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Grenzenlos Borderline erkennen, behandeln, überwinden 25. März 2017 Gruppentherapeutische Arbeit mit Borderline-Jugendlichen im tagesklinischen Rahmen Dipl.-Soz. Arb. Sandra Vohl Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters Prof. Dr. med. Stephan Bender

Gruppentherapeutische Arbeit mit Borderline …...hab ich mir auch… also ich hatte das ja so diagnostiziert bekommen irgendwie, und ich hab mir dann trotzdem einfach noch überviel

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GrenzenlosBorderline erkennen, behandeln, überwinden

25. März 2017

Gruppentherapeutische Arbeit mit Borderline-Jugendlichen im tagesklinischen Rahmen

Dipl.-Soz. Arb. Sandra Vohl

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters

Prof. Dr. med. Stephan Bender

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Gliederung

Sandra Vohl - Tagesklinik für Jugendliche - Uniklinik Köln 2

1. Organisatorischer Rahmen

2. Spezifische Regeln

3. Ablauf der Gruppentherapie

4. Spezifische Prinzipien in der gruppentherapeutischen Arbeit der Jugendtagesklinik

5. Schwierigkeiten und Stolpersteine

6. Positives und Erfolge

-> mit Tonaufnahmen aus gruppentherapeutischen Sitzungen

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1. Organisatorischer Rahmen der Gruppentherapie

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• Tagesklinik der KJP UK Köln (Leitung: Dr. M. Krischer)• 2x wöchentlich je 75 Minuten• Alle PatientInnen nehmen teil• Halboffene Gruppe: lfd. Ein- und Ausstieg• Leitung:

Sandra Vohl, Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin (TP), Diplom-Sozialarbeiterin und

Nadine Clausing, Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin

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2. Spezifische Regeln

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• Gruppenregeln wie Vertraulichkeit, respektvoller Umgang miteinander, Pünktlichkeit etc.

• Keine Themenvorgaben von uns

• So viel Therapeutenaktivität wie nötig (moderierend, strukturierend, klärend, konfrontierend), so wenig wie möglich

• Patienten stellen in der Gruppe ihre therapeutischen Ziele vor und machen sie dadurch „öffentlich“ und besprechbar

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Vorstellung der therapeutischen Ziele in der Gruppentherapie

Sandra Vohl - Tagesklinik für Jugendliche - Uniklinik Köln 5

Die Behandlungsziele werden mit dem Bezugsbetreuer vor der Teilnahme an der Gruppentherapie konkretisiert und schriftlich fixiert.

Die Patienten erklären sich damit grundsätzlich bereit, in der GT

- Unterstützung anzunehmen, um selbstschädigende Verhaltensweisen einzudämmen

- sich ansprechbar zu machen

- sich konfrontieren zu lassen

- Mitpatienten auf deren destruktives Verhalten anzusprechen

Angelehnt an das Grönenbacher Modell, Helios Klinik Bad Grönenbach

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Bsp. Konfrontationsvereinbarung:

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Ablauf der Gruppentherapie

• Anfangsrunde mit Ressourcen- oder Bildkarten zur Einstimmung: Hilfreich vor allem für die Neueinsteiger und von der Gruppe gewünscht als „Aufwärmrunde“

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Ablauf der Gruppentherapie

• Anfangsrunde mit Ressourcen- oder Bildkarten zur Einstimmung: Hilfreich vor allem für die Neueinsteiger und von der Gruppe gewünscht als „Aufwärmrunde“

• Aktuelle Themen bei Einzelnen, auch bezogen auf mögliche Konflikte in der Gruppe

• Vorstellung der therapeutischen Ziele neuer Patienten oder überarbeiteter Ziele der „alten“ Patienten

• „Stand der Dinge“ bzgl. schon besprochener Ziele

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Ablauf der Gruppentherapie: Arbeit an den Zielen

• Konkretisieren der benannten Ziele durch Nachfragen (Patienten, Therapeuten) Selbstschädigende Verhaltensweisen werden genauer

beschrieben, z.B. „Ich verletze mich selbst, in dem ich ….“ Zusammenhänge und auslösende Situationen werden benannt,

z.B.: „Es gab vorher einen Streit mit meinem Vater …“ Überlegen: Was wurde evtl. vermieden durch das selbstver-

letzende Verhalten?

• Mögliche alternative Strategien zum Umgang mit innerem Druck erarbeiten

• Konkrete erste Schritte überlegen

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Ablauf der Gruppentherapie: Arbeit an den Zielen

• Bezüge zu Ähnlichkeiten und Unterschieden im Erleben der anderen Patienten werden hergestellt und beschrieben

• Feedbacks werden eingefordert und gegeben• Widersprüche werden deutlich: „Aber gestern beim

Mittagessen hast du doch….“

In spezifischen Situationen: Arbeit mit Stühlen -> symbolisch für unterschiedliche Selbstanteile

des Patienten Rollenspiel zur Verdeutlichung einer typischen (Konflikt-)Situation

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Unsere psychoanalytischen Prinzipien in der gruppentherapeutischen Arbeit

Der zuverlässige und haltende Kontakt zwischen den einzelnen

Gruppenmitgliedern und dem Gruppenleiter bildet den Rahmen,

innerhalb dessen agierendes Verhalten und die Zuschreibung

abgespaltener Selbstanteile konsequent bearbeitet werden

können. (nach: Clarkin; Yeomans; Kernberg: Psychotherapie der Borderline-Störung, 2008)

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Unsere psychoanalytischen Prinzipien in der gruppentherapeutischen Arbeit

• Beschreiben, was wir im Hier und Jetzt wahrnehmen, z.B. Tonfall und Mimik bei der Zielvorstellung, wenn Diskrepanz spürbar zwischen Inhalt und Ausdruck

• Klären und Konfrontieren, bezogen auf die vorgestellten Ziele, sowohl von Seiten der Therapeuten als auch der Patienten Tonprotokoll Klären und Konfrontieren

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Tonprotokoll Klären und Konfrontieren

Sina: Ich wollte generell eigentlich auch nochmal sowas fragen: Also, du meintest ja auch, dass dir das hier eigentlich gut tut und so, ne? Und ehm, du willst halt trotzdem abbrechen, ich versteh´ das irgendwie nicht so ganz.

Luzia: Es tut mir gut, aber ich glaube, was anderes tut mir besser .. Heißt, was machen. Arbeiten oder so…weil ich hab da, ich bin unnormal der Arbeitsmensch. Ich geh da voll auf. Jetzt mal ohne Witz.

Sina: Meinst du auch so, dass das dann so... hast du auch so Angst, dass das hier nicht so in deinen Plan reinpasst und dass es das so kaputt machen kann?

Luzia: Zeit eher…

Sina: Zeit zu verlieren?

Luzia: Zeit zu verlieren (Sina: Boah, das hatt´ ich auch richtig am Anfang). Ich hab voll… ich hab… wir sind zwar jung, aber ich weiß nicht, ob das noch jemand hat, ich hab megaAngst, dass das alles so schnell vorbei geht. (Sina: Mhm!) Meine Jugend, alles… Ich hab so… seit…seit ich 14/13 bin… seit ich überhaupt eh über das Alter nachgedacht hab, seit ich gemerkt hab, wie schnell ich mich über die Jahre verändert hab…- so Pubertät und so…- hab ich so Angst, 18 zu werden.

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Tonprotokoll Klären und Konfrontieren

Ich hab überhaupt einfach Angst erwachsen zu werden, älter zu werden, zu sterben. Ich hab voll Angst davor, aus Alter zu sterben. Versteht ihr was ich meine? Altersschwäche und so.

Sina: Ja, ich kenn das. Ich hatte das auch voll (Anderer Patient: Jetzt schon?), dass ich halt… also sogar, dass ich halt voll Angst hatte, dass die Zeit wegrennt. Deswegen hab ich mir auch… also ich hatte das ja so diagnostiziert bekommen irgendwie, und ich hab mir dann trotzdem einfach noch überviel Druck gemacht so in der Schule, weil ich halt wollte… ich wollte unbedingt mein Schuljahr schaffen, dass ich das halt nicht wiederholen muss und dann ein ganzes Jahr verliere und dadurch hab ich mir halt irgendwie nur noch mehr Druck gemacht… und irgendwie hab ich mich damit auch voll so mit kaputt gemacht… und irgendwie, also mittlerweile denk ich mir halt eher so: ehm, vielleicht ist es… dass es dann wirklich nur ein Jahr ist. Und eigentlich hat man ja viel Zeit, aber es ist halt schwierig so, das so zu... ehm... so zu sehen vielleicht auch (Luzia: Ja!), ne? Also ich kenn das auch voll, dass man sich dann halt irgendwie so voll Stress macht, aber also ich weiß nicht, wenn du halt sagst, dass es dir hier gut tut, dann… also ich weiß halt nicht, ob ich`s dann abbrechen würde. Also ich will dich da jetzt auch nicht so verunsichern… aber…

Luzia: Nein, es… ich frag ja deswegen.

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4. Unsere psychoanalytischen Prinzipien in der gruppentherapeutischen Arbeit

• Beschreiben, was wir im Hier und Jetzt wahrnehmen, z.B. Tonfall und Mimik bei der Zielvorstellung, wenn Diskrepanz spürbar zwischen Inhalt und Ausdruck

• Klären und konfrontieren, bezogen auf die vorgestellten Ziele, sowohl von Seiten der Therapeuten als auch der Patienten

• Mögliche Trivialisierungen benennen, zentrale Punkte in den Vordergrund rücken

• In der Gruppe zeigen sich verschiedene Selbstanteile, die benannt werden können Tonprotokoll Selbstanteile

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Tonprotokoll Selbstanteile

Co-Therapeutin:

Ich glaube, also so aus meiner Sicht…ich hab zum Beispiel in der Situation auch nicht die Sorge, dass die Chris irgendjemand anderem weh tut… aber trotzdem habe ich die Sorge und Hilflosigkeit: Ehm, wie geht es mit dir jetzt weiter? Was machst du jetzt, wenn du dich so schlecht fühlst? Und, ehm, ich mich so im Nachhinein gefragt hab, ob du das aus anderen Situationen kennst, dass dein Gegenüber hilflos dasteht. Oder wie das zu Hause ist, wenn es manchmal schwierig ist und wie… wie sich das da entwickelt? Darüber hab ich mir so Gedanken gemacht.

Chris: Soll ich jetzt die Frage beantworten (lachen)?

Co-Therapeutin:

Wenn du (Chris: Weil es war ja keine richtige Frage) Ja, wenn du...

S. Vohl: Ist ja mehr so ne Beschreibung gewesen, ne? Ist ja keine richtige Frage…

Co-Therapeutin:

Ja, ne, ist auch… kannst ja selber entscheiden.

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Tonprotokoll Selbstanteile

Chris: (lachen) Entschuldigung.

Co-Therapeutin:

Aber vielleicht kannst du einfach sagen, ob du damit was anfangen kannst (Chris: Ja), wenn ich sage: „dein Gegenüber fühlt sich hilflos und weiß dann nicht, wie es weiter geht“.

Co-Therapeutin:

Also, kennst du das, dass es manchmal so ist? Und dann hab ich so das Gefühl, das ist für dich ja auch ne ziemlich blöde Situation.

S. Vohl: Du meinst, wenn das Gegenüber sich so (Co-Therapeutin: Ja) ohnmächtig fühlt, dass…was das dann für Chris bedeutet.

Co-Therapeutin:

Ja.

S. Vohl: Mhm. Dass da jemand steht, der gar nicht weiß, was er da machen soll.

Co-Therapeutin:

Weil es dann schwer ist, dich zu halten.

Chris: Ja.

Co-Therapeutin:

Und dir das Gefühl zu geben, ehm, du schaffst das.

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Tonprotokoll Selbstanteile

Chris: Ne, ich hab irgendwie immer Angst, dass da Leute hilflos sind, weil ich steh ja daneben. Also...also...dass ich dann so…und ich denke, dass ich der Auslöser dafür bin… dass ich dann immer dazu neige, irgendwie noch mehr da so reinzurutschen, weil ich mir immer so denke: „Ja, du bist der Auslöser… jetzt musst du auch was hinterherwerfen, ne.“ (Lachen) Ich weiß nicht, das klingt jetzt irgendwie so voll lustig, aber (S. Vohl: Ja, das ist ja interessant, finde ich) dieses… Wenn jemand mir sagen würde, wenn ich so was mache, „ich bin hilflos“, dann würde ich vermutlich noch wütender werden… also, es müssten sich in meinem Kopf so richtige Szenarien abspielen, was ich jetzt tun würde, aber ich würd es vermutlich nicht machen. Also, ich könnt natürlich einfach dasitzen und heulen wie so` n…

Co-Therapeutin:

Aber danach geht’s immer weiter, immer weiter..

Chris: Ja…

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4. Unsere psychoanalytischen Prinzipien in der gruppentherapeutischen Arbeit

• Beschreiben, was wir im Hier und Jetzt wahrnehmen, z.B. Tonfall und Mimik bei der Zielvorstellung, wenn Diskrepanz spürbar zwischen Inhalt und Ausdruck

• Klären und konfrontieren, bezogen auf die vorgestellten Ziele, sowohl von Seiten der Therapeuten als auch der Patienten

• Mögliche Trivialisierungen benennen, zentrale Punkte in den Vordergrund rücken

• In der Gruppe zeigen sich verschiedene Selbstanteile, die benannt werden können Tonprotokoll Selbstanteile

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5. Schwierigkeiten und Stolpersteine

• Hoher Stellenwert der Peer group: Kritisches Hinterfragen fällt schwer, Rückmeldungen der Patienten untereinander sind oft eher freundlich-unkritisch

• Beschönigung von selbstverletzenden Verhaltensweisen

• Umgang mit Spaltungsmechanismen: „Wir, die Jugendlichen“ vs. „Erwachsene verstehen das nicht“

• „Darüber rede ich nur in der Einzeltherapie!“

• Halboffene Gruppe => Phasen mit vielen Wechseln, was manchmal bremsend, manchmal aber auch hilfreich ist

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6. Positives und Erfolge• In der Gruppe können verschiedene Selbstanteile eines Patienten

deutlich werden: ein Dialog zwischen den Therapeutinnen kann zwei gegensätzliche Pole, die

auch der Patient erlebt, abbilden

die versch. Patienten stehen für unterschiedliche Selbstanteile des Einzelnen

• Allg. Wirkfaktoren von Gruppentherapie, die wir beobachten, z.B.: „Hier fühle ich mich endlich mal nicht wie der bekloppteste Mensch der Welt!“ (Zitat einer Patientin, Mai 2014)

• „Dranbleiben“ an den konkreten Behandlungszielen wird durch die Gruppentherapie unterstützt Tonprotokoll „Dranbleiben“

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Tonprotokoll „Dranbleiben“

Co-Therapeutin:

Ob du vielleicht einfach die Situation nochmal ein bisschen schilderst? Jetzt so mit zwei Tagen Abstand und vielleicht die Anderen dir auch ne Rückmeldung geben können, wie sie das erlebt haben oder was sie da für Gedanken zu haben.

Chris: Also Dienstag, ich glaube… ich glaube, das war diese Situation… ich bin mir nicht ganz sicher… weil ich… ich hab keine Ahnung … Ehm, ich glaube am Dienstag war das mit dem Becker und dem Gespräch… ja… Ehm, das war so, Herr Becker wollte vor dem Mittagessen… wollte er mit mir reden… und dann haben wir noch so Billard gespielt und so... und dann meinte er so, wenn ich fertig gespielt habe, soll ich ihn fragen, ob wir reden können und dann waren wir zu Ende und ich hab so gesagt: „Ja, ich bin jetzt fertig. Wir können jetzt reden.“ Und dann meinte er es wäre jetzt zu wenig Zeit… also es war kurz vorm Mittagessen… dann meinte er: „Ja, dann machen wir das nach dem Mittagessen.“ Und… dann war das Mittagessen vorbei und ich dachte so OK, lass ich ihm mal so 10 Minuten Zeit, weil es ja immer so ist… nach dem Mittagessen verschwinden immer alle (lachen) ...kommt dann 10 Minuten später wieder raus… Und dann, ne, lässt man dem halt so Zeit…

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Tonprotokoll „Dranbleiben“Chris: Und dann dachte ich halt so, als er dann raus kam, dass er dann mit mir reden

will… das war dann nicht so, weil er dann mit Sophia reden wollte und ich war dann einfach irgendwie so enttäuscht davon, weil ich mich so versetzt gefühlt habe, dass ich dann so richtig… das hat mich richtig fertig gemacht und ich weiß es nicht… Also im Nachhinein ist es halt ne Situation gewesen in der ich hätte anders reagieren müssen, aber ich weiß es nicht, irgendwie hat es mich richtig wütend gemacht.

Co-Therapeutin:

Mhm, ja.

Sina: Kann ich aber auch irgendwie nachvollziehen. Ich kenn das auch von mir selber, dass ich mich voll schnell so versetzt und so ungewollt fühle (Chris: Ja.). Das ist richtig schnell… und dann… dass einen das eigentlich völlig fertig macht, obwohl man das eigentlich… eigentlich könnte man das ansprechen und klären (Chris: Ja.) … denkt man sich dann im Nachhinein… aber irgendwie in dem Moment hat man so voll das Gefühl, dass das gar nicht geht und dann fühlt man sich einfach nur so richtig ungewollt.

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Tonprotokoll „Dranbleiben“Chris: Ja.

Sina: Das hab ich auch.

S. Vohl: Habt ihr das denn mitgekriegt… also die Situation, als… als es der Chris da so schlecht ging (Kira: Ja.) und sie so wütend wurde?

Kira: Ehm, wollt ich dir noch was zu sagen… es war... du hast ja dann so das Brettchen geworfen ne? In die Wasserschüssel so. Das war ja überhaupt nicht schlimm ne… ist ja nur Wasser… aber ich denk mir so… ich weiß nicht, ob du so wirklich gezielt das Brettchen geworfen hast…. deswegen… es hätte ja auch was anderes passieren können… ich beispielsweise ich hab mich mega erschrocken ne…. So, nicht, weil mir irgendwie was weh getan hat, sondern dass Brettchen hätte mich ja vielleicht anders treffen können und dass du dann vielleicht halt so denkst… ich mein, dass du wütend warst, kann ich voll verstehen… ich glaub, ich wär auch super wütend gewesen… ich hätte dann wahrscheinlich wieder rumgezickt… halt so auf meine Art und Weise… ja, ich hätte auch blöd reagiert. Aber, dass du vielleicht so mit deinen Problemen, dass du denkst so: „Andere Leute können ja nichts dafür“.

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Tonprotokoll „Dranbleiben“

Kira: Dass du dann Rücksicht vielleicht darauf nimmst, dass du nicht irgendjemand anders dann… (Chris: Ich weiß.) Das ist so, das ist dann halt glaub ich so… weil danach ging`s dir dann nochmal ein bisschen schlechter… und das ist ja dann so ein Teufelskreislauf: Dir geht es schlecht, du machst irgendetwas Unüberlegtes und dann tut dir das später leid und dann geht es dir noch schlechter… so dass du wenigstens das vielleicht erstmal versuchst… irgendwie so ein bisschen.

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6. Positives und Erfolge• In der Gruppe können verschiedene Selbstanteile eines Patienten

deutlich werden: ein Dialog zwischen den Therapeutinnen kann zwei gegensätzliche Pole, die

auch der Patient erlebt, abbilden

die versch. Patienten stehen für unterschiedliche Selbstanteile des Einzelnen

• Allg. Wirkfaktoren von Gruppentherapie, die wir beobachten, z.B.: „Hier fühle ich mich endlich mal nicht wie der bekloppteste Mensch der Welt!“ (Zitat einer Patientin, Mai 2014)

• „Dranbleiben“ an den konkreten Behandlungszielen wird durch die Gruppentherapie unterstützt Tonprotokoll „Dranbleiben“

• Zusammensetzung des Therapeutenteams hilft dabei, sowohl die Nähe zu den Patienten als auch die Distanz situativ nutzen zu können und Spaltungsprozesse zu verhindern

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29Sandra Vohl - Tagesklinik für Jugendliche - Uniklinik Köln

6. Positives und Erfolge• Ernsthaftes Besprechen der Themen, die die Jugendlichen

einbringen => Erleben von Selbstwirksamkeit wird gestärkt, neue Verhaltensweisen werden ausprobiert

• Die Veränderung von selbstreflexiven Funktionen wird durch die Gruppentherapie gefördert durch die Konfrontation von zwei Seiten (Jugendliche und Therapeuten)

• Die oft schwach ausgeprägte Fähigkeit, das innere Erleben in Worte zu fassen, wird durch die Gruppentherapie gestärkt

• gemessene Veränderungen im Bereich internalisierender Verhaltensweisen wie signifikanter Rückgang ängstlich-depressiver Symptomatik und sozialen Rückzugs als Miterfolg der Gruppentherapie

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit!

Sandra Vohl

[email protected]

Klinik und Poliklinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie des Kindes- und Jugendalters

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