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Herausforderung politischer Extremismus: Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken. Junge Union Deutschlands

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Herausforderung politischer

Extremismus:

Unsere Demokratie festigen,

Engagement stärken.

Junge Union Deutschlands

Philipp Mißfelder MdB (Hrsg.)Herausforderung politischer Extremismus:Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.

Philipp Mißfelder MdB (Hrsg.)

Herausforderung politischer Extremismus:

Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.

Herausforderung politischer Extremismus:Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.

Philipp Mißfelder MdB (Hrsg.)für den Bundesvorstand der Jungen Union Deutschlands

ISBN 978-3-923632-10-7Weiss-Verlag, 2009

Redaktion: Nicolas Wendler, Thomas Dautzenberg, Dr. Stefan Ewert, Alexander Humbert

Produktion: Junge Union DeutschlandsSatz und Layout: Nicole WestrichUmschlaggestaltung: Nicole WestrichTitelfoto: ddpDruck: Druckhaus Berlin-Mitte GmbHPrinted in Germany 2009

© 2009 Junge Union Deutschlands

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere die des öffentlichen Vortrags, der Rundfunksendung und der Fernsehausstrahlung, der fotomecha-nischen Wiedergabe, auch einzelner Teile.

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Inhalt

Herausforderung politischer Extremismus: Seite 8Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.Philipp Mißfelder MdB

Deutschland in guter Verfassung? Seite 14Prof. Dr. Bernhard Vogel

Zwölf Thesen zum Demokratieverständnis Seite 20Prof. Dr. Gerd Langguth

Die Bekämpfung des Extremismus – Seite 24warum Verbote nicht ausreichenDr. Wolfgang Schäuble MdB

Gleichklang von Prävention und Repression – Seite 32Eine Kardinaltugend in der ExtremismusbekämpfungVolker Bouffier MdL

Umgang mit politischem Extremismus – Seite 38eine Bestandsaufnahme am Beispiel der Politikdes rot-roten Senats in BerlinDr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

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Vorwärts und schnell vergessen? Seite 46Warum wir mehr Aufklärung über die DDR-Vergangenheit brauchenDr. Hubertus Knabe

Die Linke – eine Partei zwischen Seite 52Linksextremismus und LinkspopulismusDr. Tim Peters

Bildung und Aufklärung als Prävention Seite 62gegen ExtremismusStefan Gruhner und Tom Zeller

Kampf gegen islamistischen Terror – Seite 68Herausforderung für die innere Sicherheit?Dorothee Bär MdB

Gefahren des politischen Islamismus Seite 74Dr. Kristina Köhler MdB

Jeder Extremist ist Mist! Seite 80Das Engagement der Jungen Union gegen ExtremismusHenrik Bröckelmann

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Herausforderung politischer Extremismus

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Philipp Mißfelder MdB

Herausforderung politischer Extremismus: Unsere Demokratie festigen, Engagement stärken.

Im Jahr 2009 wird das 60-jährige Jubiläum der Bundesrepublik Deutsch-land und des Grundgesetzes begangen. Der Fall der Mauer jährt sich zum zwanzigsten Mal. Dieses Ereignis und die Vollendung der Einheit Deutschlands in Frieden und Freiheit markieren den größten Erfolg des Grundgesetzes. Dadurch bestätigte sich auch die Entscheidung Konrad Adenauers und der Union für Freiheit und Westbindung. Mit der fried-lichen Revolution im Osten Deutschlands endete zugleich die zweite deutsche Diktatur auf deutschem Boden nach dem Nationalsozialismus. Der real existierende Sozialismus im SED- und Stasi-Staat DDR war die Umsetzung von politischem Extremismus in staatliche Praxis.

Mit dem Grundgesetz wurde nach dem Scheitern der ersten deutschen Republik und nach den Verbrechen des Nationalsozialismus sowie im Angesicht der neuen sozialistischen Diktatur im östlichen Teil Deutsch-lands der gegenteilige Weg beschritten. Aus der Erfahrung mit der wert-neutralen Weimarer Verfassung und auch aus dem Beispiel der Unter-wanderung des demokratischen Neubeginns in der Sowjetischen Besat-zungszone durch die SED, die aus der Zwangsvereinigung von SPD und KPD 1946 entstanden war, hat der Parlamentarische Rat die Lehre ge-zogen, dass die neue Verfassung auf einer definierten und verbindlichen Wertordnung beruhen muss. Zu dieser Entscheidung gehört es auch, die unbestimmte und uneingeschränkte Freiheit der Weimarer Verfassung zu begrenzen. Die freiheitliche Ordnung des Grundgesetzes gewährt den Feinden der Freiheit nicht die Freiheit, diese Ordnung zu überwinden. Dieser Gedanke liegt der Idee unserer wehrhaften Demokratie zugrun-de, die für den Staat und seine Organe konstituierend ist. Dieses Kon-zept fordert einen aktiven Kampf gegen Extremisten, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen oder „überwinden“ wollen. Dieser Auftrag der aktiven Sicherung der Demokratie bedingt dauernde Wachsamkeit des Staates in Legislative und Exekutive, aber auch ein ent-

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sprechendes Gefahrenbewusstsein der demokratischen Politiker und vor allem der Bürger. Dies gilt auch heute und vielleicht gerade heute, denn unsere Ordnung der Freiheit kann nicht als selbstverständlich betrachtet werden. Der schon lange währende Verlust sozialer Bindungskräfte von Parteien, Kirchen, Gewerkschaften oder Vereinen und die gegenwärtige wirtschaftliche Krise, die neue Ungewissheiten schafft, schwächen Loya-lität und Engagement für unser demokratisches Gemeinwesen. So wird der Boden für den Erfolg extremistischer Verführer bereitet.

Die Entwicklung der vergangenen Jahre weckt Besorgnis: So sind beim Links- und Rechtsextremismus sowie beim Islamismus weiterhin hohe oder steigende Anhängerzahlen verbunden mit einer wachsenden Gewalt-bereitschaft zu verzeichnen. Vor allem letzteres zeigt eine zunehmende Intoleranz aus politisch-ideologischen Gründen, deren Praxis zwar nur auf kleine, fanatische Minderheiten begrenzt ist, die aber in einem wei-teren Umfeld Sympathien erlangen kann. Gewaltbereite Extremisten su-chen politisch Andersdenkende aus „ihren“ Gebieten fernzuhalten und versuchen, diese Gebiete zu beherrschen. Besonders Rechtsextremisten treten mit aggressivem gewalttätigem Verhalten gegen Andersdenken-de in Erscheinung. In extremen Fällen richten sich organisierte Grup-pen von Rechtsextremisten gegen alle Menschen fremder Herkunft und versuchen so, ihren rassistischen Hass in „national befreiten Zonen“ in die Tat umzusetzen. Auch Linksextremisten gehen vermehrt gewalttätig gegen ihre Feindbilder vor. Vertreter des „Systems“ sollen mit Gewalt ausgeschlossen oder verdrängt werden, um so genannte „Freiräume“ ge-gen das Gesetz und Andersdenkende zu schaffen oder zu verteidigen. Der Islamismus zielt ebenfalls auf Abgrenzung, Ausgrenzung und den Kampf gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung auch unter Einsatz von Gewalt.

Alle Extremisten versuchen gezielt, junge Menschen anzusprechen und für ihre Weltanschauung und Ziele zu gewinnen. Aus diesem Grund muss der Kampf gegen den Extremismus gerade für demokratische Jugendorganisationen Priorität haben. Insbesondere Rechtsextremisten streben den Anschein von Normalität an, um Zugang zum gesellschaft-lichen Mainstream zu erlangen bzw. diesen zu beeinflussen. Im Fall des

Philipp Mißfelder MdB

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Linksextremismus sind es oft die Parteien der demokratischen Linken, die die Hand in Richtung der Linksextremisten ausstrecken und ihnen und ihren Positionen so zu Anerkennung verhelfen.

Erkennbar ist eine Asymmetrie in der Wahrnehmung und Bedrohungsa-nalyse zwischen linkem und rechtem Extremismus. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus werden zu Recht allgemein geächtet: Es gibt eine klare politische Abgrenzung, keinerlei Kooperation demokra-tischer Parteien sowie eine offensive und konsequente politische, admini-strative und polizeiliche Bekämpfung. Zudem bestehen zahlreiche Auf-klärungs- und Aussteigerprogramme. In Bezug auf linksextremistische Bestrebungen lässt sich dergleichen nicht feststellen. Im Umgang der de-mokratischen Parteien des linken Spektrums mit dem Linksextremismus und bei den Verflechtungen ihrer Anhängerschaften lassen sich vielmehr Kooperation, Vernetzung und Verständnis erkennen. Letzteres beruht auf gemeinsamen Zielen und wird teilweise sogar Gewalttätern zuteil, die Solidarität und Unterstützung erfahren. Es besteht eine Tendenz, den Linksextremismus und die von ihm ausgehende Bedrohung zu be-schönigen und kleinzureden. Dies wird besonders in der Tabuisierung des extremistischen Charakters großer Teile der SED-Fortsetzungspartei „Die Linke“ deutlich. Ihr ist es durch Verharmlosung und Verschleie-rung gelungen, einen demokratischen, verfassungskonformen Charakter vorzuspiegeln. Aus machtpolitischen Gründen wird diese Selbstdarstel-lung von den Parteiführungen der SPD und von Bündnis‘90/Die Grü-nen nicht mehr hinterfragt. Initiativen und Positionen gegen Linksextre-mismus werden verächtlich gemacht, die Überwachung von Linksextre-misten durch den Verfassungsschutz ins Lächerliche gezogen, während die gemeinsame Solidarität gegen die Staatsgewalt hochgehalten wird, als ob sie sich in der Bundesrepublik im Kampf gegen ein reaktionäres Unrechtsregime befinden würden.

Diese Asymmetrie zwischen Links- und Rechtsextremismus, die in den vergangenen Jahren dem Linksextremismus Auftrieb gegeben hat und seiner Gewaltbereitschaft Vorschub leistet, ohne den Rechtsextremis-mus geschwächt zu haben, muss überwunden werden. Es gilt, wieder den politischen Extremismus als Ganzen in den Blick zu nehmen und

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Herausforderung politischer Extremismus

Extremisten jeder Couleur entgegen zu treten, wie es in den ersten Jahr-zehnten der Bundesrepublik selbstverständlich war. Dabei müssen kon-sequente Repression, gezielte Prävention und politische Bildung ineinan-der greifen.

In den folgenden Beiträgen, die den Leitantrag zum diesjährigen Deutsch-landtag „Politischen Extremismus bekämpfen! – Unser Engagement für Demokratie“ ergänzen und vertiefen, sollen der Ordnung des Grund-gesetzes nachgespürt, die Möglichkeiten im Umgang mit Extremismus von Links und Rechts beleuchtet, über die Strukturen und Erfolge des Linksextremismus und den Charakter der SED-Fortsetzungspartei „Die Linke“ aufgeklärt, die islamistische Gefahr dargestellt und über das En-gagement der Jungen Union gegen Extremismus und für Demokratie informiert werden.

Den Beginn macht der Beitrag des Vorsitzenden der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., Prof. Dr. Bernhard Vogel, mit einer Bestandsaufnahme der Hintergründe, Leistungen und Herausforderungen unserer politischen Ordnung. Der kenntnis- und erfahrungsreiche Artikel beleuchtet auch verborgene Schwächen und Fehlentwicklungen, deren Korrektur das be-sondere Engagement der jungen Generation erfordern.

Der Beitrag von Prof. Dr. Gerd Langguth ist ein leicht modifizierter Neudruck eines Artikels, den er bereits 1977 für DIE ENTSCHEI-DUNG verfasst hat. Darin beschreibt er in einem Grundsatzreferat das Demokratieverständnis des Grundgesetzes aus politikwissenschaft-licher Sicht, wie es die Junge Union noch heute für sich als verbindlich betrachtet.

Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble MdB gibt in seinem Artikel einen Überblick über die antiextremistische Tätigkeit der Bundesregie-rung und arbeitet anhand von Erkenntnissen der Extremismusforschung die Notwendigkeit einer umfassenden Präventionspolitik gegen den Ex-tremismus heraus, die gezielt auf eine Minderung des Gewaltpotenzials gerichtet ist.

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Im Beitrag von Volker Bouffier MdL, dem hessischen Minister des In-neren und für Sport, wird nicht nur eine konkrete Länderperspektive der Extremismusbekämpfung gegeben, sondern auch der Blick auf Vor-schläge der Unionsparteien gerichtet, mit denen Repression und Präven-tion gegen Extremismus aller Art wirksamer gemacht werden können.

Der Text der Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses, Dr. Robbin Juhnke und Sven Rissmann, widmet sich den Auswirkungen der Sicher-heitspolitik des rot-roten Senats in Berlin auf die linksextremistische Szene der Bundeshauptstadt, ihre Gewaltbereitschaft und deren Konse-quenzen für die Sicherheit der Bürger.

Die Beiträge von Dr. Hubertus Knabe und Dr. Tim Peters leisten im be-sten Sinne Aufklärung über den Charakter der SED-Fortsetzungspartei „Die Linke“ und beleuchten ihre historischen Wurzeln und ihre ideo-logische und personelle Verstrickung mit der totalitären Vergangenheit in der DDR. Mit den Schwerpunkten der Verklärung der SED-Vergan-genheit und der Verquickung mit verfassungsfeindlichem Extremismus entsteht ein erschreckendes und bedrohliches Panorama einer uneinsich-tigen, zerstörerischen politischen Kraft, die sich im politischen System der Bundesrepublik immer fester etabliert und immer weiter auszubrei-ten droht.

Die Mitglieder des Bundesvorstandes der Jungen Union, Stefan Gruhner und Tom Zeller, richten in ihrem Beitrag das Augenmerk auf die Verbes-serung der Extremismusprävention im Schulunterricht durch Stärkung politischer Bildung, Aufklärung über Extremismus und die Vermittlung der Bedeutung demokratischen gesellschaftlichen Engagements in Schu-len wie in außerschulischer Bildung.

Die Bundestagsabgeordneten Dorothee Bär und Dr. Kristina Köhler bli-cken in ihren Artikeln auf den Islamismus in Deutschland, auf die ter-roristische Bedrohung, auf die Strukturen, Motive und politischen Ziele des Islamismus und seine Gefährlichkeit auch in nicht-gewalttätigen For-men.

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Abschließend wird im Beitrag von JU-Bundesvorstandsmitglied Henrik Bröckelmann ein Überblick über das Engagement der Jungen Union ge-gen jede Form des Extremismus gegeben, bei dem der Einsatz für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und die demokratische Parti-zipation integrale Bestandteile darstellen.

In der Diskussion über den politischen Extremismus in Deutschland und die Gefahren, die er für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und für das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft bedeutet, wird deutlich, dass die Union in Geschichte und Gegenwart die Kraft bil-det, die sich verlässlich gegen den Extremismus stellt. Mit ihrem umfas-senden Extremismusbegriff und einem ausgewogenen Verständnis für das Zusammenwirken von Prävention und Repression haben die Uni-onsparteien in dieser wichtigen verfassungspolitischen Frage inzwischen eine Alleinstellung im Parteiensystem. Das klare Bekenntnis zu unserer erfolgreichen Verfassungsordnung und ihren Prinzipien, zur Sozialen Marktwirtschaft und zur wehrhaften Demokratie macht die Union zum Garanten politischer Sicherheit und Kontinuität. Die andere ehemals große Volkspartei SPD muss in Bezug auf die SED-Fortsetzungspartei „Die Linke“ ihr Verhältnis zum Extremismus klären. Erhebliche Teile dieser Partei bekennen sich zu extremistischen Positionen und kooperie-ren offen mit extremistischen Strukturen. Die Öffnung für Koalitionen auf Landesebene stellt einen demokratiepolitischen Sündenfall dar, be-sonders in den westlichen Bundesländern, da dort die Parteistrukturen stark von Extremisten geprägt sind. Es ist dringend notwendig, dass in der SPD das Verantwortungsbewusstsein wieder höher bewertet wird, als der unbedingte Wille zur Macht, um Schaden von unserem Land ab-zuwenden.

Philipp Mißfelder MdB ist Bundesvorsitzender der Jungen Union und seit 2008

Mitglied des Präsidiums der CDU Deutschlands.

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Philipp Mißfelder MdB

Prof. Dr. Bernhard Vogel

Deutschland in guter Verfassung?

Erinnern wir uns. Am 8. Mai 1945 kapituliert die deutsche Wehrmacht bedingungslos. In Europa endet der Zweite Weltkrieg. Die nationalsozi-alistische Gewaltherrschaft ist zu Ende. Deutschland ist ein Trümmer-haufen, das ganze Land ist von alliierten Truppen besetzt. Es wird in vier Zonen aufgeteilt. Es herrschen Not und Elend und zwölf Millionen Ver-triebene und Flüchtlinge strömen zusätzlich in diesen Trümmerhaufen.

Für meine Generation war der 8. Mai 1945 vor allem der Tag des Endes des Krieges, für mich das Ende des täglichen und vor allem nächtlichen Angsthabens im Luftschutzkeller. Erst schrittweise und erst im Laufe der Jahre danach habe ich begriffen, dass dieser 8. Mai auch der Tag war, an dem in den KZs die Krematorien stillstanden, und erst schrittweise habe ich begriffen, dass dieser 8. Mai auch der Tag der Befreiung vom Natio-nalsozialismus gewesen ist. Denn erst schrittweise und erst im Laufe der Jahre habe ich, und haben wohl viele aus meiner Generation begriffen, was tatsächlich passiert war. Die Lektüre von Büchern wie Eugen Ko-gons „SS-Staat“ öffnete uns die Augen.

Auf den Tag genau vier Jahre nach dem 8. Mai 1945 – mit Bedacht am 8. Mai 1949 – verabschiedete der Parlamentarische Rat in Bonn, ein mit 61 Männern und vier Frauen besetztes, aus den westdeutschen Landtagen gebildetes Gremium, unter der Präsidentschaft von Konrad Adenauer das Grundgesetz, ein Provisorium – darum „Grundgesetz“ und nicht „Verfassung“, entworfen immer in der ängstlichen Sorge, die sich an-bahnende Teilung Deutschlands könnte sich verfestigen und dauerhaft werden und deswegen immer darauf bedacht, ein Provisorium und nicht mehr zu schaffen.

Wenige Wochen nach der Verkündung des Grundgesetzes, am 23. Mai 1949, findet am 14. August die erste Bundestagswahl statt. Elf Parteien entsenden Abgeordnete in den ersten Bundestag, und drei Unabhängige

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kommen noch hinzu. Am 15. September wird Konrad Adenauer zum ersten Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Drei entscheidende Weichenstellungen kennzeichnen seine Kanzlerschaft: Freiheit vor Einheit – die Verteidigung der Freiheit im Westen Deutsch-lands als Voraussetzung für Einheit und Freiheit in ganz Deutschland; die europäische Einigung und die Westintegration, d.h. die Weichenstel-lung zur Rückkehr Deutschlands in die Wertegemeinschaft der freien Welt; die Entscheidung für die Soziale Marktwirtschaft, dem dritten Weg zwischen Sozialismus und Kapitalismus.

Das Grundgesetz wird zur Grundlage des Wiederaufbaus des Trüm-merhaufens Deutschland, zur Grundlage eines demokratischen, freiheit-lichen und stabilen Staates, zur Grundlage der erfolgreichen Entwicklung Deutschlands. Das Grundgesetz erweist sich nach sechzig Jahren als eine der besten Verfassungen der Welt, jedenfalls als die beste Verfassung, die Deutschland je hatte.

Es ist zur dauerhaftesten demokratischen Verfassung unserer Geschichte geworden und die erste Verfassung, die im Bewusstsein unseres Volkes Wurzeln geschlagen hat. Das ist dem Grundgesetz gelungen, weil ihm ein Menschenbild und eine Werteordnung zugrunde liegen, die Orientie-rung geben, weil in ihm die unmittelbar geltenden Grundrechte veran-kert sind, weil das Demokratie-, das Rechtsstaats-, das Sozialstaats- und das Bundesstaatsprinzip als Grundlage unserer staatlichen Ordnung in ihm festgeschrieben sind. Sie sind jeder Verfassungsänderung entzogen. Das Grundgesetz bestimmt die Leitlinien, nach denen Macht ausgeübt werden und sich die politische Einheit aus der Vielzahl der wirkenden Kräfte immer aufs Neue bilden soll.

Sein Kernsatz „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ in Artikel 1, Satz 1 ist die zentrale Antwort auf den Nationalsozialismus und später, nach dem Beitritt der jungen Länder zur Bundesrepublik 1990, auch auf den Sozialismus.

Im Herbst und Winter 1989 – vierzig Jahre nach 1949 – kommt die große Stunde des Grundgesetzes. Zu keinem Zeitpunkt seit 1949 war es wert-

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Prof. Dr. Bernhard Vogel

voller als vor zwanzig Jahren. Es kommt zur größten Bewährungsprobe und das Grundgesetz wurde zum Zeichen der Hoffnung in der DDR.

Der Wunsch, sich der Ordnung des Grundgesetzes anzuschließen, wur-de nach dem 9. November 1989 zum Fanal, und dieser Wunsch ver-lieh zugleich in den Augen der Bürger in der alten Bundesrepublik dem Grundgesetz das Gütesiegel der Bewährung und das Gütesiegel der Dauerhaftigkeit. Weil es die große Stunde des Grundgesetzes war, hat damals kaum jemand bei uns ernsthaft daran gedacht, es abzuschaffen. Auf eine solche Idee kommen erst zwanzig Jahre später der eine oder andere.

Das Grundgesetz eröffnete den wiedererstandenen Ländern, als „Kö-nigsweg“ nach Artikel 23 seiner Ordnung beizutreten. Das Grundgesetz ist den Ostdeutschen nicht übergestülpt, und die DDR ist der Bundes-republik nicht zugeschlagen worden, wie manche zwanzig Jahre später formuliert haben. Die erste frei gewählte Volkskammer fasste mit über-großer Mehrheit den Beschluss zum Beitritt zur Bundesrepublik.

Sechzig Jahre Grundgesetz, sechzig Jahre Recht und Freiheit im Westen Deutschlands. Ein Drittel der sechzig Jahre – zwanzig Jahre – sind wir den Weg bereits wieder gemeinsam gegangen, zwanzig Jahre Einigkeit und Recht und Freiheit im ganzen Vaterland.

Eine von der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. veranlasste repräsenta-tive, von Infratest dimap durchgeführte Umfrage, was die Bürger der Bundesrepublik über das Grundgesetz und die letzten sechzig Jahre denken, kommt zu erstaunlichen Ergebnissen: 90 Prozent der Wahl-berechtigten sind der Ansicht, dass die Geschichte der Bundesrepu-blik alles in allem eine Erfolgsgeschichte ist, zwei Drittel sind „sehr“ stolz oder „ziemlich“ stolz auf die Bundesrepublik. 73 Prozent sind „sehr“ oder „ziemlich“ stolz auf das Grundgesetz. 90 Prozent halten die Bundesrepublik für einen soliden Staat, 94 Prozent leben gern in ihr. Vor allem und am wichtigsten: Die Antworten in Ost und West unterscheiden sich nur noch geringfügig voneinander. Und schon das ist Grund zur Freude.

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Herausforderung politischer Extremismus

Gelegentlich wird behauptet, die Sehnsucht nach Freiheit sei der Sehn-sucht nach Gerechtigkeit gewichen. Diese These lässt sich nicht bestäti-gen. Die konstituierenden Prinzipien der Demokratie genießen höchste Bedeutung: Rechtssicherheit, Chancengleichheit, Gleichberechtigung, Meinungsfreiheit, Eigentumsfreiheit. Mehr als drei Viertel der Deutschen sagen, dass diese Ziele besonders wichtig sind, d.h. die Ergebnisse der Umfrage widersprechen manchen Untergangsszenarien. Aber sie geben keinen Anlass, sich beruhigt zurückzulehnen.

In der Tat: Die Bundesrepublik Deutschland ist heute kein „Staat in ge-fährdeter Situation“ (Arnold Bergstraesser). Aber ich habe mit Bedacht hinter die Überschrift dieses Beitrags ein Fragezeichen gesetzt und kein Ausrufezeichen. Die deutsche Verfassung, das Grundgesetz ist gut, man beneidet uns darum, aber ist darum auch schon unser Land in guter Ver-fassung? Wer ein Jubiläum feiert, darf sich freuen, aber er sollte auch nachdenklich fragen: Ist die Zukunft gesichert?

Die Geschichte ist mit dem Zusammenbruch des Ostblocks nicht, wie einige voreilig meinten, zu Ende. Sie geht weiter. Jeden Tag wird an ihr geschrieben, in Berlin, in Brüssel, in Washington und anderswo. Zu Pes-simismus besteht kein Anlass, aber auch die heutige Generation und die Generationen nach uns stehen vor großen Herausforderungen. Einige davon hat meine Generation der heutigen hinterlassen: die vor allem in den jungen Ländern immer noch zu hohe Arbeitslosigkeit; die Chancen und Risiken der Globalisierung, mit der wir uns nicht rechtzeitig und ent-schieden genug auseinandergesetzt haben; die besorgniserregende Ent-wicklung der öffentlichen Schulden; die steigende Gefährdung unserer Umwelt; die demografische Entwicklung; die Probleme der Migration.

Und neue Herausforderungen kommen hinzu: Nicht nur die Bewälti-gung der Finanz- und Wirtschaftskrise und die Konsequenzen, die wir aus dieser weltweiten Erschütterung zu ziehen haben. Europa muss sich einigen, Lissabon ist nur ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Ziel. Die Privatisierung der Gewalt, die Zunahme terroristischer Aktivitäten, der Verfall staatlicher Strukturen in Teilen der Welt, aber auch Haarrisse, die in unserer eigenen politischen Ordnung sichtbar werden: Die häufig viel

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Prof. Dr. Bernhard Vogel

zu geringe Wahlbeteiligung, die Veränderungen im Parteiensystem, die sinkende Zustimmung für die Volksparteien, die Erfolge radikaler Grup-pen, die wachsende Kritik an Politik und Politikern und, ich füge hinzu, die offensichtliche Krise des Föderalismus machen mir Sorge, denn Fö-deralismus ist für mich eine moderne Form der Gewaltenteilung, er för-dert den Wettbewerb und verhindert Mittelmaß. Zentralistische Zeiten waren in der deutschen Geschichte schlechte Zeiten. Föderale Zeiten waren gute Zeiten. Aber, gestützt auf meine eigenen Erfahrungen: Ich bin überzeugt, dass auch die heutigen Herausforderungen zu bewältigen sind. Unser politisches System ist in der Lage, Konflikte zu lösen. Es hat sich in der Vergangenheit bewährt. Warum sollten wir daran zweifeln, dass es sich auch in Zukunft bewähren wird?

Resignation, Enttäuschung, Zukunftsangst, mürrisches Beiseitestehen, gleichgültige Beliebigkeit sind die falschen Antworten. Mut, Hoffnung und Zuversicht sind gefragt. Wir sollten ins Gelingen verliebt sein, nicht ins Scheitern. Wenn jeder nicht nur an sich denkt, sondern sich für seine Mitmenschen und für das allgemeine Wohl engagiert, werden wir beste-hen. Wenn die heutige Generation versucht, es besser zu machen, als die, die uns in der Vergangenheit kritisiert haben, wird Deutschland auch in Zukunft in guter Verfassung bleiben.

Prof. Dr. Bernhard Vogel ist Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. und

war Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz sowie Ministerpräsident des Freistaates

Thüringen.

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Prof. Dr. Bernhard Vogel

Prof. Dr. Gerd Langguth

Zwölf Thesen zum Demokratieverständnis

In der Auseinandersetzung mit unseren politischen Gegnern hat es sich als nützlich erwiesen, die Diskussion auch grundsätzlich zu führen. Da-bei muss vor allem Klarheit über die verwendeten politischen Begriffe hergestellt sein. Als besonders wichtig hat sich die Klärung des Begriffes „Demokratie“ erwiesen. Gegner wie Befürworter unseres parlamenta-rischen Systems berufen sich dabei auf die „Demokratie“.

Nachfolgende Thesen wollen einen Beitrag zur Klärung des Demokra-tieverständnisses leisten:

1. Die Demokratie ist eine offene, ständig entwicklungsfähige politische Ordnung, in der die Menschen in Konflikt und Kooperation individu-elle und soziale Ziele verfolgen. Die Demokratie, die sich aus der indivi-duellen und der sozialen Komponente der Personalität ergibt, löst diese Spannung von Konflikt und Kooperation weder in eine alles überwöl-bende Harmonie auf, noch dramatisiert sie den Konflikt in einer Weise, dass sie den Klassenkampf oder die soziale Revolution zur Vorausset-zung für die Vollendung der Demokratie erklärt.

2. Die Demokratie ist eine Herrschaftsordnung, gekennzeichnet durch pluralistische Herrschaft, konkurrierende Willensbildung und partielle politische Integration. Sie basiert auf den Ideen von Volkssouveränität, Freiheit und Gleichheit.

3. Die Demokratie garantiert jedem Bürger gleiche Rechte. Die Ent-scheidung für die Demokratie bedeutet die Entscheidung für Freiheit und Gleichheit in der Gesellschaft. Diese Entscheidung bedeutet kon-sequenten Kampf gegen alle Hindernisse, die diesem Grundgedanken zuwiderlaufen.

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4. Nach den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätzen ist die freiheitlich-demokratische Grundordnung im Sinne des Grund-gesetzes eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Will-kürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grund-lage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Die freiheitlich-de-mokratische Grundordnung ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleich-heit ablehnt.

Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind insbesondere zu rechnen:

! Die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschen- rechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung,! die Volkssouveränität,! die Gewaltenteilung,! die Verantwortung der Regierung,! die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,! die Unabhängigkeit der Gerichte,! das Mehrparteienprinzip,! die Chancengleichheit für alle politischen Parteien,! das Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.

5. Demokratische Integration und demokratische Konfliktregelung sind notwendig, weil es für eine für alle verbindliche politische Wahr-heit nicht gibt und weil jeder alleinige Anspruch auf Wahrheit nur zu einer Dogmatisierung führt, zu einem Freund-Feind-Denken und zur Integrationsverweigerung, und weil es unterschiedliche Wege zur Ver-wirklichung allgemein akzeptierter Werte gibt.

6. Die Demokratie als offene Staats- und Gesellschaftsordnung ist nicht identisch mit einer ganz bestimmten Politik, doch sie organisiert, schützt und fordert den Wettbewerb von Ideen und Meinungen, von

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Prof. Dr. Gerd Langguth

Parteien und Programmen. Nur so ist gesellschaftlicher Fortschritt möglich.

7. Die Demokratie bietet also keine Gewähr für eine gute Politik, sie bietet lediglich Chancen und Angebote, die die Politiker und Parteien er-greifen müssen. Die Demokratie ist der bis jetzt beste und geglückteste Versuch, die Freiheit des Einzelnen zu schützen wie auch gesellschaft-liche Probleme zu lösen. Dies geschieht durch die Garantie von Grund-rechten und damit Schutz des Einzelnen vor willkürlichen Eingriffen sozialer und staatlicher Instanzen, sowie durch Verteilung und Kontrolle politischer und gesellschaftlicher Macht. Gemessen an den idealen Nor-men von Demokratie kann es nie eine schlechthin demokratische, aber immer eine demokratischere Gesellschaft geben als die bestehende.

8. Demokratie, wie wir sie verstehen, ist also keine herrschaftsfreie Ord-nung. Demokratie kann nicht die Tatsache der durch Arbeitsteilung entstandenen Abhängigkeiten in einer modernen Industriegesellschaft verleugnen. Demokratie heißt nicht Selbstbestimmung des Volkes im Sinne einer Identität von Regierenden und Regierten. Demokratie ver-mag nicht die elementare soziale Tatsache von Herrschaft und viel-fältigen Abhängigkeiten aufzulösen. Sie vermag aber die Tatsache der Herrschaft insofern erträglich zu machen, als sie Gewaltenteilung durch Wettbewerb auf allen Gebieten in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft institutionalisiert.

9. Der Traum einer herrschaftsfreien Gesellschaft ist utopisch und inhu-man, da zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen eine friedliche Rege-lung der gesellschaftlichen Konflikte und eine Daseinsvorsorge durch den Staat gewährleistet sein müssen. Allerdings muss in jeder Demokratie eine Ausübung von Macht und Herrschaft begründet und legitimiert werden können. Nur funktionelle Autorität gilt als legitimierte Autorität.

10. Die Freiheit des Einzelnen wird heute eher durch gesellschaftliche Großgruppen als durch staatliche Eingriffe gefährdet. Deshalb ist es eine politische Aufgabe ersten Ranges, die idealen und strukturellen Ele-mente der Demokratie auch in diesen gesellschaftlichen Teilbereichen

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Herausforderung politischer Extremismus

zu verwirklichen, um die Freiheit des Einzelnen auch gegenüber den mächtigen Verbänden zu schützen und ihm seine Mitwirkungsrechte zu ermöglichen und auszubauen. Diese so verstandene Demokratisierung liegt in der Konsequenz unseres Demokratieverständnisses, denn De-mokratie auf einen bloßen Abstimmungsmechanismus zu reduzieren, hieße, eines der Hauptziele der Demokratie, nämlich die Erweiterung des Raumes individueller und kollektiver Selbstbestimmung, außer acht lassen zu wollen. Die Prinzipien der Demokratie gelten also nicht nur in staatlichen Bereichen, diese können und müssen in den unterschied-lichen Bereichen auf unterschiedliche Weise realisiert werden.

11. Gesellschaftliche Vielfalt und Pluralismus zu schützen, ist Auftrag der Verfassung, die bestimmte Verfahren der Konfliktregelung, des In-teressenausgleichs und der Kontrolle politischer Herrschaft für verbind-lich erklärt. Sie ist Chance und Angebot, keine alleinige Garantie für eine gute Politik. Verfassung baut auf einem Konsens auf, den diese ihrer-seits nicht vorgeben kann; sie braucht eine Solidarität der Demokraten. Eine Verfassung der Freiheit braucht eine Philosophie der Freiheit, die nicht durch die Verfassung verordnet werden kann.

12. Die Demokratie ist nach unseren Vorstellungen nur in einem parla-mentarisch-repräsentativen System zu verwirklichen, denn wer sich ei-nerseits auf die Grundrechte beruft und andererseits die Ablösung des Parlamentarismus für die Bundesrepublik fordert, stellt sich außerhalb des im Grundgesetz niedergelegten Demokratieverständnisses.

Der Artikel wurde in DIE ENTSCHEIDUNG, Nr. 4, 25. Jahrgang, April 1977 erstmals veröffentlicht. Der Neudruck wurde vom Autor ge-ringfügig modifiziert.

Prof. Dr. Gerd Langguth lehrt am Institut für Politische Wissenschaft und Soziolo-

gie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn Politische Wissenschaft.

Zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung des Beitrags war er Bundestagsabgeordneter

der CDU.

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Prof. Dr. Gerd Langguth

Dr. Wolfgang Schäuble MdB

Die Bekämpfung des Extremismus – warum Verbote nicht ausreichen

Vor 60 Jahren haben wir uns unter dem Grundgesetz versammelt. Es war ein Neubeginn nach den Brüchen und Verheerungen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der im Grundgesetz gefundene Konsens setzte eine dem Wirtschaftswunder ebenbürtige Kraft der Erneuerung frei.

Dieser Konsens bedeutet aber nicht, dass Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in den letzten 60 Jahren in unserem Land unange-fochten geblieben wären. Extremistische Bestrebungen gab es und gibt es. Bei aller Verschiedenheit vereint sie das Ziel, Demokratie und Rechts-staatlichkeit, die die Garanten unserer Freiheit sind, zu beseitigen. Besondere Sorgen machen den Sicherheitsbehörden militante extremis-tische Gruppierungen, die bewusst auf Zerstörung, Gewalt und Terror setzen, um den freiheitlichen Staat zu schwächen und ihm seine Legiti-mation zu entziehen. So steht Deutschland weiterhin im Visier gewalt-bereiter Islamisten. Aber auch Links- und Rechtsextremisten haben ein hohes Gewaltpotential.

Die Bekämpfung des Extremismus ist für staatliche Institutionen eine fortwährende Aufgabe. Die Bundesrepublik Deutschland versteht sich als wehrhafte Demokratie. „Wehrhaft“ bedeutet, dass unser Verfassungs-staat das Recht und den Willen hat, sich gegen seine Feinde aktiv zu verteidigen. Dieses Konzept haben die Mütter und Väter des Grundge-setzes nach den leidvollen Erfahrungen mit dem Scheitern der Weimarer Republik in unserer Verfassung verankert. Es besteht zum einen aus den Grundrechten, die jeder Bürger hat und die der Rechtsstaat schützt. Zum anderen sind es Rechtsvorschriften, welche die demokratischen Institu-tionen unseres Staates verpflichten, verfassungsfeindliche Aktivitäten zu beobachten und zu verbieten.

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Eine Demokratie soll niemandem vorschreiben, wie er politisch zu den-ken hat. Aber der demokratische Rechtsstaat darf auch nicht zulassen, dass die Freiheitsräume, die er garantiert, missbraucht werden, um ihn abzuschaffen. Dafür leisten die Sicherheitsbehörden gemäß ihrer jewei-ligen gesetzlichen Aufgabenstellungen und Kompetenzen einen unerläss-lichen Beitrag. Freiheit ohne Regeln, Begrenzungen und Ordnungshüter würde sich am Ende nur selbst zerstören.

Bei der Bekämpfung des Extremismus stehen dem Staat repressive Mit-tel zur Verfügung, um Täter zu verfolgen und zu bestrafen. Ein anderes Instrument ist das Parteienverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG: Danach sind Parteien verfassungswidrig, die darauf ausgerichtet sind, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen.

Allen überzeugten Demokraten in Deutschland wäre es lieber, wenn es die NPD nicht gäbe. Ein Parteienverbot muss aber die ultima ratio sein, weil es zur Ausschaltung politischer Konkurrenz führt und die Freiheit und Offenheit des politischen Prozesses beschränkt. Deswegen unter-liegt es zu Recht sehr engen Voraussetzungen und stellt hohe Anforde-rungen. Daraus ergibt sich ein beachtliches Prozessrisiko, zumal ein nicht erfolgreiches Verbotsverfahren wie ein Bumerang wirken kann. Darüber sind sich alle einig. Deshalb ist im Zweifel die präventive Strategie von Beobachtung und geistig-politischer Auseinandersetzung vorzuziehen.

Neben dem Verbot extremistischer Parteien gehört das Verbot extremis-tischer Vereinigungen zu den Mitteln, die unsere Verfassung vorsieht. Nach Art. 9 Abs. 2 GG können Vereinigungen, deren Zwecke oder de-ren Tätigkeiten den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung bzw. gegen den Gedanken der Völkerver-ständigung richten, verboten werden. Wo diese Voraussetzungen vorlie-gen, muss es entsprechende Verbote geben.

Als Bundesinnenminister habe ich im Mai 2008 die revisionistischen Vereine „Collegium Humanum“ mit der Unterorganisation „Bauernhil-fe e.V.“ und den „Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten“ verboten. Gegen die rechtsextremistische Verei-

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nigung „Heimattreue Deutsche Jugend“ habe ich im März dieses Jahres ein Verbot ausgesprochen.

Aber auch hier ist das Problem mit einem Verbot nicht gelöst – selbst wenn es kein vergleichbar hohes Prozessrisiko wie bei einem Parteien-verbot gibt. Wir müssen davon ausgehen, dass die extremistische Ge-sinnung der Mitglieder auch nach einem Verbot fortbesteht und sich in offenere, weniger überschaubare Strukturen verlagert.

Vorsorgende Innenpolitik darf bei der Bekämpfung von Extremismus nicht nur auf Verbote setzen. Sie muss nachhaltige Strategien der Prä-vention entwickeln, um unsere Gesellschaft zu schützen. Es muss uns mit Sorge erfüllen, dass wir derzeit Entwicklungen erleben, die die Grundlagen unseres Zusammenlebens in Frage stellen und extremis-tischen Kräften Auftrieb geben können. Traditionelle Bindungen in Fa-milien, in religiösen Gemeinschaften, in Vereinen, Verbänden, Parteien und dergleichen mehr werden schwächer. Die Unsicherheiten nehmen in der globalisierten Welt zu und auch der Wettbewerbsdruck. Vielen Men-schen fällt es schwer, Halt und Orientierung zu finden. Die Angst vor Arbeitslosigkeit macht den Menschen zu schaffen, und sie wird durch die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise weiter verstärkt. Schamlose Selbst-bereicherung auf Kosten der Allgemeinheit ist keine Seltenheit mehr und schwächt das Vertrauen in die Gerechtigkeit unserer Ordnung.

Wir beobachten eine hohe Gewaltbereitschaft und Gewaltkriminalität gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden. Extremistische Einstel-lungen und Straftaten nehmen zu. Bei extremistischer Gewalt haben wir das Problem, dass Täter, ganz überwiegend junge Männer, sich radika-lisieren, weil sie sich in unserer Gesellschaft entwurzelt, nicht gebraucht und nicht anerkannt fühlen. Bei islamistisch motivierten Gewalttätern findet die Radikalisierung inzwischen auch in Deutschland statt.

Extremismus vorzubeugen, bedeutet zunächst sich um diejenigen zu kümmern, die bereits auffällig geworden sind. Konsequente und zeitnahe Strafen sind notwendig, reichen aber nicht aus. Wir müssen verhindern, dass straffällig gewordene Menschen noch tiefer in die Spirale von Hass

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und Gewalt abgleiten. Das ist Aufgabe klassischer Präventionsarbeit. Gerade bei jugendlichen Straf- und Gewalttätern kann man noch viel erreichen, wenn es gelingt, dass sie sich mit ihren Taten auseinanderset-zen. Hier gibt es vorbildliche Projekte wie das vom Violence Prevention Network zusammen mit der Bundeszentrale für politische Bildung und anderen Partnern entwickelte Programm „Verantwortung übernehmen – Abschied von Hass und Gewalt“. Es verbindet politische Bildungsarbeit und Anti-Gewalt-Training bei rechtsextremistisch bzw. fundamentali-stisch gefährdeten jugendlichen Gewaltstraftätern. Dieser Ansatz schafft es, vorurteilsmotivierte Gewalttaten von Jugendlichen zu reduzieren und die Wahrscheinlichkeit eines Rückfalls zu mindern. Zugleich werden im Justizvollzugsbereich Kosten in beachtlicher Höhe eingespart.

Die Entstehungsbedingungen extremistischer Gewalt sind vielfältig. Kul-turelle, politische, religiöse, soziale, wirtschaftliche und psychologische Faktoren wirken bei der Entwicklung extremistischer Gruppierungen und bei der Sozialisation extremistischer Täter zusammen. Wir müssen noch besser die Motivation von Extremisten und die Ursachen terrori-stischer Gewalt verstehen. Mit diesem Ziel hat das Bundeskriminalamt im Jahr 2003 die Forschungsstelle Terrorismus/Extremismus aufgebaut. Sie befasst sich beispielsweise mit Täterbiografien und Radikalisierungs-prozessen, um spezielle Erklärungsansätze für den islamistischen Terro-rismus bzw. den religiös motivierten Extremismus zu finden.

Aufbauend auf solchen Einsichten brauchen wir zur vorbeugenden Be-kämpfung von Extremismus einen umfassenden Ansatz. Nachrichten-dienstliche und polizeiliche Mittel müssen einhergehen mit gesellschaft-licher Prävention und politischer Bildungsarbeit. Am Ende werden wir nur erfolgreich sein können, wenn es uns gelingt, die Menschen von den Vorteilen unserer offenen Gesellschaft zu überzeugen und sie in unsere Gesellschaft einzubinden. Extremistische Gruppierungen versuchen gerade junge Menschen in ih-ren Bannkreis zu ziehen. Deswegen ist es wichtig, diese Zielgruppe mit Hilfe guter Informationsangebote vor den Gefahren des Extremismus zu warnen und das demokratische Bewusstsein zu stärken. Dieser Aufgabe

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hat sich zum Beispiel das Bundesamt für Verfassungsschutz angenom-men. Zusammen mit Schulen und Kommunalverwaltungen veranstaltet es Wanderausstellungen, die auf großes Interesse stoßen. Dazu gehören Ausstellungen wie „Die Braune Falle – Eine rechtsextremistische ‚Karri-ere‘“, „Die missbrauchte Religion – Islamisten in Deutschland“ oder „Es betrifft Dich! Demokratie schützen – Gegen Extremismus in Deutsch-land“.

Wissensvermittlung zum Extremismus auf gut verständlichem Niveau ist ein wichtiges Ziel politischer Bildung und trägt zur nachhaltigen Präven-tionsarbeit wesentlich bei. Die zum Geschäftsbereich meines Ministeri-ums gehörende Bundeszentrale für politische Bildung betreibt – neben der bewährten Herausgabe fundierter Publikationen und der Durchfüh-rung von Veranstaltungen – auch Online-Dossiers zur kritischen Ausei-nandersetzung mit Extremismus.

Es gibt viele Beispiele erfolgreicher Präventionsarbeit. Was fehlt, ist häu-fig eine bessere Vernetzung und eine Ausweitung vorbildhafter Projekte auf Grundlage einer übergreifenden Strategie. Zurzeit laufen einzelne Projekte nicht selten unkoordiniert nebeneinander her, im schlimmeren Fall wirken sie sogar gegenläufig. Eine langfristig angelegte Bekämp-fungsstrategie bedarf einer durchgehenden Überprüfung des bisher Ge-leisteten. Ziel muss sein, von der Modellpraxis zur Regelpraxis über zu gehen, auf der Grundlage nachgewiesener Wirksamkeit.

Die Familien- und Jugendministerin Ursula von der Leyen und ich als Innenminister wollen die dazu erforderlichen Diskussionsprozesse an-stoßen. Deshalb haben wir eine gemeinsame Initiative gestartet, die vorhandene Probleme benennt, das öffentliche Bewusstsein schärft und exemplarische Lösungen vorstellt. Uns beide vereint der Wille, zur Vorbeugung vor Extremismus und Gewalt die Bindungskräfte unserer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft zu stärken.

Schon weit im Vorfeld manifester Gewalttaten besteht Handlungsbedarf. Eine moderne, in sich vielgestaltige Gesellschaft braucht die Bereitschaft und Fähigkeit ihrer Mitglieder Konflikte auszuhalten und friedlich aus-

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zutragen, so dass Radikalisierungsprozesse am besten erst gar nicht in Gang kommen. Das hat entscheidend mit Bindekräften wie Toleranz, Respekt, Vertrauen und Empathie zu tun. Sie helfen uns, Fremdheit und Vorbehalte abzubauen und Vielfalt als Bereicherung und nicht als Bedro-hung zu verstehen.

Eine freiheitliche Gesellschaft, wie sie im Grundgesetz konzipiert ist, ba-siert auf dem Verständnis, dass die Bürger eigenverantwortlich etwas für sich leisten und für andere Verantwortung mit übernehmen. Wichtig ist, dass wir jungen Menschen die Erfahrung vermitteln, dass sie nirgendwo besser als in einer freiheitlichen Ordnung mit eigener Leistung etwas für sich und andere erreichen können. Der Staat kann und soll sich um der Freiheit willen nicht überall einmischen. Deswegen braucht eine wehr-hafte Demokratie engagierte Bürgerinnen und Bürger, die ihre Freiheit verantwortungsvoll nutzen.

Engagement und Eigenverantwortung gedeihen nicht im luftleeren Raum, sondern am besten in intakten Familien und in Gesellschaften, in denen die Menschen sich zugehörig fühlen und in denen sie grundle-gende Werte, Erinnerungen und Erwartungen miteinander teilen. Es ist Aufgabe von Staat und Zivilgesellschaft, Bindungskräfte in Familie und Gesellschaft zu stärken, um zu verhindern, dass Menschen sich von un-serer Ordnung innerlich entfernen und für extremistische Einstellungen empfänglich werden.

Zur Bekämpfung von Extremismus kann auch der Sport etwas Wich-tiges beitragen. Er weckt Gemeinschaftsgefühle und Einsatzbereitschaft; er lebt Fairness und Toleranz vor; er zeigt, wie grundlegend es ist, Regeln einzuhalten. Deshalb ist es wichtig, gerade auch hier aufmerksam zu sein, um eine Unterwanderung und Vereinnahmung des Sports durch extre-mistische Gruppierungen zu verhindern.

Wir müssen bei der Bekämpfung von Extremismus die Perspektive weiten. Es reicht nicht, erst dann zu beginnen, wenn wir mit konkreten Ausbrüchen extremistischer Gewalt konfrontiert sind. Ein umfassender Präventionsansatz setzt bereits bei der frühkindlichen Erziehung mit der

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Förderung sozialer Kompetenzen und Schutzfaktoren an. Wenn es ge-lingt, Kindern Einfühlungsvermögen, Toleranz und Verantwortung zu vermitteln, dann stärken wir die offene Gesellschaft und verringern das Risiko, dass sie später bei falschen Vorbildern landen. Die beste Politik zur Bekämpfung von Extremismus ist die Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts.

Dr. Wolfgang Schäuble MdB ist Bundesminister des Innern.

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Gleichklang von Prävention und Repression –Eine Kardinaltugend in der Extremismusbe-kämpfung

Das Thema „Innere Sicherheit“ ist nicht nur ein Markenzeichen, sondern auch eine ureigene Kernkompetenz der Christlich Demokratischen Uni-on Deutschlands. Die Menschen in Deutschland wollen frei und sicher leben. In Deutschland darf es keine Landstriche, keine Stadtviertel und keine Plätze geben, in denen Extremisten oder Kriminelle das Sagen ha-ben. Die Feinde der Freiheit und der Demokratie zu bekämpfen, ist un-sere vornehmste und wichtigste Aufgabe, aber nicht nach dem jeweiligen persönlichen Gusto, sondern nach den Regeln unseres Rechtsstaates.

Eine erfolgreiche Sicherheitspolitik steht ständig vor neuen Herausfor-derungen. Deshalb haben die Innenminister und -senatoren der unions-geführten Länder auf ihrer jüngsten Konferenz im August 2009 die so genannte „Chemnitzer Erklärung“ verabschiedet und damit einen brei-ten Katalog von Prioritäten für die zukünftige Innen- und Sicherheitspo-litik der Union aufgestellt.

Die Augen können heute nicht mehr vor terroristischen Bedrohungen verschlossen werden: Deutschland steht eindeutig im Fadenkreuz welt-weit vernetzter islamistischer Terroristen und Extremisten. Die Sicher-heitsarchitektur Deutschlands muss auch in Zukunft an diese veränderte Situation angepasst werden.

Insbesondere ist den Innenministern und -senatoren der CDU/CSU wichtig, dass dem religiös motivierten Terrorismus durch Präventions-strategien die Wurzeln entzogen werden. Zur Prävention gehört aber vor allem Vertrauen. In besonderer Weise sind hier die politischen Jugendor-ganisationen aufgerufen, sich prägend und meinungsbildend in der Öf-fentlichkeit zu Wort zu melden. Dies gilt insbesondere vor dem Hinter-

grund, dass die Ansprache von Jugendlichen durch Extremisten immer gezielter und professioneller wird. Zahlreiche extremistische Organisati-onen und Strömungen richten sich gerade mit einem speziell zugeschnit-tenen Angebot an Jugendliche und junge Erwachsene, zum Teil sogar schon an Kinder. Dies geschieht im Bereich des Islamismus z.B. mit Computerkursen, Koranlesewettbewerben oder durch die Kombination von Freizeitangeboten und der Vermittlung von Glaubensinhalten.

Diese Radikalisierung von Menschen zum Islamismus muss verhindert werden. Solche Radikalisierungsprozesse müssen frühzeitig durchbro-chen und gleichzeitig Rückkehrmöglichkeiten aus der Szene aktiv un-terstützt werden. Mit der Entwicklung von Aussteigerprogrammen sowie einer gezielten Unterstützung derer, die sich vom Islamismus di-stanzieren, sollen erste Schritte eingeleitet werden. Es werden beispiels-weise in den islamischen Gemeinden auch Vertrauensleute gebraucht, die auffällige Personen melden. Das hat nichts mit Denunziation zu tun, sondern mit Vertrauensbildung. Insgesamt wird es darauf ankommen, die islamistische Szene, deren Unterstützer und Sympathisanten sowie die politische Idee des Islamismus zu isolieren. Denn ohne Wurzeln wird die Frucht letztlich verdorren.

So wichtig Dialog und vertrauensbildende Maßnahmen mit Muslimen sind, um das demokratische Bewusstsein und das Verständnis für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung zu stärken, so wichtig ist hier ebenfalls ein entschlossenes und energisches Handeln der Politk. Deshalb gilt auch hier: Nichts ausschließen, sondern auf alles vorbereitet sein! Aus diesem Grund kommt es bei der Bekämpfung von Extremismus auf einen Gleichklang von präventiven und repressiven Maßnahmen an.

Die Innenminister und -senatoren der CDU/CSU stehen daher für eine Bestrafung derjenigen, die sich in Terrorcamps ausbilden lassen oder zu dem Zweck aufhalten, sich auf terroristische Anschläge vorzubereiten. Die jüngsten Aussagen der Sauerland-Terroristen haben erschreckend deutlich gezeigt, dass diese Menschen die Camps in Afghanistan und Pakistan nach erfolgter Ausbildung als „tickende Zeitbomben“ verlas-sen. Die Gesetzeslage muss deshalb unmissverständlich klar machen,

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dass schon eine Teilnahme an diesen Camps nicht als Abenteuerurlaub gewertet, sondern als eine Straftat geahndet wird. Parallel sind aber auch in Zukunft alle rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten zu über-prüfen, um schon eine Ausreise in solche Terrorcamps zu verhindern, und einen „selbsternannten Kämpfer Gottes“ davon abzuhalten, sich weiter zu radikalisieren und sich an Waffen und Sprengstoff ausbilden zu lassen. Ermittler müssen zukünftig mit den rechtlichen Grundlagen ausgestattet sein, um die Kommunikation und die Bewegungen der Ter-roristen mit modernsten technischen Mitteln überwachen zu können. Bei der Bekämpfung des Islamismus als politischer Ideologie und des islamistischen Terrorismus wird es entscheidend darauf ankommen, den von den Sicherheitsbehörden und der Politik verfolgten ganzheitlichen Bekämpfungsansatz zu intensivieren, insbesondere indem Instrumente, Organe und Fähigkeiten der inneren und äußeren Sicherheit noch stär-ker miteinander verzahnt werden. Denn nur ein wehrhafter Staat kann den Feinden der Demokratie und einer freien Gesellschaft angemessen begegnen und die Freiheit und Sicherheit seiner Bürger vor dem Hinter-grund der aktuellen Terrorgefahr gewährleisten.

Ferner haben sich die Innenminister und -senatoren der CDU/CSU in der „Chemnitzer Erklärung“ dafür ausgesprochen, dass alle extremis-tischen Gruppierungen und Organisationen weiterhin durch den Verfas-sungsschutz beobachtet werden sollen.

Auch gegen verfassungsfeindliche Strukturen links- und rechtsextremi-stischer Vereinigungen ist entschieden vorzugehen. Neben Islamisten bemühen sich ebenso Rechtsextremisten gezielt um Jugendliche. Sie versuchen, diese in ihrer Alltagswelt abzuholen, beispielsweise durch die Verteilung der sogenannten „Schulhof-CD“ der NPD. Als „Einstiegs-droge“ in die rechtsextremistische Szene wird auch die Skinhead-Musik benutzt. Dabei spielen Konzerte eine wichtige Rolle. Diese finden fast immer unter konspirativen Umständen statt und haben deshalb einen besonders hohen Erlebniswert.

Als Hessischer Innenminister bin ich insoweit nicht nur darüber ausge-sprochen froh, dass in Hessen aufgrund der Aufmerksamkeit der Sicher-

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heitsbehörden im Jahre 2008 kein einziges rechtsextremistisches Kon-zert vollständig stattfinden konnte, sondern auch darüber, dass die Zahl der Straf- und Gewalttaten aus dem rechtsextremistischen Spektrum im vergangenen Jahr mit 796 (2007: 826) im bundesweiten Vergleich gering gewesen ist und entgegen dem bundesweiten Trend (2008: 19.894, 2007: 17.176) sogar abgenommen hat. Außerdem konnte eine Abnahme bei der Zahl der Gewalttaten in Hessen von 32 auf jetzt 25 festgestellt wer-den.

Auch in der Präventionsarbeit hat Hessen viel voran gebracht. Neben zahlreichen Umsetzungen von Bundesprogrammen, wozu beispielhaft die Informations- und Aufklärungskampagne „Wölfe im Schafspelz“ gehört, sind im Bereich des Rechtsextremismus auf Landesebene das „beratungsNetzwerk hessen: Mobile Intervention gegen Rechtsextre-mismus“ zu nennen, in dem mobile Interventionsteams in örtlichen Krisensituationen mit rechtsextremistischer Ursache eine schnelle, un-bürokratische und professionelle Beratung vor Ort leisten, oder das Aus-steigerprogramm „IKARus“ („Informations- und Kompetenzzentrum – Ausstiegshilfen Rechtsextremismus in Hessen“). Das 2008 ins Leben gerufene „Kompetenzzentrum Rechtsextremismus“ (KOREX) beim Landesamt für Verfassungsschutz ergänzt und erweitert diese Angebote nicht nur durch eine zielgruppenspezifische Aufklärungsarbeit, wozu Fortbildungsveranstaltungen für Multiplikatoren, beispielsweise Lehrer, gehören, sondern auch durch die Intensivierung der Analyse regionaler Schwerpunkte und durch eine verstärkte Beobachtung des Rechtsextre-mismus im Internet.

Neue Aktivisten gewinnt zudem die linksextremistische autonome Sze-ne. Hierbei sind insbesondere die Jugendantifa-Gruppen anzuführen, in denen jüngere Menschen an extremistische Ideologien und autonome Aktionsformen herangeführt werden. In all diesen Bereichen hat stets das Internet als ein Medium zur Rekrutierung und Radikalisierung jun-ger Menschen einen hohen Stellenwert. Propaganda und suggestive Bot-schaften können dadurch zeitnah weltweit verbreitet werden. Deswegen kann uns auch im linksextremistischen Bereich das Anwachsen der auto-nomen Szene nicht unberührt lassen, weswegen hier verstärkte Aufklä-

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Volker Bouffier MdL

rungsbemühungen erforderlich sind. Nicht nur, dass bei der autonomen Szene zahlreiche Neugründungen und eine Verfestigung von Organisati-onsstrukturen festzustellen sind. Dies geht einher mit einem intensiveren Kampf gegen Rechtsextremisten, aber auch gegen die Polizei, welche als sichtbarstes „Repressionsorgan“ des Staates verstärkt als Feindbild in das Blickfeld autonomer Strukturen geraten ist. All dies ist wiederum gepaart mit einer deutlich erhöhten Gewaltbereitschaft und einer intensiveren Konfrontation zwischen dem rechts- und dem linksextremistischen Spektrum. Hierin liegt für die Zukunft erhebliches Konfliktpotential.

Das gemeinsame Ziel von Sicherheitsbehörden, Schulen, Eltern und Po-litik muss es deshalb sein, Kindern und Jugendlichen die besseren An-gebote zu machen. Selbstbewusste und überzeugte Demokraten sind die besten Hüter unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Ent-sprechendes bürgerschaftliches Engagement sowie die dazugehörige Portion an Mut und Tatkraft können nicht hoch genug wertgeschätzt werden.

Von höchster Priorität ist ebenfalls die politische Bildung. Aus meiner Sicht ist insbesondere das Wissen über das Unrechtssystem der DDR zu vertiefen. Es kann und darf nicht sein, dass dieses menschenverachtende System verharmlost wird und viele Jugendliche mehr über das Mittelal-ter zu wissen scheinen als über die DDR und die zahllosen Untaten der Schergen von SED und Staatssicherheit. Deshalb sehen sich die Innen-minister und -senatoren der CDU/CSU in der Pflicht, der unverantwort-lichen Verharmlosung entgegenzutreten, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen. Darüber hinaus muss die gesamtdeutsche Aufbauleistung ge-bührend anerkannt werden.

Festzustellen ist, dass in Deutschland erfreulicherweise seit Jahrzehnten ein breiter gesellschaftlicher und politischer Konsens besteht, jegliche Art von Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus zu verurteilen und von Grund auf entschieden zu bekämpfen. Mein Eindruck ist jedoch, dass dieser Konsens beim Linksextremismus und beim Islamismus nicht bzw. noch nicht im gleichen Maße besteht. Hieran müssen wir entschlossen arbeiten. Denn es spielt keine Rolle, aus welcher

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Herausforderung politischer Extremismus

Ecke die Feinde unserer Demokratie stammen. Extremisten bedrohen stets und in jedem Fall die Sicherheit und die Stabilität Deutschlands!

Der Jungen Union gratuliere ich ganz ausdrücklich dazu, dass sie sich auf ihrem Deutschlandtag mit dem Extremismus befasst und hierzu einen sehr gelungenen Leitantrag erarbeitet hat. Denn der Einsatz für unsere Demokratie und der Kampf gegen Extremismus jeglicher Art gehen uns alle an. Dieser Grundgedanke muss sich nicht in Schönwet-terreden bewähren, sondern im Kleinen, im normalen Alltag jedes Ein-zelnen von uns.

Schließen möchte ich mit dem Wunsch, dass es uns trotz aller präven-tiven und repressiven Maßnahmen gelingt, die Auseinandersetzung mit Extremisten jeglicher Couleur auf der politischen Ebene zu gewinnen und diese Extremisten politisch zu „entzaubern“. Was wir brauchen, sind junge Menschen, die sich für unsere Demokratie mit Herz und Lei-denschaft einsetzen. Dabei setze ich auch und vor allem auf die Junge Union!

Volker Bouffier MdL ist hessischer Minister des Inneren und für Sport. Der Jurist war von 1976 bis 1984 Landesvorsitzender der Jungen Union Hessen.

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Volker Bouffier MdL

Dr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

Umgang mit politischem Extremismus – eine Bestandsaufnahme am Beispiel der Politik des rot-roten Senats in Berlin

Seit 2001 wird das Land Berlin mehr schlecht als recht von einem rot-roten Senat regiert. Diese nunmehr achtjährige Regierungszeit unter Mit-wirkung der SED/PDS/Linkspartei/Linke hat einschneidende Spuren im Bereich der inneren Sicherheit hinterlassen. Wie in kaum einem an-deren Politikfeld zeigt sich hier das wahre Gesicht einer Regierung unter Beteiligung von „Linksaußen“.

Bisher eilte Berlin der Ruf einer weltoffenen und toleranten Stadt vor-aus. Rot-Rot ist im Begriff, die Stadt gerade im Bereich der inneren Si-cherheit in eine Lage zu bringen, die den Boden für ein weiteres Erstar-ken des politischen Extremismus bereitet. Die neue Dimension extre-mistischer Gewalt, die in Berlin in unterschiedlichsten Ausprägungen nahezu täglich zu beobachten ist, verunsichert die Bürger Berlins und ist geeignet, das Ansehen der Hauptstadt nachhaltig zu gefährden.

Zum Auftrag der Verfassungsschutzbehörden gehört es, Bestrebungen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu beobachten, aus-zuwerten und die Erkenntnisse den Innenbehörden – und der Öffent-lichkeit – zur Verfügung zu stellen. Der aktuelle Berliner Verfassungs-schutzbericht für das Jahr 2008 macht deutlich, dass der Berliner Senat seine Anstrengungen im Kampf gegen jede Form von Extremismus deutlich erhöhen muss.

Die Zahl der von Neonazis und anderen Rechtsextremisten begangenen Straftaten stagniert bundesweit auf hohem Niveau. Berlin macht da kei-ne Ausnahme. Im ersten Halbjahr 2009 hat es allein in Berlin 611 von der Polizei festgestellte Straftaten gegeben. Der Rechtsextremismus ist also auch in Berlin ein ernst zu nehmendes Problem. Die Zahl rassistisch

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motivierter Übergriffe ist ein Anlass zur Sorge. Allerdings gibt es auch ein koordiniertes und nachhaltiges Vorgehen gegen rechtsextremistische Auswüchse in der Hauptstadt – zum Beispiel durch einen so genannten runden Tisch gegen Rechtsextremismus.

Der militante Islamismus ist die neue große Herausforderung der freien Welt. Deutschland – und damit nicht zuletzt seine Hauptstadt – liegt unverändert im Zielspektrum des islamistischen Terrorismus, sicher-lich nicht nur, weil in Berlin zahlreiche Anhänger gewaltbefürwortender Gruppen wie der „Hizb ut-Tahir“ (HuT) oder auch des so genannten Kalifatstaates leben.

Linksextremismus – trauriger Alltag in Berlin

Besorgniserregend ist neben der steigenden Terrorgefahr durch radika-le Islamisten vor allem die hohe Gewaltbereitschaft der linksextremen Szene. Letztere hat der rot-rote Senat lange Zeit klein geredet – und ihr damit erst die Möglichkeit gegeben, wieder zu erstarken.

Die Folgen „linker Sicherheitspolitik“ sind fatal. Rot-Rot steht für massive Stellenstreichungen bei der Berliner Polizei. Im Jahre 2002 gab es noch 48 Polizeiabschnitte und über 17.000 Beamte im Poli-zeivollzugsdienst. In den nächsten Jahren ist nach den Planungen des Senats eine Reduzierung auf nur noch 36 Abschnitte und ein Per-sonalabbau im Polizeivollzugsdienst auf 16.160 Beamte vorgesehen. Dann wird die Polizei in Berlin noch weniger sichtbar sein. Auch die Bezahlung der Angehörigen der Berliner Landespolizei liegt weit un-ter Bundesdurchschnitt. Und wenn die Polizeiführung leise Verbes-serungen anmahnt, wird sie vom Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in dessen Rede anlässlich des Festaktes „200 Jahre Polizei-präsidium Berlin“ öffentlich bloßgestellt. Vor 200 Jahren habe, so der Senatschef, der erste Polizeipräsident auch mehr Personal und Geld von seinem König gefordert. Auch dessen Wünsche seien nicht erfüllt worden. Vielleicht tue sich ja für Berliner Polizisten in den nächsten 200 Jahren etwas. Das ist die Wertschätzung, die der rot-rote Senat den Sicherheitskräften entgegenbringt. Motivation und Engagement

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Dr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

werden so durch öffentliche Herabwürdigung der Leistung im Keim erstickt.

Dabei sind die Arbeitsbedingungen für Berliner Polizeibeamte alles ande-re als einfach. Regelmäßig werden sie angegriffen, beleidigt, mit Steinen und Flaschen beworfen. Alltag in Berlin. Aber wer wie Innensenator Er-hart Körting samt seiner Personenschützer wenige Tage vor den Kra-wallen des 1. Mai 2009 aus einem Restaurant im Bezirk Friedrichshain flüchten muss, weil eine zunehmende Zahl Linksautonomer sich vor dem Lokal versammelten, stellt selbst die Signale: Die Demokratie flieht vor den Gesetzesbrechern. Der oberste Dienstherr der Berliner Polizei bringt sich in Sicherheit und überlässt das Feld den Feinden unserer Verfassung. Rechtsfreie Räume entstehen.

Seit 2005 haben Linksextremisten in Berlin mehr als 1.000 Fahrzeuge zumeist durch Brandanschläge zerstört. Eine ganze Reihe von Berliner Bezirken sind betroffen. Da hilft dann auch der Ratschlag von Innense-nator und Polizeipräsident, man solle „etwas teurere Autos“ doch lieber außerhalb bestimmter Viertel parken, nicht mehr weiter. Die Anschläge beschränken sich seit einigen Monaten nicht mehr „nur“ auf Kraftfahr-zeuge. Es sind auch Wohnprojekte und Restaurants betroffen. Gerade die Anschläge der linksextremen Szene auf so genannte Baugruppen-Wohnprojekte zeigen eine neue Qualität des roten Terrors. Denn die mi-litante Linke schreckt offenbar nicht einmal davor zurück, vermeintlich Gleichgesinnte zu bekämpfen. Damit wird deutlich, dass die Situation immer mehr außer Kontrolle gerät. Die Anschläge linksextremer Grup-pen auf Baugruppen-Wohnprojekte zeigen aber auch den Irrglauben von Rot-Rot(-Grün), diese Szene beeinflussen zu können. Es war und bleibt falsch, beispielsweise mit einer im Rahmen der so genannten „Action Weeks“ geplanten Besetzung des ehemaligen Flughafenareals in Tem-pelhof zu sympathisieren. Denn wer zum Rechtsbruch aufruft, bewegt sich selber am Rande der Legalität. Auch das ist ein Nährboden für linke Gewalt.

Am Ende der gewalttätigen Maikrawalle waren insgesamt 479 Verletzte auf Seiten der Polizei zu verzeichnen. Eingesetzte Polizisten berichteten,

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dass Einsatzkräfte trotz massiver Angriffe auf Kollegen nicht eingrei-fen und die ihnen zur Verfügung stehenden Mittel angemessen einsetzen durften. Der Innensenator band seinen Polizisten ungeachtet des tatsäch-lichen Lagebildes gezielt die Hände und setzte sie damit noch höheren Risiken aus. Der Senat spielte das linke Gewaltpotential nicht nur im Vor-feld herunter. Es scheint, als seien Beamte in einer schwierigen Einsatzsi-tuation im Stich gelassen worden.

Vom 1. Mai und den katastrophalen Fehlentscheidungen der politischen Führung einmal ganz abgesehen. Spätestens seit den Maikrawallen, den dann folgenden so genannten Chaos-Tagen und den zum Teil gewalt-samen Aktionen um eine versuchte Besetzung des ehemaligen Flughafens in Tempelhof hätte auch dem Senat klar geworden sein müssen: Die Sze-ne ist so stark wie seit Jahren nicht mehr.

Rot-Rot und das „linke Auge“

Während sich alle im Abgeordnetenhaus von Berlin vertretenen Parteien im Grundsatz in der Bekämpfung des Rechtsextremismus einig sind, lässt sich eine solche Gemeinsamkeit beim Kampf gegen Linksextremisten nicht (immer) feststellen. Auch das Verhältnis zum Grundgesetz ist bei Teilen von Rot-Rot zwiespältig, wenn beispielsweise die Bundesvorsitzen-de der Jungsozialisten via Twitter anlässlich von 60 Jahren Grundgesetz zu einer Demonstration eben gegen diese Verfassung mit der Losung „et-was besseres als die nation – gegen die herrschaft der falschen freiheit“ aufruft. Die Teilnehmer einer Anti-Grundgesetz-Demonstration am 23. Mai 2009 nehmen die Rechte unserer Verfassung gerne und unbedingt in Anspruch – um im gleichen Atemzuge die Überwindung unserer freiheit-lichen demokratischen Ordnung zu betreiben.

Dass sich aber ein Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin, aus der Links-Fraktion, daran beteiligt hat, war kaum erträglich. Zumal wenn ge-nau dieses Mitglied in seiner Kindheit selbst, wie auf der Internetseite zu lesen ist, im Alter von acht Jahren mit seiner Familie vor dem türkischen Militär flüchten musste und in Berlin – unter dem Schutz des Grundge-setzes – Zuflucht fand und den Schutz einer freiheitlich demokratischen

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Dr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

Verfassung erfahren hat. Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut von Verfassungsrang. Jeder hat die Möglichkeit und das Recht, auch gegen Be-stimmungen unserer Verfassung zu demonstrieren. Das gilt auch für Ab-geordnete. Aber gleich gegen die ganze Verfassung? Allerdings wundert ein derartiger Demonstrationsaufruf bei Mitgliedern der Linkspartei ja kaum noch. Jedenfalls dann nicht, wenn man die Begründung des Urteils des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 13. Februar 2009 zur Links-partei gelesen hat. In der Pressemitteilung des Gerichts heißt es:

„Das Gericht betonte, es lägen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Linkspartei Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung verfolge. (...) Es gebe bedeutsame Personenzusammen-schlüsse innerhalb der Linkspartei, die Hinweisen zufolge weiterhin die Diktatur des Proletariats im klassisch marxistisch-leninistischen Sinne an-strebten. Zugleich wollten sie damit zentrale Werte des Grundgesetzes außer Kraft setzen, etwa die Menschenrechte, das Recht auf allgemeine und gleiche Wahlen, das Recht zur parlamentarischen Opposition sowie die Ablösbarkeit der Regierung und ihre Verantwortlichkeit gegenüber der Volksvertretung.“

Die Wortwahl des Gerichts spricht für sich. Sie zeigt, wen sich die Ber-liner SPD als Koalitionspartner ins Boot geholt hat. Wenn ein Bezirks-politiker der Linken die Demonstration am 1. Mai anmeldet und damit die Plattform bietet für die Krawalle, wenn dem Landesvorsitzenden der Linken zum Thema 60 Jahre Grundgesetz in einer Parlamentsdebatte mehr Nachteile als Errungenschaften einfallen, dann ist das eine treffen-de Zustandsbeschreibung des Umfeldes von Rot-Rot in Berlin. Ist es da noch verwunderlich, dass der Antrag der Berliner CDU-Fraktion, einen Runden Tisch auch gegen Linksextremismus einzurichten, im Abgeord-netenhaus keine Mehrheit gefunden hat?

Gegenstrategien – was will die Union?

Unsere Fraktion fordert den Senat auf, seine Verharmlosungsstrategie aufzugeben und konsequent auch gegen Linksextremismus vorzugehen. Die vorliegenden Erkenntnisse des Verfassungsschutzes müssen endlich

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zu nachhaltigen Maßnahmen gegen Linksextremismus führen. Denn die bisherige Bilanz von Rot-Rot im Kampf gegen den Linksextremismus ist verheerend.

Die CDU-Fraktion fordert deshalb unter anderem den verstärkten Ein-satz von Informanten und eben die Einrichtung eines Runden Tisches auch als Mittel gegen den Linksextremismus. Es ist endlich an der Zeit, die Bürger in den Kiezen vor der linken Bedrohung zu schützen. Sie haben ein Recht auf Sicherheit und Unversehrtheit ihres Eigentums. Außerdem müssen Handlungsstrategien erarbeitet werden, damit sich dieses demokratie- und menschenverachtende Gedankengut nicht in den Köpfen junger Menschen verfängt. Ein Runder Tisch soll den Dialog von Experten und Betroffenen fördern und Lösungsansätze entwickeln. Um einen breiten Konsens zu erzielen, ist es notwendig, so viele Grup-pen wie möglich einzubinden. Deshalb sollen neben Politikern, Polizei und Staatsanwaltschaft auch Anwohnerinitiativen, z.B. die Organisatoren des Kreuzberger „Myfestes“, Gewerbetreibende, Sozialarbeiter etc. be-teiligt werden. Denn der regelmäßige Dialog würde den Militanten, die vorschreiben wollen, wer wie und wo lebt, die vermeintliche Legitimati-onsgrundlage entziehen können.

Darüber hinaus müssen endlich der Personalabbau und die Abschnitts-schließungen bei der Polizei beendet werden, damit wieder genügend Polizisten im Vollzug eingesetzt werden können. Denn es darf nicht dem Zufall überlassen werden, ob linke Brandstifter ertappt werden. Die Ein-richtung einer Sonderkommission und der verstärkten Polizeipräsenz an tatrelevanten Orten und zu tatrelevanten Zeiten ist erforderlich. Denn der Druck auf die linksautonome Szene muss erhöht werden.

Der politische Extremismus in jedweder Ausprägung ist die historische Herausforderung für die liberalen Gesellschaftsordnungen. Es muss des-halb unsere Aufgabe sein, Demokratie lebendig auszugestalten. Denn „bei der Auseinandersetzung mit allen Formen des politischen Extremis-mus geht es um nichts weniger als um die Erhaltung der Demokratie und der offenen Gesellschaft“. Dieses Zitat des Philosophen Karl R. Popper hat nichts an seiner Aktualität eingebüßt. Schon gar nicht in Berlin.

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Dr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

Dr. Robbin Juhnke ist Dipl.-Kaufmann und seit 2006 Mitglied des Abgeordneten-

hauses von Berlin. Er ist innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Zuvor war

er über viele Jahre Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Bezirksverordnetenver-

sammlung von Berlin-Neukölln.

Sven Rissmann ist Rechtsanwalt und ebenfalls seit 2006 Mitglied des Abgeordneten-

hauses von Berlin. Er ist Mitglied des Rechtsausschusses, dort Sprecher der CDU-

Fraktion, sowie Mitglied des Ausschusses für Verfassungsschutz. Von 2005 bis

2007 war Rissmann Landesvorsitzender der Jungen Union Berlin.

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Herausforderung politischer Extremismus

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Dr. Robbin Juhnke MdA und Sven Rissmann MdA

Dr. Hubertus Knabe

Vorwärts und schnell vergessen?Warum wir mehr Aufklärung über die DDR-Vergangenheit brauchen

Wie schön muss es sein, in einer Diktatur zu leben: Einer Umfrage vom Juni 2009 zufolge sind 49 Prozent der Ostdeutschen der Meinung, die DDR habe mehr gute als schlechte Seiten gehabt. Weitere acht Prozent sagen sogar, die DDR habe fast nur gute Seiten gehabt. Brächte eine Befragung ähnliche Urteile über die Nazi-Zeit zum Vorschein, ginge zweifellos ein Aufschrei durch das Land.

Bei der DDR reicht es bestenfalls zu einem kurzen Rauschen im Blät-terwald. Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee, freute sich bei der Vorstellung der Umfrage sogar, dass Ost und West die Ereignisse im Herbst 1989 weitgehend ähnlich bewerteten. Darüber hinaus zeige die Umfrage, „dass wir in der Aufar-beitung der DDR-Geschichte nicht nachlassen dürfen“. Zu Deutsch: Weitermachen wie bisher.

Politik und Gesellschaft verschließen beharrlich die Augen davor, dass die Verklärung der SED-Diktatur im Osten Deutschlands alarmierende Ausmaße angenommen hat. Seit Jahren schon bringen Umfragen im-mer erschreckendere Urteile über die kommunistische Vergangenheit ans Tageslicht. 2006 meinten 31 Prozent der Ostdeutschen, die DDR sei keine Diktatur gewesen. Nur noch 25 Prozent der Brandenburger Schüler waren 2008 der entgegengesetzten Überzeugung. 41 Prozent der Ostdeutschen erklärten kürzlich, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen, nur 28 Prozent gingen vom Gegenteil aus.

Ausgerechnet zum 20. Jahrestag der friedlichen Revolution in der DDR erleben wir einen Tiefpunkt bei der Auseinandersetzung mit dem SED-Unrecht. Zwei Jahrzehnte haben offenbar ausgereicht, um in Vergessen-heit geraten zu lassen, warum die Ostdeutschen 1989 das SED-Regime

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beiseite fegten: Die allgegenwärtige Überwachung durch den Staatssi-cherheitsdienst, die vollkommene Rechtlosigkeit des einzelnen gegenü-ber dem Staat und eine sozialistische Mangelwirtschaft, in der die Städte verfielen, die Umwelt vergiftet wurde und man auf ein stinkendes Pla-stikauto zehn Jahre warten musste.

Fragt man nach den Gründen für diese Entwicklung, stößt man auf ein ganzes Bündel von Ursachen. Gravierende Fehler wurden bereits zu Be-ginn der deutschen Einheit gemacht. Statt die für das Elend verantwort-liche Partei zu verbieten und ihr Vermögen zu beschlagnahmen, konn-te sie unter neuem Namen einfach weitermachen. Unter dem Vorsitz von Gysi schafften die Funktionäre Milliarden beiseite und berieselten die Ostdeutschen jahrelang mit ihrer Propaganda. Erfolgreich schoben sie dabei dem Westen die Schuld für die wirtschaftlichen und sozialen Probleme in die Schuhe, die sie selbst verursacht hatten. Mit 239 Land-tags- und Bundestagsabgeordneten verfügt die Partei inzwischen über einen riesigen Politikapparat, der seine Agitation mit Millionen Euro an Steuermitteln finanziert.

Auch die Erneuerung von Staat und Gesellschaft wurde nur halbherzig betrieben. In Verwaltungen, Schulen oder Zeitungsredaktionen wurde ein Großteil der alten Kader weiterbeschäftigt. Eine Überprüfung auf SED-Funktionen hat es in Deutschland nie gegeben. Selbst die Stasi-Überprüfungen erfolgten nur halbherzig. Ehemalige DDR-Zeitungen – wichtig für das Meinungsklima im Osten – waren zum Beispiel aus-genommen. Von den 28.000 Stasi-Mitarbeitern, die in den ostdeutschen Landesverwaltungen ausfindig gemacht wurden, durfte mehr als die Hälfte weiter arbeiten. Ehemalige Oppositionelle hatten hingegen kaum eine Chance, Einfluss zu gewinnen, weil ihnen die SED die beruflichen Qualifikationen verwehrt hatte.

Wenn heute in Frage gestellt wird, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, liegt das auch daran, dass die meisten Verbrechen der SED unbestraft geblieben sind. Über 200.000 Menschen kamen in der DDR aus poli-tischen Gründen ins Gefängnis, mehr als 50 wurden hingerichtet. Hun-derte Flüchtlinge wurden an den Grenzen erschossen oder schwer ver-

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Dr. Hubertus Knabe

letzt, Tausende Häftlinge in DDR-Gefängnissen misshandelt. Trotzdem mussten nach der Wiedervereinigung nur 40 Funktionäre eine – meist sehr kurze – Haftstrafe antreten. Seit langem sind alle wieder frei. Nicht ohne Grund verkündete der letzte Chef der Stasi, Wolfgang Schwanitz, schon vor Jahren, die Geheimpolizei der SED sei „juristisch rehabili-tiert“.

Zur Verklärung haben auch die Medien beigetragen. Ob Gregor Gysi oder Markus Wolf – hochrangige SED-Funktionäre waren oder sind in den Talkshows gern gesehene Gäste. Legenden über die angeblichen Errungenschaften der DDR werden bedenkenlos nachgeplappert. Im-mer wieder wird zum Beispiel verbreitet, die Frauen seien in der DDR besonders emanzipiert gewesen.

In Wirklichkeit waren in der DDR praktisch alle wichtigen politischen Positionen von Männern besetzt. In der Regierung saß nur eine einzige Frau: die Gattin von SED-Chef Erich Honecker. Ähnliches gilt für das angeblich vorbildliche Gesundheitssystem. Zahlreiche notleidende Pati-enten warteten in der DDR vergeblich auf ein künstliches Hüftgelenk, einen Dialyseplatz oder moderne Medikamente. Nicht ohne Grund starben DDR-Bürger im Durchschnitt drei Jahre früher als Bundesbür-ger. Auch wer behauptet, die Kinderbetreuung sei in der DDR besser als heute gewesen, sollte sich nur einmal ein Foto eines sozialistischen Kinderspielplatzes anschauen oder daran denken, wie die Schüler jeden Montag beim Fahnenappell stramm stehen mussten. Aus jeder Schul-klasse durften nur zwei oder drei Abitur machen.

Dass das alles in Vergessenheit geriet, ist vor allem ein Ergebnis man-gelnder Aufklärung. Umfragen unter Schülern haben ergeben, dass die DDR im Geschichtsunterricht kaum vorkommt. Viele Jugendliche hal-ten Honecker für einen ehemaligen Bundeskanzler und denken, die Stasi sei ein Geheimdienst wie jeder andere gewesen.

In manchen Schulbüchern kommt das Wort „Stasi“ nicht einmal vor. Dass bayerische Hauptschüler inzwischen besser über die DDR Be-scheid wissen als Brandenburger Gymnasiasten zeigt, dass es vor allem

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im Osten massive Defizite bei der Wissensvermittlung gibt. Von den zuständigen Politikern werden sie fast immer schön geredet.

Orte, in denen kritisch über die DDR aufgeklärt wird, sind in Deutsch-land Mangelware. Von den mehr als 80 Gefängnissen, in denen die SED ihre Kritiker einsperrte, sind nur ganz wenige zu funktionierenden Gedenkstätten gemacht worden. Der Stasi-Knast in Cottbus wurde ab-gerissen, die triste Haftanstalt in Berlin-Rummelsburg zu schicken Ei-gentumswohnungen umgebaut. Dafür schießen im Osten nostalgische DDR-Museen wie Pilze aus dem Boden. Ein Berliner „Ostel“ wirbt sogar damit, dass in jedem Zimmer ein Honecker-Bild hängt. Als der für Gedenkstätten zuständige Staatsminister Bernd Neumann (CDU) vor einiger Zeit mehr Geld in die Aufklärung über das SED-Unrecht stecken wollte, wurde ihm der absurde Vorwurf gemacht, er wolle damit die NS-Diktatur verharmlosen. Auf Druck der SPD musste er 2008 sein Gedenkstättenkonzept umschreiben.

Gerade Sozialdemokraten – die in der DDR am meisten unter der kom-munistischen Verfolgung litten – biedern sich immer wieder auf unver-antwortliche Weise bei den Diktaturnostalgikern an. Mecklenburg-Vor-pommerns Ministerpräsident Erwin Sellering verwahrte sich im Früh-jahr 2009 dagegen, „die DDR als totalen Unrechtsstaat zu verdammen“. Die kommunistische Diktatur beschönigte er mit den Worten, dass „zur DDR immer auch ein Schuss Willkür und Abhängigkeit gehört“ habe. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse sekundierte ihm und erklär-te: „Dass man die DDR immerfort an den Begriff Unrechtsstaat bindet, halte ich für überflüssig“. Offenbar hofft man, der Linkspartei auf diese Weise Stimmen abzujagen.

Dabei wäre es gerade Aufgabe der Politik, der DDR-Verklärung entschie-den entgegenzutreten. Bei jedem anderen Thema lässt sich der Staat die Aufklärung der Bürger Millionen kosten. Ob Kampagnen gegen Aids, zu schnelles Fahren oder Neonazis – für vieles wird in Deutschland sehr viel Geld ausgegeben. Nur bei der Verklärung des Kommunismus legt man die Hände in den Schoß oder findet sogar noch allerlei Gründe, warum man dieser mit Verständnis begegnen müsse. Es wird Zeit, dass

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Dr. Hubertus Knabe

das Schönreden der SED-Diktatur nicht länger verniedlicht wird. Die Demokratie ist zu zerbrechlich, als dass wir es uns erlauben könnten, den Ewiggestrigen das Feld zu überlassen.

Dr. Hubertus Knabe ist Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Der

Historiker schrieb u.a. die Bücher „Die Täter sind unter uns. Über das Schönreden

der SED-Diktatur“ und „Honeckers Erben. Die Wahrheit über die Linke“ (Pro-

pyläen Verlag).

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Dr. Hubertus Knabe

Dr. Tim Peters

Die Linke – eine Partei zwischen Linksextremismus und Linkspopulismus

Im Jahr 2009 sitzt die „Linke“ nicht nur in allen ostdeutschen Lan-desparlamenten inklusive Berlin. Sie ist außerdem in Fraktionsstärke in fünf von zehn Landtagen Westdeutschlands vertreten. Im Saarland durchbrach sie mit ihrem Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine sogar die 20-Prozent-Marke. Heißt dies, dass die „Linke“ endgültig im wiederver-einigten Deutschland angekommen ist und sich in das politische und gesellschaftliche System integriert hat? Haben sich damit Vorwürfe von verfassungsfeindlichen Bestrebungen erledigt? Mitnichten. Wahlerfolge sagen wenig über die Zustimmung einer Partei zu unserem demokra-tischen Rechtsstaat, der Bundesrepublik Deutschland.

Die Wahlerfolge beweisen zwar, dass es sich bei der „Linken“ nicht um eine Gruppe sektiererischer Extremisten handelt. Die „Linke“ versucht, sich im System so weit zu integrieren, dass sie als politisch mitgestaltende Kraft ernst genommen wird und wählbar ist. Allerdings verfolgt die „Linke“ weiterhin verfassungsfeindliche Ziele, arbeitet mit offen linksex-tremistischen Strukturen innerhalb und außerhalb der Partei zusammen und bekennt sich dazu, dass sie unsere rechtsstaatliche Demokratie sowie unsere Soziale Marktwirtschaft durch ein sozialistisches System ersetzen möchte.

I. Fortsetzung einer Diktaturpartei

Seit ihrem Bestehen hat „Die Linke“ bereits viermal ihren Namen ge-wechselt. Gegründet wurde sie 1946 als Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED). Bei dieser Gründung wurde die SPD in der dama-ligen sowjetisch besetzten Zone zwangsweise mit der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) vereinigt. Im Dezember 1989 erfolgte dann zunächst die Umbenennung in SED-PDS, im Februar 1990 in Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). 2005 benannte sich die Partei

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in „Linkspartei.PDS“ um. Nach der Fusion mit der Wahlalternative Ar-beit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) nennt sie sich seit Juli 2007 „Die Linke“. Die Partei ist allerdings juristisch identisch mit der ehemaligen DDR-Diktaturpartei SED. Es handelt sich bei der „Linken“ um die Fort-setzungspartei der SED.

Die Tatsache, dass die „Linke“ eine Fortsetzungspartei der SED ist, macht sie und ihre Mitglieder nicht automatisch verfassungsfeindlich. Wenn die „Linke“ bis heute behauptet, die DDR sei kein Unrechtsstaat gewesen und es habe dort sogar viele soziale Errungenschaften gegeben, die heutzutage in Deutschland nicht existierten, zeigt dies allerdings auf fatale Weise, woher die „Linke“ kommt und wie die diktatorische Ver-gangenheit bis heute das geistige Klima der Partei bestimmt.

II. Ehemalige Stasi-Informanten in Führungspositionen

Unzählige Spitzenpolitiker der „Linken“ haben vor 1990 für das DDR-Staatssicherheitsministerium gearbeitet. Die Aufdeckung dieser Beteili-gung führte allerdings in den wenigsten Fällen zu Konsequenzen – und selbst dann waren diese zumeist nur temporär.

Der Parteivorsitzende Lothar Bisky war nach Aktenlage ab 1966 als IM Bienert sowie ab 1987 als IM Klaus Heine bei der Staatssicherheit re-gistriert. Er selbst streitet ab, jemals eine Verpflichtungserklärung abge-geben zu haben. Der Linke-Fraktionsvorsitzende Gregor Gysi hat laut Immunitätsausschuss des Deutschen Bundestages von 1975 bis 1986 für die Stasi gearbeitet, überwiegend unter dem Decknamen IM Notar. Er selbst streitet die Tätigkeit als IM ab und verklagt systematisch alle, die behaupten, er habe als Stasi-Spitzel gearbeitet.

Die Fraktionsvorsitzende der „Linken“ in Brandenburg, Kerstin Kaiser, arbeitete während ihres Studiums in Leningrad als IM „Kathrin“ für die Stasi. Als dies 1994 bekannt wurde, verzichtete sie auf das frisch erwor-bene Bundestagsmandat. Bereits 1999 wurde sie aber in den Landtag gewählt. Dies ist typisch für den Umgang mit Stasi-belasteten „Linke“-Politikern. André Brie musste 1992 als PDS-Landesvorsitzender von

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Berlin sowie stellvertretender Bundesvorsitzender zurücktreten, weil be-kannt wurde, dass er als IMS „Peter Scholz“ für die Stasi gearbeitet hatte. Bereits 1993 wurde er wieder in den Bundesvorstand gewählt. Ab 1999 saß er für die PDS im Europäischen Parlament.

Weitere „Linke“-Abgeordnete in den Landtagen unter Stasi-Verdacht sind Frank Kuschel alias IM „Fritz Kaiser“ in Thüringen, Volker Külow alias IM „Ostap“ und Klaus Bartl alias IM „Andreas Richter“ in Sachsen sowie Gudrun Tiedge alias IM „Rosemarie Lehmann“ in Sachsen-An-halt. Der Bundestagsabgeordnete Lutz Heilmann war sogar hauptamt-licher Mitarbeiter der Stasi.

Die Vielzahl von „Linke“-Spitzenpolitikern, die selbst aktiv am Unter-drückungsapparat der DDR beteiligt waren, sowie der kritik- und sorg-lose Umgang der Partei mit ihnen entlarvt alle Aussagen der Partei zu Rechtsstaat und Menschenrechten als Lippenbekenntnisse.

III. Extremisten aus dem Westen

Als sich die PDS Anfang der 90er Jahre in den Westen ausdehnte, fanden überwiegend ehemalige DKP-Kader den Weg zur Partei. Beispiele für alte West-Kommunisten, die heute Führungspositionen bei der „Linken“ innehaben, sind Wolfgang Gehrcke und Heidi Knake-Werner. Gehrcke war 1968 DKP-Mitbegründer, 1981 bis 1989 Vorsitzender der DKP Hamburg und ist heute Bundestagsabgeordneter und Mitglied des Par-teivorstands der „Linken“. Knake-Werner arbeitete vor 1990 als haupt-amtliche Mitarbeiterin der DKP Bremen, saß später für die PDS im Bun-destag und ist seit 2002 Sozialsenatorin in Berlin. Weitere Beispiele sind Manfred Sohn und Willi van Ooyen. Sohn war in den neunziger Jahren Mitglied im DKP-Parteivorstand, heute ist er Fraktionsvorsitzender im Landtag von Niedersachsen. Van Ooyen war ab 1979 hessischer Lan-desgeschäftsführer und ab 1984 hauptamtlicher Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedensunion (DFU). Die DFU wurde von der DDR gesteuert, um im Sinne der SED Einfluss auf die Politik der Bundes-republik Deutschland zu nehmen. Sie wurde von der DDR jährlich mit Millionenbeträgen finanziert.

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Die WASG wurde zunächst überwiegend von Gewerkschaftern gegrün-det, die sich wegen der Agenda 2010 enttäuscht von der SPD abwandten und die stattdessen wieder zurück zum Wohlfahrtsstaat der siebziger Jahre wollten. Sobald allerdings das Wählerpotential der WASG im Westen erkennbar wurde, zog die Gruppe schnell in großer Zahl links-extremistische Sektierer an. Aktivisten der Sozialistischen Alternative Voran (SAV), deutsche Sektion eines internationalen trotzkistischen Dachverbandes, versuchten vor allem in Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg, in die WASG einzusickern. Eine weitere trotzkistische Organisation namens Linksruck, die ebenso einem inter-nationalen trotzkistischen Dachverband angehört, rief gleichfalls ihre Mitglieder auf, in die WASG einzutreten. Linksruck hat sich inzwischen als eigenständige Organisation aufgelöst und als marxistisches Netzwerk „marx21“ innerhalb der Linkspartei neugegründet. Mehrere ehema-lige Linksruck-Mitglieder arbeiten als wissenschaftliche Mitarbeiter der Linksfraktion im Bundestag. Mit Christine Buchholz und Janine Wissler sitzen zwei von ihnen im Bundesvorstand der „Linken“. Die Studenten-gruppe „Die Linke.SDS“ gilt als stark von Linksruck beeinflusst.

Trotzkistische Kader sind außerdem stark in der neugegründeten Strö-mung „Sozialistische Linke“ (SL) in der „Linken“ vertreten. Die „Sozia-listische Linke“ versteht sich als „linkssozialdemokratische und reform-kommunistische Strömung“ in der Partei. Sie ist mit Ulrike Zerhau als stellvertretender Vorsitzender sowie Christel Rajda, Jürgen Klute, Mi-chael Schlecht, Heidi Scharf und Stefanie Graf im Parteivorstand ver-treten.

Eine wichtige Gruppe innerhalb der WASG war die so genannte Bremer „Memorandum-Gruppe”, die seit 1975 jährlich ein gegen den Sachver-ständigenrat gerichtetes „Alternatives Wirtschaftsgutachten” abgab. Teil der Memorandum-Gruppe war Professor Jörg Huffschmid, der Mitglied des DKP-Parteivorstandes war. Sekretär der Gruppe war Axel Troost, einst Kader des DKP-Studentenverbandes MSB Spartakus und heute Bundestagsmitglied der „Linken”. Dieses DKP-nahe Umfeld prägt heu-te entscheidend die wirtschaftspolitischen Ideen der „Linken“ mit.

Dr. Tim Peters

Die große Zahl linksextremistischer Aktivisten, welche die „Linke“ in-zwischen über die PDS oder über die WASG im Westen aufgenommen hat, macht deutlich, dass die „Linke“ im Westen weniger ein Zusam-menschluss enttäuschter Ex-Sozialdemokraten und Gewerkschafter ist, die sich für „mehr soziale Gerechtigkeit“ einsetzen. „Die Linke“ im Westen ist vielmehr ein Sammelbecken für trotzkistische und andere linksextremistische Sektierer, die den Ruf nach „sozialer Gerechtigkeit“ instrumentalisieren, um ihre antiquierten marxistischen Konzepte in den politischen Prozess einzubringen.

IV. Bekenntnis zum Systemwechsel

In den „Programmatischen Eckpunkten“, die PDS.Linkspartei und WASG am 24. und 25. März 2007 in Dortmund beschlossen haben, wird eine „transformatorische Überwindung“ des Kapitalismus hin zu einem „demokratischen Sozialismus“ gefordert. Damit bekennt sich die „Linke“ zur Überwindung unseres marktwirtschaftlichen, demokra-tischen und rechtsstaatlichen Systems.

Der von der „Linken“ stattdessen angestrebte „demokratische Sozia-lismus“ ist eine Chimäre: Einen rechtsstaatlichen und demokratischen Sozialismus gibt es in der Realität schlicht nicht. Sämtliche bisher prakti-zierten Formen des Sozialismus führten zu massiven Einschränkungen der wirtschaftlichen, politischen und persönlichen Freiheit – von der Sowjetunion über die DDR bis zu Nordkorea und Kuba.

„Die Linke“ diffamiert jede Form von Marktwirtschaft als „Marktradi-kalismus“ und „Neoliberalismus“. Dass es die Soziale Marktwirtschaft war, die für den Wiederaufbau Deutschlands in Wohlstand und Freiheit gesorgt hat, wird ausgeblendet. Dass die Soziale Marktwirtschaft nach der „Wende“ im Jahr 1989 für Wohlstand und Aufbau in den jungen Bundesländern gesorgt hat, wird verschwiegen. Dass die sozialistische DDR 1989 praktisch zahlungsunfähig und pleite war, wird einfach nicht erwähnt. Zwar wird die Wirtschaftsform vom Grundgesetz nicht ex-plizit vorgegeben. Aber eine sozialistische Zentralverwaltungswirtschaft wäre mit den vom Grundgesetz garantierten wirtschaftlichen Freiheiten

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wie z.B. der Eigentums-, Berufs-, Gewerbe- und Vertragsfreiheit nicht vereinbar.

„Die Linke“ fordert das Recht auf Einberufung eines Generalstreiks. Dabei geht es nicht um die Durchsetzung von konkreten Arbeitneh-merinteressen sondern um die Durchsetzung von linken Zielen über die Straße, falls es im Parlament dafür keine Mehrheit gibt.

Ein besonderes Vorbild für die „Linke“ ist Rosa Luxemburg, nach wel-cher die der Partei nahestehende politische Stiftung benannt ist. Luxem-burg war eine überzeugte und radikale Gegnerin der rechtsstaatlichen und parlamentarischen Demokratie. Ihr berühmter Ausspruch, Freiheit sei immer die Freiheit der Andersdenkenden, bezog sich auf anders-denkende revolutionäre Kommunisten. Niemals trat Luxemburg für die Freiheit von tatsächlich Andersdenkenden wie etwa Vertretern der parla-mentarischen Demokratie ein.

Der Parteivorsitzende Lothar Bisky steht offen zu den verfassungsfeind-lichen Bestrebungen der „Linken“. So sagte er auf dem PDS-Parteitag im Juni 2007: „Wir stellen die Systemfrage! Für alle von den geheimen Diensten nochmal zum Mitschreiben: Die, die aus der PDS kommen, aus der Ex-SED, und auch die Partei ‚Die Linke‘ - wir stellen die System-frage.“

V. Linkspopulismus: „Reichtum für alle!“

„Die Linke“ verspricht, in großen Umfang sämtliche staatlichen Transfer-leistungen zu erhöhen. Symptomatisch waren im Bundestagswahlkampf Plakate unter dem Motto „Reichtum für alle“. Selbst wenn die linkspo-pulistischen wirtschaftspolitischen Ideen der „Linken“ nicht alle verfas-sungsfeindlich sind, so würde der Versuch ihrer Umsetzung Deutschland mit großer Sicherheit in den wirtschaftlichen Ruin führen.

So verspricht die „Linke“, Renten großzügig zu erhöhen und niemals zu senken. Außerdem soll das Rentenalter von 67 auf 60 Jahre gesenkt werden. Da es in den kommenden Jahren immer mehr alte Menschen

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Dr. Tim Peters

und immer weniger junge Erwerbstätige geben wird, ist ein derartiges Versprechen vollkommen unbezahlbar. Insbesondere die junge Genera-tion, die bereits heute mehr in das Rentensystem einzahlt, als sie jemals erhalten wird, würde in so einem Fall noch stärker belastet. Viele weitere Leistungsträger würden Deutschland verlassen und somit den Druck auf das Sozialsystem noch weiter erhöhen. Die Ergebnisse der Rentenpoli-tik der „Linken“ wären zutiefst unsozial und würden Deutschland wirt-schaftlich an den Abgrund führen. Die „Linke“ lässt sich von derartigen Fakten offenbar wenig beeindrucken.

Die signifikante Erhöhung des Arbeitslosengeldes II („Abschaffung von Hartz IV“) würde ebenfalls hohe Kosten für den Staat verursachen, die dieser durch höhere Steuern bzw. Schulden wieder finanzieren müsste. Dies würde die Kosten für Unternehmen und Arbeitnehmer weiter erhö-hen und Deutschlands globale Wettbewerbsfähigkeit senken. Gleichzeitig würden die Arbeitsanreize für Niedrigverdiener bei höheren Sozialleistun-gen sinken. Die Arbeitslosigkeit würde im Ergebnis deutlich ansteigen.

Unter dem Stichwort „Wirtschaftsdemokratie“ will die „Linke“ Groß-betriebe enteignen oder zumindest private Betriebe durch massiven Ein-fluss der Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften in ihrem Handeln einschränken. Derartige Vorschläge bedrohen massiv die Wettbewerbs-fähigkeit deutscher Betriebe, denn kein staatlich oder gewerkschaftlich geführter Betrieb kann die Effizienz sowie Innovationsleistung von pri-vat geführten und finanzierten Betrieben erreichen. Verstaatlichungen würden im Übrigen den Staatshaushalt mit zusätzlichen hohen Schulden belasten, an denen Banken verdienen und für die der Steuerzahler am Ende aufkommen müsste. Gemeinsam mit der flächendeckenden Ein-führung eines Mindestlohns in Höhe von 10 Euro pro Stunde würde das Wirtschaftsprogramm der „Linken“ zu einem dramatischen Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland führen. Das Beispiel Frankreich zeigt, dass hohe Mindestlöhne vor allem für eine hohe Jugendarbeitslosigkeit sorgen.

Insgesamt ist festzuhalten, dass soziale Gerechtigkeit und sozialistische Politik so weit auseinanderliegen wie Himmel und Hölle. Die linkspo-

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pulistischen Forderungen der „Linken“ führen zu zutiefst unsozialen Ergebnissen – insbesondere für die junge Generation –, da sie zu mehr Staatsschulden, mehr Defiziten in den Rentenkassen sowie mehr Ar-beitslosigkeit führen werden.

VI. Offen verfassungsfeindliche Strukturen in der Partei

Mit der Kommunistischen Plattform (KPF) existiert eine Gruppe in der Partei, deren Ablehnung gegenüber unserem demokratischen Verfas-sungsstaat nicht mehr offener zum Ausdruck gebracht werden kann. Auf dem Parteitag 2008 wurde die Vertreterin der KPF, Sahra Wagenknecht, mit 70,5 Prozent in den Parteivorstand gewählt. Das bedeutet, dass mehr als zwei Drittel der Partei offen kommunistische und verfassungsfeind-liche Bestrebungen in der Partei unterstützen. Der Parteivorsitzende Bis-ky sagte bereits 1993: „Ich habe überhaupt keine Lust, mich von der Kommunistischen Plattform in irgendeiner Weise abzugrenzen.“

Die Arbeitsgemeinschaft „Cuba Si“ unterstützt vorbehaltlos die kom-munistische Diktatur auf Kuba und verweigert jede Kritik an den Men-schenrechtsverletzungen des Regimes. Der außenpolitische Sprecher der „Linken“ Wolfgang Gehrcke arbeitet eng mit der linksterroristischen Re-bellengruppe Farc aus Kolumbien zusammen. Enge Verbindungen der „Linken“ bestehen ebenfalls zu der terroristischen PKK sowie zu Bata-suna, dem politischen Arm der baskischen Eta. Regelmäßig rufen Partei-gliederungen zu gemeinsamen Kundgebungen oder anderen Aktionen mit gewalttätigen und verfassungsfeindlichen Antifa-Gruppen auf.

VII. JU darf nicht mit Linksextremisten zusammenarbeiten

In der Gesamtschau ergibt sich, dass die „Linke“ eine Partei mit extre-mistischen, d.h. verfassungsfeindlichen Zielen ist. Die „Linke“ strebt an, den demokratischen Rechtsstaat sowie die Soziale Marktwirtschaft in Deutschland durch eine sozialistische Diktatur zu ersetzen. Sie arbeitet mit offen verfassungsfeindlichen Strukturen in und außerhalb der Partei zusammen.

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Die „Linke“ verhält sich im Gegensatz zu Parteien wie der NPD, die in jeder Hinsicht offen verfassungsfeindlich auftritt, allerdings geschickter. Die „linken“ Repräsentanten in den Parlamenten sowie Regierungen versuchen, einen gemäßigten und konstruktiven Eindruck zu vermitteln. Daher spricht der Extremismusforscher Prof. Dr. Eckhard Jesse bei der „Linken“ von einem „smarten Extremismus“.

Eine wie auch immer gestaltete politische Zusammenarbeit mit der „Lin-ken“ oder ihren Gliederungen darf für die Junge Union sowie CDU und CSU nicht in Frage kommen. Jede Zusammenarbeit würde die eigene demokratische Glaubwürdigkeit zerstören. Der Anspruch, dass demo-kratische Jugendorganisationen nicht mit Verfassungsfeinden von links oder rechts zusammenarbeiten sollten, sollte ebenfalls an die Jusos so-wie die Grüne Jugend gestellt werden, die regelmäßig mit Strukturen der „Linken“ zusammenarbeiten.

Das Ziel der Jungen Union muss es bleiben, unsere Soziale Marktwirt-schaft sowie unseren demokratischen Rechtsstaat als Garanten von Frei-heit, Wohlstand und sozialer Gerechtigkeit in Deutschland zu verteidi-gen.

Dr. Tim Peters ist bei der Brüsseler Repräsentanz des BDI/BDA tätig. Er hat über

das Thema „Der Antifaschismus der PDS aus antiextremistischer Sicht“ promoviert

und war Landesvorsitzender der Jungen Union Berlin von 2003 bis 2005.

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Dr. Tim Peters

Stefan Gruhner und Tom Zeller

Bildung und Aufklärung als Prävention gegen Extremismus

Politischer Extremismus hat in der Demokratie nichts verloren. Das gilt für unser alltägliches Leben genauso wie für unseren Arbeitsplatz, unsere Ausbildungsstelle und für die Schule. Wer die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland abschaffen will, der muss die Wehrhaftigkeit der Demokratie spüren. Auch das gilt für alle Bereiche unseres täglichen Lebens. Bevor jedoch eine Demokratie zu Abwehrmechanismen greift, muss im Bereich der Bildung der Grund-stein für ein tolerantes und weltoffenes Miteinander gelegt werden. Bildung verhindert politischen Extremismus – sie vermittelt wichtige Zusammenhänge und lehrt uns den nachhaltigen Kampf gegen Hass, Ausgrenzung, Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit.

Dabei ist klar, dass wir weder auf dem linken noch auf dem rechten Auge blind sind. Politischer Extremismus hat sich in seinen jeweiligen Ausprägungen zu jeder Zeit nachteilig für die Entwicklung unseres Landes erwiesen. Ihm mit Bildung und Aufklärung zu begegnen, muss eines unserer höchsten Ziele sein.

Die Junge Union Deutschlands selbst hat in einem Beschluss auf ihrem Deutschlandrat in Siegburg am 19. und 20. September 2008 beschlos-sen, dass in der Auseinandersetzung mit politischem Extremismus von rechts und links Bildung und Aufklärung über politische Ziele, ideolo-gische Hintergründe und geschichtliche Zusammenhänge von großer Bedeutung sind. Zur Bekämpfung von Intoleranz und Ausgrenzung müssen wir unsere Grundwerte und das Grundgesetz bereits frühzeitig in der Schule erläutern und vermitteln. Begriffe wie „demokratischer Verfassungsstaat“ und „Soziale Marktwirtschaft“ müssen in der Schule mit Leben gefüllt werden und durch die Manifestation im Bewusstsein der Schüler Abwehrschilde gegen extremistische Positionen bilden. Ins-besondere die Geschichte der DDR und die damit verbundenen Verbre-

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chen der Stasi- und SED-Diktatur müssen, neben der Behandlung der Geschichte des Dritten Reichs, einen größeren Anteil am Schulunter-richt und an den Lehrplänen erhalten. Keine Schülerin und kein Schüler darf eine deutsche Schule verlassen, ohne über die schrecklichen Folgen der NS-Diktatur und der SED-Herrschaft aufgeklärt worden zu sein. Politischer Extremismus muss eine wesentliche Rolle im Geschichts- und im Politikunterricht einnehmen.

In der Diskussion um die Bekämpfung von politischem Extremismus darf niemals die Vermittlung unseres Wirtschaftssystems vernachlässigt werden. Sowohl der linke als auch der rechte Extremismus versucht, unsere Soziale Marktwirtschaft von Ludwig Erhard als Wurzel aller ge-sellschaftlichen Probleme darzustellen. Sie geben vor, nur eine staatso-rientierte Wirtschaftspolitik könne Wohlstand, Arbeit und insbesondere soziale Gerechtigkeit garantieren. Die Wirklichkeit hat jedoch gezeigt, dass dies eben nicht so ist.

Bei rechtsextremistischen Gruppen oder Parteien steht eine Ablehnung der Freiheits- und Menschenrechte im Vordergrund. Rechtsradikale Gruppierungen planen eine autoritär geführte und rassistisch struktu-rierte Volksgemeinschaft, die nationalistisch, fremdenfeindlich, anti-semitisch und intolerant geprägt ist. Für rechtsradikale Parteien steht die Menschenwürde nicht über der uneingeschränkten Staatsmacht, Grundrechte wie das allgemeine Gleichbehandlungsgebot werden nicht anerkannt. Linksextremistische Gruppen oder Parteien hingegen kämp-fen für eine andere Wirtschaftsordnung. Ziel ist die Schaffung einer so-zialistischen oder kommunistischen Gesellschaft. Auch hier steht eine Beschränkung der Freiheits- und Menschenrechte im Vordergrund. Die Gewaltenteilung, das Demokratieprinzip und der Rechtsstaat werden ausgeschaltet. Bei allen Unterschieden zwischen Links und Rechtsextre-mismus bleibt festzuhalten: Beide politischen Extreme erheben für ihre irrwitzige Weltanschauung einen absoluten Gültigkeitsanspruch, agieren fanatisch und menschenverachtend.

Wenn in der Schule sowohl im Politik- als auch im Geschichtsunterricht die Folgen von Extremismus behandelt werden sollen, muss bereits in

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der Lehrerausbildung ein größerer Fokus auf das Thema Radikalismus gelegt werden. Pädagogen müssen für die Bedeutung der Weitergabe von Erkenntnissen aus der Extremismusforschung sensibilisiert werden und diese immer wieder in den normalen Unterrichtsstoff einfließen lassen. Dazu gehört auch, dass die Extremismusforschung nicht auf dem Status Quo verharrt, sondern auch die Entwicklung konsequent weiter analysiert. Parteien, die in Landesparlamenten vertreten sind, dür-fen von der Extremismusforschung nicht ausgenommen werden.

Die Bekämpfung von extremistischen Strömungen und Bewegungen aller Art gelingt am Besten durch Aufklärung. Dort, wo sich jedoch im Schulalltag bereits extremistische Strukturen gebildet und verfestigt haben, müssen Schulleitungen und Lehrer konsequent und mit Härte vorgehen. In einer weltoffenen Gesellschaft ist kein Platz für Intole-ranz und Ausgrenzung. Eine intensive Auseinandersetzung mit extre-mistischen Schülerinnen und Schülern und bei Bedarf eine Verhängung von Disziplinarmaßnahmen, muss zu einer Selbstverständlichkeit im Schulalltag werden. Auch hier gilt es, Zivilcourrage zu fördern und sich in der Gemeinschaft gegen Gewalt und Extremismus zu stemmen.

Ziel von Schule sollte es sein, die demokratische Handlungskompetenz von Schülern zu fördern und eine demokratische Schulkultur zu entwi-ckeln. Aufklärungsarbeit über Extremismus darf sich jedoch nicht nur auf Schüler konzentrieren, sondern muss sich auch an Eltern, Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter richten. Also an diejenigen, die die Verant-wortung für die Erziehung junger Menschen tragen. Um mögliche De-fizite der Lehrerschaft, der Eltern und von Schülern im Umgang mit extremistischen Erscheinungsformen, Strukturen und Vorgehensweisen zu beheben, hat beispielsweise der Freistaat Sachsen mobile Referen-tenteams aus Polizeibeamten, Verfassungsschützern und Mitarbeitern der Landeszentrale für politische Bildung gebildet, die auf Anfrage von Schulen Informations- und Aufklärungsarbeit vor Ort durchführen.

Wenn man von Bildungsarbeit gegen Extremismus spricht, ist der Ho-rizont über die Schule hinaus zu erweitern. Insbesondere politische Bildung und Aufklärung über Extremismus können nicht allein in den

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Schulen geleistet werden, sondern müssen auch durch andere Bildungs-träger unterstützt werden. Verschiedene Formen von politischer Bil-dungsarbeit sind auch deshalb wichtig, um insbesondere Jugendliche an-zusprechen, die durch die herkömmliche schulische Bildung nicht mehr zu erreichen sind. Sinnvoll sind daher Kooperationsprojekte zwischen Schulen und außerschulischen Bildungseinrichtungen, die Jugend- und Erwachsenenbildung betreiben. Gerade solche Kooperationen erleich-tern den Zugang zu Jugendlichen, da mit solchen Kooperationspro-jekten die Zwänge des schulischen Lernens weniger in Verbindung ge-bracht werden.

Deshalb müssen auch von der Politik verschiedene Formen der poli-tischen Bildung unterstützt werden. Angefangen von der Bundeszen-trale für politische Bildung bis hin zu sinnvollen Streetworkerprojekten. Das spontane Gespräch zwischen einem Streetworker und einer Jugend-clique kann ebenso als pädagogische Bildungsarbeit qualifiziert werden, wie der Unterricht in der Schulklasse. Allerdings nur, wenn es tatsächlich gelingt, Impulse zu setzen, die zu einer Weiterentwicklung oder Neuori-entierung grundlegender Sichtweisen von Jugendlichen führen.

Auch wenn gezielte Projekte und Kooperationen zur Bekämpfung des politischen Extremismus wichtig sind, darf dennoch nicht vergessen werden, dass politische Bildung nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie kontinuierlich und langfristig angelegt ist. Nicht Aktionismus, son-dern kontinuierliche Präventionsarbeit ist notwendig. Aktionistische Kampagnen und bunte Plakate helfen bei der Bekämpfung des Extre-mismus nicht weiter.

Gerade politische Jugendorganisationen wie die Junge Union leisten ei-nen enormen Beitrag zur politischen Bildung von Jugendlichen. Des-halb müssen auch zukünftig die politischen Jugendorganisationen in ihrer Arbeit weiter unterstützt und gestärkt werden. Ehrenamtliches Engagement von jungen Menschen in demokratischen Organisationen ist letztlich die beste Prävention gegen politischen Extremismus. Auch das ehrenamtliche Engagement in den Kirchen sowie Verbänden wie der Sportjugend, dem Roten Kreuz, bei der Kolpingjugend, beim THW,

Stefan Gruhner und Tom Zeller

in Umweltgruppen oder den Jugendfeuerwehren ist ein wesentlicher Be-standteil politischer Bildung.

Bei aller Bedeutung von Schule und außerschulischer politischer Bildung, bleibt letztendlich die Bekämpfung des Extremismus und die Stärkung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung eine gesamtgesellschaft-liche Aufgabe. Hier ist der Einsatz aller Bürger gefragt.

Stefan Gruhner studiert Geschichte und Politik auf Lehramt, ist Beisitzer im Bun-

desvorstand der Jungen Union und ihr wissenschaftspolitischer Sprecher.

Tom Zeller ist Beisitzer im Bundesvorstand der Jungen Union und ihr bildungspoli-

tischer Sprecher. Der Diplom-Politikwissenschaftler ist Kreisvorsitzender der CDU

Main-Kinzig.

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Herausforderung politischer Extremismus

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Stefan Gruhner und Tom Zeller

Dorothee Bär MdB

Kampf gegen islamistischen Terror – Herausforderung für die innere Sicherheit?

Das kürzlich erfolgte umfassende Geständnis der Sauerland-Attentäter hat in den Medien und bei der Bevölkerung Entsetzen ausgelöst. Die beiden zum Islam konvertierten Deutschen und ihre türkischen Kom-plizen wollten vor zwei Jahren – kurz vor der Entscheidung des Deut-schen Bundestages über die Verlängerung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr am 12. Oktober 2007 – ein Inferno in Deutschland anrichten. Die Terroristen hatten geplant, insbesondere gegen ameri-kanische Staatsbürger und US-amerikanische Einrichtungen Spreng-stoffanschläge mit einer größtmöglichen Opferzahl zu begehen. Ihre Geständnisse zeugen nicht von Reue und Einsehen, sondern von unge-brochenem Glauben an die Ideologie des Dschihad und an die Recht-mäßigkeit von Terror und Tod als Mittel zum Zweck. Die Aussagen der Sauerland-Attentäter belegen mit erschreckender Deutlichkeit, dass islamistische Terror-Organisationen, wie z.B. die Islamische Dschihad-Union, weltweit vernetzt und überaus effizient organisiert sind.

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht stellt fest, dass der islamistische Terrorismus für die internationale Staatengemeinschaft und für die in-nere Sicherheit Deutschlands weiterhin eine der größten Gefahren ist. Deutschland zählt in den Augen gewaltbereiter Terroristen zu den Un-terstützern der USA und Israels. Insbesondere der deutsche Einsatz in Afghanistan ist den islamistischen Terroristen ein Dorn im Auge. Auch wenn bisher in Deutschland Attentate islamistischer Terroristen verei-telt werden konnten, so besteht kein Zweifel an unserer grundsätzlichen Betroffenheit. Deutschland muss wachsam bleiben und aktiv gegen isla-mistischen Terror vorgehen.

Es ist dabei aber zu beachten, dass es nicht nur ein Spannungsfeld zwi-schen der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und der islami-stischen Terrorgefahr gibt. Beim Kampf gegen den Terror gibt es auch

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ein innerdeutsches Spannungsfeld: wie viel Sicherheit kann der Staat für alle in einem freiheitlichem demokratischen Land gewährleisten ohne dabei die Freiheiten des Einzelnen zu beschneiden? Der Grat zwischen Sicherheit und Freiheit ist dabei schmal.

Islamistische Organisationen rekrutieren in Deutschland

Eine große Herausforderung für die innere Sicherheit unserer Heimat ist die Tatsache, dass eine nicht zu vernachlässigende Anzahl zum Islam konvertierter Deutscher im Erwachsenenalter mit islamistischen Grup-pierungen in Kontakt steht und für terroristische Ausbildungslager re-krutiert wurde. Nach der Rückkehr aus den Ausbildungslagern können sie sich als „Inländer“ unauffällig in unserer Gesellschaft bewegen und ihre Anschläge vorbereiten.

Eine Studie des SPIEGEL zeigte bereits vor einigen Jahren, dass sich die Zahl der Konvertiten vervielfacht hat. Im Zeitraum zwischen Juli 2004 und Juni 2005 sind rund 4.000 Menschen zum Islam übergetreten, viermal so viel wie im Jahr 2003. Während es früher meist Frauen waren, die für eine Heirat mit einem muslimischen Mann zu diesem Glauben übergetreten sind, zählt das Islam-Archiv in Soest heute vor allem auch Männer, die aus vielschichtigen Motiven zum Islam konvertieren. Dies wird darauf zurückgeführt, dass islamistische Gruppierungen, wie z.B. die „Gruppe der Anhänger des Islam“ (AAI), die „Muslimbruderschaft“ (MB) oder die „Islamische Gemeinschaft Millî Görüs e.V.“ (IGMG) ver-stärkt ihre Fühler nach Deutschen ausstrecken.1 Die AAI orientiert sich laut Verfassungsschutzbericht 2008 weitgehend an den Vorgaben der terroristischen Kerngruppe im Irak. Obwohl die gewaltsamen Aktivi-täten der AAI bislang auf den Irak beschränkt blieben, ist eine Bedro-hung durch in Deutschland lebende oder aus dem Irak zurückkehrende AAI-Anhänger gegeben. Die MB gilt als die einflussreichste islamistische Bewegung, auf deren Ideologie sich u.a. auch die palästinensische HA-MAS stützt. Sowohl AAI als auch MB sind arabischen Ursprungs. Die IGMG hingegen ist türkischen Ursprungs und hat die mitgliederstärkste Organisation innerhalb Deutschlands. Die IGMG sieht die Integration und Assimilation in Europa lebender Muslime als die größte Gefahr für

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Dorothee Bär MdB

den Islam an. Diese Gruppen rekrutieren neue – und vor allem deutsche – Mitglieder meist mittels eines Erstkontakts über das Internet.

Das World Wide Web als Propaganda-Instrument

Das Internet wird von islamistischen Gruppen bevorzugt genutzt. Dies unterstreicht auch der Terror-Experte und ZDF-Journalist Elmar The-veßen in einem Interview mit der Bundeszentrale für politische Bildung.2 Theveßen stellt dar, dass Islamisten eine umfassende Propagandainfra-struktur zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung aufgebaut haben. So werden bspw. Bilder online veröffentlicht, die bei Schusswechseln an amerikanischen Checkpoints in Afghanistan getötete Frauen und Kinder zeigen. Dem Betrachter soll die vermeintliche Bösartigkeit der NATO und ihrer Verbündeten gezeigt werden. Die Fotos werden zusätzlich mit Videos von Terroranschlägen verknüpft um zu zeigen, dass gegen diese Bösartigkeit etwas unternommen werden kann. So werden Terroristen zu Helden und Märtyrern hochstilisiert.

Des weiteren wird das Internet auch zur Anschlagsvorbereitung genutzt. Zum einen dient das Internet den Terroristen als konspiratives Medi-um. Durch verschlüsselte Botschaften, Befehle oder das Austauschen in einschlägigen Chatforen können sie kommunizieren. Zum anderen recherchieren Terroristen im World Wide Web auch Informationen zum Bombenbau. Die notwendigen Materialien lassen sich dann leicht aus Drogerien und Baumärkten beschaffen. Die Schulung zur Anschlags-durchführung wird ebenfalls gleich mit übermittelt. Somit kann das Internet – wenn von Terrororganisationen genutzt – zu einer großen, schwer zu kontrollierenden Gefahrenquelle werden. Deshalb darf und kann das Internet kein rechtsfreier Raum sein.

Gerade angesichts der jüngsten Erfahrungen im Rahmen des Prozesses gegen die Sauerland-Attentäter muss die Bundesrepublik Deutschland auf die gegenwärtige Bedrohungslage reagieren und ihre Maßnahmen gegen Terror verstärken. Der langfristige Lösungsansatz zur Wahrung der inneren Sicherheit in Deutschland und dem Schutz vor Terror muss auf drei Säulen beruhen. Die erste Säule muss aus Repression durch

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Herausforderung politischer Extremismus

den Staat bestehen. Die zweite Säule muss ein Zusammenspiel aus poli-tischer Aufklärung und Demokratie sein. Die dritte Säule ist politisches Engagement. So kann der Schutz der Bevölkerung gewährleistet und die Freiheit des Einzelnen unangetastet bleiben.

Terroristen verfolgen – Bürger schützen

Ideologisch oder religiös motivierter Terrorismus kann von einem frei-heitlichen und auf dem Prinzip der Rechtsstaatlichkeit beruhenden Staat nicht toleriert werden. Entsprechend der ersten Säule des ge-nannten Lösungsansatzes müssen in Fällen von Online-Rekrutierung und virtueller Terrorschulung die modernen Repressionsmöglichkeiten unserer Informationsgesellschaft weitreichend genutzt werden. So kön-nen bspw. durch das im Kampf gegen Kinderpornographie bereits er-folgreich angewendete sog. „Access-Blocking“ auch Erfolge im Kampf gegen Islamisten erzielt werden. Wem der Zugang zum Erstkontakt mit terroristischen Organisationen unmöglich gemacht wird, gibt die Re-cherche höchstwahrscheinlich auf. Wenn Webseiten und Portale, die is-lamistische Parolen verbreiten, nicht mehr besucht werden, schlafen sie ein. Der Online-Markt für terroristische Aktivitäten muss ausgedörrt werden. Doch um dem Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und inne-rer Sicherheit gerecht zu werden, dürfen solche Maßnahmen nur ganz gezielt auf demokratiefeindliche Inhalte mit islamistischem Hintergrund angewendet werden. Es darf keine Zensur im Internet stattfinden. Auch eine pauschale Verurteilung von allen Medien, die sich mit muslimischen Themen auseinander setzen bzw. von Muslimen veröffentlicht werden, muss unbedingt vermieden werden.

Demokratie lernen und leben

Die zweite Säule des Lösungsansatzes ist die politische Bildungsarbeit mit Kindern und Jugendlichen. Wir müssen frühzeitig und intensiver als bisher die Bedeutung einer freiheitlichen demokratischen Grundord-nung, wie sie in Deutschland vorherrscht sowie die Hintergründe und die Auswirkungen terroristischer Aktivitäten vermitteln. Hier können

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Dorothee Bär MdB

wir schon in der Grundschule auf eine angemessene Art und Weise be-ginnen. Dazu gehören auch ein engagierter und wirklichkeitsnaher So-zialkundeunterricht und der ständige Kontakt zu aktiven Politikern. Es geht hier nicht darum, Angst zu schüren oder Feindbilder zu schaffen. Es muss bei der politischen Aufklärung darum gehen, frühzeitig Fakten zu vermitteln und Bewusstsein zu schaffen.

Bei meinen Besuchen in Schulen und wenn ich mit jugendlichen Be-suchergruppen im Berliner Reichstag diskutiere, liegt es mir sehr am Herzen, mit den Jungen und Mädchen zu diskutieren und ihre Anliegen zu hören. Dabei muss ich mich immer wieder kritischen und manch-mal auch provozierenden Fragen stellen. Doch gerade diese Fragen und Anregungen sind gerade die wichtigen für unsere Arbeit in der Jungen Union. Wir müssen wissen, was die Jugend bewegt. Wir müssen wissen, wo Deutschland hin geht. Nur so können wir die Belange der jüngeren Generation glaubhaft vertreten und uns weiterhin so erfolgreich um Generationengerechtigkeit bemühen. Politisch engagieren – Demokratie garantieren – Dialoge fördern

Dritter Teil des Lösungsansatzes muss sein, dass wir alle in unserer täg-lichen politischen Arbeit dafür kämpfen, dass der Terror keine Chan-ce in diesem Rechtsstaat hat. Dabei sind vor allem gemeinsame Werte wichtig. Freiheit, Sicherheit und Demokratie können in einer Gemein-schaft nur dann prosperieren, wenn sich alle auf ein gemeinsames Wer-teverständnis berufen können. Nur so können wir die öffentliche Ord-nung aufrechterhalten und unser Land weiter stärken. Die Bundesre-publik Deutschland hat in den letzten sechzig Jahren bewiesen, dass sie Garant für Rechtsstaatlichkeit ist. Die Junge Union Deutschlands spielt dabei traditionsgemäß eine wichtige Rolle. Die jüngsten Erfahrungen wie z.B. das vereitelte Attentat der Sauerland-Gruppe oder das jüngst veröffentlichte Standbildvideo von Osama bin Laden mit deutschen Untertiteln haben gezeigt, dass es unabdingbar ist gezielt und effizient gegen Islamismus vorzugehen, um die Sicherheit unseres Landes zu ge-währleisten.

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Herausforderung politischer Extremismus

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Dorothee Bär MdB

Wir dürfen aber nicht außer Acht lassen, dass wir weiterhin den Dialog mit der muslimischen Bevölkerung in Deutschland suchen und aufrecht-erhalten müssen. Es darf nicht zu einer ganzheitlichen Verurteilung der muslimischen Religion kommen. Die von Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble MdB 2006 initiierte „Deutsche Islamkonferenz“ trägt dieser Verantwortung Rechnung. Jedes Jahr treffen sich Vertreter der Regie-rung und muslimischer Verbände und diskutieren aktuelle Herausforde-rungen und Möglichkeiten. Dies trägt wesentlich zur Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft bei und ermöglicht eine stetige Weiterentwick-lung des deutsch-muslimischen Diskurses.

Dorothee Bär MdB ist stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Union und stell-

vertretende Generalsekretärin der CSU.

1 Verfassungsschutzbericht 2008. 207ff.2 „Terroristen werden zu Helden stilisiert: Interview mit Elmar Theveßen“. http://www.bpb.de/themen/TK519X.html

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Dr. Kristina Köhler MdB

Deutschland in guter Verfassung?

Die größte Stärke unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung ist zugleich ihre größte Schwäche. Sie gewährt den Menschen eine im Ver-gleich mit jedem anderen politischen System unvergleichbare Vielzahl an Freiheitsrechten. Sie gewährt diese Freiheitsrechte aber auch denjenigen, die unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung ablehnen oder sie gar zerstören wollen. Wenn die Demokratie also nicht an der Demokratie scheitern will, dann muss es eine klare Grenze geben. Diese Grenze ist dort, wo erkennbar wird, dass die Freiheitsrechte missbraucht werden, um die freiheitliche demokratische Grundordnung selbst zu untergraben und damit das Fundament dieser Freiheitsrechte zu beseitigen.

Den Schutz unserer freiheitlichen Demokratie nehmen wir fraglos ernster als unsere politischen Konkurrenten. Das gilt auch für Schutz vor islamistischen Umtrieben. Auch hier ist die Union Vorreiter. Wir ha-ben sowohl im Regierungsprogramm als auch im Grundsatzprogramm einen entsprechenden Passus aufgenommen. So heißt es im Regierungs-programm: „Wir werden nicht zulassen, dass Deutschlands freiheitliche Grundordnung durch islamistische, an der Scharia orientierte Ordnungs-vorstellungen ausgehöhlt wird.“ (CDU/CSU-Regierungsprogramm). Und im Grundsatzprogramm: „Der politische Islamismus und der ter-roristische Islamismus, die jeweils ihre radikale Interpretation des Islam über unsere Verfassung stellen, sind eine besondere Gefahr für die Men-schen in Deutschland, auch für die verfassungstreue Mehrheit unter den Muslimen.“ (CDU-Grundsatzprogramm)

Islam – Islamismus – politischer Islamismus – Jihadismus

Was aber ist „Islamismus“? Zusammengefasst ist er eine totalitäre Ideo-logie, die unsere fundamentalen Verfassungsprinzipien ablehnt, und an ihrer Stelle ein islamisches Rechts- und Gesellschaftssystem etablieren will. Er negiert die unveräußerlichen und universellen Menschenrechte

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Dr. Kristina Köhler MdB

und stellt sie unter den Vorbehalt seiner Interpretation des islamischen Ordnungssystems, der Scharia. Diese beinhaltet als islamisches Ord-nungssystem sowohl religiöse Lehre als auch kultische Regeln und religi-ös begründetes Recht bis hin zum Völkerecht. Die Unvereinbarkeit mit unserem Grundgesetz beginnt dort, wo sie als politisches Ordnungsmo-dell angestrebt wird oder zur Beschränkung der universellen Menschen-rechte führt. Die Diskriminierung von Frauen und Nicht-Muslimen so-wie die Einschränkung der Meinungs- und der Religionsfreiheit Dritter überschreitet nämlich zweifelsohne die Grenze dessen, was unsere Ver-fassung dem Einzelnen im Rahmen der Religionsfreiheit zugesteht.

Islam und Islamismus

Eine der zentralen Fragen in der Islamismusbekämpfung ist die Frage nach der Abgrenzung zum „Islam an sich“. Hier treffen zurzeit verstärkt zwei sehr radikale Ansichten aufeinander.

Für die einen ist der „Islam an sich“ bereits eine Bestrebung gegen un-sere freiheitlich-demokratische Grundordnung und keine verfassungs-rechtlich geschützte Religion. Für die anderen ist der „Islam an sich“ friedlich, bereichernd, und hat mit dem Islamismus überhaupt nichts zu tun. Im Gegenteil sei dies alles nur eine westliche Konstruktion und die Muslime würden inzwischen die Rolle der „neuen Juden“ einnehmen.

Beide Ansichten gibt es wirklich. Sie sind natürlich ebenso verfehlt wie gefährlich. Wer hinter jedem Muslim einen potentiellen Terroristen ver-mutet, trägt zum kritischen Dialog nichts bei. Aber genauso wenig trägt der bei, der von Diskriminierung redet, wenn doch tatsächlich islami-stische Auswüchse bekämpft werden. Was dabei nämlich gerne verges-sen wird: Es gibt ihn nicht, diesen „Islam an sich“. Vielmehr gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen darüber, was den islamischen Glauben in allen seinen Einzelheiten ausmacht.

Wer deshalb sagt, der „Islam an sich“ sei bereits das Problem, der tut so, als gebe es einen verfassungsfeindlichen Einheitsislam. Damit aber schüttet er Wasser auf die Mühlen der Islamisten – die nämlich genau

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dieses Ziel selbst verfolgen. Gleiches gilt aber natürlich auch anders he-rum. Wer ständig behauptet, Ehrenmorde, Zwangsheiraten oder gar Ter-roranschläge hätten nichts mit dem Islam zu tun, der macht den gleichen Fehler. Denn ebenso wenig wie es einen verfassungsfeindlichen Einheits-islam gibt, gibt es einen verfassungstreuen Einheitsislam. Vielmehr gilt ganz einfach: Der Islam ist das, was die Gläubigen daraus machen.

Das heißt natürlich nicht, dass hier völlige Beliebigkeit herrscht. Aber im Islam ist es wie in allen anderen Religionen auch: Es gibt Interpreta-tionen, die werden von mehr Gläubigen geteilt, und es gibt solche, die werden von weniger Gläubigen geteilt.

Man kann also sagen, dass der Islamismus eine extremistische, das heißt verfassungsfeindliche Interpretation des Islam ist. Diese wird bei Weitem nicht von allen Gläubigen geteilt, aber sie erfährt ständigen Zulauf.

Politischer Islamismus und Jihadismus

Wenn in der Öffentlichkeit der Begriff Islamismus fällt, dann ist in der Regel der 11. September und der Namen Bin Laden nicht weit. Der ge-waltbereite, terroristische Islamismus prägt das Bild des muslimischen Extremismus.

Diese Variante des Islamismus – oft auch Jihadismus – genannt, ist frei-lich die unmittelbar gefährlichste. Die Anhänger dieser Ideologie sehen im Kampf gegen den vermeintlichen Ungläubigen eine göttliche Pflicht. Sie sehen sich als Exekutive eines vermeintlich islamischen Willens. Das heißt, dass sie in ihren Augen durch den Terror ihr Islamisch-Sein erst richtig verwirklichen. Mindestens sieben Anschläge konnten dabei seit dem Jahr 2000 in Deutschland verhindert werden oder schlugen fehl. Mehr als zwanzig Tatverdächtige wurden seit dem Jahr 2003 in Deutsch-land verurteilt. Und: Die Bedrohungslage ist weiterhin äußerst ange-spannt.

Aber: Der Terror alleine füllt den Begriff des Islamismus nicht hinrei-chend aus. Er ist die Spitze des Eisberges. Der größte Teil liegt jedoch

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Dr. Kristina Köhler MdB

unter der Oberfläche – und ist deshalb nicht weniger gefährlich. Er bildet vielmehr die Basis für die terroristische Oberfläche.

Das ist wie bei allen anderen Extremisten auch: Es gibt immer die, die zuschlagen oder Bomben legen. Und es gibt immer die, die auf poli-tischem Wege versuchen Macht zu erlangen, um das demokratische Sy-stem auszuhöhlen und letztlich durch ein totalitäres System zu ersetzen. Letzteres nenne ich politischen Islamismus. „Politisch“, da diese Isla-misten ihre radikale Interpretation des Islam als politische Ideologie verstehen. Eine Ideologie, die jedes staatliche Handeln dem islamischen Gesetz unterwerfen will. Richtig ist auch: Oftmals überschneiden sich die beiden Gruppen. Und: Ganz sicher beeinflussen sie sich. Denn in der Regel sind es die politischen Extremisten, die die anderen aufhetzen und zur Gewalt animieren – die aber selbst die Hände in Unschuld waschen.

Islamophobie?

Dabei ist das Ziel politischer Islamisten klar: Sie wollen, dass das isla-mische Rechtssystem, die Scharia, für alle gilt. Sie stellen ihre radikale Interpretation der Scharia über das Grundgesetz. So finden Sie in Pu-blikationen eines bekannten islamistischen Verbandes Sätze wie „Das deutsche Recht gilt für Muslime so lange, solange es dem islamischen Recht nicht widerspricht.“ Zielgruppe der Islamisten ist dabei zunächst nicht die Mehrheitsgesellschaft. Sie richten sich vielmehr an die Muslime. Zunächst wollen sie dort eine Mehrheit erlangen. Ihr Ziel sind religiöse Parallelgesellschaften, in denen ihre radikalen Regeln gelten und in denen Frauen und Andersgläubige diskriminiert werden. Und „Andersgläu-bige“ sind dabei eben auch diejenigen Muslime, die nicht den radikalen Koranauslegungen folgen. Sie sind die ersten Opfer der Islamisten. Sie sind aber auch die ersten, die gegen die Mehrheitsgesellschaft aufgehetzt werden. Oftmals merken sie dabei nicht, dass sie eigentlich nur benutzt werden für die Zwecke der Islamisten.

Dabei ist die Vorgehensweise im Übrigen immer die gleiche: Man kon-struiert einen äußeren Feind, in diesem Fall „der Westen“ und „Deutsch-land“. So wird den Muslimen suggeriert, sie würden in Deutschland als

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Muslime permanent diskriminiert. Zugleich wird jegliches Vorgehen ge-gen den Islamismus als „islamfeindlich“ oder „islamophob“ umgedeutet. Islamisten versuchen, sich so in eine Opferrolle hinein zu bringen, ob-wohl sie in Wahrheit die Täter sind.

Leider begegnen mitunter auch deutsche Politiker den Islamisten mit einem falsch verstandenen Toleranzbegriff. Toleranz wird so zu gefähr-licher Beliebigkeit. Gleiches gilt für Wissenschaftler, die versuchen, den Begriff der „Islamophobie“ immer weiter auszudehnen. Dies nutzt je-doch nur den Islamisten und dies schadet den verfassungstreuen Musli-men. Richtig ist, dass dort, wo rassistische Hetze gegen Muslime geschürt wird, diese rigoros bekämpft werden muss. Richtig ist aber auch, dass die Bekämpfung des Islamismus nicht durch den Missbrauch des Vorwurfs der Islamophobie unmöglich gemacht werden darf.

Man muss es eben so klar sagen: Es gibt in diesem Land Werte und Normen, die nicht zur Disposition stehen. Und die meisten Migranten kommen ja gerade auch aus diesem Grund zu uns. Umso erschreckender ist es, dass wir, die CDU/CSU, bis heute die einzige Fraktion sind, die das Problem des politischen Islamismus in einem eigenen Antrag behandelt hat.

Die falsche „Ehre“

Und wir sind die einzigen, die klar ausgesprochen haben, dass alle etwa im Zusammenhang mit den Rechten von Frauen und Mädchen disku-tierten Phänomene, von Zwangsheiraten über Ehrenmorde, von der Ab-meldung zum Sportunterricht bis zur Frage der Zwangsverschleierungen mit einem bestimmten Ehrbegriff zusammen hängen, der uns in der westlichen Welt sehr fremd ist. Aber nicht nur das. Die kriminologische Forschung sagt uns auch, dass die besonders hohe Gewaltbereitschaft von muslimischen Jugendlichen ebenfalls stark mit diesen Begriffen von Ehre und Männlichkeit zusammenhängen.

Dieser Ehrbegriff lässt sich nicht von alleine in unsere freiheitlich-de-mokratische Grundordnung integrieren. Dieser falsche Ehrbegriff ist es

Herausforderung politischer Extremismus

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Dr. Kristina Köhler MdB

aber, der von Islamisten ständig mittelbar oder unmittelbar propagiert und gefördert wird.

Das will Rot-Rot-Grün nicht hören, weil dort am liebsten alle Probleme – so sie überhaupt wahrgenommen werden – auf soziale Ursachen zu-rückführt werden. So einfach ist es aber nicht. Der studierende Islamist ist keine Ausnahme. Islamismus ist in allen sozialen Schichten zu fin-den. Sein Potenzial wird von Kriminologen in einer Größenordnung von zehn bis 12 Prozent der Muslime in Deutschland geschätzt, also bei rund 340.000 Personen. Alleine mit mangelnden Partizipationschancen in Deutschland ist er nicht zu erklären.

Was wir bei aller Diskussion über den Islamismus jedoch nicht vergessen dürfen: Der Islamismus ist zwar eine Spielart des Islam. Aber er ist eben nicht die einzige Spielart. Deshalb haben große Teile der muslimischen Bevölkerung in Deutschland nichts mit dem Islamismus am Hut. Und diese Menschen wollen auch gar keinen kulturellen Sonderstatus. Sie wollen sich überhaupt nicht vom Rest der Gesellschaft absondern. Son-dern sie wollen schlichtweg nur, dass sie und ihre Kinder in Deutschland eine faire Chance bekommen.

Und die müssen wir ihnen auch bieten, wenn wir nicht selbst das Heer der Islamisten auffüllen wollen. Die Unterstützung der verfassungstreu-en Muslime ist nicht nur eine demokratische Pflicht, sondern auch ein wichtiger Baustein im Kampf gegen den Islamismus.

Dr. Kristina Köhler MdB ist Berichterstatterin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

für Extremismus.

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Henrik Bröckelmann

Jeder Extremist ist Mist!Das Engagement der Jungen Union gegen Extremismus

Unter dem Motto „Jeder Extremist ist Mist“ startete die Junge Union Nordrhein-Westfalen kürzlich eine neue Kampagne, deren Slogan sym-bolhaft für das gesamte Engagement der Jungen Union gegen Extremis-mus und für Demokratie steht. Während andere ihren Einsatz „gegen rechts“ wie eine Fahne vor sich hertragen, gleichzeitig aber eng mit links-extremen Gruppen verwoben sind, beschränken wir als Junge Union un-ser Engagement eben nicht auf eine politische Richtung oder Gruppe. Für uns ist jeder, der sich gegen die Werte unseres Grundgesetzes und damit gegen Demokratie, Freiheit und Menschenwürde wendet, ein Ex-tremist, dem man sich entgegenstellen muss. Dabei ist es unwichtig, ob der Extremismus von links oder von rechts kommt. Es kommt auch nicht darauf an, ob dieser Extremismus – wie beim fundamentalistischen Islamismus – religiös motiviert ist oder ob er, wie bei der Scientology-Organisation, eine ganz neue Form des Extremismus darstellt.

Der Kampf für die Demokratie und gegen deren Feinde ist seit der Grün-dung der Jungen Union vor mehr als 60 Jahren eine wichtige Aufgabe für uns. Die Gründerväter und Gründermütter der JU, die am eigenen Leibe die ganze Unmenschlichkeit der nationalsozialistischen Diktatur erfah-ren hatten, wollten mit der Jungen Union am Neuaufbau eines demokra-tischen Deutschland mitwirken. Doch schon kurze Zeit später mussten sie mit ansehen, wie die Junge Union im östlichen Teil Deutschlands durch ein sozialistisches Regime verboten wurde. Sie mussten mit anse-hen, wie ihre Mitstreiter in der sowjetischen Besatzungszone wegen ihres JU-Engagements in Bautzen und Hohenschönhausen inhaftiert wurden. Sie mussten mit ansehen, wie im östlichen Teil Deutschlands erneut ein Staat entstand, der die Freiheit missachtete und jegliches freie politische Engagement unterdrückte. Bis zum Fall der Mauer 1989 blieb so „der Kampf um die Freiheit […] eine sinnstiftende Grundlage der Jungen

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Henrik Bröckelmann

Union“ – wie es im Leitantrag zum diesjährigen Deutschlandtag heißt.

Nachdem heute alle Deutschen in Einheit und Freiheit leben dürfen, bleibt es wichtig, diese Freiheit gegen antidemokratische Tendenzen zu verteidigen: Insbesondere junge Menschen sind weiterhin anfällig für ex-tremistische Parolen. Immer noch können rechtsextremistische Parteien – insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern – Wahlerfolge ver-buchen. Die in „Die Linke“ umbenannte SED-Fortsetzungspartei, die offen für einen Systemwechsel eintritt, konnte sich offensichtlich in Ost und West etablieren. Sie verfügt mit der „Kommunistischen Plattform“ und anderen Gliederungen über einen extremistischen Kern und arbei-tet mit weiteren linksextremistischen Gruppierungen und Parteien eng zusammen.

Gleichzeitig ist ein Anstieg der extremistischen Straftaten zu beobachten. Laut Verfassungsschutzbericht 2008 wuchs die Zahl rechtsextremistisch motivierter Straftaten1 von 2007 bis 2008 von 17.607 auf 20.422, die Zahl der linksextremistischen Straftaten stieg im selben Zeitraum von 5.866 auf 6.724. Auch die Gewaltbereitschaft der Extremisten steigt of-fensichtlich an und gibt Anlass zur Sorge: So lag die Zahl rechtsextre-mistischer Gewalttaten 2008 bei 1.113, linksextremistische Gewalttaten gab es 1.188. Diese zunehmende Gewaltbereitschaft konnte man bei den durch linksextremistische autonome Gruppen verursachten gewalttä-tigen Protesten aus Anlass des G8-Gipfels in Heiligendamm ebenso be-obachten wie bei den Ausschreitungen rechts- und linksextremistischer Gruppen rund um den 1. Mai in Berlin, Hamburg, Dortmund und an-derswo. Auch neue Phänomene des politischen Extremismus wie der islamistische Fundamentalismus machen es nötig, wachsam zu bleiben. Deshalb ist es für die Junge Union als die politische Jugendorganisation der Mitte nach wie vor wichtig, sich vehement für Demokratie und gegen Extremismus zu engagieren.

Im Jahr 2005 hat der JU-Bundesvorstand bei einer Sitzung in Krakau da-her „Grundlagen der Jungen Union zum Umgang mit Links- und Rechts-extremismus“ beschlossen. Zuvor hatten die Mitglieder des Bundesvor-standes gemeinsam mit Überlebenden und Jugendlichen aus zahlreichen

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Ländern am „March of the living“ aus Anlass des sechzigsten Jahres-tages der Befreiung der Konzentrationslager sowie des Kriegsendes teil-genommen. So wird auch symbolisch deutlich, aus welcher historischen Verpflichtung heraus, sich die Junge Union der Bekämpfung des Extre-mismus stellt. Zusammen mit den wesentlichen Leitlinien dieses Papiers sollen im Folgenden die Aktionen und Kampagnen der Jungen Union gegen Extremismus vorgestellt werden, aber ebenso möglicher Nachbes-serungsbedarf aufgezeigt werden.2

Eine hohe Priorität misst der Bundesvorstand der politischen Bildung zu. Wenn das Grundgesetz von den Parteien in Artikel 21 einfordert, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, dann gehört dazu eben auch, dass die Parteien vermitteln, was hinter den Grund-werten unseres Gemeinwesens steht und wie unser politisches System funktioniert. Auf diesem Feld ist die Junge Union tagtäglich aktiv. Die vielen Informations- und Diskussionsveranstaltungen auf allen JU-Ebe-nen, die Bildungsprogramme der Landesverbände, die verschiedenen JU-Sommer-Universitäten, die Besuche in Rats- und Kreistagssitzungen, das Ergreifen von kommunalpolitischen Initiativen, das Engagement im Wahlkampf und viele andere JU-Aktionen tragen dazu bei, dass Mit-glieder und Interessierte mehr über unser politisches System erfahren. Ganz nebenbei werden dabei auch noch viele soziale Kompetenzen ver-mittelt. Das stärkt die Verbindung zu unserer Demokratie und macht weniger anfällig für extremistische Tendenzen. Immer wieder gibt es auch Seminare, Veranstaltungen und Kongresse, die sich explizit mit den Zielen und der Bekämpfung von extremistischen Bewegungen auseinan-dersetzen. Bei JU-Fahrten nach Berlin gehören Besuche der Gedenkstät-te Hohenschönhausen, der Ausstellung „Topographie des Terrors“ und des Holocaust-Mahnmals zum Standardprogramm. So wird Geschich-te am Ort des Geschehens greifbar und die Verantwortung, die daraus für unsere Generation erwächst, deutlich. Denn es gilt gerade auch für die Junge Union, was Helmut Kohl jungen Menschen immer wieder mit auf den Weg gibt: „Ein Volk, das seine Geschichte nicht kennt, kann die Gegenwart nicht begreifen und die Zukunft nicht gestalten“. Nicht zuletzt sind auch die inhaltlichen Beratungen von Anträgen im Vorfeld von Deutschlandtagen, Landestagen, Bezirkstagen und Kreisversamm-

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lungen, bei denen sich in der Summe viele tausend Mitglieder mit den verschiedenen Themen auseinandersetzen, politische Bildung pur.

Dennoch müssen wir uns fragen, wie es um die Grundlagenbildung un-serer Mitglieder steht? Unsere Mitglieder müssen Begriffe wie den der „Sozialen Marktwirtschaft“, des „christlichen Menschenbildes“ und des „demokratischen Verfassungsstaates“ verstehen, ehe sie damit umgehen und sie in Diskussionen vertreten können. Denn nur wer weiß, worüber er spricht, kann den populistischen Parolen der Extremisten und dem politischen Gegner Paroli bieten. Hier besteht sowohl in der JU als auch in der gesamten Union Handlungsbedarf. Zusammen mit den Trägern der politischen Bildungsarbeit, wie der Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. und der Hanns-Seidel-Stiftung e.V., müssen Programme entwickelt wer-den, die die Grundlagenbildung unserer Mitglieder verbessern. Dabei müssen besonders diejenigen Mitglieder ins Blickfeld genommen wer-den, die durch die vorhandenen Angebote nicht erreicht werden. Flä-chendeckende Neumitgliederseminare, wie sie in einigen Kreisverbän-den bereits angeboten werden, wären hier ein möglicher Weg. Die Nach-wuchsförderprogramme in den einzelnen Landesverbänden der CDU sind ebenso ein erster Schritt in die richtige Richtung. Hier dürfen jedoch nicht nur reine „Techniken“ wie Rhetorik und Pressearbeit vermittelt werden. Den inhaltlichen Grundlagen unserer christdemokratischen Po-litik muss ein ebenso hoher Stellenwert zugemessen werden.

Politische und vor allem auch die ökonomische Bildung der JU-Mitglieder sind die Voraussetzung für einen weiteren Schwerpunkt, den das Grund-satzpapier von 2005 nennt: Die Debatte um die richtige Wirtschaftsord-nung, welche gerade in der derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise eine wichtige Rolle spielt. Dabei gilt es für die Union, die Soziale Marktwirt-schaft offensiv als die richtige Wirtschaftsordnung zu vertreten und nicht zu schweigen, wenn Extremisten von links und rechts versuchen, immer wieder Globalisierung und Marktwirtschaft für alles Übel verantwortlich zu machen. Denn: Alle geschichtlichen Beispiele sprechen dafür, dass nicht sozialistische und staatswirtschaftliche sondern nur marktwirt-schaftliche Wirtschaftssysteme Arbeit und Wohlstand auf Dauer ga-rantieren. Dabei ist es kontraproduktiv wenn Unionspolitiker, statt sich

Henrik Bröckelmann

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eindeutig zu einem marktwirtschaftlichen System mit klarem Ordnungs-rahmen zu bekennen, den „Neoliberalismus“ verteufeln. Vielmehr gilt es, die Fahne der Sozialen Marktwirtschaft hochzuhalten. Ebenso ist es kontraproduktiv wenn ein unionsnaher Bildungsträger ein Seminar mit dem Titel „Sind wir machtlos gegen die Globalisierung?“ anbietet und damit suggeriert, die Globalisierung sei vor allem ein Risiko, statt deut-lich die Chancen der Globalisierung herauszustellen. Die Junge Union hat in der Vergangenheit innerhalb der Union immer in der ersten Reihe gestanden, wenn es darum ging, die Soziale Marktwirtschaft zu vertei-digen. Sie wird dies auch künftig tun. Doch damit das auch in Zukunft so bleiben kann, ist es wichtig, dass unsere Mitglieder über die Soziale Marktwirtschaft und über die Globalisierung weitergebildet werden. Wir spielen den Extremisten – von links und von rechts – in die Hände, wenn wir ihnen die Deutungshoheit über die Globalisierung und die Markt-wirtschaft überlassen.

Zu überlegen bleibt auch, wie man als Junge Union diejenigen Jugend-lichen erreicht, die mit der (etablierten) Politik nicht viel am Hut ha-ben und die vielleicht gerade deshalb anfällig sind für Extremisten und Populisten? Hier setzt das Grundlagenpapier auf gezielte Aktionen und Kampagnen gegen den politischen Extremismus. So wird vorgeschlagen, mit Multimedia-CDs für die Demokratie zu werben und gezielte Kam-pagnen gegen Extremismus zu führen. Dies tut die Junge Union immer wieder: Beispielsweise mit der Kampagne „Mensch wach auf! – Gemein-sam gegen Gewalt.“, bei der JUler vor einigen Jahren auf Plakaten gegen Gewalt protestierten. Seit einigen Jahren läuft die Kampagne „Dabei! – Demokratisch, aktiv, begeistert, engagiert, interessiert“, die vor allem in den ostdeutschen Bundesländern für Demokratie und gegen Extre-mismus wirbt (www.aktion-dabei.de). Als Antwort auf die Schulhof-CDs mit Liedern der rechtsextremistischen NPD verteilt die Thüringer JU unter dem Motto „Thüringer Mitte“ eine CD mit Musik von Thürin-ger Bands (www.thueringer-mitte.de) an den Schulen. Als prominenter Mitstreiter konnte der ehemalige Rodelweltmeister David Möller, selbst JU-Mitglied, für diese Aktion gewonnen werden. Mit Hilfe von Musik wirbt auch der Landesverband Sachsen-Anhalt zusammen mit der der Band „Die Doktoren“ für ihre Initiative „JU für Toleranz“. Auch die all-

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jährlichen bundesweiten Proteste vor den Parteizentralen der SED-Fort-setzungspartei „Die Linke“ zum Jahrestag des Mauerbaus am 13. August bleiben wichtig, um jedes Jahr wieder deutlich zu machen, dass diese Partei eben keine Partei ist, die auf dem Boden des Grundgesetzes steht. Bekanntermaßen hat sich „Die Linke“ bisher nicht von ihrer Geschichte distanziert und strebt offen den „Systemwechsel“ an. Bei all diesen Ak-tivitäten darf es jedoch nicht nur bei öffentlichkeitswirksamen Aktionen bleiben. Es ist wichtig, dass diese auch inhaltlich „unterfüttert“ werden. Nur, wenn wir die Extremisten inhaltlich entlarven können, werden wir Erfolg haben. Daher sollten im Rahmen der Kampagnen den Mitglie-dern vor Ort immer wieder Argumentationshilfen und Flugblätter gegen Standardfloskeln und populistische Forderungen der Extremisten zur Verfügung gestellt werden.

Neben der christlich-sozialen und der liberalen stellt die konservative Wurzel eine gleichberechtigte Wurzel der Union dar. Daher müssen Konservative auch künftig eine Heimat in CDU und CSU haben. Was für Franz Josef Strauß galt, gilt heute, da links von der Sozialdemokra-tie eine weitere linke Partei entstanden ist, umsomehr: „Rechts von der Union darf es keine demokratisch legitimierte Partei geben!“ Ein Thema wie die Ablehnung des EU-Beitritts der Türkei durch die weit überwie-gende Mehrheit der Bevölkerung darf daher kein Tabu sein und muss offensiv angesprochen werden. Gleichfalls dürfen Begriffe wie „Nation“ und „Heimat“ nicht den rechtsextremen Kräften überlassen werden. Im Sinne eines gesunden Patriotismus sollten wir uns – auch abseits von Fußballweltmeisterschaften – verantwortungsvoll zu nationalen Sym-bolen (Flagge, Hymne, Gedenk- und Feiertage, Denkmale) bekennen und diese positiv besetzen. Das Bekenntnis zu einer deutschen Leitkul-tur war und ist für die Junge Union ein wichtiger Bestandteil der Uni-onsprogrammatik, welches sich nicht nur in Lippenbekenntnissen auf Parteitagen erschöpfen darf.

Gleichzeitig ist aber auch ganz klar, dass rechtsextremistische, rechtsradi-kale, ausländerfeindliche oder antisemitische Auffassungen in der Union keinen Platz haben. Mit Gruppen, die diese Meinungen vertreten darf es keinerlei Zusammenarbeit geben. Im Gegensatz zu Jusos und Co. ist

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das Verhalten der Jungen Union ganz eindeutig: CDU und Junge Union haben starke konservative Elemente. Doch wo es in den Extremismus abgleitet, da ist Endstation! Sobald jemand innerhalb des Verbandes mit extremistischen Äußerungen oder Verhalten auffällig wird, werden kla-re Konsequenzen bis hin zum Ausschlussverfahren gezogen. Dass ein Bundesvorsitzender im Amt bleibt, der Mitglied in einer extremistischen Organisation war, wäre bei der Jungen Union undenkbar. Anders bei den Jusos: Hier konnte sich die Vorsitzende, Franziska Drohsel, die Mitglied in dem vom Verfassungsschutz beobachteten Verein „Rote Hilfe“ war, durch einen Austritt aus diesem Verein trotzdem im Amt halten.

Die deutsch-israelische Freundschaft, die transatlantische Partnerschaft und die europäische Idee gehören zur deutschen Staatsräson und sind vielen JU-Mitgliedern ein Herzensanliegen. Antisemitismus, Antiameri-kanismus und antieuropäische Ressentiments, wie sie sowohl bei Rechts-extremisten als auch bei Linksextremisten zu finden sind, haben in der Jungen Union daher keinen Platz.

Ebenso lehnt die Junge Union eine Zusammenarbeit mit NPD, DVU und anderen rechtsextremistischen Gruppierungen ab. Es darf keine Zusammenarbeit mit linksextremistischen Organisationen wie [‘solid], Antifa und VVN/BdA geben, auch beim Kampf gegen den Rechtsex-tremismus. Denn Extremisten kann man nicht mithilfe von Extremisten bekämpfen. So wird die Junge Union auch künftig nicht die Stimme da-für erheben, dass die Linksjugend [‘solid], welche vom Verfassungsschutz beobachtet wird, in den Ring Politischer Jugend aufgenommen wird.

Wenn es zu gemeinsamen Demonstrationsaufrufen oder Erklärungen von Junger Union oder anderen Unionsgliederungen gegen Extremis-mus kommt sind die folgenden Maßgaben einzuhalten: Es dürfen keine Extremisten beteiligt sein. Die Erklärungen dürfen sich nicht pauschal „gegen rechts“ wenden, sondern explizit gegen (Links- oder Rechts-)Ex-tremismus. Jede Form von Gewalt muss verurteilt und nicht bestimmte Gewaltopfer (beispielsweise von „rechter“ Gewalt) gegenüber anderen Gewaltopfern privilegiert genannt werden. Zu guter Letzt müssen kla-re Begriffe wie Nationalsozialismus und Rechts- bzw. Linksextremismus

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Herausforderung politischer Extremismus

statt politisch einseitigen und unscharfen Begriffen wie (Faschismus/Antifaschismus) verwandt werden. Wenn diese Punkte nicht erfüllt sind, sollten sich Unionsgliederungen nicht an derartigen Aktivitäten beteili-gen. Statt sich durch einzelne (extremistische Gruppen) instrumentalisie-ren zu lassen, sollte der eigene Standpunkt durch eigene Aktionen klar gemacht.

Das Krakauer Grundsatzpapier der JU schließt mit dem Appell an die gesamte Union, ihre Verantwortung in der Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus wahrzunehmen und nicht der politischen Lin-ken die Deutungshoheit zu überlassen. Es muss immer klar sein: CDU und CSU stehen gegen jegliche Feinde unserer Verfassung. Dies wird gerade die Junge Union immer wieder einfordern und – wie auf dem diesjährigen Deutschlandtag in Münster – durch konkrete Forderungen zur Bekämpfung des Extremismus durch Politik und Gesellschaft unter-mauern. Für die Junge Union gilt auch in Zukunft: Jeder Extremist ist Mist!

Henrik Bröckelmann ist Beisitzer im Bundesvorstand der Jungen Union und Vorsit-

zender der Kommission Gesellschaftspolitik.

1 Die Zahl rechtsextremistischer Gewalttaten umfasst auch die so genannten Propagandadelikte (also etwa das Verbreiten nationalsozialistischer Schriften oder die Verwendung nationalsozialistischer Symbole) für die es kein links- extremistisches Pendant gibt. 2 In diesem Artikel soll es vor allem darum gehen, was Junge Union und CDU/CSU ganz konkret (politische Bildung, Mitgliederschulung) tun und noch tun können, um Links- und Rechtsextremismus zu bekämpfen. Natürlich macht die Junge Union auch immer wieder Vorschläge dazu, wie die Gesamtgesellschaft dem Extremismus begegnen kann. Hierzu sei jedoch nicht zuletzt auf den Leitantrag zum diesjährigen Deutschlandtag verwiesen. Auch das Engagement der JU gegen die verfassungsfeindliche Scientology-Organisation und die Auseinandersetzung mit dem islamistischen Fundamentalismus sollen hier außen vor bleiben.

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