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Villingener Hefte Ein Dorf der Großgemeinde Hungen im Spiegel seiner kostbaren Archivunterlagen und Baudenkmäler. Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen, Heft 1 VILLINGER HEFTE - ein Projekt des "Heimatkundlichen Arbeitskreis" der Evanglischen Kirchengemeinde Villingen www.villingen-online.de

Heft 1 Villingener Hefte - villingen-online.de · der Matutin am Karsamstag: „Ecce quomodo moritur iustus“. Die Rückseite enthält das Ende des 2. Antiphon der Vesper vom Ostersonntag:

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  • Villingener Hefte

    Ein Dorf der Großgemeinde Hungen im Spiegel seiner kostbaren Archivunterlagen und Baudenkmäler.

    Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen,

    Heft 1

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    Wilhelm Konrad; Heinz P. Probst; Otto Rühl.

    Heimatkundlicher Arbeitskreis innerhalb der Evangelischen Kirchengemeinde Villingen.

    Heft 1/2002.

    Inhaltsverzeichnis: Vorwort: 2-4 I. Alte Pergament Fragmente aus dem Archiv von Villingen. 5-18 II. Chronica von 1606. 19-23 III. Bürgermeisterrechnungen seit 1557/58. 24-35 IV. Das Gericht Vilden seine Siegel und Unterlagen. 36-39 V. Die Ortschronik, 1857, angefangen von Pfarrvikar Sellheim 40-49 VI. Die Geschichte des Ortes, Ersterwähnung. 50-55 VII. Die Kirche von Villingen. 56-60 VIII. Die Glocken in Villingen. 61-64 IX. Wüstungen rund um Villingen. 65-69 X. Der Villinger Markustag. 70-71 Die Autoren, Impressum: 72

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    Vorwort: Ein Dorf der Groß-gemeinde Hungen im Spiegel seiner kostbaren Archivunterlagen und Baudenkmäler. Viele Kirchen- und Gemeinde-archive in Oberhessen bergen sicher noch ungehobene Schätze, nur wenige sind ganz erfasst und in einer geeigneten Form der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Im Jahr 1857 hat die Großherzogliche Regierung von Hessen-Darmstadt angeordnet, dass alle überkommenen „Althertümer“ bewahrt werden und alle wichtigen Vorkommnisse in der Gemeinde schriftlich festgehalten und so für die kommenden Generationen bewahrt werden sollen.1 Um die Jahrhundertwende wurden danach auch die Pfarrarchive des Landes systematisch erfasst, diese Arbeiten setzten sich bis um 1920 fort.2

    1 GH Instruktionen für die Führung von Ortschroniken vom 29.07.1857. 2 Inventare der ev. Pfarrarchive im Großherzogtum Hessen, Hrg. Großherzogliche Oberkonsistorien, Darmstadt, 1913, Inventare der ev. Pfarrarchive im Freistaat Hessen, Hrg.

    Wesentliche Grundlage bildete das damals vorbildliche Großherzogliche Denkmalschutz-gesetz vom 16. Juli 1902. Hierdurch wurden alle Kirchenvorstände im Großherzogtum mit „Aus-schreibung“ vom 31. März 1908,zur richtigen Verwahrung und zur Verzeichnung ihrer Bestände in den

    Pfarrarchiven angewiesen. Es entstanden die o. a. gedruckten Inventarverzeichnisse. Diese Inventarverzeichnisse sind noch heute Fundgrube für Heimat-

    Hessische Oberkonsistorien, Darmstadt, 1920.

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    forscher, wenn es um die Geschichte der einzelnen Orte geht. In der ehemals selbständigen Gemeinde Villingen, heute Stadtteil von Hungen, haben sich in den Archiven Unterlagen erhalten, die teilweise so ohne Beispiel in Gemeindearchiven sind. Die wichtigsten sollen hier vorgestellt werden, damit sie auch einem weiteren Kreis von Interessierten bekannt werden und damit einiges aus der Geschichte des Dorfes lebendig wird. Die ältesten Archivalien sind Fragmente und Reststücke aus dem 12. bis 16. Jahrhundert, sie stammen überwiegend aus ecclesialen Werken3 und sind überwiegend in Latein verfasst, nur das Dokument T ist in hebräischer Sprache geschrieben. Nachdem auch in Villingen die Reformation eingeführt worden war, wann das genau war das wissen wir leider nicht,4 benutzte

    3 Hier kirchlichen Handschriften. 4 Überliefert ist nur, dass die Einführung der Reformation in der Grafschaft Soms-Braunfels um 1554 durch Graf Philipp begonnen wurde, wir hören aber vorher schon von lutherischen Bewegungen in der Grafschaft, bspw. in Grüningen schon um 1534. Graf Konrad von Solms-

    man die nunmehr überflüssig gewordenen Pergamente als Verstärkerrücken für die anderen Akten, so bspw. für die Bürger-meisterrechnungen und Zins-register. Erst in den 70er Jahren des vergangenen Jh. hatte man den Wert dieser Unterlagen auch in der Gemeinde erkannt, Herr R. Lummitsch aus Assenheim hat die Reste von den Akten entfernt, teilweise präpariert und der Altlateiner Herr Dr. Staab aus Stadecken-Elsheim hat die Reste in mühevoller Kleinarbeit übersetzt, transkribiert und in den Zusam-menhang zu den ursprünglichen

    Braunfels hat dann 1581 hier das reformierte Bekenntnis eingeführt, dieses gestaltete sich scheinbar aber nicht ganz einfach, denn Nieder-Bessingen und Röthges blieben bspw. lutherisch, weil ja vorher bereits das lutherische Bekenntnis eingeführt worden war. Eine Visitation durch den Bischof von Mainz im Jahr 1549 hatte dann auch festgestellt, dass in Hungen und Langsdorf die Pfarrer beweibt waren. Im Solmser Erbteilungsvertrag vom 9. November 1548 heißt es: „... die Phar zu Villin .... so der Stift Lich zu nominiren und wir Grave Reinhart (Lich) und unsere Erben zu presenteren haben“. (Lit. Diehl, D. Dr., Hassia sakra IV, S. 142 ff).

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    Texten gebracht oder aber die Ursprungstexte recherchiert, soweit dieses überhaupt noch möglich war. Aus einem Schreiben von Dr. Staab vom 02.09. 1981 ist zu entnehmen, hätte er diese Arbeit nach Aufwand berechnet, so wäre eine astronomische Summe zustande gekommen. Diese Fragmente von Pergamenten befinden sich heute im Stadtarchiv Hungen, sauber in einzelne Umschläge verpackt, beschriftet von A bis T und zusammen mit der Transkribierung sicher verwahrt. Darüber hinaus gibt es im Archiv eine sogenannte Chronica die bis auf das Jahr 1606 zurückgreift. Eine Ortschronik, die von Pfarrvikar Emil Sellheim im Jahr 1857 begonnen wurde. Unterlagen des früheren Gerichtes Vilden. Nicht zu vergessen die vielen Einzeldokumente des Gemeinde-archivs. Diese Unterlagen haben uns angeregt, sie im Rahmen einer eigenen Publikation einem breiteren Publikum zugänglich zu machen. Villingen/Queckborn im Dez. 2002 Das Autorenteam: Wilhelm Konrad; Heinz P. Probst; Otto Rühl.

    Villingen 1853

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    I. Die Pergamentreste aus dem Archiv von Villingen:

    Im nachfolgenden werden die Pergamente kurz vorgestellt; auf die völlige Übersetzung wurde an dieser Stelle verzichtet, sie würde den gesetzten Rahmen bei weitem sprengen, diese Übersetzung ist ggf. der im Stadtarchiv vorliegenden Transkribierung zu entnehmen.

    A Es handelt sich bei den Pergamentresten im Umschlag A offenbar um Reste von einem Antiphonar.5 Leider sind die Reste zu spärlich, um größere Zusammenhänge zu erkennen, bisher sind nur 2 Seiten ganz sicher identifiziert worden, der Anfang des Psalm 5 „Verbamea“ und an-näherungsweise ein Antiphon „Hic accipiet“. Die Texte auf der Vorderseite scheinen zu einem Totenoffizium6 zu gehören, vielleicht für einen verstorbenen Bischof.

    5 Aniphonien = liturgische Wechselgesänge. 6 Officium = Dienst, Amt, Ehrenbezeigung = Totengottesdienst

    B Unter diesem Buchstaben sind Fragmente von einer Seite einer Handschrift vorhanden die als „Decretum Gratiani“7 identifiziert 7 Decret (päpstliche) Verordnung, kanonisches Recht, Gratiani = nach

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    werden konnte und aus der 2. Hälfte des 12. Jh. (?)8 stammt. Sie ist auch mit Randglossen versehen die jedoch kaum zu entziffern sind, dagegen konnte der Haupttext weitgehend zugeordnet werden, es ist der 2. Teil des Dekretes causa, XXIII q. IV, c. 11-18.

    C Hierbei handelt es sich um Fragmente einer Handschrift aus dem 13. Jh., dessen Inhalt nicht

    Gratian dem Verfasser dieses Werkes einem Rechtsgelehrten aus Bologna, causa = Rechtsgrundlage, Rechtsfall 8 Gratiani soll nach einer verbindlichen Quelle vor oder um 1160 gestorben sein, in Döbler, H.F., Kultur und Sittengeschichte der Welt, München, 1973, S. 164.

    ausreichend zu identifizieren ist, am wahrscheinlichsten handelt es sich um einen juristischen Kommentar.

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    D Es handelt sich um Fragmente einer sogenannten „Liber vitae“9 eines oberhessischen Kloster aus der Mitte des 13. Jh.. In den Textresten kommt mehrfach der Name Bellersheim vor, so käme als Herkunft das Kloster Arnsburg oder aber das Kloster Wetter in Frage, denn beide Klöster waren in Bellersheim begütert. Auf der Vorderseite findet sich in der Zeile 7. aber auch: „ ... die memoria domini Conradi ...?“, dies könnte ein Hinweis auf Konrad II. von Hagen-Arnsburg sein, der im Jahr 1151 den Vorgängerbau des späteren Kloster Arnsburg, an der Stelle des römischen Kastell Altenburg, gestiftet hatte, von dem heute oberflächlich nichts mehr zu sehen ist. Also ein weiterer Hinweis, dass dieses Fragment sich auf das Kloster Arnsburg bezieht oder von dort stammt.

    9 Liber = Buch, Register; vitae = Lebenslauf/-beschreibung

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    E Hier finden sich Fragmente einer Handschrift aus dem späten 13. Jh.. Sie erwiesen sich als 2 Teile von Digesten oder Pandekten des corpus Iuris civilis,10 wahr-scheinlich um: Digesten lb. XLVIII tit. IV, Ende von c 10- c11.

    10 Aufzeichnungen, Kundtun eines zivilen Gesetzeswerk, im Gegensatz zum Iuris canonici = kirchliches Recht.

    F In diesem Umschlag befinden sich Reste eines grammatischen Traktats;11 leider sind auch diese Reste für eine Übersetzung nicht ausreichend, nur soviel ist zu erkennen, es werden Wörter erklärt und in grammatischen Formen vorgestellt. Interessant ist das eine Fragment, denn auf der Rückseite hat sich möglicherweise der Verfasser namentlich vorgestellt „Oldebrandus“, es wird vermutet das es sich um einen Lombarden handelte (?).

    11 von lat. tractatio = Handhaben, Erklärung.

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    Pergamente F Vorder- und Rückseite

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    G Weiter fand sich ein Fragment von einem Brevier (?) aus dem 14. Jh.12 Die Textreste sind aber ebenfalls zu gering, um eine Übersetzung herzuleiten..

    H Zwei Fragmente einer Psalmenhandschrift des 14. Jh., zweispaltig mit roten Initialen:

    1.) Psalm 103, 33-35 Vorderseite. Psalm 104, 8-10 Rückseite.

    2.) Psalm 104, 7 Vorderseite. Psalm 104, 16 Rückseite.

    12 Von lat. breviarium = kurze Fassung, steht hier für ein Gebetbuch, aus dem katholische Geistliche ihre täglichen Gebete oder Lesungen verrichten.

    I Zwei Fragmente aus einem Missale13 bilden diese Fragmente, sie stammen wahrscheinlich aus dem 14. Jh.. Auf der Vorderseite Bruchstücke des Evangelium zum Quatembersamstag in der Pfingst-woche14. Auf der Rückseite das Ende eines Schlussgebetes ebenso vom Quatembersamstag in der Pfingstwoche und der Anfang des Introitus15 der Oktav von Pfingsten16.

    13 Messbuch. 14 Lukas 4,39. 15 Einzug des Priesters in die Kirche zur Heiligen Messe. 16 Achter Sonntag, (Weish. 1,7).

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    J Noch einmal ein Fragment von einem Antiphonar des 14. Jh., dessen sichere Zuordnung nicht ganz sicher ist, aber wahrscheinlich enthält die Vorderseite das Bruchstück des 6 Antwortgesang der Matutin am Karsamstag: „Ecce quomodo moritur iustus“. Die Rückseite enthält das Ende des 2. Antiphon der Vesper vom Ostersonntag: „Et ecce terraemotus factus est magnus“.

    K Auch diese 2 Fragmente stammen offenbar von dem Blatt aus einem Missale des 14. Jh.. Auf der Vorderseite der Text eines Schlussgebet für das Fest des hl. Papstes Stephan, sowie Introitus (Psalm 118,23) und ein Responsorium17 für das Fest der Auffindung des Erzmartyrers Stephan (2.+3. August). Auf der Rückseite Schluss des Tages- und Schlussgebetes vom Fest des hl. Donatus (7. August).

    17 Von lat. re-pono (posui) = wiederherstellen, wiederholen.

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    L Noch einmal 15 Fragmente aus einem Missale des 14. Jh., teilweise gut lesbar, handelt es sich um Sequenzen18, Tagesgebete, Intro-itus, Evangelien und Lesungen zu verschiedenen Festtagen. (Nachfolgend eine Auswahl der L Pergamente )

    18 Alter Kirchengesang, musik. Wiederholung eines Motivs.

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    M Drei Fragmente aus einem Messbuch des 15. Jh. finden sich in diesem Umschlag. Verschiedene Lesungen und Evangelien bilden den Inhalt. Das erste durch Tintenfraß sehr beschädigt, die anderen gut lesbar.

    N In diesem Umschlag werden Fragmente einer zerschnittenen Urkunde verwahrt von 1464, es ging um den Verkauf einer Rente von 2 Gulden an ein Frankfurter

    Stift (?) und die Hinterlegung einer Pfandgrundschuld dazu in Frankfurt-Nied. Der Text ist stark auseinander gerissen und lässt sich kaum darstellen.

    O Diesen Fragmenten ist zu entnehmen, dass es sich um eine Urkunde des späten 15. Jh. handelt. Es geht auch um den Verkauf einer Rente von 3 (?) Tournosen in Bad Vilbel, es wird darin der Name „Heinttze Kerde“ genannt.

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    P Eine Urkunde des frühen 16. Jh. ist als Fragment vorhanden, der Text ließ sich gut transkribieren, Auele, Witwe des Peter Hens, verkauft mit Zustimmung ihrer Kinder Henge, Walter und Kringe, der Kirchenfabrik von Hungen; vertreten durch deren Vorsteher Nicklois Hermans und Jeckel

    Craffts, für 12 Gulden Frankfurter Währung eine jährliche Rente von 7 Gulden derselben Währung, fällig auf St Michael19 , und setzt dafür genannte Grundstücke als Pfand ein. Die Urkunde bricht bei der Aufzählung der Pfänder ab. Um dem Leser einen kleinen Einblick in diese alten Urkunden zu geben, folgt hier die Original Transkribierung mit der Zeilennummerierung mit Ergänzungen >: 1 Ich auele nochgeloissene eliche haussfraue Peters hens dem gott genade itzunt wonhafftig 2 zu hoing(en) thun kondt vnnd bekennenn Offentlich in dissem offen Brieff vor mich 3 vnd alle myn erben Das ich mit guttem wissen vnd willen myner kinder Nemlich henges Walters vnd Kringes, recht vnd redlich verkaufft habe vnnd in Krafft diß Brieffs ver- 5 keuffenn eyns rechten waren kauffs «so» der inn vnd vor allen gerichten vnd recht(e)n darzu auß- 6 erhalb gerichts an allen end(en) besser vnd bestendiger krafft vnd macht hoit haben sail vnd magk 7 Den Ersamenn Vorstendern des Baueß Der Pharkirchen zu

    19 29. September.

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    hoing(en) Nemlich Nicklois Hermans 8 vnd Jeckel Craffts, allen iren Nochkomme(n) ader inhelder diss Brieffs mit gud(em) Wissen vnnd 9 Willen eyns Ersamenn Roidts in genanter stadt hoing(en) Sieben fl. geldts gemeiner guder 10 ffranckfurter weru«ng) jerlicher guld vnd pension Vor Zwelff guld(en) itzgedachter werung 11 Die vns die itzgedochten keuffer ain barem geld g«ut»lich vergu«t»igt (?) vnd woil tzu danck 12 ge«reich ?»t vnd bezalt haben vor dato diß brieffs Vnd sage des gemelte keuffer y«r»e nochkomme(n) 13 ader behelder dis brieffs wie oblaudt solicher xij guld(en) halben abgedachter Werung q«u»)idt ledig löi«s») 14 vnd woil bezalt Soll vrtd Will auch min hinfurters ich vnd myn erben obgemelte vij fl. 15 abgedachter werung alle vnd alle vnd eyns iglichen Jars besunder Zu Sanct Michael Ertzengels 16 tag vielgedocht(e)n Vorstendern obgemelts Bauß yren Nochkom(m)en ader behelder diß brieffs

    17 gutlich zu guld geben vnd bezaln Des setzen ich Verkeufferin abgedacht mit gutt (em) Wissen 18 vnd Willen my Kinder obengemelt vielgedacht(e)n Keuffern yren Nochko(m)e(n) ader behelder diß 19 brieffs zu gewissen vnd sichern vnderphand(en) vor Heubtgelt vnd iar guld hernochgeschrieben vnder- 20 phand die niemants wyters gultschafft verschrieben noch verphendt syn dan vnsers genedig(en) 21 hernn bed vnd yren rechten Zehnd(en) Als Nemlich i i/2 morg(en) lands zu Maßfeld(en) vff dem bettenhuser 22 wege geleg(en) neben philipshen Contzen kind(ern) it(em) ii i; virt(el) by den krail baurne(n) zeugt vber de(n) bette(n)huser 23 weg geleg(en) neben roidts lysen it(em) iij virt(el) vff dem roissen graben it(em) vij virt(el) im heidefeld gelegen ....

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    Qu Zwei Bruchstücke einer Abrechnung des 16. Jh. die Worte sind unleserlich, die Beträge sind durchnummeriert von 1-28.

    R Sechs Fragmente einer Urkunde die auf der Rückseite nummeriert sind. Es könnte sich um eine Urkunde handeln die das Haus Hessen betrifft, Nr. 3 „.... hessen s (ub) s (crip)s(i) ...“. Auf der Vorderseite konnte der Name Juliana enträtselt werden, möglicherweise Juliana v. Nassau, die 2. Frau des Grafen Moritz von Hessen (?).

    S Ein beschnittenes Doppelblatt und 1 Viertelblatt aus einer Agende20, wohl vor 1500. Ein Frühdruck auf Pergament im Gegensatz zu den bisher vorgestellten Handschriften. Es könnte eine Mainzer Agenda von 1480 sein, die in der einschlägigen Literatur beschrieben ist. Bei dem Text handelt es sich offenbar um einen Taufritus.

    20 Merkbuch, von lat. agere = das zu Betreibende.

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    T Als letztes ist ein Fragment aus einer Handschrift zu nennen, das in hebräischer Sprache verfasst ist. Am 22.01.1989 wurde der Text von der Hochschule für jüdische Studien in Heidelberg übersetzt, man datierte die Fragmente mit aller Vorsicht ins 15.Jh. die Textstellen stammen aus: Gen. 25,19-25,20; Gen. 26,26 + 25,27; Gen. 26,12 + 26,20.

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    II. Die Chronica 1606.

    Eine weitere Rarität aus dem Villinger Ortsarchiv ist die sogenannte „Chronica“. Ein Büchlein in Klein-Oktav mit einer Fülle von Daten und Fakten zur frühen Ortsgeschichte. In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts begann ein Villinger Bürger, wichtige Vorkommnisse in einem Büchlein aufzuschreiben und sie der Nachwelt zu vermitteln. So beginnt der Chronist mit dem Jahr 1606, greift auf geschichtliche Daten zurück, die er von mündlicher Überlieferung früherer Generationen her kannte und die deshalb von den Tatsachen der Geschichte etwas abweichen, und schildert Vorgänge, die er aus seiner Sicht für wichtig und wissenswert hielt. Wer war nun dieser Chronist? Wir kennen ihn nicht, in seiner Bescheidenheit hat er auf die Bekanntgabe seines Namens verzichtet. Vielleicht ist es der

    Villinger Gerichtsschreiber gewesen. Nach vorgenommenen Schriftproben könnte es auch der im Jahre 1724 amtierende Bürger-meister Conradt Zimmer gewesen sein. Jedenfalls bezeugt er mit seiner Abfassung der Chronik sein lebhaftes Interesse für die Geschichte seiner engeren Heimat. Die Eintragungen sind wie schon dargelegt in ein gebundenes Büchlein in .Klein-Oktav21 in deutscher Schrift geschrieben. Die Seiten 1 - 117 und 122 - 124 stammen vom Chronisten selbst, während die Seiten 118 - 120, 125 - 128, 159 - 165 und 175 - 176 von anderer Hand geschrieben sind. Hier handelt es sich um spätere Eintragungen. Die Seiten 129 - 159 und 166 - 174 sind nicht beschrieben. Die vor ca. 250 Jahren verfasste Chronik hat eine bewegte Geschichte. Sie war zunächst im Privatbesitz, wurde "entführt", dann aber von Professor Bruno Sauer in Hamburg wieder entdeckt. So kam sie wieder nach Villingen zurück. Das wertvolle Büchlein ist jetzt im Besitz des Stadtteils Villingen22. Im Jahre 1930 bereits wurde die

    21 Größe eines älteren Gesangbuches 22 Stadtarchiv Hungen

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    Chronik vom Oberhessischen Geschichtsverein teilweise veröf-fentlicht.23 Herr Friedrich Prokosch aus Hungen hat schon vor Jahren, als Chronist, dieses handgeschriebene Büchlein in eine heute verständliche Sprache übertragen. Er hat Erläuterungen beigefügt, um manche Aussagen des Chronisten zu relativieren und in den richtigen räumlichen und historischen Zusammenhang gebracht, ohne diese Erläuterungen bliebe manches heute unverständlich. Das Inhaltsverzeichnis dieser Übertragung wird hier aufgeführt:

    • Der Name Villingen • Das Obergericht Vilden der

    Gerichtsschultheiß • Todesfälle in der Standes-

    herrschaft • Vom Gottesdienst (Christi-

    anisierung) • Wie Villingen zur Hers-

    felder Mark kam • Die Münzenberger • Die Falkensteiner • Die Solms-Braunfelser Her-

    rschaft • Was für "Herrschaften

    allhier regiert haben und 23 MOHG.

    wie die Länder sind oft zerteilt worden"

    • Aus dem 30-jährigen Krieg • Das Vogteikorn • Von dem Forsthafer • Von der jährlichen

    Gemeinde - Bede • Vom Branntweingeld • Villinger

    Bürgermeisterrechnungen • Von 1639 bis 1644 war

    Villingen menschenleer • Witterung im 18. Jahr-

    hundert • Villinger Feiertage um

    1750 • Der Markustag • Der Friedhof • Der Loosholzstreit • Die Villinger Pfarrer ab

    1542 • Die Schultheißen seit 1542

    Zum besseren Verständnis des Lesers sollen die Seiten 50/51 hier vorgestellt werden:

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  • 21

    Übersetzung der Originalseiten der Chronica 1606 Villingen.

    Aus dem 30- jähr. Krieg. Anno 1624, da haben die Kur-Bayerischen hier gelegen im Land, da hat der arme Mann sehr viel müssen ausstehen, steht im Gerichtsbuch. Anno 1626 vom 17. Oktober bis 1638 den 24. Oktober ist kein Gericht gehalten worden wegen der großen Kriegs- und Ungemachzeit und wegen der pestilensischen Seuche, so allhier hat krassiert unter den armen Leuten. Anno 1639 bis 1644 ist

    dieser Ort (Villingen) unbewohnt gelegen wegen des großen Kriegs halber und von Überhandnehmung der Pestilenz, dass die Dörfer sind fast ganz ausgestorben und (die Bewohner) hinweggezogen. Da sind dann die Felder, Äcker und Wiesen zu Hecken und Sträuch geworden, die Bau (Gebäude) in den Orten verdorben und alles wüst und verdorben, wie leicht zu erachten24.

    Abb. Seite 50 und 51 aus Chronica

    24 zu verstehen

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  • 22

    Gott bewahre uns vor so (solchen) Zeiten, denn Krieg. Hunger und Pestilenz haben alle hier regiert. Anno 1644: Da haben sich die leute wieder hier versammelt und haben wieder den Ort bewohnt und sind aber im Anfang nur 16 Mann hier gewohnt, wie in den Gemeindebüchern zu ersehen ist. Anno 1648 hat die Gemeinde Ansuchung getan25 bei dem hochseligen Grafen Moritz zu Hungen, um Nachlaß der Gemeinde-Bede26 und (des) Vogteikorns halber. Da hat dann HI.27 Herrschaft die Terminey lassen erkennen, was im Bau28 und unbebaut wäre, wie im Copi29) zu ersehen Dass der Chronist teilweise auch irrte, sei an dem Eintrag über die Christianisierung dargelegt: Der Chronist schreibt, dass die Länder in unserer Gegend durch den Kaiser Karl den Großen mit Krieg zum Christentum gezwungen wurden. Dies trifft für unsere Heimat aber nicht zu. Er verwechselt damit Karls des Großen 25 ein Gesuch eingereicht 26 Steuer. 27 nicht heilig sondern Hochlöblich. 28 welches Land bebaut. 29 Copialbuch.

    30-jährigen Kampf gegen die heidnischen Sachsen. Dieser Stamm wohnte damals im heutigen Westfalen, in Hannover (Niedersachsen!) und Schleswig-Holstein und widersetzte sich lange Zeit der Einführung des Christen-tums. Karl der Große fühlte sich als Führer und Beschützer der ganzen Christenheit, sein Reich umfasste alle Christen Westeuropas, außer denen in England und Irland. Das Sachsenland war also ein Dorn in dem bereits christlichen Teil des Kaiserreiches. 30Als sich endlich der Sachsenherzog Widukind taufen ließ, folgten seine Anhänger seinem Beispiel. Wie erfolgte nun die Einführung des Christentums in unserer Heimat wirklich? Die erste Bekanntschaft mit dem Christentum machten die Bewohner der Wetterau wohl durch die römischen Legionäre, Kaufleute und Siedler. Aber es dauerte noch Jahrhunderte, bis alle Germanen in Wahrheit Christen geworden waren. Eine gezielte Ausbreitung des Christentums setzte erst durch die 30 Sachsenhain bei Verden an der Aller hier sollen angeblich 4500 Sachsen von ihren fränkischen Gegnern erschlagen worden sein.

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  • 23

    iro-schottischen Missionare ab 600 in Mittelfrankreich und in Oberitalien ein. In der zweiten Hälfte des 8. Jahrhunderts (also um 750), zur Zeit des Kaisers Karl des Großen, hatte das Christentum in unserer engeren Heimat schon festen Fuß gefasst. Die Schottenmönche hatten im Lande überall schon kleine Holzkirchen und klösterliche Niederlassungen erbaut. Der Mittelpunkt der iro-schottischen Mission in unserer Gegend war wohl Schotten. Schottenkirchen standen u. a. in der Licher Mark (+Hausen), in Wieseck, Rodheim +Hornufa, Schotten, Bauernheim und Sternbach. Der eigentliche Apostel der Deutschen wurde der angel-sächsische Mönch Winfried, der später den Namen Bonifatius erhielt. Er wirkte anfangs bei den Friesen, dann aber mit mehr Erfolg in Hessen und Thüringen. Er wurde später Bischof von Mainz, dem auch unsere engere Heimat unterstellt war, und liegt im Dom zu Fulda begraben. Mit der Einführung des Christen-tums wurde allmählich das ganze öffentliche Leben des Landes mit christlichen Bräuchen durchsetzt. Der Jahreslauf war geregelt nach

    dem christlichen Kalender und seinen Festen. Die Woche wurde durch den Sonntag geheiligt, an dem die Christen zum Gottesdienst gingen. In Stadt und Dörfern wurden Kirchen gebaut, ihr Glockengeläute teilte die Arbeits-zeit des Tages ein. Bei Gerichtsverhandlungen wurde der Eid auf Christus geschworen. Gesetze und Urkunden begannen mit Anrufung des dreieinigen Gottes. So war durch das ganze Mittelalter Leben und Tun, Familie, Gesellschaft und Wirtschaft vom Christentum her bestimmt und Staat und Kirchen fest mit einander verbunden.

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  • 24

    III. Bürgermeister Rechnungen Vilden (Villingen) 1557/58.

    Deckblatt (Ausschnitt) des Bedebuch31 der Gemeinden Villingen, Lunrode und Nieder-Bessingen von 1557/58.

    31 Steuerbuch.

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  • 25

    „Bürgermeister Rechnungen Vilden 1557/58“. In diesem Büchlein, es ist ca. 17 cm breit und 20 cm hoch sind die Ausgaben und Einnahmen der Bürgermeister Henrich Sobbe u. Clas Hans verzeichnet. Es sind die ältesten „Bürgermeisterrechnungen“ in unserem Archiv, für Villingen (Vilden, Lunrode und Nieder-Bessingen). Der Ausdruck Bürgermeisterrechnungen hat sich so eingebürgert, obwohl zu diesem Zeitpunkt eigentlich die Schultheißen für die Standesherrschaft das Amt des späteren Bürgermeister ausübten, erst mit der Gemeinde-verfassung im Großherzogtum Hessen-Darmstadt kamen gewählte Bürgermeister auf. Von besonderem Interesse sind dabei die alten Namen der „Bedezahler“32, und ein Vergleich mit den heutigen Namen in den Gemeinden. Die Zahlenwerte dieses Büchlein sind in gotischer Schrift angelegt, man sieht deutlich, dass mehrere Schreiber hierbei tätig waren. So danken wir Herrn Gerhard Steinl, Hungen, für die Transkription in unsere heutige Sprache. Die Anmerkungen und weitere Erläuterungen sowie die Gestaltung haben das Autorenteam vorgenommen. Wir stellen auf den folgenden Seiten in einigen Seiten den alten Text und die Transkription gegenüber. Wenn es denn in einer der alten Rechnung am Schluss heißt: „ Summa per se, summarum aller ausgab ist 118 G., 13 Sch., 6 Pf., Also übertrifft die Innome die ausgabe 2 ½ G. 3 t. 5 Pf.“. dann würden sich heute viele Stadtkämmerer und Finanzminister über so eine Feststellung ungemein freuen oder aber vor Neid erblassen, je nach dem wie die eigene Rechnung aussieht.

    32 Steuerzahler.

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  • 27

    Innome Bede.33

    8 t 2 Pf34 Joist Reuter 3 t Adam Stolber 7 ½ t 4 Pf Diln Jacob 1 ½ g 1 Pf Merthes Hans 9 Sch 2 P Gernhardt 1 g 4 Pf Peters Adam (?) 3 t Conrath Schaub (?) 3 t Bast Zimmermann (?) 3 t Heinz Wagner 12 Pf Wingerten Crein 9 t 4 Pf Meyhe Wilhelm 3 t Henrichs Anna 1 g 4 t Bloe Gela ½ g 8 Pf Adam Schmit 1g 2 t Lorentz Winde 8 t 7 Pf Weipertz Heintz 1 ½ g 2 t 6 Pf Dippels Gerhard 3 Sch 6 Pf Dippels Elsa Summa laterlis35 11 ½ g 4 t 11 Pf36

    33 Einnahme Steuer. 34 Die Abkürzungen bedeuten. t = Turnose (Tournose-Turnos) siehe Erklärung der Werte, vorletzte Seite dieses Kapitels. Pf. = Pfennige. G = Gulden. Sch = Schillinge. 35 Summa laterlis = Summe der Seite, von lat. Lateral die Seite betreffend. 36 Die Namen haben wir zum besseren Verständnis in den Anfangsbuchstaben alle groß geschrieben.

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    Innome Bede.

    1 g 5 Sch 5 Pf Hoff Heintz 3 t Weber Adam 11 t 14 Pf Kreinn Henn 9 t 11 Pf Mohn Jacob 13 Sch Bechten Hans 1 g 12 Pf Moller Heintz 4 ½ t 4 Pf Hans Sann 2 t 8 Pf von weg(en) seiner Schwieger(mutter) 3 t Philps Schüsseler 5 Sch Volpert Hoffman 4 t 8 Pf Zimmer Adam 8 t 8 Pf die Beckerße 8 t 6 Pf Jung Rep Heintz 11 t 5 Pf Henrich Stolber 3 t 7 Pf (Streichung) Hesse Gelbert (Streichung) ½ g 2 Pf Her Casper

    Summa lateris 9 g 15 Sch.37

    37 Summa laterlis = Summe der Seite, von lat. Lateral die Seite betreffend.

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    Ausgabe gelt onstendig in gemein.38 9 t vor 9 maß wein unserem g(nädigen) H(errn) grave39 Conrathenn geschenkt in d(er) Mueln.40 2 ½ g 4 Sch 7 Pf den Armbrustschützen geben das jare über von Palmarum41 bis uf all heylgenn.42 3 sch dem Leyendecker43 von Pfarten44zu besteiygen. 1 ½ g denn schuetzen geben zu vertrincken uf sanct Sebastiantag.45 8 g vonn dem Narnhaus46 zu machen geben und zu beschlagen, sampt der Zimmer leuth weinkauff.47 4 t verthan48als wir dem schloeßer49 verdingten zu beschlagen, unnd zu hencken. 20 t dene Schützen geben so Klein Hain gehuetet hab(en). 2t gebenn zum wag(en) so M(einem) g(nädigen) herrn dass holtz zu Kestat geholt. 5 Sch 3 Pf verthan, als wir die Faßnachtbede ufgehoben50 3 t 2 Pf verthan, alß wir die Faßnachtbede zu Hoing(en) geliffert.51

    38 Ausgabe Geld, anständig =angefallen in der Gemeinde. 39 Graf. 40 Mühle. 41 Palmarum = Palmsonntag. 42 Fest Allerheiligen am 1. Nov. 43 Dachdecker. 44 Pfarre oder Pfarrhaus. 45 20. Januar. 46 Narrenhaus = Gefängnis. 47 jedes Geschäft und jeder Vertrag wurde mit dem trinken von Wein bekräftigt. 48 vertun= Geld für Essen und trinken ausgegeben. 49 Schlosser. 50 Frühjahressteuer eingetrieben, später Maibede genannt. 51 Frühjahrssteuer in Hungen beim Amtmann abgeliefert, dabei wurde üblicherweise auch Wein getrunken.

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  • 33

    Ausgabe gelts. Item52 3 t verthan wie wir sindt bey de(m) schreiber gewest und die Rechnung lassen überlegen und schliessen.53

    Summe p(er) se. Summarum aller ausgabe ist 118 g.

    13 sch 6 Pf.54

    Als übertrifft die Innome die ausgabe 2 ½ g 3t 5 Pf.55

    52 Item = lat. ebenso 53 Manche Schreiber des Büchleins sind vom Schreibstil her stark mundartlich geprägt, sie schreiben so wie sie gesprochen haben, dies trifft besonders auf den Schreiber der folgenden Seiten zu, in Klammern haben wir die Worte teilweise ergänzt um überhaupt manche Sätze zu verstehen. 54 Nach Dr. Paul Kammer, Villingen in HiB 24/1937. sind die Geldwerte wie folgt anzunehmen: 1 Gulden = Florentiner = 12 Turnosen, 1 Turnos = 18 Pfennig, (In der Rechnung 2 mal auftretende Schilling hatten unterschiedliche Werte). 55 mancher Stadtkämmerer wäre wohl froh, wenn er heute auch so einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen könnte. Die Bede war eine frühe Form der „erbetenen“ Steuer (Zins, Petitio, vom 13. – 17. Jh.), ursprünglich eine freiwillige Unterstützung des Landesherrn, die gewöhnlich zweimal im Jahr erhoben wurde. Im Mai oder an Fastnacht die Frühjahrsbede und im Herbst gewöhnlich an Martini die Herbstbede. Zur Bede verpflichtet war jeder Bauer, der Landbesitz hatte, Adel und Geistlichkeit waren von dieser Abgabe befreit. Die Höhe der Bede richtete sich nach einem Messbetrag = Steuerwert des Grundstückes oder Gebäudes. Grundsätzlich unterschied man Bauern mit Eigenland, diese hatten das „Frey“ zu leisten, die meisten Bauern hatten ihr Land vom Grundherrn, diese bezahlten die „Gemein“.

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    Auß goebe geltz.56 2 ½ g 2 t 8 Pf sint verdhan worden zur uff rechnung in Philips fauste hauß. 8 t vor wagß57in die kirch kertze gemacht. 2 t verdhan alß mer die kertze und licht(er) macht(en). 12 Pf vor 1 moiß58 weinß domit die person auffs Christ fest zu beichte.59 3 t dem ley decker60vor da(s) kirchen dach zu besteyg(en). 20 Pf geben zu arnspurg vor ost(gen.)61 2 t 4 Pf vor 2 moiß weinß auff d(en) Palmtag62 domit dass volk domit zu beicht(ten) und trinke. 2 t alß die bawmeiste63r kertzen auff de(n) pfingstobent macht(en). 13 Pf vor 1 moiß weinß auff pfingst dag die kirch(en) zum nacht moil64 gehalten. 1 t 6 Pf verdhan alß mer zwey moil zu Lich warn nach Sigel.l65 2 ½ g 1 t geben dem pfarher vo(n) d(er) dinstagß predig(t) 1g von der auher66 zu stehllen. Summa lateris 8 g 7 sch 4 Pf.

    56 Ausgabe Geld. 57 Wachs für Kerzen (Vor der Reformation in Villingen, siehe auch Fußnote 31). 58 Maß. 59 Beichte, Abendmahl. 60 Dachdecker. 61 Hostien (Brot) für die Kommunion, diese wurden wohl im Kloster gebacken. 62 Palmsonntag. 63 Bawmeister= Baumeister, damit sind die Kirchenrechner gemeint, mit dem Architekten hatten sie nichts zu tun (siehe Dorf Güll, Inschrift über der Tür). 64 Nachtmahl. 65 zum Siegeln = wahrscheinlich zum beglaubigen oder Urkunden. 66 auher =Uhr.

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  • 36

    IV. Das Gericht Vilden. Aus dem Jahr 1542 sind Unterlagen im Gemeindearchiv von Villingen vorhanden, die sich auf das ehemalige Gericht beziehen: Hier beginnen die archivalischen Überlieferungen im Jahre 1542 mit dem Satz: "Sonsten heißt es das Ober-Gericht-Vilden, darzu Nonnenroth- Rüttges und Nieder-Beßingen gehören. Allhier ist der Gerichts- Schultheiß mit 4 Schöffen, zu Nonnenroth drey Schöffen, zu Röthges zwey Schöffen und auch zu Nieder-Beßingen. Zu Vilden wird auch der Gerichtsdiener gehalten und liegen die Gerichts-Bücher und die Protokolli auch hier in dem Gerichts-Kaster wo zwey Schöffen von ViIden die Schlüssel darüber haben. Der Gerichts-Schultheiß hat das Gerichts-Siegel“. Erhalten auf verschiedenen Dokumenten sind 2 Siegel des Gerichtes: 1. Ovales Siegel mit 26 mm Längsdurchmesser, Umschrift in Doppel- Linien und Groß-Buchstaben: Schultheißen Insiegel zu Vildingen. Ein steigender Löwe, gezungt, als Wappentier. (1781)

    2. Rundes, rotes Lacksiegel, 36 mm Durchmesser, Umschrift in Doppel-Linie und Großbuchstaben: Siegel des Ober-Gerichtes Vilden. Steigender, gezungter Löwe mit Krone und Doppelschweif (1740).

    Vorhanden ist auch das Gerichts-buch mit Eintragungen aus der Zeit von 1542 - 1592 Die Einleitung lautet: "Den sechsten Tag January haben Wir Schultheiß Johann Conradt Schäfer, Bürgermeister Hanß Reuhl, Johann Zimmer, Gerichts-Schöff, Michael Laydner, Gerichts-Schöff, Johann Nicolaus Pfarrer, Gerichts- Schöff, Johannes Kall, Gerichts-Schöff,

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  • 37

    und sämptliche Gemeindet zu Vilden Sich Vereiniget, Undt dießes Buch Schreiben lassen/: welches das Schatzbuch genennet Undt erneuert wird/: durch Nicolaus Kirchner, Schultheiß von Röthges". Verzeichnet sind hier auf 212 eng beschriebenen Seiten: Protokolle über Kauf- und Verkauf, Ab- und Zuschreibungen von Ackerland, Wiesen, Gärten, Haus und Hofreiten anlässlich der „Unge- bothenen Gerichtstage“. Dieses Buch kann auch als das älteste Einwohner-Verzeichnis des Ortes gelten. Das Gericht wurde teilweise und wechselweise in Vilden – Nonnenroth und Nieder-Bessingen gehalten. Besondere Eintragungen: 1558. Mai 21. „Graf Philipp zu Solms gibt an die Schultheißen Cunz von Gröningen in Griedel und Johann Gewendt in Langsdorf, seine Erlaubnis zum Verkauf einiger Güter in den Ämtern Hungen und Butzbach zum Nutzen des Kirchenbaues.“

    1592 Juni 7. Testament und Eheberedung der Else Mahl aus Röthgen anlässlich ihrer Heirat "vor etlichen Jahren" mit dem Kurt Koch aus Lumda. In dem Folgeband dieses Gerichts-Buches ist verzeichnet: „Nachdem Verderben der beschwerlichen Kriegszeithen, sind die Gerichts-Schöffen meistens verstorben, so ist von Anno 1634 - 1643 (30-jähriger Krieg) kein Gericht mehr gehalten worden." Am 17. Februar 1643 wurde daher das Gericht neu geheget und eingerichtet. Verzeichnet sind auch hier die Namen aller Gerichts-Personen. Zu nennen sind noch das o.a. „Schatzungsbuch“, zugleich Zinsregister von 1638 und 1670-90, in Schweinsleder gebunden von einem Umfang von 276 Seiten.

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  • 40

    V. Die Ortschronik von Villingen. Wie bereits eingangs berichtet wurde ab 1857 das Führen von Chroniken in allen Gemeinden des Großherzogtum Hessen- Darmstadt zur Pflicht gemacht. So beginnt auch der Pfarrvikar Emil Sellheim mit „seiner“ Ortschronik des ev. Kirchspiels Villingen-Nonnenroth.

    Nachdem er über die früheren Verhältnisse in Villingen berichtet hat, stellt er sich in der Chronik selbst vor:

    „Emil Sellheim, 1855 Den 17 ten Juni 1855 bin ich, Emil Sellheim, durch den Decan des Decanats Hungen Herrn Hofmann von Griedel unter Assistenz der beiden Geistlichen, des Herrn Dr. Jochem von Ruppertsburg und des Herrn Pfarrer Becker von Leidhecken, meines Oheims, in hiesiger Kirche ordinirt und der Gemeinde vorgestellt worden. Meine Lebensverhältnisse sind folgende: Ich bin der Sohn des hiesigen Pfarrers Georg Sellheim und dahier zu Villingen geboren am 15 ten Januar 1830. Nachdem ich bei Pfarrvicar Münch, der damals die hiesige Pfarrstelle vicarirte, den erforderlichen Unterricht für ein Gymnasium erhalten, trat ich im Herbst 1845 in das Gymnasium zu Giessen ein, welches ich 4 Jahre lang frequentirte. In der Maturitäts-prüfung bestanden, bezog ich Herbst 1849 die Universität, auf der ich 3 Jahre lang dem Studium der evang. Theologie oblag. Nach absolvirtem Facultätsexamen bezog ich im Herbst 1852 das theologische Seminar zu Friedberg. Vom Herbste 1853 an, wo ich aus dieser Anstalt entlassen wurde, bereitete ich mich zu Hause auf die

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  • 41

    Definitorialprüfung vor, die ich am 21 ten Februar 1854 mit noch vier Candidaten bestand. In Anbetracht meiner Familienverhältnisse wurde mir im darauffolgenden Jahre das hiesige Vicariat übertragen, das ich den 17 ten Juni 1855, wie schon gesagt, übernommen habe. Die dermaligen Kirchen-vorstandsmitglieder sind folgende: a) ständige: 1) der zeitige Pfarrvicar Emil Sellheim 2) der Großherzogliche Bür-germeister Konrad Zimmer III. b) unständige: Adam Koch II. Wagnermeister. Wilhelm Diehl und Heinrich Pfarrer, Ackerleute Die damaligen Schulvor-standsmitglieder sind folgende: a.) Ständige, der zeitige Pfarrvicar Emil Sellheim, der Großherzogliche Bürgermeister Konrad Zimmer III. b.) unständige: Adam Diehl, Schumachermeister. Georg Diehl, Wegbauaufseher. Er berichtet weiter von allen Vorkommnissen in der Gemeinde, so wie es die GH Verordnung

    verlangte, einige Ausführungen sollen hier wiedergegeben werden:

    Kirchliche Nachrichten im Jahre 1858. „Villingen und Nonnenroth bilden eine eigene Pfarrei, aller Wahrscheinlichkeit nach seit der Reformation (1593 ff)67 und gehört zu dem Decanat Hungen und zur Superintendentur Gießen; das Präsentationsrecht zu dieser

    67 Siehe hierzu entsprechende Fußnote weiter oben

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  • 42

    Pfarrei steht Sr. Durchlaucht dem Herrn Fürsten zu Solms-Braunfels zu. Die in hiesiger Kirche sich befindende Thurmuhr ist im Jahre 1719 gefertigt worden. Im Jahre 1740 ist die hiesige Kirchenorgel welche 210 fl gekostet, gebaut worden. Der marmorne Altar ist zu Oberbiehl ohnweit Braunfels gebrochen und gehauen und im Jahr 1827 in hiesiger Kirche aufgestellt worden.

    Das hiesige Pfarrhaus ist im Jahre 1728 gebaut worden. Im Jahre 1853 ist die neue Pfarrscheuer gebaut und 1855 der Pfarrhof gepflastert

    worden. Das onus aedificandi, reparandi, conservandi68 der hiesigen Pfarrhofraithe steht mit 2 Drittheil dem Fürsten zu Solms-Braunfels und mit 1 Drittheil dem Marienstift Lich zu. Nachdem höchsten Orts verordnet wurde, dass keine Begräbnisplätze um die Kirchen herum angelegt, dass sie vielmehr außerhalb der Städte und Dörfer an schickliche Plätze verlegt werden sollten, wurde im Jahre 1827 ein neuer Begräbnisplatz am Bürgelberg angelegt, der zuerst mit einem Zaun und bald darauf mit einer Mauer umgeben worden ist. Anna Maria, des verlebten hiesigen Feldschützen Konrad Herzog, Ehefrau, geborne Halfmann, von Solms-Braunfels, war die erste Person, welche am 16 ten August 1827 auf dem neuen Friedhof beerdigt worden ist. Am nächst folgenden Sonntage Nachmittage wurde derselbe durch den damaligen evangelischen Pfarrer Georg Sellheim feierlichst eingeweiht. Im Jahre 1848 wurden für die hiesige Kirche zwei silberne, inwendig vergoldete Abends-mahlkelche angeschafft.

    68 Baupflicht, Unterhalts- und Reparaturlast

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  • 43

    Was hierüber aufgezeichnet worden ist, lautet wortgetreu: "Nachdem in der Kirchen-vorstandssitzung am 20 ten August 1848 einstimmig beschlossen worden, 2 höchst nöthig gewordene Abenmahlskelche anzuschaffen und die einzelnen Gemeindeglieder von ihrem unterschriebenen Seelsorger nach der Predigt zu Beiträgen zu diesem Zweck waren aufgefordert worden, eröffnete man die Sammlung, deren Ergebnis als Zeugnis des kirchlichen Sinnes hiesiger Gemeinde den Enkeln zur Nachahmung hier aufgestellt werden soll. Nur sehr Wenige, etwa 12 selbstständige Glieder der Gemeinde schlossen sich aus; die Reichen und Wohlhabenden haben ihre Gaben gegeben, die Un-bemittelten und Dürftigen ihr Opfer, ein Teil der Jugend ihre Sparpfennige dargebracht. Wer sein Gotteshaus ehrt, ehrt seinen Gott, und wer Gott ehrt, ehrt sich selbst. Drum bleiben die Namen der Beisteuernden in ehrenvollem Gedächniß !! Villingen am 20 ten October 1848 Der dermalige Kirchenvorstand Friedrich Diehl aus Gießen, zur Zeit Pfarrvicar, Konrad Zimmer

    III. Bürgermeister., Heinrich Maul, Johs. Nürnberger, Adam Koch 2 ter In den Jahren 1856 & 1857 ist die hiesige Kirche reparirt worden. Männerbühne und Weiberstühle etc. sind mit eichener Holzfarbe angestrichen worden im Jahre 1856. Von außen ist die Kirche in dem Darauffolgenden Jahre (1857) reparirt worden. Die durch die Wiederherstellung der Kirche entstandenen Kosten sind wegen Mangels an Kirchenvermögen aus Gemeindemitteln bestritten worden. Die Kosten betragen: Für Weißbinderarbeit an Weißbinder Desch zu Laubach 277 fl -5 Xer An Johs. Jockel zu Hungen für Dachdeckerarbeit ]24 fl 19 Xer In Summe 401 fl 19 Xer Observanzen hinsichtlich der Abhaltung des Gottesdienst (1858): 1.)An gewöhnlichen Sonntagen wird Vormittags 8 1/2 Uhr in Nonnenroth, dann, Winters um 11 Uhr, Sommers 10 1/2 Uhr in Villingen Gottesdienst gehalten, Sommers Nachmittags 2 Sonntage hintereinander in Villingen, am 3 ten Sonntag in Nonnenroth

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  • 44

    Katechismuslehre. Letztere dauert von Ostern bis Michaeli. 2) Die Ordnung beim Gottesdienst ist die gewöhnliche: Komm heil. Geist-Altardienst-Hauptlied-Predigt-Gebet-Unser-Vater-Friede- letzter Vers des Hauptliedes. Nur ist zu bemerken, dass nach der Austheilung des Segens der Vers gesungen wird: Unsern Ausgang segne Gott etc. (Randvermerk später: seit mehreren Jahren jedoch dieser Vers nicht mehr, sondern das 3 malige Amen). 3) An den ersten Tagen der hohen Feste wird abwechselnd an beiden Orten das heilige Abendmahl gereicht, z.B. I. Weihnachfeiertag Vormittags in Villingen, I. Oster-feiertag in Nonnenroth. Nach-mittags wird dann an dem Orte gepredigt, wo morgens kein Gottesdienst durch den Geistlichen gehalten wurde. Am 2 ten Feiertag wird an dem andern Orte das heilige Abendmahl gefeiert und Nachmittags an dem ersten Orte gepredigt, so daß also an hohen Festen immer ein Gottesdienst weniger zu halten ist, als an Sonntagen. 4) Die Vorbereitung zum heiligen Abendmahl ist Freitags, die Stunde derselben hängt von der Bestimmung des Geistlichen ab.

    Gewöhnlich wurde sie Morgens früh in Nonnenroth, um 11 Uhr in Villingen gehalten. (Randvermerk später: Wird das h. Abendmahl an einem der beiden Orte am II ten Feiertag gehalten, so findet die Vorbereitung zu demselben am I. Feiertag Nachmittags statt. Zuweilen geht auch die Vorbereitung, z.B. auf Michaelis, unmittelbar dem Hauptgottesdienst vorauf, wozu ein längeres Zeichen mit der sogen. Schulglocke geläutet wird.) Besondere Beichtrede oder nach der Agende. 5) In beiden Orten erhalten je 12 Communicanten Brod und Wein. 6) Am grünen Donnerstag als halber Feiertag kein Altardienst. 7) Am Charfreitag bleibt Komm heil. Geist weg. 8) An Markustag, als am 25 ten April, Gedächtnißpredigt in Villingen an einen Brand. Einmaliger Gottesdienst, Vormittag. 9) Palmsonntag, Bußpredigten, Collecten für die Waisen des Landes. (Randvermerk später: seit letzten Jahren für die Gustav Adolf-Gemeinden des Großherzogthums.). 10) Verkündigung der Feiertage, Collecten etc. am vorhergehenden Sonntag.

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  • 45

    11) Pfingsten, abwechselnd am ersten Morgen die Konfirmation in Villingen, am zweiten in Nonnenroth, im folgenden Jahre umgekehrt. (Randvermerk später: Collecte für die Lutherstiftung zu Gießen.). 12) Communion der Confirmanden in der Ordnung, daß die Confirmanden zuerst herantreten, beide Eltern resp. 2 Verwandten oder Vormünder zur Seite, also jedesmal 4 Personen, dann die Gemeinde in gewöhnlicher Weise je 12. 13) Kirchweihpredigten in Villingen und Nonnenroth. 14.) Das heilige Abendmahl wird an jedem Orte jährlich 4 mal gefeiert: Ostern, Pfingsten, Michaeli, Weihnachten. (Randvermerk später: Schon mehrere Jahre Sonntag vor Pfingsten zu Villingen für diejenigen, welche mit den Confirmanden nicht in näherer Verwandtschaft stehen). 15) Fällt Michaeli in die Woche, so ist an einem Orte den Sonntag vorher, an dem andern den Sonntag nachher das heilige Abendmahl. Man hält dann Morgens nur an einem Orte Gottesdienst: Die Beichte ist immer Freitags.

    (Abänderung später: Die Beichte ist Freitags oder unmittelbar vor dem Haupt-gottesdienst.). N.B. Kirchencollecten werden im Laufe des Jahres erhoben: 1)Am Neujahrstage und 2) Palmsonntage für die Waisen des Landes. 3) Am Epiphanienfeste für die äußere Mission und 4) Am Reformationsfeste für die Gustav-Adolph-Stiftung. (Abänderung später: N. B. Kirchencollecten werden im Laufe des Jahres 6 erhoben:) 1)Am Neujahrstage für die kirchlichen Armenfonds und 2) Palmsonntage für die Gustav Adolph Gemeinden des Großherzogthums. 3) Am Epiphanienfeste für die äußere Mission. 4)Pfingstcollecte für die Lutherstiftung zu Gießen. 5 Augustcollecte für die innere Mission und 6) Am Reformationstage für die Gustaph-Adolph-Stiftung.

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  • 46

    Villingen Allgemein (1858): Villingen evangelisches Pfarrdorf; liegt an der Horloff, eine Stunde von Hungen. Der frühere Name ist Vilden. Zu Villingen gehört die Zellmühle, welche in administrativer und polizeilicher Beziehung der Gemeinde Villingen beigeschlagen und der dasigen evangelisch-reformirten Gemeinde eingepfarrt ist. Der gegenwärtige Besitzer der Mühle ist: Johann Adam Diehl. Der Ort grenzt nördlich und östlich an die Gemarkung Ruppertsburg und Laubacher Waldgemarkung, süd-lich an die Gemarkung Langd und Hungen, westlich und nordwestlich an Nonnenroth. Die Gemarkungs-fläche enthält:

    • 2019 24/100 Normalmorgen a 400 qu.Klftr. Ackerland und Grabgärten,

    • 491 1/100 Morgen Wiesen und Grasgärten,

    • 1461 67/100 Morgen Buchen- und Eichen-Hochwald,

    • 79 57/100 Morgen deßgl. Niederwald,

    • 26 48/100 Morgen Nadelholz,

    • 19 19/100 Morgen Hofraithen,

    • 133 52/500 Morgen Wege, Bäche etc.

    • Sa 4230 68/100 Morgen Die polizeiliche Verwaltung übte der Bürgermeister im Umfange der ganzen Gemarkung sowie auch über die der Gemeinde zustehenden Güter aus. Die Verwaltung der einzelnen Güter hat jeder Eigenthümer auszuführen. Der Ort, ringsum von Wald umschlossen, hat meist eisenhaltigen schweren Thonboden, hie und da Lehmboden mit etwas Sand. Die Früchte, welche in hiesiger Gemarkung gepflanzt werden, sind besonders Waizen, Korn und Gerste und Hafer, Erbsen, Linsen, Wicken, Bohnen, Mais, Kartoffeln. Südlich von Villingen liegt der Wallenberg; dort soll ein Kloster gestanden haben. Am Wallenberg sind am südlichen Abhang die "Kirchhofsäcker". In der Nähe der Zellmühle, südöstlich, heißt ein Gewann die Zellerau, dort soll auch ein Ort gestanden haben. Östlich heißt ein Grund Aeppelrod, dort soll auch ein so benanntes Ort gestanden haben, noch sind dort Obstbäume und ein gemauerter Brunnen. Gegen Nordosten liegt der Bürgelberg mit theilweisen Ringwällen, oben darauf ein freier flacher Platz, früher mit alten

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  • 47

    Hainbuchen besetzt, 'worum ein Graben rundum, genannt "Lustgärtchen". Oberhalb Aeppelrod am Herrnwald führt ein stubentiefer mit Wald bewachsener Graben von. Norden nach Süden, genannt "Schlinke". Der Ort ist im Besitze einer von den Urahnen ererbten Linde, welche vor dem Dorfe am Wege nach Hungen linker Hand, sich befindet. Die starken Arme dieser Linde ruhen auf 14 von Eichenholz erbauten Postamenten. An dem Kirchweihfeste wird unter diesem Lindenbaum getanzt.

    Die Einwohnerzahl beträgt 878 Seelen, welche in 174 Wohnhäusern ihre Unterkunft finden. Sämtliche Ortsbewohner bekennen sich zu der evangelisch reformierten Kirche, mit Ausnahme zwei Judenfamilien, bestehend aus 6 Köpfen. Die Zahl der öffentlichen Gebäude sind 5, nämlich: 1. Die Kirche, 2. das Pfarrhaus, 3. das Schulhaus, 4. das Rathaus, 5. das Spritzenhaus.

    Der Ortsbürgermeister heißt, wie früher erwähnt worden, Konrad Zimmer, der Dritte; demselben wurde das Bürgermeisteramt im Jahre 1843 zum erstenmal übertragen, das er bis 1849 begleitete. Von da bis 1853 war der verlebte hiesige Schmiedemeister Friedrich Pfarrer Bürgermeister. Im Jahr 1853 ist Konrad Zimmer III zum zweitenmale zum Bürgermeister ernannt worden. Der Beigeordnete ist der hiesige Ortsbürger und Wagnermeister Adam Koch, schon genannt unter den Kirchenvorstandsmitgliedern. Zwei Schulen bestehen in der Gemeinde Villingen. An der 1 ten Schule ist Lehrer:

    Hermann Rappolt. Derselbe stand früher als Lehrer in dem benachbarten Röthges und wurde von da (am 12 ten Juni 1843) nach Villingen versetzt. Die dermalige Anzahl der Kinder dieser Schule: 40 Knaben und 35 Mädchen = 75 Schüler.

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  • 48

    An der II ten Schule ist Vicar: Carl August Kern von Bobenhausen. Die gegenwärtige Anzahl der Kinder dieser Schule beträgt: 57 Knaben und 55 Mädchen = 112 Schüler. An der Industrieschule ist Lehrerin: Frl. Josephine Schlegel v. Darmstadt. (Tochter des verstorbenen Bildhauer Schlegel) Wegen der größeren Anzahl von Schulkindern wurde im Jahre 1855 eine zweite Schule dahier errichtet. Die Leitung dieser Elementarklasse wurde dem Schulcandidat Karl August Kern von Bobenhausen, Kreises Schotten, übertragen. Zu dieser zweiten Schule wurde das Rathaus umgebaut und in der oberen Etage eine Stube für den Lehrer, in der unteren Etage die Schulstube hergerichtet, welche letztere im November desselben Jahres vorn Schulvorstand in folgender Weise feierlich einge-weiht wurde. Der Schulvorstand mit dem hiesigen Ortsvorstand versammelte sich in der Wohnung des ersten Lehrers, worauf man, nachdem letzterer eine kurze Ansprache an die Kinder gehalten, sich in den neuen Schulsaal begab. Nachdem die Kinder ihre Plätze eingenommen, hielt der Geistliche

    eine Einweihungsrede und übergab sofort dem Lehrer die Schule, worauf sich der Schul- & Ortsvorstand mit den Lehrern und anwesenden Gästen in den oberen Saal des Rathhauses begaben, und dort in aller Gemütlichkeit bei Kaffee und Radonkuchen und Wein einige Stunden beisammensaßen. Jm Jahre 1856 ,wurde die Industrieschule dahier zur Erlernung "weiblicher Hand-arbeitet für die die Vollkschule besuchenden Mädchen errichtet. Die Leitung des Unterrichts wurde Josephine Schlegel übertragen.

    (Anmerkung: Über die Schulen in Villingen auch über die Industrieschule werden wir später einen vollständigen Bericht bringen)

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  • 49

    Beschreibung wichtiger Bege-benheiten in letzter Zeit: Im Jahre 1846 wurde der Brunnen an der Linde gegraben von Johs. Eichenauer zu Ober-Widdersheim, wofür derselbe bekam 204 fl. Die Sandsteine lieferte Johs. Hartmann aus Belmuth für 130 fl 46 ¼. Die Pumpe lieferte J. W. Buderus Söhne auf der Friedrichshütte und kostet 300 fl. Die Steine zu brechen und fahren kosten 78 fl 20. Die Zimmerarbeit von Wilhelm Döll ausgeführt kostet 72 fl 48 ½. Der Werth f'ür das Holz betrug 47 fl Summe: 772 fl 54 ¾. Im Jahre 1857 wurde eine gusseiserne Pumpe an den Oberbrunnen gefertigt, und kostete auf der Friedrichshütte von J. W. Buderus & Söhne (xxx). (Anmerkung: Über das Wasser von Villingen berichten wir später.) Beschreibung wichtiger Natur-ereignisse. Das Jahr 1857 war ein heißes, sehr trockenes Jahr, welches zwar einen außerordentlich guten Wein lieferte,

    aber durch seine anhaltende Trockenheit und Hitze den Viehbesitzern durch das gänzliche Mißrathen des Grummets große Verlegenheit bereitete. Vom 31 ten Mai an hatte man bis in den Spätherbst hinein keinen durchdringenden Regen. Bäche und Flüsse trockneten aus, so dass es den Müllern in unserer Gegend nicht allein an Wasser zum Mahlen der Früchte gebrach, sondern auch an manchen hochgelegenen Orten das Wasser so rar war, dass die öffentlichen Brunnen verschlossen und das Wasser in denselben polizeilich vertheilt werden musste. Besonders fühlbar wurde der Mangel an Wasser in diesem Jahre in der Filialgemeinde Nonnenroth. Dieselbe suchte sich auf mühsame Weise das zum Tränken des Viehes erforderliche Wasser aus den benachbarten Gemeinden Röthges und Villingen zu verschaffen. Dessen ungeachtet war es ein gesegnetes Fruchtjahr. Die Fruchtpreise sanken, und während man in früheren Jahren für den 4 pfündigen Laib Brod 16-26 Xr bezahlen musste, sank derselbe bis auf 13-14 Xr herab.

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  • 50

    VI. Die Geschichte des Ortes Villingen und seine Ersterwähnung. Wenn man bisher gehört hat welche alten Archivunterlagen über Villingen bis in unsere Zeit vorhanden sind, könnte man darauf schließen, dass die Gemeinde auch recht früh urkundlich erwähnt wurde. Dies trifft aber leider nicht zu. Als man sich in den 70er und 80er Jahren des vergangenen Jahrhundert mit der Ausrichtung einer Jubiläumsfeier befasste, musste man feststellen, dass der Ort Villingen nicht zusammen mit Hungen und anderen umliegenden Gemeinden genannt wurde. Hungens Ersterwähnung fällt in das Jahr 782 als Karl der Große der Reichsabtei Hersfeld 40 Huben und 28 Mansus dort schenkte.69 In der Urkunde und auch im sogenannten „breviarium sancti lulli“70, einem Verzeichnis aller Güter der Reichsabtei wird Villingen nicht genannt. 69 Verwahrt unter der Signatur Urk. M I, 782 Juli 28, Staatsarchiv Marburg 70 Überliefert als Abschrift im sogenannten „Liber de Libertatibus Locorum Hersfeldensium“ aus der Mitte des 12. Jh. ; StA MR, K244, Bl. 33-35.

    In der Urkunde heißt es: „ Carolus gratia dei rex Francrum et langobardum ac patricius Romanorum Quicquid enim locis ... in loco qui dictur Hoinge71, si cut Heimericus per nostrum beneficium72 ibi dem tenuit. ....“ Die sogenannte Hersfelder Mark um Hungen wurde seit dem 9. Jh., besonders aber um 1200 ständig vergrößert, neue Orte kommen hinzu. Im Jahr 1251 wird der Ort Eppelrode73 genannt, als Ludwig von Vadenrod dort einen Acker an das Kloster auf dem Wirberg abtritt.74 Nach einem Verzeichnis der Falkensteiner Gerichte in der nördlichen Wetterau aus dem Jahr 1271 bestanden neben Hungen auch selbständige Gerichte in Langsdorf und Nonnenroth75 der Ort Villingen wird nicht genannt, obwohl später

    71 Hungen. 72 Ländereien die vorher ein gewisser Heimerich zu Lehen hatte. 73 Eine Wüstung auf dem Gebiet der heutigen Gemarkung Villingen, siehe Kapitel IX. 74 Wagner, G. W. J. Wüstungen im Großherzogtum Hessen-Darmstadt, Da., 1854, S. 121. 75 Lunrode.

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  • 51

    Nonnenroth zu dem Gericht Villingen gehörte.76 Im Jahr 1281 beurkundet die Stadt Grünberg das Franco de Mazuelth77 vom Kloster Hersfeld das Meieramt in Laubach erhält, auch aus dieser Urkunde erfahren wir nichts von einem Ort Villingen. Nun mag richtig sein was Kropat in seiner Dissertation schreibt: das die Münzenberger Urkunden und die Besitzverhältnisse nicht ausreichend erfasst werden konnten, und als solche erst aus spätmittelalterlicher Zeit zu erkennen sind.78 Zwischen den Münzenberger und der Reichsabtei Hersfeld bestanden enge Beziehungen, das beweist u. a. eine Urkunde von 118379 Als der Abt von Hersfeld den „mons Ruberti“80 besiedeln wollte, bat er Cuno von Münzenberg um dessen 76 Judicia, AHG AF VIII, S. 240; Kropat, Wolf-Arno, Dissertation „Reich, Adel und Kirche in der Wetterau von der Karolinger- bis zur Stauferzeit“, Marburg, 1965, S. 134 ff. 77 Maßfelden, eine Wüstung bei Hungen, siehe FN Wagner a. a. O., früher Pfarrort von Villingen, siehe dazu Kapitel VII die Kirche in Villingen. 78 Kropat, a. a. O. S. 161. 79 Wenck, Hess. Geschichte III UB, S, 83 u. 84. 80 Heutige Ort Ruppertsburg.

    Unterstützung und räumte ihm sogleich die Vogteirechte und die Hälfte als Lehen in einem Gebiet südlich der Horloff von Rupperts-burg bis zu dem 2-3 km flussaufwärts einmündenden Sil-bach, ein.81 Nach dem Aussterben der Münzenberger im Mannesstamm, 1255 kam das Erbe in der Hersfelder Mark bald an die Falkensteiner. Als 1286 erstmals und dann 1290 das Meieramt in Hungen an den Craft von Bellersheim vom Kloster vergeben wurde, hören wir von einem Neurottzehnten von 60 Morgen in +Maßfelden, +Eppelrod, +Celle et Lunrode, von Villingen hören wir auch in dieser Urkunde nichts.82 In einem Beitrag in Heimat im Bild, Beilage zum Giessener Anzeiger,83 hat Dr. Heinrich Kraushaar in wissenschaftlich unzulässiger Weise dargelegt, Villingen sei zusammen mit Hungen in der Schenkung Karls des Großen erwähnt, dieser Beitrag hat für einige Verwirrung gesorgt, konnte

    81 Kropat a. a. O. S. 136. 82 Officium villicationis, Wagner a. a. O. S. 139. 83 HiB, 12/1961.

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  • 52

    aber bisher nicht belegt werden. (siehe oben) In der Literatur wird das Jahr der Ersterwähnung des Ortes „Wilden“ für Villingen mit 1343 angegeben84. Prof. Karl Ebel, der den entscheidenden Beitrag in den Bau- und Kunstdenkmälern des Kreises Giessen verfasste, hat damit alle nachfolgenden Forscher beeinflusst, wenn er schreibt; „Der Ort kommt urkundlich nicht früher als gegen die Mitte des 14. Jh. vor ... Da das Dorf zu den Jüngsten der Gegend gehört ist nicht unwahrscheinlich ....“ Danach hätten die Villinger ihren Kirchenstand zu Meßfelden gehabt und auch dort ihre Toten begraben. Unterstützt wird diese Erinnerung durch den sogenannten Totenweg, der in gerader Richtung von Villingen durch den Wald nach der Stätte des ehemaligen Meßfelden führt.85 Erst nachdem das Dorf verschwunden war, hätten

    84 Walbe, Heinrich, Die Bau- und Kunstdenkmäler im Kreis Giessen Bd. III. S. 406. ; Reichard ,Lutz Die Siedlungsnamen in den Kreisen Alsfeld, Lauterbach und Giessen, Göttingen, 1973, S. 377; Wyß, Dt. Orden II Nr. 745, S. 521, Conradus de Wilden. 85 Walbe, a. a. O. S. 406.

    die Villinger eine eigene Kirche und einen Pfarrer erhalten. Diese Aussagen von Ebel sind aber kaum haltbar, denn ein Pfarrer zu Meßfelden wird noch 1402 erwähnt.86 Die Kirche in Villingen wurde nach ihren Stilmerkmalen bereits vor oder um 1300 errichtet.87 Wir wissen, dass in aller Regel in einem Dorf erst dann eine so große Kirche errichtet werden konnte, wenn dieses Dorf eine bestimmte Größe hatte, und dazu bedurfte es im 12-14 Jh. gut hundert Jahre, wie wir aus anderen vergleichbaren Bei-spielen wissen. Auch war das errichten einer Kirche von der Einwilligung des Standesherrn und des Bistums abhängig. Wir können heute noch feststellen, dass die Kirche in Villingen auch nicht nur für untergeordnete Gottesdienste, als sogenannte Kuratkapelle,88 errichtet wurde, sondern dass hier in vorreformatorischer Zeit Heilige Messen gehalten wurden. Das beweisen die Reste einer Piscina.89

    86 Walbe, a. a. O. und Wagner a. a. O. S. 141. 87 Walbe a. a. O. S. 407. 88 Von „cura animarum“ einfache Seelsorge. 89 Wandnische im Chor für das ausgießen von Wasser, das bei der

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  • 53

    Im sogenannten „Roten Buch“90 von 1436-1449 wird Villingen mit Hungen, Langsdorf, Nonnenroth, Zelle und Meßfelden rechtlich gleich gestellt. Dazu ergibt sich seine Zugehörigkeit zur Hersfelder Mark, die 1403 von den Falkensteiner käuflich als freies Eigentum erworben wurde und so nach deren Aussterben, bei der Solmser Teilung an die Bernhard Linie, die Linie Soms-Braunfels kommt.91 Die Stilgeschichte der Kirche, die Ungereimtheiten mit der Messfelder Pfarrei und die Erwähnungen im „Roten Buch“ zeigen auf, dass Villingen sicher älter ist als die Erwähnung von 1343 oder 1353. Als ein Konrad von Vildeln erwähnt wird.92

    Händewaschung und dem spülen der Geräte anfiel. 90 Salbuch der Grafeschaft Solms-Braunfels, im Archiv Braunfels Fol.209. 91 Walbe, a. a. O. S.406. UB Solms, Nr. 915, vom 1423 Juni 22. und 1436. 92 Arnsburger UB Nr. 803, vom 29. März 1353.

    „Ich conrad von Vildeln con per here zu Rospach93 bekennen, das ich entnummen und bestanden han vmme das Closter zu Arnspurg zu lantsydelme rechte, eyn hus in der stad zu Frydeberg gelegen, da gele von Linden inne sas, und das cleyne hus an dem selben gelegen vmme IV phunt heller Geldes“. d. h. Ich Konrad von Vildeln Mit-Pfarrherr zu Rosbach bekenne dass ich dem Kloster Arnsburg zu Landsiedelrecht ein Haus in der Stadt Friedberg gelegen, wo bisher Gele von Linden darinnen saß und das kleine Haus an dem selben gelegen für die Summe von 4 Pfund Heller Geld. Es ist viel spekuliert worden über das Verhältnis Villingen zu +Meßfelden. Die kirchliche Zugehörigkeit zu diesem Ort, der Totenweg dorthin, und damit die Vermutung das dort der Begräbnisplatz auch für Villingen gewesen ist, haben die Vermutung aufkommen lassen, dass Villingen in dieser Zeit als Teil von +Meßfelden zu verstehen war und daher nicht extra genannt wurde.

    93 Pfarrer in Rosbach.

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    Der Name Villingen wird abgeleitet von Villiln (1486) zu den Feldchen also kleines Feld.94 Wenn teilweise angeführt wird, dass die Ortsnamen mit der Endung –ingen bis in die allemanische Zeit zurückreichen, so ist dieses hier nicht zutreffend, denn der Ortsname Villingen taucht in dieser Schreibweise sehr spät überhaupt auf. Der Ort hieß: 1343 Wilden. 1353 und später Vildeln, auch Fyldeln. 1486 Villiln. 1548 Villin (Diehl, Hassia sacra IV S, 155). 1557 Vilden (Bürgermeister-rechnungen). Erst 1724 wurde der Ort in der Schreibweise zu Villingen. 94 Weigand, Karl, Oberhess. Ortsnamen, Arch. Für Hess. Geschichte und Altertumskunde, VII, 1853, S. 241 ff; Walbe: Ebel, a. a. O. S. 406.

    Überblick der geschichtlichen Entwicklung um das Dorf Villingen:

    • 782 Hersfelder Mark. • 1343-53 Ersterwähnung • 1403 von Falkenstein

    gekauft. • 1423-36 Erbverträge

    Solms. • 1803-06 RDHS, • 1815 Wiener Kongress,

    Bundesakte, Solms wird mediatisiert, kommt zu Hessen-Darmstadt.

    • 1822-41 Landratsbezirk Hungen.

    • 1841-48 Kreis Hungen. • 1848-52 Reg. Bezirk

    Friedberg. • 1852-74 Landkreis Nidda. • 1874 Landkreis Giessen • 1918 Großherzogtum

    Hessen-Darmstadt wird aufgelöst, es wird Freistaat, später Volksstaat.

    • 1948 Bundesland Hessen. • 1977 Eingemeindung in

    die Stadt Hungen.

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    Urkunde Karl d. G. von 782 oben

    Breviarium Lulli unten

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  • 56

    VII. Die Kirche in Villingen. Die Kirche in Villingen ist nicht nur das bedeutendste Baudenkmal des Dorfes, sie ist auch von überragender ortsgeschichtlicher Bedeutung, wenn es Bspw. um die Zeit der Entstehung des Dorfes geht. So gibt es für Villingen leider keine Urkunde, die in die Zeit der Entstehung der Kirche oder davor zurückreicht, denn weder in der Schenkungsurkunde von Karl d. Gr. von 782 an die Reichsabtei Hersfeld, noch in den Urkunden von 1251 und 1290 wo die Nachbarorte und verschiedene wüst gefallene Orte in der heutigen Gemarkung von Villingen erwähnt werden, wird der Ort Villingen ausdrücklich genannt. So ist unsere Kirche zugleich auch ausdrucksstarker Beleg dafür, dass der Ort als er 1343 als „Wilden“ erstmalig urkundlich genannt wird, schon längere Zeit bestanden hat. Wenn wir die schöne Kirche von außen betrachten sehen wir 4 ganz unterschiedliche Bauteile, den Ostturm, das Kirchenschiff, den

    polygonalen Choranbau95 und den westlichen Anbau. Wir erkennen daran, dass die Kirche ursprünglich als sogenannte Chorturmkirche konzipiert worden ist, die Kirche ist auch, wie damals üblich, Ost-West ausgerichtet. Chorturmkirchen waren zu dieser Zeit in aller Regel Pfarrkirchen, nur in einzelnen Fällen Tochterkirchen einer Mutterkirche. Der älteste Teil der Kirche ist unzweifelhaft der Turm, er ist nach seinen stilistischen Merkmalen um das Jahr 1300, also in der Zeit der Gotik entstanden, gerade diese frühe Entstehungszeit macht die ortsgeschichtliche Bedeutung aus. Wir können davon ausgehen, und dies ist durch verschiedene Beispiele, auch aus Oberhessen belegt, dass zu dieser Zeit ein Ort schon längere Zeit bestanden haben muss und eine gewisse Größe haben musste, bevor er sich eine solch bedeutende Kirche leisten konnte oder aber auch überhaupt die Genehmigung für eine eigene Kirche bekam. Der Turm ist in der Höhe durch verschiedene horizontale Teilungs-gesimse gegliedert.

    95 Vieleckig.

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  • 57

    Die gekuppelten, spitzbogigen Fenster oben im Turm, in der Glockenstube sind noch ohne das für die Zeit typische Maßwerk, nur das östliche Fenster zeigt schon Ansätze dieser gotischen Zierform96 in Form eines Kreises auf der Tympanonplatte97. Der spitze achtseitige Helm hat 4 Giebel, diese sind mit hölzernen Ortgesimsen versehen und haben je ein gekuppeltes, rechteckiges Fenster mit gefasten Pfosten und der Kirchenuhr. Der Turm hatte ursprünglich auch unten spitzbogige Fenster, wie sie für die Zeit der Gotik typisch waren, diese wurden leider, zum Stil der Kirche unpassend, vergrößert und auch mit oberen Stichbögen verändert.

    Grundriss der Kirche nach H. Walbe.

    96 Wurde in unserer Gegend von der Marburger Elisabethkirche übernommen. 97 Feld im oberen Fensterbereich, über den Öffnungen.

    Am 31. Juli 1870 schlug der Blitz in diesen Turm ein, wie die Villinger Pfarrchronik von Pfarrer Emil Sellheim aus diesem Jahr berichtet, ein Schüler und der Schullehrer kamen dabei ums Leben. Bei einer Renovierung in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wurde die alte Südtür am Turm, es ist die sogenannte Priester- oder Brautpforte98, wiederentdeckt. Am Turm östlich sehen wir den polygonalen Chor, er bildet 5 Seiten eines Achtecks (5/8 Chor), der Anbau hat heute eine östliche Tür und wird als Nebenraum genutzt. Dieser für die Zeit typische Choranbau ist möglicherweise etwas später als der Turm entstanden. Die beiden Baukörper Turm und Chor weisen eindeutig noch Einflüsse der Arnsburger Bauhütte auf, so wie an mehreren Kirchen unserer Gegend, (vergl, Muschenheim, Hungen, Langd, Gonterskirchen). Dass hier in Villingen der Chor nicht mehr halbrund, sondern polygonal ausgeführt wurde, deutet 98 Diese durfte früher nur von dem Priester benutzt werden, aber mit einer Ausnahme, vor ihr fanden auch die Trauzeremonien statt.

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  • 58

    daraufhin, dass er um einige Jahrzehnte später, wohl im Anfang des 14. Jh. entstanden ist. Das Kirchenschiff hat noch Grundmauern aus dem Mittelalter, es wurde aber in Fachwerk aufgestockt, als man 1696/97 die Kirche zur reformierten Predigtkirche umbaute und mit inneren Emporen versehen hat. Im Dachraum sind die alten Dach-lininien am Turm noch sichtbar. Bautechnisch bemerkenswert ist, dass man auch in dem Fachwerkgeschoss Holzgewände für die stichbogigen Fenster einbaute, die den Steingewänden, unten im Steingeschoss, nachgebildet wurden. Im Jahr 1785 bekam die Kirche u.a. einen westlichen Anbau, heute sind dort der Eingang und die Emporentreppen untergebracht. Wenn wir das Innere der Kirche durch den Westeingang betreten sehen wir, dass dieser oben als Abschluss einen Korbbogen hat, die Gewändesteine sind teilweise noch gotischen Ursprungs. Im Innern sind die Emporen mit durchgehenden Holzstützen bis zur Decke und zwei Unterzügen versehen, in der mittleren Stütze der Nordseite lesen wir: „DEN 17. TAG JVNI ANNO 1696“.

    Wir sehen im Inneren auch, dass die 2 Fensterreihen des Schiffes in der Höhe den Emporen entsprechen. Die Pfeiler am Turmuntergeschoss hatten ursprünglich einen Triumph-bogen99, dieser wurde entfernt als man die Orgel dort untergebracht hat. Das Turmuntergeschoss hatte auch ein gutes Gewölbe, davon sind die Ansätze der Rippen noch sichtbar. Hinter dem Altar führt eine Tür in den ehemals gewölbten Choranbau, auch hier war ursprünglich ein offener Bogen zum Turmraum hin, der jetzt bis auf die Tür vermauert ist. Im Chorraum sehen wir Reste einer sogenannten Piscina, eine Wandnische mit Ausguss für das bei der rituellen Händewaschung und beim Reinigen der Geräte angefallenen Wasser. Gerade diese Piscina beweist, dass schon vor der Reformation hier heilige Messen gefeiert wurden und damit die Kirche nicht als einfache „Kurat-Kapelle“100 anzusehen ist.

    99 Sogenannt nach dem Triumphkreuz welches in vorreformatorischer Zeit in der Regel dort hing. 100 Von lat. cura animarum = einfache Seelsorge.

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  • 59

    Der Altar mit geschweiftem Fuß aus grauem, weiß und gelblich geadertem Lahn-Marmor von Oberbiel, ist von 1785, die Orgel ist nach der Pfarrchronik von 1740 und die Kanzel stammt aus dem 17. Jh.. Bemerkenswert sind noch die zwei alte Glocken von 1505 bzw. 1513 dazu unten mehr. Erhalten haben sich auch von dem alten Altar- und Kirchengerät;

    1.) Kelch aus Kupfer, zum Teil vergoldet. H. 18,5 cm mit Sechspassfuß und eingeritzten Fischblasen, Schaft sechseckig mit rundem Knoten, ohne Marke.

    2.) Passende Patene zum Kelch, Dm 14,5 cm.

    3.) Kelch Zinn H. 25,5 cm, Dm. 13,5 cm, um 1800. Stempel: Engel mit Waage und Merkurstab, „Z. Neff & Sohn.

    4.) Dazu Patene, Zinn, Dm. 16,5 cm.

    5.) 2 Flaschen, sechseckig. Zinn, H. 30 cm, Stempel: Engel mit Waage und Stab.

    6.) 1 Kanne, Zinn, H. 44 cm, um 1800.

    7.) Taufschüssel, Zinn, Dm. 36 cm. Stempel; Engel mit Waage, Merkurstab, Hirschgeweih ... LINGING.

    8.) 1 Taufkanne, Zinn, H. 26, Gewellte Wandungen.

    Abbildung nach H. Walbe, 1933.

    Wie Hungen war auch die Kirche in Villingen vor der Reformation dem Marienstift in Lich inkorporiert, seit der Reformation wurde das Patronat abwechselnd von Solms-Braunfels-Hungen und Solms-Lich ausgeübt. Im späten 16 Jh. hat sich ein „Herr Caspar“ in Villingen aufgehalten, wir können annehmen, dass es sich hierbei um den Reformator Caspar Olevianus, gehandelt hat, der um 1581/82 die Grafschaften Solms-Braunfels und Solms-Hohensolms, calvinistisch nachreformierte.

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    Kirchlich soll Villingen auch, zumindest zeitweise, zur Pfarrei in Hungen als Filial gehört haben, hierzu gibt es allerdings keine verbindlichen Unterlagen und die Piscina in der Kirche in Villingen zeigt eigentlich ein anderes Bild. Glaubwürdiger ist dagegen schon eine andere Darstellung, wonach Villingen seinen Kirchenstand wohl ursprünglich in dem wüst gefallenen Ort +Meßfelden (Maßfelden) gehabt haben soll, dort auch dann noch seine Toten begraben habe, als es schon eine eigene Kirche gehabt hat. Ein Pfarrer in Meßfelden wird noch im Jahr 1402 erwähnt. Unterstützt wird diese Annahme durch die Bezeichnung „Totenweg“, er führt von Villingen direkt zu dem wüst gewordenen Ort im Hungener Stadtwald und an der Straße zwischen Hungen und Langsdorf101 Über das Verhältnis Villingen zu Meßfelden wurde viel spekuliert, ohne eine befriedigende Antwort zu finden.

    101 Messfelder Weg und Meßfelder-Schneise sind noch heute als Flurbezeichnung erhalten, ebenso haben sich noch 2 Brunnen erhalten.

    Kirche von Osten, um 1933, nach H Walbe.

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    VIII. Die Glocken in Villingen. Das heutige schöne Geläut in unserer Kirche besteht aus 3 Glocken. Zunächst möchte ich diese Glocken einmal einzeln vorstellen: 1. Die älteste Glocke ist die „Margareta-Glocke“, sie stammt aus dem Jahr 1505 und hat einen Durchmesser von 84 cm. Sie zeigt in einem Relief von ca. 10 x 7 cm eine Kreuzigungsszene (Christus am Kreuz zwischen Maria und Johannes) und die Inschrift in gotischen Minuskeln:

    „margareta-bin-ich-genant-denn- vngeweder-dyn-ich-wederstant-anno-dm-rvcv-iar“ das heißt: „Margareta bin ich genannt, dem Unwetter tue ich widerstehen, im Jahre des Herrn 1505“. Diese Glocke hat in der jüngsten Vergangenheit eine wahrhaftig bewegte Geschichte, denn nachdem

    sie 1942 abgeholt wurde, sollte sie zu „Kriegswichtigen Materialien“ eingeschmolzen werden, wie so viele unserer schönen alten Glocken, doch es kam Gott sei Dank anders. Die Kirchenchronik von Pfarrer Hotz aus dem Jahr 1947 berichtet hierzu: „ ... Ende August kehrte unsere alte Glocke „Margaretha“ heim. Die Glocke die im Jahre 1942 abgeliefert wurde, befand sich auch unter den Glocken des Glockenfriedhofs in Hamburg. Von Hanau, wohin sie auf dem Wasserweg gebracht worden war, wurde sie zusammen mit einigen anderen Glocken aus Nachbar-gemeinden per Lastkraftwagen nach hier gebracht. Am Abend des 19. August (47) traf sie hier ein und wurde im Beisein eines großen Teils der Gemeinde freudig in Empfang genommen. Vor der Kirche fand eine kurze, würdige Feier statt. Zunächst wurde die Glocke im Gotteshaus vor dem Altar aufgestellt. Da sie an der Krone beschädigt war, wurde eine Verbringung in die Glockengießerei notwendig. Am Sonntag den 4. Advent konnte sie endlich wieder in Betrieb genommen werden.

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    Im Gottesdienst des 4. Advent läutete sie zum erstenmal wieder, nachdem sie 5 Jahre von der Gemeinde fern war.“

    Die Margareta 2. Die zweitälteste Glocke ist die sogenannte Marien-Glocke, sie stammt aus dem Jahr 1513102 und hängt seitdem in unserer Kirche, sie hat einen Durchmesser von 101 cm. Die Inschrift zwischen zwei Linien, sogenannten Stricklinien, darunter ein Maßwerkband, lautet:

    102 nicht wie die Chronik berichtet von 1515

    „AVE MARIA GRACIA PLENA DNS TECUM MEISTER HANS ZU FRANKFORT GOS MICH XVC XIIIR“103: Interessant die Schreibweise für 1513, üblich wäre gewesen, MDXIII.

    „Ave Maria Gracia Plena ...“ Ist der Text aus der Grußformel bei der Verkündigung an Maria durch den Erzengel Gabriel.104

    Die Marienglocke

    103 Inschriften nach Heinrich Walbe, 1933. 104 Lukas 1,28 - 1,42.

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    Wir können davon ausgehen, dass diese Glocke, wie damals durchaus üblich „vor Ort“ in Villingen gegossen wurde. Denn bevor die Glockengießer in eigenen Werkstätten arbeiteten, wurden die Glocken allgemein am Ort der Auftraggeber gegossen, der Glockengießer hob hierzu eine Grube aus, dann fertigt man mit Schablonen Kern und Mantel der Form aus Lehm an; größere Glocken werden zunächst als „falsche Glocke“ aus Lehm auf dem Formkern geformt. Die falsche Glocke wird nach Fertigstellung der Außenform zerstört. Als Werkstoff für Glocken dient überwiegend eine Legierung aus 77—80 % Kupfer und 23—20 % Zinn nebst geringen anderen Zusätzen (Glockenspeise), sie ist eines der bestgehüteten Geheimnisse der Glockengießer. Glocken waren als Glöckchen und Schellen im Orient schon in vorchristlicher Zeit bekannt; seit etwa 500 dienen sie auch für kultische Zwecke der christlichen Kirche. 3. Die letzte Glocke in Villingen wurde im Jahre 1949 angeschafft, die Pfarrchronik von 1947 berichtet wieder hierüber:

    „... Eine Geldsammlung für den Neuguß einer Glocke für Villingen und zweier Glocken für Nonnenroth, erbrachte in Villingen die Summe von 9000,- RM, in Nonnenroth von 7000,- RM. Die Glocken wurden bereits bei der Glockengießerei Rinker in Sinn bestellt.105 Mit ihrer Lieferung ist im Sommer 48 zu rechnen“. Die Glocke wurde dann aber erst am 28. 10 1949 geliefert. Sie hat einen Dm von 74 cm und ein Gewicht von 260 KG, der Ton ist „d“. Die Glocke hat eine Inschrift:

    Die Friedensglocke.

    105 Zu diesem Zeitpunkt wusste man offenbar noch nicht, dass die „Margareta“ zurückkam.

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    „Verleih uns Frieden gnädiglich, Herr Gott, zu unseren Zeiten, Villingen im Jahre des Herrn 1949“. Sie wird wegen der Inschrift die Friedensglocke genannt. Damit ist das Geläut in „a“, „o“, „d“ komplett wieder hergestellt. Aus der Kirchenchronik und der alten Chronik der Gemeinde erfahren wir auch von Glocken, die früher einmal in unserer Kirche hingen. Der Pfarrvikar Emil Sellheim berichtet: „ ... Im Jahre 1697 ist die kleine Glocke zu Ruppertsburg, und ....“ „Die beiden letzt genannten (diese) Glocke(n) sind von Ottaman Schmitt106 von Aslar gegossen worden. An die Stelle der im Jahr 1697 zu Ruppertsburg gegossenen Glocke ist im Jahr 1829 eine neue Glocke gekommen, welche von den Glockengießern Gebr. Otto gegossen worden ist. Darauf stehen folgende Worte:„Georg Friedrich Christian Sellheim, Pfarrer, und Johannes Zimmer, Schultheis und

    106 Muss richtig heißen: Dilman Schmid.

    Bürgermeis