ϕ∆
=∆∆
=
5.1 Kinematik der Rotation
69
Mit r
v=ω ergibt sich
r
va
2
= . (5.18)
Aus Abb. 29a wird graphisch ersichtlich, dass der Beschleunigungs-vektor a
r senkrecht auf dem Geschwindigkeitsvektor v
rsteht und
daher im Verlauf der Bewegung ständig seine Richtung ändert. Da die Beschleunigung radial zum Kreismittelpunkt hin wirkt, wird sie als Radialbeschleunigung bezeichnet und beschreibt die zeitliche Änderung der Geschwindigkeitsrichtung, wohingegen der Ge-schwindigkeitsbetrag konstant bleibt. Die Radialbeschleunigung ist betragsmäßig konstant ( .21 konstaaa ===
rr). Sie ändert nur ihre
Richtung, nicht jedoch ihren Betrag.
Abb. 29a: Radialbeschleunigung bei einer gleichförmigen Kreisbe-wegung Mit Hilfe der Definition der Beschleunigung erhält man
dt
vd
t
vlima
0t
rrr
=∆∆
=→∆
.
Die Beschleunigung a
r erfolgt gemäß Abb. 29a in Richtung von v
r∆
senkrecht zu vr
. Sie stellt somit eine Radialbeschleunigung dar, die zum Zentrum der Drehbewegung hin gerichtet ist. Die Geschwindigkeitsvektoren
1vr
und 2
vr
sind betragsmäßig gleich,
d. h. sie können wegen === vvv 21
rrkonst. in den gleichen An-
fangspunkt gelegt werden (Abb. 29b). Der Vektor )(tvr
, er beschreibt
die Momentangeschwindigkeit des sich auf der Kreisbahn gleich-förmig bewegenden Massenpunktes, bewegt sich dann auf einem Kreis mit dem Radius v.
5 Drehbewegungen
70
∆ϕv (t )
v (t )
2
1
∆ v = v (t ) - v (t ) 2 1
∆ t = t - t 2 1
∆ϕ = ω∆t
Abb. 29b: Geschwindigkeitsvektoren bei gleichförmiger Kreisbewegung
Für die Vektoren gilt: t
va
∆∆
=r
rvr
∆↑↑ und varr
⊥ .
5.2 Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft
Durch die Radialbeschleunigung wirkt auf eine sich auf den Kreis
bewegende Masse m eine Kraft, die Zentripetalkraft Z
Fr
:
rm- amF 2z
rrrω== (5.19)
Durch die Zentripetalkraft wird der sich bewegende Massenpunkt m auf der Kreisbahn gehalten. Ein sich mit dem Massenpunkt auf der Kreisbahn mitbewegender Beobachter stellt dagegen eine radial nach außen gerichtete Kraft fest, die Zentrifugalkraft oder Fliehkraft
FFr
genannt wird:
rF 2F
rrω= m (5.20)
m
ω
F
r
Abb. 30: Fliehkraft
Zentripetalkraft und Zentrifugalkraft sind betragsmäßig gleich groß aber entgegengesetzt gerichtet.
5.3 Drehmoment
71
FZFFrr
−= (5.21)
Die Zentrifugalkraft wirkt in Richtung des Radiusvektors nach au-ßen, und wirkt nur auf Beobachter, die mitbewegt werden.
5.3 Drehmoment
Die Erfahrung zeigt, dass die Wirkung von Kräften allein noch nicht ausreicht, um eine Drehbewegung hervorzurufen. Die Kräfte müssen nämlich zusätzlich noch bestimmten Bedingungen genügen, um ein sog. Drehmoment erzeugen zu können. Zur Illustration sollen an einem ruhenden Körper zwei entgegengesetzt gleichgroße Kräfte angreifen. Sie erfüllen dann die Bedingung des statischen Gleichge-
wichts 0Fi
rr=∑ , d.h. sie können den Körper nicht in eine beschleu-
nigte Translationsbewegung versetzen. Ob der Körper aber tatsäch-lich in Ruhe bleibt oder in eine resultierende Rotationsbewegung versetzt wird, hängt von weiteren Details (Abb. 31) ab. Damit der Körper nicht einfach in Kraftrichtung beschleunigt wird, ist zur Er-zeugung eines Drehmomentes immer ein Kräftepaar aus betragsmä-ßig gleich großen aber entgegengesetzt gerichteten Kräften erforder-lich. Oft tritt eine dieser Kräfte nicht unmittelbar in Erscheinung, da sie als Lagerkraft im Drehzentrum der durch äußere Bedingungen fixierten Drehachse wirkt. Der Körper bleibt in Ruhe, wenn die Kräfte in Richtung der Verbin-dungslinie zwischen den beiden Angriffspunkten A und B wirken (oberer Teil der Abb.31). Ist das nicht der Fall, wie im mittleren Teil der Abb. 31, so wird der Körper in Drehung versetzt. Bleiben die Kraftwirkungen bei der Drehung des Körpers unverändert, geht der frei drehbare Körper schließlich in seine Gleichgewichtslage über (unterer Teil der Abb. 31).
B
B
B
A
A
A
F
F
F F
F
F
Abb. 31: Entgegengesetzt gleich große Kräfte, die an verschiedenen Punkten eines ausgedehnten Körpers angreifen
5 Drehbewegungen
72
Eine Erklärung für dieses Verhalten liefert die experimentelle Erfah-rung über das Gleichgewicht von Kräften am Hebel, der aus einem gewichtslos gedachten Balken oder Stab besteht, der um eine Auf-hängung 0 drehbar gelagert ist. Bereits vor über 2200 Jahren ent-deckte Archimedes das Hebelgesetz:
Gleiche Kräfte stehen im Gleichgewicht, wenn sie in gleichen Entfernungen von der Aufhängung 0 angreifen (gleicharmiger Hebel).
F
FF=2
F1
1
1
0
l l
Abb. 32: Gleichgewicht von Kräften am gleicharmigen Hebel
Ferner zeigen experimentelle Untersuchungen:
Ungleiche Kräfte sind dann im Gleichgewicht, wenn die Bedin-gung
2211lFlF = erfüllt ist.
F
F+F=
F
F
1
1 2
1
2
2
0
l l
Abb..33: Gleichgewicht von verschiedenen Kräften
Das Produkt aus einer Kraft vom Betrag F und der Länge ihres He-belarmes l beschreibt ihre Hebelwirkung oder ihre Drehfähigkeit, für die sich heute der technische Begriff Drehmoment eingebürgert hat. Der Hebelarm ist derjenige Abstand vom Drehzentrum, auf dem die Wirkungslinie der Kraft F
r senkrecht steht. Das Drehmoment be-
wirkt eine Änderung der Drehbewegung. Es beschreibt die Drehwir-kung einer Kraft. Die Drehmomente von
1Fr
und 2
Fr
in Abb. 33 sind gleich groß, haben aber entgegen gesetzte Richtungen. Wenn das eine positiv und das andere negativ gezählt wird, folgt für das Gleichgewicht gegenüber Drehbewegung:
Ein Körper, der sich unter der Einwirkung äußerer Kräfte um eine feste Achse drehen kann, ist im Gleich-
5.3 Drehmoment
73
gewicht, wenn die Vektorsumme aller Drehmomente verschwindet, d.h. wenn das Gesamtdrehmoment gleich Null ist.
Aus der Bedingung des statischen Kräftegleichgewichts 0Fi
rr=∑
folgt, dass im Drehpunkt 0 eine weitere Kraft 21
FFFrrr
+= an der
Hebelstange angreift. Zu dieser Kraft Fr
gehört der Hebelarm 0l = , so dass diese Kraft kein Drehmoment bezüglich des Drehpunktes ausübt. Eine an einem drehbar gelagerten starren Körper in der vektoriellen Entfernung r
r von der Drehachse angreifende Kraft F
r kann ein
Drehmoment Mr
hervorrufen, infolgedessen der Körper eine Rotati-onsbeschleunigung erfährt. Der Körper muss also um eine Achse A drehbar sein. Durch die Wahl eines Koordinatensystems kann dann sichergestellt werden, dass die Drehachse A beispielsweise mit der z-Achse zusammenfällt. Die an dem Körper angreifende Kraft F
r
möge zunächst nur in einer zur Drehachse A senkrechten Ebene wir-ken. Die Verallgemeinerung dieses Spezialfalles wird zunächst zu-rückgestellt. Das Drehmoment hängt von Betrag, Richtung und An-griffspunkt der Kraft F
r ab. Der Angriffspunkt wird durch den Radi-
usvektor rr
definiert. Durch den Betrag r des Radiusvektors ist gleichzeitig der Abstand Drehpunkt-Angriffspunkt festgelegt. Die Richtung des Drehmoments steht senkrecht auf der von den Vekto-ren r
r und F
r aufgespannten Ebene. Das Drehmoment M
r der Kraft
Fr
bezüglich des Koordinatenullpunktes, durch den die Drehachse verläuft, ist definiert als Vektorprodukt aus Radiusvektor r
r und
Kraft Fr
. Diese Kraft soll hier an einer punktförmigen Masse m angreifen, die sich an der Stelle r
r befindet und die um die z-Achse
drehbar ist (Abb. 34).
Fr = Mrrr
x (5.22) Aus dieser Definition folgt für die Einheit des Drehmomentes M
r:
[ ] [ ][ ] Nm=rF = M
Dimensionsmäßig ist die Einheit der vektoriellen Größe Drehmo-ment Nm1]M[ = identisch mit der Einheit Joule (J) der grundsätz-lich anders definierten skalaren Größe Energie E.
5 Drehbewegungen
74
z
0 x
r
m
ϕ
y
FF
Abb. 34: Definition des Drehmomentes
Die o. g. Definition des Drehmomentes ist äquivalent zur folgenden Aussage:
Das Drehmoment ϕ== sinFrlFM entspricht betrags-mäßig dem Produkt aus einer Kraft F und dem senk-rechten Abstand ϕ= sinrl ihrer Wirkungslinie vom Drehpunkt.
m
z
y
x
ϕ
ϕ
l
F
r
0
Abb. 35: Drehmoment als Ursache der Drehbewegung mit Darstel-lung des Hebelarmes l
Den Abstand r zwischen Drehpunkt und Angriffspunkt der Kraft nennt man Hebelarm oder auch Kraftarm. Das Produkt aus Hebel-arm r und der Komponente der Kraft senkrecht zur Richtung des Hebelarmes ϕ⊥ sin F =F , liefert den Betrag M des Drehmoments:
ϕ=⊥ sinF r = M Fr (5.23)
5.3 Drehmoment
75
Damit entspricht das Drehmoment M offensichtlich dem Betrag des Vektorproduktes Fr
rr× .
M = Fr
rr× = FlFrFr =ϕ=ϕ sinsin (5.24)
Der Hebelarm l entspricht dem senkrechten Abstand der Wirkungsli-nie der Kraft vom auf der Drehachse liegenden Drehzentrum, wel-ches sich hier im Ursprung des Koordinatensystems befindet. Das Drehmoment M ist maximal, wenn r
r und F
r senkrecht aufeinander
stehen. Dann gilt: rFM = Die Kraft F
r kann vektoriell in ihre Komponenten parallel zu r
r und
senkrecht zu rr
zerlegt werden.
IIFFFrrr
+= ⊥ (5.25)
Die Kraft II
Fr
ist radial nach außen gerichtet. Sie steht senkrecht auf
der starren Drehachse und übt nur eine statische Zugkraft auf diese
aus. Daher ist II
Fr
ohne Beschleunigungswirkung und kann insbeson-
dere keine Drehbewegung des Körpers mit der Masse m verursachen.
Die Kraft ⊥Fr
bewirkt eine Beschleunigung dv/dt der Masse m längs
eines Kreisbogens mit dem konstanten Radius r. Sie bewirkt das
Drehmoment der Kraft Fr
mit dem Betrag
α=ω
=ω=== ⊥ Jdt
drmr
dt
dmrv
dt
dmrFrM 2)( . (5.26)
Die in dieser Gleichung auftretende Größe dt
dω beschreibt die zeitli-
che Änderung der Winkelgeschwindigkeit. Sie wird mit dem Formelzeichen α bezeichnet.
In Analogie zur Bahnbeschleunigung dt
dva = wird sie Winkelbe-
schleunigung α genannt. In vektorieller Schreibweise gilt folgen-de Definition
dt
d
tlim
0t
ω=
∆ω∆
=α→∆
rrr
. (5.27)
Die Einheit der Winkelbeschleunigung ergibt sich zu 2
][s
rad=α . Für
einen Massenpunkt der Masse m, der sich im Abstand r von einem Drehzentrum auf einer Kreisbahn vom Radius r bewegt, lässt sich
eine neue Größe 2mrJ = definieren, die Massenträgheitsmoment
des Massenpunktes genannt wird und die mit dem Formelzeichen J bezeichnet wird. Für das auf einen Massenpunkt m im Abstand r von einer Drehachse einwirkende Drehmoment folgt dann
5 Drehbewegungen
76
α=×=rrrr
JFrM . (5.28) Das Drehmoment stellt somit einen axialen Vektor dar. Axiale Vek-toren sind freie Vektoren, d.h. sie sind parallel verschiebbar und daher an keine Wirkungslinie verbunden. Die Wirkungslinie ist dabei durch die Richtung des Kraftvektors festgelegt. Die Richtung der durch M
r hervorgerufenen Drehbewegung folgt aus der Definition
des Drehsinns axialer Vektoren: Blickt man in Richtung des axialen Vektors, so erfolgt die Drehung im Uhrzeigersinn. Diese Richtung des Drehmomentes ergibt sich auch aus der Definition des Vektor-produktes. Die bisherigen Überlegungen waren auf den Spezialfall beschränkt,
dass die an dem Körper angreifende Kraft Fr
in einer zur Drehachse
A senkrechten Ebene lag. Wirkt dagegen eine Kraft Fr
in einer Ebe-ne, die nicht senkrecht auf der Drehachse A steht, so lässt sich dieser allgemeine Fall auf den oben dargestellten Spezialfall zurückführen.
Dazu wird die Kraft PS
FFFrrr
+= vektoriell in zwei Komponenten S
Fr
senkrecht (Index s) und P
Fr
parallel (Index p) zur Drehachse zerlegt.
F
FFp
s
A
Abb. 36: Wirkung einer schief gerichteten Kraft auf die Drehbewe-gung
Nur S
Fr
kann eine Drehbewegung des Körpers verursachen; sie ent-
spricht der Projektion von Fr
auf die Drehbewegungsebene. P
Fr
übt
dagegen nur eine parallel gerichtete Zugkraft auf die ortsfeste Dreh-
achse A aus. Die Kraft S
Fr
liegt wieder in der zur Drehachse senk-
rechten Drehbewegungsebene und sie kann mit der in Abb. 34 dar-
gestellten Kraft II
FFFrrr
+= ⊥ identifiziert werden.
Eine konstante Kraft Fr
, die tangential ( Frrr
⊥ ) am Umfang einer Welle vom Radius r angreift, verursacht ein konstantes Drehmoment vom Betrag M = r F. Die Welle dreht sich dann während des Zeitin-tervalls t∆ um einen Drehwinkel ϕ∆ . Der Angriffspunkt der Kraft
legt dabei einen Weg ϕ∆=∆ rs zurück und das Drehmoment M ver-
richtet dabei an der Welle die Rotationsarbeit
5.3 Drehmoment
77
ϕ∆=ϕ∆=∆=∆ Mrr
MsFW
rot. (5.29)
Für die im Zeitintervall t∆ vom Drehmoment hervorgerufene Leis-tung P folgt:
ω=∆
ϕ∆=
∆
∆= M
t
M
t
WP rot (5.30)
ω beschreibt die Winkelgeschwindigkeit der Welle. Vektoriell gilt: ω⋅=
rrMP
Die Momentanleistung P ist durch das Skalarprodukt der Vektoren Mr
und ωr
gegeben. In der Praxis spielt das Drehmoment bei der Beschleunigung von Kraftfahrzeugen eine herausragende Rolle. Verbrennungsmotoren erzeugen kein über den gesamten Drehzahlbereich konstantes Dreh-moment (Abb. 37). Die Motordrehzahl min/Un = ist dabei defi-niert als die Anzahl der Umdrehungen pro Minute und ist proportio-nal zur Anzahl der Zündungen pro Minute. Aufgrund komplizierter Strömungsvorgänge während des Verbrennungsvorganges im Zylin-der nimmt das Drehmoment bei hohen Drehzahlen steil ab, so dass die maximale Leistung eines Kraftfahrzeugs nicht bei Höchstge-schwindigkeit erbracht wird.
MNm
500
400
300
200
100
1000 2000 3000 4000 U/min
Abb. 37: Drehmoment als Funktion der Drehzahl eines Verbren-nungsmotors
Für eine größtmögliche Beschleunigung ist daher die Kenntnis der Drehzahl mit maximalem Drehmoment erforderlich. Um den Kraft-stoffverbrauch zu minimieren ist dagegen eine niedrigtourige Fahr-weise bei geringer Drehzahl notwendig, bei der es zu möglichst we-nigen Zündvorgängen kommt.
5 Drehbewegungen
78
Beispiel: Drehmoment
RM als Ursache für die Rollbewegung
Eine auf einer waagrechten Ebene rollende Kugel kommt infol-ge der Rollreibung allmählich zur Ruhe. Für das beschleuni-gungsfreie Abrollen der Kugel mit konstanter Winkelgeschwin-digkeit muss ein bestimmtes Drehmoment M um den Auflage-punkt B aufgewendet werden, welches das entgegen gesetzte Drehmoment
RM der Rollreibung gerade kompensiert. Die ex-
perimentelle Beobachtung führt zu folgendem Ansatz:
NRLR
FM ⋅µ=
Der Proportionalitätsfaktor
RLµ wird Rollreibungslänge ge-
nannt und besitzt die Dimension einer Länge. m][
RL=µ
Die Rollreibungslänge
RLµ wird durch den Rollreibungskoeffi-
zienten R
µ bestimmt und lässt sich auf einer schiefen Ebene mit
verstellbarem Neigungswinkel ϕ ermitteln. Wird der Nei-
gungswinkel langsam von Null an erhöht, so rollt eine Kugel oder ein Kreiszylinder nicht die schiefe Ebene herunter, solange ϕ kleiner als der Grenzwinkel
Rϕ ist. Dabei gilt:
HGRϕ<ϕ<ϕ (5.31)
Abb. 38: Bestimmung des Rollreibungskoeffizienten R
µ
Die Größe r stellt dabei den Radius der Kugel oder des Zylin-ders dar. B ist der Berührpunkt der Kugel bzw. die Berührlinie des Zylinders mit der schiefen Ebene. Bei dem Grenzwinkel Rϕ
ist das durch die Schwerkraft gmFS
rr= im Gegenuhrzeigersinn
wirkende Drehmoment S
FrMrrr
×= um den Auflagepunkt B be-
S
B
F = m g
F
Fr
T
N
S
5.4 Massenträgheitsmoment
79
tragsmäßig gleich dem durch die Rollreibungskraft
NRRRFF ⋅µ= im Uhrzeigersinn wirkenden Drehmoment
RRLNRLRRRRR
cosmgFcosmgrFrM ϕµ=⋅µ=ϕµ=×=rrr
.
Die Rollreibungskraft greift im Schwerpunkt der Kugel an und ist antiparallel zur Bewegungsrichtung orientiert. Damit ergibt sich für den Zusammenhang zwischen
RLµ und
Rµ :
RRLr µ⋅=µ .
Aus
RMM = folgt schließlich:
RRRcosmgrsinmgr ϕµ=ϕ .
Für den Rollreibungskoeffizienten Rµ erhält man:
RRtan ϕ=µ . (5.32)
5.4 Massenträgheitsmoment
Jeder Körper widersetzt sich der Translationsbeschleunigung infolge seiner trägen Masse. Dies gilt auch für die Drehbeschleunigung einer Rotationsbewegung. Die Trägheitswirkung eines starren Körpers wird dabei jedoch nicht nur durch seine Masse m, sondern zusätzlich durch ihren Abstand r von der Drehachse bestimmt. Je weiter ein Massenelement von dieser Achse entfernt ist, um so mehr trägt es zum Beharrungsvermögen bei. Bei ausgedehnten Körpern wird daher die Trägheitswirkung durch die Massenverteilung bestimmt. Ein quantitatives Maß für den Widerstand gegen Drehbeschleunigungen ist das Massenträgheitsmoment J. Für eine punktförmige Masse m im Abstand r von der Drehachse ist das Massenträgheitsmoment J definiert durch 2rmJ = . (5.33) Mit Hilfe des Massenträgheitsmomentes J kann eine weitere Defini-tion des Drehmoments M
r angegeben werden
αω rr
rJ =
dt
d J = M . (5.34)
Diese Gleichung stellt das Grundgesetz für Rotationsbewegungen dar.
Unter der Wirkung eines Drehmomentes erfährt ein drehbarer Körper eine Winkelbeschleunigung.
5 Drehbewegungen
80
Dabei ist das Verhältnis der Beträge von wirkendem Drehmoment zur verursachten Winkelbeschleunigung eine konstante Größe, näm-lich das Massenträgheitsmoment J. Für die Berechnung des Massenträgheitsmomentes J eines ausge-dehnten Körpers gilt: Besteht der Körper aus N verschiedenen Mas-senelementen
im∆ , die sich in senkrechten Abständen
ir von der
Drehachse befinden, so ist J gegeben durch die Summe der Beiträge aller Massenelemente:
∑∆∆∆∆N
1=i
2ii
2NN
222
211
r m = rm+...+rm + r m = J . (5.35)
Im Grenzübergang 0m →∆ geht die diskrete Summe (5.35) über in eine „kontinuierliche“ Summe, die durch ein Riemannsches Integral dargestellt wird. Für das Massenträgheitsmoment gilt dann
∑ ∫ ⊥>−∆=∆=
i m
2
i
2
i0mdmrmrlimJ
i
. (5.36)
Das Integral erstreckt sich über die Massenverteilung des ausgedehn-ten Körpers mit der Gesamtmasse m. Beispiel: Massenträgheitsmoment J eines Vollzylinders
Für das Massenträgheitsmoment J bezüglich der z-Achse eines um diese Achse rotationssymmetrischen Kreiszylinders (Radius R, Länge L), der Gesamtmasse m und der homogenen Dichte ρ gilt:
∫ ⊥=
m
0
2dmrJ
Wegen dVdm ρ= folgt
∫ ∫ ⊥⊥ρ=ρ=
V
0
V
0
22 dVrdVrJ .
Wird der Vollzylinder in dünnwandige Hohlzylinder zerlegt, so gilt für das Massenträgheitsmoment dJ eines Hohlzylinderele-ments mit dem Radius r, der Masse dm und der infinitesimal dünnen Wandstärke dr:
rLdr2rdVrdmrdJ 222 πρ=ρ==
Durch Summation aller Elemente dJ folgt für das Massenträg-heitsmoment J des Kreiszylinders mit dem Radius R und der Länge L:
5.4 Massenträgheitsmoment
81
2R
0
4R
0
32J
0
mR2
1R
4
1L2drrL2rLdr2rdJJ =ρπ=ρπ=πρ== ∫ ∫∫
Das Volumen des Vollzylinders beträgt LRV 2π= und seine Masse m ergibt sich zu LRVm 2ρπ=ρ= .
Eine wichtige technische Anwendung des Massenträgheitsmo-mentes stellen Schwungräder und Schwungscheiben dar. Sie werden als moderne Energiespeicher eingesetzt.
Die Berechnung des Massenträgheitsmomentes ist nur möglich, wenn die Masse und ihre Verteilung bezüglich der jeweiligen Dreh-achse bekannt sind.
Das Massenträgheitsmoment eines zusammengesetzten Körpers bezüglich der gleichen Drehachse berechnet sich durch Addition als Summe der Trägheitsmomente seiner Teile.
In Abb. 39 sind die Massenträgheitsmomente einiger wichtiger rota-tionssymmetrischer Körper der Masse m und der homogenen Dichte ρ zusammenfassend dargestellt. Die Rotationsachse entspricht dabei
der Symmetrieachse durch den Schwerpunkt. Natürlich können durch den Schwerpunkt eines Körpers beliebig viele Drehachsen gelegt werden, die im Allgemeinen zu verschiede-nen Massenträgheitsmomenten führen. Die experimentelle Beobachtung zeigt: Das Trägheitsmoment hängt von der Drehachse ab. Dabei stellt sich heraus, dass immer zwei bestimmte, senkrecht aufeinander stehende Drehachsen existieren, für die das Massenträgheitsmoment minimal (
minJ ) bzw. maximal
(max
J ) wird. Diese beiden Achsen werden als freie Achsen des Kör-
pers bezeichnet. Ein frei beweglicher Körper kann nur um diese bei-den Achsen stabil rotieren. Zusammen mit einer auf diesen beiden Achsen senkrecht stehenden dritten Achse, um die keine stabile Ro-tation möglich ist, bilden sie die Hauptträgheitsachsen eines Kör-pers. Durch parallele Verlagerung einer Schwerpunktsachse S zu einer Drehachse A wird das Massenträgheitsmoment vergrößert. Im Folgenden soll das Massenträgheitsmoment, bezogen auf eine Dreh-achse S durch den Schwerpunkt mit
SJ bezeichnet werden. Das
Massenträgheitsmoment des gleichen Körpers, bezogen auf eine zu S parallele Drehachse A im Abstand a soll mit
AJ gekennzeichnet
werden.
5 Drehbewegungen
82
Körper Massenträgheitsmoment J
Kugel
Vollkugel
2mR5
2J =
Kugelschale (dünnwandig)
2mR3
2J =
R: Kugelradius Hohlkugel
3I
3A
5I
5A
RR
RRm
5
2J
−−
=
Vollzylinder
2mR2
1J =
R: Zylinderradius
Hohlzylinder
)RR(m2
1J 2
I
2
A+=
A
R : Außenradius
IR : Innenradius
Abb. 39: Massenträgheitsmomente
5.4 Massenträgheitsmoment
83
Zwischen den beiden Massenträgheitsmomenten
SJ und
AJ exis-
tiert ein Zusammenhang, der vom schweizer Mathematiker Jakob Steiner (1796 – 1863) formuliert wurde und heute als Steinerscher
Satz bezeichnet wird.
2SA
maJJ += (5.37)
m ist dabei die Gesamtmasse des rotierenden Körpers und a der Abstand zwischen den beiden parallelen Achsen S und A. Die Aus-sage des Satzes von Steiner kann durch eine einfache Energiebe-trachtung begründet werden: Die kinetische Energie des um S rotie-
renden Körpers ist 2S
J2
1E ω= . Bei Rotation um die Drehachse A
führt der Körper gleichzeitig zwei Bewegungen aus: Er rotiert um S und zusätzlich bewegt sich die im Schwerpunkt S vereint gedachte Masse m mit der Bahngeschwindigkeit
Sv im Ab-
stand a um die Rotationsachse A, wobei beide Bewegungen mit glei-cher Winkelgeschwindigkeit erfolgen. Für die gesamte kinetische Energie kinE des Körpers folgt:
2S
2Skin mv
2
1J
2
1E +ω= (5.38)
Die gesamte kinetische Energie eines starren Körpers ist die Summe aus der Rotationsenergie für die Drehbewegung um den Schwer-punkt S und der Translationsenergie des Schwerpunktes. Wegen ω= av
S folgt:
2A
22S
222Skin J
2
1)maJ(
2
1ma
2
1J
2
1E ω=ω+=ω+ω= (5.39)
Auch bei Rotation um eine zu S parallele Achse A gilt für die gesam-te Rotationsenergie
2Arotkin J
2
1EE ω== , (5.40)
wobei
2SA
maJJ += (5.41)
ist. Bei jeder Rotation ist das Massenträgheitsmoment für 0a = am kleinsten, d.h. wenn die Drehachse durch den Schwerpunkt S ver-läuft. Wenn das Massenträgheitsmoment
SJ bekannt ist, können die
5 Drehbewegungen
84
Trägheitsmomente für alle dazu parallelen Achsen A mithilfe des Steinerschen Satzes berechnet werden. Beispiel: Ableitung des Steinerschen Satzes
Ein Zylinder soll sich um zwei parallele Achsen S und A drehen können, die senkrecht zur Zeichenebene in Abb. 40 stehen und den Abstand a besitzen. Das herausgegriffene Volumenelement dV habe vom Schwerpunkt S den Abstand
Sr und von der Dreh-
achse A den Abstand A
r . Definitionsgemäß gilt:
∫ ∫ρ== dVrdmrJ 2S
2SS
∫ ∫ρ== dVrdmrJ 2A
2AA
Der Kosinussatz liefert für 2A
r : 2S
2S
2A
acosar2rr +α−=
∫ +α−ρ= dV)acosar2r(J 2S
2SA
∫ ∫ ∫ αρ−ρ+ρ= dVcosra2dVadVrJS
22SA
∫ +=ρ+=ρ+= 2S
2S
2SA
maJVaJdVaJJ
αdV
S
A
x
sr
r
A
S
Abb.40: Ableitung des Satzes von Steiner
Der Term ∫ αdVcosrS
verschwindet. Es ist
∫∫ =ρ=αρ 0xdVa2dVcosra2S
. Denn m
xdVx
S
∫ρ= ist die
über die Massenverteilung gemittelte x-Koordinate des Schwer-punktes )z,y,x(S
SSS, der hier im Ursprung des gewählten Ko-
ordinatensystems liegt ( 0xS
= ). Folglich gilt:
5.5 Drehimpuls
85
2SA
maJJ +=
5.5 Drehimpuls
Die dem Impuls v m = prr
der geradlinigen Bewegung entsprechende
Größe der Drehbewegung ist der Drehimpuls Lr
. Bewegt sich ein Massenpunkt der Masse m, dessen Lage durch den Ortsvektor r
r
charakterisiert ist mit einer Geschwindigkeit rdt
dv
rr= , dann besitzt er
den Impuls vmprr
= . Der Drehimpuls des Massenpunktes ist dann
folgendermaßen definiert
pr = Lrrr
× . (5.42) Definitionsgemäß ist der Drehimpuls L
r ebenfalls ein axialer Vek-
tor (Abb. 41).
p=mv
m
L
r
Abb. 41: Definition des Drehimpulses
Ausgehend von dieser Definition ist folgende vektorielle Umfor-mung möglich:
v mr = pr = Lrrrrr
×× (5.43) Mit rv
rrr×ω= folgt ( )rmr = L
rrrr×ω× .
Die Anwendung des Entwicklungssatzes für dreifache Vektorpro-dukte liefert:
( ) ( )[ ]rr-rr m = Lrrrrrrr
ω⋅ω⋅ (5.44) Da bei einer Kreisbewegung der Ortsvektor r
r senkrecht auf dem
Vektor der Winkelgeschwindigkeit ωr
steht folgt 0r =ω×rr
. Für den Drehimpuls L
r ergibt sich damit
ωrr
2r m = L . (5.45)
5 Drehbewegungen
86
Mit Hilfe des Massenträgheitsmoments eines Massenpunktes
2rmJ = erhält man für den Drehimpuls Lr
schließlich die Bezie-hung
ω=rr
JL . (5.46) Der Drehimpuls L
r ist proportional zur Winkelgeschwindigkeit
rω
der Drehbewegung. Gl. 5.46 ist allgemein gültig und weist jedem mit rω rotierenden Körper einen Drehimpuls L
r zu.
5.6 Dynamisches Grundgesetz der Rotation
Der Drehimpuls Lr
kann sich unter bestimmten Bedingungen im Laufe der Zeit ändern. Für die zeitliche Änderung des Drehimpulses ergibt sich mit Hilfe der Produktregel der Differenzialrechnung
( ) prdt
dL
dt
d rrrrrrr
dt
dr+p
dt
d=pr ×××= . (5.47)
Da die Bahngeschwindigkeit vr
r
=dt
rd und der Impuls vm =p
rr
gleichgerichtet sind, fällt das erste Glied auf der rechten Seite weg.
Aufgrund des 2. Newtonschen Axioms ist Fpdt
d rr= . Daraus folgt
für die zeitliche Änderung des Drehimpulses
M=Fr=L dt
d rrrr× . (5.48)
Die zeitliche Änderung des Drehimpulses ist gleich dem Drehmoment M
r der äußeren Kraft F
r.
Das Drehmoment steht senkrecht zu r
r und F
rund verschwindet,
wenn rr
und Fr
auf einer Linie liegen. Wirken keine äußeren Mo-mente, dann ist 0M
rr= . Es gilt dann:
0Ldt
d rr= oder cL
rr= (konst.) (5.49)
Der Drehimpuls bleibt erhalten, wenn kein Drehmo-ment wirkt.
Diese Aussage wird als Satz von der Erhaltung des Drehimpulses bezeichnet. Beispiel: Gravitation als Zentralkraft
5.7 Rotationsenergie
87
Zentralkräfte sind Kräfte, die zum Ursprung eines Koordina-tensystems hin oder von ihm weg weisen. So ist die dem Radi-usvektor r
rentgegengesetzt gerichtete Gravitationskraft, mit der
ein Planet mit der Masse P
m von der Sonne mit der Masse S
m
angezogen wird, stets zur Sonne gerichtet. Wird der Ursprung des Koordinatensystems in die Sonne gelegt, so übt die Gravita-tionskraft auf die Planetenmasse kein Drehmoment aus. Der Bahndrehimpuls ist dann eine Konstante der Bewegung, d. h. er ändert sich nicht im Laufe der Zeit. Da der Drehimpuls direkt proportional zur Winkelgeschwindigkeit der Planetenbewegung um die Sonne ist, bleibt diese ebenfalls konstant. Wegen
T
2π=ω ist auch die Umlaufzeit T des Planeten konstant. Diese
Konstanz wird für die Festlegung des astronomischen Zeitnor-males ausgenutzt. So ist beispielsweise die Umlaufzeit der Erde um die Sonne und damit die Dauer eines Erdjahres konstant. Im Einzelnen gilt
r
r)/rm (m G- = F 2
SPG
rr
.
r/r
r ist dabei ein Einheitsvektor in Richtung des Ortsvektors r
r.
Wegen 0 =r rrrr
× folgt:
( ) 0=/rm m G-r=Fr =Ldt
d 2SPG
rr
rrrr
××
r
r.
Die gleiche Argumentation gilt auch für die elektrische Coulomb-kraft, die ebenfalls eine Zentralkraft darstellt. Durch die anziehende Coulombkraft werden die Hüllenelektronen auf Bahnen um den Atomkern gezwungen. Die Coulombkraft übt dabei kein Drehmo-ment auf die Elektronen aus. Die Elektronen bewegen sich daher mit zeitlich konstanten Drehimpulsen um den Atomkern.
5.7 Rotationsenergie
Im Folgenden soll die Rotation eines starren Körpers, z. B. eines Schwungrades betrachtet werden. Der starre Körper ist ein räumlich ausgedehnter idealisierter Modellkörper. Er kann als ein System von gegenseitig fixierten Massenpunkten mit einer Gesamtmasse m auf-gefasst werden. Die relativen Abstände der Massenpunkte unterei-nander sind unveränderbar oder starr. Auch unter Einwirkung von äußeren Kräften treten im starren Körper im Gegensatz zum elasti-schen Körper keine Deformationen auf. Der starre Körper stellt eine Abstraktion dar, die in der Natur nur näherungsweise gültig ist. Ab-solut starre Körper gibt es nicht. Die Gesamtmasse m eines starren Körpers kann in eine Summe von endlich vielen Massenelementen
im∆ zerlegt werden.
5 Drehbewegungen
88
∑ ∆=i
imm (5.50)
Eine Drehung eines starren Körpers um eine feste Achse liegt dann vor, wenn die Rotationsachse im Körper festliegt und außerhalb in einer Lagerung geführt wird. Der senkrechte Abstand eines beliebi-gen Massenelementes
im∆ von der Drehachse sei
ir und seine mo-
mentane Bahngeschwindigkeit i
vr
. Die kinetische Energie eines
solchen Elements bei Rotation um die Drehachse ist
2iiikin, v m
2
1=E ∆ . (5.51)
Bei Rotation um eine feste Drehachse werden alle Punkte des Kör-pers in der gleichen Zeit um den gleichen Winkel gedreht, d. h. alle Massenelemente
im∆ besitzen dieselbe Winkelgeschwindigkeit ω
r
(Abb. 42).
r i
∆mi
vi
Abb. 42: Rotation eines starren Stabes um eine Achse
Für den Betrag der Bahngeschwindigkeit i
v des Massenelementes
im∆ gilt
ω r = v ii . (5.52)
Damit folgt: 22iiikin, r m
2
1 = E ω∆ .
Die kinetische Gesamtenergie des rotierenden starren Körpers ist die Summe der kinetischen Energien aller seiner Massenelemente:
∑ ω∆i
22iikin
r m2
1=E (5.53)
5.7 Rotationsenergie
89
Bei der Rotation eines starren Körpers steht somit im Ausdruck für
die kinetische Energie die Summe ∑ ∆i
2ii
r m , die das Massenträg-
heitsmoment J darstellt. Die kinetische Energie eines rotierenden Körpers, die im Folgenden als Rotationsenergie
rotE bezeichnet wird, ergibt sich damit zu
2rotkin J
2
1 = E = E ω . (5.54)
In Tabelle 3 sind die korrespondierenden Größen, die die lineare Bewegung (Translationsbewegung) beziehungsweise die Kreisbewe-gung (Rotationsbewegung) beschreiben, zusammenfassend gegen-übergestellt worden.
Translation Einheit Rotation Einheit
Größe und Formelzeichen
Größe und Formelzeichen
Weg r rs,ds
m Winkel ϕ ϕ,d
r
rad = 1
Geschwindigkeit
dt
sd=v
rr
m/s Winkelgeschwindigkeit
dt
d=
ϕω
rr
rad/s = 1/s
Beschleunigung
dt
vd=a
rr
m/s2 Winkelbeschleunigung
dt
d=
ωα
rr
rad/s2 = 1/s2
Masse m
kg Massenträgheitsmoment
J = ∑ ∆i
2ii
rm
kg m2
Kraft
dt
pd=am=F
rrr
N Drehmoment
dt
Ld=J=M
rrrα
N m
Impuls vm=prr
kg m/s Drehimpuls
ωrr
J=L
kg m2/s
kinetische Energie
2kin
mv2
1=E
J kinetische Energie
2rot
J2
1=E ω
J
5 Drehbewegungen
90
Leistung
vF=dt
dW=P
rr⋅
W Leistung
ω⋅rr
M=dt
dW=P
W
Tab. 3: Gegenüberstellung der physikalischen Größen für Translati-ons- und Rotationsbewegung
5.8 Verfahrenstechnische Anwendung: Zentrifugen
In der Verfahrenstechnik werden Zentrifugen zur Trennung von Stoffgemischen eingesetzt. Zentrifugen bestehen aus schnell rotie-renden Hohlzylindern. Ihre Wirkungsweise basiert auf der Zentrifu-
galkraft F
Fr
, für die betragsmäßig gilt
r
vm = F
2
F. (5.55)
Die Zentrifugalkraft ist direkt proportional zur Masse der Teilchen. Wird beispielsweise ein Stoffgemisch aus zwei Komponenten mit den Teilchenmassen m1 und m2 (m1 > m2) in den Hohlzylinder einer Zentrifuge gegeben, so sammeln sich bei Rotation die schwereren Teilchen des Stoffgemisches mit der Masse m1 am äußeren Rand der Zylinderwand an (Abb. 43). Die leichteren Teilchen mit der geringe-ren Masse m2 bleiben in der Nähe der Rotationsachse zurück. Durch die Zentrifugalkraft wird das Stoffgemisch in räumlich voneinander getrennte Komponenten separiert. Der obere Teil der Abb. 43 zeigt die Verteilung des Stoffgemisches vor Beginn der Rotation, während im unteren Teil die Verteilung zu einem späteren Zeitpunkt nach dem Einsetzen der Rotation zu sehen ist.
5.9 Schleudern, Kippen und Rekuperation im Straßenverkehr
91
ω = 0
ω > 0
m ( ) > m ( )1 2
Abb. 43: Stofftrennung mit Hilfe einer Zentrifuge
Durch den Einsatz von Gaszentrifugen, die mit extrem hohen Dreh-zahlen von etwa 510 Umdrehungen pro Minute rotieren (dies ent-spricht Winkelgeschwindigkeiten von etwa 14 s10 −≈ω ), können sogar die verschieden schweren Atomarten eines Elementes vonei-nander getrennt werden. Dieses Gaszentrifugenverfahren wird zur Isotopentrennung bei der Herstellung von Kernbrennstoffen für Kernreaktoren ausgenutzt. Das natürlich vorkommende Element Uran besteht aus zwei Isotopen: U-238 mit einer Häufigkeit von 99,3 % und U-235 mit einer Vorkommenswahrscheinlichkeit von 0,7 %. Durch Isotopentrennung wird der Kernbrennstoff mit etwa 3 - 4% mit dem für thermische Neutronen leicht spaltbaren Isotop U-235 angereichert. Ultrazentrifugen können heute Drehzahlen in der Grö-ßenordnung von 16 min10 −≈n erreichen.
5.9 Schleudern, Kippen und Rekuperation im Straßenverkehr
Ausgangspunkt dieser Betrachtung soll zunächst die Untersuchung einiger einfacher Gleichgewichtszustände sein. Ein Körper befindet sich dann im Gleichgewicht, wenn die Summe aller an ihm angrei-
fenden Kräfte n1
F,...,Frr
und die Summe aller an ihm angreifenden
Drehmomente m1
M,...,Mrr
gleich Null ist. Die Kräfte werden dabei
5 Drehbewegungen
92
auf ein kartesisches Koordinatensystem bezogen, die Drehmomente auf eine ortsfeste Drehachse.
∑∑ ===m
1=jjx
n
1=ii
0 = M(M=M 0, = Frrrr
)M,M,)F,F,F(Fzyzyx
In Komponentenschreibweise erhält man für die verschwindende Gesamtkraft F
r:
∑∑∑ ===n
1=iiz
n
1=iiy
n
1=iix
0=FF , 0=FF , 0=Fzx y
F .
5.9.1 Schleudern
Ein Anwendungsbeispiel von Gleichgewichtsbedingungen stellt das Durchfahren einer Kurve mit einem Fahrzeug dar. Ist die Fahrge-schwindigkeit so groß, dass die Gleichgewichtsbedingungen nicht mehr erfüllt sind, kommt das Fahrzeug ins Schleudern. Dieser für die Verkehrssicherheit gefährliche Vorgang soll im Folgenden näher betrachtet werden. Das Schleudern kommt dadurch zustande, dass für ein Radpaar (eine Achse), auf dem das halbe Gewicht des Fahrzeugs ruhen möge, der Betrag der Haftreibungskraft
HRF nicht mehr ausreicht, um die Zent-
rifugalkraft F
F das Gleichgewicht zu halten. Da der Schwerpunkt
beispielsweise eines Pkws etwa in der Mitte zwischen den beiden Achsen liegt folgt für die Achslast, d.h. die Gewichtskraft, die auf eine Achse wirkt:
g2
mF
S=
Solange die Haftreibungskraft die Fliehkraft überwiegt tritt kein Schleudern auf. Mit wachsender Geschwindigkeit wird die Fliehkraft immer größer, sie überschreitet schließlich für
Svv > die Haftrei-
bungskraft und das Fahrzeug bricht gleitend aus der Kurve. Im Grenzfall
Svv = gilt für die beiden Kräfte betragsmäßig
HRFFF =
m
2
v
R = Fs
2
H Nµ .
Unter Annahme einer ebenen Fahrbahn gilt
g 2
m = F = F
sN
5.9 Schleudern, Kippen und Rekuperation im Straßenverkehr
93
g 2
m =
R
v
2
mH
2s µ .
Damit folgt für die Grenzgeschwindigkeit
Sv :
Rg vHs
µ= (5.56)
Beispiel:
Ein Fahrzeug durchfährt eine Kurve mit einem Krümmungsradi-us von R = 50 m. Bei welcher Geschwindigkeit kommt das Fahrzeug ins Schleudern?
Es sollen zwei verschiedene Situationen betrachtet werden:
a) Bei trockener Fahrbahn: 9,0H
=µ
b) Bei nasser Fahrbahn: 3,0
H=µ
Schleudern des Fahrzeugs tritt dann auf, wenn folgende Ge-schwindigkeiten überschritten werden:
a) Für trockene Fahrbahn: S
v = 21 m/s = 76 km/h
b) Für nasse Fahrbahn:
Sv = 12 m/s = 44 km/h
Für den Zusammenhang R = R(
Sv ), die sog. Kurven-
Grenzgeschwindigkeit gilt dann
2s
H
vg
1 = Rµ
. (5.57)
Die in Abb. 44 graphisch dargestellte Kurvenschar zeigt die Kurven-grenzgeschwindigkeiten für verschiedene Werte des Parameters
Hµ .
5 Drehbewegungen
94
0,2
0,4
0,6
0,81,0
Rm
v
(km/h)s0 25 50 75 100 125 150
µ =H
Abb. 44: Kurvengrenzgeschwindigkeiten für verschiedene Haftrei-bungskoeffizienten Hµ
Neben dem Luftwiderstand ist beim Kurvenfahren jedes Fahrzeug zwei wesentlichen Kräften ausgesetzt: Der Zentrifugalkraft
FF , die
im Schwerpunkt des Fahrzeugs angreift und der Haftreibungskraft
HRF , die an den Auflagepunkten der Reifen auf der Fahrbahndecke angreift. Die Haftreibungskräfte halten das Fahrzeug auf der Straße solange sie größer sind als die Zentrifugalkräfte, die es radial aus der Kurve tragen wollen. Für jede Kurve, charakterisiert durch ihren Krümmungsradius R existiert somit eine Grenzgeschwindigkeit vS. Soll eine Kurve mit doppelter Geschwindigkeit gefahrlos durchfah-ren werden, so muss der Krümmungsradius vervierfacht werden. Umgekehrt kann eine Kurve mit halben Krümmungsradius nur mit einem Viertel der ursprünglichen Geschwindigkeit sicher durchfah-ren werden. Für die Verkehrssicherheit verhängnisvoll wird es, wenn das Fahrzeug umkippt.
5.9.2 Kippen
Die für das Umkippen erforderliche Grenzgeschwindigkeit K
v , der
so genannte Kipp-Punkt, soll im Folgenden berechnet werden. Aus-gangspunkt der Berechnung ist dabei die Fragestellung: Wann be-rührt ein Fahrzeug mit der Masse m, das mit der Geschwindigkeit v durch eine horizontale Kurve mit dem Krümmungsradius R fährt, nur noch mit den beiden Außenrädern den Boden? Oder: Wann heben die Innenräder ab? Zur Erläuterung dieses Sachverhaltes dient Abb. 44. Das Zentrum des Krümmungskreises der Kurve soll sich auf der linken Seite der Abbildung befinden. Dem Zentrum zugewandt sind die Innenräder, ihm abgewandt sind die Außenräder. Die Verbin-dungslinie der Auflagepunkte der Außenräder auf der Straße stellt zugleich die Drehachse der Kippbewegung dar.
5.9 Schleudern, Kippen und Rekuperation im Straßenverkehr
95
Innenrad Außenrad
F FN1 N2
h r
s0
S
2 -π ϕs
s
ϕϕ
s
F
F
F
F
Abb. 45: Kräfte und Drehmomente beim Kurvenfahren
Es werden die folgenden abkürzenden Bezeichnungen eingeführt: h: Höhe des Schwerpunktes S über dem Schnittpunkt der Dia-
gonalen zwischen den 4 Berührungspunkten der 4 Räder mit der Straße
s: Spurweite des Wagens
N1,2F : Normalkräfte infolge der Gewichtskraft, die an den beiden
Rädern einer Achse wirken. In der Zeichnung sind die gleich großen aber entgegengesetzt gerichteten Reaktions-kräfte des Bodens dargestellt.
Für das Kräftegleichgewicht der Normalkräfte gilt in betragsmäßiger Schreibweise:
0 = F - F + FsN2N1
Da der Schwerpunkt etwa in der Mitte zwischen Vorder - und Hin-terachse liegt, folgt für die Achslast
sF :
F = m
2 gs
Beim Kippen heben die Innenräder von der Fahrbahn ab und das Fahrzeug dreht sich um eine durch die Auflagepunkte der äußeren Räder festgelegten Drehachse 0. Die Drehachse verläuft dabei senk-recht zur Zeichenebene. Wird die Verbindungslinie der Auflage-
5 Drehbewegungen
96
punkte der äußeren Räder als Drehachse betrachtet, so kann die Be-dingung des Gleichgewichtes der Drehmomente formuliert werden:
0 = Mi
i∑r
Unter dem Einfluss der vier einwirkenden Kräfte
N2N1FsF und F ,F ,Frrrr
ergeben sich bezogen auf die oben definierte
Drehachse vier Drehmomente, die jeweils in vektorieller und skala-rer Schreibweise angegeben sind:
sF
0
2
sFsinrF
hFsinrF
1N1N
2N
ssss
FFF
=
×
=
×
−=ϕ=
×
=ϕ=
×
M
Fr = M
M
Fr =M
M
Fr = M
M
Fr = M
N1N1
N2N2
ss
F
FF
rrr
rrr
rrr
rrr
Das Drehmoment
2NM ist Null, da der zugehörige Hebelarm r im
Drehpunkt Null ist. Es gelten dabei die folgenden trigonometrischen Beziehungen:
r
h = sin
Fϕ
πϕϕ 2 = ' +
ss
Sϕ′ϕπϕ -sin=)'-(2 sin = sin
ss
r
s/2- = ' sin -
sϕ .
Aus dem Gleichgewicht der Drehmomente
0MMMM2N1NSF
rrrrr=+++ folgt:
0 = sF+ 2
s F - hF
N1sF
Mit der Zentrifugalkraft pro Achse
5.9 Schleudern, Kippen und Rekuperation im Straßenverkehr
97
R
v
2
m = F
2
F
folgt für den Betrag der Normalkräfte:
s
h
R 2
v m - g
4
m = F
2
N1
s
h
R 2
v m + g
4
m = F
2
N2
Für den Grenzfall des Kippens, bei dem die Innenräder gerade von der Fahrbahn abheben, muss 0F
1N= sein. Dies geschieht bei der
kritischen Geschwindigkeit K
v :
h 2
s R g = v
K. (5.58)
Mit R g = vHs
µ und h 2
R s g = v
K folgt
sH
sKv k =
h 2
s v = v
µ (5.59)
H h 2
s = k
µ.
Ist der Koeffizient k < 1, so gilt
SKvv < , d. h. die Grenzgeschwin-
digkeit für Kippen liegt unterhalb der Grenzgeschwindigkeit für Schleudern. Dieser Sachverhalt spielt bei Lkws eine wichtige Rolle. Sie können ohne zu schleudern umkippen, wenn eine Kurve mit zu hoher Geschwindigkeit durchfahren wird. Durch konstruktive Maß-nahmen wie größere Spurweite und niedrigere Schwerpunktslage kann die Kippstabilität insbesondere von Tanklastzügen und Gefahr-guttransportern vergrößert werden. Bei Lkws hat natürlich auch die Art des Ladegutes im Hinblick auf Form und Masse einen Einfluss auf die Höhe h des Schwerpunktes. Mit zunehmenden h nimmt die Grenzgeschwindigkeit
Kv ab.
5.9.3 Rekuperation
Unter Rekuperation (lat. recuperare: wiedererlangen oder wieder-gewinnen) versteht man ein technisches Verfahren zur Energierück-führung, dass beispielsweise bei Pkw-Antrieben eingesetzt wird. Beim Bremsen wird Bewegungsenergie in Wärmeenergie umgewan-
5 Drehbewegungen
98
delt. Dabei werden die Bremsscheiben heiß. Die entstehende Rei-bungswärme wird dann ungenutzt an die Umgebung abgegeben. Eine rekuperative Bremse ermöglicht während Schub- und Bremsphasen eines PKWs eine Bremsenergie-Rückgewinnung. Diese Energiespei-cherung kann in Schwungradspeichern mechanisch erfolgen. Über einen Generator (Lichtmaschine) wird die mechanische Energie in elektrische Energie umgewandelt und in einer Batterie gespeichert.
6.1 Testfragen
99
6 Wiederholungstest
Die nachfolgend aufgeführten Testfragen haben eine oder mehrere richtige Lösungen. Von den vorgegebenen Antwortalternativen sind jeweils die Buchstaben der richtigen Lösungen anzugeben.
6.1 Testfragen
Aufgabe 1 In dem dargestellten Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm sind 4 ver-schiedene Kurven skizziert. Markieren Sie die richtigen Aussagen!
v
t0
a
a
a
a
v (t)
v (t)
v (t)
v (t)
0
1
22
33
4
4
1
v
(A) Alle vier Kurven stellen ungleichmäßig beschleunigte Bewegungen dar. (B) Alle vier Kurven stellen gleichförmige Bewegungen dar. (C) Die drei Kurven mit 1a , 2a und 3a stellen gleichmäßig be-
schleunigte Bewegungen dar. (D) Die Beschleunigung 3a ist identisch Null ( 0a3 = ).
(E) )t(v 4 ist die Bewegung mit der größten Beschleunigung 4a .
(F) )t(v1 ist die Bewegung mit der kleinsten Beschleunigung 1a .
Aufgabe 2
Die Geschwindigkeit von v = 72 km/h ist gleich
(A) 2,5 m/s (B) 25 m/s (C) 15 m/s (D) 150 m/s (E) 20 m/s
6 Wiederholungstest
100
Aufgabe 3 Durch welche der graphischen Darstellungen (A) bis (D) wird die Weg-Zeit-Funktion vts)t(s 0 += einer gleichförmigen Bewegung
richtig skizziert?
t
tt
t
s
s s
s
0
00
0
(A) (B)
(C) (D)
Aufgabe 4 Eine gleichförmig beschleunigte Bewegung (A) ist im Weg-Zeit-Diagramm ein linearer Graph (B) führt ein Körper aus, wenn keine Kraft auf ihn einwirkt (C) ist durch eine gleichförmig zunehmende Beschleunigung zu er-
reichen (D) ist im Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm ein linearer Graph (E) ist durch eine konstante Geschwindigkeit gekennzeichnet Aufgabe 5 Eine gleichförmige Kreisbewegung ( v
r = konst.) einer Punktmasse
ist eine (A) gleichmäßig beschleunigte Bewegung (B) nicht beschleunigte Bewegung (C) ungleichmäßig beschleunigte Bewegung (D) eine Bewegung mit konstantem Beschleunigungsbetrag
Aufgabe 6 Ein Stein mit der Masse m falle infolge seiner Gewichtskraft im freien Fall nach unten. Wo greift dabei die nach dem 3. Newtonschen Axiom (actio = reactio) zugehörige Gegenkraft an? (A) an der Masse m des fallenden Steins (B) an der Erdmasse
EM
(C) an der Sonnenmasse S
M
6.1 Testfragen
101
Aufgabe 7 Für welche Kräfte ist der Begriff der potentiellen Energie einführ-bar? (A) für alle Kräfte (B) nur für dissipative Kräfte (C) nur für konservative Kräfte Aufgabe 8
Durchfährt ein Fahrzeug eine Kurve, so treten Zentrifugalkräfte auf. Das Fahrzeug kommt dabei ins Schleudern, wenn betragsmäßig die (A) Zentrifugalkraft die Rollreibungskraft überschreitet (B) Haftreibungskraft die Zentrifugalkraft überschreitet (C) Zentrifugalkraft die Gleitreibungskraft überschreitet (D) Haftreibungskraft die Zentrifugalkraft unterschreitet Aufgabe 9 Die Haftreibungskraft besitzt folgende Eigenschaften: (1) sie beschreibt die Reibung zwischen festen Körpern (2) sie ist der Geschwindigkeit des Körpers proportional (3) sie ist unabhängig von der Geschwindigkeit des Körpers (4) sie ist der Masse des Körpers proportional (5) sie ist dem Quadrat der Körper-Geschwindigkeit proportional (6) sie ist umgekehrt proportional zum Haftreibungskoeffizienten (A) nur (1), (2) und (6) sind richtig (B) nur (1), (2) und (4) sind richtig (C) nur (1), (3) und (4) sind richtig (D) nur (1), (3) und (6) sind richtig Aufgabe 10 Welche der angegebenen Einheiten entspricht dem Quotienten aus Joule und Sekunde? (A) Newton (B) Pascal (C) Becquerel (D) Watt (E) Kelvin
6 Wiederholungstest
102
6.2 Lösungen der Testfragen
Aufgabe 1 C, D Aufgabe 2 E
Aufgabe 3 B
Aufgabe 4 D
Aufgabe 5 C, D
Aufgabe 6 B
Aufgabe 7 C
Aufgabe 8 D
Aufgabe 9 C
Aufgabe 10 D
6.2 Lösungen der Testfragen
103
7 Zusammenfassung
Die Durchschnittsgeschwindigkeit v eines Körpers während einer Zeitdauer t∆ ist der Quotient aus der zurückgelegten Wegdifferenz
s∆ und der dazu benötigten Zeitdauer t∆ .
t
sv
∆∆
=
Für die Momentangeschwindigkeit v(t) zum Zeitpunkt t gilt:
)t(sdt
ds
t
slim)t(v
0t&==
∆∆
=→∆
Die Durchschnittsbeschleunigung a während einer Zeitdauer t∆ ist der Quotient aus der Geschwindigkeitsänderung v∆ und der Zeit-dauer t∆ , in der die Geschwindigkeitsänderung erfolgt:
t
va
∆∆
=
Für die Momentanbeschleunigung a(t) gilt:
)t(s)t(vdt
dv
t
vlim)t(a
0t&&& ===
∆∆
=→∆
Eine Bewegung mit konstanter Geschwindigkeit heißt gleichförmig. Erfolgt die Bewegung mit konstanter Beschleunigung (a > 0), so heißt sie gleichmäßig beschleunigt. Für eine solche Bewegung lauten die Geschwindigkeits-Zeit-Funktion v(t) und die Weg-Zeit-Funktion s(t):
atv)t(v0
±=
200
at2
1tvs)t(s ±+=
Das untere (negative) Vorzeichen gilt bei konstanter Verzögerung infolge Abbremsung. Befindet sich ein gleichmäßig beschleunigter Körper zum Zeitpunkt
1t mit der Geschwindigkeit )t(vv
11= an der
Wegposition )t(ss11
= und zum späteren Zeitpunkt 2
t mit der Ge-
schwindigkeit )t(vv22
= an der Wegposition )t(ss22
= , so gelten
die Beziehungen:
)tt(avv1212
−±=
21212112)tt(a
2
1)tt(vsss −±−=−=∆
)tt)(vv(2
1s
1221−+=∆
7 Zusammenfassung
104
)vv(a2
1s 2
122
−=∆
Nach dem 2. Newtonschen Axiom erfährt ein frei beweglicher Kör-per mit der Masse m eine Beschleunigung a, wenn eine Kraft vom Betrag F auf ihn einwirkt.
maF = Zwei Massen m und M, die einen Abstand r voneinander besitzen, unterliegen der anziehenden Wirkung der Newtonschen Gravitati-onskraft vom Betrag
GF :
2G r
mMGF =
Die Newtonsche Gravitationskraft )r(FF
G= ist eine Zentralkraft.
Auf der Erdoberfläche ist E
Rr ≈ und die Newtonsche Gravitations-
kraft der Erde auf eine Masse m kann dann durch die konstante Schwerkraft mgF
S= ersetzt werden.
Zwischen zwei Festkörperoberflächen existieren Reibungskräfte, die proportional zur Normalkraft (Auflagekraft)
NF sind:
NHHRFF µ= (Haftreibung)
NGGRFF µ= (Gleitreibung)
NRRRFF µ= (Rollreibung)
Für die Arbeit W∆ , die eine ortsunabhängige (konstante) Kraft F
r
bei Verschiebung eines Körpers längs eines geraden Wegstückes sr
∆ verrichtet, gilt:
α∆=∆⋅=∆ cossFsFWrr
α ist der Winkel zwischen Fr
und sr
∆ . Für eine ortsabhängige Kraft vom Betrag F(r) ergibt sich die Arbeit längs eines geraden Weges von
Ar nach
Er durch Auswertung des bestimmten Integrals
∫=E
A
r
r
dr)r(FW .
Die Hubarbeit, die beim senkrechten Anheben eines Körpers der Masse m auf die Höhe h gegen die Schwerkraft mgF
S= verrichtet
wird, wird als potentielle Energie pot
E von dem Körper gespeichert.
6.2 Lösungen der Testfragen
105
mghEpot
=
Die an einem frei beweglichen, ruhenden Körper mit der Masse m, durch eine Kraft F verrichtete Beschleunigungsarbeit, wird in Form von kinetischer Energie
kinE von dem sich mit der Geschwindigkeit
v bewegenden Körper gespeichert.
2kin
mv2
1E =
Gravitationskraft und Schwerkraft sind konservative Kräfte. Für sie gilt die Erhaltung der mechanischen Gesamtenergie, der so genannte Energieerhaltungssatz:
konstEEpotkin
=+ .
Reibungskräfte sind nichtkonservative Kräfte: Sie sind dissipativ. Die Arbeit
RW gegen dissipative Kräfte führt zu einer Erwärmung
des bewegten Körpers, die mit einer Änderung (Abnahme) seiner mechanischen Gesamtenergie verbunden ist.
R2pot2kin1pot1kinW)t(E)t(E)t(E)t(E −+=+
Wirken auf einen Körper der Masse m keine äußeren Kräfte, so ist sein Impuls vmp
rr= eine Erhaltungsgröße. Für ein System aus zwei
Körpern, auf die keine äußeren Kräfte einwirken, lautet der Impul-
serhaltungssatz für beliebige Zeiten 1
t und 2
t :
konst)t(p)t(p)t(p)t(pp
22211211=+=+=
rrrrr.
Eine äußere Kraft F
r führt nach dem 2. Newtonschen Axiom zu einer
Impulsänderung:
dt
rr
=
Eine durch den Ortsvektor r
r charakterisierte Punktmasse m mit dem
Impuls vmprr
= besitzt einen Drehimpuls Lr
:
prLrrr
×= Ein sich auf einer Kreisbahn vom Radius r mit konstanter Winkelge-
schwindigkeit t∆ϕ∆
=ω bewegender Massenpunkt besitzt die Bahn-
geschwindigkeit ω= rv . Für eine um eine feste Achse durch den Koordinatenursprung dreh-bare Masse m, die sich an der Ortsposition r
r befindet, gilt: Eine
7 Zusammenfassung
106
an der Masse angreifende Kraft Fr
verursacht ein Drehmoment
FrMrrr
×= . Das Drehmoment ist von der Wahl der Lage des Ursprungs des Ko-ordinatensystems abhängig und besitzt den Betrag ϕ= sinrFM . Das Drehmoment bewirkt eine zeitliche Änderung des Drehimpulses.
α==r
rr
Jdt
LdM
J ist das Massenträgheitsmoment und α
r die Winkelbeschleunigung
des Körpers. Für das Massenträgheitsmoment J einer Punktmasse m, die sich auf einer Kreisbahn vom Radius r bewegt, gilt:
2mrJ = Der Massenpunkt besitzt dann einen Drehimpuls mit dem Betrag
ω= JL . Für das Trägheitsmoment eines ausgedehnten Körpers mit der Masse m und der homogenen Dichte ρ erhält man
∫∫ ρ==V
2
m
2 dVrdmrJ .
Für die Rotationsenergie
rotE des Körpers folgt dann:
2rot
J2
1E ω=
Bei Rotation um eine Achse A, die sich im Abstand a von der paral-lelen Achse S durch den Schwerpunkt befindet, wird das Massen-trägheitsmoment
AJ mithilfe des Satzes von Steiner berechnet:
2
SAmaJJ +=
8.1 Übungsaufgaben
107
8 Übungen
8.1 Übungsaufgaben
Aufgabe 1 (E) Ein ICE-Zug soll beim Bremsvorgang auf gerader, ebener Strecke
mit 2s/m5,0a = gleichmäßig verzögern. Welche Höchstgeschwin-
digkeit maxv darf der Zug haben, damit der Bremsweg von
m2500sB = nicht überschritten wird?
Aufgabe 2 (E)
Welche Reibungsarbeit R
W muss aufgewendet werden, um eine
Kiste mit der Masse m = 20 kg auf einer horizontalen Unterlage bei einem Gleitreibungskoeffizienten von 6,0
G=µ um s = 10 m zu
verschieben?
Aufgabe 3 (S) Zwei Pkw 1 und 2 befahren mit den Geschwindigkeiten v1 = 50 km/h und v2 = 60 km/h in gleicher Richtung eine gerade, ebene und trockene Straße. Zu dem Zeitpunkt, an dem der erste Pkw aufgrund abgefahrener Reifen mit der konstanten Verzögerung a1 = 6 m/s2 zu bremsen beginnt, beträgt ihr lichter Abstand m15lA = . Der
zweite Pkw beginnt mit dem Bremsvorgang wegen der sog. Schreck-sekunde eine halbe Sekunde später. Seine konstante Verzögerung beträgt a2 = 5 m/s2.
lA2 1
v v2 1
a) Untersuchen Sie, ob es bei diesem Bremsmanöver zu einem Zu-sammenstoß kommt! b) Berechnen Sie im Falle einer Kollision den Zeitpunkt
St und die
Ortsposition )t(sS
des Zusammenstosses und geben Sie an, wie groß
ist in diesem Augenblick ihre Geschwindigkeit gegeneinander ist! Hinweis: Der Zeitnullpunkt ( 0t
0= ) wird durch den Beginn des
Bremsvorganges von Pkw 1 definiert.
8 Übungen
108
Aufgabe 4 (E)
a) Berechnen Sie die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche am Äquator infolge der Erdrotation. Der Erdradius sei
m1037,6R 6E ⋅= .
b) Berechnen Sie die Bahngeschwindigkeit der Erdoberfläche
in Hamburg mit der im Gradmaß angegebenen geographi-schen (nördlichen) Breite '3053°=ϕ N.
Aufgabe 5 (M) Zwei Zylinder
VZ und
HZ mit identischen Abmessungen (Radius
R, Länge L) und identischer Masse HV
mm = rollen gleichzeitig
aus der Ruhelage und der Anfangshöhe h quasi reibungsfrei auf einer Rampe mit gegebenem Neigungswinkel ϕ herunter. Zylinder
VZ ist
ein Vollzylinder aus Holz mit homogener Dichte. Zylinder H
Z ist
ein dünnwandiger Hohlzylinder ohne Deckelflächen, dessen Mantel-fläche aus Stahlblech gefertigt ist. Begründen Sie qualitativ, welcher Zylinder am schnellsten die schiefe Ebene herabrollt. Aufgabe 6 (M) Ein gleichmäßig beschleunigter Körper (a = konst.) habe zum Zeit-punkt 1t die Geschwindigkeit 1v und zum späteren Zeitpunkt 2t
die Geschwindigkeit 2v . Zeigen Sie, dass für die mittlere Ge-
schwindigkeit v einer gleichmäßig beschleunigten Bewegung gilt:
)vv(2
1v 21 +=
Aufgabe 7 (M) Auf einer abschüssigen Straße mit dem Neigungswinkel °=ϕ 4 er-
eignet sich ein Auffahrunfall. Ein Pkw mit der Masse t0,2m1
=
fährt zunächst ungebremst auf einen stehenden Pkw mit der Masse t5,1m
2= auf. Nach dem Aufprall rutscht der gestoßene Pkw ge-
bremst m8s2,B
= weit. Der auffahrende Pkw hat eine unmittelbar
nach dem Aufprall einsetzende Bremsspur der Länge m6s1,B
= . Der
Gleitreibungskoeffizient sei konstant mit 8,0G
=µ und beide
Bremsvorgänge erfolgen gleichmäßig verzögert. Berechnen Sie die Auffahrgeschwindigkeit
1v unmittelbar vor dem Zusammenstoß.
Hinweis: Der Stoß erfolge zentral.
8.2 Lösungen der Übungsaufgaben
109
8.2 Lösungen der Übungsaufgaben
Lösung der Aufgabe 1
Das Weg-Zeit-Gesetz für eine gleichmäßig verzögerte Bewegung lautet:
20 at
2
1tv)t(s −=
Dabei sind: Bss = und max0 vv =
Das Geschwindigkeits-Zeit-Gesetz für diese Bewegung lautet:
atv)t(v 0 −=
Für die Dauer des Bremsvorganges Bt folgt: Bmax atv0 −=
a
vt maxB =
Nach Einsetzen in 20 at
2
1tv)t(s −= folgt:
2
2maxmax
maxBa
va
2
1
a
vvs −=
Auflösung nach maxv :
as2v Bmax =
h/km180s/m50vmax ==
Lösung der Aufgabe 2:
sFWGRR
=
mgFF
GNGGRµ=µ=
J2,1177mgsW GR =µ=
Lösung der Aufgabe 3:
lA
2 1v2(t )0
ss=0 L
8 Übungen
110
Für die Geschwindigkeiten der Pkw 1 und 2 gilt: v v t1 0 1 0, ( )= und v v t2 0 2 0, ( )=
Abbremsung Pkw 1:
Zum Anfangszeitpunkt (t0 = 0) setzt der Bremsvorgang von Pkw 1 ein. Der Bremsvorgang geschieht mit konstanter Verzögerung. v t v a t1 1 0 1( ) ,= −
Für den Bremsweg von Pkw 1 mit m15lA = Vorsprung
(s(t0 = 0) = 15 m) folgt: v t B1 1 0( ), =
Daraus folgt für die Abbremszeit tB,1 folgt:
tv
aB,
,
1
1 0
1
=
s315,2t 1,B =
Für den Bremsweg von Pkw 1 folgt:
∫∫ −+=+=1,B1,B t
0
10,1
t
0
101,B1 dt)tav(m10dt)t(v)t(s)t(s
m07,31ta2
1tvm15)t(s 2
1,B11,B0,11,B1 =−+=
Abbremsung Pkw 2:
Der Bremsvorgang von Pkw 2 beginnt bezogen auf den durch Pkw 1 definierten Anfangszeitpunkt t0 = 0 um 0,5 s später.
)s5,0t(av)t(v 20,22 −⋅−=
v t B2 2 0( ), =
Daraus folgt für die Abbremszeit tB,2:
*2,B
2
22,B ts5,0
a
vs5,0t +=+=
s83,3t 2,B =
8.2 Lösungen der Übungsaufgaben
111
∫∫ −+⋅=+⋅=
*2,B
*2,B t
0
20,20,2
t
0
20,22,B2 dt)tav(s5,0vdt)t(vs5,0v)t(s
m11,36ta2
1tvs5,0v)t(s 2*
2,B2*
2,B0,20,22,B2 =−+⋅=
Auffahrzusammenstoß zum Zeitpunkt St an der Stelle
)t(s)t(s S2S1 = :
210,1
t
0
101 ta2
1tvm15dt)t(v)t(s)t(s −+=+= ∫
220,2
t
0
22 )s5,0t(a2
1tvdt)t(v)t(s −−== ∫
Aus )t(s)t(s S2S1 = folgt:
2s2s0,2
2s1S0,1 )s5,0t(a
2
1tvta
2
1tvm15 −−=−+
Mit den Daten der Übungsaufgabe folgt für den Zeitpunkt St des
Auffahrunfalls die Gleichung:
0s25,31ts554,10t 2s
2s =−⋅+
Diese quadratische Gleichung hat nur für 0tS > eine physikalisch
sinnvolle Lösung:
St = 2,41 s
)t(s)t(s S2S1 = = 31,07 m.
Dieser Wert stimmt mit der Länge des Bremsweges von Pkw 1 über-ein, d. h. Pkw 2 fährt auf den bereits stehenden Pkw 1 auf. Conclusio:
Der Zusammenstoß findet nach 2,41 s an der Stelle )t(s S = 31,07 m statt.
Für die Relativgeschwindigkeit ∆v zum Zeitpunkt des Auffahrunfalls gilt:
)t(v)t(vv S1S2 −=∆
tav)t(v 10,11 −= für 1,Btt ≤ und 0)t(v1 = für 1,Btt >
8 Übungen
112
s41,2tS = > s315,2t 1,B =
0)t(v S1 =
s/m12,7)s5,0t(av)t(v s20,2s2 =−⋅−=
h/km63,25s/m12,7vvv 12 ==−=∆ .
Lösung der Aufgabe 4:
a) Die Erde vollführt eine gleichförmige Kreisbewegung mit der äquatorialen Bahngeschwindigkeit v.
ω=ω=E
Rrv
m1037,6R 6E ⋅=
ω ist die Winkelgeschwindigkeit der Erdrotation.
15 s1027,7s360024
2
T
2 −−⋅=⋅
π=
π=ω
s/m463v =
b) ω⋅ϕ=ω= cosRrv E
r entspricht dem senkrechten Abstand von der Erdachse. Hamburg bewegt sich auf einer Kreisbahn mit dem Radius ϕ= cosRr E um
die Erdachse. Für Hamburg (HA) gilt: '3053°=ϕ N
s/mv 275=
ϕ
HA
N
0°
8.2 Lösungen der Übungsaufgaben
113
Lösung der Aufgabe 5:
ϕ
ϕ
r
Bh
F =mgs
l
B ist die Berührlinie des Zylinders mit der schiefen Ebene. Sie stellt die momentane Drehachse der Rotationsbewegung dar. Das Koordi-natensystem zur Beschreibung der Drehbewegung wird so gewählt, dass sein Ursprung 0 auf der Drehachse B liegt. Es gilt dann:
SFxrMrrr
=
Gemäß dem Grundgesetz der Rotationsbewegung gilt für die Win-kelbeschleunigung α
r:
BJ
Mr
r=α
BJ ist das Massenträgheitsmoment bezüglich Rotation um die Achse
B, die parallel zur Achse S durch den Schwerpunkt verläuft. Die Achse S stellt zugleich die Symmetrieachse des Zylinders dar. Ein Körper mit großem Massenträgheitsmoment
BJ wird demnach
durch ein gegebenes Drehmoment Mr
wesentlich weniger beschleu-nigt als ein Körper gleicher Masse m und gleichen geometrischen Abmessungen aber aufgrund unterschiedlicher Massenverteilung kleinerem Massenträgheitsmoment. Für die Massenträgheitsmomen-te gilt nach Anwendung des Steinerschen Satzes:
2S
2SB
mRJmaJJ +=+=
Mit 2V,S
mR2
1J = und 2
H,SmRJ = folgt:
222V,B
mR2
3mRmR
2
1J =+=
und
222H,B
mR2mRmRJ =+= .
8 Übungen
114
Mit dem Grundgesetz der Rotationsbewegung folgt:
HV 3
4α=α
Nach Ablauf eines Zeitintervalls t∆ gilt für die beiden Winkelge-schwindigkeiten
HHVV 3
4t
3
4t ω=∆α=∆α=ω
Der Vollzylinder wird schneller beschleunigt, bewegt sich daher schneller und erreicht vor dem Hohlzylinder den Auslauf der schie-fen Ebene. Lösung der Aufgabe 6:
Für eine gleichförmig beschleunigte Bewegung gilt:
atv)t(v 0 +=
200 at
2
1tvs)t(s ++=
Speziell ist: 101 atvv += und 202 atvv +=
Definitionsgemäß gilt: t
sv
∆∆
=
12
12
12
12
tt
ss
tt
)t(s)t(sv
−−
=−−
=
Einsetzen der Weg-Zeit-Funktionen s(t) liefert:
)tt(a2
1vv 120 ++=
2010210 at2
1v
2
1at
2
1v
2
1at
2
1at
2
1vv +++=++=
212010 v2
1v
2
1)atv(
2
1)atv(
2
1v +=+++=
)vv(2
1v 21 +=
Spezialfälle:
8.2 Lösungen der Übungsaufgaben
115
a) 01 vv = und vv2 =
)vv(2
1v 0 +=
b) 01 vv = und 0v2 =
0v2
1v =
In allen Fällen gilt für die im Zeitintervall t∆ zurückgelegte Weg-strecke tvs ∆=∆ . Lösung der Aufgabe 7: Die Geschwindigkeiten
1u und
2u unmittelbar nach dem Aufprall
werden aus den Bremsspurlängen 1,B
s und 2,B
s berechnet. Die ef-
fektive Bremskraft BB
maF = ergibt sich aus der Differenz aus
Gleitreibungskraft GR
F und Hangabtriebskraft T
F :
TGRBFFF −=
ϕ−ϕµ= sinmgcosmgma
GB
2
GBs/m145,7)sincos(ga =ϕ−ϕµ=
Für die Bremsweglänge gilt: B
2
B a
u
2
1s =
s/m3,9as2uB1,B1
==
s/m7,10as2uB2,B2
==
Der Impulserhaltungssatz liefert:
221111umumvm +=
Da sich beide Pkw auf einer Geraden in die gleiche Richtung bewe-gen, kann der Impulssatz in skalarer Form verwendet werden. Für die Auffahrgeschwindigkeit
1v folgt:
h/km3,62s/m3,17m
umumv
1
22111
==+
=
A1 Griechisches Alphabet
116
A1 Griechisches Alphabet
Α α Alpha Ν ν Ny
Β β Beta Ξ ξ Xi
Γ γ Gamma Ο ο Omikron
∆ δ Delta Π π Pi
Ε ε Epsilon Ρ ρ Rho
Ζ ζ Zeta Σ σ Sigma
Η η Eta Τ τ Tau
Θ ϑ Theta Υ υ Ypsilon
Ι ι Jota Φ ϕ Phi
Κ κ Kappa Χ χ Chi
Λ λ Lambda Ψ ψ Psi
Μ µ My Ω ω Omega
A2 Formelzeichen
117
A2 Formelzeichen
Symbol Benennung Einheit
α Winkelbeschleunigung rad/s2
µ H Haftreibungszahl 1
µG Gleitreibungszahl 1
µ R Rollreibungszahl 1
ϕ Winkel rad; Grad
ω Winkelgeschwindigkeit rad/s ω Kreisfrequenz rad/s
a Beschleunigung m/s2
E Energie J
Ekin kinetische Energie J
Epot potentielle Energie J
Erot Rotationsenergie J
f Frequenz 1/s = Hz
F Kraft N
FF Fliehkraft N
GRF Gleitreibungskraft N
HRF Haftreibungskraft N
FN Normalkraft N
FR Reibungskraft N
RRF Rollreibungskraft N
TF Tangentialkraft N
FZ Zentripetalkraft N
g Erdbeschleunigung m/s2
G Gravitationskonstante Nm2kg-2
h Höhe m
J Massenträgheitsmoment kgm2
L Drehimpuls kgm2/s
m Masse kg
M Drehmoment Nm
p Impuls kgm/s
P Leistung W
q elektrische Ladung As
r Abstand, Radius m
s, sB Weg, Bremsweg m
t Zeit s
T Umlaufzeit s
v Geschwindigkeit m/s
W Arbeit J
A3 Literaturauswahl
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A3 Literaturauswahl
Kuchling, H.: Taschenbuch der Physik, Hanser, München Lindner, H.: Physik für Ingenieure, Vieweg, Braunschweig Lindner, H.: Physikalische Aufgaben Hanser, München Pitka, R. et al. : Physik – Der Grundkurs Harri Deutsch, Frankfurt Roth, S. u. Stahl, A.: Mechanik und Wärmelehre, Springer Spektrum, Berlin Heidelberg Aufgrund fortlaufender Aktualisierung seitens der Verlage, wurde auf die Nennung der jeweils gültigen Auflage sowie auf das Erschei-nungsjahr verzichtet.