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L. H ermann: Hat das magnet. Feld directe physiologischc Wirkungeu? 217 (Aus dem physiologischen lnsLitu™zu KSnigsberg i. Pr.) tIat das magnetische Feld directe physiologische Wirkungen ? Yon L. Hermann. Zu wjederholten Malen habe ich sowohl in Ztirich als hier in KSnigsberg Versuche iiber das Verhalten thieriseher Theile ira magnetisehen Felde angestellt, und dieselben neuerdings zu einem gewissen Absehluss gebraeht. Bel dem durehaus negativen Re- sultate dieser Versuehe wtirde ieh kaum Anlass haben, iiber die- selben zu beriehten, wenn nieht eine gewisse neuerdings sieh her- vordrangende medieinische Riehtung es wUnsehenswerth erseheinen liesse. 1. Friihere Versuche. Zuniichst stelle ich die mir bekannt gewordenen i~lteren Ver- suche dieses Gebietes zusammen. Was zuniichst das magnetische Voe thierischer Theile betrifft, so fand bekanntlich Faradayl), dass rothes Muskelfleiseh diamagnetisch ist. Bestiitigt wurde diese Beobaehtung u. A. fUr das lebende Thier von E. Brunner Sohn 2) und ftlr fiber- lebende Muskeln von du Bois-ReymondB). Dass dieser Dia- magnetismus nieht allein vom Wassergehalt des Fleisches herrtihrt (Wasser ist diamagnetiseh), ist von Faraday und ktirzlieh von Kohlrauseh 4) gezeigt worden, welehe aueh troekene Muskelsub- 1) Experimental Researches, Ser. 20, w 2280, 2285. Poggend. Annalen. Bd. 69, S. 299, 301. 1846. 2) Mitth. d. naturL Ges. zu Bern 1847, S. 81. (Nach Fortschr. der Physik III, S. 446 f.) 3) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867, S. 496. (Ges. Abhandl. II, S. 297.) 4) Sitzungsber. d. Wiirzburger phys.-med. Ges. 1887, 31. Jan.

Hat das magnetische Feld directe physiologische Wirkungen?

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L. H e r m a n n : Hat das magnet. Feld directe physiologischc Wirkungeu? 217

(Aus dem physiologischen lnsLitu™ zu KSnigsberg i. Pr.)

t I a t da s m a g n e t i s c h e F e l d d i r e c t e p h y s i o l o g i s c h e

W i r k u n g e n ?

Yon

L. H e r m a n n .

Zu wjederholten Malen habe ich sowohl in Ztirich als hier in KSnigsberg Versuche iiber das Verhalten thieriseher Theile ira magnetisehen Felde angestellt, und dieselben neuerdings zu einem gewissen Absehluss gebraeht. Bel dem durehaus negativen Re- sultate dieser Versuehe wtirde ieh kaum Anlass haben, iiber die- selben zu beriehten, wenn nieht eine gewisse neuerdings sieh her- vordrangende medieinische Riehtung es wUnsehenswerth erseheinen liesse.

1. Friihere Versuche.

Zuniichst stelle ich die mir bekannt gewordenen i~lteren Ver- suche dieses Gebietes zusammen.

Was zuniichst das magnetische Vœ thierischer Theile betrifft, so fand bekanntlich F a r a d a y l ) , dass rothes Muskelfleiseh d i a m a g n e t i s c h ist. Bestiitigt wurde diese Beobaehtung u. A. fUr das lebende Thier von E. B r u n n e r Sohn 2) und ftlr fiber- lebende Muskeln von du Bois-ReymondB). Dass dieser Dia- magnetismus nieht allein vom Wassergehalt des Fleisches herrtihrt (Wasser ist diamagnetiseh), ist von F a r a d a y und ktirzlieh von K o h l r a u s e h 4) gezeigt worden, welehe aueh troekene Muskelsub-

1) Experimental Researches, Ser. 20, w 2280, 2285. Poggend. Annalen. Bd. 69, S. 299, 301. 1846.

2) Mitth. d. naturL Ges. zu Bern 1847, S. 81. (Nach Fortschr. der Physik III, S. 446 f.)

3) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867, S. 496. (Ges. Abhandl. II, S. 297.) 4) Sitzungsber. d. Wiirzburger phys.-med. Ges. 1887, 31. Jan.

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stanz schwach diamagnetisch fhnden, so dass sic zwischcn den Polen eines starken Electromagneten sich ~iquatorial einstellt. Die diamagnetische Wirkung thierischer Theile l~isst sich auch dru'ch die Abstossung sehr empfindlicher Magnete nachweisen. Auf die- sera Wegœ fand K o h l r a u s c h , dass auch die Hand des lcbenden Menschen diamagnetisch ist. Ferner ist noch die Beobachtung von P l i icker 1) zu erwahnen, dass ira Blute des Menschen, des Ochsen, der Fische etc. die K(irperchen sich von rien Magnet- polen zurtickziehen, also trotz ihres Eisengehalts noch diamagne- tiseher sind als das umgebende Serum; ebenso verhalten sich dit Milchkiiffelchen. -- Man sieht, dass die ma gnetischen Eigenschaften der thierischen Theile geringftigig und nicht wesentlich von denen des Wassers einerseits, und unzKhliger troekner Snbstanzen (Zucker, St~irke, Gummi, Holz, Brod etc.) andrerseits, verschieden sind.

Eine Reihe anderer Versuehe betrifft die Frage, oh das mag- netische Feld irgendwelche nachweisbaren inneren Erscheinung'cn in thierischen Gebilden zut Fo]ge habe. E m p f i n d u n g e n sind im magnetischen Felde meines Wissens nie beobachtct worden, wenn man von den confusen Erzahlungen der Magnetiseure altcr und neuester Schule absieht, welche tiberdies gr~isstentheils nur ganz schwache Magnete zur Verftigung hatten. Den zahlreichen Physikern, welche mit den allerst~irksten Electromagneten jahrc- lang Untersuchungen ausgeftihrt haben, den F af a d ay, P o u i 11 e t, P l t i c k e r u. A. wtirden sensitive Wirkungen des Magneten, wenn sie existirten, nicht entgangen sein. Be w e g u n g e n glaubte. F. W. H e i d e n r e i c h 2) durch dcn Magneten erhalten zu haben, n~mlich Zuckungen, sobald er zwischen die ungleichnamigen Pole zweier Stahlmagnete den Nerven eines Priiparates einsehaltete und dann dureh Anftiffen eines Eisenstticks an die abgewandten Pole die magnetische Kette schloss. Ohne Zweifel waren Ungleich- artigkeiten der Metalle die Ursache, wie du B o i s - R e y m o n d in seincm Berichte hervorhebt. Noch che F a r ad ay a) nachgcwiesen hatte, dass dit N~iherung', oder Herstellung eines Mag'netpols auf feuchte Leiter ebenso inducirend wirkt wie auf metallische, stellte

1) Poggend. Ann. Bd. 73, S. 575 f. 1848. 2) Die physiologische Induction, ein Beitrag zur medicinischen and

Nerven-Physik. Ansbach 1846. (Nach dem Bericht• d u B o i s - R e y m o n d's in Fortschr. d. Physik III, S. 448.)

3) Poggend. Ann. Bd. 92, S. 299. 1854.

Ilat das magnctische Feld directe physiologische Wirkungen ? 219

d u B o i s- R e y m o n d 1) aus einem Nerven einen Stromkreis zwischen den Polen eines Eleetromagneten her, und vcrsuchte, ob bei Schlies- sung odcr Oeffnung des magnetisirenden Stromes Zuckung eintrat. Dies war nicht der Fall. du B o i s - R e y m o n d erkl~rte sieh dies daraus, dass der Widerstand jenes Stromkreises zu gross war, um der winzigen electromotorischen Kraft, welche die Induction in einer einzigen Windnng hervorbringt, eine Erregung zu gcstatten. Die Gr~sse der in feuchten Leitern inducirten Kraft mass ich s e l b s t 2) zum ersten MMe 1S71, und fand sie genau gleieh der- jenigen in metallischen Leitern von gleicher Windungszahl. Trotz- dem erscheint es fraglich, ob der Misserfolg ira du Bois'sehcn u allein vom Widerstand herr~hrte (s. unten). -- Von son- stigen Versuchen ~hnlieher Art ist mir nur noeh ein solcher von M 'Kcndr i ck 3) bekannt geworden. Er beobaehtete beim Schlicssen und Oeffnen des Stromes eines grossen Electromagneten Zuckungen in cinem Pr~parat, dessen Nerv beide Pole leitend vcrband; die Fehlcrquclle H e i d e n r e i c h ' s (s. oben) war hier ausgeschlossen, da die Zuckungen erst bei Herstellung des Magnetismus auftraten. Die Controlversuche sind ziemlieh unverst~ndlieh mitgetheilt; je- doch seheint aus ihnen hcrvorzugehen, dass nicht, wie Vf. annimmt, Induetionen auf den Nerven, sondern Stromschleifen des magneti- sirenden Stromes die Ursache waren. Aehnlich verhielt es sich mit scheinbaren Errcgbarkeits~nderungen des Nervcn durch den Magnetismus.

Die letzte hier zu erw~hnende Reihe von Bem[ihungen betrifft die Beziehung des magnetisehen Feldes zu den E i g e n s t r 5 m c n t h i e- r i s ehe r Gebi lde . E. B r u n n e r und de la Rive (vgl. oben S. 217) sehlossen aus der Abstossung eines lest eingebundenen lebenden Frosches seitens der Magnetpole, dass ira lebenden Thiere keine Str~me kreisen, oder dercn Wirkungen nach aussen sich aufheben. Dieser Sehluss ist offenb'~r unzul~ssig; die Str~�8 k0nnten in kleinen mannigfach orientirten Kreisen verlaufcn, oder ihre pon- de�9 Kraft ira Ve�9 zur diamagnctischen Richtkraft verschwinden. Ungleich gtinstiger war fur solche Wirkungen die Anordnung du B o i s - R e y m o n d ' s (a. a. 0). Dieser versuchte, ob

1) Arch. f. Anat. u. Physiol. 1867, S. 496. ((]es. Abh. II~ S. 2970 2) Poggend. Ann. Bd. 142, S. 586. 1871. 3) Journal of anat. and physiol. XIII, p. 219. 1879.

220 L. H e r m a n n :

ein zum Kreis gebogener angeschnittener Muskel, dnrch welchen also ein Demarcationsstrom kreiste, ira magnetischen Felde aufgehiingt sich dem electrodynamischen Gesetze entsprechend einstellte; es zeigte sieh aber nur diamagnetische Einstellung. Genaueres liber dieAnordnungis t nieht angegeben. - - I c h s e l b s t 1) versuchte, ob ein ira magnetischen Felde befindlieher Nerv etwa electrotonische Erscheinungen zeige, wie sic denkbar waren, wenn der Nerv, der Moleculartheorie entsprechend, drehbare Stromkreisehen enthielte, auf welche eine electrodynamische Riehtkraft stattfinden kiJnnte. Das Resultat war ein negatives. -- Hier reiht sich am besten der Versuch von R e i n k e 2) an, dureh die Richtkraft des magnetischen Feldes zu entscheiden, ob der Protoplasmastr5mung in isolirten Charazellen u. dgly geschlossene Stromkreise zu GruMe licgen. Aueh diese Versuehe fielen negativ aus3). Uebrigens hatte, was R e i n k e entgangen zu sein seheint, schon 1846 D u t r o c h e t mit einem enorm starken Electromag'neten keine Einwirkung auf die Saftbewegung der Chara wahrnehmen kSnnen4).

Schliesslich sei der Vollst~tndigkeit halber noch erw~thnt, dass H e i d e n r e i c h (s. oben) thierische Glieder e l e c t r o m a g n e t i s e h machen zu kSnnen glaubte, indem er die mag'netische Wirkung eines durchstrSmten Solenoids griisser werden sah, sobald ein Fin- ger Mer Arm den Keru bildete, als wenn sic leer waren. Die wahrscheinlichen Fehlerquellen dieser Versuche wurden vos du B o i s - R e y m o n d in seinem Beriehte (a. a. 0.) aufgedeckt. Auch Sc h i f f 5) hat thierische Glieder und ganze Thiere in Drahtspiralen gesteekt, aber, abgesehen von einigen dunklen therapeutischen Effecten, bel welchen der Zufall nicht ausgeschlossen scheint, keine Wirkungen beobachtet.

Trotz vielfacher Bemiihungen ist also bisher, ausser dem Dia-

1) Dies Arch. Bd. 6, S. 335. 1872. 2) Dies Arch. Bd. 97, S. 140. 1882. 3) Der vom Verf. gezogene Sehlu™ schcint mir iibrigcns fiir dic von

ihm gestellte Frage nieht vSllig begriindct; denu es wiiren sehr wohl wirk- saine Str5me von solcher Anordnung denkbar, dass ihre Wirkung naeh aussen sich aufhcbt, ebenso ~]so Aussenwirkungen auf sic.

4) Vgl. Poggend. Ann. Bd. 69, S. 80. (Comptes rendus, Bd. 92, S. 621.) 1846.

5) Arch. des sciences phys. et ilat. 3. S› ], S. 226. 1879.

Hat dus magnetischc Feld clirccte physiologischc Wirkungen? 221

magnetismus dœ thierischcn Bcstandthcile, keine einzige sichere Wirkung des Magneten auf lebendc Gebilde, ja tiberhaupt kcine electrodynamische oder inductive Fernwirkung des Stromes auf diesclben festgestellt worden.

2. Eigene Versn•he. a. V e r s u c h e t ibcr B e w e g u n g e n , E m p f i n d u n g e n u. dgl.

Fragen wir uns, welche Wirkungen des magnetischen Feldes tiberhaupt a priori der~kbar erscheinen, so sind zun~,tchst die electro- dynamischcn und die inductivcn ira œ Sinne ins Auge zu fasscn. Enthiilt der Organismus durchstri3mte Leiter, so kann das magnctische Fcld auf dicselben aine Richtkraft austiben, und sic nach Massgabe ihrœ Beweglichkeit gesetzmiissig einstellen. Zwei- tens kann das Entstehcu oder Vcrgehen, oder die Bewegung des magnetischen Feldes in den thierischen Leitcrn electromoto- rische Kr~fte induciren und so zu Str0men und Stromwirkuu- gen Anlass geben. Wirkungen der ersteren Art wUrden mit eincr mehr permanenten Zustandshnderung, z. B. Erregbarkcitsi~nderungen, elcctromotorischen Wirkungeu oder Modificationen vorhandencr sol- cher, Ver~ndœ vorhandener regelmi~ssiger Bewegungen, an- daucrnden Empfindungen,- letztere dagegen mit momentanen Er- seheinungen wie Zuckungœ Empfindungen, Stromesschwankungen oder Momentanstr0men verbunden sein ki)nnen.

Um diese Mi)glichkeiten systematisch durchzuprUfen, unter- warf ich zun~chst Muskcln und Nc�9 der Einwirkung des mag- nctischen Feldes. Dus Institut besitzt einen grossen Electromag- netcn von der Ru h m ko r ff'schen Construction; der erforderliche Strom wurde in meinen frtiheren Versuchen von vier grossen B un- s en'schen Elementen, ncuerdings von einer Sic m e n s'schen Dyna- momaschine geliefert. Der Magnet zeigt zwischen geeigncten Pol- schuhen sehr schi3n den Diamagnetismus der Flamme.

Die Eisenkerne dieser Electromagnete sind bekanntlich hohl (zu optischen Versuchen). Es wurde nun in das eine Polende ein Kork fest eingeschoben, welcher von zwei Dri~hten durchbohrt war. Dcr cinq endete mit einem kriiftigen Hakcn, an welchem der Muskel befcstigt werden konnte, dcr andere mit einem feinen Draht zut Verbindung mit dem unteren Muskclende. RUckwi~rts gingen beide Dr~hte durch dan Kanal des Eisenkerns hindurch zu einem du Bois'schen Schltissel mit Inductorium. Ein Gastro-

222 L. IIerm~~nn:

cnemius wurde ara Hakcn befcstigt, and an dessen Sehne ein Faden befcstifft, welcher durch den Kanal des gegcntiberstchcnden Eiscn- kerns hindurch zu cintre horizontal wirkenden Schreibhcbcl fiihrte. Nach Befestigung aller Theile konnten b• Eisenkernœ einander nach Belieben, bis zut Bertihrung, gcnithert werden; ira letztcren Falle schwebte der Muskel axial ausgcspannt in einem eisernen Kanal; bai grSsserem Abstande der Pole befand er sich in dcr Axe des maffnetischen Feldes.

Es wurden nun folg'ende Versnche angestellt: 1. Aufsuchunff der Reizschwelle ftir einzelne Inductionsstr(ime ohne und mit Mag- netismus. 2. Aufschrcibcn submaximalcr Inductionszuckungcn bei gleichbleibendœ Rollenabstande mit and ohne Magnetismus (durch eine Reizuhr oder cin Metronom rcgelm~issig ausg'eliistœ Zuckungcn auf sehr langsam rotirenden Cylinder aufgesehrieben). 3. Auf- schrciben von Zuckungscurven (grosse Umdrehungsffeschwindiffkeit des Cylinders) wie bei 2. 4. Aufsuchung dcr l(eizschwelle ftir tetanisircnde Inductionsstriime. 5. Aufschreiben der Tetanuscurve mit und ohne Magnetismus.

Das einfache Resultat aller diescr sehr hiiafig wicderholten Versuche ist, dass der Magnetismus ohne die mindcstc Einwirkung auf die angeftihrten Leistungen des Muskels ist, mag der Muskel in der Axe des Magneten stecken, oder ira maguetischen Fcldc axial schwœ

Kleine vermeintliche Einwirkungcn der tterstœ and Be- seitigung des Mag'netismus sind sehr leicht als Tauschungen durch die mit diesen Vorg:~ingen h~ufig verhundene Erschlitterung des ganzen Apparates zu erkennen. Sie zeigen sich ganz œ wenn man den magnetisirenden Strom schliesst, w:” der Muskel ohne .jedœ Reizung einfach eine Abscissenaxe schreibt.

Genau dieselben Resultate erhalt man bei i n d i r e c t e r Rei- zung. Es geni|gt hierzu vollkommen, dem Muskel (Gastrocnemius) seinen Nerven zu belassen and densœ ihm longitudinal anzu* legen. Man kommt jetzt mit sehr riel schwiicheren Reizstriimen ans, weil der Nerv in gleicher Dichte wie dœ Muskel durchfiossen wird, aber riel crregbarer als dieser ist. Die so erzeugten sub- maximalen Erregungen dtirfen also als rein indirecte betrachtet werden. Die mitgctheilten Rœ beweisen demnach, dass der Magnetismus, axiale Lage der Organe vorausgesetzt, ohne jeden Einfiuss ist: 1. auf die Erregbarkeit des Muskels and Nerven,

Hat das magnetischœ Feld directe physiologische Wirkungen ? 223

2. auf den zeitlichen Verlauf der Erregung und der Contraction, 3. auf die Griisse and die Supcrpositionsgesetze der letzteren, 4. auf die Ermtidung (in den Zuckungsrcihen und dem Tctanus).

Bei don Versuchen mit Ncrven zeigt sich sotbrt eine Fehler- quelle: welche ebcnsolcicht zu erkenncn wie zu vermeiden ist. Man sieht niimlich zuwcilen durch Sehluss oder Ocffnung des mag- netisirendcn Stromcs, oder auch gœ wiihrend des Ge- schlossenseins, Zuckungen auftrctœ Dicselben rtihren ausschlicss- lich von dcr inducircnden Wirkung des Magneten auf die secund~tre Spirale des ]nductionsapparatcs hcr, welchc weniger durch das Entstchcn und Schwindcn des Magnetismus (s. unten) als durch die mit diescn Actcn verbundenc Erschtitterung und das auch w~th- rend des Schlusses oft vorhandcne Riitteln bcwirkt wird. Diese Zuckungen treten erstcns nie ein, wcnn der du Bois'sche Schltissel geschlosscn ist, zwcitcns bleiben sic aus, wcnn der lnductions- apparat mSglichst entfcrnt and mit seincr Axe scnkrccht zu der- jcnigen dcs grossen Magneten aufg'este]lt ist. Letzteres sind daher empfehlenswerthe Vorsichtsmassregeln.

Ans dem cben Gesagten geht herver, dass weder das Ent- stehen oder Schwinden des Magnctismus, noch das RUtteln des Magneten jemals die thierischen Theile direct errcgt, axialc Lagc vorausgesetzt.

Allœ was ftir axiale Lage des Muskels and :Nerven angegcben ist, gilt nun auch ftir die ~quatorialc Lage. Der Muskel wurdc mit odcr ohnc Nerv (s. oben) quer zwischen den Polen horizontal ausge- spannt, und mit demselben Schreibhebel wie in den bisherigcn Versuchen verbunden. (Nattirlich h~tte hier der Muskel auch ver- tical aufgeh~ingt and mit einem gewShnlichen Schreibhebel ver- bundcn werden kSnnœ Alle bisher mitgetheilten Versuchc wnr- dcn auch in dieser Lage mit demselben Erfolge wiedcrholt, and zwar bel verschiedencr Gcstalt der Pole. Dieselben bcstanden bald ans breiten kurzen Cylindern, deren ebenc Endfi~ichen (von 56 mm Durchmesser) einander so nahe gegeniiberstandcn, dass nur ftir den Muskel Raum blieb, bald ans konischen Zapfen mit abge- rundeten Spitzen.

Ich schliesse hier noch kurz einige andere Versuchsreihen, deren Erfolg durchgiingig negativ war, an. Zwischen den Polen des Electromagncten wurde durch Einzw~ngen eines Korkes mit weite�9 Bohrung oin Objecttischchen gebildct, auf das ein schmalœ

224 L. t t e r m a n n :

Glasstreifen als Objecttr~iger gelegt werden konnte. Ein Schi e ck'- sches Mikroskop, dessen Tisch entfcrnt wurde, konnte schr passend so angebracht werden, dass sein Spiegel das Object beleuchtete, und der Tubus mit seinem ziemlich cylindrischen Objectiv in dan interpolarraum hineinragtc. F limm e r b e we gu n g vom Frosehrachen, sowohl ira Zusammenhang des Epithels als an isolirten Flimmer- zellen, konnte sehr genau beobachtet werden, und es zeigte sich kei- nerlei Einfiuss der Herstellung und Beseitigung des Magnetismus.

Bring't man seinen K o p f zwischen beide geniigend weit aus- einandergszogene Pole, in irgendwelcher Lage, so tritt weder durc�9 dis Herstellung des Magnetismus, noch w~thrend dessen Dauer, irgendwelcheArt von Empfindung ein. T h i e r e (Fr~sche u. dgl.), welche man in das magnetische Fsld bringt, zeigen keinerlei Reac- tion unter der Einwirkung desselben.

Es kiinnte auffallend erscheinen, dass bei der enormen Emp- findlichksit der thierischen Theile gegcn Inductionsstr(ime dis Entstehung und das Verschwinden des Magnetismus, welche doch bel beliebiger Gestalt und Lage der thierischen Leiter in densel- ben Striime induciren mtissen, ohne jede Wirkung sind. Man wird annehmsn, dass diese InductionsstrSme nur deswegen ohns Wirkung sind, weil sie ganz reg'ellos orientirt sind, w~thrend ja be- kanntlich Muskeln und Nerven nur durch solche Striime erregt wer- den, welche der Faserrichtnng iblgen. Dies ftihrt uns wieder auf den du Bois'schen Versuch zuriick (s. oben S. 219). Sollen n•m- lieh dis durch den Magneten inducirten StrSme den Fasern ent- sprechend verlaufen, so muss man den thierischen Theil ring'fSrmig zusammenbiegen, und, damit nicht bloss eine electromotorische Kraft, sondern dureh diese auch ein Strom entstehe, zum Kreise schliessen. Dieser Versueh hat nun du Bo i s - R e y m o n d , wie schon erwahnt, zu wiederholtsn Malen versagt, und ebenso versagte er auch mir.

Bel n~herer Ueberlegung rand ich es aber hSchst unwahr- seheinlich, dass die Ursache nur in dem ftir dis in einsr einzigen Windung inducirte Kraft zu grossen Widerstande des Nervenria- ges liegen sollte, und ich vermuthete, dass dis wahre Ursache viel- mehr die zu langsame Magnetisirung des dicken Eisenkerns resp. die vofi diesem herrUhrende VerzSgerung" des Induetionsvorganges ist. Ieh versuchte daher an einem gewiihnlichen Inductionsappa- rat, dessert sesnnd~rs Spirale sntfernt wurde, wie viel Windungen iiberhaupt zur Erreg'ung eines Nerven erforderlich sind. Der Nerv

Hat das magnetische Feld directe physiologische Wirkungen ? 925

lag auf Zinkelectroden, welcbe unter Einschaltung eines Sehliissels als :Nebensehliessung durch einen einzigen Draht mit einander verbunden waren. Dicser Draht konnte nun um die primaire Spirale des Inductoriums einfach oder mehrfaeh herumgesehlungen werden.

Das iiberraschende Resultat war, dass bei empfindliehen Pr~- paraten sehon eine e i n z i g e W i n d u n g g e n t i g t e , um sowohl dureh dan Wagnsr ' schen Hammer Tetanus, als auch dureh einf~tehes Oeffnen des primiiren Stromes Zuekungen zu erhalten. Bai zwe i Windungen waren Zuckung und Tetanus oft schon maximal. Ent- fernt man den Eisenkern, so sind zur Erregung 5--6 Windungen erforderlich, blimmt man den Draht ganz von der Spirale ab, liisst ihn aber unmittelbar an ihr liegen, so erfolgt nicht die ge- ringste Wirkung.

bTachdem nunmehr naehgewiesen war, dass sehon eine ein- zige Drahtwindung zur Erregung gentigt, und da nach meinen Versuchen von 1871 bekannt ist, dass sine Windung eines feueh- ten Leiters canau dieselbe electromotorische Kraft dureh Induction empF~tngt wie eine Windung von Kupferdraht, war nicht einzu- sehen, warum nieht der du Bois 'sche Versuch mit einem gewiJhn- lichen Induetionseleetromagneten gelingen sollte. Freilich ist ja der Widerstand des Kreises, wenn derselbe ganz um die Spirale herumgehen und ganz aus ~erv bestehen soll, riel griisser als im eben angeftihrten Versueh mit Kupferdraht~ aber dia Streckenliinge bef6rdert doch auch stwas die Erregung. Ein :Nerv raieht nattir- lieh nieht um dis Spirale herum (die von mir verwandts primiire Spirale hat 120mm ~usseren Umfang), wohl aber zwei, namentlich wenn man auch dia Muskeln an der Bildung des Kreisas theil- nehmen liisst.

In der That srhielt ich Zuckungen bei Schliassung und Oeff- nung des primitren Stromes, als ich dis I)riiparate in der eben angegebenen Weise anordnete. Abar sofort zeigte sich, dass die- selben trotz des ziemlich starken Lacktiberzugss des Pla th ' sehen Apparates von nicht ganz genUgendem Isolationsverm(igen dessel- ben harrtihrten. Ieh umwiekelte nun die primare Spirale mit Kaut- sehuklamellen und legte um diase die Priiparate herum; dis Zuckungen blieben aus. Nunmehr verstarkte ich den erregendsn Strom, indem ich denjenigen der Dynamomasehine anwandte. Aueh jetzt keins Zuekung. Die I n d u c t i o n a u f s ine e i n z i g e

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nur ans N e r v e n b e s t e h e n d e W i n d u n g gen t i g t a l so n i eh t um l e t z t e r e zu e r r egen l ) .

2~unmehr verminderte ich den Widerstand des Kreises da- dureh, dass ich um den Kautsehuktiberzug der primltren Spirale Muskeln herunflegte, so dass diese einen unvollst5udigen Kreis bildeten; die Ltieke wurde dureh den Nerven eines gut isolirtcn Unterschenkels iiberbrUckt. N u n m e h r t r a t e n die I n d u c t i o n s - z u c k u n g e n ein, sobald wirklich der •erv den Krœ schloss, uud nicht blos unipolar unlag. Um die Isolation noch sicherer zu maehen, sehob ich einen passenden Glaseylinder tiber die pri- miire Rolle, und bildete auf diesem den Ring aus thierischen Theilen. Auch so gelang der Vcrsuch sehr schSn. Mit dem gros- s e n E l e c t r o m a g n e t e n g e l i n g t de r V e r s u c h n icht , wegen des zu langsamen primiiren Processes (s. oben). Das du Bol s'sche Problem, thierische Theile durch directe Induction zu erregen, ist somit gelSst. Zugleich aber zeigt sich auch hier wieder, dass der zu Grunde liegende Inductionsvorgang sich in keiner Weise von dem- jenigen in gew(ihnlichen feuchten Leitern unterscheidet, also keine physiologische Wirkung des magnetischen Feldes nachweisbar ist.

b. G a l v a n o m e t r i s c h e V e r s u c h e .

Eins der feinsten Mittel zur Beobaehtung innerer Zustiinde und Vorgiinge in lebenden thierischen Theilen ist die Untersuchung dcr electromotorisehen Eigenschaften. Ich bemilhtœ mich daher, festzustellen, oh das magnetisehe ™ irgendwelche Ver~inderun- gen der bekannten electromotorischen Wirkungen, oder vielleicht besondere galvanische Erseheinungen hervorruft.

Eine wesentliche Schwierigkeit bel solchen Versuchen ist die unvermeidliche Fernwirkung des grossefi Elcctromagneten auf den empfindlichen Bonssolmagnet. Zut Verminderung dieser Wirkung wurde ersterer in einem m~iglichst entfernten Zimmer aufgestellt und m(igliehst gUnstig azimuthirt. Trotzdem blieb eine kleine Fernwirkung iibrig, welche aber leicht dadurch erkennbar and eliminirbar war, dass sie auch bel Absperrung der Boussole von den thierisehen Theilen auftritt. Grunds~itzlich wurde daher jeder

1) Es sel noch bemerkt, dass der in der •ervenwindung entstchendc schwache Inductionsstrom galvanometrisch gut nachweisbar ist (siehe unten S. 227, Anm.) Die galwnometrische Wirkung ist bekanntlich vom zeitliy Verlauf nicht ubh~ngig, wohl aber die erregonde.

Hat dus magnetische Feld directe physiologische Wirk,lngen ? 227

Einzelversueh mit offenem und mit gesehlossenem Boussolsehliissel angestellt.

Die weite Entfernung des Electromagneten und somit des Pr~parates vom Beobachtungszimmer macht natUrlich besondere I,eitungs- und Signalvorrichtungen und Assistenz n5thig, worUber N~heres anzugeben Uberflt;ssig ist.

Zunaehst wurden Muskeln oder Nerven in stromloser Anord- nung zwischen den Polen zur Ableitung gebracht, und zwar in axialer oder ~quatorialer Lage, und in letzterer sowohl diametral als circuler. Dus einzige, was bei diesen Versuehen (iiber die Fernwirkunghinaus, s. oben) zuweilen beobachtet wird, sind sehr kleine Ablenkungen bel Sehliessung und bei Oeffnung des magne- tisirenden Stromes, beide einander entgegengesetzt. Dieselben rlihren nachweisbar 1) von der inductiven Componente her, da die thierisehen Theile selber, sowie die Electroden und Zuleitungs- dr~hte unvermeidlieh eine unregelm~ssige Windung ira magne- tischen Felde bilden werden. (SolIte diese Wirkung ganz vermie- den werden, so miisste der thierisehe Theil in aller Strenge axial oder ~quatorial diametral angeordnet sein und die Zuleitungsdr~hte in ~hnlicher Riehtung geradlinig weit weg vom Magneten geftihrt werden.) Aueh hier also zeigte sieh nicht die geringste besondere Wirkung des Magnetismus.

Nunmehr wurden bel denselben Anordnungen die Demarea- tionsstrOme des Muskels und Nerven abgeleitet und die Wirkung des Magnetismus auf deren Intensit~t und auf die eompensirte eleetromotorisehe Kraft beobachtet. Aueh diese Wirkung war ab- solut Null; es zeigten sieh nur die soeben besproehenen sehwaehen Induetionswirkungen.

Ueber Electrotonus, negative Schwankung und Actionsstr5me des Nerven und Muskels Versuehe anzustellen, konnte hiernaeh v511ig •berfliissig erseheinen. Um jedoeh aueh hier keine Liieke zu

1) Der Nachweis besteht erstens in der gesetzm~ssigen Richtung dieser Ablenkungen~ zweitens darin, dass man sie schrittweise vergrSssern kann, wenn man absichtlich den thierischen Theil in glinstigere Luge bringt. Bringt man zwischen die Pole einen cyliadrischen Kork, und legt man um diesen einen Nerven so herum, dass er einen offenen iiqua~orialen Kreis bildet, so erh~lt man bei Ableitung von dessen Enden die oben (S. '226, Anm.) erw~hn- ten InductionsstrSme beim Schliessen und Oeffnen des magnetisirenden Stromes.

E. Pfifiger~ Archiv f. Physiologie. Bd, XLIII. 16

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lassen, habc ich einen relativ bequemen Versuch angestel]t, indem ich die Actionsstr(ime eines zwischen den Polen des Electromag- neten pulsirenden F r o s c h h e r z e n s ara Capillar-Electrometer be- obachtete. In der Regel wurden die Electroden an der Basis des Ventrikels und an eincm in dcr Gegend der Spitze angelegten Querschnitt angehracht, also die bei jeder Pulsation auftretende negative Schwankung des Demarcationsstromes ara Capillareleetro- meter beobachtet. Der Ausschlag' ist gross und langsam, daher mittels eines Oeularmicromcters sehr genau in seiner Griisse fest- zustellen. Schliesst man nun den magnetisirenden Strom, so findet uieht die allermindeste Veri~nderung statt, weder in Rhythmus noch in Grtfsse des Ausschlages. Dies negative Resultat erhiilt man bei jeder Anordnung der Herzaxe zu den Magnetpolen.

3. Schlussbemerkungen.

Das einfache Gesammtrcsultat der hier mitgethcilten Versuchc lautet: Selbst unter den gtinstigsten Umstiinden ist mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln nicht die geringste physiologische Wirkung des Magneten auf thierische (und auscheinend auch pflanz- liche) Gebilde und Organismen naehweisbar').

Es kann unmSglich umgangen wcrden, die entgegenstchenden Bchauptungen der H ypnotiseure hier einer kurzen Betrachtung zu unterziehen. [ch entnehmc einer Zusammenstellung, welehe vor Kurzem erschienen ist, und von einem auf anderen Gebieteu ver- dienten Gelehrten herrtihrt~9, Folgendes:

,,Von besonderem Interesse erscheint mir die Beeinflnssung der Respiration durch den Magneten. Ni~hert man einer ruhig athmenden hypnotisirten Person einen Magneten in der Gegend der Magengrube, so kann man sehr hi~ufig eine Aenderung der Athemcurve beobachten. Ich erhielt gœ naeh einer llin-

l) Zu den physiologischen Wirkungen sind natiirlich nicht zu rechnen: die diamagnetischeu Wirkungen und die Induction, welche an todten Gebilden gunz ebenso auftreten, auch wenn letztere, wie nachgewiesen, lebende erreg~.

2) Prof. Dr. H. O b e r s t e i n e r , Der Hypnotismus mit besonderer Beriicksichtigung seiner kliuischen und forensischen Bedeutung. (Klinische Zeit- und Streitfragen, herausgegeben von Prof. Dr. J o h a n n S c h n i t z l e r , I. Bd. 2. Heft.) Wien 1887.

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geren oder ktirzeren Exspirat ionspanse rasehere und viel tiefere

Respirationen." (l?olgt eine graphische Darstellung des Gesagten) l). Derselbe Autor beriehtet ~) unter dem Iqamen ,psyehische

Polarisation", wie es seheint naeh Angaben vert B i n e r und F ›

sowie von B in n c h i un d Se m m e r , folgende Wirkung'en des Mag-

neten: Einer hypnotisirten Person wird die Vorstellung einer an- genehmen Eisenbahnfahrt ,,suggerirt'~; ein in die N~he des �9

gebraehter Magnet verwandelt die Freude in Schreek tiber einen erfolgten Zusammenstoss. Eine andere Person, welehe durch ,Sug-

gestion" den Teufel sieht, wird im Gegentheil durch , ,Einwirkung des Magneten" tiberzeugt, dass es keinen Teufel giebt, sondern

dass es nur ,,ein Hirsch mit H(irnern" war. Umnittelbar weiter heisst es daselbst: ,,Gerechtes Aufsehen erregen in jtingster Zeit

die unter der Controle von C h a r e o t angestellten Versuche von Bu b i n s k i . Er sah namlieh unter der Einwirkung des Magneten gewisse krankhafte Symptome, z. B. hysterisches Stummsein, auf

eine hypnotisirte Person tibergehen. Letztere kann man durch Suggestion leicht von dieser , ,Ansteekung" befreien, bel wiederholten

Versuchen schwindet aber die prim~re Erkrankung bei der ersten Person allm~hlieh, se dass diese Methode des T r a n s f e r t a u f

z w e i t e P e r s o n e n aueh eine therapeutische Anwendung ge- stattet" 3).

,,Ieh bin der Ansehauung", ftigt der Vf. hinzu, ,,dass diese

Thatsache niehts Unglaubliehes in sich birgt. Sind wir einmal dazu gelangt anzunehmen, dass der Magnet, wenigstens unter Um- standen, auf den Menschen einwirkt - - und diese Annahme mtissen

wir nun unbedingt machen - - se darf es nieht als se absonder-

lieh erscheinen, wenn dieser Mensch wieder einen zweiten beein-

1) A. a. O. S. 56. 2) A. a. O. 8. 66. 3) S. 65 der Broschiire findet man noch weiter angefiihrt, dass einsei-

tig suggerirte Ani~sthesien, Hallueinufionen oder L~Lhmungen durch den Mag- net uuf di› andere Seite trunsferirt werden kSnnen. Dabei entstehe ein unangenehmes Gefiihl, und zwar bel Gesieht.shullucinationen im Hinterhaupt, bei Geh™ in der Schliifengegend, d. h. in jener ,,Gegend des Gehirns, von weleher wir annehmen, dass gerade diese vorzugsweise in in- niger Beziehung zu den betreffenden Functionen steht". Die Zukunftsphysio- logie des Gehirns hat ulso offenbar veto Magneten noch grosse Dinge zu er- wartetl. Als Wunderbarstes erseheint mit, dass die S e h centra S c h m e r z empfinden, wenn der Muguet es verl~ngt.

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flusst, so wie ein weiches Eisensttick, welches an einem Magneten h~tngt, selbst die Eigenschaft erh~tlt, ein zweites anzuziehen." (!)

Aehnliehe Aeusserungen kSnnten zu Tausenden aus der in den letzten Jahren so stark angeschwollenen Lite�9 des Hyp- notismus entnommen werden.

Selbst wer das Meiste was diese Literatur enth~lt, als richtig anerkennt, muss doch d i e scn Angaben gegentiber einen wesentlich anderen Standpunct einnehmen. Denn~ man beachte es wohl! hier we�9 nicht blos wunderbare Eigenschaften Hyp- n o t i s i r t e r , sondern es werden bisher unbekannte Eigenschaften des M a g n e t e n behauptet, d. h. desjenigen dynamischen Zustan- des, welcher den Magneten von einem gleichgetbrmten Eisen- oder Stahlsttick unterscheidet.

Wenn Jemand berichtete, zwei hypnotisirte Hysterische ftihlen sieh zu einander hingezogen oder ftihlen gegenseitige Abstossung, so wtirde ieh es allenfalls glauben. Wenn aber beriehtet warde, eine Hysterische werde dureh Hypnotisiren leiehter, oder bringe eine in der N~the befindliche Pendeluhr zu schnellerem Gange, so erkl~tre ieh dies ohne Weiteres ftir Tiiuschung; denn hier er- st�9 sieh der Berieht auf angeblieh neue Eigenschaften der ~ Gravitation, welehe uns sehr genau bekannt ist. Ebenso genau, mit mathematiseher Seharfe, bekannt sind uns aber die Eigen- sehaften des Magneten. Neue Eigensehaften der Gravitation oder des Magnetismus wird kein Physiker, kein naturwissenschaftlieh Denkender, darf aueh kein Arzt glauben, ohne die allerstrengste Beweisftihrung. Wenn Jemand beriehtete, dass ein in einer D:,tmpf- htilse sehwingender Magnet Abweiehang'en vom logarithmisehen Decrement gezeigt habe, wtirde Jeder unbedenklieh eine tiber- sehene Fehlerquelle und nieht eine neue Eigenschaft des Magneten als den Grund ansehen. Und so wunderbare neue Eigensehaften, wie sic von O b e r s t e i n e r u. A. beriehtet werden, sollen wir glauben ?

Nicht darin sehe ieh einen entseheidenden Gegengrund, dass meine oben angeftthrten Versuche keine physiologisehe Wirkung des Magneten ergeben haben. Es ware ja denkbar, dass der Magnet dennoch unendlich zarte sensitive Wirkungen hat, welche der Frosehnerv, die normale Hand, das normale Ange nicht wahr- nehmen, welehœ aber auf das angeblich ungemein gesteigerte Empfindungs- und RefiexvermSgen der Hypnotisirten einwirken.

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Es w~re selbst denkbar, dass es, wie O b e r s t e i n e r (a. a. O. S. 69) anzunehmen weit genug geht, einen ,,magnetisehen Sinn" giebt, von dem eine naturwissensehaftliehe Definition zu geben ihm freilieh sehwer werdœ dUrfte. W a h r s e h e i n l i e h ist es Ubri- gens n i e h t ira G e r i n g s t e n , dass es Sinne giœ welehe erst in pathologisehen Zust~nden ktinstliehster Art zut Erseheinung kommen.

Aber wer so ungeheuerliehe Dinge behauptet, hat das Onus strengster BeweisNhrung, und nieht etwa ist es das Onus der Gagner, die UnmSgliehkeit zu beweisen.

Enthalten nun wirklieh diœ magnetisehen Angaben der Ityp- notiseure, von welehen oben Beispiele gegeben sind, aueh nur œ Sehatten physiealiseh-strenger BeweisNhrung? Erinnern sic in ihrer Unklarheit und Sorglosigkeit nieht cher an die Erz~ih- lungen der Strasse, als an die Feststellungen eines Naturforsehers ? Man erNhrt Niehts darttber, ob bel ,,der Application des Magneten" die beiden Pole einen Untersehied maehen, ob die Axenlage von Einfluss ist, ob ein Stabmagnet so wirkt, wie ein mit beiden Polen gen~hertes Hufœ ob die Intensit~t des Magnetismus eine Rolle spielt, ob die Potential~nderung oder das Potential sœ in Be- traeht kommt u. s . w . Anf so oberfl~ehliehe Beobaehtungen hin kann man nieht eine physiealisehe Entdeekung, wie die einer neuen Eigensehaft des Magneten aeeeptiren.

Therapeutisehe Erfolge sind bekanntlieh immer eine zweifel- halte Quelle unsres Wissens. Ex juvante aber neue physicalisehe Gesetze aufstellen zu wollen, noeh dazu ex juvante in hystericis, seheint mir absolut verwerflieh.

Ferner vermisst man die hier so nSthigen und so nahe liegenden Controlversuehe, ob vielleieht ein Eisenstab, ein Holz- stab, oder diœ blosse E r w ~ h n u n g des Magneten ohne wirkliehe Application eines m a g n e t i s e h e n Stahlstabes ~hnliehe Wirkungœ entfalten. Wenn solehe gœ œ h~itte 0 b e r st e iner dies gewiss hervorgehoben; sic witrœ das Wiehtigste in seiner ganzen Sehrift gewesœ wie ja tiberhaupt diœ hier behauptete Eigensehaft des Magneten vielleicht die wiehtigste Entdeckung dœ Neuzeit sein wtirde.

Wie solehe Controlversuehe, wenn sic Uberhaupt vorgenommen werden, erfolgen, kann man auf einem dem Hypnotismus ver- wandten Gebiete ira Centralbl. f. d. med. Wissenschaften 1879,

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Seite 617, referirt lesen. Bekanntlich hat auch ohne Hypnotismus der Magnet therapeutische Wunder nach Art der schon halb wieder vergessenen Metalloscopie verrichtet. Ein bedeutender Magneto- therapeut, Debove in Paris, beobachtete n. A. an einem Manne mit sehr complicirten und mannigfachen, der hysterischen Hemi- ple~;ie und Hemianiisthesie iihnliehen Erseheinnnffen Schwinden der linksseitigen An:~tsthesie ara ganzen KSrper, ja sogar Besserun• des Sehens und Hiirens, nachdem die linke Hand eine Viertel- stunde lang zwischen die Pole œ Electromagneten gebracht war. Absichtlich hatte D ebove, um sieh vor T~tuschung zu htiten, den Strom gar nicht geschlossen. Aber siehe da, der Er- folg trat trotzdem ein. Jeder Unbefangene schliesst nattirlich hieraus, dass es gar nicht auf den Magnetismus, sondern cher auf die psychische Einwirkung oder auf die Kiilte des Mœ allen- falls auf eine unbekannte Wirkung des Eisens ankomme. Abœ der Magnetotherapeut findet, dass der eiserne Kern etwas riick- sfitndigen Mag'netismus hat, und schreibt n u n - man sollte es kaum g l a u b e n - diœ die Wirkung zu. Der Controlversuch hat also deutlich g'egen ihn gesprochen, er hiirt aber diese Stimme nicht, sondern klammert sich an eine unbedeutende Fehlerquelle, und htitet sich, dereu Einfluss wirklich zu constatiren, was scine Pflicht war. Es giebt niimlich genug unmagnetisches Eisen in der Welt, und datait musste nun dœ definitive Controlvcrsuch gemacht werden.

Ich ftirchte, die etwa wirklich angestellten Controlversuche der Magneto-ttypnotiseure sind nicht riel besser. Bis auf Weiteres halte ich also, selbst ohne die Glaubwiirdigkeit der Pariser Hys- terischen, auf deren Aussagen doch dic Angaben grossentheils beruhen, irgendwie zu untersuchen, die Erziihlungen iiber Eigen- schaften des Magneten, welchc die Hypnotiseure entdeckt haben, fiir undiscntirbar, und bleibe bei dem auf Versuchen beruhenden Resultat: das magnetische Feld bat keine physiologischen Wir- kung'en.

Die Beschaffenhcit der magnetischen Experimente an Hypno- tisirten wirft kein gtinstiges Licht auch auf viele andere wunder- bare Ang'aben dieses Gebietes, z.B. die Fernwirkung von Arznei- stoffen. Indessen liegt mit Nichts fcrner, als mich hier auf eine allgemeine Kritik einzulassen; ich habe mich mit dem sog. Hypno-

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tismus (welcher offenbar der Pathologie angeh(irtl), denn an der

Mehrzahl gesunder Personen ge l i ngen die Versuche tiberhaupt

nicht, an vielen anderen, was sehr zu denken giebt, erst bel der

zweiten oder drit ten Sitzung) zu wenig besehifftigt, um das offen-

bar Richtige von den Ti~uschungen und Uebertreibungen t rennen

zu kSnnen. Niemand wird aber entgehen, dass unter den be-

haupteten Erseheinungen Dinge sind, welche die Grundprineipien

der Naturwissenschaft , ja unsere ganze Bereeht igung zum Forschen

in Frage stellen. Wenn wirklieh, sel es an Hypnot is i r ten oder

.an Anderen, seelisehe Fernewi rkungen , unvermit tel t durch die

materiellen Mittel des Gedankenaustausches , von einem Ind iv iduum

auf ein anderes stattfinden kSnntenl) , so begreife ieh nieht, wie

ein Anh~tnger dieser Lehre sieh sicher ftihlen kann, dass was er

zu sehen glaubte, ihm nieht suggerir t wordš ist! Wenn ein fran-

zi~siseher Autor sagt (s. Obersteiner S. 64), dass der gesunde

Meusehenverstand von 1986 diese Dinge vielleicht nieht mehr

1) Fiir die physiologische Natur des Hypnotismus wird sehr hi~ufig die sog. Hypnose der Thiere angeffihrt. Ich fiir meinen Theil habe in dem Um- stande~ dass Thiere, welchc man in eine unnatiirliche Lage bringt, in dieser verharren, auch nachdem der Zwang unvermerkt beseitigt worden ist, nie etwas Besonderes, oder gardem Itypnotismus Analoges finden kSnnen. Bci dieser Gelegenheit mSchte ich nieht unterlassen, einen physiologischen Irr- rhum der sehr verbreitcten Obersteiner%ehen Schrift zu beriehtigcn. Es hcisst daselbst S. 67: ,Wir wissen, dass das Bediirfniss zum normalen Schlafe in dcr Regel durch eine Anhiiufung von Ermiidungsstoffen im Gehirn hervor- gerufen wird, die als Endproducte des lcbhaften Stoffwcchsels wi~hrend des Wachcns aufzufassen sind und in der Ruheperiodc des Schlafes wieder eli- minirt werden. y Dies Alles ,wissen" wir aber nicht im mindesten, sondern es ist nur eine nicht einmul sehr wahrscheinliehc Hypothcse~ welche hin und wicdcr in der physiologischen Literatur aufgetaucht und mehr als wiinschens- werth auch in popul~ren Darstellungen verbreitet worden ist.

1) Belege fiir diese Behauptungen cnth~lt dic 0 b e r ste i n e r'sche Schrift. Es ist aber weit gekommen, wenn kiirzlich sogar in eine von Physiologen gegriindete und redigirte Zcitschrift folgendes Referat ohne jcde Bemerkung Aufnahme finden konnte: ,L. S i c a r d , Cas remarquable etc. (Aus L'enc› phale 1887, S. 269). Die nicht hysterische und anfiinglich nur mangelhaft hypnotisirbare Person bot sp~ter eine eigenthiimliche Erscheinung dar. Sic war niimlich ira Stande~ wiihrend des hypnotischen Schlafes iiber manche Dinge Auskunft zu geben, die ihr vollstiindig unbekannt sein mussten, z. B. vermochtc sie Einzelheiten iibcr die Einrichtung eines Zimmers mitzutheilen, in welchem sic niema]s gcwesen war. Richtige Auskunft konnte sic nur liber

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wunderbar finden werde, so heisst das doeh niehts Anderes, als dass sich die Hypnotiseure zum Thei| tiber den heutigen gesunden Menschenverstand hinweg gesetzt haben. Viele werden aber einst- weilen tiberzeugt sein, dass dies bei kritischerer Wiirdigung der zahllosen hier denkbaren Fehlerquellen nicht nSthig gewesen w~ire.

Vergessen wir doch nicht, dass die Medicin eine Natur- wissenschaft ist, und dieser Erkenntniss ihre besten Erfolgœ ver- dankt. Man wende nicht ein, dass der Arzt vor einer Welt von R~tthseln steht, deren L~isung grossentheils aussichtslos ist, and dass er trotzdem iiberall zum Handeln gezwungen ist. Der natur- wissensehaftliche Character der Medicin liegt wesentlieh darin, dass sic naeh denselben Principien wie alle Naturwissenschaften Thatsachœ zu constatiren und darauf inductive Schltisse zu grtinden hat. Wie weit die Erklih'ung geht, das ist ftir die Einreihung einer Disciplin in die exacten Wissenschaften gleichgtiltig. Nimmt aber di.e Medicin mangelhaft constatirte Thatsachen in ihren Kanon auf, so verzichtet sic auf den naturwissenschaftlichen Character, and begiebt sich auf die abschiissigste Bahn; die l~tngst tiberwundenen I�9 der Sympathie und ithnlicher Aberglaube werden dann bald wieder ira Volke zu herrschen ein Recht haben, da dem Arzte der Halt fehlt, sic in ihr Nichts zurtickzaweisen. Die Physiologie aber, als das Bindeg'lied zwischcn der Mediein and den tibrigen Naturwissenschaften, bat, glaube ich, ganz be- sonders die Anfgabe, vor der Anerkennung ungentigend festge- stellter Angaben zu warnen.

Schliesslich miichte ich noch hervorheben, dass die hier ge- machten Ausstellungen gleichsam nur zuf:,illig an den Verfasser cirier vor Kurzem erschienenen Uebersicht ankntipfen, und dass mir nattirlich Nichts ferner liegt, als einen Autor, dessen Verdienste ieh hoch achte, fur alle von ihm berichteten Angaben Anderer verantwortlich zu machen.

solche Gegenst~nde gebcn, die S. bekannt waren, und auch nur dann, wenn er sic dabei mit seiner Hand hiclt. Sobald er um etwas fragte, was er selbst nicht wusste, erhielt er falsche Antworten. S. erkliirt diese Erseheinung durch eine Art unbewusster Suggestion mentale." (Centralbl. f. Physiologie. Unter Mitwirkung der physiologischen Gesellschaft zu Berlin herausgegeben etc. Nf. 25 vom 4. Febr. 1888, S. 634.) Sollte wirklich die Clairvoyance fiir das Centralbl. f. Physiologie salonfiihig gewordcn sein ?