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Güntert, Von der Sprache der Götter und Geister

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Language of the gods, Homer

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  • MICROFILMED BYUNIY^'^^' r'^NT

    M/vSTER NEGATIVE iNO.:

  • yVON DER SPRACHE

    DER GTTER UND GEISTERBEDEUTUNGSGESCHICHTLICHE

    UNTERSUCHUNGEN ZUR HOMERISCHENUND EDDISCHEN GTTERSPRACHE

    VON

    HERMANN GNTERT

    UNIVERSriY OF TORONTOLIBRARY

    MASTER NEGATIVE NO.:9i.Qo9../.L-r.k.

    HALLE (SAALE)VEKLAG VON MAX NIEMEYER

    1921

  • An allen Orten soll meinem Namen gerncheit und einreines Speisopfer geopfert werden; denn mein Name sollherrlich werden unter den Heiden, spricht der HErr Zebaoth.

    Prophet Maleachi I. 11.

    \) ava^, ov To (iuvthv ioxi lo ir .Je?.(potq,o?Tf Xf-yet ovxf: xqvktsi, akX OTj/taiVEi.

    Heraklit.

    ic Stimme DtteS.3)te Kreaturen fiiib befe (Siegen SBorteS Stimme:(5 fingt wnb Hingt fid^ felbft in Slnmutl) unb im @rimme.

    Ang-elua Silesius, der Cherubinische Wandersmann, 1657, I, 270.

    xV

    a f) O I'X /i\)(J O X ^^ 'X

  • yFieilieiTii Ludwig von Heyl zu Herrnsheira

    zugeeignet

    in dankbarer Erinnerung an unvergeliche, von herzlichster Freundschaft

    durchsounte Wormser Jugeudtage

  • yVorbemerkung.

    Wer vom Titel verfhrt von den folgenden Bltternetwa mystische Erbauung oder gar theosophische Belehrungerwarten sollt, tut gut, sie ungelesen aus der Hand zu legen.Wenn sich der Verfasser auch nicht gerade jeden Verstnd-nisses mystischer Erlebnisse fr bar hlt, so galt es jedenfallshier, einem streng wissenschaftlichen Problem mit philo-logischer Kritik und sprachwissenschaftlicher Nchternheitnachzuspren: daher der vor allen Weihrauchwlklein war-nende Untertitel des Bchleins. Die Frage nach der Her-kunft der bei Homer und in der Edda als Ausdrcke der Gtterausgegebenen AVorte, die merkwrdigerweise noch keine ge-nauere sprachwissenschaftliche Behandlung erfahren hat, warmir zuerst bei meinen Untersuchungen ber die ahurischenund daevisclien Ausdrcke im Awesta ^) entgegengetreten undhielt mein Interesse gefangen, je widersprechender gelegent-liche, hier und dort geuerte Erklrungsversuche, die mirallmhlich bekannt wurden, eine Antwort zu geben suchten.Da es also nicht allein galt, die einzelnen Gtterworte" imbesondern sprachwissenschaftlich zu wgen, sondern auch dasProblem als ganzes und allgemein zu verstehen, mute einegrere, religionswissenschaftlich gefrbte Einleitung meineAnsicht von der Entstehung dieses Glaubens aus volkstm-lichen Vorstellungen von der Macht des Namens undWorts sachlich begrnden. Da jedoch der Wort-aber"-glaubevon verschiedenen Seiten schon ausgiebig behandelt ist, konntees sich fr unseren Zweck nur darum in diesem einleitenden

    ') Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad. d. Wiss. , 1914, 13. Abhandlung,vgl. die Fun. 1 auf Seite 3.

  • VI

    Teile handeln, aiicli den solchen Fragen ferner stehendenLeser in die in Betracht kommenden primitiven Gedanken-gnge einzufhren und ihn zu dem Punkte zu geleiten, vondem aus ich den Gla,uben an eine besondere S])rache der Gtterund Geister, ganz allgemein betrachtet, erklren zu knnenglaube. Um erschpfende Materialsammlung ist es mir alsoin diesem ersten allgemeinen und grundlegenden Abschnittkeineswegs zu tun; ich glaube aber, da das Gebotene, dasich aufgrund eigener Sammlungen etwas individueller zu ge-stalten suchte, zur Einleitung in das eigentliche semasio-logische Problem der beiden nchsten Abschnitte vollauf ge-ngen drfte. Da ich bei einem Stoffe, der Sprach- undEeligionshistoriker, klassische Philologen und Germanisten ingleicher Weise angeht, in der Darstellung ausfhrlicher undallgemein verstndlicher sein mute, als das bei einer rein inein einziges Sondergebiet fallenden Facharbeit ntig ist, lagauf der Hand, Wenn ich auch den philologischen und reli-gionswissenschaftlichen Fragen keineswegs auswich, so istdoch die ganze Arbeit in erster Linie vom Standpunkt desSprachwissenschaftlers geschrieben, der sich besondersfr die Fragen der Wortgestaltung, Wortschpfung und Wort-bedeutung interessiert, dem aber auch die Ansichten ver-gangener Zeiten ber die Kraft der Sprache und des Wortsaller Beachtung wert erscheinen; insofern ist diese Unter-suchung auch als Beitrag zur indogermanischen Altertums-kunde gedacht.

    Fr freundlichen Beistand bei der Drucklegung dieserArbeit spreche ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Ge-heimrat Prof. Dr. Bartholoma e, meinen besten Dank aus; sehrzu Dank verpflichtet fhle ich mich auch gegen meinen Ver-leger, Herrn Hermann Niemeyer in Halle, der sich trotz derUngunst der Zeitverhltnisse in der entgegenkommendsten, un-eigenntzigsten Weise meines Buchs angenommen hat.

    Heidelberg, im Januar 1921.

    Hermann Gntert.

  • /vi/

    Inhaltsbersicht.

    Seite

    I. Einleitender und grundlegender Teil. Der Glaube an Geister-sprachen im allgemeinen und seine Erklrung:

    1. Nomina als nuniina und omina 12. Engelszimgen 233. Die Bildungsarten von Zauberworten 55

    II. Teil. Die tiomerische Gtterspraclie:

    1. GtterAvorte 892. Paare von Gtter- und Menschenworten 1043. Nachhomerische Belege fr Gtterworte und sakrale

    Metaphern 116!

    I

    III. Teil. Die Synonyme der Alvissmpl:

    1. Das Gedicht als .Ganzes 1302. Die einzelnen Geisterworte 1403. Ergebnis und indische Parallelen 151

    Ausklang. Naturstimmen als Geistersprache nach einigen Dichter-,

    ' Zeugnissen 160

    / Berichtigungen und Nachtrge 172\

    \ Seitenweiser:I. Sachverzeichnis 173

    II. Wrterverzeichnis 175

  • 1.

    Jl)m leisen Raunen und schaffenden Weben der Natur hatdie lauschende Volksphantasie seit ltesten Zeiten viel mehrgehrt als nur sinnlose Gerusche und bedeutungsleere Tne

    ;

    man empfand darin vielmehr die vernehmlichen Stimmen ber-menschlicher Mclite und Wesen, die in einer geheimnisdunklenRtselsprache lispeln und wispern, die den allmchtigen Welten-schpfer preisen, die aber auch dem Sterblichen Warnungenund Ratschlge zukommen lassen, wenn er ihre Rede zu fassenvermag. Hhe und Stand der religisen Anschauungen istbei dieser gefhlsmigen berzeugung verhltnismig gleich-gltig; mag der Mensch sich die ganze Natur von Geisternund Dmonen bevlkert denken, oder mag er in dem Weltallund seinem gesetzmigen Kosmos selbst die wirkende Gottheitverehren, mag er sich seinen Gott noch so geistig, demMenschenhirne unfabar vorstellen oder von der Herrschaftdes Unterbewutseins, des fremden Gastes" in der Menschen-seele, berzeugt sein, wie ihn krzlich Maeterlinck ge-schildert hat'): dieser Grundberzeugung, da in den Stimmender Natur gttliche Mchte reden und verknden, was ewigschaffend uns umwallt", bleibt zugnglich, wer berhauptgefhlsmigen Stimmungen Berechtigung und Zutritt inseiner Seele zugesteht:

    Die Himmel rhmen des Ewigoi Ehre,Ihr Schall pflanzt seinen Namen fort.Ihn rhmt der Erdkreis, ihn preisen die Meere:Vernimm, o Mensch, ihr gttlich Wort!

    Jahrtausendalte berlieferung ist es, die solche Emp-findungen tief in der fhlenden Menschenbrust gefestigt und

    ') M. Maeterlinck, Der fremde Gast, Jena 1919.Giiteit, Sijrac'lic dor Cittoi- luid Geister. 1

  • geborgen hat. Der g-estirnte Nachthimmel in seiner Majestterschien dem grten deutschen Denker als eine ehrfurcht-erregende Offenbarung des Ewigen, Grenzenlosen, und selbstder moderne, exzentrische Dichterpsycholog, der sich so gernein der Rolle eines Gottleugners, Gottzertrmmerers gefllt, isthochempfnglich fr diese groartige Zeichensprache derNatur, fr die Erhabenheit des Sonnengestirns, das er so oftredend einfhrt, fr das beredte Schweigen der Flammen-schrift am Sternengewlbe, ewiger Bildwerke Tafel"; erfhlt seine Seele in tiefsten Tiefen erschauern, wenn seineentzckte Weisheit ein berirdisch Zeichen aus anderenWelten gleich einer stummen Eede des Alls zu gewahrenwhnt

    :

    Ich sehe hinauf

    Dort rollen Lichtmeere: Nacht, Schweigen, o totenstiller Lrm! . . .Ich sehe ein Zeichen

    ;

    aus fernsten Fernensinkt langsam funkelnd ein Sternbild gegen mich . . .

    Man sage nicht oberflchlich, das sei nur dichterischesBild, nur Gleichnis, also Dichter - Erschleichnis ! Dasseelische Erleben und Schauen ist das gleiche, ob es sichnun hier mehr in religiser, dort mehr in sthetischer Formuere.

    In dieser tlberzeugung von den flsternden Geister-stimmen der Natur ist einer der Hauptgrnde fr die Weis-sagekunst, fr die Mantik, zu sehen: im sanften Suseln derBltter in der Krone heiliger Bume wie im murmelndenGepltscher eines heiligen Quells, im Flug der Vgel wie imKrperinnern des Gtteropfers, im Donnergrollen und Sturmes-brausen wie im Flimmerglanze der Sternmyriaden an derentwlkten nchtlichen Himmelskuppel, im Verhalten geweihterTiere wie in Traumgebilden: berall erlauschte die be-obachtende, hinhorchende und kombinierende Menschenseelegeheime Zeichen, versteckte Winke berirdischer Wesen, diein^ihrer Art, in einer seltsam eigenen Gtter- oder Geister-sprache, Rtsel des Daseins entsiegeln, die Warnungen oderRatschlge dem Kundigen erteilen, die sogar die sterblichen

  • Augen ewig verschleierte Zukunft, das allgewaltige Schicksalselbst, zu erffnen gewillt sind. Nur besonders begnadete,hellhrige Menschen freilich, Priester und Sibyllen zumal,aber auch die Dichter unti Seher verstehen sich auf diese

    Gttersprache und vermgen sie den anderen Menschen zudeuten und zu bersetzen. Ja sogar Menschenlippen knnendiese berirdische Sprache lallen, dann nmlich, wenn eineheilige Begeisterung, eine mystische Verzckung eine Steigerungber menschliches Ma ermglicht: so stammelte, des Gottesvoll, die delphische Pythia rollenden Auges und mit schaum-bedecktem Mund ihre Rtselworte, die nur dem Priester ver-stndlich waren, so denkt sich Aischylos seine Kassandra inunklaren Lauten gleich einer Schwalbe zwitschern, i) so hrteder mittelalterliche Mystiker in unmittelbarem Schauen derGottheit und der Engelchre diese himmlische Sprache, soredeten seit den Tagen des Paulus bis in unsere unmittelbareGegenwart schwrmerische Christen in einer besonderen Ver-zckung in Stimmen der Engel, so berichten geeignete Medienim Trance -Zustand von auermenschlichen Sprachen. Aufsolche Weise kann die Rede der berirdischen Wesen un-mittelbar beobachtet werden, da die Personen in ihrer Ver-

    zckung und ihrem Enthusiasmus nur das Sprachrohr, daswillen- und bewutlose Sprachwerkzeug der Mchte sind, vondenen sie besessen" werden. Aber der Priester, der ja diesefremdartigen Worte und Schreie zu deuten vermag, kanndann auch seinerseits mittels solcher magischen Worte sichmit den berirdischen Mchten ins Benehmen setzen : Zauber-formeln und -Sprche sind nmlich, in diesem Sinne betrachtet,ebenfalls nichts anderes als die Wrter einer Geistersprache,mittels deren der Zauberer den Geistern zu gebieten imstandeist. Dies wird deutlicher, sobald wir uns die Bedeutungdes Namens und Worts in primitivem Volksdenkennur einigermaen zu vergegenwrtigen suchen.-)

    ') Agamemnon 1050 f.-) Ich stelle die wichtigste Literatur zusammen : Tylor, rgesch. d.

    Menschheit, 1866, 136 ff., Nyrp, Navuets magt in Mindre Afhandlinger ud-give af det Phil.-Histor. Sarafund, Kopenhagen 1887, 118 ff., Frazer, Thegolden bough I-, -10J3if., v. Andrian, Correspondenzbl. d. d. Ges. f. Anthropol.,Ethnol u. IJrgesch., 27, 1890, 109 ff., Kroll, Rhein. Mus. 1898,345, Giese-

    1*

  • Goethes Ausspruch. Name sei Schall und Rauch, istnmlich eine ganz junge, moderne Auffassung und hat frltere Zeiten jedenfalls keine Geltung. Es ist brigens inter-essant, da der Dichter, dessen grblerischer Faust das Wortja auch so hoch unmglich schtzen kann, seinerseits sehrwohl ein Gefhl fr jenes geheimnisvolle Etwas besa, dasselbst heute noch den Namen umgibt. Wie er nmlich inWahrheit und Dichtung" erzhlt,

    ') schrieb einst der krittlige

    Herder in Straburg an den Dichter eine Karte, in derGoethes Name nicht eben freundlich unter eine trbe etymo-logische Lupe genommen wurde : Z)er von Gttern du stammst,von Goten oder vom Kote, Goethe, sende sie"^) mir.^^ DerDichter fhrt weiter: Es war freilich nicht fein, da ersiehmit meinem Namen diesen Spa erlaubte; denn der Eigen-name eines Menschen ist nicht etwa wie ein Mantel, der bloum ihn herhngt, und an dem m.an allenfalls noch zupfen undzerren kann, sondern ein vollkommen passendes Kleid, ja wiedie Haut selbst ihm ber und ber angewachsen, an der mannicht schaben und schinden darf, ohne ihn selbst zu verletzen."Auch Th. Storm hat ein feines Verstndnis fr die besondereBedeutung des Namens gehabt, wenn er singt s):

    Denn ob der Nam den Menschen macht.Oh sich der Mensch den Namen,Das ist, weshalb mir oft, 7nein Freund,Bescheidne Zweifel kamen.

    BRECHT, Die alttestameutliche Schtzung- des GottesuameDS, 1901, 08 ff.,Heittmller, Im Namen Jesu, Forsch, z. Bei. d. alten u. neuen Testam. II,Dieterich, Mithrasliturg-ie^, 1910, llOff. , W. Schmidt, Die Bedeutungdes Namens im Kult und Aberglauben, Beilage z. Jahresber. d. Ludwig-Georgs-Gymnasiums in Darmstadt, 1912, Hirzel, Der Name, Abhandl. d.Sachs. Ges. d. Wiss., XXXVI, Nr. 2. Einzelnes bei Clodd, Folk-Lore I,1890, 272 f., Arch. f. Religionswiss. IV, 1901, Iff., Wbllhausen, Restearab. Heidentums

    -^ 1897, 199ff., Kauffmann, Balder, 1902, 198ff., A.Ermau,Aegypt. Religion 1905, 101, lOi, 155, Schindler, Aberglaube des Mittel-alters, 18.58, 96 ff., E. Littmann, Festschrift f. Andreas, 1916, 86 ff.,Scheftelowitz, Die altpersische Religion und das Judentum, 1920, S. 57.

    ') Aus meinem Leben, 10. Buch.-) Ciceros Briefe.) In dem Gedicht Zur Taufe". So behauptet Origenr s c. Gels. I, 24 f.,

    die Namen seien nicht d^iGn, sondern

  • Eins aber wei ich ganz' gewi:Bedeutsam sind die Namen.

    In alten Zeiten vollends ist der Name und das Wortetwas hnliches wie eine seelische Substanz, jedenfalls etwasReelles, Wirkliches, Seiendes, etwas, das Leib und Seele anBedeutung als gleichwertig galt. Aus der altindischen, be-sonders der buddhistischen Philosophie ist der Ausdrucknmarpa- Name und Aussehen" zur Bezeichnung des Wesenseines Dinges bekannt,') in der Jfm^H.s- Lehre begegnetder hnliche Begriff nmaguna- Name und Eigenschaft". 2)Die alten gj^pter lehrten geradezu, der Mensch besteheaus Leib, Seele, dem schattenhaften anderen Ich (Ka) unddem Namen. 3) Nach ethnologischer Quelle'*) sollen dieBewohner von Angmagsalik an der Ostkste von Grnlandkurz und bndig behaupten, der Mensch sei aus drei Teilenzusammengesetzt, aus Leib, Seele und Namen. Wer denNamen eines Geistes kennt, der hat Macht ber ihn, der kannkraft dieser magischen Gewalt den Dmon zitieren. Diefeierlichen Anrufungen der Gtter im Gebet und Zauber be-schwren nach primitiver Denkungsart das berirdische Wesen;die Verbindung der Menschenwelt an das Geisterreich ge-schieht lediglich durch Namensnennung. Solange man einesDmons Namen nicht wei, kann man sich seiner nicht er-wehren; er ist unangreifbar, unfabar, alle Abwehrmaregelngegen seine Tcke sind Schlge in die leere Luft. Das be-kannte und weit verbreitete Mrchen vom Rumpelstilzchen"lehrt dies aufs anschaulichste.) Von Hexen in Werwolfs-gestalt singt Goethes Zigeunerlied", das wirkungsvoll hier-hergehrige aberglubische Motive verwendet. Da der Zigeunerden wahren Namen der sieben Wlfe kennt, machen sie bei

    S. Oldenberg, Buddha* 1900, 46. 262 ff. und Weltanschauung derBrhm.-Texte 1919, 105.

    *) Sat. Br. XI, 2, 'S, 1 heit es : Das Weltall reicht so weit als Gestalt

    und Name.") A. Erman, Aegypt. Religion, 1905, 8Hff.

    *) V. Andrian im Correspondenzblatt d. dtsch. (jesellsch. f. Anthrop.,Ethuol. u. Urgesch. 27, 1896, Spalt 115.

    ') E. Cloth, The pliilo.sophie of Rumpelstiltskin , The Folk-LoreJournal 1888, 7, 157 ff.

  • der bloen Namensnennimg kehrt, weil sie sich in der Zauber-gewalt des Rufenden wissen:

    Ich scho einmal eine Katz' am Zaun,Der Anne, der Hex', ihre schwarze liehe Katz';Da kamen des Nachts sieben Werwlf zu mir,Waren sieben, sieben Weiber vom Dorf.

    Ich kannte sie all', ich kannte sie wohl,Die Anne, die Ursel, die Kth',Die Liese, die Barbe, die Ev\ die Beth;Sie heulten im Kreise mich an.

    Da nannf ich sie alle bei Namen laut :Was willst du, Anne? was willst du, Beth?Da rttelten sie sich, da schttelten sie sichUnd liefen und heulten davon . . .

    Wille wau wau u)au!Wille wo wo wo

    !

    Wito hu!

    Wer den zauberkrftigen Namen vergit, hat jede Herrschaftber die geisterhaften Erscheinungen verloren. Das zeigtabgesehen von Hauffs bekanntem Kalif Storch", der aufdiesem Motiv beruht, wieder Goethe im Zauberlehrling",der die (ieister, die er rief, nicht mehr los werden konnte'):

    .,Ach ich merk' es! Wehe! uehe!Hab' ich doch das Wort vergessen

    !

    Ach, das Wort, worauf am EndeEr das ivird, was er gewesen!

    Eine naive, aber in ihrer Art ganz folgerichtige Logikliegt den primitiven Vorstellungen dieses Namensaberglaubenszugrunde. Nach einer jdisclien Geheimlehre'-) z. B. kannman einen Dmon dadurch verscheuchen, da man seinen

    ') Den Stoff zu dieser Ballade fand Goethe bekanntlich bei Lukian.Philopseudes 00 ff.

    ^) Aboda zara r2b, Fesachiui 1 12 a, s. (jikskbrkcht, Alttest. Scht/iniy(1. Gottesnamens 74, Hkittmm-kr, Im Namen Jesu, Forsch, z. R^lig. d.alten u. neuen Testaments II, 165.

  • Namen wiederholt ausspricht und dabei jedesmal eine Silbeoder einen Buchstaben weglt: Schabriri, briri, riri, iri, rifGenau zu demselben Zweck wird z. B. der griechische Spruchdienen ') : axQay.avuQa xccra{ta araQa rccQa aga Qa a aAf'/f oXor ovToc To orotia jm^/ryotidc^.

    Name ist ein Teil des Wesens ; es wird hier also gleichsamvon dem Wesen des Dmons Stck fr Stck abgehackt, under flchtet, um auf diesem Wege des Analogiezaubers nichtvllig vernichtet zu werden. Wie man mittels magischerAnalogiehandlung eine Wachspuppe fr die betreffende Person,gegen die der Schadenzauber sich wendet, einsetzen kann, soda sie selbst die Mihandlungen der Puppe am eigenen Leibesprt, wie eines Fingers Glied, ja nur die Fuspur gengt,um die ganze Person in magische Gewalt zu bekommen, 2) sokann man mit dem Namen, der ja ein so wesentliches Stckder dmonischen Macht ist, Herr ber sie werden. 3)

    Natrlich sind diese zauberkrftigen Geisternamen nichtallgemein bekannt, sind nicht etwa dieselben, wie die gewhn-lichen Eigennamen, mit denen der Laie den Gott oder Geistbenennt. Es handelt sich also um Geheimnamen, derenKenntnis das Vorrecht der Priester und Zauberer ist. Schonim ltesten Denkmal des Indogermanentums spielen diese ge-heimen, wirklichen" Namen eine Rolle, im Egveda. So liest

    ') K. Wkssely, Ephesia grammata (Jahresbericht d. Franz - Joseph

    -

    Gymnasiums in Wien) 1886, S. 28, Nr. 303.2) Vgl. dazu R. Andree, Ethnogr. Parallelen u. Vergleiche 1889, 8 ff.') Vgl. z. B. AV II, 31, 2 f. (in der bersetzung Grills Hundert Lieder

    des Atharva-Veda", 1888, 6):

    2. Den Sichtbaren" und den Unsichtbaren'zerquetsch' ich, den Kurru auch,Die Alndti und Calunazermalmen alle wir durch' s Wort.

    3. Mit mcht'ger Waffe tot' ich die Alndu,ob sie verbrannt, ob nicht sie sind unschdlich;

    Was brig, wie das Abgetane, zwing ichdurchs Wort: kein einz'ger Wurm soll brig bleiben.

    4. Den Wurm, der in dem Eingeweid.und was in Kopf und Rippen sitzt.Acaskacu, Viadhoarazermalmen wir durch unser Wort.

  • 8man z. B. RV IX, 95, 2 : devo devdnm (jiihyni nmvis hrnotibarhisi pravace der Gott (sc. Soma) offenbart der Gtter ge-heime Namen, sie auf der Opferstreu zu verknden".Ebenda V, 5, 10 heit es: Dorthin bringe die Opferspenden(havyni), wo du, Waldesherr (vnaspU-), die geheimen Namender Gtter weit." ') Vgl. auch IX, 58, 1, wo vom geheimenNamen der Opferbutter die Rede ist. Nach Sat. Br. II, 1, 2, 11ist rjuna- ein geheimer Name Indras : rjuno ha vai namendroyad asya guhyanma 'for indeed Indra is also called rjuna-,this being his mystic name';2) Indra ist indha- der Ent-flammer" VI, 1, 1, 2, Agni wird Nabhas genannt, ebendaIII, 5, 1, 32. Auch im Awesta ist von dem heiligsten Namen"der Gottheiten die Rede (z.B. Y5,3 und sonst), man ge-braucht den, der von den Namen der frderndste ist" (Y 36,3);der Name der Amdsasx)entas berwindet die Tcke der Dmonen(Yl,3). So wird zifo'rvooc in Mysterien jrvQiytv/jc, Lucinamit dem Fremdwort Ilithyia, Proserpina furva genannt:'mystico nomine'.^) Kein Mann durfte in Rom, wie Cicero,de harusp. resp. 37 berichtet, den wahren Namen der bonadea erfahren. Rom hatte ebenfalls Geheimnamen, die mannicht einmal beim Gottesdienst nennen durfte: Serv. zu Verg.Aen. I, 277 urbis illius verum nomen nemo vel in sacris

    enuntiat.') Nach lo Lydus de mensibus IV, 25 soll dersakrale Name Roms Flora gelautet haben, daneben wird alsorof/a TtkiorrAor Amor diesem oro// uQarixi' Flora gegen-bergestellt. Es wird von Plin. bist. nat. XXVIII, 18 erzhlt,da dies deswegen geschah, damit Feinde bei einer etwaigenBelagerung der Stadt den Namen der Stadtgottheit nichtkennen und auf diese also nicht magisch mit Namensnennungeinwirken knnen.'^) Arabisch alWi ist natrlich kein Name,die Muhammedaner drfen ihn daher stndig im Munde fhren

    ;

    das Wort bedeutet nur der Gott", der wirkliclie Name Allahs/

    *) Siehe Bhlbr bei v. Andrian a.a.O. 125, Grdr. d. indo-ar. Phil.III, 2, 47 und 170.

    ') EGr,Ei.iN(i, Sacr. Books oi the Easi XTI, 1S8'2, 285, 11.') Siehe Belege bei Lobeok, Aglaophamiis I, 401 f.*) Lobeck, Aglaoph. 274, Fnn. g, \V. Scjhmidt, Bedeutung des

    jSamens, S. 45.) Schmidt a. a. 0.

  • ist Geheimnis 1): wer ihn kennt, ist des grten Zaubersmchtig. Auch bei den alten Babyloniern spielt der heilige",groe" Name eine gewichtige Rolle. a ist in diesen Sagender Herr der ewigen Geheimnisse, er oifenbart den all-mchtigen, geheimnisvollen Namen", dem sich auch die Hllen-mchte beugen mssen.-)

    Der gyptisclie Zauberer droht dem Gott, seinen Namenden Menschen zu verraten, so da er diesen dienstbar werdenmte, wenn er des Magiers Wunsch nicht erfllt. 3) ImTotenbuch spricht der Tote, der zur Halle der beiden Wahr-heiten gelangt, also^): Gelobt seist du, du groer Gott, duHerr der beiden Wahrheiten . . . ich kenne dich und kenneden Namen der zweiundvierzig Gtter, die mit dir in derHalle der beiden Wahrheiten sind." In einem anderen gyp-tischen Text spricht Isis zu He: Sage mir deinen Namen,mein gttlicher Vater ; der Mann, dessen Name genannt wird,bleibt leben." ^) In einem griechischen Papyrus aus gypten**)heit es: Erhre mich, denn ich werde den groen Namenaussprechen, Thaoth, den jeder Gott verehrt und jeder Dmonfrchtet." ')

    Auch bei den Juden ') wird vom Geheimnaraen Gottesviel geredet; schon zu Jesu Zeiten durfte der wahre Wertdes Wortes r^^i-:^ nicht ausgesprochen werden; auch nur einenBuchstaben des niedergeschriebenen Wortes auszulschen, galtals Frevel. Gottes wirklicher" Name, richtig ausgesprochen,bewirkte die grten Zauberkrfte, die einem Menschen be-schieden sein knnen. Das bloe Aussprechen gengte, denGegner zu vernichten, die Naturkrfte zu beherrschen, denDienst der Geister und Dmonen zu erzwingen, die vor demmagischen Wort erzittern; bei Krankheiten Avird damit der

    ') Tylok, Urgeschichte 18y, Schmidt a.a.O. 89, De Jon, AntikesMysterienweseu

    ', 1909, 143; Nldeke, Tabari 183.'') Lenormant, Magie und Wahrsagekunst der Chalder^, 1920, 19.') A. Erman, Aegypt. Relig. 154.) A. Erman a. a. 0. 104.") A. Erman a a. 0. 155.") Dieterich, Papyr. mag. 1888, 800, Wibdemann, Relig. d. alten

    gypter 1890, 114.') Vgl. weitere Belege bei Scheftelowitz, Die altpers. Relig. u. d.

    .Judentum 1920, S. 57, Fnn. 1.

  • 10

    unreine Geist" ausgetrieben, i) In der Erscheinung desfeurigen Busches war Moses das gewaltige Wort geoffenbartworden; 2) er soll nach spterer jdischer berlieferung esauf einen Zauberstab geritzt haben genau wie der nordischeWiking seine zauberkrftigen Runen in Stbe eingrub. Als

    ) Vgl. z. B. die jdische Bleitafel von Hadrumetum, Wnsch, Defix.tabell. CIA Appeiid. p. XVII: 6Qxi'C,(o ae t6 ayiov ovo^a, o ov Xiyeraf. . .

    xai Ol aiixoveq ^^sye^d-ioiv ^^xd-a/uoi xal 7ieQL(po [oi yevjo/xsvoi . . .'^) Als praktische Proben weiterer Geheimnamen genge eine mittel-

    alterliche Beschwrung des Geistes Aziel, die hier nach Schindler, Aber-glaube des Mittelalters, 1858, 114 folgen mge: Ich N. N. beschwre dichAziel mit diesen Machtworten: El und EU. die Adam gehret und aus-gerufen, und durch den heiligen JS'amen Gottes Agle, den Loth mit seinerganzen Familie gehret und durch den er gesund geworden, und bei demNamen Jod, den Jakob von dem Engel gehret, der mit ihm gerungenund von der Hand seines Bruders Esau befreit hat, und bei dem NamenAnapMereton, den Aaron gehret, wodurch er beredt und verstndig wurde,und bei dem heiligen Namen Zebaoth, den Moses genennet, wodurch eralle Wasser und Pftzen in Blut verwandelte, und bei dem Namen Escha-rejah ariton, den Moses genennet, worauf sich alle Wasser in Frscheverwandelt haben, die in den gyptischen Husern alles verwsteten, undbei dem Namen Elgon, den Moses genennet, worauf ein solcher Hagel ent-stund, dergleichen von Anbeginn der Welt niemals gewesen war, und beidem Namen Adonai, den Moses geueunet, worauf Heuschrecken hervor-kamen, sich ber ganz gypten auszubreiten und das noch brige Getreidezu verzehren, und bei dem Namen Scheiusnmoihia, den Josua nennete,worauf die Sonne ihren Lauf verlor und stille stand, und bei dem NamenAlpha und Omega, den Daniel nennete, wodurch ei' den groen Drachenniederstie und ttete, und bei dem Namen EmonueL den die drei Jng-linge, Sadrach, Memcli und Abednego in dem feurigen Ofen gesprochenund dadurch errettet wurden, und bei den drei verborgenen Namen unseresHerrn und allmchtigen Gottes, dem Lebendigen und Wahrhaftigen, Agle,Elohu, Tetragrammaion : erscheine mir ganz freundlich vor meinem Kreiseund bringe, was ich von dir fordere. Das gebiete ich dir, Geist Aziel,im Namen Jesu!" Das Geraisch hebrischer, griechischer und knstlicherWrter ist sehr lehrreich. Ganz hnlich lauten die altgriechischen Be-schwrungsformeln, z.B. ivtvxofxul oot xaxv. tof! luw '&to^ Xuu(i)x> 9tot)Awvai Ihfof} Mi/ar}). Hhov ^ov(Jir/k i^toC ra(Jirj?. i)-tov ^Puiparjk i>fofA()uoa^ iyiov 'A/Mvax}uva?.a ux(jtmfiuxfQi O^wl' xv(jiov . . . S^tov xvqIovAau

  • 11

    kostbarstes Erbe berlie der Prophet diesen Stab mit demeingeschnitzten Zaubernamen, womit er seine Wunder ver-richtet hatte, seinem Nachfolger Josua. Besonders oft redeteman von zauberkrftigen Siegelringen, in denen der Sehern,

    der magische Wundername, eingraviert war. So erzhltJosEPHOs 1) vom Juden Eleazar. der mit einem solchen Ringam kaiserlichen Hof in Rom Dmonen austrieb, und in derApokalypse ist von einem Siegelring Grottes die Rede, voneiner acfQcr/}L; .Vtor QtvTo^, womit die Knechte Gottes ausden zwlf Stmmen versiegelt", d. h. durcli das heilige Zeichenvor allen Dmonen geschtzt werden. 2) Nach sptererjdischer berlieferung 3) gab C-rott den Israeliten Waffen,worin sein groer Name eingegraben war; so lange sie inseinem Besitz waren, hatte der Todesengel keine Machtber sie".

    Im Mrchen hat sich, wie so oft, auch dieser Glaubebesonders schn ausgeprgt; im ganzen Morgenland wirdnmlich von dem wundergewaltigen Zauberring ') Salomoniserzhlt. Er war halb aus Erz, halb aus Eisen geschmiedet,und dem Knig als Gnadengeschenk vom Himmel zugesandtworden. Der Geheimname Gottes war in sein Metall ein-graviert, und dadurch machte dieser Talisman seinen Trgerzum Beherrscher der Geister, zum Frsten sowohl der guten

    Engel als der bsen Dschimu die insbesondere die Eisenteiledes Reifes frchteten. Wer entsinnt sich nicht jenes Mrchensvom bsen Geist aus Tausend und eine Nacht", der in einervon Salmn versiegelten Flasclie Jahrhunderte lang auf demMeeresboden gefangen lag, und der dann seinen Befreier, denFischer, zum Dank fr die Erlsung umbringen will? Oderwer kennt nicht die Geschichte von der messingenen Stadtaus derselben Mrchensammlung, wo Fischer drei kupferne,altertmliche Flaschen aus dem Meere Karkar heraufholen,in denen gleichfalls widerspenstige IJsckinn durcli Suleimansmchtiges Siegel festgebannt waren? Sai.omons Siegelring,

    ) Antiqu. VIII, 2, .') 7, 2f.; 9, 4.'*) emt R. F. 51, vgl. Sohbftblowitz a. a. 0. 7, Fuii.) Di>GBR. SpliraefiH, t!l1, 03 ff'. {a

  • 12

    der Zauberspiegel Alexanders und der WunderbecherDscHEMSCHiDS slud persischeu Dichtern zufolge die drei be-rhmtesten Kleinodien der drei gewaltigsten Herrscher desMorgenlands. Da man sich die Geistersprache gelegentlichaus solch wunderwirkenden magischen Worten zusammen-gesetzt dachte, sagt Glnare, die Prinzessin aus dem Geschlechtder Meergeister, ausdrcklich: Unsere gewhnliche Spracheist dieselbe, in welcher die auf dem Siegelring des groenPropheten Salomo, des Sohnes Davids, eingegrabene Inschriftabgefat ist." i) Wir sehen hier aufs deutlichste, wie derGlauben an eine Geistersprche sich aus Vorstellungenvon der Zaubermacht des Worts entwickelt hat.

    Da der Name und sein unvorsichtiges Aussprechen magischeFolgen haben und das laute Nennen des Namens das Erscheinendes Geistes herbeifhren knnte, so gibt es eine Menge vonUmschreibungen und Umgehungen des Namens.

    Wenn man den Wolf nennt,kommt er r/erennt

    heit es im Sprichwort. Der Teufel wird nie beim rechtenNamen genannt, obwohl doch griech. o idoXoc, auf dasTeufel zurckgeht, seinerseits euphemistisch ist und nur an-deutend der .^Verleumder'-'' bedeutet.'^) So redet man vom.^Gottseibeiuns'^ ^ vom Leibhaftigen^^, dem JJsen''\ dem altenbsen Feind'^] vgl. Meister f/Viaw", ti^gl. Old Nick, dm. Drolender Schelm" (mit Anklang an den gespenstischen Trolll),a,[s\. skelmir Teufel", eigtl. Schelm", 3) usw., schon im neuenTestament sind Umschreibungen fr den groen Widersacherblich''): .7tn(/dCoJi' (1. Thess. 3, 5), jTovyoc (2. Thess. 8, 3

    ;

    Eph. 6, 16), ixQyor rz/c t^ovolac: tot V()oc (Eph. 2, 2) u.dgl.Griech. t/Qc, lat. initkicus der Feind" im Sinne von Teufel"

    ') l()Ol Nacht, rtbers. v. Weu^, III, 17. Ober keltische Feensprachevgl. man .J. Rh^^s, Celtic Folklore, Welsh and Manx 1,269 (Fairy Waysand Words).

    ') Fries, fannen, fnnen Teiel" hngt ebenso mit afries. f'andlu,

    as. fanden versuchen, heimsuchen", nlid. fahndeit zusammen. Nach Falk-Torp a.a.O. 20;> ist norw. fanden, schwed. /' ,,'l'eut'el" aus dem Frie-sischen entlehnt. Dazu gehrt auch bair. funfa'(r)l 'Peufel".

    ').Siehe 0. Evbri>ing, Die paulin. Angelologie n. Dmonologie, USHH,

    y. 124. ') Fai.k-Torp, Norw. et. Wb. 157.

  • 1?>

    gab das Vorbild fr aisl. fjdndinn, engl, fiend ,.Te\\feV\ ImKleinrussischen nennt man den Tenfel" ditko. eigl. kleineralter Mann" zn did, abg. dedz Grovater", im Altkirchen-slavischen ist umgz Zauberer" zugleich Bezeichnung desTeufels wie russ. Bopon>, poln. uroy Feind, Teufel", und das-selbe bedeutet wahrscheinlich auch "^chrh, russ. 4eprb, cech. certusw., zu cary Zauberei", cnta Strich" (von dem Ziehen derZauberstriche und -kreise).') Der ungarische Bauer nenntden Teufel meist nicht mit dem gewhnlichen Wort rdy,sondern umschreibt seinen Namen mit Wendungen wie yonoszder Bse", a rosz der Schlechte", a ros.i leleJc die schlechte

    Seele", isten-bocsss Gott-vergib", isten-rizs Gottbewahr",/.9#ew-we-a

  • 14

    Worten anhaftenden Zaiibeikraft wirksam werden, wird eben-falls eine lautliche Vernderung vorgenommen, wie volkstm-liche Wendungen zeigen: ch, du meine Gte! (fr Gott),Fots Blitz, eigtl. Gottes Blitz (treffe ihn oder es!), Botz Wetter,Donnerledder statt -weiter, Donnerstag noch 'nein! d.i. Donner-wetter fahre hinein". Potz Sajjperment statt Gottes Sakrament,verflixt statt verflucht, Kruzitrken, -diaxl statt Kruzifix,heiliger Bimham oder Strohsack statt des Namens eines be-stimmten Schutzheiligen. Norweg. dmgeren, dcekeren, schwed.djkelen, norw. jekel, dekel sind aus djcevelen der Teufel"verdreht. 1) In anderen Fllen ist der Wortsinn so verblat,da man geradezu von Interjektionen reden darf: Herrje!fr Herr Jesus, Jegerl, Jekus, Jemine (< Jesus domine), Jerum,Jessas oder Jesses. Scherzhaft drohend und viel harmloserals einst gebraucht man die Redensart : Dich soll das Musleinbeien!, ohne heute noch zu ahnen, da man damit eigentlichdem Nchsten die Pest an den Hals wnscht: Mauset stehtfr *Meisel = mhd. ml,sel, mlselsuht Aussatz". Auch das imneuen Testament so schwer verbotene Narr hat im Lauf derZeit seine Grundbedeutung gemildert. In wieder anderenFllen wird ein wesentliches Wort unterdrckt: Da soll dochgleich . . .!. rerd .... Mein! (nmlich Gott) usw. Das gleichelt sich natrlich auch aus anderen Sprachen belegen, vgl.nur lat. edepol, medius fidius, Mehercle u. dgl., deren ursprng-liche Bedeutung den Rmern nicht mehr klar war. Da derTeufel keine Macht ber Gott hat, erklrt es sich leicht, daer und seine gespenstischen Scharen den Namen Gottes nichtaussprechen knnen und vor seinem Klang entsetzt davon-fliehen. Auch vor dem Gebet, in dem der Name Gottes an-gerufen wird,'-^) flchten alle bse Dmonen, wie schon Zara-thustra durch das hunamirga -(Tehet den Teufel abwehrt(V. 18, 1). Umgekehrt darf man auch an die Gewalt desFluchs erinnern, der um so gefhrlicher ist. je grere Zauber-gewalt der Verfluchende besitzt. =^)

    ') Falk-Torp, Morw.-du. Et. Wb. J74.^) Das Awesta hat fr eine Gottheit, deren Namen im Gebet genannt

    wird, ein eigenes Adjektiv geprgt: aoj'fonman-.) Vgl. Radkrmacher ber Schelten xxnd Fluchen, Arch. f. Religions-

    wiss. XI, 1908, Uli'.; Baktholomae, Air. Wh. ;W2, s.v. iijjunutno-.

  • 15

    Ein anderer Weg", das Gefhrliche des Namens zu um-gehen, fhrt zur Umschreibung mit ganz allgemeinen, undeut-lichen Bezeichnungen, deren okkasionelle Sonderbedeutung sicherst aus dem Zusammenhang der Rede erraten lt; mandenke beispielsweise an die zahlreichen Umschreibungen frzaubern" durch Verba, die ganz farblos machen" bedeuten,wie d.harti, lit.kereti jemand verzaubern", i) oder an die Be-nennung von Geistern als Dinger, wie lat. bonae res, franz.males cJioses, nhd. Wichtelmnnchen zu got. waihts Sache". Esist mit Grund vermutet worden, da manche auffallende Um-schreibungen von Tieren so zu verstehen sind. Meidet es dochnoch heute der gemeine Mann, bestimmte Tiere mit Namenzu nennen, namentlich in der unheimlichen Zeit der Zwlf-nchte zwischen den Jahren", weil da leicht Gespenster inTiergestalt umgehen knnten. Statt Muse sagt man Dinger,Bodenlufer, statt Fuchs Langschivanz , Loiel, Henading, dieNorweger umschreiben ulv Wolf" mit graaben Graubein",die Dnen rceve Fuchs" mit skogshund Waldhund" u. dgl.mehr. '^) Die Marokkaner nennen die Eule, deren Schrei Unheilbedeutet, jener der Nacht" mit andeutender Umschreibung 3)und drfen am Samstag Abend Worte mit dem Sinn Ei,Schere, Nadel und Kohle nicht unmittelbar aussprechen.Wenn also die Germanen den Bren,''') der oft als Gespenster-tier gilt, mit einer so jungen, durchsichtigen Umschreibungden Braunen" nannten (vgl. lit. heras braun"), oder dieSlaven ihn medved^, d. h. Honigfresser" heien, obwohl dochnach Ausweis von lat. ursus, gr. (Iqxtoc. gall. Arto-, ir. art, ai.rhsahi, usw. ein altererbtes Wort vorhanden gewesen sein mu,so mgen solch aberglubische Grnde bei der Aufgabe desalten Worts mitgespielt haben, ) Ebenso tritt im Slavischendie Umschreibung gad7, fr die alten Ausdrcke zmij und

    ') Osthoff, BB. 24, 109.*) Siehe Nyrop, Navnets magt, 122 ff. ; Schmidt, Bedeut. d. Namens 41.*) E. Mauchamp, La sorcellerie au Maroc 158.^) Ebenda nach Freudenbbrg, Die Wahrsagekunst, 1919, S. 156f.*) Vgl. dazu E. ScHWYZKR, Sprache u. Religion, Wissen u. Leben VI.

    1910, 469; Meillet, Bull, de la Soc. de Ling. 54, 152 ff.") Siehe J. Lwenthal, Arkiv f. nord. Filol. 31, 1915, 155. Ferner

    F. Liebrecht, Zur Volkskunde, 1879, 18; Schrader, Reallex.', 1917, S. 81f.

  • 16

    azh Schlange" ein, ein Wort, das vielleiclit der Prophet"bedeutete, i) Hierher gehren weiter die oft beobachtetenEuphemismen, wie gr. Evf/Erldi-Q, jrorToc sv^sirog, lat. Mneftwrtl. die Guten", Bene- neben Maleventum, ai. Sivah derGtige" usw. Besonders der Orientale ist ngstlich, durchRhmen seines Glcks und Wohlstands den Neid des Schicksalsoder Teufels zu erregen. Gibt z. B, der Trke irgend etwasGnstiges in Bezug auf sein oder seiner Familie Wohlergehenzu, so setzt er deutlich hinzu: Dem Teufel Blei in die Ohren!",wie wir in solchen Fllen wohl unberufen !" hinzufgen. Dei-Araber nennt den tdlichen Schlangenbi beschnigend denlebenden Bi" (el karsit el haya), 2) und in hebrischen Schriftenwird der Blinde" gar der Lichtreiche" "^ms "^js genannte)Im Persisch -Arabischen heit nein" >*- xeir, das euphemistischeigentlich gut, das Gute" bedeutet. Der Zusatz selig" oderGott hab' ihn (sie) selig!" bei Erwhnung Verstorbener scheintursprnglich ebenfalls weniger ein Wunsch fr die Seele desAbgeschiedenen, als Aelmehr eine Beschwrung gewesen zusein in der Befrchtung, sonst knnte der Tote infolge derNamensnennung erscheinen.

    Bei primitiven Vlkerschaften lassen sich ganze Wort-reihen als tahu nachweisen. Bei Bewohnern des Sangir-Archipels nrdlich von Celebes gibt es eine sogen. Sasahara-Ausdrucksweise. '') Das Sasahara weicht von der Umgangs-sprache nur in einer beschrnkten Zahl von Wrtern ab;diese Sasaharawrter mssen auf dem Meere gebraucht werden,angeblich, um die Geister zu verhindern, die Absichten derSeefahrer zu belauschen und zu vereiteln," ') Die Priester-sprache der Toradjas auf Celebes vermeidet ebenso bestimmteWrter der Alltagssprache und setzt allgemeine Umschrei-bungen ein, die an Kenningar der Skalden und der orientalischenDichter erinnern.") Die Dajaks in Niederlndisch Indien

    ') Brckner, KZ 38, 2'20.'') Freudenberg, Die Wahisageknnst, 1919, 157 uacb E. Mauchamp

    la sorcellerie au Maroc, IUI .'') ScnEFTELOWiTZ , D. altpers. Relig. u. d. Judent., 1920, S. 63, A. 2.*) Johanna Portengbn, De Oudgermaaiische dichtertaal in haar

    ethnologisch verband, Leidener Dissert. 1919, 3. Cap.) Jellinek, Zeitschr. f. sterr. Gymu. 68, 1917/18, 7(56.') Jellinkk, a. a. 0. 767.

  • 17

    haben geradezu zwei vei-scliiedene Sprachen, eine alltglicheund eine rituelle, die nur aus Ta//w -Wrtern besteht.

    ')

    Aber auch umgekehrt vermag ein Dmon oder sonst einefeindliche Macht nichts ber einen Menschen, dessen Namensie nicht kennt. Ein gutes Beispiel liefert uns das Eddaliedvom Fdfnir. Als der Lindwurm Sigurds Schwert im Herzenhat, fragt er seinen Mrder nach dem Namen und der Her-kunft. Der Prosatext fhrt fort 2):

    Sigurpr did])i nafns shis fyr ])vl at ])at var triia peira '1

    forneskju, at orp feigs manns mcetti mikit, ef kann hglvapi vinsimim mep nafni Sigurd verhehlte seinen Namen deswegen,weil das der Glaube in alter Zeit war, eines Sterbenden Wortvermge viel, wenn er seinen Feind mit Namensnennung ver-fluche." Jedenfalls haben solche Ta?;- Gebote Entsprechungenbei allen Vlkern und knnen zum Aussterben eines Wortsfhren (vgl. Gauthiot, MSL IG, 1910, 264 ff.).

    Bedrcken Dmonen den Menschen, so rettet ihn nachweitverbreitetem Glauben in uerster Gefahr Namensnde-rung, so da die Geister irregefhrt werden. Daher erklrtsich der vielerorts bliche Brauch, einem Sclnverkranken einenneuen Namen zu geben, s) Ja es scheint persische Sitte ge-wesen zu sein, Kindern zunchst gar keinen Namen zu geben,wie dies wenigstens bei FiEDtisi von FeredUn und Sarw er-zhlt wird.') Denn dann knnen die Dmonen dem nochzarten, wenig widerstandsfhigen Wesen nichts anhaben. Einnamenloses Geschpf ist nicht angreifbar, ist ein zerfiatterndesSchemen. Erst der Name macht das Wesen kenntlich, amNamen ist es von anderen zu unterscheiden. Da wir solcheGedankengnge nachweislich fr die alte Zeit ansetzen mssen,erscheint die Beziehung von gr. ro//, \-At.nnien, -ai. nmausw. zu dem in lat. nota vorliegenden Stamme sehr einleuch-tend. '') Alsdann bliebe auch die Verwandtschaft von gr. ovoim

    ') Frazer, The golden bougii I-, 415ft'. ; Kaufpmann, Balder 198 ff.2) Ffnism. nach Str. 1 (ed. Gering- 301).) Belege bei Andrbe, Ethuolog. Parallelen und Vergleiche 173,

    Schmidt a. a. 0. 22 ff.*) Siehe Justi, Altirau. Namenbuch, Vorwort p. v.*) ninen und -tjndmen in cognmen, aynmeii sind Reimwortbilduugen,

    vgl. aruss.:nrtif Zeichen", s. dazu Verf., Reirawortbildungen S. 168f., 272.

    (intert, Sprarhe der Gtter und Geister. 2

  • 18

    mit ovoiiai, orotg, orotdyoj zu recht bestehen: die Basis*n&-, '''dn- scheint ein Zeichen machen" bedeutet zu haben;im Griechischen liegt dann die Bedeutungsvereng-erung;zeichnen" zu brandmarken, tadeln, schelten" vor, was ohneweiteres einleuchtet. In lat. nota darf man aber nicht mitW.Schulze') Tiefstufengestalt erblicken; ich glaube ber-haupt nicht an eine ursprnglich zweisilbige schwere Basis*on-, wie Hiet, Abi. 312, sondern wir haben, wie bereitsan anderer Stelle von mir betont ist, 2) wegen finn. nime,lpp, nama, mordwin. l'em, ung. nev, samojed. nem, nim voneinem Wortstck *nem- auszugehen, bzw. von dessen 0- Ab-tnung *nom-. In lat. nota wird also ohne weiteres Normal-stufe vorliegen, wie in ovo/ua, vofjaL, dror^co usw. auch;n- aber kann nur Dehnstufe sein. Der irrationale Vokal,der nicht allein in ovofia, rof/ai, sondern auch in arm. anun,ir. ainm, cymr. anu, apreu. emmens, abg. m? > *dnmen- vor-liegt, ist in den Kasus mit der Tiefstufe der Basis wegen derHufung von nm entstanden (nm- > 9nm-) und dann ana-logisch ausgebreitet worden. Hom. roi'aro P 25 enthlt Aug-ment, vgl. orarai' ri[tCtTai, [diixf^rai Hes. Der Name alsoist, auch rein sprachlich betrachtet, das Wahrzeichen", dasSchihholeth, woran erst das Wesen zu erkennen ist.

    Im Sanskrit bedeutet ebenso laJcsana- n. Merkmal, Zeichen,Bezeichnung" auch Name", i. . Klidsa Meghad. Str. 24.Das hebrische sem Name" hat gleichfalls die Grundbedeu-tung Kennzeichen, Merkmal". 3) Georg. saeli Name" istwrtlich das, was Kraft gibt". 4)

    Auch bei der Hochzeit kommt gelegentlich Namensnderungder Ehegatten vor, weil lsterne Dmonen da besonders gernSchaden sinnen.^) Ein trkisches Volksmrchen ) erzhlt so

    1) a' und 3* werden im Lateinischen mir zu (t, s. Verf., Idg. Ablaut-probleme, 1916, 71 ff.

    -) Verf., Kalypso, 1919, S. 48.) Siehe die Bemerkungen bei Giesebrecht a. a. 0. 7 ff. , Herzog-

    Hauck, Realeuzykl. f. prot. Theol. 13, 626.*) JuSTi, Iran. Namenbuch V. ovofia im Sinn von Schatten", dem

    dmonischen Doppelgnger des Menschen nach altem Glauben, bei Eur.Hei. 43, A. DiETBRiCH, Mithrasliturgie, 1910, 229.

    5) Siehe z. B. Samter, Geburt u. Tod, 1911, 106 ff.*) Klnos, Trk. Volksmrchen aus Stambul 274 ff.

  • 19

    von eineiii Paar, das sich, um die Dmonen zu tuschen.Schah Meratn und Sade Sultan nennt. Bekannt ist das Verbot,chinesische Kaiser mit ihrem eigentlichen Familiennamen zunennen; bei der Regierung- und nach dem Tod erhalten sieeinen neuen Namen. Auch die sonstige Annahme neuer Namen,etwa bei Ppsten oder beim Eintritt in einen Orden, wirdursprnglich viel eigentlicher gedacht sein, als man das jetztempfindet: mit dem neuen Namen ist gleichsam die ganzePersnlichkeit eine andere geworden. Wenn wir heute ganzin uneigentlicher, formelhafter Weise Ausdrcke gebrauchenwie im Namen Gottes, im Namen Jesu,^) sogar im Namendes Gesetzes, werden uns diese einst sakralen Formeln erstbei genauerem Nachdenken in der alten, unmittelbaren Be-deutung lebendig ; erst dann begreifen wir wieder den tieferenSinn der Bitte: geheiligt sei dein Name oder des Gebots: dusollst den Namen des Herrn deines Gottes nicht mihrcmchen

    !

    Im Orient sind diese Anrufungen des Namens noch viel hu-figer und lebendiger: mau denke nur an die Formel hi 'smillaM 'r-rahmmf 'r-raJm im Namen Gottes, des Erbarmers,des Milden!" der Araber, Perser und Trken, an das^; nm idatar rmazd Im Namen des Schpfers 0." der Parsen, an dasSri-Ganesya namah der Inder usw. Kein mittelalterlicherZauberspruch ohne Anrufung des Namens Gottes, des Vatersoder Christi, oft in lateinischer Sprache. Wie wesentlich derName einer Person ist, zeigt auch rein sprachlich der nhd,Ausdruck Weibsen und Mannsen, der aus mhd. imbes undmannes name sich verkrzt hat. 2)

    Wenn auch im Alten Testament von einer Gttersprachenicht einmal dort die Rede ist, wo man es am ehesten erwartenknnte, bei der Schpfungsgeschichte, so war es andererseits

    spterer Spekulation doch ein leichtes, zwischen den Zeilenvon magischen Zauberworten manches herauszulesen.

    rnd Gott sprach: ..Es iverde Licht", und es wardLicht . . .

    1) Vgl. schou Matth. 18,20: ov yd(} doiv dvo ; tqc ovvrjy/xh'oi ekro ifiov ovofxa, ixec dfil tv (xtam uvzuiv.

    2) Vgl. SiEB.s, Mitteilungen der Schles. G eselisch. f. Volkskunde, 195,S. 119 f. und oben das ind. nmampam als philosophischen Begriff (S. 5).

  • 20

    Mit diesen g-edruiigenen, schlichten Worten wird ausdrucks-voll das Urrtsel nach dem ersten Anla alles kosmischenGreschehens, nach dem Zustandekommen der ersten Kraft-ueruug-, erklrt durch den gttlichen Allmacht -Befehl: Erspricht, so geschieht es, er gebeut, so steht's da." i) In dasnchtige Chaos drhnen mit ehernem Klang diese elementarenUrworte, diese wahrhaft gttlichen Befehlsworte hinaus, dasAussprechen dieser Worte war die erste Schpfungs tat, dieseGottesWorte geben Veranlassung und Ansto zu all den weiterenSchpfungswundern: 'o^ ^ Mn fMn'^ es sei! und es war"oder cj)^ i:/ liun f-yakn es sei! und es ist!" sind dieZauberworte, die persische Dichter oft erwhnen ; '^) in mittel-alterlichen mystischen Schriften spielt das Fiatl eine groeRolle.

    Im Anfang war das Wort . . .

    Dem spekulisierenden Altertum mute diese Kraft desersten gttlichen Befehls, dieses Ur - Gottesworts als einmagischer Zauberakt von unbegreiflicher Gre und Gewalterscheinen. Schon der Evangelist fhrt nach seinem erstenSatze weiter:

    und das Wort war Gott,Und Gott war das Wort. ^)

    Die schwierige Logos -hehre, aus der stoischen Philosophiebernommen und mystisch weitergebildet, suchte das gtt-liche Schpferwort und den gttlichen Willen oder Gedankengleichzusetzen. Ursprnglicher sagt der Psalmist 33,6: DieHimmel sind durch das Wort des Herrn gemacht und all ihrHeer durch den Hauch seines Mundes."

    ber die Beschaffenheit des Gottesworts gibt es in hel-lenistischer Zeit eine ganze Literatur ; immer wieder begegnetman der Auffassung, es handle sich nicht um ein eigentlichesWort, das durch die Luft klingt", sondern um eine geheimnis-

    >) Ps. 33, 9.

    ^) Im Persischen geradezu mit der Nominalbedeutung Schpfung",) Wir erlauben uns, hier Xyog in seiner eigentlichen Bedeutung zu

    bersetzen, selbstverstndlich nicht im Sinn der Stelle.

  • 21

    volle Kraft- und Willeiisueiuug Gottes. ^) Whrend wirhier die philosophische Auffassung wirken sehen,-) erfreutesich, namentlich in der jdischen Literatur, auch die wrtliche,eigentliche Auffassung groer Beliebtheit. Bereits in frh-talmudischer Zeit wird die Erschaffung der Welt weniger aufjenen elementaren Urbefehl selbst, als vielmehr auf die Zauber-wirkung der magisch -mchtigen Buchstaben des heiligen Ge-heimnamens Jehovas zurckgefhrt, ^) jenes groen und wun-derbarlichen Namens, der da heilig ist", wie es in den Psalmenheit. '^) In der Tat lie sich das leicht begrnden: In derGenesis wird die Entstehung der Menschensprache ausdrck-lich dem Menschen selbst zugeschrieben. Zwar schuf Gottdurch Namensnennung Tag und Nacht und benannte die FesteHimmel", das Trockene Erde" und die Sammlung der WasserMeer". 5) Aber nach der Erschaffung des Menschen berlter nach ausdrcklicher Angabe der heiligen Schrift diesemdie Benennung der Dinge : Denn als Gott der Herr gemachthatte von der Erde allerlei Tiere auf dem Felde und allerleiVgel unter dem Himmel, brachte er sie zu dem Menschen,da er sie she, wie er sie nennte. Denn wie der Mensch

    ') Siehe ber dieses Wort Gottes Karl Gronau, Poseidonios \ind diejd.-ebristl. Genesisexegese, 1914, S. 69ff., wo weitere Belege; vgl. namentl.

    Chalc. c. 138 zu Tim. 41 A auf S. 71. Eier stehe m;r Basileios Heiahem.I, 289 A: t/ ovv ^ (fojv>) tov xvqlov ; nxEQOv Ti}.7jyi) Tif^l rov aeQu; . . ./] drJQ 7ie7i?.7jY/idvog g^Q^vojv /aexQi tfjg dxofiq rov tiqoc ov ylverai fj (piovrj

    ;

    Tj ovhtQOv TovTJv, ?J.' hf-Qoyevt'jg xiq eaziv avtrj, (fccvzaaiovfiivov rodTjyefi-OVixoC xtv dvd-QOjncDV, ovq civ dxovSLV ovkrjxai xfjq ilaq (pwvfjq 6&E('q; Saxe dvaloyiav tyuv xi]v (pavxaoiav xavx7]v nQoq xrjv iv xoTq ovel-ijoiq yivofjih'tjv noV.xiq. Man mu sich dabei der Grammatikerdefiuitiouerinnern; z. B. Donatus ars. gr. I: vox est aer ietus, sensibis auditu,

    hnlich Prisciau. I.

    Die Logoslehre geht bekanntlich durch die ganze griechische Philo-

    sophie und beginnt schon bei Heraklit, s. etwa Aall, Logos, 2 Bde.3) Z. B. Berach 55 a, s. Heittmller, Im Namen Jesu 133.*) 99, 3, s. dazu Giesebrecht, Die alttestamentl. Schtzung des

    Gottesnamens, 1901, 21 ff.

    5) In der V^lusp 6 geben die Gtter ebenso die Namen fr die Zeitenund beseitigen damit das Chaos : noti ok nipjum n^fn of g^fu, morgin hetuok mipjan dag, undorn ok aptan,

  • 22

    allerlei lebendige Tiere nennen wrde, so sollten sie heien.Und der Mensch gab einem jeglichen Vieh und Vogel unterdem Himmel und Tiere auf dem Felde seinen Namen . . ." ')

    Die Menschensprache wird also von Adam erst geschaffen.Wenn sie vor der Sprachverwirrung auch einheitlich, reinund unverflscht war im Gegensatz zu der spteren Rede derMenschen, 2) so ist doch jedenfalls soviel klar, da jene gtt-lichen Urworte mit dieser spteren willkrlichen Dingbezeich-nung durch Adam, der da noch gar nicht erschaffen war,keine Beziehung haben konnten, es lie sich also geradezuaus der Darstellung der Bibel entnehmen, da die Gtter-sprache, die Worte, in denen der erste Schpferbefehl erfolgte,mit der Menschensprache nichts gemein haben knnen, daes also eine besondere Gottessprache, geheimnisvolle Gottes-worte geben msse. 3) Diese kennen zu lernen, ist das heie

    ') Genes. I, 2, 19.

    2) Vgl. dazu Leibniz, Op. philos., ed. Erdmann 1,53: liugua Adancavel certe vis eins, quam iiuidam se uosse et in nomiuibus ab Adamo im-positis essentias rerum iutueri posse contendunt, nobis certe ignota est,

    ber das Schpfungswort lesen wir Sat. Br. VI, 1,1,10: Frajpati be-gelirte: Mchte ich geboren werden aus diesen Wassern!" So ging ermit dem dreifachen Wissen in das Wasser ein. Daraus entstand ein Ei.Er berhrte es und sprach: Es werde! Es werde! und nochmals es werde!"Daraus ward das Gebet {brdhma n.) geschaffen, das dreifache Wissen."Noch mehr erinnert an die Genesis und das Schpfungswort Gottes dieStelle Sat. Br. XI, 1,6, 1 ff. Aus den Wogenfluten entstand zunchst dasgoldene Weltei, aus diesem in einem Jahr Vrdjpati. Dann heit esweiter: Nach einem Jahr machte er Sprechversuche. Er sagte: hhh, da.entstand die Erde. Er sagte hhucah, da entstand das Himmelsgewlbe.Er sagte soah, da entstand der hchste Himmel ..."

    ^) Da in der Darstellung der Bibel Gott Vater seinen Schpfungs-befehl in der gleichen hebrischen Sprache erteilt, in der die ganze Erzh-lung gegeben ist, darf man nicht als einen Widerspruch mit der Erfindungder Menschensprache durch Adam ansehen, insofern also das Hebrischeschon vorhanden gewesen wre, ehe der Mensch geschaffen war (s. Benfky,Gesch. d. Sprachwissensch., 1869, S. 23). Wie htte das im schlichten Er-/hlerton der Genesis anders ausgedrckt werden sollen? Aber dieserPunkt ist fr die Spekulation bedeutungsvoll gewesen, da einmal, wie be-reits erwhnt, die Annahme von besonderen Geheimworten Gottes entstand,wenn davon die Darstellung der Bibel auch nichts sagt. Andrerseits er-wuchs daher die Vorstellung, das Hebrische sei Ursprache und Geistersprachezugleich. So sagt Hieronymus, epist. XVIII A 6,7 (ed. Hilberg S. 82):Initium oris et communis eloquii et hoc omne, quod loquimur, Hebraeam

  • 23

    Streben der Mystiker von Jeher gewesen; der Weg- dazu istdie mystische Verzckung, die heilige unmittelbare Erleuch-tung, die gttliche Offenbarung.

    2.

    nWenn Ich mit Menschen- und mit Engehungen redeteund htte der Liehe nicht, so wre ich ein tnend Erz odereine klingende Schelle . . ."

    Mit diesen stark rhetorisch gefrbten Worten i) trittPaulus den bertriebenen Vorstellungen von der Gnaden-gabe" (x'(>'(>/va) des Zungenredens entgegen, das in derjungen Christengemeinde zu Korinth bei den meisten Mit-gliedern als hchstes Geschenk des Geistes" galt Auch frPaulus handelt es sich zwar um eine erwnschte, segens-reiche Geistesgabe, aber Selbstzweck ist ihm das Zungenredennur in sehr bedingtem Grade: er schtzt es im Gegensatzzur Mehrzahl der Gemeindemitglieder geringer ein als dieWeissagung. Was er vor allem gegen dieses Zungen -Charismaeinzuwenden hat, ist die Sinnlosigkeit der Worte, die der Er-leuchtete in seiner Verzckung stammelt, und die niemandversteht, wenn kein Ausleger der Gemeinde diese Geister-sprache bersetzen kann (14, 28). Da also die Eeden in derEngelssprache der Allgemeinheit unklar bleiben, ist diese Gabezwar fr den Verzckten selbst eine Weihe und Erbauung,der Gemeinde aber ntzt er damit nichts (14, 2). Dieser ein-seitige Standpunkt der Zweckmigkeit, die Ansicht, nur des-halb sei das Weissagen ein hheres Gnadengeschenk, weil sie

    linguam, qua vetus testameutiim scriptum est, universa antiquitas tradidit.Origines 11. Homil. in numeros, 307 (= Migne, Patr. Gr.-lat. 12, S. 649)Manserit autem lingua per Adam primitus data, ut putamus, Hebraea, in eaparte hominum, quae non pars alicuins angeli . . . sed quae Del portio per-mansit. Der Midras (Beres. E. P. 18) sieht einen Beweis dafr, da das He-brische die Ursprache ist, in der Ableitung des Worts UM Weib", eigentl.Mnnin'', wie Luther bersetzt, von Mann", weil das Weib aus desMannes Rippe geschaffen ist, s. Scheftelowitz, Altpers. Rel. u. d. .ludent. 21 7.

    ') 1. Korinth. 13,1.

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    in menschlicher Sprache erfolge (14, 3 und 4), war gewimanchem jungen Christen in ihrer praktischen Nchternheitwenig sympathisch. Denn das Reden in Engelszungen galteben als Sprechen in der gttlichen Sprache, wie Paulusselbst zugibt (14,2): o /(> XaXmv yXcon ovx drd^QomoiiXaX, dXXa ^ec' ov6}q yicQ dy.ovti, Jirevf/art dl XaX jjx-TTjQia : 6 di jrQoffjiirtvcov dvdQcjtoia XaXti . . . Beschriebenwird das Zungenreden als ein Sprechen in die Luft,^) undschon hier wird es mit dem Reden in einer Barbarenspracheverglichen: Idv ovv fit) sico x))v vrccfiir ri/q (pmvTjc, tooftatTfp XaXovvTi aQagog xai 6 XaXcv tv liioi dgaQOQ (14, 11).Ohne Auslegung 2) war sie unverstndlich, wie eine fremdeSprache.

    Unter den Theologen ist die Glossolalie" Gegenstandder ausfhrlichsten Streitigkeiten gewesen, und selbst heutescheinen alle Schwierigkeiten in den verschiedenen Dar-stellungen der Zungenrede an anderen Stellen des NeuenTestaments 3) noch keineswegs alle behoben.*) Uns kann esfr unseren Zweck nur darauf ankommen, da man das Reden

    ') 14, 9 : OEO&t yuQ elg usQa /.aXo'Ovrec.^) 14,28: dieQfjtijVEvri'jQ; 12,10: f-Qfitjvtia yktuoodiv u. . Die Kmist

    der Auslegnug galt auch als Charisma.3) Auer dem 1. Korintherbrief 12ft'. uoch Acta 2, 1 14; 10, 4148;

    11, 1517; 19, 17 und in dem spteren Anhngsel zum- Markusevangelium16, 920. Siehe auch Texts and Studies V, 1, 135.

    *) LiETZMANN in seinem Handb. z. n. Test. III, J. Weiss, Der ersteKor., Meyers krit.-exeg. Komment.^, 1910, 383 ff.. Feine in Herzog-HaucksKealenz. f. d. prot. Kirche', 1908, XXI, 749 ff.. Schiele -Zscharnack, Re-ligion in Geschichte u. Gegenwart II, 1910, 1203 ff. LiETZMANN - DiBELIUS,Briefe d. Paulus, Handb. z. n. Test., 1913, 138 ; Everling, Paulin. Angelo-logie 38. Hilgenfeld, Die Glossolalie in d. alten Kirche, 1850, Theologusin Preu. Jahrb. 87 (1897), 223 ff. Besonders ntzlich war mir EddisonMosiMAN, Das Zungenreden, geschichtl. u. psycholog. untersucht. Teil Ials Heidelberger Inaug.-Dissertation, Leipzig 1911, wo noch weitere Lite-

    ratur verzeichnet ist. E. Lombard, De la glossolalie chez les premierschretiens, Lausanne 1910. P. Bovet, Revue de l'histoire des relig. 63,

    1911, 296 ff. Von den verschiedenen Ansichten war dem Nichttheologeu,der rein vom philol.-histor. Standpunkt aus Stelleu des Neuen Testamentsgenau so zu werten sucht, wie die in irgend einem anderen Literaturdenkmaldes Hellenismus, die Auffassung von Joh. Weiss a. a. 0. und von Bousset,Die Schriften d. Neu. Testam. II nach 1. Kor. 12, 11 am einleuchtendsten.

  • 25

    in anderen Zungen" {htQaig y/joooaic Act. 2,4; hnlichxaivalc Y?j

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    Preisen Gottes') in dieser Zungenrede" hindeutet. Die sinn-

    losen, stammelnden AVorte der Verzckten galten als Redenin einer Geister- oder Engelssprache, der Sprache insbesondere,in welcher die Engel Gott preisen. 2) Erst indem man diesetreQat yhooai spter nicht mehr verstand was bei demschillernden Begriff und der Wundersucht der Zeit gar nichtzu vermeiden war , deutete man das Zungenireden auch aufein Sprechen in einer wirklich lebendigen Menschensprache,wie das z. B. die gewhnliche Auffassung der Kirchenvtergewesen ist. Und dabei htte der Apostel doch gewi keinenGrund gehabt, sich in diesem Fall ber die Nutzlosigkeit desZungenredens ^zu beklagen. Ja gerade deshalb stellte man inder jungen Gemeinde zu Korinth im Gegensatz zu Paulusdas Zungeureden" ber die Weissagung, weil diese eben nurin menschlicher, jenes aber in der himmlischen Sprache er-folgte. Im 2. Korintherbrief 12, 4 berichtet Paulus von Offen-barungen, die er hatte; dabei wird von unaussprechbarenWorten", die kein Mensch sagen knne, gesprochen, die erim Paradies gehrt; hatte er doch (im 1. Kor. 14,18) aus-drcklich erklrt, da auch er sowohl die Gabe des Zungeu-redens als der Weissagung bese: xai ola tov Toinvrort'(r(KOjio)' . . . oT.i fjQjtdytj tlg ror jncQachiOo)' xat i/xortrnQQrjta. q/J^kitcc, Ic ovx i^ov drdQo'jJTdj Xa/jai.

    Es kann nicht bezweifelt werden, da in den christlichen(remeinden hinsichtlich der Zungenrede", d. h. der Gottes-sprache, nur Ansichten verbreitet waren, die sich in der Zeitdes Hellenismus und schon vorher ber die Gttersprachefinden. Schon der Vergleich mit dem ehernen Becken (//xoc'///l') und dem Tamburin (xr/iior) an der Stelle des l.Kor.-Briefs, von der wir ausgingen, weist auf die orgiastischenKulte hin, wie sie im damaligen Heidentum" allgemein ver-breitet waren, auf die dionysischen Feiern und die Verehrungder groen Gttermutter Kybele. So haben denn auchDieterich und Reitzenstein die Vorstellung von Gtter-

    ') Act. 2, 1 1 ; 10, 46. l. Kor. 14, 2, 18.

    *) Die Auffassung, Paulus gebrauche blo eine rhetorische Floskel,kann ich mir darnach nicht zu eigen machen. Mit dem Glauben an eineenglische" Sprache mte man brigens trotzdem rechnen, weil Paulusdies Bild sonst nicht htte gebrauchen knneii.

  • 27

    und Geistersprachen im Hellenisums nachgewiesen.') Ver-

    schiedenen Dialekt sprechen lieit verschiedene Namen Gottesnennen. So haben die mnnlichen und weiblichen Gtter,Erde und Himmel, jeder der vier Winde eine eigene (fiovi],die der Gottbegnadete kennt. Diese Anschauung bertrgtdas Judentum auf die Engelwelt; jede ihrer Scharen preistGott in einer anderen Sprache. So wird in den Papyri eine'AQyay/ihy.i] i:?/,?/o-; des Moses angefhrt ; sie gibt eine wunder-liche Buchstabenverbindung als Namen Gottes." Es besttigtsich also auch hier, da der Glaube an eine Gttersprachesich entwickelt hat aus den primitiven Vorstellungenvon geheimen Gottesnamen und magischen Zauber-worten. Aus dem sog. Testament des Hiob belegt Reitzen-sTEiN a. a. 0. 57 gleichfalls die Vorstellung von einer Engels-

    sprache: Die drei Tchter Hiobs erlangen vor dem Tode desVaters einen Zaubergrtel (vgl. den Krftegrtel der altenSagen). Als die erste den Grtel anlegt, erzhlt diese Legende

    :

    '/KU jraQa'/iQrina t.c,03 yiyovh rrc t-avTfjg Oqxoc . . . djttfpO^t-

    c.aT

  • 28

    leicht war ihm eine besonders wirksame Sprache offenbart." i)In der Asceusio Jesaiae 6, 6 f. 2) wird gar behauptet, die Engelselbst htten verschiedene Sprachen: die des sechsten Himmelshaben eine andere als die der fnf niederen Himmel : sed nonerat vox horum, sicut vox eorum, qui in quinque coelis angeli

    ;

    nee sermo erat, sicut sermo eorum; at alia vox erat illic.

    Genau dieselbe Vorstellung finden wir im Poimandres, nachdem ebenfalls beim Aufstieg die Seele die w^aic, d. h. dieverschiedenen Geister Gott in verschiedenen Sprachen lobenhrt (s. Poim. I, 24 26). Die vielen oro//r orjf/a, ag-uQiyM, {heojTtOia, isQi'c, (pQixco)], tCfjiOia ygai/ftara, die vocesmysticae, die nomina sacra oder harhara, wie wir sie inMassen in Zauberpapyri erhalten sehen, 3) sind eben nichtsanderes als Wrter der Engels- und Geistersprache. *)

    Auch in der nachapostolischen Zeit war das Zungen-reden" keineswegs auer Gebrauch gekommen; besonders ausder Zeit des Montanismus im 2. Jahrh., wo ja die EkstaseAvieder die eigentliche religise Bettigung war, wird uns vomAusstoen fremder Worte berichtet {^tvocpcovin'^. ^) Die Vor-stellung, da Engelscharen an Gottes Thron ununterbrochenHallelujah und Gloria singen aus Bchern, die in goldner Schriftoffen vor ihnen liegen, und in Gesngen und Worten, die keinMensch aussprechen kann, Gott preisen, ist in mittelalterlichenVisionen, wie z. B. der des Albers Tundalus, wiederholt an-zutreffen. 0) Man darf auch an die Sequenzen beim Graduale

    Weiteres ber die Engelssprache bei Eeitzenstbin, Poimandres 267lind Historia Lausiaca 150 mit Anm.

    2) A. HiLGENFELD, Die Glossolalie, 1850, S. 63 f.'') Wesskly, Epliesia grammata, Progr. d. Wien. Franz-Joseph-Gyum.

    J886. Dieterich, Mithraslitnrgie^ 36 ff.*) brigens sei auch an das ^6&a- Schreien erinnert, Ga). i, 6; Apok.

    Joh. 22, 7; Rom. 8, 15; 1. Kor. 12, 3, 16, 22. ber verba Spiritus sancti vgl.auch Siebs' und Hippbs 'Wort und Brauch', Heft 12, 399, Fun. 2.

    '>) MosiMAN a. a. 0. 48.*) Vgl. E. Peters, Quellen und Charakter der Paradiesesvorstellungen

    in der Dichtung vom 9. 12. Jahrh. , Vogts German. Abhandl. 48, 1915,125 und 134. Auch die Himmelsbriefe, die ja ebenfalls mit ihren Zauber-wrtern Mitteilungen der Gtter sind, werden mit goldenen Buchstaben ge-schrieben; siehe Dieterich, Hessische Bltter f. Volksk. 1, 19 ft'.; WienerStud. VIll, 175ff.; Kauffmann, Balder 194 u. 2U0.

  • 29

    Respousormm erinnern, die ja auf den Modulationen desHallelujali beruhen.

    Und auch in spteren Zeiten hat sich bei gesteigerterreligiser Erregung sehr hufig das Zungenreden" eingestellt.Der heiligen Hildegard, die als btissin des von ihr ge-grndeten Klosters Rupertsberg bei Bingen 1179 gestorbenist, werden Glossen aus einer unbekannten Sprache zu-geschrieben, die ihr der gttliche Geist offenbart haben sollte.Bekannt ist ferner die Erregung des religisen Gefhls beiden Camisarden in den Cevennen am Ende des 17. Jahrb.,wobei das Zungenreden" eine groe Rolle spielte, i) EinCamisarde beschreibt seinen Zustand der Entzckung so'^):Stets empfand ich dabei eine auerordentliche Erhebung zuGott, bei welchem ich daher beteure, da ich weder durchirgend jemand bestochen oder verleitet, noch durch eine welt-liche Rcksicht bewogen bin, durchaus keine anderen Worteals solche auszusprechen, welche der Geist oder der EngelGottes selber bildet, indem er sich meiner Organe bedient.Ihm allein berlasse ich daher in meinen Ekstasen die Lenkungmeiner Zunge, indem ich mich nur bestrebe, meinen Geist aufGott zu richten und die Worte zu merken, welche mein Mundausspricht. Ich wei, da alsdann eine hhere und andei'eMacht durch mich spricht. Ich denke darber nicht nachund wei nicht vorher, was ich reden werde." Das charakte-ristische Kennzeichen ist das Zungenreden endlich fr dieIrvingianer, ja die Grndung dieser ursprnglich schottischenund englischen Sekte geht auf Flle von Zungenreden zurck,die um 1830 in Schottland vorkamen. Im Gottesdienst er-eigneten sich dann immer hufiger ekstatische Anflle derGlubigen; nchterne Beobachter bezeichneten diese ue-rungen des Geistes" als unverstndliches Geschnatter", alsdie Schreie und Seufzer von Verrckten." ^) Eine Unter-suchung der irvingianischen Glossen" ergab, da sie nichtirgend einer Avirklichen Sprache angehren."*) Und noch in

    ) S. GOEBEL, Ztschr. f. hist. Theol., 1854, 287 ff.; MosiM.VNa.a.O. 50ff.^) Nach Theologus, Preu. Jahrb. , 1897, 87,235; Weinel, Die Wir-

    kungen des Geistes u. der Geister, 1899, S. 77.^) Nach MosiMAN a. a. 0. 57.*) Weinel, Wirkungen d. Geistes 73 f. Ein reiches weiteres Material,

  • 30

    vielen anderen Fllen, teils bei einzelnen Personen, teils beiSekten, wie den Jansenisten in Frankreich, den Quakers zuCromwells Zeiten, den Milleriten, den Mormonen usw., ist dasZungenreden beobachtet worden: berall handelt es sich umdieselbe, nun von uns schon hinlnglich beschriebene Erschei-

    nung. Mit Recht sagt W.James'): Alle groen und fhren-den Geister, welche die christliche Kirchengeschichte kennt

    ein Bernhard, ein Loyola, ein Luther, ein Fox, ein Wesley

    hrten Stimmen und hatten Visionen, Verzckungen, Ein-gebungen und Offenbarungen. Sie waren solchen Zustndenunterworfen, weil sie besonders sensitive Naturen waren.

    Menschen von solcher Gemtsanlage sind stets dergleichenZustnden unterworfen."

    Zum Schlsse dieser bersicht will ich nur noch die modernePfingstbewegung in Kassel und Umgebung streifen, worberP. Deews in der Christlichen Welt, 1908, 22. Jahrg., Nr. 11,Sp. 271276 und Nr. 12, Sp. 290 ff. berichtet. Das Auf-fallendste an dieser Gemeinschaftsbewegung war wieder dasZungenreden: Unter starken Zuckungen und nervsen Er-regungen, unter Niederstrzen auf den Boden bricht erst eineinzelner, brechen dann immer mehr der Teilnehmer einersolchen Versammlung in unartikulierte, unverstndliche Lauteaus, die Worte, schlielich kurze Stze bilden. Ein Ohren-zeuge hielt solch ein Stzchen fest. Er glaubte gehi't zu

    haben: schello mo dal hadhad tvotschihrei. Ein anderer gibtden Satz eines Zungenredners (in Kristiania) folgendermaenwieder

    :

    sangala, singala, sing sing,

    mangala, mangalo, mang mang mang."

    Noch seltsamer klingt, da bekannte Kirchenlieder, wiez. B. Lat mich gehen", in die Zungensprache bersetztwurden 2)

    :

    das hier zu hufen keinen Zweck htte, bei Mosiman a. a. 0. 57 ff. Einzelnesschon bei Grres, Mystik II, 1837, 189 ff.

    ) Die religise Erfahrung in ihrer Mannig-faltigkeit, bersetzt von

    G. WOBBERMIN, 1907, 439.2) Paul in der Monatsschrift Die Heiligung", Heft Nr. HO vom

    Nov. 1907. S. auch sterreich in den Philos. Vortrgen verffentlicht vonder Kant -Gesellschaft, Nr. 9, 1915.

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    schua ea, schua ea,

    tschi hiro ti ra pea

    akhi lungo ta ri fungot( U bara ti ra tungolatschi bungo ti tu ta!

    Diese Proben fr das moderne Zungenreden,') das brig-ensauch in Norwegen und Amerika wieder aufkam, mgen ge-ngen. Der wissenschaftlich prfende Betrachter versteht nur

    zu gut des Paulus Standpunkt von der Zweck- und Nutz-losigkeit solcher uerungen in ekstatischen Erregungs-zustnden, sein Hinweis auf den enthusiastischen Taumel inheidnischen Orgien und sein Betonen der Liebe:

    Wenn ich mit 3Ienschen- und mit Engelszungen redeteund htte der Liebe nicht, so wre ich ein tnend Erz odereine klingende Schelle . . ."

    3.

    h;s wre vllig irrig zu glauben, die Vorstellung von einerGeister- oder Engelssprache wre etwas ausschlielich Christ-liches, nur ein Gnadengeschenk des Geistes". Wir haben jaoben 2) bereits betont, da die Zauberworte der Papyri ingewissem Sinn nichts anderes sind als Glossen einer Gtter-sprache. Wie der Zungenredner in ekstatischer Verzckunglallte, so redete auch die Pythia in unbewutem Enthusias-mus, 3) so gaben berhaupt die Bakiden und Sibyllen ihredionysischen Orakel. Den heiligen Wahnsinn als Gottesdiensthaben wir besonders im thrakischen Dionysoskult, dessen

    1) RuBANOWiTSCH , Das heutige Zuugenreden, Neumnster 1907.Schopf, Zur Kassler Bewegung, Boun 1907. Franke, Die Versammlungenim Kassler Blaukreuzhause in nchterner Beleuchtung, Kassel 1907. Urban,Z. gegenwrt. Pfingstbewegung'. 1910. Weiteres bei Mosiman a.a.O. VII f.

    ) S. 3 und 28.3) Vgl. z. B. Heraklit bei Plutarch de Pyth. orac. p. 397 A: IlivU.u

    Sh /^uivo/xtruj OTfxaxi, xu^' 'HQxltuov, aytlaara xaX axallimaxu (un-geschminkt") xttl uvfjioxtt (ungesalbt")

  • 32

    wahre Natur uns erst Erwin Rhode wieder zu verstehengelehrt hat (Psyche ^ II, 1 ff.) : Wenn die schrillen Fltengellten, Pauken und Tamburin rasselten, tobten und taumeltendie bekrnzten Mnaden und Korybanten, des Gottes voll,in tollen Tnzen den Thyrsos schwingend unter jauchzendemJubelruf durch die Nacht: Im, k Aiovvoi: {euhoe Bacche)! Inden Bakchen" des Eueipides ist anschaulich geschildert, wiediese Raserei, dieser religise Taumel, alles mit sich fortreitin wildem Fanatismus und kein Machtgebot eines Herrschersder aus Barbarenland stammenden BeAvegung Einhalt gebietenkann.

    Aber auch bei kulturlosen Vlkern findet sich die Auf-fassung, die Worte von Verzckten i) gehrten einer Geister- oderDmonensprache an: es handelt sich eben um eine allgemeinmenschliche Anschauung, die in der Hauptsache an keine Zeit,Kulturstufe und Rasse gebunden ist. Gerade in primitivenReligionen und Kulturen spielen bekanntlich Tnze untergellender Musikbegleitung eine Hauptrolle ; es kann also nichtim mindesten berraschen, da auch vom Reden in einer D-monensprache, vom Zungenreden", vom Schreien in unartiku-lierten Lauten fters berichtet wird. In China toben beiTempelfesten Mnner oder Weiber halbnackt in toller Be-sessenheit umher und stoen dabei allerhand Laute aus, welche

    ^) Vergleiche sprachliche Bildungen, wie gr. fxvTig zu f^airofCii, lat.vtes, gall. plur. ovteig, air. fifh Dichter" zu got. wps wtend, be-sessen", aisl. pr, ags. tnd, ahd. wuot wteiid", aisl. 6pr Poesie", ags. wGesang"; a.i. viprah erregt, begeistert", subst. Dichter, Seher" zu vepatebebt, zittert", O^vtg Bakchantin" zu lat. /Mro^fwj'or Raserei, Verzckung".Ai. kavih Seher, Dichter" hat in gr. O^vo-oxoog seine etymologische undsemasiologische Sttze und drfte, wie lat. augnr, auspe.r: auf die Deutungder Zukunft aus Vorzeichen gehen (lat. men aus *os-men zu scen Wahr-sagevogel"), whrend in &il. volva Weissagerin, Zauberin" (zu ?;j>?r runderStab", got. walus Stab") und vielleicht in gr. Bxtg (zu xxQOv, lat. ha-culum?) die Vorstellung der mit dem Zauberstab regierenden Herren derGeister ursprnglich der Wortschpfung zugrunde liegen drfte. (Vgl.Gering, ber Weissag, u. Zauber 25, Note 17.) Seher sitzen auf Sthlen,wenn sie ihre Orakel erteilen (vgl. die nordischen Vulven, die Pj'thia usw.)

    ;

    so versteht man aw. upairi-gtu- Seher, Visionr", vgl. Bartholomae,Wb. 395 s. V. Mit dem gr. tvO^eog, ivd^ovoiao/xg, nhd. besessen vgl. mauaLytudhna-, ytudhrfi, s. Oldenberg, Weltanschauung d. Brhm.-Texte,1919, 131. SivV.a ist nichtgriechischer Herkunft.

  • 33

    dann durch Leute, die solche Gttersprache zu verstehen be-haupten, verdolmetscht werden".

    ') In PoljMiesien werden diePriester \'on ihrem Gott besessen ; sie werden rasend, dieMuskeln krampfhaft, das Gesicht verndert sich, die Augenverdrehen sich, sie schumen am Munde, werfen sich auf denBoden, und unter dem gttlichen' Einflu uern sie gellendesGeschrei, heftige und oft unverstndliche Worte, indem sieden Willen des Gottes offenbaren. Andere Priester empfangendie Mysterien und legen sie den Leuten aus." ) Von denBataks auf Sumatra wird berichtet, da sie von einem Geistin ekstatischem Zustand besessen seien, der sich einer beson-deren Sprache bediene. Bei Tnzen der Indianer, bei afrika-nischen Medizinmnnern, bei den Teufelstnzen in Indien, beiden tanzenden Derwischen berall ^) finden wir = diesesLallen und lieden in unartikulierten Lauten, das die Glubigenals ein Sprechen in einer berirdischen Sprache auffassen.Bei den Makusi- Indianern in Guiana werden die Bldsinnigenmit besonderer ehrfurchtsvoller Scheu behandelt, da es all-gemein berzeugung ist, da diese Armen in inniger Verbin-dung mit dem guten Geiste stehen, weshalb auch ihre Worteund Handlungen fr Aussprche der Gottheit gehalten werden.Die Buschneger am Maroni in (4uiana, die mglicherweisesolche Vorstellungen den Indianern entlehnten, halten Krppelund Idioten fr heilig und nennen sie fjado pikht Gottes-kinder"

    ;und auch die brasilianischen Indianer behandeln Bld-

    sinnige rcksichtsvoll, man schreibt ihnen einen besonderenZusammenhang mit verborgenen Krften und prophetischen(iaben zu." *) Sogar bei den Russen und Muhammedanernherrscht derselbe Wahn : man glaubt, da sie die Gabe be-sitzen, Gott und berirdische Dinge zu schauen, wobei natr-lich ihr Blick fr irdische Dinge getrbt wird." -)

    Ja, es kommt gar nicht so selten vor, da ein Reden in

    *) De Groot in Chantepie de la Saussayes Lehrb. d. Relig.-Gesch.^ 1, 89.'^) MosiMAX a.a.O. 63 aus \\. Ei.t.is, Polynesian Researches, London

    1858, 1,373 f.*) Belege bei Mosiman a.a.O. 63 f., auf die der Krze wegen hier

    verwiesen sei.) R. Andrer, Ethnogr. Parallelen u. Vergleiche, Neue Folge, 1889. 3.') Andhee a. a. 0. f).

    (intcrt, Spriiolio der (nitti-i- und (jcistfr. 3

  • 34

    einer unbekannten, jedenfalls der groen Menge unverstnd-lichen Sprache einen wesentlichen Bestandteil eines religisenKultus bildet. Bei den Tnzen der Azteken um die Pyra-miden von Cholula in Mexiko wurden nach Vater, Mithrid.III, 3. 90 alte, dem Volk ganz unverstndlich gewordene Ge-snge gesungen. Solche Verwendung unklarer, kaum denPriestern selbst noch verstndlicher Sprachformen beim Gottes-dienst findet sich beim Shintokultus in "Japan, auch auf denSdseeinseln, besonders in Otaheiti. und bei den Toradjas auf('elebes. ') Die alten Hymnen des Rgveda sind den meistenPriestern, die sie praktisch beim Gottesdienst verAvenden, undsicher den Laien, die daran teilnehmen, recht unklar. Diermischen carmina Saliorum waren den Priestern selbst nichtmehr verstndlich, 2) im veralteten Saturnier soll Faimns seineOrakel gegeben haben. 3) Aber ist das schielich bei unsanders? wo noch in der Gegenwart im katholischen Ritus(las Latein eine so Avichtige Bedeutung hat, also eine Sprache,die der groen Menge der glubigen Katholiken ganz unklarund unverstndlich ist? Mute doch Kakl der Grosse ineiner besonderen Verfgung^) dem allgemeinen Urteil seinergermanischen Untertanen entgegentreten, das Latein sei dieeinzige Sprache, in der man sich allein an Gott wenden drfe. ^)Der gemeine Mann, der die Priester stets diese ihm unklarenWorte murmeln hrte, dem man gar das Auswendiglernen desVaterunsers und apostolischen Glaubens in der lateinischen,also ihm vllig dunklen Fassung zumutete, konnte garnicht anders, als diese lateinischen Sprche mit seinen heid-

    *) Einzelne Belege bei .T. G. Mller, Gesch. d. amerikan. Urreligionen.B.isel 1855, S. 458 f.; Jkllinek, Zeitsclir. f. sterr. Gymn. 68, 767.

    *) Quintil. I, fi, 40: Saliornm carmina vix saferdotibns snis satis in-^ellecta.

    *) Varro de 1. 1. VII, 36: versus antiquissinii, (|nil)us Fannus fata ce-cinis.se hominibus videtur, Saturnii ai)pellantnr.

    *) Frankfurter Capitular vom Jahre 794. ^'>) Bekanntlich ist es die Lehre der Muhammedaner. da der Koran

    nur in der arabischen Sprache seine heilige Kraft besitzt, in einer ber-setzung verliert er seine Heiligkeit. So kommt es, da das Arabische al.sdie heilige Sprache sich berall dort ausbreiten mute, wo der Islam alsReligion herrschte; s. Bknfry, Gesch. d. Sprachwissensch., 1869, S. 187und 837.

  • 35

    nischen Zauberformeln auf eine Stufe stellen und als ein-zigen Grund jenes uns ganz unbegreiflichen Gebots annehmen,an die lateinischen Worte selbst und ihren Klang' sei ein be-sonderer Zauber gebunden: Gott erhre gleichsam nur den,der ihn in seiner eignen Sprache anrufen knne. ^) Bekannt-lich erklrt man so meist die blichste Zauberformel Hohis-poktis als eine Entstellung von Iwr est corjmfi (meum) imLaienmunde, weil beim Abendmahl diese Worte so oft ge-murmelt werden:-) sie erinnerten allzu sehr au die volkstm-lichen Hexenmeister -Formeln Acw. lax, pax oder hahes. palces.Im griechisch-katholischen Ritus behlt man die altbulgarischeFassung der heiligen Schrift bei. die wegen der dialektischenFrbung und ihres Alters einem modernen ungebildeten Slavenviel Unklarheiten bietet, und auch die BibelbersetzungLuthers enthlt trotz der krftigen, treuherzigen ber-setzungsart, die jedem Protestanten gefhlsmig zusagt, gar'manche Schwierigkeiten und Unklarheiten fr moderne un-gebildete Leser, wie das Avegen ihres Alters gar nicht anderssein kann. Aber gerade das gibt diesen Texten ihren Reiz:es ist nur erwnscht, wenn hier nicht alles so klar ist wiein der Alltagssprache, die Dunkelheiten verleihen ihnen etwasMystisches, was seine gefhlsmige Wirkung ausbt und aus-ben soll.

    In alten Zeiten besteht das Ansehen des Priesters undZauberers, des Medizinmanns oder Schamanen 3) zum guten Teildarauf, da er die Formeln und Worte der Geistersprache kenntund versteht, und dieses hhere Wissen" wurde auch fastberall ngstlich geheim gehalten: sowohl Druiden als Brah-manen und Schamanen wuten genau, worauf ihre Macht be-ruhte. Von einem gyptischen Oberpriester heit es. er sei

    ') Raumer, Einwirkung des (-'bristentums auf die ahd. Sprache 248;Stkinmeyeu, Denkmler II, 325 ; KiiEi., Gesch. d. d. Litt. 1, 243 ; A. Fkeder-KTXO, Wiss. Beih. z. Zeitscbr. d. allgem. Sprachvereins III, 14/15,152.

    -') Auch wenn es zunchst nur der Name eines Gauklers gewesensein sollte, wre doch diese Benennung erst aus jenem Zauberwort ab-geleitet, vgl. Kluge, Et.Wb.-, 1910, 211; Heyne, Wh. II, 1906, 189 ft'.:Weigand, Wb.-', 1909, 888 und unten ber griech. d/

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    eingeweiht iu die Gotteswoite und (iottesdinge" ; er habeeine laute Stimme, wenn er den Gott preist".

    ') Einen be-sonders schnen Fall von dem Geheimnis einei- Gttersprache,die nur den Priestern bekannt war, vermag ich aus dem altenInkareich beizubringen: Die knigliche Familie die gewipriesterliche Funktionen ausbte kannte eine besondereSprache, die sonst niemand erlernen durfte, weil sie fr gttlichgalt. -) Von dem indischen Brahmanen heit es ausdrcklich, ermsse sowohl die gttliche als die menschliche Sprache be-herrschen (Kth. 14, 15; Nir, 13, 9), er kennt die vierfacheArt des Worts (RV 1, 164, 45). ^) Von dem Zauberspruch undder magischen Formel (ai. hrhman- n. zu mir. hriht Zauber-spruch") hat der Br&hmsiwe {hrahmdn- m.) seinen Namen; denndie Vorstellung vom Brahman ging aus von der des heiligen,zauberkrftigen Worts, der heiligen Formel, um sich dannfreilich zu einem Ausdruck fr die ganze dem Brahmanen unddem Opfer innewohnende mystische Kraft zu erweitern".^)Bfhasputi- ist der Herr des zaubermchtigen AVorts, der ver-gttlichte, zum Gott erhobene Priester.

    Wenn Wahnsinnige fr besondere Lieblinge Manitus beiden nordamerikanischen Indianern galten, so verstehen Avir nachden vorausgehenden (Tedankengngen dies jetzt ohne weiteres.Da man das Stammeln unklarer Worte, unartikulierter Lauteaber nicht in alter Zeit fr das nahm, was es ist, nmlichfr eine anormale, unwillkrliche Ausdrucksbewegung in ge-steigertem exzentrischem Erregungszustand, die dem Ver-drehen der Augen, dem krampfhaften Aberziehen der Glieder-muskeln usw. ganz gleichgeordnet ist, sondern da man diesesLallen auf eine berirdische Geistersprache bezog, daran istnur der alte Glaube von der Zaubermacht des Namens und

    *) Nach der bersetzung bei A. Erman, Agypt. Religion, 1905, Hand-buch d. kgl. Mus. z. Berlin IX, 57.

    '^) Nach dem Zeugnis von Gakcilasso dr i,a Vega: Y es de saverque los Incas tuuieron otra langua particular que hablaran entre ellos queno la entendian los denias Indios, ni les era licito aprenderla, conio leuguagedivino, s. v. T.schudi, Kechua - .Sprache, 1853, I, 12, Fun. 2.

    ) A. Wehkr, Ind. Stud. 10, 1868, 97; ber hnliches von den Druiden^1. WiNDi.sCH, Tain bo Calnge, 1905, XLIII.

    *) Oiii'KNBERG, Weltanschauung d. Brhniana- Texte, 1919, 131.

  • des Worts allgemein schuld, von dem wir ausgingen. DieVorstellungen von besonderen Gtter- oder (reister-sprachen sind also nach unseren vorausgehenden Unter-suchungen erwachsen aus der allgemeineren Anschauunglterer Zeiten von der magischen Kraft, die einem Wortals solchem innewohnt, sie sind nur ein Seitenschlingdes Wortaberglaubens.

    Wir mssen uns ja heute erst knstlich vergegenwrtigen,was nicht nur der Name, von dem wir oben vorwiegendsprachen, sondern auch das Wort allgemein einer primitivenDenkweise bedeutete. Am ehsten haben fr unser modernesGefhl Wrter wie HaUelujuh, Sela und vor allem Amen, dei'enwirkliche Bedeutung als hebrische Formen den wenigsten Glu-bigen ja bekannt ist oder wenigstens zum Bewutsein kommt,noch einen mystischen Charakter. Das entsprechende arab.amin dient wirklich im Mrchen geradezu als Zauberformel.

    ')

    Namentlich der Orientale fhrt den Namen Gottes oder einesHeiligen stndig im Mund ; man denke nur an persische Formelnwie bismilWi in Gottes Namen", das bei Beginn einer jedenHandlung, einer Mahlzeit, einer Reise usw. verwendet wird,oder an Ausrufstze wie allalm ukhar Gott ist gro!", ij'All 0 Ali!", inmllh, msllh, xtidy mh\ alhamdulillh!

    ,

    um nur die allergewhnlichsten zu nennen, ^) Das bloe Wortwirkt magisch : ein Star hatte die Worte Ace Maria sprechenlernen; als ihn einst ein Habicht verfolgte und ihm die zweiWorte entfuhren, wurde er gerettet. 3) Daher sprechen Muham-medaner bei Tagesanbruch ein glckbringendes Wort aus (wiesalem, muharek usw.). dann wird man Glck haben; deshalbstellt der Inder an die Spitze seines Buchs ein gutes mahgaldm.dann wird er alle Hindernisse beseitigen. In i-mischen Sol-datenlisten mute ein Name von guter Vorbedeutung die Reiheerffnen: nomina sind omina!

    ber Zauberformeln noch weiteres hier zu sagen, istunntig, ihre Bedeutung ist allgemein bekannt.^) Das Be-

    ') Siebe Kuns, Trk. Volksmrchen ans Stanitinl 26H.^) Viele andere ttndet man bei 8. Beck, Neupers. Konv.-tTramm., 191-1.

    S. 3o2, 395 ff. n. .sonst. ^) Sohindlbr, Aberglaube d. Mittelalters 97.*) Vgl. die vielen Belege bei Wuttke, Der deutsche Volksaberglaube',

    1900: ferner Hl.sk!, l)er ^Zauberspruch bei den (iermanen, Leipz. Dissert..

  • sprechen*' Avar schon in ltesten Zeiten, auch bei den Indo-germanen, blich, vgl. Wendungen wie gr. IjTfod// Zauberlied",hjTfpoc Zauberer", lat. mcantre verhexen", frz. enchunter,ahd. higalan besprechen, verhexen", aisl. (/alinn verzaubert",

    (/aldr Zauberlied", fascinre : aoxah'cj, fascinum : fcoxdi'io}\/0//C Zauberer" zu 700c Schrei", 2) engl. 6'2>e?Z Zauberei" aus

    ags. s2)eU Rede", nhd. hesprechen, heschreien. slav. rhc/io

    Zauber" zu vlzmiti 'balbulire' (< '^uolso-), lit. rm-dyti be-sprechen" zu vardaa Wort, Rede", iade besprechen",abg. hajati, ohavati besprechen, zaubern", mm Arzt, Zau-berer" zu griech. Qfi^ia, qtitojq, ai. ahhiyyati bezaubert",

    wrtl. besingt", vgl. auch ungar, meyiye.ii:e beschrieen" usw.

    Der Zauberer und Hexenmeister wird nicht nur dunkle Zauber-formeln murmeln, auch seine Kruter. Gerte und Werkzeugebenennt er mit seltsamen Namen. ^) Wo sind" heit esin Walter Scotts Altertmler III, 5 wo sind Ihre Amu-lette, Ihre Platten, Siegel, Talismane, Zaubersprche, Kristalle.

    Pentakel, wo der magische Spiegel oder die geomantischenFiguren, wo Ihre Bannformeln, wo Ihr Abracadabra, Freund?Wo Ihr Maifarrenkraut, wo Ihr Eisenkraut?

    All Ihre Krten, Krhen, Drachen, Funther,Sonne, Mond, Tierkreis und Firmament,Wo Lato, A^'och, Zernieh, Chibrit, Heatitarit,Nebst Trnken, Pulvern, all dem Ap^jarat,Ob deren Namen schon ein MenscJi knnt'

    nrrisch irerden '^"

    Die Gaukler und Geisterbeschwrer wuten eben sehrwohl, welch einen mystischen Eindruck gerade die geheimnis-vollen Worte bei ihrem Treiben machten: so scheinen sie derGeistersprache mchtig zu sein und knnen den Geistern inihrer eigenen Sprache gebieten und sie zitieren.

    l!)10, PiiADEL, riech. u. sditalieii. Gebete, Beschwrungen u. Jxezepte il.Mittelalters (liel. Vers. u. Vorarl). III), 1907, Heim, Incantamenta magicagraeca latina, 19. Suppl. d. Jahrb. f. Phil., 1892, Gmix, Hundert Lieder desAtharvaveda-', 1888, sowie berhaui)t die liit. zum AV., Schkftki-owitz,Die altpers. Relig. u. d. Judentum, 1920, 23 (awest. Gebete).

    >) Siehe Faj.k-Trp, Norw.-dn. et.Wb. 295. Schkaukr, Reallex.' 974 ft".') Siehe unten Beispiele aus der griedi. u. rni. Priestersprache.

  • Wir meinen heute, auf den Sinn des Gebets komme esan, und man soll beim Beten nicht plappern wie die Heiden"

    :

    aber nach primitivem Glauben wird durch hufige Wieder-holung* die Zauberkraft des Worts nur vermehrt: so kommtes zu solch seltsamen Einrichtungen wie den tibetanischenGebetsmhlen. Aber wohl gemerkt, die Reihenfolge der Worteoder der Zauberformel darf nicht gendert werden, sonst istdie Wirkung umsonst; namentlich mute der rmische Priestergenau auf den Wortlaut und die richtige Wortfolge und Aus-sprache achten. *)

    Hier lt sich auch die Bedeutungsentwicklung von lat.f'oUum und die dadurch bedingte unseres deutschen Blatt, frz.feilh\ engl. Icaf von Baumblatt" zu Papierblatt" erwhnen:die sibyllinischen Weissagungen waren tatschlich auf Baum-bltter geschrieben, wie ja Palmbltter im Orient ein gutesSchreibmaterial abgeben. Interessant ist. da dieser Zusam-menhang von .,Baumblatt" mit .,Blatt Papier" im Rumnischennoch eigenartig empfunden wird: Am Anfang rumnischerVolkslieder nmlich wird jedesmal ein Blatt", frimm verde,einer solchen Pflanze angerufen, die mit dem Inhalt desLiedchens in einem allegorischen Zusammenhang steht, z. B.ein Eichenblatt bei Heldenliedern, ein Jasminblatt bei Liebes-liedern usw."-) Im alten Indien verwandte man glnzendeBaumbltter, die man zudem mit Schmalz bestrich, als magischeSpiegel; indem man auf das Blatt den Blick starr heftete,trat eine Art Hypnose ein, und man glaubte, jetzt auf demBlatt die Zukunft lesen zu knnen.^)

    Bekannt ist ferner, da Zettel mit magischen AVrterngeradezu verschluckt werden, z. B. um sich kugelfest zumachen : denn auch das geschriebene Wort hat lichste Zauber-kraft.') Man denke nur an die Amulette und vor allem an die

    ') Vgl. W. St'HMji), Aldi. f. Keligioiiswiss. 19, 273 ff.; Fk. Pfister,Berl. phil. ^^ucbellschr., 1920, Nr. 27,28; 650.

    '^) Vgl. Wech.slkk, Prakt. Lehrbucii d. lumu. Sprache*, 1895, 188.*) Fkeui>enber(^, Wahrsagekniist im Spiegel der Zeit und Vlker-

    geschichte, 1919, 11 ach K. Schmidt, Fakire und Fakirtum im alteu undmodernen Indien.

    *) Vgl. VViri'KK, 1). dlsi-.h. Vulksalierglaube ' 243f., ScH.Miivr, Itedeu-

    tnng des Namens :!2.

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    Himmelsbriefe". Wie krperlich und sinnfllig man sich dieZauberworte und ihre magische Kraftsubstanz dachte, zeigtnichts besser als die nordische Darstellung, da in den Dichter-trank Oprerir die Runen der Dinge geschabt und in dem Metumgerhrt worden seien (Sigrdr. 18: ciliar vom af skafnarpders i'Qru a ristnar oh liverfpar eil) ^'^^^ helija mjgj) ; vgl. auchHQvam. 141). So bereitet die Walkre dem Sigurd einenZanbertrank, in den die 'Runen', d. h. die magischen Xatur-krfte der verschiedensten Dinge, eingerhrt sind: wer einensolchen mit Runen durchdrungenen Trank in sich aufnimmt,wird Herr ber di^ so magisch mit ihm verbundene Welt.

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    Sobald eine ble Rune abgeschabt ist, hrt auch ihre schd-liche Wirkung auf, weil eben die dmonische Substanz beseitigtist. Amulette enthalten oft mystische Zeichen, deren Zauber-kraft vor allem Unheil feit. Man denke wieder an die Gebets-fhnchen und Gebetsmhlen der Buddhisten, die das heiligeOm mani padme hum ! ebenso unheilabwehrend abhaspeln, alswrden diese heiligen Woi'te gesprochen; man denke an dieHieroglyphen der gypter, die in den Tempeln an Wand undSule, an Tisch und Tempelgert als heilige Wesen angebrachtwaren: heien diese Schriftzeichen doch geradezu Gottes-worte,2) der ibiskpfige Thoth, der Gott aller Wissenschaftund Weisheit, hatte sie den Priestern offenbart. Nher liegtuns der Runenzauber der alten Germanen. Auch hier hatein Gott, Odin, der Vater aller Magie, diesen geAvaltigen Zauberzwar nicht erfunden, aber doch von Mimirs Haupt ^) unterden grten Opfern erlauscht und den Menschen offenbart.Die Hgoaml vor allem, aber auch viele andere Quellen redenleider von dem Runenzauber und seiner Verwendung nur imallgemeinen, ohne da uns ein tieferer Einblick in das Wesendieses Glaubens oder eine genaue Probe eines Zauberspruchsgegeben wrde. Ursprnglich mu rmia im Altgermanischengeheimnisvolles Raunen, Murmeln'' bedeutet haben und gingalso zunchst auf das Zauberwort, nicht auf das eingeritzte

    ') Siehe tlazu namentlich Kai;ffmann. Haider 184 ff.-) A. Erman, gypt. Religion, 1!)U5, S. 1'2.') Zu den Sagen vom prophezeienden abge.schlagenen Menschenkopf

    vgl. man Lirkkkch'I', Zur Volkskunde. 1.S7!', S. 289 ff. Auch in einem I)e-kannlen Mrchen aus Tausend und eine Nacht" kommt das Motiv vor.

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    Schriftzeichen'): vgl. got. riinn Geheimnis", r. rmia heim-liches Flstern", ags. tiin heimliches Beratschlagen", nilid.

    nme Flstern, heimliches Beratschlagen", nhd. Ikmncu. ahd.girno heimlicher Ratgeber", got. (luruni heimliches Berat-schlagen", aisl. riini vertrauter Freund", nin(a) Freundin"zu vyna vertraulich stern", ags. niman, engl, roan, nhd.raunen usw.-) Besonders wichtig ist ir. ;vm Geheimnis" frdiese Grundbedeutung. Das finnische rfuio. aus dem Germa-nischen entlehnt, bedeutet gleichfalls Zauberlied" und nie-mals ein Schriftzeichen. ) Keine Frage also, da die gewhn-liche altnordische Bedeutung als Schriftzeichen" sich erstspt und sekundr entwickelt hat;-*) im brigen bedeutet auchim Aisl. das Wort allgemeiner Lelire, Weisheit, Lied" usw.Berhmt und oft behandelt ist die Stelle der Skirnisml 37,wo die Verwnschungen, die S/iiniir in Freijra Auftrag dersclinen Riesentoehter Gerd antut, schliel