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HEIMAT HELGOLAND DIENSTAG 3.10. UM 20:15 IM NDR FERNSEHEN

HEIMAT HELGOLAND - Nachrichten | NDR.de · 2 heimatlhegongad . 12 biografien ronald kruschak daniel remsperger carsten gutschmidt hubertus meyer-burckhardt michael mendl christina

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HEIMATHELGOLANDDIENSTAG 3.10.UM 20:15 IM NDR FERNSEHEN

10STAB UND BESETZUNG

4VORWORT

6INHALT

2 HEIMAT HELGOLAND

12BIOGRAFIENRONALD KRUSCHAKDANIEL REMSPERGERCARSTEN GUTSCHMIDTHUBERTUS MEYER-BURCKHARDTMICHAEL MENDLCHRISTINA GROSSE

24CHRONIKHELGOLAND 1890—1951

10STAB UND BESETZUNG

ERINNERUNGEN SIND WICHTIG FÜR DIE ZUKUNFT

Wer heute an den Hamburger Landungsbrücken auf einen Katamaran nach Helgoland steigt, freut sich auf ruhige Stunden auf der kleinen Nordsee­insel. Was sich auf diesen 1,7 Quadratkilometern Norddeutschland Ende des Zweiten Weltkriegs für unsere Geschichte Prägendes in verdichteter Form abgespielt hat, wird längst nicht mehr allen Menschen im Norden prä­sent sein. Mit „Heimat Helgoland“ wollen wir die Ereignisse in Erinnerung rufen, die sich auf und um den „roten Felsen“ abspielten.

Durch seine exponierte Lage vor der deutschen Küste war Helgoland bereits während des Ersten Weltkriegs hart umkämpft. Die Insulaner mussten ihre Heimat verlassen, wie auch während des Zweiten Weltkriegs noch einmal. 1947 schließlich wollten die Briten Helgolands Munitionslager und Militär­anlagen für immer im Meer versenken: Mehr als 6700 Tonnen Granaten, Raketen und Sprengstoff gingen bei der „Operation Big Bang“ in die Luft. Doch wie ein Fels in der Brandung trotzte die Insel dem Sprengungsversuch. Das ist jetzt 70 Jahre her.

Das Doku­Drama „Heimat Helgoland“ zeichnet Geschichten von Menschen nach, die damals auf Helgoland lebten. Hubertus Meyer­Burckhardt führt als Presenter durch „Heimat Helgoland“. Mit ihm reisen wir zu den Orten, an denen heute auf den ersten Blick nicht mehr sichtbar ist, welches Trümmer­feld die riesige Explosion auf Helgoland hinterließ. Durch hervorragende Schauspielerinnen und Schauspieler wie Christina Große und Michael Mendl werden diese Schicksale erlebbar.

Ein Flakturm auf dem Helgoländer Oberland hat die Kriegsjahre und die Sprengungsversuche überstanden. Er dient heute als Leuchtturm. Solch ein Leuchtturm ist für mich das Doku­Drama „Heimat Helgoland“ im NDR Fernsehen. Erinnerungen sind wichtig für die Zukunft. Deshalb strah­len wir „Heimat Helgoland“ am 3. Oktober 2017 zur besten Sendezeit um 20:15 Uhr im NDR Fernsehen aus.

Lutz MarmorIntendant des Norddeutschen Rundfunks

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Helgoland, 18. April 1947. Die Vorbereitungen für eine der größten nicht-nuklearen Sprengungen der Menschheitsgeschichte sind abge-schlossen. Nach 13.00 Uhr soll nichts mehr an die jahrzehntelangen Bestrebungen erinnern, Helgoland in eine waffenstarrende Hoch-seefestung zu verwandeln. Sämtliche Überreste der militärischen Aufrüstung vergangener Jahrzehnte sollen – so der Plan der britischen Besatzer – mit mehr als 6000 Tonnen Sprengstoff in die Luft gejagt werden.

Anlässlich des 70. Jahrestags der „Operation Big Bang“ blickt Hubertus Meyer­Burckhardt im Doku­Drama „Heimat Helgoland“ auf ein bewegtes Stück deutscher Geschichte zurück. Wie konnte es dazu kommen, dass ein gerade mal ein Quadratkilometer großer Fels in der Weite der Nord­see zum Spielball der Weltmächte wurde? Welchen Einfluss hatte die schleichende Bewaffnung Helgolands auf die Bewohner der Insel, die sich im Lauf der Jahre mit immer neuen Machthabern und politischen Marschrouten arrangieren mussten? Anhand der Erinnerungen von Zeitzeugen und der Lebensgeschichten mehrerer Helgoländer Persön­lichkeiten stellt „Heimat Helgoland“ die Schicksalstage einer Inselge­meinschaft vor:

— Im Sommer 1946 wartet der kriegsgebeutelte, von Alpträumen geplagte Helgoländer Fotograf Franz Schensky (Michael Mendl) darauf, auf seine nach einem britischen Großangriff evakuierte Heimat insel zurückkehren zu dürfen. Das Leben im Schleswiger Exil – gemeinsam unter einem Dach mit der ältesten Tochter Margarethe (Christina Große) und dem Rest der Familie – ist von Spannungen und Existenzängsten geprägt. Als Schensky im Juni 1946 von der „Operation Big Bang“ erfährt und er die komplette Vernichtung Helgo­lands fürchtet, verschärfen sich die Konflikte, die ihren Grund nicht zuletzt in einer lang zurückliegenden „ehelichen Weichenstellung“ des Fotografen haben.

— Mit der Ankündigung des „Big Bang“ sehen sich auch Anna und Hans Carl Rickmers (Felicia Spielberger, Peter Sikorski) in ihrer Existenz bedroht – und das bereits zum wiederholten Male. Nach dem Ersten Weltkrieg macht das Ehepaar das Hotel „Empress of India“ zu Helgo ­lands bester Adresse, sieht sich jedoch nach der Machtübernahme der NSDAP mit neuen Repressalien und Schikanen konfrontiert. Beson­ders Ortsgruppenleiter Dr. Karl Meunier (Christoph Jacobi) ist die internationale und weltoffene Ausrichtung des Hotels ein Dorn im Auge.

DREHZEIT15. — 25.5.17

& 26.6. — 1.7.17

DREHORTEHELGOLAND

WRISBERGHOLZENBANTELN

LÄNGE90 MINUTEN

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— Helgoland vor der endgültigen Vernichtung zu bewahren: Dieses Ziel haben sich in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs auch mehrere mutige Männer gesetzt. Zwei Jahre vor dem Big Bang 1947 sieht eine Widerstandsgruppe um den Helgoländer Gastronom Erich Friedrichs (Harald Burmeister) und den aus Süddeutschland kommenden Dachdecker Georg Braun (Thomas Ziesch) nur einen Weg, die Insel zu retten: Unter Einsatz ihres Lebens nehmen sie Kontakt zu den Englän­dern auf, um eine kampflose Übergabe der Insel zu verhandeln. Eine mit dem Mut der Verzweiflung geplante Aktion, die am Morgen des 18. April 1945 ihr tragisches Ende findet.

„Heimat Helgoland“ führt eindrücklich die Konsequenzen machtpoli­tischer Entscheidungen für das Individuum vor Augen. Wo eben noch Zukunftspläne geschmiedet wurden, steht in der nächsten Sekunde kein Stein mehr auf dem anderen, sind Menschen auf der Flucht, begeben sich Väter auf Himmelfahrtskommandos, schwinden Hoffnungen und Gewissheiten und müssen sich brüchig gewordene familiäre Bande neu sortieren und zusammenraufen.

„Heimat Helgoland“ erzählt aber auch von der Hoffnung auf Neuanfang und der generationsübergreifenden Wertschätzung für eine Insel von einzigartiger Schönheit. Neben den Spielsequenzen kommen Insulaner, Experten und Zeitzeugen in Interviews und Gesprächen zu Wort, u. a. die Biografin Astrid Friederichs, der Hotelbesitzer Detlev Rickmers und seine Tochter Helena Rickmers sowie der Leiter des Museums Helgoland, Jörg Andres. Sie alle lassen die Zuschauerinnen und Zuschauer ein­drucksvoll an einem Abschnitt atemloser Nordseegeschichte teilhaben.

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MUSIK GEORGE KOCHBECK

MONTAGE KLAUS EICHLER

SCHNITTASSISTENZ ANNEKATRIN HARTUNG

CGI / GRAPHIK EIKE WICHMANN

MISCHUNG DANIEL WULF

GRADING PAVEL LAVROV

ARCHIVRECHERCHESTEFANIE RENNER

REGIEASSISTENZ MO JÄGER

AUFNAHMELEITUNG (SZENISCH)ANDREA GIESELMELANIE HEILIG

AUFNAHMELEITUNG (DOKUMENTARISCH) MATHIAS STRUVE

PRODUKTIONSASSISTENZ NORA GRÄWE (DOKFILM)

PRODUKTIONSLEITUNG REGINA KOWALSKI

HERSTELLUNGSLEITUNG JOST NOLTING (NDR) FRANK SCHMUCK (DOKFILM)

PRODUZENT JOST-AREND BÖSENBERG

REDAKTION MARC BRASSE

STAB

REGIE DANIEL REMSPERGER

CARSTEN GUTSCHMIDT

BUCH RONALD KRUSCHAK

DANIEL REMSPERGER

CASTING GITTA UHLIG

BILDGESTALTUNG THOMAS BRESINSKY

DROHNEN-KAMERA / EB-TON MICHAEL GASSNER

KAMERAASSISTENZ (SZEN. / DOK.) FLORIAN HOFF

MAX MEYER

DIT ANDREAS MELCHER

OBERBELEUCHTERGEORGE STEFFENS

TON (SZENISCH) DIRK DIEDRICH

KOSTÜM SANDRA FUHR

MASKE (NIEDERSACHSEN)AMALIE HASTMANNN

AMAL BOULOS

MASKE (HELGOLAND)YVONNE OPPERMANN

SZENENBILD KAY KULKE

10 HEIMAT HELGOLAND

HEIMAT HELGOLAND IST EINE PRODUKTION DER DOKFILM FERNSEHPRODUKTION GMBH IM AUFTRAG DES NDR, GEFÖRDERT MIT MITTELN DER NORDMEDIA FILM- UND MEDIENGESELLSCHAFT NIEDERSACHSEN / BREMEN MBH.

DANK AN DAS MUSEUM HELGOLAND FÜR DIE UNTERSTÜTZUNG DER ARCHIVRECHERCHE.

BESETZUNG

PRESENTER HUBERTUS MEYER-BURCKHARDT

FRANZ SCHENSKY (74) MICHAEL MENDL

MARGARETHE JESSEN CHRISTINA GROSSE

ERICH FRIEDRICHS HARALD BURMEISTER

GEORG BRAUN THOMAS ZIESCH

KARL MEUNIER CHRISTOPH JACOBI

FRANZ SCHENSKY CHRISTIAN AUMER

ANDREW CUNNINGHAM MICHAEL EPP

ANNA RICKMERS FELICIA SPIELBERGER

HANS CARL RICKMERS PETER SIKORSKI

GEORG JESSEN BERND PANZER

MARIA SCHENSKY ELISA POSKY

FRANZ SCHENSKY (19) LUKAS HASENBEIN

PAUL MÜNSTER MAURIZIO MICKSCH

U.V.A.

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Z U M E R S T E N M A L S O L L D I E I N S E L Ü B E R

D I E G E S C H I C H T E N I H R E R M E N S C H E N E R Z Ä H L T W E R D E N

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RONALD KRUSCHAK BUCH

„Weißt Du eigentlich, was für ein unglaublicher Stoff in der Ge­schichte der Insel Helgoland liegt?“ Es ist rund fünfzehn Jahre her, dass mein guter Freund, der Filmemacher Peter Braun, mir diese Frage stellte. Es bedurfte nur weniger Stichworte und ich begriff: Alle Katastrophen des 20. Jahrhunderts spielten sich hier auf 1,7 Quadratkilometer in kürzester Zeit ab. Die Helgo­länder, eigentlich Nachkommen eines unabhängigen kleinen Friesenvolks, wurden immer wieder besetzt – von den Dänen, von Schleswigern, von England (1807 bis 1890) und schließlich ab 1890 von Wilhelms (II) Kaiserreich. Zwei Weltkriege mussten sie unter einer deutschen Militärbesatzung durchleben, zweimal zwangsweise ihre Insel verlassen: während des Ersten und nach dem Zweiten Weltkrieg. Als Flüchtlinge, über Norddeutschland verstreut, versuchten sie stets, untereinander im Kontakt zu bleiben und eine Rückkehr zu planen. Nach der Totalzerstörung ihrer Ortschaften im April 1945 rangen die Helgoländer weitere sieben Jahre um das Recht der Rückkehr. „Es hat in der Ge­schichte der Menschheit niemals ein so kleines Fleckchen Erde gegeben, das so eine große Rolle gespielt hat“, resümierte ein britisches Parlamentsmitglied, als die Engländer 1952 über die Rückgabe der Insel an Deutschland entscheiden sollten.

Und so spiegelt sich in der deutschen Geschichte Helgolands nicht nur Weltgeschichte und eine vertrackte Beziehung zwi­schen Deutschland und England – schließlich gehörten Wilhelm und seine Mutter ja auch indirekt zum britischen Königshaus ­, es spiegeln sich darin auch drei verschiedene deutsche Staaten: das Kaiserreich, die Weimarer Republik und Nazi­Deutschland. Die Dramatik der helgoländischen Geschichte kulminierte im 18. April 1945, als rund 1000 englische Bomber das Ober­ und Unterland geradezu einäscherten. Dabei hatte es noch einen kleinen Kreis Ur­Helgoländer und Soldaten gegeben, die Helgo­land in letzter Minute retten wollten. Sie hatten mit den Englän­dern Funkkontakt aufgenommen und wollten die Insel kampflos übergeben. Bis 12 Uhr an jenem 18. April sollten sie die weiße Fahne am Leuchtturm gehisst haben, dann wäre Helgoland

Ronald Kruschak (geb. 1962) ist freier Autor,

Dozent und Producer mit den Schwerpunkten Family

Entertainment und Doku­mentarfilm/Dokudrama.

Der gebürtige Hamburger studierte Drehbuch, Regie

und Stoffentwicklung an der School of Theater, Film

and Television der University of California, Los Angeles,

sowie Anglistik, Germanistik, Politik und Pädagogik am

King’s College London und an der Georg­August­Univer­

sität Göttingen.

Kruschak arbeitete als Producer, Dramaturg und

Autor für Spiegel TV / a + i Filmproduktion,

Aspekt Telefilm, Studio Hamburg Produktion, Studio

Hamburg International Production, UFA Fernsehpro­

duktion, Polyphon. Zu seinen erfolgreichsten Produktionen gehören die

Kinofilme „Die Drei ???“ und „Die rote Zora“ sowie der

Dokumentarfilm „Gold – du kannst mehr als du denkst“.

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verschont geblieben. Doch die Gruppe um den Restaurantbesit­zer Erich Friedrichs wurde verpfiffen, die Rebellen wurden am Morgen des 18. April festgenommen, mussten die Bombardie­rung mit ansehen und wurden drei Tage später in Cuxhaven noch exekutiert.

Wenige Wochen nach meinem ersten Treffen mit Peter Braun be­fand ich mich in Peters kleinem Cessna­Flugzeug auf dem Weg nach Helgoland. Unter uns die glänzende Nordsee, wie ein Tuch aus Seide. Da unten fuhr ein Katamaran, zogen die Möwen vorbei und erschienen große Containerschiffe am Horizont auf ihrem Weg zum Hamburger Hafen. Ich dachte an meine Kindheitser­innerungen an Helgoland. Meine Familie stammt aus den stadt­nahen östlichen Elbvororten Hamburgs – Bergedorf und Geest­hacht. Ich bin selber gebürtiger Hamburger, in Niedersachsen in den Siebzigerjahren aufgewachsen. Für Kinder des Nordens in dieser Zeit war Helgoland einer der ganz großen Ausflugsorte. Natürlich war ich auch mehrere Male dort gewesen, auf großer Fahrt mit der „Wappen von Hamburg“, mal mit den Eltern, mal mit der Schulklasse. Aber von der dramatischen Geschichte die­ser Insel hatte ich als Kind wenig mitbekommen.

Auf Spurensuche mit Peter war alles anders. Wir überquerten die Düne, die Seehunde und Robben sahen zu uns auf. Peter schaltete den Motor aus und wir segelten hinab zu Europas „kleinster Landebahn“ auf der vorgelagerten Düne. Peter stellte mich Freunden vor, die ihr ganzes Leben auf der Insel verbracht hatten. Wir liefen durch die Bombenkrater auf dem Oberland, hin zur langen Anna, wir stiegen hinab in die Tunnel der Schutz­bunker, wir kletterten auf den Leuchtturm, der einst Flakturm war, und wir gingen ins Museum, wo ich staunend vor den kunst­vollen Fotos eines Mannes namens Franz Schensky stand. Ich staunte darüber, wie prachtvoll und romantisch Helgoland einst ausgesehen hatte. Ich war ergriffen von den Bildern der Zer­störung und den Schnappschüssen der ersten Aufbauarbeiten. Ich lernte bei einem Vortrag im Förderverein mehr über die Geschichte und staunte immer wieder über diese Impressionen vergangener Jahrzehnte, der blühenden 20er Jahre, der unschul­digen 1890er, die von einer Vergangenheit zeugten, in der die Zukunft eigentlich großartig ausgesehen haben musste.

Seit mehr als zehn Jahren unterrichtet Kruschak

für diverse europäische Programme Drehbuch,

Stoffentwicklung sowie „Filmproduktion – Von der Idee bis zur Abrechnung“. Kruschak ist Mitglied der

Deutschen Filmakademie. Er lebt in Potsdam, ist aber Norddeutscher und Helgo­

land seit seiner Kindheit verbunden. Die Verfilmung der Inselgeschichte ist ihm

eine Herzensangelegenheit.

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Ich hatte längst begriffen, dass da draußen, 60 km vor der deut­schen Küste, ein Schatz liegt, ein Schatz von einer Historie, einer Geschichte, die darauf wartet, gehoben zu werden. Die Geschichte Helgolands ist die Geschichte einer Bevölkerung mit Überlebenswillen, die alle Katastrophen mitgemacht hat, die auch heute noch aktuell sind. Ja, die Helgoländer waren auch Flüchtlinge, sie flüchteten vor Krieg, Verfolgung und Zerstörung. Einige haben für ihre Heimat ihr Leben gelassen.

Zum ersten Mal ergibt sich hier die Gelegenheit, die Geschich­te Helgolands nicht nur an der losen Abfolge von historischen Ereignissen zu erzählen, zum ersten Mal soll die Insel über die Geschichten ihrer Menschen erzählt werden. Dafür habe ich über Jahre recherchiert. Damals schon für das erste Projekt und jetzt wieder. Ich habe viele Tage in den Archiven der Insel verbracht, die Autoren getroffen, die sich bereits um die Aufarbeitung der Inselgeschichte verdient gemacht haben, die Literatur und Zeitungen der Zeit studiert. Ich habe mich durch die typischen Fotokartons von Privatarchiven gewühlt, noch lebende Zeitzeu­gen gesucht und gefunden.

Es ist mir ein Anliegen, endlich einen Gegenentwurf zu der bis­herigen Geschichtsschreibung zu bieten. Nein, es war nicht das Schicksal, das über die Insel und ihre Menschen rollte, nein, die Weltkriege „kamen nicht“, sie wurden gemacht von Menschen. Menschen agieren und reagieren. Die deutsche Geschichte Hel­golands ist ein Stoff von internationaler Relevanz und Größe. Ich halte es für wichtig, ihn über Helgolands Menschen zu erzählen. Peter Braun ist inzwischen leider verstorben, aber „unser“ Film­projekt lebt und bleibt eine Herzensangelegenheit.

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H E L G O L A N D I S T W I E E I N E S C H A T Z K I S T E

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DANIEL REMSPERGER BUCH, REGIE DOKUMENTARISCH

Wenn das Leben – Forrest Gump gemäß – eine Pralinenschachtel ist („Man weiß nie, was man kriegt“), dann ist das Drehen doku­mentarischer Sequenzen auf Helgoland analog dazu wie eine Schatzkiste, die vor einem an den Nordseestrand gespült wird. Man glaubt (oder hofft) zu wissen, was drin ist, wird aber sofort nach dem Öffnen faustdick überrascht, je tiefer man sich durch die in der Truhe enthaltenen Preziosen gräbt. Die Überraschun­gen bestehen zum Beispiel aus zahllosen, neuen Schilderungen zur Geschichte Helgolands, die in keinem Buch der Welt stehen und die kein noch so gutes Rechercheteam vorab am Telefon herauskitzeln kann. In persönlichen Gesprächen erinnerten sich alle Insulaner, mit denen wir während der Dreharbeiten im Mai zu tun hatten, so plastisch und lebendig an ihre Schicksalstage auf und mit dem roten Felsen, als sei all das Schöne und Groß­artige, aber auch das Traurige und Bestürzende in der Historie der Insel erst gestern passiert. Selten zuvor hat unser Drehteam so viele kleine und große Geschichten rund um einen gerade mal einen Quadratkilometer großen Handlungsschauplatz zu Gehör bekommen – und dazu musste manchmal noch nicht einmal Kamera und Ton aufgestellt werden. Es reichte, mit der Drehtechnik (auf Bollerwagen geladen oder per Hand über den Klippenrandweg geschleppt) auf der Insel unterwegs zu sein, auf den Wegen des Ober­ und Unterlandes, um mit Helgoländer­innen und Helgoländern ins Gespräch zu kommen und von ihrer Sicht auf die bewegte und bewegende Geschichte ihrer Heimat zu erfahren. Fast alles aus unserer Truhe war Gold, was glänzte, vielleicht mit Ausnahme des Wetters, das sich eher von seiner „beschlagenen“ Seite zeigte. Aber wie sagt man so schön: Es gibt kein schlechtes Wetter, nur schlechte Kleidung.

Ich bin froh, dank der detailgenauen Vorbereitungen des gesam­ten Teams diesen einzigartigen Schatz mit gemeinsamen An­strengungen gehoben zu haben. Möge er strahlen und die Erin­nerung an Mut und Aufrichtigkeit in dunklen Zeiten wachhalten.

Daniel Remsperger ist Producer, Regisseur und

Autor für die Dokfilm Fernsehproduktion GmbH in Potsdam. Während des

Studiums der Filmwis­senschaft, Publizistik und

Politikwissenschaft in Mainz, Amsterdam und New York

war er freier Mitarbeiter in der Redaktion Gesellschafts­politik des ZDF. Im Anschluss

langjährige Arbeit als Autor, Redakteur und CvD im KIKA,

dem Kinderkanal von ARD und ZDF. Seit 2007 ist Daniel

Remsperger in unterschied­lichen Funktionen bei der

Dokfilm Fernsehproduktion tätig, u. a. als Autor und

Regisseur für Reihen („Band Camp Berlin“, „Die Haupt­

stadtpraktikanten“) und Dokumentationen / Doku­

Dramen („Mein Sommer 88“, „Nerven und Nerven

lassen“, „Ungelogen“) bzw. als Producer („Friedrich – Ein

deutscher König“, „Dieses bunte Deutschland“, „Berlin und Brandenburg von oben“,

„Geheimakte Pontifex“). Remsperger lebt in Berlin.

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W I R F A N D E N N A H E Z U V E R G E S S E N E

O R T E

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CARSTEN GUTSCHMIDT REGIE SZENISCH

Wo dreht man die Szenen für einen Film, der zum Großteil auf Helgoland spielt? Nun, jedenfalls nicht auf Helgoland.

Durch die Zerstörung der gesamten Insel und dem darauf fol­genden – modernen – Wiederaufbau, konnte uns die Insel leider keine historische Kulissen für unseren Film bieten. Mit einer Ausnahme: Zu den Stränden Helgolands, mit ihrem roten Felsen, gab und gibt es keine Alternative. Und so fanden wir uns eines schönen Tages im Morgengrauen am Nordstrand Helgolands ein, um die Szenen mit Michael Mendl als fotografie­rendem Franz Schensky zu drehen. Nachdem wir den Wettlauf gegen das Wetter, die Jogger, Ornithologen und Robbenbeo­bachter gewonnen hatten, teilten wir das Schicksal vieler Insula­ner: Wir emigrierten aufs Festland um dort unser Glück – unsere weiteren Drehorte für die Fiction­Szenen – zu suchen.

Fündig wurden wir dann in Niedersachsen, in Wrisbergholzen, einem Ort, noch kleiner als Helgoland. Das dort leerstehende Schloss konnte zu einer prima Hotellobby umgestaltet werden und auch sonst trafen wir auf offene Ohren und fanden nahezu vergessene Orte, die es uns ermöglichten, ein Fenster ins alte Helgoland zu öffnen. Wobei, besser keine Fenster öffnen, denn dort lag eine weitere Tücke dieses Drehs versteckt. Auf Helgo­land gibt es kaum Bäume und schon gar keine größere Straßen. Jede Einstellung in Richtung Fenster und Türen musste daher wohl überlegt, exakt komponiert und im richtigen Winkel ge­dreht werden. Und wo es gar nicht anders ging, hat uns der Com­puter geholfen und quasi das Meer vor die Tür gezaubert.

Carsten Gutschmidt Carsten Gutschmidt (geb.

1975) ist freier Regisseur mit den Schwerpunkten History und Doku­Drama. Nach dem

Abitur durchlief er diverse Spielfilmproduktionen (u. a. Beleuchter bei Tom Tykwers „Lola rennt“). 1996 bis 1998

war er Regieassistent von Philipp Stölzl („Der Medicus“,

„Winnetou“) bei der DoRo Berlin Filmproduktion. 1998 erfolgte die erste eigenstän­

dige Regiearbeit.

Seit mehr als zehn Jahren hat sich Carsten Gutschmidt

auf historische High­End­Doku­Dramen spezialisiert.

Seine erfolgreichsten Arbeiten waren „Die Deut­

schen“ (2010), „Weltenbrand“ (2012), „Wir – Geiseln der

SS“ (2015) und „Leningrad Symphony“ (2017).

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HUBERTUS MEYER-BURCKHARDT PRESENTERHubertus Meyer­Burckhardt studierte zunächst Geschichte und Philosophie in Berlin und Ham­burg, danach an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. Nach zwei Jahren als Pro­duzent für die neue deutsche Filmgesellschaft (ndF) wechselte er 1988 als Creative Director, Head of TV und Mitglied der Geschäftsleitung zur Agentur BBDO nach Düsseldorf. 1993 grün­dete er gemeinsam mit der ndF die Akzente Film­ und Fernsehproduktion in München und produzierte dort unter anderem Filme wie „Das Urteil“, für den er als erster deutscher Produ­zent eine Emmy­Nominierung erhielt.

Von 1999 bis 2004 war Hubertus Meyer­Burck­hardt Vorsitzender der Geschäftsführung der Multimedia Hamburg, einem Joint­Venture der Axel Springer AG mit der Studio Hamburg GmbH. In dieser Zeit produzierte er Filme wie

„Tödliches Vertrauen“ sowie das preisgekrönte Werk „Mein letzter Film“ mit Hannelore Elsner. Ab Juli 2004 verantwortete er dann als Vor­standsmitglied der ProSiebenSat.1 Media AG den Bereich Corporate Development.

Im Juni 2006 wurde Hubertus Meyer­Burck­hardt Vorsitzender Geschäftsführer der Poly­phon Film­ und Fernsehgesellschaft mbH in Hamburg. Im Mai 2013 verließ er die Geschäfts­führung auf eigenen Wunsch und unterschrieb einen Fünfjahres­Vertrag als Produzent bei der Polyphon. Hubertus Meyer­Burckhardt saß in der Jury des Deutschen Fernsehpreises, gehört zum Autorenteam des Musikmagazins

„Rolling Stone“. Seit Januar 2016 ist er Auf­sichtsratsmitglied des Ernst Deutsch Theaters in Hamburg. Zwischen Oktober 2007 und Juli 2013 war er lehrend „Professor in Teilzeit“ an der Hochschule für bildende Künste Hamburg (HFBK) tätig.

Seit 2008 ist er an der Seite von Barbara Schöneberger wieder Gastgeber der „NDR Talk Show“ im NDR Fernsehen, die er bereits von 1994 bis 2001 an der Seite von Alida Gundlach moderierte. Zudem gehört er seit 2014 zu dem Rateteam der NDR Quizsendung „Kaum zu glau­ben“ im Dritten.

2016 ist Hubertus Meyer­Burckhardts dritter Roman „Meine Tage mit Fabienne“ – nach „Die kleine Geschichte einer großen Liebe“ (2014) und „Die Kündigung“ (2011) – erschienen.

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MICHAEL MENDL FRANZ SCHENSKY

Michael Mendl gilt als einer der markantesten Schauspieler Deutschlands. Nach seiner Aus­bildung an der Essener Folkwang Schauspiel­schule war der aus Lünen stammende Michael Mendl lange Jahre am Theater engagiert, darunter am Schauspielhaus Hamburg, bei den Kammerspielen München, beim Residenzthe­ater München, bei den Salzburger Festspielen und an der Volksbühne Berlin.

Der Durchbruch beim Fernsehen gelang dem Schauspieler 1989 mit seiner ersten Hauptrolle als Koslowski im „Tatort – Die Neue“ unter der Regie von Peter Schulze­Rohr. Mendls „Charak­terkopf“ und seine feinnervigen Porträts von Ganoven, Ehemännern, Liebhabern, tragischen Outlaws und historischen Persönlichkeiten prägen seit den 80er­Jahren viele Fernseh­spiele und Filme. 1995 verkörperte er Götz Georges Knastkumpel Korda in „Das Schwein

– Eine deutsche Karriere“. Nach Dieter Wedels Mehrteiler „Der Schattenmann“ (1996) folgten Hauptrollen in Martin Enlens „Andrea und Marie“ (1998), Dominik Grafs „Bittere Unschuld“ (1999), im „Deutschlandspiel“ von Hans­Chri­stoph Blumenberg (2000) und in Andreas Kleinerts Film „Kelly Bastian“ (2001).

2002 stand Michael Mendl unter der Regie von Oliver Storz als Willy Brandt für den Zweiteiler

„Im Schatten der Macht“ (2003) vor der Kamera: 2004 erhielt er dafür die Goldene Kamera. Unter anderem konnte man Michael Mendl auch in Ariane Zellers „Der zweite Blick“ (2005), Marco Serafinis „Sterne über Madeira“ (2005) und Joseph Vilsmaiers Mehrteiler „Die Gustloff“ (2008) sehen. Zudem trat er immer wieder sowohl in deutschen als auch in inter­nationalen Kinoproduktionen auf, so etwa in „14 Tage lebenslänglich“ (wofür er 1998 den Bayerischen Filmpreis erhielt), in dem polnischen Film „Weiser“ (2001), in „Amen. Der Stellvertreter“ (2002) von Costa­Gavras oder in der Oscar­nominierten Produktion „Der Unter­gang“ (2004). Auch in den Kinofilmen „Schlafes Bruder“ (1995), „Der Henker“ (2005), „Barfuß“ (2005), „Halbe Brüder“ (2014) und in der inter­nationalen Produktion „A Cure for Wellness“ (2015) überzeugte der vielseitige Schauspieler.

2014 und 2015 konnte man Michael Mendl in „Sirenen“ und „Das Mädchen mit den Schwefel­hölzern“ auch erstmals in der Oper Frankfurt erleben, wo er neben seinem schauspiele­rischen auch sein gesangliches Talent ein­drucksvoll präsentierte. 2016 und 2017 stand der Schauspieler mit dem Stück „Haus auf dem Land“ in Hamburg und Berlin wieder auf der Theaterbühne.

Zuletzt wirkte Michael Mendl in Filmen wie „Katie Fforde“ (2016) als auch in einigen Serien­formaten wie beispielsweise „In aller Freund­schaft“ (2016) mit.

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CHRISTINA GROSSE MARGARETHE JESSEN

Christina Große gehört zu den vielseitigsten Schauspielerinnen ihrer Generation. Den Zuschauern ist sie sowohl aus historischen Doku­Dramen bekannt („Friedrich – Ein deutscher König“, „14 – Tagebücher des Ersten Weltkriegs“) als auch aus zeitgenössischen Stoffen („Letzte Ausfahrt Jena – Acht Stunden mit Beate Zschäpe“) sowie aus Krimis, Komödien („Die Könige der Nutzholzgewinnung“), Kino­ und TV­Produktionen.

Große erlernte zuerst den Beruf der Psychiatriediakonin, bevor sie von 1990 bis 1994 an der Filmhochschule Babelsberg Schauspiel studierte. Im Jahre 1992 erhielt sie den Förderpreis für Schauspielstudenten. Während des Studiums hatte sie ihr Debüt am Deutschen Theater in Berlin.

Nach ihrem Kinodebüt „Ein Schiff wird kommen“ (2003) verlegte sie ihren Arbeitsschwerpunkt auf Film und Fernsehen. Sie war im „Tatort“ und in weiteren Krimis zu sehen, aber auch in TV­Serien wie z. B. der Comedyreihe „Der kleine Mann“. Diese war 2009 für den Deutschen Comedypreis nominiert.

2014 erhielt Christina Große von der Deutschen Akademie für Fernsehen die Auszeichnung für die beste Hauptrolle im Film

„Neufeld, mitkommen!“.

2015 war sie für „ihre herausragenden schau­spielerischen Leistungen“ in den Produktionen

„Neufeld, mitkommen!“ (WDR), „Spreewaldkrimi – Mörderische Hitze“ (ZDF), „Be my Baby“ (ZDF) und weiteren Produktionen aus dem Sendejahr 2014 für den Grimme­Preis Spezial nominiert.

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1890 wurde Helgoland deutsch, zuvor war es in englischem Besitz. Vor 1807 gehörte es zu Dänemark. Als idealer Marine­ und Handels­stützpunkt in der Nordsee war es schon über Jahrhunderte Gegenstand des Streites euro­päischer Staaten. Die Helgoländer selber, ein etwa rund 2000 Seelen starkes Friesenvolk mit eigener Sprache und sehr eigenem Kopf, mussten immer wieder Besetzungen über sich ergehen lassen und erdulden. So waren die Hel­goländer keineswegs begeistert, als ihre Insel deutsch wurde. Es war ihnen sehr gut gegangen in den letzten Jahrzehnten mit den Engländern. Man hatte über achtzig Jahre Frieden erlebt, man führte regen Handel mit England und Deutschland und entwickelte sich zu einem sehr beliebten Urlaubs­ und Ausflugsziel für betuchte Gäste.

1890, als der deutsche Kaiser Wilhelm II die Insel den Engländern aus ihrem Besitz verhandeln ließ, hatte dies militär­ und machtstrategische Gründe – und es war eine Familienangelegenheit. Wilhelm II war selber zur Hälfte englischer Abstammung. Seine Mutter Victoria, Ehefrau des „99­Tage­Kaisers“ Friedrich III, war die Tochter von Queen Victo­ria und Wilhelm damit ihr Enkel. Heute weiß man, dass Wilhelm in seinem eigenen Streben, Deutschland zu einer konkurrenzfähigen Kolonialmacht aufzubauen, es nicht dulden konnte, dass nur 70 Kilometer vor der Elbmün­dung und der Küste Schleswig­Holsteins die Engländer einen Stützpunkt hatten. Sie hätten jederzeit den Schifffahrtshandel Deutsch­lands blockieren und in militärischer Hinsicht gefährlich werden können. Gleichzeitig wollte Wilhelm II seiner geliebten Großmutter Queen Victoria imponieren. Es ist bezeichnend, dass die englischen Unterhändler des sogenannten Helgoland­Sansibar­Vertrags, dessen Wortlaut nach Deutschland Ansprüche auf Gebiete in Ostafrika zugunsten Englands aufgab und dafür Helgoland bekam, sehr aufpassten, dass Queen Victoria nichts von dem Deal erfuhr, bis er unterzeichnet war. Es heißt, sie soll getobt haben. Am 2. Dezember 1890 schließlich wurde Helgoland offiziell Teil der preußischen Provinz Schleswig­Holstein.

Kaum war Helgoland in deutschen Besitz gelangt, ließ Wilhelm sie zur Marinefestung aufrüsten. Die Bebauung mit U­Boot­Docks und Schiff­Piers, mit Tunneln und Kanonen lief ununterbrochen – bis in den Ersten Welt­krieg hinein. Gleichzeitig aber ließ Wilhelm auch Gebäude errichten, die der Gemeinde zugutekommen sollten. Er wusste, wie er die Helgoländer ruhig stellen konnte. Doch wenn es denen nicht passte, was der Kaiser für ihre Insel „stiftete“, nahmen sie einfach das Geld und bauten etwas anderes. Als Wilhelm zum Beispiel – mit Gedanken an mögliche militä­rische Konflikte – Geld für ein Krankenhaus gab, nahmen die Helgoländer das Geld und bauten ein Schwimmbad damit, denn ihnen ging es um das gute Geschäft mit den Urlaubern und Kurz­besuchern und den weiteren wirtschaftlichen Aufstieg ihres Seebades. Die Geltung, die man heute Sylt zuschreibt – im 19. Jahrhundert, bis zum Ersten Weltkrieg und auch zwischen den Weltkriegen, hatte sie Helgoland. Die schnelle Schiffsverbindung ließ auch Tagesausflüge auf die Insel immer beliebter werden.

Als der Erste Weltkrieg ausbrach, wurde die gesamte Helgoländer Bevölkerung zwangseva­kuiert. Die Helgoländer mussten die Insel inner­halb von 24 Stunden verlassen, Wohnungen und Hotels offen stehen lassen und den Sol­daten zur Verfügung stellen. Die Helgoländer wurden auf den Norden Deutschlands verteilt und sich selbst überlassen. Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und Jahren der Not konnten die Helgoländer im Dezember 1918 zurück auf ihre Insel. Sie fanden ihre Häuser, Wohnungen und Hotels verwohnt, heruntergekommen und ausgeraubt vor.

Während in Konsequenz des Versailler Ver­trages die militärischen Anlagen demontiert wurden, machten sich die Helgoländer an den Wiederaufbau. Im Sommer 1919 konnten wie­der die ersten Badegäste empfangen werden. Helgolands neue Blüte hielt bis wenige Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges an.

CHRONIK HELGOLAND 1890—1952

24 HEIMAT HELGOLAND

Der Wendepunkt kam mit der Machtergreifung Hitlers. Der ließ Helgoland sofort wieder zu einer noch größenwahnsinniger angelegten Militärfestung ausbauen, die auf die Verle­gung von 6000 Soldaten eingerichtet war, mit Bunkern, U­Boot Liegeplätzen, Flak­Abwehr… Helgolands Existenz als Seebad endete. Bald schon wurden Düne und Hauptinsel gesperrt

– „Betreten verboten“. Die Insel sollte das Fünffache seiner Fläche an Militäranlagen bekommen. Doch ganz so weit kam es nicht mehr. In den Mittagsstunden des 18. April 1945 wurde Helgoland geradezu eingeäschert. Rund eintausend englische Flugzeuge ließen kein Haus, kein Baum und keine Kanone stehen. Zum Glück konnten sich die meisten Helgo­länder kurz vor Beginn der Bombardierung in die Bunkeranlagen des Felsens retten, wo sie überlebten. Mehrere hundert Soldaten und Zivi­listen aber kamen ums Leben – die meisten von ihnen Jungen im Alter von 16 bis 18 Jahren, die als Flakhelfer abkommandiert waren. Wieder wurde Helgolands Bevölkerung zwangsevaku­iert und wieder wurde Helgoland von England in Besitz genommen.

Doch dieses Mal wollten sie Helgoland nicht wieder hergeben. In einer sinnlosen Dauerbom­bardierung, die bis in das Jahr 1952 anhielt, versuchten die Briten, die Insel vollständig zu

zerstören und von der Meeresoberfläche ver­schwinden zu lassen. Höhepunkt dieser Unter­nehmungen war der sogenannte „Big Bang“ im Jahre 1947. Sinnigerweise wieder an einem 18. April hatte man 6700 Tonnen Sprengstoff in den Bunkeranlagen und an den Felsen ange­bracht und sprengte diese von einem Schiff per Fernzünder – live übertragen im Radio und in Anwesenheit von Pressevertretern, Militärs und Politikern. Es bleibt eine der größten nichtnuklearen Sprengungen der Menschheits­geschichte. Eine Ecke des Oberlandes fiel ins Meer, das sogenannte „Mittelland“ entstand, doch Helgoland blieb – als Fels in der Brandung des Nordens.

Am 21. Dezember 1951 besetzen zwei Freibur­ger Studenten die zum Sperrgebiet erklärte Insel, um die Weltöffentlichkeit durch eine friedliche Demonstration auf das Schicksal der Helgoländer aufmerksam zu machen. Neun weitere Expeditionen von jungen Studenten, Friedensaktivisten, Kirchenmitgliedern, Jung­sozialisten und Jungkommunisten folgen. Es kam tatsächlich zu Verhandlungen und im März 1952 wurde die erneute Freigabe der Insel verkündet. Im Sommer 1952 begannen die Arbeiten zur Räumung und Entschärfung der Bomben.

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