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GRUNDLAGEN DER SENSORIK von Annette Bongartz und Martin Popp / Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Insti- tut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI), Forschungsgruppe Lebensmittel-Sensorik Sensorische Evaluation Methoden der sensorischen Evaluation machen es möglich, charakteristische Eigenschaften von Lebensmitteln, so auch von Brot, zu beschreiben und /  oder aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten. Dafür stehen einerseits sensorisch-analytische Prüfverfahren zur Verfügung, welche geeignet sind, Produkte objektiv zu prüfen, (d. h. entweder auf Abweichungen von Standards und auf Unterschiede zu überprüfen (diskriminierend) oder aber relevante Eigenschaften (Attribute) der Produkte im Hinblick auf ihre Intensität zu messen und zu beschreiben (deskriptiv). Dabei werden gezielt trainierte Prüfper- sonen / Panels eingesetzt. Andererseits existieren auch sogenannte hedoni- sche Prüfverfahren, welche die subjektive Einschät- zung der Produkte durch Laien resp. Konsumenten, (d. h. untrainierte Prüfpersonen, im Fokus haben. Hierbei wird die Beliebtheit (Akzeptanz, Präferenz) von Produkten erfasst (quantitativ), ebenso wie gene- relle Konsumgewohnheiten, Erwartungshaltungen etc. (qualitativ). Für die Durchführung solcher sensorischer Evalua- tionen müssen verschiedene Annahmen getroffen und geeignete Rahmenbedingungen eingehalten werden, welche in vorliegendem Kapitel, neben den verschiedenen Methoden selbst, genauer beschrieben werden. Prüfmittel Mensch Für die Erfassung sensorischer Eigenschaften von Lebensmitteln gibt es neben dem »Prüfmittel Mensch» auch verschiedene Arten von instrumen- tellen Prüfmitteln. Diese haben den Vorteil unabhän- gig von der Verfügbarkeit von Prüfpersonen / Panels sowie der »Tagesform» derselben, also ganz spontan und ohne zu ermüden, eingesetzt werden zu können. Zum Beispiel können optische und/oder farbliche Eigenschaften durch entsprechend empfindliche Kameras und Farbmess-Systeme (L*a*b*) erfasst werden. Daneben existiert die Möglichkeit, flüchtige Substanzen aus Lebensmitteln, welche für das Aroma derselben verantwortlich sind, mittels verschiede- ner gaschromatografischer Verfahren (z. B. GC oder GC-MS) zu analysieren und textuelle Eigenschaften – welche ganz speziell wichtig für die Charakterisie- rung von Brot sind – können mittels physikalischer Messverfahren (Volumenmessung, Texture Analyzer, Penetrometer etc. …) erfasst werden. Am Ende liefern solche instrumentellen Prüfmit- tel (physikalische und chemisch-analytische Mess- verfahren) alle einzeln betrachtet sehr wichtige Informationen über die sensorischen Eigenschaften von Lebensmitteln, bleiben aber eindimensional. Die Komplexität von Lebensmitteln kann nicht auf diesem Wege umfassend wiedergeben werden. Inso- fern bleibt für eine detaillierte Beschreibung und Bewertung der komplexen sensorischen Eigenschaf- ten von Lebensmitteln der Einsatz des »Prüfmittels Mensch» und seiner Fähigkeiten, diese sensorischen Eigenschaften einerseits parallel und andererseits auch in der zeitlichen Abfolge während des Verzehrs des Lebensmittels sensorisch wahrzunehmen, unerlässlich. Der Gesamtsinneseindruck (Abbildung 1), welcher sich beim Prüfen resp. dem Verzehr eines Lebensmit- tels ergibt, setzt sich aus den einzelnen Sinneswahr- nehmungen, aufgenommen über das Auge (sehen), die Nase (riechen), den Mund (schmecken, Mund- gefühl), das »Getast» resp. die Haut (fühlen) und das Ohr (hören) zusammen. © DIE SPRACHE DES BROTES, MATTHAES VERLAG GMBH » Abbildung 1: Gesamtsinneseindruck (Schema) 1

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK

von Annette Bongartz und Martin Popp / Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Insti-tut für Lebensmittel- und Getränkeinnovation (ILGI), Forschungsgruppe Lebensmittel-Sensorik

Sensorische EvaluationMethoden der sensorischen Evaluation machen es möglich, charakteristische Eigenschaften von Lebensmitteln, so auch von Brot, zu beschreiben und /  oder aus verschiedenen Perspektiven zu bewerten.

Dafür stehen einerseits sensorisch-analytische Prüfverfahren zur Verfügung, welche geeignet sind, Produkte objektiv zu prüfen, (d. h. entweder auf Abweichungen von Standards und auf Unterschiede zu überprüfen (diskriminierend) oder aber relevante Eigenschaften (Attribute) der Produkte im Hinblick auf ihre Intensität zu messen und zu beschreiben (deskriptiv). Dabei werden gezielt trainierte Prüfper-sonen / Panels eingesetzt.

Andererseits existieren auch sogenannte hedoni-sche Prüfverfahren, welche die subjektive Einschät-zung der Produkte durch Laien resp. Konsumenten, (d. h. untrainierte Prüfpersonen, im Fokus haben. Hierbei wird die Beliebtheit (Akzeptanz, Präferenz) von Produkten erfasst (quantitativ), ebenso wie gene-relle Konsumgewohnheiten, Erwartungshaltungen etc. (qualitativ).

Für die Durchführung solcher sensorischer Evalua-tionen müssen verschiedene Annahmen getroffen und geeignete Rahmenbedingungen eingehalten werden, welche in vorliegendem Kapitel, neben den verschiedenen Methoden selbst, genauer beschrieben werden.

Prüfmittel MenschFür die Erfassung sensorischer Eigenschaften von Lebensmitteln gibt es neben dem »Prüfmittel Mensch» auch verschiedene Arten von instrumen-tellen Prüfmitteln. Diese haben den Vorteil unabhän-gig von der Verfügbarkeit von Prüfpersonen / Panels sowie der »Tagesform» derselben, also ganz spontan und ohne zu ermüden, eingesetzt werden zu können. Zum Beispiel können optische und/oder farbliche Eigenschaften durch entsprechend empfindliche Kameras und Farbmess-Systeme (L*a*b*) erfasst werden. Daneben existiert die Möglichkeit, flüchtige Substanzen aus Lebensmitteln, welche für das Aroma derselben verantwortlich sind, mittels verschiede-ner gaschromatografischer Verfahren (z. B. GC oder GC-MS) zu analysieren und textuelle Eigenschaften – welche ganz speziell wichtig für die Charakterisie-rung von Brot sind – können mittels physikalischer Messverfahren (Volumenmessung, Texture Analyzer, Penetrometer etc. …) erfasst werden.

Am Ende liefern solche instrumentellen Prüfmit-tel (physikalische und chemisch-analytische Mess-verfahren) alle einzeln betrachtet sehr wichtige Informationen über die sensorischen Eigenschaften von Lebensmitteln, bleiben aber eindimensional. Die Komplexität von Lebensmitteln kann nicht auf diesem Wege umfassend wiedergeben werden. Inso-fern bleibt für eine detaillierte Beschreibung und Bewertung der komplexen sensorischen Eigenschaf-ten von Lebensmitteln der Einsatz des »Prüfmittels Mensch» und seiner Fähigkeiten, diese sensorischen Eigenschaften einerseits parallel und andererseits auch in der zeitlichen Abfolge während des Verzehrs des Lebensmittels sensorisch wahrzunehmen, unerlässlich.

Der Gesamtsinneseindruck (Abbildung 1), welcher sich beim Prüfen resp. dem Verzehr eines Lebensmit-tels ergibt, setzt sich aus den einzelnen Sinneswahr-nehmungen, aufgenommen über das Auge (sehen), die Nase (riechen), den Mund (schmecken, Mund-gefühl), das »Getast» resp. die Haut (fühlen) und das Ohr (hören) zusammen.

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» Abbildung 1: Gesamtsinneseindruck (Schema)

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orthonasale

& retronasale Wahrnehmung

NACHFOLGEND WERDEN DIE EINZELNEN SINNES-WAHRNEHMUNGEN KURZ VORGESTELLT.

SEHEN – OPTISCHE WAHRNEHMUNGOptische Eigenschaften von Lebensmitteln, z. B. Farben, Formen und Oberflächeneigenschaften, werden als Reiz über lichtempfindliche Sinneszellen auf der Netzhaut in unseren Augen aufgenommen. Die Bilder, die dabei entstehen, vermitteln der Prüf-person einen ersten Eindruck über mögliche Produkt-eigenschaften und es entsteht eine Erwartungshal-tung. Ob überhaupt und in welchem Ausmaß diese Erwartungshaltung dann bei der objektiven Prüfung resp. beim weiteren Verzehr eines Lebensmittels mit den tatsächlich vorhandenen Eigenschaften in Über-einstimmung steht, entscheidet aus objektiver Sicht über die Bewertung der effektiven Produktqualität oder aus Konsumentensicht über die Akzeptanz und Beliebtheit.

RIECHEN – OLFAKTORISCHE WAHRNEHMUNG Olfaktorische Eigenschaften von Lebensmitteln gehen auf flüchtige chemische Komponenten im Lebens-mittel zurück, welche als Reiz über geruchsempfind-liche Sinneszellen in unserem Riechepithel in der Nase aufgenommen werden. Die Vielfalt derartiger Substanzen ist immens. Man spricht von > 1 Billion verschiedener Duftstoffe, die ein Mensch theoretisch unterscheiden kann. Oftmals scheitert die Identifika-tion aber an mangelndem Training und fehlendem Wortschatz (Bushdid C., 2014). Beim Riechen kann man zwei Arten unterscheiden, einerseits die ortho-nasale und andererseits die retronasale Aromawahr-nehmung (Abbildung 2). Orthonasal werden geruchs-aktive Substanzen via Nasenlöcher in den Bereich des Riechepithels »eingeatmet», retronasal und bei der sensorischen Evaluation von Lebensmitteln keines-falls zu vernachlässigen, ist die Aufnahme flüchtiger Substanzen, welche erst in der Mundhöhle durch das Zerkauen eines Lebensmittels frei werden. Diese werden über den Hals-Nasen-Rachenraum in den Bereich des Riechepithels verbracht und tragen dort zur Gesamt-Aromawahrnehmung bei. Das Riechen wird, neben dem Schmecken, auch als »chemische» Sinnesempfindung bezeichnet.

SCHMECKEN – GUSTATORISCHE WAHRNEHMUNGGustatorische Eigenschaften von Lebensmitteln gehen auf die bekannten fünf Grundgeschmacks-arten zurück, welche ein Mensch wahrnehmen und unterscheiden kann. Die diese Grundgeschmacks-arten auslösenden festen chemischen Substanzen – Saccharose für »süß», Natriumchlorid für »salzig»,

Zitronensäure für »sauer», Koffein für »bitter» und Glutamat für »umami» – werden auf der Zunge und im Gaumen durch geschmacksempfindliche Sinnes-zellen, welche in sogenannten Geschmacksknospen gebündelt vorliegen, als Reiz aufgenommen. Das Schmecken wird, wie das Riechen, als »chemische» Sinnesempfindung bezeichnet.

TASTEN – HAPTISCHE WAHRNEHMUNGTaktile Eigenschaften von Lebensmitteln werden häufig über druckempfindliche Sinneszellen in der Haut (z. B. mit den Fingern, in der Mundhöhle) aufgenommen. Man spricht von der Oberflächen-sensibilität, welche Eigenschaften wie die Feinheit, Knusprigkeit etc. umfasst. Auch temperatur- und schmerzempfindliche Sinneszellen und zugehörige Empfindungen tragen dazu bei. Neben den taktilen gehören auch die kinästhetischen Empfindungen (z. B. in der Mundhöhle) zu den haptischen Empfin-dungen, welche der sogenannten Tiefensensibilität zugeordnet werden. Dabei spielt die Bewegung des Produkts im Raum eine Rolle. Dabei werden Eigen-schaften wie Härte / Festigkeit, Kaubarkeit, Klebrig-keit etc. beschrieben.

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK 2

» Abbildung 2: Wege der Aromawahrnehmung

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HÖREN – AKUSTISCHE WAHRNEHMUNGAkustische Eigenschaften von Lebensmitteln werden oft unterschätzt. Sicherlich ist die Bedeutung nicht gleich groß wie beispielsweise die der chemischen Sinnesempfindungen (Riechen und Schmecken). Dennoch ergeben sich auch aus akustischen Reizen (Schallwellen), welche als Reiz im Ohr aufgenom-men werden und beim Anfassen oder beim Verzehr (Abbeißen, Zerkauen) eines Lebensmittels entste-hen, wichtige Informationen über die Produkteigen-schaften eines Lebensmittels. Gerade bei Brot ist es wichtig, neben der haptischen Empfindung auch zu »hören» und somit zu interpretieren, ob ein Brot z. B. knusprig ist.

Rahmenbedingungen für die Durch- führung sensorischer PrüfungenBei der Durchführung sensorischer Evaluationen müssen, je nach gewählter Methodik, bestimmte Annahmen getroffen und Rahmenbedingungen eingehalten werden. Diese werden nachfolgend eingehender betrachtet.

INFRASTRUKTURSensorische Prüfungen sollten an Orten durchgeführt werden, an denen die eingesetzten Prüfpersonen möglichst neutral, konzentriert und unbehelligt von ablenkenden Dingen testen können. Diese Anforde-rungen an die Infrastruktur bei der Durchführung sensorischer Evaluationen gilt für die Arbeit mit Konsumenten wie für den Einsatz trainierter Prüfper-sonen gleichermaßen (DIN EN ISO 8589, 2010).

Man unterscheidet sogenannte »Central Location Tests» (CLT) von »Home-Use-Tests» (HUT). In der sensorischen Analytik wird in der Regel immer ein Setting nach Art eines CLT angestrebt, um möglichst gleichartige, (d. h. standardisierte Bedingungen für alle Prüfer sicherzustellen. Oftmals wird in einem Sensorik-Labor getestet. Ein solches Labor stellt mindestens 10–14 Prüfarbeitsplätze zur Verfügung, welche durch Wände voneinander getrennt sind. Die Abteile oder Kabinen sind zum Kaschieren opti-scher Eigenschaften in der Regel mit verschiedenen Beleuchtungsvarianten (z. B. Tageslicht, Rotlicht), oft mit elektronischen Datenerfassungssystemen und unter Umständen sogar mit fest installierten Spuck-vorrichtungen ausgestattet. Bei der Durchführung von Konsumentenprüfungen ist die standardisierte Ausstattung eines CLT ebenfalls sinnvoll, oftmals werden aber statt eines Sensorik-Labors auch andere

»zentral» gelegene Orte / Räume, wie z. B. Schulungs- und Sitzungsräume, genutzt. Settings nach Art eines HUT werden v. a. für hedonische Prüfungen einge-setzt. Dabei werden Produkte, z. B. per Postversand, an teilnehmende Prüfpersonen abgegeben, die diese dann in ihrem privaten Umfeld prüfen. Nachteil ist, dass die Standardisierung des Ablaufs nur einge-schränkt sichergestellt werden, z. B. lässt sich nur schwer überprüfen, ob die Zielperson wie gewünscht alleine testet. Ein Vorteil ist dagegen eine Testum-gebung, welche möglichst realistische Konsum-bedingungen ermöglicht, z. B. im Hinblick auf die Probenmenge.

PROBENVORBEREITUNG / TEST-DESIGNUnabhängig vom gewählten Prüfverfahren und der Infrastruktur werden Lebensmittelproben in der Regel »verblindet», (d. h. mit dreistelligen Zufalls-zahlen codiert. So haben die Prüfpersonen keinerlei Hinweise zu Marke, Produzent, Herstellbedingungen etc. und Rückschlüsse auf die Qualität und vermeint-lich bekannte sensorische Eigenschaften sind nicht möglich. Die Codierung der Prüfproben ist außerdem notwendig, da bei den verschiedenen Prüfverfahren in der Regel mehrere Prüfproben parallel (simultane Probenpräsentation) oder nacheinander (sequen-tiell-monadische Probenpräsentation) getestet werden. Ein eindeutiger Code stellt eine eindeutige Ergebnis-Produkt-Zuordnung sicher. Systematische Fehler bei der sensorischen Evaluation, welche auf Produkt-Produkt-Interaktionen zurückzuführen sind und insbesondere dann auftreten, wenn die Prüfpro-ben an alle Prüfpersonen in identischer Reihenfolge abgegeben werden, können vermieden werden, in dem die Probenreihenfolge individuell variiert und in Form eines sogenannten randomisierten Test-Designs festgehalten wird.

Besondere Probenvorbereitungen und Test-De-signs sind erforderlich, wenn man im Rahmen von Konsumentenprüfungen einen sogenannten Konzept-Produkt-Tests durchführt. In einem ersten Schritt werden ausschließlich relevante Informa-tionen zum Produkt (Name des Produkts, bildliche Darstellung, Besonderheiten bei den Zutaten, Auslo-bungen …) auf Beliebtheit getestet. Im zweiten Schritt erfolgt eine Beliebtheitsprüfung des Produkts. Setzt man die Ergebnisse zueinander in Beziehung, ist der sogenannte »Konzept-Produkt-Fit» identifizierbar. Dabei kann festgestellt werden, ob die Erwartungen, die sich aufgrund des Konzepts beim Konsumenten entwickelt haben, mit der subjektiven sensorischen

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Qualität des Produkts in Einklang stehen. Bei soge-nannten »Blind / Branded-Tests» werden zwei aufei-nanderfolgende Tests mit identischen Produkten durchgeführt. Im ersten Test werden die Produkte verblindet, (d. h. alle relevanten Angaben ausge-schlossen. Im zweiten Test erhalten die Prüfper-sonen gewisse Informationen zu den Produkten (z. B. Markenname, Herstellbedingung etc.). Bei der Verknüpfung der Datensätze kann der Einfluss von Produktinformationen auf die Beliebtheit / Akzeptanz von Produkten identifiziert werden.

PRÜFPERSONENIm Rahmen sensorisch-analytischer Prüfungen werden Fachpanels eingesetzt, welche aus gezielt sensorisch trainierten Prüfpersonen bestehen. Diese Prüfpersonen werden auch als Prüfer oder Senso-riker bezeichnet. Je nach Prüfmethodik werden für einfache Prüfungen im Rahmen der QS zwischen 3 und 5 Prüfer eingesetzt, bei deskriptiven Prüfver-fahren zwischen 10 und 15 Prüfer und bei diskrimi-nierenden Prüfverfahren durchaus 20–30 Prüfer oder mehr. Für hedonische Prüfungen werden Konsumen-ten (Laien), (d. h. definitiv nicht-trainierte Prüfperso-nen, eingesetzt. Im Rahmen qualitativer Tests sind es oft nur wenige Prüfer. Bei quantitativen Tests benö-tigt man dagegen mindestens 60 Konsumenten, um aussagekräftige Resultate erzielen zu können.

TRAINIERTE PRÜFPERSONEN / PANELSJe nachdem, ob man ein firmeninternes Panel aus Mitarbeitenden oder ein externes Fach-Panel, oft auch als »Haushaltspanel» bezeichnet, aufbauen möchte, sind die Arten der Rekrutierung unter-schiedlich. Firmenintern erfolgt diese z. B. via Mund-propaganda oder per Aushang am schwarzen Brett. Wichtigstes Kriterium für eine Erstauswahl von Prüfpersonen ist v. a. die zeitliche Verfügbarkeit. Bei externen Panels können potenzielle Kandidaten per Anzeige in lokalen Zeitschriften oder Postwurfsen-dungen gefunden werden. Wichtigster Unterschied zwischen den beiden Typen von Panels ist die zeitli-che Flexibilität, welche firmenintern höher ist, vergli-chen mit einem externen Panel, welches zu fixen Zeit-fenstern im Hause ist. Firmeninterne Panels können von der Produktkenntnis der Prüfpersonen profitie-ren (Sachverstand), kämpfen aber oftmals damit, dass die Prüfer zu viel Wissen zu Abläufen und Firmenin-terna haben, sodass ein gewisser »Hausgeschmack« die Neutralität von Evaluationen einschränken kann. Externe Panels bestehen oft aus Personen, die keiner-lei Produkterfahrung mitbringen, sondern diese

erst im Rahmen der Ausbildung und des Trainings aufbauen. Das dauert ggf. etwas länger, wobei dafür die Objektivität der Evaluation per se besser gewahrt bleibt. Externe Prüfer müssen bezahlt werden (cash-out), wobei auch für firmeninterne Prüfpersonen Kosten anfallen, z. B. in Form von Arbeitszeitausfall bei der Hauptaufgabe.

Der Aufbau eines Panels kann z. B. unter Berück-sichtigung der entsprechenden Norm (DIN EN ISO 8586, 2014) gestaltet werden. Zunächst beginnt die Phase des Screenings. Hierbei werden die sensori-schen Fähigkeiten der rekrutierten Prüfpersonen grundlegend getestet.

Übliche Tests sind z. B.:• Farbsehtests (nach Ishihara)• Erfassung der Geruchs- und Geschmacksschwel-

lenwerte, gemäß Norm (DIN ISO 3972, 2013) (ISO 5496, 2006)

• Tests auf Taste-Blindness, (d. h. das Unvermögen bestimmte Substanzen riechen und / oder schme-cken zu können

• Tests, um die Sensitivität für bestimmte Produkt-eigenschaften zu erfassen (z. B. mittels Diskrimi-nierenden Prüfungen, Rangfolgeprüfungen)

• Tests, um die Fähigkeit der Prüfpersonen Produkte mit geeigneten Deskriptoren (Attribu-ten) zu beschreiben und einschätzen zu können (Sprachfähigkeit)

Nach Auswertung der Screening-Ergebnisse kommt es zur Auswahl geeigneter Prüfpersonen, die nach-folgend in die Phase des Prüfer- und Paneltrainings überführt werden. Je nach festgelegtem Anforde-rungsprofil muss damit gerechnet werden, dass bis zu 50 % der getesteten Prüfpersonen als »nicht-ge-eignet» identifiziert werden. Um ausreichend (mind. 20–30) Prüfpersonen auswählen und in die Trainings-phase überführen zu können, müssen zu Beginn des Screenings ausreichend viele Prüfpersonen, i. d. R. die doppelte Anzahl, rekrutiert werden. Innerbetrieblich stößt man dabei schnell an gewisse Grenzen.

Für die im Anschluss beginnende Trainingsphase sollte festgelegt werden, in welchem Produktumfeld das Fachpanel später arbeiten soll und welche Frage-stellungen das Panel dabei erfüllen soll. Will man ein diskriminierendes Panel (Qualitätssicherungspanel) aufbauen, wird die Wahl der Trainingsthemen und -methoden v. a. auf die sensitive Wahrnehmung und Identifizierung relevanter Qualitätskriterien und klei-ner Unterschiede fokussieren. Dabei sind Methoden der diskriminierenden Prüfverfahren wie Paarweiser Vergleich (EN ISO 5495, 2005), Duo-Trio-Test (DIN EN ISO 10399, 2010), Dreiecksprüfung (DIN EN ISO 4210,

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2007), Rangfolgeprüfung (DIN ISO 8587, 2010) und andere klassische Testverfahren der Qualitätssiche-rung, z. B. Innerhalb/Ausserhalb-Prüfung (DIN 10973, 2006), geeignet. Ist dagegen das Ziel ein deskripti-ves Panel aufzubauen, um im Rahmen der Produkt-entwicklung Produkte zu profilieren (EN ISO 13299, 2017) und detailliert beschreiben zu können, wird v. a. die Sprachfähigkeit und das intensive Training von charakteristischen Attributen im Hinblick auf deren Identifizierung und Intensitätsmessung auf Skalen fokussiert werden. In der Regel nutzt man im Rahmen des Trainings von Beginn an Beispiele aus dem Produktfeld, welches später den Schwerpunkt des Panels bildet. Für das Training eines haptischen Attributs wie die Festigkeit der Krume, wird man eher keine abstrakten Produktproben suchen, sondern im Umfeld Brot unterschiedliche Krumen-Strukturen auswählen und aufzeigen. Die Trainingsphase gilt als abgeschlossen, wenn die Prüfpersonen die zu Beginn des Panelaufbaus definierten, erforderlichen Metho-den- und v. a. auch Produktkompetenzen aufgebaut haben. Die ausgewählten Prüfpersonen haben sich somit zu trainierten Prüfern weiterentwickelt. Eine Gruppe homogen trainierter Prüfer bildet ab diesem Zeitpunkt ein Fachpanel und ist einsatzfähig.

Um die Qualität der sensorischen Fähigkeiten der einzelnen Prüfer sowie des gesamten Panels über die Zeit aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, regelmäßig zu trainieren und gewisse Kriterien für die Prüfer- und Panel-Performance im Rahmen eines Monitorings zu beobachten. Sofern Abweichungen von den erforder-lichen Fähigkeiten auftreten, müssen Korrekturmaß-nahmen (spezifische Trainings) eingeleitet werden. Die wichtigsten Kriterien im Rahmen eines Monito-rings sind häufig die folgenden:• Diskriminierfähigkeit (Prüfer / Panel)• Wiederholbarkeit (Prüfer / Panel)• Homogenität (Prüfer vs. Panel) Die Diskriminierfähigkeit lässt sich überprüfen, indem den Prüfern mehrere ähnliche aber nicht iden-tische Proben gereicht werden. Findet ein Prüfer oder das gesamte Panel nie einen Unterschied oder reiht er die Produkte im Hinblick auf einzelne Attribute und Intensitäten immer sehr ähnlich ein, diskriminiert er schlecht. Zur Verbesserung des Kriteriums müssten sowohl Sensitivitätsübungen wie auch das Skalen-training forciert werden.

Die Wiederholbarkeit zeigt sich darin, dass sowohl die einzelnen Prüfer im Vergleich mit sich selber, ebenso wie das Panel im Vergleich mehrerer Beurtei-lungen, identische Proben auch identisch bewerten. Zur Überprüfung des Kriteriums können entweder innerhalb ein und derselben Testsession oder auch

über einen längeren Zeitabstand hinweg, Doppel-proben gereicht werden. Wird die Methodik der Beschreibung / Profilierung angewendet, müsste es zur selben Attributwahl und zumindest einer ähnli-chen Intensitätseinschätzung kommen. Auf einer 10er-Skala würde man eine Standardabweichung von max. +/- 1 anstreben. Werden diskriminierende Prüfungen angewendet, müsste es bei der Beurtei-lung eines Test-Sets sicher zur selben Entscheidung kommen (z. B. »ja« signifikanter Unterschied oder »nein« kein Unterschied).Die Homogenität beschreibt den Grad der Überein-stimmung der sensorischen Beurteilungen einzel-ner Prüfer im Vergleich zu einem Panelergebnis. Bei deskriptiven Prüfverfahren besteht eine hohe Homo-genität im Panel, wenn Attribute und Intensitäten sehr gleichartig gesehen werden, (d. h. unter den Prüfern und insbesondere im Vergleich der Einzel-werte zum Panelmittelwert.

KONSUMENTEN / LAIENDie Rekrutierung von Konsumenten (Laien) für hedo-nische Prüfungen kann entweder gezielt für einen Test erfolgen (a priori oder posteriori) oder man baut für die längerfristige Nutzung einen Adress-Stamm (ein Konsumentenpanel) mit potenziell geeigneten Prüf-personen auf. Die Eignung von Konsumenten für den Einsatz in hedonischen Prüfungen hängt grundsätz-lich von der Definition der gewünschten Zielgruppe ab, welche sich aus den vorgegebenen Fragestellun-gen und dem gewählten Test-Szenario ergibt. In der Regel umfasst diese das Alter, das Geschlecht und gewisse Kriterien des Konsumverhaltens, wie z. B. die Markenvorliebe, die Häufigkeit des Konsums von Produkten aus der Produktkategorie etc.. Der Aspekt der Konsumfrequenz wird beispielsweise in Abhän-gigkeit der Produktkategorie oft in die Kategorien »non-user«, »light-user« und »heavy-user« eingeteilt. Für Brot könnte das so definiert werden, dass z. B. ein »non-user« nie Brot konsumiert, ein »light-user« nur 2-3-mal im Monat oder in der Woche und ein »heavy-user« täglich oder sogar mehrmals am Tag.

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Sensorische PrüfverfahrenDas weite Feld der sensorischen Prüfverfahren umfasst einerseits Methoden, welche objektiven Charakter aufweisen, (d. h. wertfreie Urteile herbeiführen und andererseits Methoden, welche einen individuellen Blick auf die Eigenschaften von Produkten richten

und damit einen subjektiven Charakter aufweisen. Je nach Hintergrund resp. Problem- / Fragestellung kann ein geeignetes Prüfverfahren ausgewählt werden (Abbildung 3). Vertreter beider Richtungen werden im weiteren Verlauf des Kapitels – im Hinblick auf Vorbe-reitung, Durchführung und Auswertung – vorgestellt.

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z. B. Rangfolgeprüfung, Profilierungen, etc.

z. B. Akzeptanzprüfungen, Präferenzprüfungen

SAUERTEIG

PRODUKT- ENTWICKLUNG /

R&D

MARKETING / KONSUMENTEN-

FORSCHUNG

QUALITÄTS- SICHERUNGPRODUKTION

PROBLEMSTELLUNG

SENSORISCHE ANALYTIK

VORTESTS

GERINGE UNTERSCHIEDE

DISKRIMINIERENDE PRÜFUNGEN

z. B. Paarweiser Vergleich, Duo- Trio-Test, Dreiecksprüfung, etc.

INTERPRETATION DER ERGEBNISSE – SCHLUSSFOLGERUNG

ENTSCHEIDUNG / DEFINITION VON MASSNAHMEN

STATISTISCHE ANALYSE DER ERHOBENEN DATEN

STATISTISCHE ANALYSE DER ERHOBENEN DATEN

STATISTISCHE ANALYSE DER ERHOBENEN DATEN

Signifikanter Unterschied?

NEIN JA JA JANEIN NEIN

Signifikante Unterschiede zwischen Attributen?

Signifikante Unterschiede im Hinblick auf Beliebtheit?

INTENSITÄTSPRÜFUNGEN / DESKRIPTIVE PRÜFUNGEN

BELIEBTHEITS- PRÜFUNGEN

GROSSE UNTERSCHIEDE

ATTRIBUT(E) DEFINIEREN

HEDONISCHE ANALYTIK

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» Abbildung 3: Entscheidungsbaum Prüfverfahren

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» Abbildung 4: Test-Set »Paarweiser Vergleich« (Beispiel) » Abbildung 5: Test-Set »Duo-Trio-Prüfung« (Beispiel)

SENSORISCHE ANALYTIK Im Rahmen sensorisch-analytischer Prüfverfahren kommen gezielt trainierte Prüfpersonen zum Einsatz. Man kann dabei Methoden unterscheiden, die geeig-net sind, kleinste Unterschiede zwischen Produkten zu identifizieren (diskriminierende Prüfverfahren), solche, die geeignet sind, Produkte detailliert zu beschreiben (deskriptive Verfahren), und auch solche, die v. a. im Rahmen der betrieblichen Qualitätssiche-rung Einsatz finden.

DISKRIMINIERENDE PRÜFVERFAHRENDiskriminierende Prüfverfahren (Unterschiedsprü-fungen) werden häufig im Rahmen der Qualitätssiche-rung eingesetzt. Sie sind immer dann ein geeignetes Mittel, wenn es darum geht abzuklären, entweder ob zwei Prüfproben sich im direkten Vergleich eindeutig ((d. h. statistisch signifikant) sensorisch unterschei-den lassen oder aber ob zwei Prüfproben als senso-risch eindeutig (statistisch signifikant) gleich resp. ähnlich zu bezeichnen sind. Für diese Art Abklärungen sind im Vorfeld der Testdurchführung gewisse Annah-men zu treffen. Zunächst muss festgelegt werden, auf welchem statistischen Signifikanzniveau getes-tet werden soll. Üblich ist ein Signifikanzniveau von 95 % (∅ = 0.05), was gleichbedeutend mit der Bereit-schaft ist, ein 5 % Risiko einzugehen, aufgrund von Zufall resp. aufgrund von Raten der Prüfer zu einem falsch-positiven Ergebnis zu gelangen. Aufgrund dieser und weitere Annahmen, bestimmt sich auch die Anzahl für die Testdurchführung notwendiger Prüfpersonen. In Abhängigkeit davon, ob man einen Test mit 50 % Ratewahrscheinlichkeit (z. B. Paarwei-ser Vergleich und Duo-Trio-Prüfung) oder mit 33 %

Ratewahrscheinlichkeit (Dreiecksprüfung) anwendet und ob man dabei einen Test auf Unterschied oder Ähnlichkeit durchführt, kann die Anzahl notwendi-ger Prüfpersonen sich deutlich unterscheiden. Für eine übliche Unterschiedsprüfung per Dreiecksprü-fung werden i. d. R. 20–25 Prüfer benötigt, für einen Paarweisen Vergleich oder eine Duo-Trio-Prüfung eher schon 25–30 Prüfer und für Tests auf Ähnlichkeit weit mehr Prüfer, je nach Annahmen oftmals bis zu 50–60. In allen Fällen ist eine Antwort der Prüfer obli-gatorisch (forced choice). In den zugehörigen Normen (siehe weiter unten) werden für die verschiedenen Testverfahren und Annahmen entsprechende Infor-mationstabellen zur Verfügung gestellt.

Diskriminierende Prüfverfahren, welche eine Rate-wahrscheinlichkeit von 50 % aufweisen, sind z. B. der Paarweise Vergleich (EN ISO 5495, 2005) und die Duo-Trio-Prüfung (DIN EN ISO 10399, 2010). Die teil-nehmenden Prüfer haben nur die Möglichkeit, entwe-der eine richtige oder eine falsche Antwort zu geben. Da nur zwei Prüfproben in den Test-Sets integriert sind, die im direkten Vergleich stehen, liegt die Rate-wahrscheinlichkeit bei 50 %. Der Paarweise Vergleich wird oftmals »gerichtet« eingesetzt, (d. h. die Prüf-frage, die den Prüfpersonen gestellt wird, lautet z. B. welche der beiden Prüfproben ist süßer, salzi-ger oder knuspriger. Trotz der ungünstigen hohen Zufalls- / Ratewahrscheinlichkeit erhöht dies die Sensitivität der Testanlage (Abbildung 4). Bei einer Duo-Trio-Prüfung werden zwei Prüfproben jeweils gegen eine Referenzprobe (Standard) verglichen, was vom Vorgehen her zwei nacheinander stattfinden-den Paarweisen Vergleichen ähnelt. Die Ratewahr-scheinlichkeit liegt ebenfalls bei 50 % (Abbildung 5).

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A BReferenzprobe A B

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK 8GRUNDLAGEN DER SENSORIK

Eine Unterschiedsprüfung (Diskriminierende Prü- fung), die verglichen mit den bereits beschriebenen Verfahren eine geringere Ratewahrscheinlichkeit von nur 33 % aufweist, ist die Dreiecksprüfung (DIN EN ISO 4210, 2007). Dieses Prüfverfahren ist in der Praxis sehr weit verbreitet. Es werden dabei insgesamt drei Prüfproben direkt miteinander vergleichen, wobei zwei dieser Prüfproben identischer Natur sind. Eine Probe ist abweichend und diese wird in der Frage-stellung an die Prüfer gesucht (Abbildung 6). Anders als beim Paarweisen Vergleich, der wie oben schon beschrieben ja meist »gerichtet« durchgeführt wird, wird bei der Dreiecksprüfung oftmals ein angerichte-ter Test gewählt, (d. h. die Prüfer selbst entscheiden, welche Kriterien sie für die Suche nach dem Unter-schied resp. der Überprüfung der Ähnlichkeit der Prüfproben anwenden.

Die Rangfolgeprüfung (DIN ISO 8587, 2010) ist ein Testverfahren, das nur schwer eindeutig zu katego-risieren ist. Es weist sowohl Eigenschaften deskrip-tiver als auch diskriminierender Prüfverfahren auf. Im Vorfeld der Testdurchführung wird zunächst eine Eigenschaft, z. B. Farbe, Süße, Knusprigkeit der Kruste oder Elastizität der Krume etc. definiert resp. festgelegt. Nach diesem Attribut wird dann rangiert, (d. h. diese Eigenschaft wird von den 10–12 Prüfern bei den Prüfproben (> 2) nach Intensi-tät ihrer Ausprägung sortiert, z. B. erhält bei einem Test mit vier Prüfproben diejenige Probe Rang 1, welche die höchste Intensität an Süße aufweist und Rang 4, diejenigen mit der vergleichsweise gerings-ten Süßintensität (Abbildung 7). Daraus ergibt sich eine Intensitäts-Rangfolge 1–4. Dieses Prüfverfahren wird oftmals im Rahmen der Produktentwicklung eingesetzt, um die unterschiedlichen Ausprägungen ausgewählter sensorischer Eigenschaften verschie-dener Prototypen einschätzen zu können. Außerdem eignet sich dieses Prüfverfahren ideal zum Prüfer- und Paneltraining, um unterschiedliche Intensitäten von Attributen aufzuzeigen. Im Vergleich zur »Trenn-schärfe« anderer diskriminierender Prüfungen (siehe

weiter oben), ist die einer Rangfolgeprüfung jedoch schwächer.

DESKRIPTIVE PRÜFVERFAHRENAnders als bei diskriminierenden Prüfverfahren, die sich auf sehr kleine Unterschiede zwischen Prüfproben fokussieren, konzentriert man sich bei den deskriptiven Prüfverfahren auf die detaillierte Beschreibung aller sensorischen Eigenschaften. Wie bei einer Bildbeschreibung werden systematisch nach und nach alle relevanten Charakteristiken beschrieben, und zwar nach Art und Intensität. Dies ist v. a. im Rahmen der Produktentwicklung und für die Entwicklung detaillierter Spezifikationen von Produkten relevant.

Bei einer sogenannten Einfach beschreibenden Prüfung ist es so, dass die Prüfer mit eigenen Worten, (d. h. dem Vokabular von Fachleuten, alle Facet-ten der Produkte beschreiben oder aber Wortlisten zur Nutzung zur Verfügung gestellt bekommen, die dann produktspezifisch eingesetzt werden. In jedem Fall werden die zu beschreibenden Prüfproben »von außen nach innen« systematisch beschrieben – ange-fangen mit dem äußeren Erscheinungsbild, gefolgt vom Geruch und dem Geschmack, ggf. auch zuvor schon der Textur in der Hand und/oder dem Mund-gefühl beim Abbeißen. Nachfolgend kommt noch das Mundgefühl beim Verzehr (Zerkauen, Schlucken) und ggf. der Nachgeschmack. Da die Prüfpersonen bei diesem Prüfverfahren keinerlei fixe Vorgaben für die Nutzung bestimmter Attribute und Anhaltspunkte für die Intensitätseinschätzung haben, sind Ergeb-nisse oft sehr heterogen dementsprechend schwierig auswert- und nutzbar.

Um die Nutzbarkeit von sensorischen Beschrei-bungen zu erhöhen, bietet sich die Nutzung von Maßskalen an. Diese ermöglichen, unter der Voraus-setzung eines entsprechenden Trainings der Prüfer und des gesamten Panels, die genaue Einschät-zung des Ausmaßes der Ausprägung verschiedener

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A BB C DBA

» Abbildung 7: Test-Set »Rangfolgeprüfungen« (Beispiel) » Abbildung 6: Test-Set »Dreiecksprüfung« (Beispiel)

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Attribute. Oft werden kategorische Skalen von 0–10 (Abbildung 8) oder aber nicht-graduierte Intensitäts-skalen mit einem Ausmaß von 10 cm oder 100 mm (Abbildung 9) genutzt.

Zwei wichtige Vertreter der sogenannten Profil-Prüfungen sind die Konsensprofilprüfung und die Konventionelle Profilierung, beides genormte Prüfverfahren der deskriptiven sensorischen Analytik (EN ISO 13299, 2017). Für die Erstellung eines Konsens-profils benötigt man mind. 5–7 auf die Produktgruppe trainierte Prüfer. Diese fertigen zunächst auf Basis der im Vorfeld fix definierten Attributliste eine Einzelbe-schreibung an. Oftmals werden dabei kategorische Skalen in einer Unterteilung von beispielsweise 0–5 (= 6-teilige Skala) angewendet. Es ist wichtig, dass die Prüfer gut aufeinander abgestimmt und trainiert sind, damit es in der anschließenden Konsensdiskussion keine allzu großen und unüberwindlichen Diskrepan-zen gibt. Auf Basis der Einzelurteile der Prüfer ergeben

sich aus der Diskussion dann pro Attribut Konsens-werte, die das Endergebnis darstellen. Im Rahmen der Konventionellen Profilierung ist es so, dass häufig nicht-graduierte Skalen mit einem Ausmaß von 10 cm resp. 100 mm genutzt werden. Die von 10–12 Prüfern erhobenen Einzelergebnisse pro Attribut werden nachfolgend der statistischen Auswertung zugeführt. Mittelwerte und Standardabweichungen pro Attribut bieten die Basis für die Auswertung und Ergebnis-findung. Eine vertiefte Datenanalyse und Vergleiche zwischen den betrachteten Produkten ermöglichen die Varianzanalyse (ANOVA) mit anschließendem post-hoc-Test.

Abbildung 10 zeigt als Beispiel für ein deskriptives Prüfformular das der Forschungsgruppe Lebensmit-tel-Sensorik der ZHAW. Es eignet sich sowohl für die Anwendung im Rahmen einer Konsensprofilierung, wie auch für eine Konventionelle Profilierung.

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Schwach Stark

GRUNDLAGEN DER SENSORIK 9GRUNDLAGEN DER SENSORIK

» Abbildung 9: Nicht-graduierte Skala, z. B. für die Nutzung in einer Konventionellen Profilierung

» Abbildung 10: Profilbogen Brot (© ZHAW)

» Abbildung 8: Kategorische Skala, z. B. für die Nutzung in einer Konsensprofilprüfung

sehr ungern sehr gernweder / nochsehr ungern sehr gernsehr ungern sehr gernsehr gernweder / nochGeringe Intensität Mittlere Intensität Hohe Intensität

Datum/date: ____________ Prüfer/judge: _______ Probe/product: ________

Optik / Textur

1 Krustenfarbe

crust colour

2 Stand

3 Knusprigkeit der Kruste

crispness of crust

4 Krumenfarbe

crumb colour

5 Grösse der Porung

size of pores

6 Homogenität der Porung

homogeneity of pores

7 Feuchtigkeit (Krume)

moisture (crumb)

8 Festigkeit (Krume)

firmness (crumb)

Geschmack

9 Süssesweetness

10 Säureacidity

11 Bitterkeitbitterness

12 Salzigkeitsaltiness

13 Umamiumami

ZHAW-Prüfformular/Profile Sheet

sehr hell

sehr dunkel

flach

hoch gezogen

sehr inhomogen

sehr homogen

sehr trocken

sehr feucht

sehr weich

sehr fest

nicht wahrnehmbar

intensiv

nicht wahrnembar

intensiv

nicht wahrnembar

intensiv

nicht wahrnembar

intensiv

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

nicht evaluierbar

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10

sehr weich

sehr knusprig

sehr hell

sehr dunkel

sehr klein

sehr gross

nicht wahrnembar

intensiv

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Die häufigste und sehr bekannte Art der Darstellung von Profilierungsdaten ist das sogenannte »spider-web« (Abbildung 11). Im Falle von Konsensprofilie-rungsdaten werden in einer solchen Darstellung die in der Diskussion erarbeiteten Konsenswerte des Panels pro Attribut abgebildet, im Fall einer konventionellen Profilierung sind es die über das Panel berechneten statistischen Mittelwerte pro Attribut. Eine beson-dere Form der Konventionellen Profilierung stellt das sogenannte »QDA«-Verfahren (Quantitative Deskrip-tive Analysis) dar, welches von der Tragon Corpora-tion bereits in den 1970er-Jahren entwickelt wurde. Der größte Unterschied zur Konventionellen Profilie-rung stellt sich durch die explizit relative Nutzung der Skalen und die Fokussierung auf ein produktspezifi-sches Training der Prüfer / des Panels dar.

Neben den Vertretern der eher klassischen deskriptiven Methoden, gibt es auch sogenannte »Schnellmethoden«, welche ebenfalls einen deskrip-tiven Charakter haben. Vertreter dieser Kategorie haben sich in den letzten Jahren rasant entwickelt und finden immer mehr Zuspruch, da das Hauptpro-blem der etablierten Methoden der Aufwand ist, der

für die Ausbildung und das Training der Prüfpersonen und für den Unterhalt des Panels betrieben werden müssen. Im betrieblichen Umfeld ist es häufig nicht möglich, wirklich gut trainierte und homogene Panels zu unterhalten, zumindest bedingt dies einen großen Aufwand, der oftmals gescheut wird. Vor diesem Hintergrund bekommen Methoden, die wenig(er) Trainingsaufwand versprechen, großen Zuspruch. So erfreuen sich z. B. das Free-Choice-Profiling (EN ISO 13299, 2017) und das Flash-Profiling (Dairou V., 2002) großer Beliebtheit. Die erforderliche Panelgröße ist ähnlich wie bei den etablierten Methoden. Größter Unterschied ist, neben der Art der Probenpräsen-tation, v .a. die Intensität des Prüfertrainings. Die Schnellmethoden arbeiten größtenteils mit individu-ell definierten Vokabularien, die logischerweise einen geringeren Trainingsaufwand im Vorfeld der Test-durchführung bedürfen. Aufgrund der resultierenden Heterogenität der individuellen Datensätze, ist aber ein fundierter Einsatz komplexer mathematisch-sta-tistischer Methoden (z. B. General Procrustes Analy-sis …) notwendig, um diese zu einem homogenen Panelergebnis zusammenführen und interpretierbare

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10GRUNDLAGEN DER SENSORIK

» Abbildung 11: Darstellung der Ergebnisse aus Profilierungen, »spider-web« (Beispiel)

ALPENBROT

URDINKEL-BROT

VOLLKORN-BROT

SAUERTEIG

6

5

4

3

2

1

0

RÖSTNOTE DUNKEL

HEFE

MALZ

GETREIDE (KLEIE)

ERDIG

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11GRUNDLAGEN DER SENSORIK

Ergebnisse aus den resultierenden Datensätzen ziehen zu können. Der Prüfleiter, (d. h. die Person, die den Test durchführt und auswertet, muss dafür entsprechend ausgebildet sein.

Weitere Methoden der sensorischen Analytik, die in den letzten Jahren immer häufiger angewendet werden, sind z. B. das Napping, das Sorting resp. das Sorted Napping (Pagès J., 2010). Hierbei werden, mit kleineren Variationen zwischen den Verfahren, holis-tische »Landkarten« (Maps) der getesteten Produkte angefertigt (Abbildung 12). Die sensorische Nähe resp. Distanz zu den jeweils anderen Produkten entschei-det über die Positionierung eines Produkts. Bei diesen Verfahren können gleichzeitig sehr viele Produkte in die Prüfung einbezogen werden. Nach entspre-chender statistischer Auswertung der Produktko-ordinaten, ergibt sich ein guter Überblick über die sensorische Vielfalt der getesteten Produkte. Einer-seits lassen sich auf diesem Wege sensorische Unter-schiede innerhalb einer Produktkategorie aufzeigen (z. B. alle Halbweißbrote, die auf dem Markt erhält-lich sind) oder aber man verschafft sich einen Über-blick über das Produkt-Portfolio eines Betriebes (über mehrere Kategorien hinweg), um ggf. vorhandene

Lücken oder Überlappungen im Sortiment identifizie-ren zu können.

Neben den vielen »statischen« Methoden, welche bislang beschrieben oder zumindest kurz erwähnt wurden, gibt es auch sogenannte »dynamische« Prüf-verfahren, welche neben den sensorischen Attributen per se, die ein Lebensmittel aufweist, auch den zeit-lichen Verlauf ihres Erscheinens und die Dauerhaftig-keit ihrer Präsenz berücksichtigen. Zu diesen Metho-den gehören z. B. die Time-Intensity (TI) Methode (DIN 10970, 2002) oder das Verfahren der Temporal Dominance of Sensations (TDS) (Labbe D., 2009). Beide Prüfverfahren berücksichtigen die Tatsache, dass sich sensorische Empfindungen im Verlaufe des Verzehres eines Lebensmittels in Art und Intensität ihrer Ausprägung verändern. Das TI-Verfahren fokus-siert sich im Verlaufe der Prüfung auf ein einzelnes Attribut, z. B. die Süße eines Lebensmittels, und die Prüfer erfassen innerhalb des gesamten Zeitfensters und zu im Vorfeld genau definierten Zeitpunkten »x« (z. B. alle 5 oder 10 Sekunden innerhalb von 2 Minu-ten), die sich verändernde Süßempfindung. Beim TDS-Verfahren ist der zeitliche Ablauf ähnlich, aller-dings werden statt nur einem Attribut jeweils gleich

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Alpenbrot

Butterzopf

Nussbrot

Ruchbrot St. Galler-Brot

Urdinkelbrot

Vollkornbrot

F2 (2

5.84

%)

F1 (46.78 %)

Observations (axes F1 and F2: 72.62 %)

Röstnote dunkel (Gr),Krustenfarbe

Glanz Kruste

Eistreiche Kruste (Gr),Ei (Gs), Butter (Gr, Gs), ballend (T/M)

Riss

Röstnote hell (Gs)

Bitterkeit

Krumenfarbe, Festigkeit KrumeErde (Gr, Gs), Ölsaaten (Gr, Gs), Sauerteig (Gr, Gs), Säure, raues

Mundgefühl

Biss Kruste,Knusprigkeit Kruste

Getreide (Gr, Gs)

Süsse, Hefe (Gr, Gs)

» Abbildung 12: Darstellung einer sensorischen Landkarte, erstellt mittels Sorted Napping (Beispiel)

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK

mehrere Attribute gleichzeitig beobachtet, (d. h. die Prüfer halten zu den verschiedenen Zeitpunkten »x« jeweils das für sie dominante Attribut fest. Generell ist die Anwendung von dynamischen Prüfverfahren für die Prüfer recht komplex und es Bedarf eines intensi-ven Trainings, damit die Ergebnisse nicht durch das Handling negativ beeinflusst werden.

METHODEN DER QUALITÄTSSICHERUNGEinige der bisher beschriebenen Prüfverfahren (Kapi-tel 5.3.1.1 und 5.3.1.2) haben auch in der klassischen Qualitätssicherung eine wichtige Bedeutung. Um jedoch auch, direkt integriert in den betrieblichen Ablauf, sensorische Eigenschaften von Lebensmitteln überprüfen und auf dieser Basis Entscheidungen tref-fen zu können – und zwar ohne Einsatz eines Senso-rik-Labors sowie eines großen Prüferpanels – bedarf es speziell konzipierter Verfahren. Nur dann ist es realis-tisch, z. B. beim Wareneingang, bei der internen Über-gabe von Zwischenprodukten oder bei der Endpro-dukt-Freigabe notwendige sensorische Prüfungen zu integrieren.Prüfverfahren, welche dieser Art von Anforderungen gerecht werden, sind beispielsweise die sogenannte Innerhalb/Außerhalb-Prüfung (DIN 10973, 2006) oder auch die Degree of Difference resp. Difference from Control Prüfung (Aust L.B., 1985).

Die Trennschärfe der Tests nimmt mit dem Einsatz größerer Prüferzahlen entsprechend zu, aber sie sind schon mit einer Mindestanzahl von drei trai-nierten Prüfern anwendbar. Voraussetzung ist eine intensive Ausbildung dieser Prüfer und deren detail-lierte Kenntnis der Produktspezifikationen, welche die sensorischen Anforderungen an die zu testenden Produkte aufweisen. Die Innerhalb/Außerhalb-Prü-fung (auch In/Out-Prüfung genannt) unterteilt man in die folgenden drei Varianten:• kategorisch: Es wird nur die Frage gestellt, ob die

zu testenden Produkte sich »innerhalb« / »außer-halb« der Anforderungen der Produktspezifikation befinden.

• skaliert: Es wird die etwas detailliertere Frage gestellt, ob die zu testenden Produkte sich »inner-halb« / »gerade eben innerhalb« / »gerade eben außerhalb« / »außerhalb« der Anforderungen der Produktspezifikation befinden.

• deskriptiv: Es wird, wie beim skalierten Test, die etwas detailliertere Frage gestellt, ob die zu testen-den Produkte sich »innerhalb« / »gerade eben innerhalb« / »gerade eben außerhalb« / »außer-halb« der Anforderungen der Produktspezifikation befinden. Sobald Meldungen unter »gerade eben innerhalb« / »gerade eben außerhalb« / »außer-halb« zu verzeichnen sind, ist eine kurze Profilie-rung anzufertigen, um das Ausmaß der Abwei-chung einschätzen zu können (Abbildung 13).

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» Abbildung 13: Fragebogen »Deskriptive Innerhalb/Außerhalb-Prüfung« (DIN 10973, 2006)

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK 13GRUNDLAGEN DER SENSORIK

» Abbildung 15. JAR-Skala (Beispiel) » Abbildung 14: Hedonische Skala, 9-teilig (Beispiel)

HEDONISCHE PRODUKT- UND KONSUMEN- TENFORSCHUNGFürIm Rahmen der Durchführung hedonischer Prüf-verfahren der Produkt- und Konsumentenforschung kommen ganz gezielt Konsumenten / Laien zum Einsatz. Trainierte Prüfer sind ungeeignet, da sie einerseits zu viel Hintergrundwissen mitbringen, also nicht unbeeinflusst urteilen können und andererseits auch, da sie nur selten den Kriterien der gesuchten Zielgruppe entsprechen.

Innerhalb derartiger hedonischer Prüfungen kann man Methoden unterscheiden, welche einen quantitativen Ansatz verfolgen, (d. h. insbesondere die subjektive Beurteilung und Erhebung der Akzep-tanz und Präferenz von Produkten im Fokus haben und solche, welche einen qualitativen Ansatz verfol-gen, (d. h. geeignet sind, insbesondere die Auslöser und Beweggründe des Konsumentenverhaltens zu eruieren.

QUANTITATIVE HEDONISCHE TESTSFür die Erfassung der Beliebtheit von Lebensmitteln und den Vergleich untereinander, werden häufig quan-titative hedonische Tests eingesetzt (DIN EN ISO 11136, 2017). Im Rahmen sogenannter Akzeptanzprüfungen kann einerseits der Gesamteindruck (die Gesamtbe-liebtheit) der Produkte erfasst werden, andererseits können auch einzelne, ausgewählte und für die Konsu-menten besonders relevante Eigenschaften auf ihre Beliebtheit hin untersucht werden. Üblich ist dabei der Einsatz von kategorischen Skalen, z. B. der Hedo-nischen Skala (9-teilig), welche die Eigenschaften von »habe ich gar nicht gern« (1) über »weder noch« (5) bis zu »habe ich besonders gern« (9) einstuft (Abbildung 14). Zusätzlich können auch andere Fragen gestellt werden, z. B. um die subjektive Einschätzung der Intensität verschiedener Attribute festzustellen. Dazu nutzt man »Just-about-right«-Skalen (JAR), welche in der Mitte der Skala anzeigen, dass ein Produkt in seiner Eigenschaft als »gerade richtig intensiv« eingestuft wird; im oberen Bereich der Skala entsprechend »zu intensiv« und im unteren Skalenbereich »zu schwach«

(Abbildung 15). Produkte können entweder einzeln (monadisch) oder mehrere nacheinander (sequenzi-ell-monadisch) getestet werden. Für statistisch aussa-gekräftige Resultate wird die Teilnahme von 60, besser mehr, Konsumenten der gesuchten Zielgruppe gefor-dert. Sobald die Aussagen der Auswertung in Unter-gruppen der Zielgruppe (Alter, Geschlecht, Konsum-frequenz etc.) heruntergebrochen werden sollen, steigt die Anzahl notwendiger Prüfpersonen. Die Auswer-tung der Daten erfolgt via Rangvarianzanalyse. Daten aus Verbrauchertests, welche mittels hedonischer Skala erhoben werden, sind ordinal und unterliegen selten einer Normalverteilung. Daher ist die Ermitt-lung des Friedman’schen Rangkorrelations-Koeffizien-ten mit anschließendem post-hoc-Test angebracht. Für die Auswertung von JAR-Daten nutzt man neben der deskriptiven Darstellung der Häufigkeiten oftmals die sogenannte Penalty-Analyse, welche den Einfluss der einzelnen Attribute auf die Gesamtbeliebtheit eines Produkts auslotet.

Eine Variante der Rangfolgeprüfung (DIN ISO 8587, 2010) für den Einsatz im Rahmen hedoni-scher Tests ist die sogenannte Präferenzprüfung. Hierbei werden den Konsumenten alle Prüfmuster (> 2) simultan präsentiert. Die Konsumenten ordnen die Produkte nach ihrer persönlichen Beliebtheit. In einem Präferenztest mit vier Produkten erhält den Rang 1 das beliebteste Produkt, Rang 4 erhält das am wenigsten beliebte Produkt. Wie bei anderen hedoni-schen Prüfungen wird eine Mindestanzahl an Konsu-menten der gesuchten Zielgruppe von 60 oder mehr, gefordert, um statistisch gesicherte Aussagen treffen zu können. Die Auswertung erfolgt ansonsten analog einer analytischen Rangfolgeprüfung.

Quantitative Tests können neben den beschriebe-nen produktabhängigen Testverfahren (Akzeptanz- und Präferenzprüfungen) aber auch in Form von Fragebogen-gestützten Umfragen (meist produkt-unabhängig) durchgeführt werden. Meist steht dann aber nicht nur die Produktbeliebtheit im Vordergrund der Fragestellungen, sondern auch Aspekte wie die Kauf- und Konsumgewohnheiten von Konsumenten. Entweder finden diese Art Befragungen persönlich in

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sehr ungern sehr gernweder / nochsehr ungern sehr gernsehr ungern sehr gernsehr gernweder / nochSehr ungern Sehr gern zu schwach gerade richtig zu intensiv

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK

Form von Interviews statt, z. B. »one to one« oder als CAPI / »computer aided personal interview«. Alterna-tiv sind unpersönliche Befragungen möglich, entwe-der online (web-basiert) oder als CATI »computer aided telephone interview«. Die statistische Auswer-tung derartiger Tests erfolgt nach gleichen / ähnlichen Kriterien, wie bei allen anderen quantitativen Test-verfahren auch.

QUALITATIVE HEDONISCHE TESTSSobald sich im Rahmen eines hedonischen Tests keine quantifizierbaren Messwerte aufgrund der Nutzung von Skalen oder anderer Systematiken eines Fragebogens ergeben, handelt es sich um qualitative Testverfahren. In der Regel werden bei derartigen Tests vergleichsweise wenige Konsumenten einge-setzt, man hat dabei dann aber auch keinen Anspruch auf eine gesicherte statistische Aussagekraft der Ergebnisse. Ziel dieser Testverfahren ist es vielmehr, von Konsumentenseite qualitative Informationen zu sensorischen Fragestellungen, Konsumgewohn-heiten, Präferenzen, Produktkonzepten, Hintergrün-den usw. zu verschiedenen Aspekten zu sammeln. Bekannte Vertreter dieser Testvarianten sind Fokus-gruppen und Interviews.

Fokusgruppen (Lawless H.T., 1998) sind mode-rierte Gruppen-Diskussionen. In der Regel werden nacheinander mehrere Fokusgruppen zu einer

Fragestellung durchgeführt. Pro Diskussionsrunde nehmen 6–9 Prüfpersonen (Konsumenten / Laien) teil. Diese werden wie bei quantitativen hedonischen Tests aus der Gruppe der gesuchten Zielgruppe rekru-tiert. Varianten der Gruppenzusammenstellung erge-ben sich in der Einteilung der Teilnehmer nach Alter, Geschlecht, Konsumfrequenz usw. – entweder »rein« oder gemischt. Der Moderator leitet die Fokusgrup-pen gemäß einem im Vorfeld festgelegten Modera-tionsleitfaden, der sicherstellt, dass die verschiede-nen Gruppen ähnliche »Inputs« erhalten, welche die Diskussion anregen sollen. Das gesamte Gespräch wird audiovisuell aufgezeichnet und die Auswertung der Daten erfolgt im Anschluss an die Gruppendis-kussionen und nach erfolgter Transkription (Erstel-lung einer »Wort für Wort«-Mitschrift) der Gruppen-diskussion rein qualitativ durch Zusammenfassung und Gruppierung des Gesagten.

Interviews verfolgen grundsätzlich ein vergleich-bares Ziel. Der Interviewer hat einen Leitfaden für die Gesprächsführung zur Verfügung und versucht den Interviewpartner durch gezielte Inputs zum Gespräch anzuregen. Anders als bei quantifizierbaren Inter-views (siehe oben), ist es hier aber dennoch abhängig vom Interviewpartner in welche Richtung der Inhalt eines Gesprächs führt.

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FRAGEN ZUR THEMATIK RICHTEN SIE BITTE AN:

Annette Bongartz KohliLeitung ForschungsgruppeLebensmittel-SensorikGrünetal / SchlossCH 8820 Wädenswil

[email protected] +49 58 934 57 22

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GRUNDLAGEN DER SENSORIK

ABBILDUNGSVERZEICHNISAbbildung 1: Gesamtsinneseindruck (Schema) 2

Abbildung 2: Wege der Aromawahrnehmung 3

Abbildung 3: Entscheidungsbaum Prüfverfahren 7

Abbildung 4: Test-Set »Paarweiser Vergleich« (Beispiel) 8

Abbildung 5: Test-Set »Duo-Trio-Prüfung« (Beispiel) 8

Abbildung 6: Test-Set »Dreiecksprüfung« (Beispiel) 9

Abbildung 7: Test-Set »Rangfolgeprüfungen« (Beispiel) 9

Abbildung 8: Kategorische Skala, z. B. für die Nutzung in einer

Konsensprofilprüfung 10

Abbildung 9: Nicht-graduierte Skala, z. B. für die Nutzung

in einer Konventionellen Profilierung 10

Abbildung 10: Profilbogen Brot (© ZHAW) 10

Abbildung 11: Darstellung der Ergebnisse aus Profilierungen,

«spider-web» (Beispiel) 10

Abbildung 12: Darstellung einer sensorischen Landkarte,

erstellt mittels Sorted Napping (Beispiel) 11

Abbildung 13: Fragebogen »Deskriptive Innerhalb/

Außerhalb-Prüfung« (DIN 10973, 2006) 12

Abbildung 14: Hedonische Skala, 9-teilig (Beispiel) 13

Abbildung 15. JAR-Skala (Beispiel) 13

WEITERFÜHRENDE LITERATUR Busch-Stockfisch Mechthild (Hrsg.): »Sensorik Praxis-

handbuch«, Loseblattsammlung, Behr‘s-Verlag, ISBN

9783860229583;

Lawless Harry T., Heymann Hildegarde: »Sensory Evaluation

of Food: Principles and Practices«, Second Edition, ISBN

9781441964878, 2010;

Meilgaard Morten C., Carr B. Thomas, Civille Gail Vance:

»Sensory Evaluation Techniques«, Fourth Edition, ISBN

9780849338397, 2006;

Munoz Alejandra M. (Ed.): »Sensory Evaluation in Quality

Control«, ISBN 978-1489926555, 1992;

Naes Tormod, Brockhoff Per Bruun, Tomic Oliver: »Statistics for

Sensory and Consumer Science«, ISBN 9780470518212, 2010;

O‘Mahony, Michael: »Sensory Evaluation of Food: Statistical

Methods and Procedures«, ISBN 9780824773373, 1986;

Quadt Alexander, Schönberger Stefanie, Schwarz Maren:

»Statistische Auswertungen in der Sensorik, Leitfaden für

die Praxis«, Behr’s-Verlag, 1. Auflage, ISBN 9783899475319,

2009;

Stone Herbert, Bleibaum Rebecca, Thomas Heather: »Sensory

Evaluation Practices«, Fourth Edition, ISBN 9780123820860,

2012 ;

Varela Paula, Ares Gastón: »Novel Techniques in Sensory

Characterization and Consumer Profiling«, ISBN

9781138034273, 2016

LITERATURVERZEICHNISAust L.B., G. M. (1985). Degree of difference test method in

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DIN 10970. (2002). Sensory Analysis-Time Intensity Test.

DIN 10973. (2006). Sensorische Prüfverfahren- Innerhalb/

Außerhalb-Prüfung.

DIN EN ISO 10399. (2010). Sensorische Analyse - Prüfverfahren

- Duo-Trio-Prüfung.

DIN EN ISO 11136. (2017). Sensorische Analyse - Methodolo-

gie - Allgemeiner Leitfaden für die Durchführung hedoni-

scher Prüfungen (Verbrauchertests) in einem kontrollierten

Umfeld.

DIN EN ISO 4210. (2007). Sensorische Analyse - Prüfverfahren

- Dreiecksprüfung.

DIN EN ISO 8586. (2014). Sensorische Analyse - Allgemeiner

Leitfaden für Ausbildung, Schulung und Überprüfung ausge-

wählter Prüfer und Sensoriker.

DIN EN ISO 8589. (2010). Sensorische Analyse - Allgemeiner

Leitfaden für die Gestaltung von Prüfräumen.

DIN ISO 3972. (2013). Sensorische Analyse - Methodologie -

Bestimmung der Geschmacksempfindlichkeit.

DIN ISO 8587. (2010). Sensorische Analyse - Prüfverfahren

- Rangfolgeprüfung.

EN ISO 13299. (2017). Sensorische Analyse - Methodologie -

Allgemeiner Leitfaden zur Erstellung eines sensorischen

Profils.

EN ISO 5495. (2005). Sensory Analysis - Methodology - Paired

Comparison Test.

ISO 5496. (2006). Sensory Analysis - Methodology - Initiation

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odours.

Labbe D., S. P. (2009). Temporal dominance of sensations and

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Pagès J., C. M. (2010). The sorted napping : a new holistic

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