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1. EINLEITUNG.................................................1 2. DER BEGRIFF RAUBRITTER; ADEL AUS DER SICHT DES FRÜHEN 19. JAHRHUNDERTS..................................................1 3. FEHDE, SELBSTHILFE ODER LEGITIMATION FÜR RAUB UND MORD ?...3 3.1. TRADITION DER FEHDE.......................................4 3.2. EINSCHRÄNKUNG DER FEHDE DURCH BUSSE UND SÜHNE.................5 3.3 DIE FORMALISIERUNG DER FEHDE..............................6 4. LANDFRIEDENSBEWEGUNG UND GOTTESFRIEDEN.....................8 5. STÄDTEFEINDSCHAFT ALS KONFLIKT ZWISCHEN ADEL UND BÜRGERTUM.9 5.1 DIE FEHDE HANS DIEMARS MIT SCHWÄBISCH GMÜND..................9 5.2. DIE FEHDE HANNOVERS MIT SEINEM LANDESHERRN.................12 6. ENTWICKLUNG DES MILITÄRS IM SPÄTMITTELALTER...............14 6.1. FOLGEN FÜR DEN ADELSSTAND.................................16 7. SCHLUSSBETRACHTUNG........................................16

Hausarbeit Raubritter Der Adel in Der Krise

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Arbeit über die Auflösung des Ritterstandes an der Universität Jena

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Page 1: Hausarbeit Raubritter Der Adel in Der Krise

1. EINLEITUNG........................................................................................................... 1

2. DER BEGRIFF RAUBRITTER; ADEL AUS DER SICHT DES FRÜHEN 19. JAHRHUNDERTS............................................................................................................. 1

3. FEHDE, SELBSTHILFE ODER LEGITIMATION FÜR RAUB UND MORD ?.....3

3.1. TRADITION DER FEHDE..............................................................................................43.2. EINSCHRÄNKUNG DER FEHDE DURCH BUẞE UND SÜHNE..........................................53.3 DIE FORMALISIERUNG DER FEHDE...........................................................................6

4. LANDFRIEDENSBEWEGUNG UND GOTTESFRIEDEN......................................8

5. STÄDTEFEINDSCHAFT ALS KONFLIKT ZWISCHEN ADEL UND BÜRGERTUM................................................................................................................... 9

5.1 DIE FEHDE HANS DIEMARS MIT SCHWÄBISCH GMÜND.............................................95.2. DIE FEHDE HANNOVERS MIT SEINEM LANDESHERRN.............................................12

6. ENTWICKLUNG DES MILITÄRS IM SPÄTMITTELALTER.............................14

6.1. FOLGEN FÜR DEN ADELSSTAND...............................................................................16

7. SCHLUSSBETRACHTUNG...................................................................................16

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©Kevin Lindner 2005

1. Einleitung

Das Phänomen des Raubrittertums ist auf den ersten Blick gesehen eine

Geschichte verwegener Helden und übler Schurken des Mittelalters. Dieses

von der Allgemeinheit akzeptierte Bild stammt aber eher aus der Feder und

Einbildungskraft romantischer Dichter und bürgerlicher Historiker, als das es

die Realität des späten Mittelalters wiedergeben würde. In meiner Arbeit

möchte ich die Entstehung des Raubritterbegriffs beleuchten und mit den

wirklichen Motiven und Fakten vergleichen. Gab es die adligen Wegelagerer,

wie sie aus Sagen bekannt sind? Sahen sie sich selber als Raubritter die

Morden und Plündern oder hegten sie andere Motive. Im Spätmittelalter

veränderten sich die Machtverhältnisse. Bürgertum und städtische

Verwaltungen entwickelten Gesetze und Normen die das Gewohnheitsrecht

ablösten. Es kam zu einer sozialen Umwälzung und -strukturierung. Welche

Faktoren begünstigten den Niedergang des edlen Rittertums, das ebenso

sagenumwoben ist, wie die spätmittelalterlichen Auswüchse der Fehde. Das

Ständesystem wurde neu bewertet und die Adligen sahen sich in Bedrängnis.

Gab es eine Legitimation für Raub und Brandschatzung die bei genauer

Analyse nachvollziehbar wird? Aus der Sicht der Geschichtsschreiber des 19.

Jahrhunderts war die Fehde jedenfalls eine ruchlose und veraltete

Verhaltensweise.

2. Der Begriff Raubritter, Adel aus der Sicht des frühen 19.

Jahrhunderts.

Das aufgeklärte, herrschende Bürgertum des 18.-19. Jahrhunderts sah natürlich

in den Übergriffen der Adligen auf die Bürger damaliger Zeiten, ungerechte

Akte der Barbarei. Habgier und Mordlust waren Motive, die den Raubritter zu

seinen Taten anstachelten, um die friedliebenden Kaufleute zu drangsalieren.

Entwirrt man das Geschichtsbild der vergangenen zwei Jahrhunderte, stellt

man fest, dass der Begriff Raubritter kein Terminus des eben im Spätmittelalter

bedrängten und befehdeten Bürgertums ist, sondern ein Begriff, den

beispielsweise der Historiker Friedrich Christoph Schlosser in seiner

Weltgeschichte verwendete. Dieser Bestseller des frühen neunzehnten

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©Kevin Lindner 2005

Jahrhunderts prägte das Geschichtsbewusstsein der Menschen und so setzte

sich das Bild der Raubritter für Jahre in den Köpfen fest.1 Darüber hinaus war

das emanzipierte Bürgertum während des Abschüttelns der Ständegesellschaft

auf einem geradezu Adelsfeindlichen Standpunkt angelangt, der das

Geschichtsbild weiter zu Ungunsten der Adelsdynastien verschob. Als Beispiel

möchte ich hier eine Passage, mit der Überschrift „Dynastie“, aus dem

„Politischen ABC fürs Volk“ von 1848 zitieren: „Das Wort Dynast bedeutet in

der alten Zeit ein Despot. Ein Theil des Volkes nämlich, welches sich durch

Raub und Bedrückung über seine Stammesgenossen erhoben hatte, der

sogenannte, Adel zerfiel im Mittelalter […] und diesem verblieb der

Ehrenname Dynastie. Sie führten ihren Namen mit demselben Rechte wie die

Raubritter selbst, denn ihre Stellung dem Staate gegenüber war keine […]

Berechtigtere. Die Raubritter des Mittelalters hielten sich privilegiert von ihren

hohen Burgen herab […] auf jede Gesellschaft von Kauffahrern zu lauern und

dieses […] ganz zu nehmen, oder […] eine hohe Entschädigung zu erpressen

[…] wer daran zu zweifeln wagte, dem bewiesen sie es mit ihrem Schwerte,

und […] Burgverließen […] gänzliche Unterdrückung des Volkes, maßloseste

Willkürherrschaft waren die Grundzüge ihres Wirkens.“2

Anhand dieses Zitats von 1848 wird recht schnell offensichtlich in welchem

Licht der Adel und das Recht der Fehdeführung im frühen neunzehnten

Jahrhundert dargestellt wurden. Zeitnah erschienene Sagensammlungen wie

beispielsweise das „Thüringer Sagenbuch“ von 1858 sprechen von Raubrittern

an der Weinstraße von Franken nach Thüringen die mehr Wein raubten als sie

zu trinken vermochten.3 Auch der Stadt Pößneck haftete der Ruf eines

Raubritternestes an: „ die Gegend und die Stadt wurde „der Bösen Ecke“

genannt, wegen der vielen Raubritter, die sich dort und rings umher

aufgehalten, und die ganze Gegend unsicher machten.“4 Die Namensgenese

Pößnecks hat allerdings einen ganz anderen Ursprung, sie beginnt mit dem

nachweisbaren Bisnig das sich dann über Beßniz und Beßnig zu Pößneck

wandelte. Von Raubrittern die nach verschiedenen Sagen namensgebend

gewesen sein sollten kann hier nicht die Rede sein.5 Märchenhaft erscheinen

1 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 469.2 (Seegen und Schlesinger 1848) S. 173-174. 3 Vgl. (Bechstein 1858) S. 245-246.4 (Bechstein 1858) S.174.5 Vgl. (Bechstein 1858) S.174.

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auch Aussagen am Kyffhäuser über Raubritter die „auf Burg Kiphausen

wohnen, welche sich Fräulein rauben, und mit diesen […] in hellen Nächten

auf schneeweißen Pferden über den Berg reiten.“6

Bemerkenswerterweise ist, das der Terminus Adel, ein Quellenbegriff des 15.

Jahrhunderts ist. Joseph Morsel stellte die These auf, dass die

Sammelbeschreibung Adel gerade dort auftauchte, wo der städtefeindliche

Diskurs besonders stark verbreitet war. Die Bezeichnung Adel für alle

Personen vom Edelknecht bis zum Fürsten ist Beweis für einen soziologischen

und politischen Prozess, in dem sich Bürger und städtische Räte von den

Wohlgeborenen abzugrenzen versuchten.7

3. Fehde, Selbsthilfe oder Legitimation für Raub und Mord ?

Um das Raubrittertum zu beschreiben ist es nötig, das alte Rechtsmittel der

Fehde zu konkretisieren. Durch die ständige Konkurrenz der Fürsten mit dem

Königtum konnte sich über das Mittelalter kein Gewaltmonopol mit

einheitlicher Gesetzgebung bilden. Streitigkeiten zwischen Fürsten wurden

wenn überhaupt vom König geschlichtet. Die Selbsthilfe bot in einer unklaren

Situation, die nicht durch Gewohnheitsrecht geklärt werden konnte eine

Möglichkeit Recht durchzusetzen. Der Kampf zwischen Einzelpersonen oder

verschiedenen Parteien mag aus heutiger Sicht als anarchistisches Mittel

erscheinen, tatsächlich bot die Fehde im Mittelalter eine gewisse

Rechtssicherheit. Geschlossene Verträge konnten per Fehdedrohung

durchgesetzt und eingehalten werden.8 Gilden, die Hanse und Zünfte stellten

teilweise Fehdeinstitutionen dar, die einerseits vor Übergriffen schützten

andererseits eine überzeugende militärische Kraft darstellten, musste einmal

ein Rechtsgeschäft durchgesetzt werden. Jurisdiktion im Mittelalter ging

prinzipiell ausschließlich vom König aus und verteilte sich dann

gewohnheitsrechtlich in der Herrschaftspyramide nach unten. Da der König nur

selten zur Stelle war um bei Streitigkeiten zu vermitteln mussten andere

Lösungen gefunden werden. Aufgrund der unklaren Kompetenzen waren die

6 (Bechstein 1858) S.2537 Vgl. (Graf 1997) S. 184.8 Vgl. (Volckart 2004) S. 6-9.

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Zuständigkeiten aber wage und gefällte Urteile nicht zwingend verbindlich.

Nach vollendetem, aber nicht zufrieden stellendem Rechtsstreit ging man nicht

wie heute in Revision sondern versuchte Recht mit Gewalt durchzusetzen. Die

Unterscheidung zwischen Raubrittertum und gerechter Fehde ist formell

unproblematisch. Am direkten geschichtlichen Beispiel verschwimmen die

Übergänge jedoch und eine klare Abgrenzung wird schwierig. Luise von

Winterfeld kam „zu dem Ergebnis, daß das Wort Raubritter durchaus ein

zutreffender Terminus für denjenigen Adligen ist, der nicht aus Gründen der

Ehre rittermäßige Fehden mit den Waffen austrug, sondern den Armut und

Raublust veranlaßten, unter dem Schutz des Fehdebriefes oder häufig auch

ohne Fehdeansage die Räuberei als Erwerbsform zu betreiben.9

3.1. Tradition der Fehde.

Die Fehde und das Faustrecht standen bereits dem freien Germanen zu, wenn

er sich in seiner Ehre, seinem Recht oder Besitz gekränkt sah. Er und die

nahen, waffenfähigen Verwandten seiner Sippe hatten sogar die Verpflichtung

Genugtuung zu fordern und Buße durch Gewaltanwendung oder ein

Schiedsurteil zu erzwingen. Germanische Rechtssammlungen sprechen von

„faida“ als Erb- und Blutsfeindschaft die durch Rechtsverletzung und

Beleidigung hervorgerufen werden kann. Schon Tacitus hat in seiner Germania

die Fehde der Germanen beschrieben. Die entstandene Friedlosigkeit konnte

bis zur Vernichtung einer Fehdepartei oder der Beilegung des Konfliktes durch

Sühne andauern.10 Da Fehden mit ihren Brandschatzungen, Heimsuchungen

und Morden meist größeres Leid anrichteten als es ihr Auslöser bereits getan

hatte, gab es schon immer Versuche die Ausmaße der Gewalt durch Sühne

oder Komposition zu beschränken. So existierte die Möglichkeit durch die

Zahlung eines Wergeldes an den Geschädigten, den Konflikt beizulegen oder

selbst die Arbeitskraft eines getöteten Familienmitgliedes zu ersetzen. Oft war

die beschuldigte Partei aber nicht in der Lage und manchmal nicht gewillt, sich

Verknechten zu lassen oder Geld zu zahlen. In so einem Fall konnten die

Kampfhandlungen bis zur bitteren Entscheidung fortgesetzt werden. Nicht

9 (Rösener kein Datum) S. 472.10 Vgl. (von Wächter 1845) S. 248-250, Vgl. (Andermann kein Datum) S. 331.

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immer ließen sich die ehrbedachten Germanen durch Geldzahlungen

besänftigen. Häufig ist zu beobachten, dass „der Geschädigte es ablehnte […]

seinen Sohn oder Vater im Beutel zu tragen.“11

3.2. Einschränkung der Fehde durch Buße und Sühne.

Die Beschränkung der Fehde durch Eingreifen einer Zentralgewalt wurde oft

versucht. Childebert II. führte Bußzahlungen und die Todesstrafe bei Mord ein.

Rothari ein langobardischer König des siebenten Jahrhunderts versuchte

Wertesysteme zu entwickeln um Getötete, Geraubtes oder Zerstörtes in ein

Verhältnis zu setzen und gegeneinander abwägen zu können. Kirche und

Königtum strebten bei bedeutenden Fehden die Erzwingung von Sonder- und

Regionalfrieden an. Ein Kapitular von 802 beweist, dass selbst der Königbann

ins Feld geführt wurde um die Familie eines Ermordeten zur Annahme eines

Wergeldes zu bewegen.12 Die Etablierung der Fehde als standesgemäße

Reaktion der Ritterschaft hat gewiss den Frieden negativ beeinflusst. Manche

Ritter sahen die Fehde als eine noble Pflicht. Hatten sie eine Verfehlung

begangen stand Mord und Kampf besser zu Gesicht als Sühne und

Friedensschluss.13 Bürgerkriegsähnliche Zustände ausgelöst durch

Nichtigkeiten bedrohten Kirchlichen Besitz, die Bauern und damit die

Versorgung ganzer Regionen. Die Fehde galt als Traditionspflege.14 Der

Edelmann war zur Rache verpflichtet, um seine Ehre zu bewahren. Rationale

Beweggründe spielten bei diesem Teufelskreis aus Schadentrachten und

Vergeltung nur noch untergeordnete Rolle. War ein Unfreier getötet worden,

so war der Grundherr berechtigt den Mörder zu befehden oder Ersatzzahlungen

zu verlangen. Die unfreien Familienmitglieder des Ermordeten durften nur

selten an der Fehde teilnehmen und wurden mindestens genauso mäßig an dem

Wergeld für ihren Verstorbenen beteiligt. War der Mörder selbst unfrei, so

konnte er solange angegriffen werden, bis sich sein Herr dazwischen stellte und

seinerseits die Fehde beendete oder kämpfte. Das Unfreie selbstständig Fehde

führten, oder besser selbstständig befehdet wurden, wird angesichts des

Kompetenz- und Obrigkeitsgerangel zwischen benachbarten Herren eher die

11 (Andermann kein Datum) S.331.12 Vgl. (Andermann kein Datum) S.332.13 Vgl. (Rösener kein Datum) S.476.14 Vgl. (Graf 1997) S.179.

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Ausnahme als die Regel gewesen sein. Die Sachsen jedoch überließen den

Unfreien samt Sippe ganz der Rache des Beleidigten. In Burgund und unter

salischer Herrschaft wurde der Übeltäter dem Ankläger ausgeliefert um die

Fehde zu beenden.15 Weitere Verfahrensweisen waren Geldzahlungen nach

dem Vorbild Childeberts. In den angelsächsischen Gesetzen von Clothar ist

beispielsweise nachzulesen: „Wenn eines mannes knecht einen adligen mann

erschlägt, wo der sei, 300 schill. gelte er. Der eigenthümer gebe den mörder auf

und dazu dreier männer werth. Wenn der mörder entkommt, thue er eines

vierten mannes werth hinzu und bekenne mit guten eidhelfern, dass er den

mörder nicht bekommen könne.“16 Es gab also ein ausgeklügeltes

„Umrechnungssystem“ um durch Geldzahlungen weitere Gewalttaten

ausschließen zu können. Es lässt sich des Weiteren erkennen, „dass der friede

der unfreien und hörigen ebenfalls nur durch den schutz ihrer herrn gesichert

war, und man kann daher sagen, dass der herr sein gesammtes gesinde in seiner

friedensbürgschaft hatte.“17

3.3 Die Formalisierung der Fehde.

Die Historiker und Juristen des frühen neunzehnten Jahrhunderts glaubten „das

Fehde- und Faustrecht des Mittelalters sey ursprünglich nichts anderes

gewesen als ein absolutes Recht des Stärkeren, ein maassloses Recht der

rohesten Gewalt!“18 Aber schon von Wächter war 1845 klar, dass „die

Missbräuche, die Einzelne vom Fehderecht machten und die freilich unzählige

Male vorkamen […] nicht als Beweis für das angeführt werden [können] was

als Recht bestand, so wenig man bei uns aus den häufigen Diebstählen folgern

kann, dass dermalen in Deutschland das Stehlen ein erlaubter Modus

acquirendi sey! “19 Tatsächlich unterlag das Fehdeführen im Mittelalter

bestimmten Normen. Im Vorfeld der Heimsuchung und des Schadentrachtens

mussten Verhandlungen geführt werden. Im Falle ihres Scheiterns galt die

folgende Gewaltanwendung als legitime Form der Selbsthilfe.20 Die Fehde

15 Vgl. (Unger 1842) S. 14-17.16 (Unger 1842) S.17.17 Vgl. (Unger 1842) S.19.18 (von Wächter 1845) S. 47.19 (von Wächter 1845) S. 48.20 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 473.

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wurde in gerechte und unrechte Fehde eingeteilt und von den Zeitgenossen als

solche erkannt.21 Allein die Notwendigkeit als Fehdeführender, die Gründe für

Agression den Gelehrten, Verbündeten und Befehdeten nahezubringen war ein

Element des Fehderechts das die Willkür stark einschränkte und auch den Grad

der Brutalität beschränkte. Fehdeansagen und Absagen dienten nicht nur der

Information des Gegners über bevorstehende Kampfhandlungen. Ausschreiben

buhlten, rhetorisch ausgeklügelt, um die Gunst der öffentlichen Meinung.

Propaganda besaß bei vielen Fehden einen hohen Stellenwert. Oft wurden

Argumente ins Feld geführt, die nichts mit dem eigentlichen Fehdegrund zu tun

hatten.22 Wie sich aus dem Beispiel des Götz von Berlichingen ablesen lässt,

wurden auch gerne Belange Dritter also pro amico vertreten um Raub und

Überfall zu legitimieren. In Goethes Werk nutzt die Hauptfigur einen simplen

Sachverhalt um sich als Feind der Stadt Köln zu präsentieren. Sein Bekannter

Hans Sindelfinger nahm an einem Schützentournier teil und wurde von den

Stadtvätern der austragenden Stadt um das Preisgeld geprellt. Götz nahm den

Betrug an Sindelfinger zum Anlass, der Stadt Köln die Fehde per Brief zu

erklären. Die zweijährige Auseinandersetzung, ausgelöst durch ein Preisgeld

von 100 Gulden endete mit einer Sühnezahlung der Stadt Köln. Eberhard von

Königsstein war der Vermittler dieses kostspieligen Friedens und von

Berlichingen konnte sich über einen Teil der geleisteten 1000 Gulden freuen.23

„Das Recht der Fehde zu führen stand nur dem rittermäßigen Manne zu, nicht

Bauern, Bürgern, Klerikern, Juden und Frauen.“24 Diese Prämisse wurde aber

nur zu oft umgangen oder gebrochen wie uns zahlreiche Erzählungen belegen

können. So erklärte ein Koch von Eppenstein seinem Herren, einem Grafen

von Solms per Brief die Fehde, weil er sich bei der Zubereitung eines Hammels

das Bein verletzte und die Schuhknechte von Leipzig befehdeten sich mit den

Studenten ihrer Stadt25 Auch der Angriff des nichtadligen Hans Diemar, der

sich seinen Titel erschlich, auf Schwäbisch Gmünd lässt sich in diese Rubrik

einordnen.

21 Vgl. (Andermann kein Datum) S. 332.22 Vgl. (Graf 1997) S. ***17***23 Vgl. (Volckart 2004) S. 3.24 (Andermann kein Datum) S. 333.25 Vgl. (von Wächter 1845) S. 57.

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Friedrich Barbarossa beschäftigte sich auch mit dem Fehdeverbot und stellte

Raub, Mord und Brandschatzung im Reichslandfrieden von 1152 unter Strafe,

egal ob ihnen ein Fehdebrief vorausgegangen war. 1182 muss er einsehen, dass

der Wehrstand sich nicht durch einen Landfrieden vom Fehdeführen abhalten

lässt. Um trotzdem eine gewisse Mäßigung und Kontrolle zu erwirken,

formalisierte Friedrich I. das Fehderecht. Sein Friedensgesetz von 1182 legte

fest, das der Fehde eine schriftliche Ansage voraus zu gehen hat, die 3 Tage

vor den ersten Kampfhandlungen zugestellt werden muss.26 „Seit dem

berühmten Mainzer Reichslandfrieden von 1235 wird zudem als

Voraussetzung der Fehde festgelegt, daß der Fehdeerklärung der vergebliche

Versuch voraufgehen muß, auf dem Rechtswege zum Ziel zu kommen.“27

4. Landfriedensbewegung und Gottesfrieden

Von kirchlicher Seite wurde die Fehde durch Gottesfrieden oder bestimmte

Zeiträume beschränkt in denen es nicht gestattet war zu kämpfen. Die

Fastenzeit oder das Weihnachts- und Osterfest waren christliche Feste in deren

Zeitraum alle Waffen ruhen sollten. Frauen, Kleriker und Bauern die ihr Land

bestellen mussten konnten durch Gottesfrieden geschützt werden. Trotz des

himmlischen Rückhalts war die Wirkung dieser göttlich verfügten

Waffenstillstände eher mäßig.28 Mit der Emanzipation der Juristen und

Kanzleien, unterstützt durch die Landfriedensbewegung, wurde das Recht der

Fehdeführung immer weiter eingeschränkt und Selbsthilfe kriminalisiert.

Landfrieden enthielten sowohl den Charakter eines einseitig beschlossenen

Gesetzes als auch den eines Vertrages zwischen zwei Parteien. Solche

Beschlüsse wurden auf Hoftagen vom Herrscher mit Rat und Zustimmung

seiner Lehnsmänner beschlossen. Die Landfrieden und Reichslandfrieden

wurden im 13. Jahrhundert von einer feudalen Elite ausgehandelt. Zu den

Tugenden eines Herrschers gehörte die Friedenswahhrung29 Friedensschlüsse

sowie Beschränkung der Auseinandersetzungen wurden weniger durch Einung

der Parteien erreicht, sondern grundsätzlich durch Gesetze reglementiert. Die

Selbstjustiz entwickelte sich von ehrbarer Tradition, die zum Handeln

26 Vgl. (Rösener kein Datum) S. 476-477.27 (Rösener kein Datum) S.477.28 Vgl. (Andermann kein Datum) S. 332.29 Vgl. (Klementowski 2004) S. 94

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verpflichtete, zu einer barbarischen Verhaltensweise überwundener Zeiten.

Den Fehdeherren winkten keine Respektsbekundungen oder Lösegelder mehr,

sondern Landsknechte, Gerichte und Kerker.

5. Städtefeindschaft als Konflikt zwischen Adel und Bürgertum

Im späten Mittelalter ist zu Beobachten, das weniger Fehden innerhalb adliger

Parteien ausgetragen werden, aber die Auseinandersetzungen zwischen Städten

und Adel stark zunehmen. So ist in einem Fehdebrief der Ritter von Herzog

Ludwig dem Bayer an verschiedene Reichsstädte30 nachzulesen: „und ob ihr

Reichsstädt ob solcher Feindschaft Schaden nehmen möchtet, es wäre mit

Brand, Brandschatzen, Todschlägen oder anderen Sachen, wie sich das machen

oder begeben wird, dessen wollen wir unsre Ehre hiermit bewahrt haben.“31

Der Herzog begründet seine Fehdehandlung also als Bewahrung der Ehre. Ein

Edelmann, der sich in seinen Herrschaftsrechten beschnitten sah war mit einer

Ehrkränkung konfrontiert, die er unmöglich ungesühnt lassen konnte. Städte

die sich mit ihren Räten selbst verwalten wollten, die Gerichtsbarkeit erkauft

hatten und sich mit eigenen Söldnerheeren rüsteten, mussten von den Adligen

Herrschaftsträgern als Anmaßung des Pöbels aufgefasst werden. Zur

Untermauerung des Konflikts zwischen Adel und Städten sollen zwei Beispiele

dienen.

5.1 Die Fehde Hans Diemars mit Schwäbisch Gmünd.

Ich möchte, entgegen der Chronologie, mit der Fehde des Hans Diemars von

Lindach gegen die Reichsstadt Schwäbisch Gmünd (1543-1554) beginnen, die

uns durch zahlreiche Akten, entstanden in der württembergischen Kanzlei und

dem Reichskammergericht, überliefert ist. Hans Diemar war kein wirklicher

Adeliger jedoch hatte sein Vater, ein Landjunker, den Lindacher Turm, ein

Gebäude staufischer Zeit, samt Anwesen erwerben können. Dieses

Statussymbol und die Tatsache, dass ein fränkisches Adelsgeschlecht mit

Namen Diemar existiert, veranlasste Hans Diemar wohl das „von Lindach“

30 Zu nennen sind hier unter anderem: Ulm, Esslingen und Augsburg.31 (von Wächter 1845) S. 57.

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seinem Namen hinzuzufügen. Eine geschickte Hochstapelei die ihm

Herrschaftsansprüche und gewisse Privilegien wie eben die Fehdeführung

eröffnete. Außer des elterlichen Wohnsitzes besaß Hans Diemar keinen

finanziellen Rückhalt um seiner nichtadligen Herkunft edlen Anschein zu

verleihen. Er stellte sich selbst als armen Adligen dar, der sich gegen die

wohlhabenden städtischen Kaufleute durchsetzen muss. Nach dem Tode des

Vaters erbte sein Bruder den Turm, er nur etwas Land und Gut in der

Umgebung Lindachs. Um seinen Lebensstandart zu verbessern und sich als

Edler zu gebärden war der Lindacher nun bemüht, Besitz und Herrschaft

auszuweiten32 „Der Konflikt mit der benachbarten Reichsstadt Schwäbisch

Gmünd war sozusagen vorprogrammiert,…“33. Kleine Streitigkeiten um eben

diesen Besitz verschlechterten das Klima zwischen dem Neuadligen und der

benachbarten Stadt. Zur Eskalation kam es als die Stadt Gmünd einen

Bauernhof ankaufte der angeblich unter dem Herrschaftsanspruch Hans

Diemars stand. Dieser wartete nicht lange sondern suchte den Bauern, welcher

sein Gut verkauft hatte, heim. Als Reaktion auf diesen Gewaltakt verklagte

Gmünd den Lindacher vor dem Gericht in Speyer. Vertreten durch einen

Advokaten aus Speyer und mit Unterstützung württembergischer Fürsten

ignorierte der Beklagte die Ladung und antwortete Gmünd im Oktober 1543

mit einem Fehdebrief, Raub und Brandschatzung. Das ihm seine Reaktion und

das Fernbleiben vom Gericht Speyer die Reichsacht einbrachte schien Hans

Diemar nicht zu stören. Seit dem Ansagen der Fehde, waren die Gmünder nicht

mehr sicher.34 Das Aufstellen eines Söldnerheeres und die Vergrößerung und

Modernisierung der sechzehn Hektar umfassenden Befestigungsanlagen aus

der Stauferzeit sowie der 1350 begonnenen zweiten Stadtumwehrung, brachten

nur den Stadtbewohnern Schutz.35 Diemar und seine angeworbenen

Landsknechte steckten Höfe in Brand, erpressten die Dorfbewohner und

verbreiteten Schrecken. Acht und die damit verbundene Konfiszierung der

Güter des Neuadligen hielten ihn und seine Mitstreiter nicht davon ab die

Befehdung der Reichsstadt fortzusetzen. Zweifellos erhielt der

Emporkömmling Obdach und Unterstützung durch württembergische Adlige

32 Vgl. (Graf 1997) S. 168-169.33 (Graf 1997) S.169.34 Vgl. (Graf 1997) S. 169.35 Vgl. (Herrmann 2004) S. 1-2.

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bis hin zum Herzog. Jedoch wurde der Fehdeherr während des

Schmalkaldischen Krieges in Württemberg festgenommen. Trotz des

Bemühens der Gmünder, Diemar peinlich zu Verhören und kaiserlicher

Anweisungen den Landfriedensbrecher in strenger Gefangenschaft zu halten

kam er dank Herzog Christoph von Württemberg 1551 wieder auf freien Fuß.

Die Machtlosigkeit von Reich und Kammergericht wird deutlich, da nichts

mehr gegen Hans Diemar unternommen werden konnte und am 10. März ein

Vergleich zwischen ihm und Gmünd geschlossen wurde, der Forderungen und

Fehdehandlungen für die Zukunft ausschloss.36

Von den Landesherren durften die Städte, wie aufgezeigt, meist wenig

Unterstützung erwarten.

Das noch zu erörternde Beispiel von Hannover zeigt, das sie teilweise auch

selbst zur Waffe griffen um die Metropolen zu schwächen. Anderen Herzögen

war es nur Recht, wenn Niederadlige diesen Job selbstständig ausführten. Die

Verfolgung adliger Landfriedensbrecher von Seiten des Lehnsherren oder

Fürsten viel bestenfalls halbherzig aus. Konrad Stolle ein Chronist aus Erfurt

beklagte um 1450, dass der Kurfürst von Sachsen Geschenke der Stadt

entgegen nahm und gleichzeitig gegen Erfurt vorging und auch seine

Verbündeten, die Städtefeinde beherbergten: „Her nam von den von Erfforte

das gelt, silber unnd golt zu geschencke, und liss sy gliche sere verfolgen,

schinden und rouben. Grafe Heinrich von Schwarzburg was der von Erfforte

gute frunt der thet desselbigen glichen ouch, der hilt der von Erfforte fiende uff

in synen steten.“37

Das Ausrauben von Kaufleuten galt als Bagatelldelikt. Ein Ausspruch des

Markraf Friedrichs an seine Ritter belegt das deutlich: „ Es geet wohl hin, den

kaufleuten die deschen schütlen, aber allain am Leben sollt ir inen nichts

thon.“38 Der Graf steckte also deutliche Grenzen für die Anwendung von

Gewalt legitimierte aber den Straßenraub für seine Ritter. Solange kein

Kaufmann bei den Überfällen ermordet wurde konnten sich die Edelleute des

Rückhalts, durch ihren Herrn sicher sein.

Das der Niederadel benachbarte Städte befehdete, um seiner immer schwächer

werdenden politischen Position stärkeren Nachdruck zu verleihen, erscheint

36 Vgl. (Graf 1997) S. 169-171.37 (Graf 1997) S. 184.38 (Rösener kein Datum) S.471.

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einleuchtend. Aber sogar die Landesherren waren nicht abgeneigt dem

erstarkenden städtischen Räten und Kaufleuten persönlich durch kriegerische

Auseinandersetzung Einhalt zu gebieten.

5.2. Die Fehde Hannovers mit seinem Landesherrn.

Im Roten Stadtbuch von Hannover lässt sich ein bemerkenswertes Ereignis

nachlesen, „das Bürgermeister, Rat und Geschworene dort eintragen ließen.“39

Der im Januar 1491 vom Stadtschreiber Gerhard Kolshorn verfasste Bericht,

schildert den Überfall des Landesherren Heinrichs des Älteren auf seine Stadt

Hannover. Diese kriegerische Aktion hat in der Bevölkerung Hannovers ein

hohes Maß an Betroffenheit ausgelöst. Das Bedürfnis dieses Ereignis für die

Nachwelt, in diesem Fall den folgenden Amtsträgern, zu erhalten und es genau

zu beschreiben ist also wenig verwunderlich. „Die Bedeutung des

Überfallberichts liegt darin, daß er als Zeichen für das erwachende städtische

Selbstbewusstsein im Jahr 1491 steht. Erstmals wurde die Schriftlichkeit in der

Stadt genutzt, nicht nur um Rechtsverhältnisse glaubwürdig belegen zu

können, sondern um ein Ereignis, das der Stadt widerfahren war, vor der

Vergessenheit zu bewahren.“40 In der Edition der Chronik von Otto Jürgens

wird dieser Eintrag im Roten Buch als erste Geschichtsdarstellung der Stadt

Hannover gewürdigt.41 Die politische Führungselite war darauf bedacht diesen

Angriff des Herzogs für ihre Nachfolger als Lehrmaterial zu bewahren. Im

Schlussteil des Berichts wird dieses Motiv leicht deutlich und eine weitere

Tradition angemahnt: „Up dat sodans gedechtnisse van mynschen to mynschen

in der gedechtnisse blyve unde nummer vorgeten werde, hebben wy dat tor

dechtnisse scriven laten.“ Der lateinische Abschlusssatz „Et ergo nolite

confidere in Princibus!“42, ein leicht abgewandeltes Bibelzitat, ist bezeichnend

für die Einstellung der Stadtobersten gegenüber dem Fürsten. Auch die

Charakterisierung Heinrichs des Älteren und seiner „boser archwilliger

rathgever“ fällt dementsprechend negativ gefärbt aus. Im Diskurs von

Städtfeindschaft und Fürstenangst wurde diese Formulierung (nolite confidere

in Princibus) des Öfteren verwendet. Traut nicht den Fürsten in ihnen ist kein

39 (Kreter 1996) S. 66.40 (Kreter 1996) S.72.41 Vgl. (Kreter 1996) S. 66.42 (Kreter 1996) S. 87.

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Heil ist uns auch bei dem Konflikt der Reichsstadt Schwäbisch Gmünd mit

Diemar von Lindach begegnet.43 Die Auseinandersetzung mit dem Herzog

wurde exakt datiert: „dede was de dach sancti Crisogoni martiris, is nomptliken

de avent der hilligen juncfrowen sancte Katherinen nach Christi unses heren

gebort verteynhundert na im negentigesten Jare,“44 Dem Verfasser war hier

eine genaue Angabe wichtig um später auf das Ereignis Bezug nehmen zu

können, welches als Eskalation eines seit 1486 schwelenden Konfliktes zu

sehen ist . „Selbst die nächtliche Ankunftszeit des Herzogs vor Hannover

wurde festgehalten, weil sie einmal zum Verständnis der List beiträgt, sie aber

auch zu den Fakten gehört, worüber sich die Hannoveraner empörten: „in

nachtsclapender tidt“ erscheint kein guter Bürger und kein Herzog vor der

Stadt, wenn er es ehrlich meint.“45 Durch einen einfachen Stadtbürger sollte der

Überfall vereitelt werden. Cord Borgentrick beobachtete die nachts

heranschleichenden Soldaten und konnte das kurz vor dem Angriff den

Verteidigern melden. Als das Angriffssignal, ein Schuss, ertönte blieben die

Tore für die heranstürmenden Truppen des Herzogs, mit Fußsoldaten, Reiterei

und getarnten Fuhrwerken, verschlossen. Die Stadt wurde also belagert, das

Umland geplündert und verwüstet. Durch die Aufzeichnungen wird das wie

folgt beschrieben: „is he“ gemeint ist der Herzog „dar mede nicht gesediget

gewesth, sunder hefft vort de Dornder lantwere bemannet“46 In diesem Satz

soll auch die Habgier des Landesherren deutlich gemacht werden, die als

gerechter Grund für Fehde und Händel auszuschließen ist. Des Weiteren

bemängelt der Text das vollkommene Fehlen einer Gewaltandrohung oder

Fehdeerklärung. Der Verfasser der Chronik stellt die Unrechtmäßigkeit des

Angriffs, nach damaligen Gesichtspunkten, klar heraus: „Welcke erbenomde

unfurstlike ungehorde vornhemynge is alle begangen van dem sulven fursten

ahne alle vorwaringe unde veyde…“47 Das Wort unfürstlich wurde im

Zusammenhang mit den adligen Herrschaftsträger öfter gebraucht. Da Princeps

Fürst und Herrscher gleichermaßen bedeutet bin ich der Meinung, dass die,

sich neu emanzipierenden bürgerlichen Herrschaftsträger der Stadt, mit dieser

Formulierung, dem Landesherren eine gewisse Herrschaftsunwürdigkeit

43 Vgl. (Kreter 1996) S. 81.44 (Kreter 1996) S. 85.45 (Kreter 1996) S. 71.46 (Kreter 1996) S.87.47 (Kreter 1996) S.87.

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ankreiden wollten. Wie schon erwähnt stieg das Selbstbewusstsein der

wohlhabenden Städte im ausklingenden Mittelalter rasch an. Die alte Elite

wurde mit dem aufstrebenden Bürgertum konfrontiert das sich mit seinen

kompetenten Kanzleien, Juristen und Beamten in einer politisch erstarkenden

Position befand.

6. Entwicklung des Militärs im Spätmittelalter.

Militärisch waren die Städte besser und besser gerüstet. Im hohen Mittelalter

musste jeder Bürger, egal wie vertraut er mit dem Kriegshandwerk war, zur

Waffe greifen, um die Stadt zu schützen. Angesichts der bestens trainierten und

mit Harnisch, Schild und Schwert bestückten Ritter dürften die Chancen eines

einfachen Bauern oder Handwerkers zur Gegenwehr, mäßig ausgefallen sein.

Im späten Mittelalter wandelte sich das Blatt zugunsten der Städte.

Leichtbewaffnete Söldnertrupps die sich berufsmäßig militärisch beschäftigten

wurden angeworben und ausgerüstet um die Zentren samt Umland vor

Landfriedensbruch zu bewahren. Die Erfindung des englischen Langbogens

und das Bekanntwerden des Schießpulvers in Europa änderten den taktischen

Wert des wohlhabenden und damit gegen alle Waffenangriffe gut gerüsteten

Ritters. Der Bogen, ist schon seit dem Paläolithikum nachweisbar, wegen der

Möglichkeit aus der Ferne und dem Hinterhalt anzugreifen, war er aber als

unritterliche Waffe im Mittelalter geächtet. Als sich die europäischen

Kreuzritter mit den muslimischen Bogenschützen konfrontiert sahen, rüsteten

auch englische und nordfranzösische Fürsten Bogentruppen aus.48 Obwohl der

Bogen als Fernwaffe eingesetzt wurde, geschah dies nur sporadisch. Die

kurzen Bogen erreichten im Kampf gegen schwer gepanzerte Ritter wegen der

geringen Durchschlagskraft kaum Bedeutung. Das änderte sich durch die

Entwicklung des Langbogens unter König Edward I.. Er konnte durch die

Formation der Schützen und das salvenweise Schießen mit dem äußerst

durchschlagskräftigen Langbogen der gegnerischen Ritterschaft peinliche

Verluste beibringen.49 Der Aufstieg des Langbogens vermindert die Bedeutung

der teuren, dem Adel vorbehaltenen Rüstung enorm. Ihre Verstärkung

48 Vgl. (Lanz 2005) S. 112.49 Vgl. (Lanz 2005) S. 112.

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schränkte die Bewegungsfreiheit immer mehr ein und das zunehmende

Gewicht wurde zur unerträglichen Belastung für Träger und Pferd. Ein

einfacher Bauer oder Unfreier war jetzt in der Lage, mit einem Bogen gerüstet,

mehrere Ritter im Kampf tödlich zu treffen ohne selbst verletzt zu werden.

Eine neue Situation für die Edlen, die zwar mit Bauern kurzen Prozess

machten, Ihresgleichen aber verschonten um Lösegeld zu erpressen. 1364 ist

eine weitere Quelle nachweisbar, die von Waffen spricht, der kein Harnisch

trotzen könne. Bei dieser Überlieferung aus Peruga geht es um die ersten

nachweisbaren Überlieferungen von Handfeuerwaffen.50 Der Einsatz des

Schießpulvers führte den unwirksamen Schutz durch schwere, teure Harnische

ad absurdum. Dieses Gemisch aus Holzkohle, Salpeter und Schwefel stammte

ursprünglich aus China. Durch den Kontakt der europäischen mit arabischen

Kaufleuten wurde es auch in Europa bekannt. Als einfaches Treibmittel

revolutionierte es die Art der Waffen, Belagerungsmaschinen und auch die

Rüstung. Waren die ersten Kanonen noch äußerst ungenaue Metallungetüme,

so nahm die Bedeutung des Schießpulvers stetig zu und die Erfindung der

„Büchse“ brachte den Durchbruch. Verschiedene Kaliber und die Möglichkeit

Steine oder Metall zu verschießen machten diese Erfindung zu einer variabel

einsetzbaren und immer gefährlicheren Waffe.51 „Und diese neue Waffe hat

wohl 1374 den ersten Sieg direkt herbeigeführt, als es den Franzosen gelang,

die Stadtmauer von Saint-Saveur-le-Vicomte niederzuschiessen. 1377 zerstörte

Philipp der Kühne, Herzog von Burgund, bei der Belagerung von Odruik die

Mauern der Befestigung mit Kanonen und gelangte so zum Sieg bzw. zur

Einnahme des befestigten Ortes. Als England 1380 eine Invasion durch

französische Truppen drohte, verstärkten sie als erstes Calais mit 60 Büchsen,

während auf der Gegenseite die Franzosen und die Burgunder dazu

übergingen, ihre Schiffe

mit Büchsen der verschiedensten Kaliber auszurüsten.“52

6.1. Folgen für den Adelsstand

50 Vgl. (Lanz 2005) S. 113.51 Vgl. (Lanz 2005) S. 111-113.52 (Lanz 2005) S. 110.

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Das Krieg führen, als Hauptbeschäftigung des Adligen geriet durch den Einsatz

des Langbogens und des Schießpulvers in den Hintergrund. Ein Landesherr

brauchte nur noch wenige, taktisch gut geschulte Offiziere um die neuen

Waffengattungen zu koordinieren. Die Landsknechte und Söldner der Städte

verzichteten verständlicherweise auf Adlige in den Führungspositionen.

Aufgrund der neuen Taktiken waren Ritter in ihren Reihen überflüssig

geworden. Mit dem Verschwinden der Rüstungen nahmen auch die

Rittertourniere und höfischen Feste ab. Die Repräsentation der Niederadligen

musste immer sparsamer ausfallen. Aus ihrer Sicht erscheint es verständlich,

wenn sie sich gegenüber dem reichen Bürgertum in einer Krise sahen. Der

Griff zum Rechtsmittel der Fehde muss für einige Adlige der nächste Schritt

gewesen sein um der Anmaßung des Pöbels Einhalt zu gebieten, vor allem

wenn sich so ein Einsatz selbstständig refinanziert. Ein proadliger Autor mit

dem Künstlernamen „Bauernfeind“ schrieb über die Kaufleute: „ Den richesten

den ist nit zu getrüwen./ Kein bedermann sal uf sie büwen./ Sie überheben sich

der hohen müren./ Sie achten aller Herren nicht./ und sint doch filzgeburen.“53

Nur verständlich wenn die Herren bestrebt waren, sich wieder Achtung zu

verschaffen.

7. Schlussbetrachtung

Das Raubrittertum ist kein Phänomen, was auf breiter Front im Spätmittelalter

sein Unwesen trieb. Jede Erzählung über Raubritter muss gesondert betrachtet

werden. Die vielschichtigen Bündnisse zwischen Städten und die

verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Adelsgeschlechtern

erschweren die Motivsuche und die Abstraktion der einzelnen Fälle. Die Fehde

als Institution wurde zur Herrschaftserhaltung oder Züchtigung missbraucht

und gerechte Motive wurden konstruiert. Ebenso diente sie aber der

Durchsetzung von Recht und Gerechtigkeit. Jede Fehde und jeder Überfall

birgt eine Vielzahl von wahren und konstruierten Gründen, von Tradition und

Zwang und von Willkür und Gier. Der Raubritter in Reinform war eine

äußerste Seltenheit. Was offensichtlich wird, wenn man die Entwicklung des

Adels insbesondere des Niederadels betrachtet, ist die zunehmende

Marginalisierung der Edlen durch die gleichzeitige Emanzipation bürgerlicher

Eliten. Die Krise des Adels, hervorgerufen durch Neuerungen im Militärwesen 53 (Graf 1997) S. 182.

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und veränderte Erfordernisse in Herrschaft und Verwaltung, erzwang

Verhaltensweisen, die später als Raubrittertum verallgemeinert wurden.

Ritterliche Fähigkeiten konnten nicht mehr genutzt werden und wurden

weniger geachtet, die Bildung des reichen Bürgertums löste das Geburtsrecht

auf Herrschaft, langsam auf. Repräsentation war den adligen Eliten mit der

nötigen finanziellen Ausstattung vorbehalten. Der Niederadel musste sich dem

Bürgertum langsam unterwerfen. Die Auswüchse der Fehde stellten den letzten

Wiederstand gegen die aufziehende moderne Epoche des aufgeklärten

Bürgertums dar.

Literaturverzeichnis

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