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Schrödingers Katze Einführung in die Quantenphysik Von Brigitte Röthlein Mit Schwarzweißabbildungen von Nadine Schnyder by Berryl / T@lia - member of [dark] Inhalt Vorbemerkung des Herausgebers 7 Eine Katze wird weltberühmt 9 Der Umsturz im Weltbild der klassischen Physik 15 Ist Licht Teilchen oder Welle? 15 Das Bohrsche Atommodell 23 Quantenzahlen bringen Ordnung in die Welt 30 Ein Experiment, an dem sich viele Diskussionen entzündeten 39 Wellenfunktionen und Wahrscheinlichkeiten 46 Heisenbergs Unschärferelation 52 Tunneleffekt - Ereignisse, die eigentlich nicht passieren dürften 60 Die geheimnisvolle Fernwirkung zwischen zwei Teilchen 65 Kosmologie und Multiweiten 74 Neueste Experimente aus der Welt der Quantenphysik 78 Wie die Quantenphysik unseren Alltag verändert 87 Laser 87 Supraleiter. 97 Quantenphysik in der Medizintechnik 103 Mikroelektronik und Datenspeicherung 105 Quantencomputer 109 Anhang Glossar 114 Weitere Literatur 120 Register 122

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Schrödingers Katze

Einführung in die QuantenphysikVon

Brigitte Röthlein

Mit Schwarzweißabbildungen vonNadine Schnyder

by Berryl / T@lia - member of [dark]

InhaltVorbemerkung des Herausgebers 7Eine Katze wird weltberühmt 9Der Umsturz im Weltbild der klassischen Physik 15Ist Licht Teilchen oder Welle? 15Das Bohrsche Atommodell 23Quantenzahlen bringen Ordnung in die Welt 30Ein Experiment, an dem sich viele Diskussionenentzündeten 39Wellenfunktionen und Wahrscheinlichkeiten 46Heisenbergs Unschärferelation 52Tunneleffekt - Ereignisse, die eigentlich nicht passierendürften 60Die geheimnisvolle Fernwirkung zwischen zwei Teilchen

65Kosmologie und Multiweiten 74Neueste Experimente aus der Welt der Quantenphysik 78Wie die Quantenphysik unseren Alltag verändert 87Laser 87Supraleiter. 97Quantenphysik in der Medizintechnik 103Mikroelektronik und Datenspeicherung 105Quantencomputer 109AnhangGlossar 114Weitere Literatur 120Register 122

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Vorbemerkung des Herausgebers

Die Anzahl aller naturwissenschaftlichen und technischenVeröffentlichungen allein der Jahre 1996 und 1997 hat die Summe derentsprechenden Schriften sämtlicher Gelehrter der Welt vom Anfangschriftlicher Übertragung bis zum Zweiten Weltkrieg übertroffen.Diese gewaltige Menge an Wissen schüchtert nicht nur den Laien ein,auch der Experte verliert selbst in seiner eigenen Disziplin denÜberblick. Wie kann vor diesem Hintergrund noch entschiedenwerden, welches Wissen sinnvoll ist, wie es weitergegeben werden sollund welche Konsequenzen es für uns alle hat? Denn gerade dieNaturwissenschaften sprechen Lebensbereiche an, die uns — wenn wires auch nicht immer merken - tagtäglich betreffen.Die Reihe Naturwissenschaftliche Einführungen im dtv< hat es sichzum Ziel gesetzt, als Wegweiser durch die wichtigsten Fachrichtungender naturwissenschaftlichen und technischen Forschung zu leiten. ImMittelpunkt der allgemeinverständlichen Darstellung stehen diegrundlegenden und entscheidenden Kenntnisse und Theorien, aufDetailwissen wird bewußt und konsequent verzichtet.Als Autorinnen und Autoren zeichnen hervorragendeWissenschaftspublizisten verantwortlich, deren Tagesgeschäft diepopuläre Vermittlung komplizierter Inhalte ist. Ich danke jeder undjedem einzelnen von ihnen für die von allen gezeigte bereitwillige undkonstruktive Mitarbeit an diesem Projekt.Lange stand sie im Zentrum der Ablehnung, die Quantenphysik,geradezu klassisch geworden ist Einsteins Kommentar »Gott würfeltnicht!« Und in der Tat, es ist schon schwer zuverstehen, daß hinter all den festen und unverrückbaren Naturvorgängenunserer sinnlich erlebbaren Welt im Bereich der kleinsten Dimensionenausschließlich das Prinzip Zufall herrscht, das sich lediglich statistischerfassen läßt. Brigitte Röthlein zeigt aufseht lebendige Weise, wie es dieQuantentheoretiker dennoch geschafft haben, ihr Ideengebäude in derPhysik zu etablieren. Ausgehend von der schon Jahrhunderte altenDiskussion um den Wellen- bzw. Teilchencharakter des Lichts über MaxPlanck, Erwin Schrödinger, Niels Bohr, Werner Heisenberg oder RichardFeynman führte der Weg, an dessen gegenwärtigem Stand Techniken

stehen, die unser tägliches Leben verändern, allen voran der Laser inseinen unzähligen Anwendungsbereichen.Olaf Benzinger

Eine Katze wird weltberühmt

Das Szenario könnte von einem Tierquäler stammen: Man stelle sicheine Kiste vor, in die man nicht hineinsehen kann und aus der keineGeräusche nach außen dringen. In dieser Kiste sitzt eine Katze. Sie istgesund und munter und ahnt nicht, in welch prekärer Lage sie sichbefindet. Denn neben ihr in der Kiste steht ein physikalischer Apparat,der ihren sicheren Tod bedeutet: Ein radioaktives Präparat wirdirgendwann in der nächsten Stunde den Zerfall eines Atoms erleben,man weiß nur noch nicht, wann innerhalb dieser nächsten Stunde.Wenn das Atom zerfällt, wird es über einen Geigerzähler einenelektrischen Impuls auslösen, der einen Hammer auf eine Phiole mitGift fallen läßt. Was nun geschieht, bedeutet für die Katze das Ende:Der Hammer zertrümmert die Phiole, das Gift tritt aus und verdampft,die Katze atmet es ein und stirbt sofort. Nichts von alledem ist vonaußen zu sehen, zu hören oder zu fühlen. Selbst der aufmerksamsteBeobachter wird also nicht feststellen können, ob der radioaktiveZerfall im Inneren der Kiste schon stattgefunden hat oder noch zuerwarten ist. Denn radioaktive Elemente besitzen die Eigenschaft, daßihre Atome nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zerfallen, sondernnur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit innerhalb einer bestimmtenZeitspanne. Mit anderen Worten heißt das, man kann den Zerfall einesbestimmten Atoms nicht zeitlich vorhersagen, man kann nur davonausgehen, daß er beispielsweise mit großer Sicherheit in derkommenden Stunde eintritt.Was bedeutet dies für die Katze in der Kiste? Während der Stunde, inder der Zerfall eintreten wird, kann kein äußerer

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Beobachter sagen, ob sie noch lebt oder schon tot ist, denn niemandweiß, wann genau das radioaktive Atom zerfällt. In gewisser Weise istdie Katze also gleichzeitig lebendig und tot oder keines von beiden, siebefindet sich in einem Mischzustand zwischen Leben und Tod.Selbstverständlich kann man aber zu jedem Zeitpunkt feststellen, obdie Katze noch lebt oder schon tot ist, indem man die Kiste öffnet undhineinschaut.Zum Glück für die Katze ist dieses Szenario nur einGedankenexperiment, das im Jahr 1935 von dem österreichischenPhysiker Erwin Schrödinger erfunden wurde. Er wollte damit einBeispiel geben für die Unsicherheit, mit der im Grunde unsere ganzeWelt behaftet ist. Schrödinger war einer der Väter der sogenanntenQuantenmechanik, einer Wissenschaft, die die Vorgänge im Bereichdes Allerkleinsten mathematisch beschreibt und deutet. Und in diesermikroskopischen Welt passieren die skurrilsten Dinge: Da könnenTeilchen gleichzeitig an verschiedenen Orten sein, sie können sichschneller als mit Lichtgeschwindigkeit miteinander verständigen oderübergangslos von einem Ort zum anderen springen. Mit seinemKatzenbild hat Erwin Schrödinger es verstanden, einen außerordentlichkomplizierten Gedankengang so populär darzustellen, daß ihn jederversteht. Vielleicht ist dies der Grund, warum seine Katze so berühmtwurde.Trotz der theoretischen Probleme bietet die Quantenmechanik abereine Beschreibung der realen Welt, die mit unserer Alltagserfahrunggut vereinbar ist. Daß dies so ist, beruht allein auf der Tatsache, daß sienur für winzigste Abmessungen gilt; sobald man zu Längenmaßstäbenübergeht, die unserer wahrnehmbaren makroskopischen Weltentsprechen, treten die Regeln der Quantenphysik nicht mehr inErscheinung — zumindest im Normalfall nicht.Genau dies erschwert das Verständnis dieser kompliziertenWissenschaft, und Schrödinger erfand deshalb das Gedan-

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kenexperiment mit der Katze, um auch für den Laien die Grundideeder Quantenmechanik verständlich zu machen. Sie sagt nämlich aus,daß alles und jedes, sei es ein Teilchen, das Licht oder eine Kraft, inWirklichkeit ungewiß ist. Kein Teilchen befindet sich zu einerbestimmten Zeit genau an einem bestimmten Ort, kein Lichtstrahl istnur hier und nicht gleichzeitig woanders, selbst das Vakuum, dieabsolute Leere, ist erfüllt von einer Vielzahl von Teilchen und Wellen.Diese seltsame, Ungewisse Welt des Verschwommenen undUngenauen verwandelt sich jedoch schlagartig in unsere gewohntefestgefügte Welt des Erfahrbaren, wenn man darangeht, etwas zumessen. In dem Augenblick, in dem ein Meßgerät ins Spiel kommt,verändert sich die Wirklichkeit so, daß man sie exakt beschreibenkann, wie man das seit dem berühmten Gelehrten Isaac Newton kennt.Bei der Katze ist das »Meßgerät« der Beobachter, der die Kiste öffnetund hineinschaut.Man könnte also sagen, Meßgeräte verändern die Welt. Sie verwandelnUngewisses in Gewißheit und Verschwommenes in exakte Daten. Soungewöhnlich diese Idee klingt, hat sie doch schon vielephilosophische Zirkel beschäftigt, und das Ergebnis ist bis heute offen.Trotzdem waren die Diskussionen über die Quantenphysik und ihreAussagen über die Wirklichkeit nicht fruchtlos. Sie haben eineVielzahl von genialen Überlegungen hervorgebracht, undExperimentalphysiker ruhten nicht, bis sie Anordnungen ersonnenhatten, die manche der seltsamen Vorhersagen überprüfen sollten. Sobegannen Wissenschaftler mit ganz konkreten Experimenten,Schrödingers Katze zu realisieren, und daraus entstand eines derspannendsten Kapitel der modernen Physik, das bis heute nochkeineswegs abgeschlossen ist.Mit seinem Bild von der Katze zwischen Leben und Tod wollteSchrödinger nicht nur das Grundprinzip der Quantenmechanikillustrieren, sondern auch seinen Zweifeln Ausdruck verleihen. Dennes war ihm unbehaglich zumute bei

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dem Gedanken, daß die Welt grundsätzlich auf Ungewißheitenberuhen sollte. Der geniale dänische Theoretiker Niels Bohr, dem wirdas »Bohrsche Atommodell« verdanken, beschäftigte sich in vielenDiskussionen ebenfalls mit dieser Frage. Er antwortete Schrödinger,daß Messungen immer mit einem makroskopischen Meßgerätausgeführt werden müssen, und daß dieser Apparat, der den Gesetzender klassischen Physik gehorchen muß, die Überlagerung derQuantenzu-stände zerstört, er läßt sie kollabieren. Diese Erklärung desÜbergangs zwischen klassischer und Quantenphysik erhielt denNamen »Kopenhagener Deutung«.Im Jahr 1996 jedoch gelang es erstmals einem Forscherteam an derPariser Ecole Normale Superieure, ein Experiment durchzuführen, beidem das Meßgerät eben kein makroskopisches Objekt ist, sondernseinerseits ebenfalls den Gesetzen der Quantenphysik gehorcht. InAnlehnung an Schrödingers Katze nannten die Wissenschaftler es»Quantenmaus«. Serge Harouche und Jean-Michel Raimond versetztenein einzelnes Rubidium-Atom mit Hilfe von Laserimpulsen in eineÜberlagerung von zwei gleichzeitigen, hochangeregten Zuständen.Dieses Atom schickten sie durch einen Hohlraum, der dieSchwingungen des Atoms gleichsam übernahm, oder andersausgedrückt, das Atom erzeugte in diesem Hohlraum eineResonanzschwingung. Auch diese bestand aus der Überlagerung derbeiden Zustände, entsprach also quasi Schrödingers halbtoter Katze.Nun untersuchten die beiden französischen Forscher, wie stabil dieseÜberlagerung unter verschiedenen Bedingungen blieb. Zu diesemZweck erfanden sie ein raffiniertes Meßgerät: Es besteht aus einemzweiten Atom, das sie durch den Hohlraum fliegen ließen und dasdessen Schwingung abtastete. Anschließend konnte man seinenZustand in einem Detektor überprüfen. Harouche verglich das zweiteAtom mit einer Quantenmaus, die im Vorbeiwandern den Zustand derSchrödingerschen Katze über-

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prüft, ohne die Kiste zu öffnen. Und diese geniale Quantenmaus warnicht, wie von Bohr postuliert, ein Gegenstand der klassischen Physik,sondern wegen seiner winzigen Größe selbst ein quantenphysikalischesObjekt.Das Ergebnis des Experiments zeigte, daß der Übergang vomQuantenzustand zur klassischen Physik nicht schlagartig, sondernallmählich erfolgt. Je größer der Zeitabstand zwischen dem Durchgangdes ersten und des zweiten Atoms durch den Hohlraum war, destowahrscheinlicher wurde es, daß die Überlagerung der beiden Zuständebei der Messung bereits kollabiert war. Das Fazit der Forscher: BeimÜbergang vom Mikro- zum Makrokosmos geht die Quantenphysikganz allmählich in die klassische Physik über. Je größer das betrachteteSystem ist, desto kurzlebiger sind Überlagerungen zwischen zweiZuständen, etwa tot und lebendig. Im erlebbaren, makrophysikalischenAlltag wird man ihnen also wohl nie begegnen.Ein ganz entsprechendes Ergebnis erhielten die amerikanischenPhysiker Chris Monroe und David Wineland vom National Institute ofStandards and Technology in Boulder/Colo-rado. Sie erzeugten aneinem Beryllium-Atom ebenfalls durch Laserimpulse eineÜberlagerung von zwei Hyperfeinzustän-den. Diese entstehen durchdie Wechselwirkung der Elektronen in der Atomhülle mit denelektromagnetischen Feldern des Atomkerns. Die Überlagerung wurdemit einer Schaukelbewegung des Atoms in einer lonenfalle verbunden.Monroe verglich die Anordnung mit einem Kind auf einer Schaukel,das hin und her, gleichzeitig aber auch her und hin schwingt. EineMomentaufnahme, wäre sie möglich, würde das Atom zur selben Zeitan zwei verschiedenen Orten zeigen. Der Abstand zwischen diesenbeiden Orten betrug nach den Berechnungen der amerikanischenForscher rund achtzig Nanometer (Millionstel Millimeter). Sie fandennun heraus, daß der Über-lagerungszustand um so schneller wiederverschwindet, je

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größer diese Distanz der gekoppelten Teilatome ist. Auchhieraus lautet die Schlußfolgerung, daß bei den Abmessun-gen unserer Alltagswelt keine quantenmechanischen Überra-schungen zu erwarten sind. jAchtzig Nanometer ist jedoch ein Abstand, der von denGrößenordnungen der elektronischen Schaltkreise, die heutein den Labors der Computerindustrie entwickelt werden,nicht mehr allzu weit entfernt ist. So könnte es sein, daß einenoch weitere Miniaturisierung der Computerchips uns einesTages in die Wunderwelt der Quantenphysik führt und dochnoch eine direkte Verbindung herstellt zwischen unserer All-tagswelt und den Ungewißheiten im Kleinsten, die Schrödin-ger vorhergesagt hatte.

Der Umsturz im Weltbild derklassischen Physik

Ist Licht Teilchen oder Welle?

Licht ist für die meisten Menschen eine Selbstverständlichkeit, über diesie sich nicht viele Gedanken machen. Für die Physiker ist das Lichtjedoch schon seit Jahrhunderten ein Studienobjekt, an dem sich dieGeister scheiden. Und Licht ist auch der Schlüssel zur Quantenphysik.Eine der zentralen Fragen im Zusammenhang mit Licht war stets, ob esaus Wellen oder aus Teilchen besteht. Im Lauf der Jahrhunderte gab eswechselnde Schulen für die eine oder die andere Vermutung, und vielfachbekämpften sich die Anhänger der beiden Theorien mit erbitterter Härte.Der Leidener Mathematikprofessor Willebrord Snellius untersuchteAnfang des 17. Jahrhunderts die Brechung von Lichtstrahlen beimÜbergang von einem Medium zu einem anderen, also zum Beispiel vonLuft in Wasser. Dabei entdeckte er 1621 das Brechungsgesetz, das bisheute gilt. Es sagt aus, daß sich Licht in unterschiedlichen Medien mitunterschiedlicher Geschwindigkeit ausbreitet. Bekanntgemacht wurdedieses Gesetz jedoch erst 1637 von Rene Descartes, der sich bemühte, esgemeinsam mit anderen optischen Phänomenen durch die Annahme zuerklären, daß das Licht aus kleinen Partikeln bestehe, die sich in schnellergeradliniger Bewegung befinden. So stellte er sich auch vor, daß dieReflexion von Lichtstrahlen nichts anderes sei als das Abprallen derLichtteilchen an elastischen Oberflächen. Für die Wellentheo-rie desLichts hingegen entschied sich etwa zur gleichen Zeit

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der italienische Mathematiker Francesco Grimaldi in Bologna. Er hattebeobachtet, daß Schatten immer etwas größer sind, als sie beigeradliniger Ausbreitung des Lichts eigentlich sein dürften, außerdemsind die Ränder des Schattens oft gefärbt. Diese beiden Effekte lassensich gut durch Wellen erklären, denn ähnliche Beobachtungen kannman auch machen, wenn man Wasserwellen betrachtet, die einHindernis umlaufen. So glaubte Grimaldi, daß Licht ein Fluidum sei,das sich mit großer Geschwindigkeit bewegt und gleichzeitig schnellschwingt.Der holländische Wissenschaftler Christian Huygens bau-1 te vor runddreihundert Jahren auf der Theorie Grimaldis auf: Er hielt jedoch dasFluidum, das er Äther nannte, für stationär; in ihm sollten sich dieLichtschwingungen wie Wasserwellen ausbreiten. Der Äther sollte auswinzigen elastischen Teilchen bestehen, die Impulse übertragenkönnen, ohne dabei ihre eigene Lage zu verändern, und sollte alledurchsichtigen Körper ausfüllen, die von Licht durchdrungen werden.Beim Durchgang durch feste Körper, etwa durch Glas, mußten dieLichtwellen jedoch Umwege um die Teilchen des Körpers machen, sodaß ihre Ausbreitung verlangsamt würde. Auf diese Weise erklärteHuygens die Brechung des Lichts. Er veröffentlichte seineErkenntnisse 1690 in seinem Werk >Traites de la Lumiere<.Um diese Theorie entbrannte zwischen ihm und dem englischenGelehrten Isaac Newton eine der berühmtesten Kontroversen über dieNatur des Lichts, denn Newton vertrat im Gegensatz zu Huygens wieDescartes die Ansicht, daß das Licht aus Teilchen bestehe.Eigentlich hatte sich Newton gar nicht sonderlich für das Wesen desLichts interessiert, er beschäftigte sich lieber mit Astronomie. Alsgutem Beobachter fiel ihm jedoch auf, daß die damals gebräuchlichenFernrohre, die aus Kombinationen mehrerer Linsen bestanden, an denRändern stets farbige und

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leicht verzerrte Bilder lieferten, und er ging der Sache nach. Und wennNewton etwas tat, dann tat er es gründlich: So konstruierte er nicht nurim Jahr 1668 das erste Spiegelteleskop der Welt, das die Nachteile derLinsenfernrohre überwand, sondern er begann auch, das Licht alssolches näher zu untersuchen. Mit Hilfe von Prismen begann IsaacNewton, weißes Licht in seine Bestandteile zu zerlegen. Bei einemPrisma handelt es sich um einen Glaskörper, der einen dreieckigenGrundriß hat. Läßt man weißes Licht so hindurchfallen, daß es durchdie beiden nicht parallelen Wände hindurchtritt, spaltet es sich in dieFarben des Regenbogens auf: Wie durch Zauberhand wird so ausweißem Licht farbiges. Newton ging nun einen Schritt weiter undversuchte, die einzelnen Teile des farbigen Spektrums, wie man dieRegenbogenfarben nannte, herauszufiltern und durch ein zweitesPrisma weiter aufzufächern. Dabei stellte er fest, daß dieSpektralfarben nicht mehr weiter zu zerlegen waren.Im Jahr 1704 veröffentlichte Newton in seinem Buch >Opticks< seineErklärung für die experimentellen Ergebnisse. Dabei vertrat er dieAnsicht, daß Licht aus Partikeln bestehe, die sich auf geraden Linienbewegten, sie sollten im umgebenden Äther Vibrationsbewegungenerzeugen.Der Gegensatz zwischen Huygens und Newton entzweite eine ganzeGeneration von Gelehrten. Die Kontroverse wurde nicht immer mitfeinen Mitteln ausgetragen, und die wissenschaftlichen Gesellschaftender jeweiligen Länder spielten dabei keine allzu rühmliche Rolle. DerStreit wurde jedoch damals nicht entschieden, er geriet einfach inVergessenheit, mit leichten Vorteilen für die KorpuskulartheorieNewtons. Nach ihm gab es in der Optik ein Jahrhundert lang keinegroßen Neuigkeiten, und die Theoretiker fanden andere Gebiete derPhysik, mit denen sie sich beschäftigen konnten. Die Natur des Lichtskam erst wieder zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf die Tagesordnung.Inzwischen hatte sich Newtons

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Longitudinale und transversale Wellenformen

Ansicht weitgehend durchgesetzt, auch wenn man nicht mehr an denÄther glaubte. Das Licht, so dachte man, bestehe einfach aus schnellfliegenden Teilchen.Deutsche Naturphilosophen und Gelehrte aus England und Frankreichbegannen sich nun jedoch gegen die Newton-schen Anschauungenaufzulehnen, und eine Vielzahl neuer Experimente, etwa zurDoppelbrechung und zur Polarisation, legten den Schluß nahe, daßLicht doch eine Welle sei. Vor allem als der Londoner Arzt ThomasYoung im Jahr 1817 erkannte, daß Licht nicht eine longitudinaleSchwingung ist, die sich analog zu Schallwellen parallel zurSchwingungsrichtung ausbreitet, sondern eine transversaleSchwingung, deren Wellen senkrecht (transversal) zurAusbreitungsrichtung schwingen, konnten viele Phänomene erklärtwerden, die vorher geheimnisvoll erschienen waren.

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Die neuen Wellentheorien des Lichts warfen jedoch die Frage auf,welche Eigenschaften der Äther haben sollte - das Medium, in demsich die Wellen ausbreiteten. Es ist ein spannendes Kapitel derWissenschaftsgeschichte, die unterschiedlichen, zum Teilabenteuerlichen Vorstellungen der damaligen Gelehrten miteinanderzu vergleichen, es würde hier aber zu weit führen. Letzten Endeskonnte sich gegen Mitte des 19. Jahrhunderts die Wellentheorie desLichts durchsetzen. Als in den Jahrzehnten danach elektrische undmagnetische Phänomene ins Blickfeld der Wissenschaft rückten, kamdem britischen Physiker Clerk Maxwell der Gedanke, daß Lichtwomöglich ein elektromagnetisches Phänomen sei. Er glaubte, daß»das Licht aus Transversalschwingungen desselben Mediums besteht,welches auch die Ursache der elektrischen und magnetischenErscheinungen ist«. Später ließ er seine Äthertheorie ganz fallen undkonzentrierte sich auf die mathematischen Gleichungen, die er fürwellenartige Störungen im Äther abgeleitet hatte. Seine»Maxwellschen Gleichungen« beschreiben das Verhalten des Lichtsund anderer elektromagnetischer Strahlung auch heute noch korrektund gehören zum Rüstzeug jedes modernen Physikers.Die Waage hatte sich nun also noch deutlicher zur Seite derWellentheorie des Lichts hin gesenkt. Trotzdem blieb eineSchwierigkeit: Das Postulat eines Äthers, also eines unsichtbarenMediums, das die Schwingung transportieren sollte, half zwar dabei,viele Erscheinungen zu erklären, warf allerdings auch neue Fragen auf.Zum Beispiel war es schwierig, zu erklären, warum er die Bewegungder Planeten im Weltall nicht behindere. Es gab aber auch noch andereoffene Fragen: Unter anderem konnte man nicht verstehen, warum einKörper beim Erhitzen erst rot, dann gelb, dann weiß glüht. Nach derWellentheorie des Lichts müßte jeder heiße Körper nicht sichtbareFarben, sondern ultraviolette Strahlung oder Röntgenstrahlungaussenden.

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Max Planck, seit 1889 Professor für Physik in Berlin, fand einemathematische Lösung für das Problem, indem er annahm, daß dieAtome des glühenden Körpers Licht nicht kontinuierlich, sondern inForm kleiner Energiepakete ausstrahlen, die er Quanten nannte. DieEnergie eines Quants sollte mit der Frequenz des Lichts zunehmen,blaue Quanten also energiereicher sein als gelbe oder rote. Aus seinenBerechnungen ergab sich eine neue, universell gültige physikalischeKonstante, die Planck als elementares Wirkungsquantum bezeichneteund mit dem seitdem dafür üblichen Buchstaben »h« benannte. Es ist

eine winzig kleine Zahl, ihr Wert beträgt rund 6,6 • l O-35 Joule malSekunde. In der Praxis verwendet man oft auch die »reduzierte Planck-Konstante« h, sie beträgt h/2Π und wird bei der Messung desDrehimpulses benutzt. Quanten kann man mit kleinen Paketen oderKörnern vergleichen, aber all dies sind nur Bilder. Ähnlich wie derGeldautomat meiner Bank immer nur Beträge auszahlt, die einVielfaches von fünfzig Mark betragen, kann Energie unter bestimmtenBedingungen nur in Quanten bestimmter Größe auftreten. Mein Kontoweist einen Betrag auf, der keineswegs durch fünfzig teilbar ist, aberim Geldautomat wird mein Geld eben ge-quantelt, ebenso wie Lichtgequantelt wird, wenn es von einem Atom aufgenommen oderabgegeben wird. Planck trug seine Theorie am 14. Dezember 1900 vorder Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin vor. Seine Theseerklärte die beobachteten Phänomene perfekt, aber ihre wirklicheBedeutung lag zu diesem Zeitpunkt noch im Dunkeln. Zwanzig Jahrespäter erklärte Planck in seinem Vortrag anläßlich der Verleihung desNobelpreises: »Aber selbst wenn die Strahlungsformel sich als absolutgenau bewähren sollte, so würde sie, lediglich in der Bedeutung einerglücklich erratenen Interpolationsformel, doch nur einen rechtbeschränkten Wert besitzen. Daher war ich von dem Tage ihrerAufstellung an mit der Aufgabe beschäftigt, ihr einen wirklichenphysikali-

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schen Sinn zu verschaffen ... bis sich nach einigen Wochen derangespanntesten Arbeit meines Lebens das Dunkel lichtete und eineneue, ungeahnte Fernsicht aufzudämmern begann.«In dem Buch >Die Evolution der Physik<, das Albert Einstein 1937gemeinsam mit Leopold Infeld verfaßte, führen die beiden Gelehrtendie neue Idee etwas genauer aus: »... müssen wir annehmen, daßhomogenes Licht sich aus Energie->Körnchen< zusammensetzt. Istdem so, dann lassen sich die Lichtkorpuskeln der alten (Newtons)Lehre durch Lichtquanten ersetzen, die wir Photonen nennen wollen.Es sind dies kleine Energiemengen, die den leeren Raum mitLichtgeschwindigkeit durchmessen. Die Neubelebung der Newton-schen Theorie in dieser Form hat zur Aufstellung der Quantentheoriedes Lichtes geführt. Nicht nur Materie und elektrische Ladungen habeneine >körnige< Struktur; für die Strahlungsenergie gilt genau dasselbe,das heißt, auch sie setzt sich aus Quanten, nämlich Lichtquanten,zusammen. (...) Der Gedanke der Energiequanten wurde zu Anfangunseres Jahrhunderts erstmalig von Planck in die Physik eingeführt,der damit gewisse Phänomene zu deuten suchte.«Licht, oder allgemeiner gesprochen Energie, gequantelt in kleinePortionen - dies war eine Idee, die nun wieder das gesamte Bild vomWesen des Lichts über den Haufen warf und die Max Planck sozunächst auch noch nicht postulierte. Erst Einstein zeigte späterzwingend, daß diese Vorstellung, die vielen absurd erschien, die Naturerklären konnte. Er baute auf diesem Postulat viele wichtige Arbeitenauf. Eine davon, für die er letztlich 1921 den Nobelpreis erhielt, wardie Deutung des sogenannten photo- oder lichtelektrischen Effekts:Einsteins Kollege Philip Lenard hatte festgestellt, daß Licht unterbestimmten Bedingungen in der Lage war, aus MetalloberflächenElektronen herauszuschlagen. Das Erstaunliche an den Ergebnissenvon Lenards Meßreihen war, daß mit zunehmender Helligkeit derLichtquelle zwar mehr Elektronen

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herausgeschlagen wurden, daß aber die Geschwindigkeit dieserElektronen nicht zunahm. Sie hing jedoch mit der Frequenz deseingestrahlten Lichts zusammen - je höher die Frequenz, destoschneller waren die Elektronen. Außerdem wunderte sich Lenard überdie Tatsache, daß schon äußerst winzige Lichtmengen ausreichten, umElektronen aus der Metalloberfläche herauszulösen. Mic denVorstellungen der klassischen Physik war dies nicht erklärbar. Umeine Erklärung für die Versuchsergebnisse zugeben, postulierteEinstein im Jahr 1905: Die Lichtenergie wird durch Energiequanten(später Photonen genannt) der Größe h • v durch den Raumtransportiert (wobei h das Plancksche Wirkungsquantum und V dieFrequenz des Lichts bedeutet) und von Elektronen im Atom ebenfallsin Form von Energiebündeln aufgenommen.Treffen nun Energiebündel einheitlicher Größe auf Elektronen, sogeben sie diesen jedesmal die gleiche Energiemenge und damit diegleiche Geschwindigkeit mit. Intensiveres Licht bedeutet lediglich, daßmehr Lichtquanten pro Fläche auftreffen, aber die Energie der Quantenändert sich nicht. Deshalb werden bei größerer Licht Intensität zwarmehr Elektronen aus der Metalloberfläche herausgeschlagen, aberderen Geschwindigkeit erhöht sich nicht. Daß auch geringsteIntensitäten ausreichen, um den photoelektrischen Effekt auszulösen,läßt sich mit der Quantenhypothese ebenfalls erklären: Im Grundegenügt schon ein einziges Photon, um ein Elektron herauszuschlagen.Verändert man die Frequenz des Lichts, also seine Farbe, haben dieEnergiequanten eine andere Größe, deshalb ändert sich damit auch dieGeschwindigkeit der herausgeschlagenen Elektronen. So konnteEinstein alle Phänomene aus Lenards Experimenten befriedigenderklären.Dennoch war sich der Forscher der Merkwürdigkeit seiner Hypothesebewußt. Sie wurde von seinen Fachkollegen mit größter Skepsisaufgenommen, gerade auch von Max Planck, der 1913 anläßlich derAufnahme Einsteins in die Berliner

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Akademie der Wissenschaften sagte: »Daß Einstein in seinenSpekulationen gelegentlich auch einmal über das Zielhinausgeschossen haben mag wie bei seiner Hypothese derLichtquanten, wird man ihm nicht allzusehr anrechnen dürfen, dennohne ein Risiko zu tragen, läßt sich auch in den exaktenWissenschaften keine wirkliche Neuerung einführen.« Heute wissenwir, daß der Irrtum damals auf Plancks Seite lag.Bald schon gab es auch eine experimentelle Bestätigung für EinsteinsTheorie. Der amerikanische Physiker Robert A. Millikan, einbegnadeter Experimentator, führte 1914 exakte Versuche zumlichtelektrischen Effekt durch, und diese bestätigten aufs Genaueste dieVoraussagen Einsteins.Trotz großer Widerstände in der älteren Generation derWissenschaftler mußte man nun allmählich zugeben, daß Licht sicheinerseits als Welle verhalten konnte, gleichzeitig aber auch ausTeilchen bestehen mußte. Es dauerte aber noch etliche Jahre, bis einejüngere Generation von Forschern bereit war, diesen Bruch derDenkgewohnheiten ernsthaft und mit allen Konsequenzen zuvollziehen.

Das Bohrsche Atommodell

Die Vorstellung, Energie sei quantisiert und trete also in Form vonPaketen auf, konnte sich zwar zunächst nicht allgemein durchsetzen,aber sie regte einige geniale Geister dazu an, sie mit anderenDenkmodellen zu kombinieren. Eines davon war das damals nochnicht recht ausgegorene Atommodell.Der neuseeländische Physiker Ernest Rutherford hatte 1911 aufgrundexperimenteller Ergebnisse ein Atommodell vorgeschlagen, das vonder Idee ausging, daß der größte Teil der Masse eines Atoms im Kerndes Atoms konzentriert sei. Dort befinde sich auch eine positiveLadung, die durch die

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sehr leichten, negativen Elektronen ausgeglichen werde, die diesenKern wie Planeten die Sonne umkreisen sollten. Die elektrischeAnziehung zwischen dem positiven Kern und den negativenElektronen sollte das Atom zusammenhalten und die Zentrifugalkräfteausgleichen. Daß bei einem solchen Modell nach der klassischenVorstellung der Elektrodynamik die kreisenden Elektronen ständigEnergie abstrahlen müßten und deshalb schnell abgebremst würdenund in den Kern hineinfielen, hat Rutherford vielleicht erkannt, sichaber nicht weiter darum gekümmert. Eine Lösung dieses Problemsschlug zwei Jahre später der dänische Physiker Niels Bohr vor, Erpostulierte etwas, was dem gesunden Menschenverstand völligwidersprach und deshalb auch bei manchen seiner Kollegen auferbitterte Ablehnung stieß. Es gibt, so glaubte Bohr, bestimmteBahnen, die die Elektronen im Atom ein-nehmen können und aufdenen sie keine Energie nach außen abstrahlen. Auf weiter außengelegenen Bahnen haben die Elektronen mehr Energie als auf denweiter innen gelegenen. Die Bahnen seien dadurch charakterisiert, daßder Drehimpuls der Elektronen ganzzahlige Vielfache des Wertes fibeträgt. Die Elektronen können sich nur auf diesen Bahnen bewegenund nirgendwo sonst. Sie können aber zwischen den Bahnen hin undher wechseln. Dabei nehmen sie entweder Energie auf (wenn sie voninnen nach außen springen) oder sie geben Energie ab (imumgekehrten Fall). Die Differenz zwischen den Energieniveaus dereinzelnen Bahnen solle dann gerade jeweils einem Energiequantentsprechen. Ein Atom, oder genauer gesagt, seine Elektronen, könnenalso nur Licht ganz bestimmter Frequenz aufnehmen und abgeben.Eine seltsame Vorstellung: Elektronen springen zwischen Bahnen hinund her, indem sie auf der einen Bahn plötzlich verschwinden und aufder anderen neu auftauchen. Und sie folgen nicht mehr den Gesetzender Elektrodynamik. Max von Laue, der berühmte deutsche Physiker,empfand dies

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empört als Zumutung und sagte: »Das ist Unsinn, die Max-wellschenGleichungen gelten unter allen Umstanden, ein Elektron auf Kreisbahnmuß strahlen.« Im Grunde berühre Bohrs Atommodell auf reinerSpekulation. Es zeigte sich aber, daß es einige schon lange bekannteexperimentelle Befunde gut deuten konnte, für die man vorherkeinerlei Erklärung gehabt hatte, nämlich die Anordnung derSpektrallinien des Wasserstoffs und anderer Elemente. Wenn manSonnenlicht durch ein Prisma schickt, wird es, wie schon Newtonerkannte, in seine Spektralfarben aufgefächert. Bei genauerBetrachtung zeigt sich jedoch, daß diese Farben nicht ganz komplettsind; an einigen Stellen existieren dunkle Linien. Der SchweizerZahlen akrobatiker Johann Jakob Balmcr hatte für die Abständezwischen diesen Linien eine bis dahin unerklärliche Formel gefunden,aber wie sie entstanden war nach wie vor unklar.Bohrs Hypothese brachte — im wahrsten Sinn des Wortes — Licht indieses Dunkel. Wenn man seinem Atommodell folgte, entsprachen dieEnergiepakete, die das Elektron eines Wasserstoffatoms aufnehmenkonnte, genau den Positionen der dunklen Linien. In der Tat entstehendiese dadurch, daß das Sonnenlicht durch Wasserstoffwolkenhindurchscheint und dabei viele Wasser Stoffatome anregt. Sie nehmenEner-gicquanten aus dem Sonnenlicht auf, und zwar genau diejenigen,deren Größe den Energieunterschieden zwischen ihren Elektronenbahne n entspricht. Man nennt diesen Vorgang Absorption. Imrestlichen Sonnenlicht, das auf der Erde ankommt, fehlen also genaudiese Lichtquanten, an ihrer Stelle herrscht Dunkelheit in Form feinerLinien. Da diese für Wasserstoffatome ganz charakteristisch sind,nennt man sie auch Wiisserstofflinien.Ganz entsprechende Vorgänge laufen ab, wenn man Atome andererElemente betrachtet, die komplizierter aufgebaut sind, Auch dort findetman charakteristische Absorptionslinien, die dadurch entstehen, daßElektronen des jeweiligen

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Der Physiker Niels Bohr entwickelte das folgende Atommodell,das in Teilen bis heute gültig ist:Atome bestehen aus Kern und Hülle. Der Atomkern ist positivgeladen, die Hülle besteht aus Elektronen, die den Kernumkreisen. Sie bewegen sich auf Bahnen, bei denen zwischender Fliehkraft und der elektrischen Anziehung durch den Kernstets Gleichgewicht herrscht. Es sind für die Elektronen aber nurganz bestimmte Bahnen erlaubt, auf denen sie - entgegen denVorhersagen der klassischen Physik - keine Energie verlieren.Man nennt diese Bahnen Quantenbahnen, die außen liegendenBahnen sind energiereicher als die Bahnen weiter innen.Elektronen können von einer Quantenbahn auf eine anderespringen. Springt ein Elektron von einer inneren auf eine äußereBahn, muß es dazu Energie aufnehmen, fällt es von eineräußeren Bahn auf eine innere, gibt es Energie ab. DieEnergiedifferenz wird jeweils in Form eines sogenanntenEnergiequants entweder geschluckt oder freigesetzt, man nenntdiese Energiequanten auch Photonen. Durch seine Annahmenkonnte Bohr erklären, warum beispielsweise eineWasserstoffflamme nur Licht mit ganz bestimmten Linien, alsoFrequenzen, abstrahlt. Diese Frequenzen entsprechen genauden Übergängen zwischen verschiedenen Bahnen. Die jeweiligeFrequenz berechnet sich nach der Formel

E = h*v

wobei h eine Konstante ist, die man PlanckschesWirkungsquantum nennt, und v die Frequenz des Photonsbezeichnet.

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Atoms bestimmte Lichtquanten aus dem weißen Licht herausfangen.Umgekehrt gibt es auch Emissionslinien, die dadurch entstehen, daßein Element zum Leuchten angeregt wird, indem man ihm Energiezuführt, beispielsweise durch Erhitzen. Die Elektronen der Atomhüllenehmen die Energie auf und springen auf höhere Bahnen. Nach kurzerZeit jedoch verlassen sie die höheren Bahnen wieder und fallenerneutzurück auf tiefere Bahnen. Dabei senden sie ihrecharakteristische Strahlung aus, die man in sogenanntenSpektrographen messen kann. Noch heute wird diese sehrempfindlicheMethode dazu verwendet, das Vorhandensein eineschemischen Elements in einem Stoffgemisch nachzuweisen.Genaugenommen beruhte Bohrs Atommodell auf reinenZahlenspielereien. Der Autor John Gribbin nennt es ein zu-sammengeschustertes »Mischmasch-Atom«, in dem sichQuantenvorstellungen mit Vorstellungen aus der klassischen Physikvermengten. Daß es die Spektrallinien so gut erklären konnte, hättevielleicht auch Zufall sein können. Wieder einmal war es aberEinstein, der Ideen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenbrachteund daraus neue Erkenntnisse über die Physik gewann. Er legte damitden Grundstein für die mathematische Formulierung derQuantenphysik.Seit Anfang des Jahrhunderts hatte man ein erstaunliches Phänomennäher untersucht, das erst im Jahr 1896 von Henri Becquerel entdecktworden war: den radioaktiven Zerfall. Bestimmte Elemente wandelnsich in andere um und senden dabei Teilchen oder Strahlung aus.Dieser »Radioaktivität« genannte Prozeß barg zwei Geheimnisse: Daseine war, daß man nicht wußte, woher die Energie dafür stammte, dasandere, daß man nie vorhersagen konnte, wann ein Atom zerfiel. Daseinzige, was man wußte, war, daß innerhalb eines bestimmtencharakteristischen Zeitraums jeweils die Hälfte des vorhandenenradioaktiven Stoffes zerfällt. Dies ergab sich aufgrund der Statistik,denn auch kleine Materialmengen ent-

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halten unzählig viele Atome. So war also der radioaktive Zerfall einesAtoms mit einer großen Unsicherheit behaftet: Man konnte seinenZeitpunkt nicht vorhersagen. Natürlich glaubte man damals, daß diesnur daran lag, daß man noch nicht alle Geheimnisse des Zerfallskannte. Man war sicher, daß weitere Forschung eines Tages diegenauen Ursachen für den Zerfall finden würde und damit auch eineexakte Vorhersage des Zerfallszeitpunkts ermöglichen werde, denn»Gott würfelt nicht«, wie Einstein einmal sagte - wie wir heute wissen,ein fundamentaler Irrtum.Einstein war aufgefallen, daß das Bohrsche Atommodell [ einenähnlichen Mechanismus aufwies: Man konnte nie genau vorhersagen,zu welchem Zeitpunkt ein Elektron von einer auf eine andere Bahnspringen würde. Irgendwie schienen diese Übergänge zwischen denEnergieniveaus auch nur der Statistik zu gehorchen, ebenso wie derradioaktive Zerfall. Im Jahr 1916 brachte er seine Gedankengängedazu in eine mathematische Form und berechnete, was diese Formelnergaben, wenn man einen Körper extrem heiß werden ließ. DasErhoffte trat ein: Einstein erhielt auf diese Weise genau die PlanckscheFormel, die dieser aus ganz anderen Überlegungen hergeleitet hatteund die ihn im Jahr 1900 dazu bewogen hatte, Energiequanten zupostulieren.Die Überlegung, daß bestimmte physikalische Vorgänge keinekonkrete Ursache haben und einzig und allein dem Zufallsprinzipgehorchen, stellte eine Idee dar, die für die Physik völlig neu war. Siebrach mit der Vorstellung, daß Ursache und Wirkung die Weltbestimmten, was spätestens seit Newton als ehernes Gesetz galt. Undin der Tat gilt dieses Gesetz auch heute noch für die klassische Physik:Angenommen, man kennt den Zustand der Welt so genau, daß manden Ort i und die Bewegung aller Teilchen kennt, dann kann mandaraus theoretisch genau vorhersagen, wie sich der Zustand der Weltweiterentwickeln wird. Daß wir dies in der Praxis nicht

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können, liegt lediglich an der Unzahl von Informationen, diel dafürnötig wären. Aber es gibt keinen prinzipiellen Hinderungsgrund. In derWelt der Quantenphysik ist dies ganz anders. Hier gelten die Gesetzedes Zufalls und der Wahrscheinlichkeit. Einstein hat dies in seinmathematisches Kalkül mit einbezogen, auch wenn er persönlich nichtdaran glaubte, dal) dies der Weisheit letzter Schluß sei. Erst diePhysiker, die aul seinen Arbeiten aufbauten und die Quantenmechanikentwickelten, bekannten sich konsequent zu den »neuen« Regeln,

Quantenzahlen bringen Ordnung in die Welt

Wie alle physikalischen Modellvorstellungen ist auch das BohrscheAtommodell nur eine bildliche Betrachtungsweise für einen vielkomplizierteren Sachverhalt. Es greift einige Eigenschaften vonAtomen heraus und erklärt sie anhand vereinfachter Darstellung. DasBild vom Atomkern, der von den Elektronen wie von Planeten aufBahnen umkreist wird, hat mit der Realität wenig zu tun. Dennocherklärt es - wie wir schon gesehen haben - beispielsweise das Spektrumdes Wasserstoffs sehr gut. [Nun ist aber Wasserstoff das einfachste aller Atome, es besitzt nur einElektron. Dieses läuft nach Bohrs Modell auf einer Bahn, derenDrehimpuls ein ganzzahliges Vielfaches von h beträgt. Wenn esEnergie aufnimmt, kann es auf höhere Bahnen springen undumgekehrt. Die möglichen Bahnen wurden nun anhand sogenannterQuantenzahlen geordnet.Zunächst hat man die Bahnen des Elektrons von innen nach außendurchnumeriert und mit dem Buchstaben »n« bezeichnet, n ist dieHauptquantenzahl, steht für die Energie und kann die Werte l, 2, 3, 4und so weiter annehmen. Dieses Grundmodell wurde weiter verfeinert.Man lernte, die

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Elektronen nicht nur nach ihrer Gesamtenergie auf den Bahneneinzuordnen, sondern auch den Bahndrehimpuls sowohl nach Betragund Richtung als auch den Eigendrehimpuls mit zu berücksichtigen.So wurde die ebenfalls ganzzahlige Dreh-impulsquantenzahl »l«eingeführt, die von 0 bis n-1 gehen kann, sie charakterisiert dieBindungsgeometrie der Elektronen rund um den Kern. Diemagnetische Quantenzahl »m« steht für die Richtung, den dieElektronenbahnen relativ zu einem äußeren Magnetfeld einnehmen,und umfaßt im einfachsten Beispiel die Zahlen -l, 0 und +1. Undschließlich die Spinquantenzahl »s«: Sie hat den Wert -1/2 oder +1/2,denr Elektronen kann man sich bildhaft vorstellen wie winzigegeladene Kugeln, die sich um ihre eigene Achse drehen, wöbe derNordpol einmal nach oben und einmal nach unten zeigt Diese Rotationbezeichnet man als Spin.Für sich allein genommen, bedeuten diese Zahlen nocr recht wenig, siedienen nur dazu, ein Ordnungsschema aufzustellen. In den Jahren1925/26 hat ihnen jedoch der geniale Physiker Wolfgang Pauli eineBedeutung gegeben. Zunächst nur durch intuitives Herumprobierenstellte er fest, daß mär die Spektrallinien aller Atome erklären konnte,wenn man ei ne Regel aufstellt, die folgendes aussagt: In einem Atomdür fen keine zwei Elektronen im gleichen Quantenzustand sein dasheißt, sie dürfen nicht in allen Quantenzahlen überein stimmen. DieseRegel wird »Pauli-Prinzip« oder »Paulische Ausschlußregel« genannt.Erst später gelang es dem Forscher sie auch mathematisch aus derQuantenmechanik abzuleiten sie begründet das Schalenmodell, das bisheute gute Dienst« leistet, und gilt, so erkannte man nach und nach,nicht nur fü Elektronen, sondern für alle Teilchen mit halbzahligemSpin Sie werden Fermionen (nach dem italienischen Physiker Enri coFermi) genannt, im Gegensatz zu den Bosonen (nach den indischenPhysiker Satyendra Nath Böse). Diese besitzei ganzzahligen Spin undkönnen sich in beliebiger Anzahl auf

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dem gleichen Niveau aufhalten — bevorzugen dies sogar, wasbeispielsweise in der Praxis die Möglichkeit eröffnet, Laser zukonstruieren.Nach dem Pauli-Prinzip hingegen können sich also auf dei innerstenBahn (oder Schale) eines Atoms nur zwei Elektronen aufhalten: einesmit Spin nach oben und eines mit Spin nach unten. Dann ist dieseinnerste Schale voll, weitere Elektronen können nur in dernächsthöheren Schale Platz finden, Eine volle innerste Schale mit zweiElektronen hat das Helium-Atom. Die Quantenzahlen brachten einegewisse Ordnung in den Aufbau der Elektronenhüllen und schufeneinen Übergang vom Wasserstoffspektrum zu den Spektren derschwereren Atome. In der innersten Schale eines Atoms - so sagen dieQuantenregeln - ist n=l. Also müssen l und m gleich Null sein.Lediglich s kann noch die Werte + 1/2 und -1/2 annehmen. Mitanderen Worten heißt das: Auf dieser innersten Schale kann es nurzwei Elektronen geben, dann ist die Schale voll. Für die nächsthöhereSchale, also die mit dei Nummer 2, gilt: n=l und 2, damit kann l dieWerte 0 und l annehmen, m erhält die Werte -l, 0, +1, und s bleibt beiseinen zwei Möglichkeiten. Systematisch dargestellt können also in derzweiten Schale Elektronen mit den folgenden Kombinationenauftreten:

n l m s

l 0 0 +1/2l 0 0 -1/22 0 0 +1/22 0 0 -1/22 l -l +1/22 l -l -1/22 l +1 +1/22 l +1 -1/2

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Auf der zweiten Schale sind also acht Elektronen mit unter-schiedlichen Kombinationen von Quantenzahlen unterzubringen, dannist auch diese Schale voll. Entsprechend geht es weiter. Berechnet mannach diesen Vorschriften die Energieniveaus der Elektronenbahnen,lassen sich die Spektrallinien gut vorhersagen. Bedenkt man dannnoch, daß der Atomkern mit seinen elektrischen und magnetischenEigenschaften die Energieniveaus der Elektronen in der Hüllegeringfügig »stört«, erhält man eine Aufspaltung der Spektrallinien,die nach und nach in Experimenten perfekt nachgewiesen werdenkonnte. Man spricht dabei von der Hyperfeinstruktur. Aber weitausbedeutender als die Erklärung der Atomspektren ist, daß die 3 hiergeschilderte Ordnung das Periodensystem der Elemente und ihrchemisches Verhalten erklären kann. Ursprünglich entstand dasPeriodensystem - im Jahr 1869 unabhängig voneinander vom RussenDimitrij Mendelejew und dem Deutschen Lothar Meyer entdeckt -dadurch, daß , man die chemischen Elemente nach ihrem Atomgewichtordnete, später nach ihrer sogenannten Ordnungszahl, die mit derAnzahl der positiven Ladungen im Atomkern übereinstimmt. Da dieAnzahl der negativ geladenen Elektronen in der Hülle jeweils ebensogroß ist, sind damit die Elemente auch nach der Struktur ihrerElektronenhülle eingeteilt. Betrachtet man das Periodensystem in derheute üblichen Form, stellt man fest, daß Elemente mit ähnlichenchemischen Eigenschaften untereinander stehen, etwa die Edelgaseoder die Halogene oder die Halbleiter. In den waagrechten Reihen desGrundsystems sind jeweils Gruppen von acht Elementen angeordnet.Dies entspricht den acht Elektronen der zweiten Schale, insofernstimmt es mit der Theorie überein. Aber das Grundschema desPeriodensystems ist nicht so gleichförmig. Die erste Reihe enthält nurzwei Elemente, Wasserstoff und Helium. Die zweite und dritte Reiheenthalten je acht Elemente, die vierte wird nach dem zweiten Elementunterbro-

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chen durch zehn sogenannte »Übergangsmetalle«, Scandiun bis Zink.Ganz ähnlich wird die fünfte Reihe durch zehn weitereÜbergangsmetalle unterbrochen, Yttrium bis Cadmium Die sechsteReihe wird zweimal unterbrochen: durch 14 »Seltene Erden« und zehnweitere Übergangsmetalle. Entsprechend ist die siebte und letzte Reiheaufgebaut. Die Übergangsmetalle haben untereinander recht ähnlichechemische Eigenschaften, aber sie lassen sich gut voneinanderunterscheiden. Die Seltenen Erden hingegen sind sich so ähnlich^ daßman sie chemisch nur mit Mühe trennen kann.Wendet man nun die oben geschilderten Regeln für den Aufbau derElektronenhüllen auf die einzelnen Elemente an, wird also das Atomvon innen nach außen mit Elektronen besetzt, wobei die Schalen in derReihenfolge ihrer Energie aufgefüllt werden. Es gibt bestimmteElektronen auf weiter außen gelegenen Schalen, die eine geringereEnergie besitzen als andere aufweiter innen gelegenen Schalen,dadurch kommen die Übergangsmetalle und die Seltenen Erdenzustande. Bei der geschilderten Anordnung haben jeweilsübereinander? stehende Elemente in der äußersten Schale gleich vieleElektronen; damit liegt die Vermutung nahe, daß das chemischeVerhalten der Stoffe von der Anzahl der äußersten Elektronengesteuert wird.Auch hier ergibt sich wieder eine Querverbindung, die nicht ohneweiteres zu erwarten war. Die Quantenzahlen entsprangen reinmathematisch-physikalischen Überlegungen. Die Chemie aberbeschäftigt sich damit, wie Atome reagieren und sich zu Molekülenverbinden. Warum reagiert Natrium mit Chlor so, daß einKochsalzmolekül NaCl daraus entsteht? Wie kommt es, daß zweiAtome Wasserstoff und ein Sauerstoff sich zu Wasser vereinigen?Wieso kommen alle gasförmigen Elemente außer den Edelgasen in derLuft nur als Zweier-Moleküle vor? Auf diese und ähnliche Fragen gibtdas Schalenmodell des Atoms eine verblüffend einfache Antwort,

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Es hat sich gezeigt, daß »gefüllte« Schalen stabiler sind als nurteilweise besetzte Schalen. Deshalb versucht beispielsweise dasWasserstoffatom, das in seiner äußersten Schale nur ein Elektron hat,diese zu füllen, indem es irgendwoher ein zweites Elektron erwirbt.Bei der Bildung von Wasser gelingt ihm dies, indem es sich zusammenmit einem zweiten Wasserstoff-Atom und einem Sauerstoff-Atom (dassechs Elektronen in der äußersten Schale hat) zusammentut. DieAtome »benutzen« dann quasi ihre jeweiligen äußersten Elektronengemeinsam, damit hat jedes Wasserstoff-Atom zwei, der Sauerstoffaber acht Außenelektronen - ein recht stabiler ZustandEin Natriumatom hingegen möchte gern sein einzelnes äußerstesElektron aus der dritten Schale loswerden, denn die weiter innengelegene zweite Schale ist mit acht Elektronen voll besetzt. Es gelingtihm, indem es sich mit Chlor zusammentut, dem gerade noch einElektron in der äußersten Schale fehlt, um eine Achter-Konfigurationzu erreichen. So entsteht NaCl, Kochsalz. Edelgase hingegen reagierennur unter massivem Zwang mit anderen Elementen, denn ihre äußersteElektronenschale ist mit acht Elektronen jeweils voll besetzt.So kann also die mathematische Zahlenspielerei des erweitertenBohrschen Atommodells Erklärungen für chemische Abläufe liefern,eine Tatsache, die um so erstaunlicher ist, als sie mehr oder wenigerdurch Zufall gefunden wurde. Einstein schrieb noch 1949 vollerErstaunen in seinen > Autobiographischen Notizen< über diesenErfolg: »Daß diese schwankende und widerspruchsvolle Grundlagehinreichte, um einen Mann mit dem einzigartigen Instinkt undFeingefühl Bohrs in den Stand zu setzen, die hauptsächlichen Gesetzeder Spektrallinien und der Elektronenhüllen der Atome nebst derenBedeutung für die Chemie aufzufinden, erschien mir wie ein Wunder -und erscheint mir auch heute noch als ein Wunder. Dies ist höchsteMusikalität auf dem Gebiete des Gedankens.«

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Ein Experiment, an dem sich vieleDiskussionen entzündeten

Die Physik soll die Welt erklären, sie soll Gesetze aufstellen, nachdenen das Sichtbare und das Unsichtbare funktioniert, und dieseGesetze sollen auch dazu dienen, Vorhersagen für das zukünftigeVerhalten von Teilchen und Kräften zu ermöglichen. Außerdem sollenihre Regeln immer und überall gültig sein, sei es nun auf der Erde oderauf einem anderen Stern, sei es bei Tag oder Nacht, sei es im großenoder im kleinen. Mit anderen Worten: Die Gesetze der Physik sollenuniversell gültig sein.Nach vielen unterschiedlichen philosophischen und methodischenAnsätzen, die in den vergangenen Jahrhunderten entwickelt wurden,hat man sich im 20. Jahrhundert darauf geeinigt, daß die Beobachtungund damit das Experiment in der Physik die überragende Rolle spielt.Die Theorie bleibt ihnen untergeordnet. Wenn also ein Experimentoder eine Beobachtung der Natur ein Ergebnis erbringt, das mit derTheorie nicht zu erklären ist, dann muß diese hinterfragt werden - jedeTheorie gilt immer nur vorläufig: nur so lange, bis das Gegenteil imExperiment bewiesen wurde.Dies ist der Grund, warum sich auch Theoretiker, die normalerweisenur im stillen Kämmerlein ihren Gedanken nachhängen, Experimenteausdenken. Manche dieser Experimente werden dann auch wirklichdurchgeführt, andere bleiben Fiktion. Berühmte Beispiele für letzteressind Experimente, bei denen der Beobachter sich mitLichtgeschwindigkeit bewegt oder sich weit draußen im Weltallbefindet. Ein anderes sehr bekanntes Gedankenexperiment ist dieeingangs beschriebene Schrödingersche Katze - ein Experiment, dasnicht nur aus Tierschutzgründen nicht durchgeführt wurde, sondernauch deshalb, weil es einfach nicht nötig ist. Es reicht

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vollständig aus, die Anordnung zu analysieren, denn der Ausgang desVersuchs ist bekannt.Ein Experiment jedoch, das tausendfach durchgeführt wurde und zurErklärung ebenso wie zur Widerlegung der Quantenphysik diente, istjenes mit dem Doppelspalt. Was haben Physiker nicht alles durchdiesen Spalt gejagt: Licht aller Wellenlängen, Schrotkugeln,Elektronen, Protonen, Bälle, Röntgenstrahlen. Sie haben dieDetektoren verändert, verfeinert, bewegt, den Doppelspalt verschobenund bewegt, Meßgeräte dazwischengeschoben, und trotzdem sind dieErgebnisse dieses Experiments immer wieder verblüffend, und ihreAnalyse gab den Forschern lange Zeit Rätsel auf.Das Experiment vergleicht das Verhalten von verschiedenen Objekten,wenn sie durch einen Doppelspalt fliegen. Die Grundanordnungbesteht aus einer Wand mit zwei Löchern (oder schmalen Schlitzen),hinter der in einigem Abstand eine zweite Wand steht, die mitDetektoren ausgerüstet ist. Woraus diese im einzelnen bestehen, istunterschiedlich, je nachdem, welche Objekte beobachtet werdensollen. Die Detektoren haben aber immer die Fähigkeit, daseintreffende Objekt und seinen Einschlagpunkt zu registrieren. Vor derWand mit den beiden Löchern befindet sich die Quelle. Sie sendet dieObjekte aus, die man beobachten will.Das erste Gedankenexperiment geht davon aus, daß die ObjekteGewehrkugeln sind, also relativ große Geschosse. Vor der Wand mitden zwei Löchern steht ein Maschinengewehr und schießt mit einergewissen Streuung Kugeln auf die Anordnung. Manche dieser Kugelnfliegen durch Loch l, andere durch Loch 2. Viele werden von denRändern der beidenl Löcher abgelenkt. Dies hat zur Folge, daß die aufder hinteren* Wand auftreffenden Kugeln über die ganze Flächeverteilt sind.Mit dieser Anordnung will man experimentell die Antwort auf dieFrage finden: »Wie groß ist die Wahrscheinlich-

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Interterenz-Expenmente: oben mit Gewehrkugeln, in der Mittemit Wasserwellen, unten mit Elektronen. Loch 1 befindet sich inder Wand jeweils oben, Loch 2 unten.

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keit, daß eine Kugel, die durch eines der Löcher in der Wandhindurchfliegt, in einem bestimmten Abstand vom Mittelpunkt derAuffangwand ankommt?« Es leuchtet unmittelbai ein, daß man nurüber die Wahrscheinlichkeit sprechen kanoj denn der genaueAuftreffpunkt einer einzelnen Kugel läßt sich nicht vorhersagen.Außerdem gilt noch die Vorausset; zung, daß die Kugeln immer alsGanzes ankommen, als| durch den Aufprall nicht zerstört werden.Das Ergebnis der Messungen mit vielen Kugeln ergibt die im Bildgezeigte Kurve. Es liegt auf der Hand, daß die Wahrscheinlichkeit, daßeine Kugel weit außen auftrifft, immer geringer wird, je weiter derPunkt von der Mitte des Auffangschirms entfernt ist. Aber längst nichtso einleuchtend ist die Tatsache, daß das Maximum derWahrscheinlichkeit genau im Zentrum des Auffangschirms liegt.Diesen Tatbestand kann man aber verstehen, wenn man dasExperiment zweimal wiederholt und dabei einmal das Loch l undeinmal das Loch 2 abdeckt. Wenn Loch l abgedeckt ist, können alleKugeln nur durch Loch 2 fliegen, und man erhält die Kurve, die inBild mit W2 bezeichnet ist. Deckt man Loch 2 ab, entsteht dieVerteilung Wl.Addiert man nun diese beiden Wahrscheinlichkeitsverteilungen, soerhält man die Kurve, die im ursprünglichen Experiment ermitteltwurde, als beide Löcher gleichzeitig offen waren. Auffällig istaußerdem, daß jeder Wert auf dem Auffangschirm einem Vielfacheneiner Gewehrkugel entspricht es gibt keine Zwischenwerte, da ja nurganze Kugeln gezählt wurden.Das hier geschilderte Experiment soll nun im zweiten Durchlauf nichtmit Gewehrkugeln, sondern mit Wasserwellen wiederholt werden.Man stellt also die zwei Wände ins Wasser und plaziert vor der Wandmit den zwei Löchern nichi mehr ein Maschinengewehr, sondern einensogenannten Wellengenerator, beispielsweise einen Stift, derregelmäßig auf

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und ab bewegt wird und beim Eintauchen ins Wasser eine ringförmigeWelle erzeugt, die sich nach allen Seiten hin gleichförmig ausbreitet.Die Detektoren auf der Auffangwand (die im übrigen die Wellen nichtreflektieren soll) registrieren in diesem Fall die Intensität dereintreffenden Wasserwelle.Analog zur vorherigen Anordnung stellt man nun die Frage, wie hochdiese in Abhängigkeit vom Auftreffpunkt ist. Als erstes findet man,daß die Intensität der gemessenen Wellen jede beliebige Größe habenkann. Dies ist ein wichtiger Unterschied zum ersten Experiment, wodie Kugeln nur ganz oder gar nicht, also sozusagen in Form vonPaketen oder Klumpen, auftreffen konnten.Als Intcnsitätskurve auf der Auftreffwand ergibt sich die exotischwirkende Kurve, die in der Abbildung gezeigt ist. Wie ist sieentstanden? Urn dies zu ermitteln, deckt man nun wieder zuerst dasLoch l ab und laßt die Wellen allein durch Loch 2 hindurchgehen,anschließend vertauscht man die Abdeckung. Es zeigt sich, daß anjedem der beiden Löcher eine kreisförmige Welle erzeugt wird, diesich in Richtung auf die : Aufprallwand hin ausbreitet. Jede einzelnedieser beiden Wellen aus Loch l und 2 erzeugt dort eineIntensitätsverteilung, die genau der entspricht, die bei denGewehrkugeln auftrat, i wenn man je ein Loch abdeckte.Verblüffend ist jedoch, daß die Überlagerung der beidenWasserwellen ein völlig anderes Muster erzeugt ais die Überlagemngder Gewehrkugel-Verteilung. Der Unterschied beruht darauf, daß essich einmal um eine schlichte Häufigkeit, das andere Mal aber um eineWelle handelt. Häufigkeiten werden einfach addiert. Wellen aberkönnen sich gegenseitig auslöschen oder verstärken; man nennt diesesPhänomen Intertferenz. Die Gesamtintensität der Wasserwellen auf derAuffangwand entsteht also durch Interferenz der beiden Ein-zelwellen, die von den Löchern l und 2 ausgehen.

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Bis jetzt hat diese weltberühmte Untersuchung gezeigt, wo derentscheidende Unterschied zwischen Teilchen und Welle verborgenist: Teilchen können nur in Form von »Paketen« registriert werden,Wellen können interferieren, also sich gegenseitig verstärken undauslöschen.Das Experiment ist aber noch nicht zu Ende. Es wird nun zum drittenMal durchgeführt, diesmal jedoch sind die Objekte Elektronen. Mankann sich als Quelle beispielsweise einen hocherhitzten Metalldrahtvorstellen, der Elektronen aussendet, die mit Hilfe eines elektrischenFeldes in Richtung auf die Wand mit den zwei Löchern beschleunigtwerden.Welches Ergebnis ist in diesem Fäll zu erwarten? Elektronen sindTeilchen, deshalb spricht viel dafür, daß sie ebenso wie dieGewehrkugeln päckchenweise ankommen, denn ein

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halbes Elektron ist nicht denkbar. Dies laßt sich dadurch nachprüfen,daß man die Detektoren an der Aufprallwand zum Beispiel wie kleineGeigerzähler aufbaut, die immer dann ein Knacken hören lassen, wennein Elektron ankommt. (Man kann in der Tat das Auftreffen derElektronen bei diesem Versuch als Abfolge von vielenKnackgeräuschen hören.) Die Elektronen kommen tatsächlich einzelnund in Form von Paketen an, sind also offenbar Teilchen. Verschließtman wieder je ein Loch und läßt die Elektronen nur durch das anderefliegen, erhält man wieder die Kurven W l und W2.Registriert man nun aber die Häufigkeit, mit der die Elektronen anbestimmten Punkten der Auttrerfwand einschlagen, so bekommt man— und dies ist wirklich erstaunlich - keineswegs die gleicheVerteilung wie bei den Gewehrkugeln, sondern die Kurve, die sich beiden Wasserwellen eingestellt hat. Wie kann mit Teilchen eine solcheInterferenz entstehen?Richard Feynman, Nobelpreisträger und einer der berühmtestentheoretischen Physiker unseres Jahrhunderts, hat in seinenVorlesungen auch dieses Problem behandelt. In der ihm eigenen,unterhaltsam-didaktischen Art schreibt er: »Es ist alles recht mysteriös.Und je mehr man es sich anschaut, um so mysteriöser erscheint es.Viele Theorien sind ausgetüftelt worden, um zu versuchen, durcheinzelne Elektronen, die auf komplizierten Wegen durch die Löcherlaufen, die Kurve zu erklären. Keine von ihnen hatte Erfolg. (...) Wirschließen daraus folgendes: Die Elektronen kommen als Klumpen an,wie Teilchen, und die Ankunftswahrscheinlichkeit dieser Klumpen istverteilt wie die Intensität einer Welle. Es ist in diesem Sinn zuverstehen, daß sich ein Elektron manchmal wie ein Teilchen undmanchmal wie eine Welle verhält.«

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Wellenfunktionen und Wahrscheinlichkeiten

Albert Einstein war derjenige gewesen, der einen ersten Schritt getanhatte, um die Teilchen- mit der Wellennatur des Lichts unter einen Hutzu bringen. Aber von einer in sich geschlossenen Theorie war man imersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts noch weit entfernt. Einsteinselbst erkannte diesen Mangel und sagte 1909: »Deshalb ist es meineMeinung, daß die nächste Phase der Entwicklung der theoretischenPhysik uns eine Theorie des Lichts bringen wird, welche sich als eineArt Verschmelzung von Undulations- und Fimissions-theorie desLichtes auffassen läßt.« Genau dies leistete die Quantentheorie, die inden zwanziger Jahren von einer neuen Generation jungerWissenschaftler entwickelt wurde.Der berühmte Physiker Emilio Segre schreibt über diese Zeit in seinenErinnerungen: »Das war die größte Herausforderung des Jahrhunderts,und wollte man sich ihr stellen, so mußten neue Denkrichtungeneingeschlagen werden. Und hier haben wir eine seltsame Erscheinungvor uns. In einem Zeitraum von nur wenigen Jahren wurde dasGeheimnis von drei Seiten her angegangen. Es sah anfänglich so aus,als gäbe es nicht eine, sondern drei voneinander völlig verschiedeneunc doch jede für sich konsistente Formen der Quantenmechanik Manerkannte erst einige Zeit später, daß es sich um drei un. tcrschiedliehemathematische Formulierungen ein und derselben Theorie handelte,die im Grunde gleichwertig waren.«Es ging also darum, mathematisch korrekt zu formulieren, daß Lichtsowohl als Teilchen als auch als Welle auftreten konnte. Es würde zuweit führen, hier die einzelnen Wege und Irrwege zu diesem Zielaufzuzeigen. Was der Nachwelt erhalten blieb, ist eine Mischung ausden drei mathematischen Versionen, die von den Theoretikern Louisde Broglie, Werner Heisenberg und Paul Dirac in den zwanzigerJahren erdacht

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und ausgearbeitet wurden. John Gribbin erläutert dies anhand einesSchachspiels anschaulich so: »Man kann ein Schachbrett abbilden, aufdem die Positionen aller Figuren markiert sind; doch wenn wir aufdiese Weise ein ganzes Spiel dokumentieren wollten, würden wir sehrviel Platz brauchen. Man kann die Züge der einzelnen Figuren auch sobeschreiben: Damenbauer-Eröffnung. Benutzt man aber die bündigstealgebraische Notierung, so wird aus diesem Zug einfach d2 - d4. Dreiverschiedene Beschreibungen liefern die gleiche Information über einErgebnis, den Übergang eines Bauern aus einem Zustand in einenanderen. Mit den verschiedenen Formulierungen der Quantenmechanikverhält es sich genauso. Diracs Quantenalgebra ist die eleganteste undim mathematischen Sinne die schönste Formulierung; dieMatrizenmethoden, die Born und seine Mitarbeiter im Anschluß anHeisenberg entwickelten, sind umständlicher, aber nichtsdestowenigergültig.«Die Quantenmechanik, wie man die neue Wissenschaft nannte,beschreibt das Verhalten in der Welt der atomaren Dimensionen. Dortbenehmen sich weder Licht noch Teilchen so, wie wir das aus unsererErfahrung mit makroskopischen Maßstäben erwarten würden. Um indie Grundzüge der Quantenmechanik einzudringen, muß man bereitsein zu akzeptieren, daß sich hier eine andere Welt auftut, in der wederdie Logik noch die Eindeutigkeit der klassischen Physik Gültigkeitbesitzt. Es wird sich aber zeigen, daß die Quantenmechanik in sichebenso schlüssig ist wie die klassische Physik und daß sie bei größerenDimensionen in diese übergeht.Daß sich Licht manchmal wie eine Welle und manchmal wie einTeilchenstrom verhält, wurde bereits geschildert. Diese Beobachtungbrachte den jungen Physiker Louis de Broglie auf die Idee zuuntersuchen, warum ein solches Verhalten nicht auch für Elektronengelten sollte. Könnte es nicht möglich sein, daß sich auch Elektronenwie Wellen verhalten?

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Und in der Tat: Das Bohrsche Atommodell besagt, daß Elektronen nurauf Bahnen den Kern umkreisen dürfen, deren Bahndrehimpuls einganzzahliges Vielfaches von h beträgt Formt man dies mathematischein wenig um, ergibt sich dar aus ebenso die Forderung, daß dieUmlaufbahn des Elektrons ein ganzzahliges Vielfaches der»Wellenlänge« des Elektrons sein muß. Man kann also das Elektron,das vorher immer als Teilchen angesehen wurde, auch als Wellebetrachten.Experimentelle Befunde stützten diese These: Schon An fang derzwanziger Jahre hatte man in den USA beobachtet daß sich Elektronenan Kristallen streuen ließen und sich überlagerten wie Lichtwellen.Weitere Untersuchungen, an denen George Thomson, der Sohn desForschers J. J. Thomson, beteiligt war, mehrten die Beweise für dieWellennatur der Elektronen. Und so kam es, daß J. J. Thomson, der1906 den Nobelpreis für den Beweis erhalten hatte, daß ElektroneTeilchen sind, Zeuge wurde, wie sein Sohn George 1927 de Nobelpreisfür den Beweis erhielt, daß Elektronen Welle sind. Beide, Vater undSohn, hatten gleichermaßen recht, um beide hatten die Auszeichnungverdient.Noch im Jahr 1925 war die Idee der Materiewellen abe nur einenebelhafte Vorstellung. Erst als der österreichisch Physiker ErwinSchrödinger daranging, eine mathematisch Weilenfunktionaufzustellen, die sowohl das Wellen- als auch das Teilchenverhaltender Elektronen beschreiben konnte wurden die damit verbundenenIdeen konkreter. Er nannt die Funktion W, und derartige Ausdrückeentwickelte er nun nicht nur für Photonen und Elektronen, sondern füralle Tel chen der physikalischen Welt. Zunächst ging er dabei noc vonder einigermaßen anschaulichen Vorstellung aus, da Elektronen undandere Teilchen Wellen sind. Als er im Jahi darauf von Bohr nachKopenhagen eingeladen wurde un< dort gemeinsam mit demAltmeister seine Theorie weiter aus arbeitete, mußte er sich jedoch,wenn auch ungern, eingeste-

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hen, daß es sich doch nicht um reale Wellen im Raum handelte,sondern um eine komplizierte Form von Schwingungen in einemimaginären mathematischen Raum. Jedes einzelne Teilchen wird durcheine Wellengleichung im dreidimensionalen Phasenraum dargestellt.So benötigen zwei Teilchen sechs Dimensionen, drei Teilchen neunund so weiter. Hinzu cam noch das Problem, die Quantensprünge indie Theorie mit einzubauen. Schrödinger war die Kompliziertheit dermathematischen Ausdrücke bald leid, er soll gesagt haben: »Wenn esdoch bei dieser verdammten Quantenspringerei bleiben soll, sobedaure ich, mich überhaupt jemals mit der Quantentheorie abgegebenzu haben.«Trotzdem gelang es ihm schließlich, ein Atommodell zu entwickeln,das nun nicht mehr darauf beruhte, daß Elektronen auf einzelnenSchalen den Kern umrundeten, sondern daß sich der Atomkern imMittelpunkt eines Feldes stehender Wellen befindet. Je nachEnergieniveau nimmt diese Ladungswolke unterschiedlichegeometrische Formen an. Sir Arthur Eddington hat diese Erkenntnis inseinem Buch >Das Weltbild der Physik-, das im Jahr 1929 erschien, soausgedrückt:

»Etwas Ähnliches habe ich an anderer Stelle gelesen:Die glittigen TobsDrehn und wibbeln in der Walle.«

Mit diesem Phantasiesatz hat er den Kern der SchrödingerschenErkenntnis hervorragend getroffen: Man weiß nicht genau, wo sich einElektron im Atom gerade befindet, da es »glittig« ist und »wibbelt«, esist also unfaßbar und ungefähr. Die Ladungswolke, wie Schrödingersie sich vorstellte, kann man auch als »stehende Welle« bezeichnen.Stehende Wellen erzeugt man beispielsweise bei Musikinstrumenten,etwa wenn man eine Gitarrensaite in der Mitte zupft. Sie beginnt dannzu schwingen, und zwar so, daß der Bauch der Welle in der Mitte ist.Schaut man auf die Saite, kann man die stehen-

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de Welle richtiggehend sehen, da unser Auge nicht in der Lage ist, soschnelle Vibrationen aufzulösen. Drückt man die Saite in der Mittenieder, erzwingt man dort einen Wellenknoten und erzeugt dienächsthöhere Oberschwingung, alsü einen Ton, der eine Oktave höherHegt und dessen Wellenlänge genau die Hälfte beträgt. Es gibt sogarnoch weitere Oberschwingungen, die aber immer unwahrscheinlicherund schwächer werden, wenn man die Grundschwingung angeregt hatGanz ähnlich kann man sich die stehenden Elektronenwellen im Atomvorstellen.Schrödinger glaubte, und dieses Bild ist bis heute nützlich, daß dieseLadungswolken den Atomkern umgeben. Natur lieh sind siekomplizierter geformt als bei der Vibration eine Saite, da das Atomdreidimensional ist. Die Grundschwin gung hat die Form einer Kugelum das Zentrum, die nächst Oberschwingung ist keulenförmig mit jezwei gegenüberlie genden Keulen, die nächste besitzt vier Keulen,weitere Oberschwingungen haben schwierigere Muster.Am Bedeutungswandel der Schrödinger-Gleichung zeig sich derÜbergang vom noch etwas konventionelleren Den ken Bohrs zu denfortschrittlichen Ansichten der jüngeren Generation. Bohr hattegelehrt, daß Licht ebenso wie Elektronen oder andere Teilchen, jasogar ganze Atome, sowohl als Welle wie auch als Teilchen auftretenkönnen. Je nachdem, welches Experiment man durchführt, zeigt sichdas Objekt jeweils in anderer Gestalt. Er nannte dies das »Prinzip derKomplementarität«. Niemals konnten aber beide Aspekte in einemExperiment gleichzeitig auftreten.Max Born, der die Universität Göttingen in den zwanziger Jahren zueinem Zentrum der Quantenmechanik macht fand für SchrödingersGleichung eine neue Deutung: Die Stärke der Welle - mathematischausgedrückt durch das Quadrat der Wellenfunktion - an irgendeinemPunkt im Raum ist ein Maß für die Wahrscheinlichkeit, das Teilchenan

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diesem Punkt anzutreffen. Damit ähnelt die Teilchenwelle etwa einerGrippewelle. Wenn eine Grippewelle eine Stadt erreicht, so bedeutetdies: Die Wahrscheinlichkeit, daß man in dieser Stadt an Grippeerkrankt, hat zugenommen. Die Wel-e beschreibt also das statistischeMuster der Erkrankungen, nicht aber das Wesen der Grippe selbst. Aufdie gleiche Weise beschreiben Teilchenwellen nur ein statistischesMuster der Wahrscheinlichkeit, nicht aber das Teilchen selbst.Wo genau sich also beispielsweise ein Elektron in einem lestimmtenAugenblick befindet, wird man nie mit Sicher-leit sagen können, aberdie Wellenfunktion erlaubt es, die Wahrscheinlichkeit dafür zuberechnen, es bei einem Experiment an einem bestimmten Ortanzutreffen. Theoretisch :ann ein Elektron überall gleichzeitig sein,aber gemäß seiner Wellenfunktion gibt es Orte, an denen es sich mithoher Wahrscheinlichkeit aufhält, und Orte, an denen es kaumanzutreffen ist.So machte die Quantenmechanik die Welt zu einem unsicheren Ort, andem man nichts mehr genau vorhersagen :onnte. Ob sich nun einTeilchen an einem bestimmten 'unkt befindet, ob ein Elektron einenhöheren oder äeferen Energiezustand im Atom einnimmt, ob es ineinem Molekül mm einen oder anderen Atom gehört, all dies wurdedurch die neue Theorie zu einem Vabanquespiel mit großenUnsicherheiten. Gottes Würfel: Nur die Statistik gibt Auskunft überden Lauf der Natur, Ursache und Wirkung sind aufgehoben.Daß die Welt in ihren makroskopischen Dimensionen weiterhinexistieren konnte und dort auch weiterhin den Gesetzen der klassischenPhysik gehorchte, lag lediglich daran, daß sich bei der ungeheuergroßen Anzahl der Teilchen die Unsicherheiten ausmittelten, etwa sowie bei den Molekülen eines Gases, die sich gleichmäßig in einemRaum verteilen, weil die Richtungen ihrer Geschwindigkeitgleichmäßig verteilt sind.

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Kein Wunder, daß diese Deutung der Quantenmechanik anfangs aufgroße Widerstände stieß. Auch die meisten der Physiker, die sichursprünglich an der Ausarbeitung der Theorie beteiligt hatten, lehntendiese radikalen Vorstellungen ab, zu ihnen zählten so berühmte Namenwie Schrödinger, Planck, Einstein und de Broglie. Es dauerte nochJahrzehnte, bis die Bornsche Deutung der Wellenfunktion allgemeinakzeptiert war; erst im Jahr 1954 erhielt er dafür endlich denNobelpreis.

Heisenbergs Unschärferelation

in der klassischen Physik kann man die Welt genau beschrei-x:n, wennman für jedes Objekt in einem bestimmten Augenblick Ort undGeschwindigkeit angibt. Nach Newtons Trägheitsgesetz sind damit dieweiteren Bewegungen und au diese Weise der Fortgang desUniversums genau festgelegt, Wir kennen dies als das »Gesetz vonUrsache und Wirkung« Der junge Physiker Werner Heisenberg, der inden zwanziger Jahren intensiv an der Ausarbeitung der Quantentheoriebeteiligt war, machte nun aber folgendes Gedankenexpe riment:Angenommen, ich will den Ort und die Geschwindigkeit einesElektrons ganz genau messen. Ich beschließt dazu ein sehr gutauflösendes Mikroskop zu verwenden. Dies bedeutet aber mit anderenWorten, daß ich das Elektron mi einem Lichtstrahl beleuchte, damitich es sehen kann. id Grunde genügt dazu natürlich schon ein einzelnesLicht quant. Da das Elektron aber extrem klein ist, muß die Wellenlänge des Lichts, mit dem ich es betrachten will, noch er heblichkleiner sein; dies ist ein festes Gesetz in der Optik. Iclj benutze also einPhoton mit einer besonders kurzen Wellenlänge und »beleuchte« damitdas Elektron, um dessen Ort ge-

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nau messen zu können. Ein Photon mit einer extrem kurzenWellenlänge hat aber eine sehr hohe Frequenz und damit gleichzeitig(nach Plancks Formel E= h • v) eine hohe Energie.Trifft nun bei der Messung das energiereiche Photon auf das Elektron,so vermittelt es wegen seiner hohen Energie diesem einen großenRückstoß. Das Elektron wird quasi weggeschubst, sein genauer Ort istnicht mehr feststellbar. Je höher die Energie des Photons, desto stärkerder Rückstoß. Die Messung bedeutet also einen Eingriff in das System,der eine genaue Messung verhindert.Aus seinen theoretischen Überlegungen leitete Heisenberg die Formelab, daß die Meßungenauigkeit oder — wie er das nannte — die»Unbestimmtheit von Ort und Geschwindigkeit« (oder Impuls, derMasse mal Geschwindigkeit ist) bei jeder Messung zueinanderreziprok sind. Miteinander multipliziert ergeben sie einen Betrag, dergrößer ist als h. Dies ist eine winzig kleine Zahl, denn h beträgt nur 6,6

• 10-35 Joule mal Sekunde. Makroskopisch gesehen fällt diese Unge-nauigkeit überhaupt nicht ins Gewicht, aber für atomare Maßstäbe istsie riesengroß.Heisenberg war sich über die tiefgreifenden Konsequenzen dieserErkenntnis sehr wohl im klaren, stellte sie doch nichts anderes dar alsdie Abkehr von der Kausalität. Er schrieb 1927: »In prinzipiellerHinsicht hat die oben genannte, von der Natur festgestellteGenauigkeitsgrenze die wichtige Folge, daß das Kausalitätsgesetz ingewisser Weise gegenstandslos wird.« Im atomaren Maßstab gilt alsonicht mehr Ursache und Wirkung, sondern Zufall undWahrscheinlichkeit. Er schreibt weiter: »An der scharfen Formulierungdes Kausalgesetzes: Wenn wir die Gegenwart kennen, können wir dieZukunft berechnen, ist nicht der Nachsatz, sondern die Voraussetzungfalsch.«Die Heisenbcrgsche Unschärferelation, die 1927 in der »Zeitschrift fürPhysik- veröffentlicht wurde, gilt im übrigen

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nicht nur für die Werte von Ort und Impuls eines Teilchens, sondernauch für die Werte von Energie und Zeit sowie für andereMeßgrößenpaare.Obwohl Heisenberg sein Gesetz rein theoretisch hergeleitet hatte,beunruhigte es zu Recht von Anfang an auch dieExperimentalphysiker. In der Tat sagt die Unschärferelation aus, daßman Ort, Impuls oder Energie von Teilchen nicht gleichzeitig exaktmessen kann. Dies liegt nicht daran, daß die verwendeten Meßgeräteunzulänglich wären, sondern es liegt in der Natur der Sache. Dieswollten Experimentatoren anfangs allerdings nicht glauben underdachten immer ausgefeiltere experimentelle Anordnungen, die dasHeisenbergsche Gesetz überlisten sollten. Es gelang indes niemand,sich darüber hinwegzusetzen, und etwa ein Jahrzehnt nach seinerAufstellung war die Heisenbergsche Unbestimmtheitsrelationallgemein anerkannter Bestandteil der modernen Physik.Nur sehr selten ist es der Nachwelt vergönnt, den Gedankengängeneines Forschers in allen Einzelheiten zu folgen, wenn er eine neueEntdeckung macht. Dadurch, daß Werner Heisenberg zusammen mitBohr in der sogenannten »Kopenhagener Deutung« seine Ideengenauestens geschildert hat, und dies außerdem noch in einer relativallgemeinverständlichen Darstellung, können wir heute den Zugang zuden philosophischen FoJgen der UnschärfercJarjon nachvollzichen.Das Experiment mit dem Doppelspalt, das bereits erklärt wurde, gibtdie anschauliche Hinführung zu dem, was Heisenberg meinte.Der Versuchsaufbau ist der gleiche wie früher geschildert. Diesmalwird das Experiment nicht mit Gewehrkugeln, Elektronen oderWasserwellen, sondern mit Eicht durchgeführt. Man schickt also einLichtbündel durch die Wand mit den zwei Eöchern und registriert aufder dahinter stehenden Auffangwand, wo wieviel Eicht ankommt. Diesgeschieht am besten mit einem Film, den man auf dieser Wandbefestigt. Die

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Schwärzung des Films ist dann ein Maß für die Intensität desauftreffenden Eichts, denn jedes Photon, das ankommt, bewirkt imInneren des Filmmaterials eine chemische Umwandlung, die ein(schwarzes) Silberatom erzeugt. Je schwärzer der Film an einer Stelleist, desto mehr Photonen sind dort angekommen. Heisenberg schreibt:»Die Schwärzung der photographischen Platte ist im Quantenprozeßein chemischer Vorgang, der durch einzelne Uchrquanrenhervorgerufen wird. Daher muß man das Experiment auch in derEichtquanten-vorstellung beschreiben können.«Was sich jedoch auf dem Film zeigt, sind helle und dunkle Streifen,die dunkelsten Streifen in der Mitte, nach außen zu werden die Streifenheller. Für den Fachmann ist es klar: Dies ist ein typischesInterferenzbild. Beim Experiment mit den Wasserwellen, die durcheinen Doppelspalt laufen, hatte sich das gleiche Bild ergeben, nurwurde es durch den Detektor als Kurve registriert. Die schwarzenStreifen auf dem Film sind ganz einfach in eine derartige Kurveumzuwandeln: Trägt man den Grad der Schwärzung als Höhe derKurve in ein Diagramm ein, erhält man genau das von denWasserwellen bekannte Bild.Die Lichtquanten, die durch den Doppelspalt fallen, erzeugen also,obwohl sie sich wie Teilchen verhalten, ein Interferenzbild, das ihreWclJennafur beweist. Über dieses seltsame Phänomen machteHeisenberg sich seine Gedanken; »Das einzelne Eichtquant kannentweder durch das erste oder durch das zweite Eoch gehen. Wenn esdurch das erste Eoch geht und dort gestreut wird, so ist dieWahrscheinlichkeit dafür, daß es später an einem bestimmten Punktder photographischen Platte absorbiert wird, davon unabhängig, ob daszweite Loch geschlossen oder offen ist. DieWahrscheinlichkeitsverteilung auf der Platte muß die gleiche sein, alswenn nur das erste Eoch offen wäre.« Entsprechend verhält es sich mitdem zweiten Eoch. Beide Verteilungen ergeben wie-

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der die zwei Einzelkurven, die wir bereits bei den Gewehrkugeln, denElektronen und den Wasserwellen kennengelernt haben. DieGesamtschwärzung auf dem Film müßte dann die Überlagerung dieserbeiden Kurven sein, es dürfte keine Interferenzstreifen geben. DasExperiment zeigt aber eindeutig diese Streifen. Heisenberg ziehtdaraus den Schluß: »Daraus erkennt man, daß die Aussage, dasLichtquant müsse entweder durch das eine oder durch das andere Lochgegangen sein, problematisch ist und zu Widersprüchen führt. (...) Diesbedeutet, daß schon der Begriff >Geschehen< auf die Beobachtungbeschränkt werden muß. Die Beobachtung selbst ändert dieWahrscheinlichkeitsfunktion unstetig [sprunghaft, Anm, d. A.}. Siewählt von allen möglichen Vorgängen den aus, det tatsächlichstattgefunden hat. Da sich durch die Beobachtung unsere Kenntnis desSystems unstetig geändert hat, hat sid auch ihre mathematischeDarstellung unstetig geändert, unc wir sprechen daher von einem>Quantensprung<. (...) Dei Übergang vom Möglichen zum Faktischenfindet also wäh rend des Beobachtungsaktes statt. Wenn wirbeschreiben wollen, was in einem Atomvorgang geschieht, so müssenwir davon ausgehen, daß sich das Wort »geschieht« nur auf dieBeobachtung beziehen kann, nicht auf die Situation zwischen zweiBeobachtungen.«Diese Bemerkung läßt sich auch auf Schrödingers Katze anwenden.Niemand kennt den Zustand der Katze, ohne die Kiste zu öffnen. Umden Zustand zu beschreiben, benötigt man also eineWahrscheinlichkeitsangabc dafür, ob das Tiei zu einem bestimmtenZeitpunkt tot oder lebendig ist. Die eigentliche Erkenntnis kann manerst durch eine Messung ge winnen, also durch Offnen der Kiste.Damit aber verändert man ebenso wie bei der Messung der Energieeinzelner Teilchen die »objektive« Realität. Die Frage, die seitherPhilosophen beschäftigt, ist, ob man überhaupt von einer realen Weltsprechen kann, wenn die Objekte doch erst dann real werden,

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wenn man sie beobachtet. Die Katze ist erst dann tot oder lebendig,wenn man die Kiste Öffnet. Das Elektron befindet sich in einembestimmten Energiezustand erst dann, wenn man diesen mißt. Und essptingt von einer Schale im Atom auf eine andere, ohne daß jemandwüßte wie, weil man den Vorgang nicht beobachten kann.Mitunter haben Physiker dieses Dilemma für ihre Zwecke auszunutzenversucht: Sie haben Ergebnisse von Gedankenexperimenten, dieabsolut nicht zu erklären sind, als irreal hingestellt, weil die Welt jaerst durch die Messung real wird. In jüngster Zeit jedoch wurden dieseVermutungen Lügen gestraft: Echte Messungen bestätigten die fiktivenExperimente. Dazu später mehr.Betrachtet man das noch klare, eindeutige, festgefügte Weltbild derPhysiker zu Beginn des Jahrhunderts und vergleicht es mit derSituation nach der »Erfindung« der Quantenmechanik, kann man erstermessen, wie gründlich der Umschwung war, den diese Neuerung imDenken der Wissenschaftler brachte. Seit Jahrhunderten war man esgewohnt, in Beziehungen von Ursache und Wirkung zu denken, undMessungen konnten so genau sein, wie das Meßgerät es erlaubte.Teilchen waren Teilchen, und Wellen waren Wellen.Nun hatte sich alles verwandelt und verwischt. Teilchen waren nunauch Wellen und umgekehrt, Messungen mußten zwangsläufigungenau sein, und es gab keine festgefügte Gewißheit mehr darüber,was an welcher Stelle in der Welt der kleinsten Teilchen passierte. Wobefand sich ein Teilchen zu welcher Zeit? Welche Eigenschaften hattees zu diesem Zeitpunkt? Mit Hilfe der Quantenmechanik kann man alldiese Fragen nur noch ungefähr beantworten. StatistischeWahrscheinlichkeiten haben die Gewißheiten ersetzt. Niemand kannmehr errechnen oder messen, wo sich ein Teilchen befindet. Mankonnte nur noch ausrechnen, mit welcher Wahr-

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scheinlichkeit es sich zu einem bestimmten Zeitpunkt an einerbestimmten Stelle befindet. Dabei harte man doch immer die Aufgabeder Physik darin gesehen, die Natur zu erklären und ihren Zustand undihre Gesetze so genau wie möglich zu beschreiben.Von dieser Aufgabe hatre sich die Physik zumindest im anschaulichenSinne weir entfernt — im Sinne der Mathematik dagegen hatte sie dieAnforderung genau erfüllt: Die Quantentheorie gibtRechenvorschriften für alle Phänomene der kleinen wie der großenWelt, sie erklärt alles, von der Bewegung eines Elektrons in einemMagnetfeld bis hin zur Entstehung von Sternen im Weltall.Auch das Atom wurde von der Quantenmechanik neu erklärt. Es warnun nicht mehr eine Kugel, auch kein Planetensystem mehr aus Kernund Elektronen, sondern es hatte sich verwandelt in ein anschaulichnicht mehr greifbares Gebilde. Die Formeln gaben nur noch an, welcheWahrscheinlichkeiten sich an bestimmten Stellen des Atoms ergaben,daß dort ein Elektron, ein Proton oder ein Neutron (oder ein nochkomplizierteres Teilchen) sich in einem ganz bestimmtenEnergiezustand befand.Wenn man sich all dies vor Augen führt, ist es verständlich, daß dieTheorie der Quantenmechanik selbst in den Köpfen der großen Genieswie Einstein, Planck oder Schrö-dinger große Hürden überwindenmußte — gar nicht zu reden von der Durchsetzungskraft des Modellsin der breiten Öffentlichkeit, die es bis heute kaum wahrgenommenhat.In der »Kopenhagener Deutung« widmeten sich Bohr und Heisenbergabschließend der Frage, ob die neuen Erkenntnisse nicht unseregesamte Weitsicht zum Einsturz bringen: »Die klassische Physikberuhte auf der Annahme - oder sollten wir sagen, auf der Illusion —,daß wir die Welt beschreiben können, ohne von uns selbst zusprechen.(...) Wir wissen zum Beispiel, daß es die Stadt London gibt,unabhängig davon, ob

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wir sie sehen oder nicht sehen. Man kann sagen, daß die klassischePhysik eben die Idealisierung der Welt darstellt. (...) Ihr Erfolg hat zudem allgemeinen Ideal einer objektiven Beschreibung der Weltgeführt. Objektivität gilt seit langem als das oberste Kriterium für denWert eines wissenschaftlichen Resultats. Entspricht die>Kopenhagener Deutung< der Quantenphysik noch diesem Ideal? (...)Sicher enthält die Quantentheorie keine eigentlich subjektiven Züge,sie führt nicht den Geist oder das Bewußtsein des Physikers als einenTeil des Atomvorgangs ein. Aber sie beginnt mit der Einteilung derWelt in den Gegenstand und die übrige Welt und mit der Tatsache, daßwir jedenfalls diese übrige Welt mit den klassischen Begriffenbeschreiben müssen.«Trotz aller Erkenntnisprobleme und philosophischer Erörterungen istdie Quantenmechanik jedoch keine brotlose Spielerei, die nur derintellektuellen Befriedigung einiger Physikerköpfe diente, sie erklärteviele physikalische Phänomene, die vorher rätselhaft geblieben waren.Aber dies ist nur eine Seite einer Theorie. Wirklich nützl ich wird sieimmer erst dann, wenn sie auch Vorhersagen für praktische Dinge undExperimente treffen kann, wenn sie Anwendungen nahelegt, die imgünstigsten Fall das Alltagsleben der Menschen beeinflussen oderverändern. Das war so bei Newtons Gravitationstheorie, die eserlaubte, das Getriebe und den Mechanismus kompliziertesterMaschinen zu erdenken und zu berechnen. Das war ebenso beiMaxwells Theorie der Elektrodynamik, aufgrund derer die Elektrizitätund die Nutzung der elektromagnetischen Wellen für Telefon, Radiound Fernsehen gelang.Und so erstaunlich es klingt, es war auch so bei der Quantenmechanik,trotz ihres esoterischen Charakters. Ohne sie gäbe es heute keineHalbleiter und damit keine Computertechnologie, es gäbe keine Laser,keine Kernspintomographie, keine Supraleitung und keine Atomuhren.Die Wissenschaft,

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die sich für den Laien als so abgehoben und meist gar nicht mehrnachvollziehbar darstellt, hat sehr wohl unser aller Leben beeinflußt.Und ihre Geschichte ist mit Sicherheit noch nicht zu Ende.

Tunneleffekt - Ereignisse, die eigentlich nichtpassieren dürften

Das quantenmechanische Prinzip, daß man für den Aufenthaltsorteines Teilchens immer nur eine Wahrscheinlichkeitsverteilungangeben kann, hat auch praktische Konsequenzen, die sich imExperiment überprüfen lassen. Mehr noch: Einige Phänomene derPhysik kann man überhaupt nur dadurch erklären, daß Teilchen nieganz genau lokalisierbar sind.So ausgefeilt die Theorien sind, die inzwischen über dieElektronenhülle des Atoms entwickelt wurden, so ungenau sind auchheute noch die Votstellungen über den Aufbau des Atomkerns. Alles,was man weiß, ist, daß er aus positiv geladenen Protonen und neutralenNeutronen besteht und daß er in der Hauptsache durch die Kernkräftezusammengehalten wird. Manche Theorien gehen davon aus, daß auchim Kern ähnliche Schalen wie in der Hülle des Atoms existieren, undsie versuchen damit die Tatsache zu erklären, daß es Elemente mitbesonders stabilen Konstellationen im Kern gibt. Diese treten bei densogenannten »magischen Zahlen« auf wie 2, 8, 20, 28, 50, 82 und 126.Mit ähnlichen Zahlenspielereien wie einst für die Elektronenhülleversucht man, die Entstehun der magischen Zahlen zu ergründen. Aberdiese Theorien sind bis heute nicht vollständig befriedigend.Eine der Modellvorstellungen, die man für den Atomkern hat, ist dasBild vom sogenannten »Potentialtopf«. Er entsteht, wenn man dieKräfte, die dort auftreten, einander über-

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lagert und in einem Diagramm aufträgt. In seiner Wirkung entsprichtdieses Potential wirklich einem Topf, denn füllt man beispielsweiseeinen echten Topf mit Kugeln, so benehmen diese sich dott ähnlichwie die Protonen und Neuttonen in ihrem gedachten Potentialtopf.Im Zentrum des Kerns herrschen die Kernkräfte vor, die sehr starksind. Je weiter man sich vom Mittelpunkt entfernt, desto mehr nehmendiese Kräfte ab, dafür treten nun zunehmend die abstoßendenelektrischen Kräfte zwischen den gleichnamig geladenen Protonen inden Vordergrund. Der »Rand« des Kerns, symbolisiert durch den Randdes Potentialtopfes, ist also gerade der Bereich, in dem ein Proton nichtmehr von den Kernkräften festgehalten, sondern von den elektrischenAbstoßungskräften nach außen weggedrückt wird.Normalerweise überschreiten Protonen und Neutronen im Kern dieseGrenze nie. Da jedes Atom stets versucht, den

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stabilsten und damit niedrigsten Energiezustand einzunehmen, liegensie so weit unten im Potentialtopf wie möglich. Ihnen fehlt die Energie,um über den Rand hinauszuspringen, ebenso wie es den Kugeln nichtmöglich wäre, über den Rand eines echten Topfes hinwegzukommen.Die dafür nötige Energie könnten sie allenfalls von außen erhalten,etwa durch einen Stoß oder durch Erhitzen.Nun zeigt sich aber wieder einmal der Unterschied zwischenmakroskopischer und mikroskopischer Welt: Während es den Kugelnunseres Alltagslebens nie von selbst möglich sein wird, aus dem Topfzu entkommen, gehorchen die Protonen im Potentialtopf desAtomkerns den Gesetzen der Quantenmechanik. Und diese besagen,daß sich die Teilchen nicht mit absoluter Sicherheit auf dem Grund desTopfes befinden, sondern nur mit einet wenn auch großenWahrscheinlichkeit. Es bleibt ein Rest von Unsicherheit.Und so kann es geschehen, daß ab und zu — zwar selten, aberimmerhin - ein paar Kernteilchen entkommen. Wir kennen dies aus derNatur: Man spricht von radioaktiver Strahlung. Alphastrahlen bestehenbeispielsweise aus je zwei Protonen und Neutronen, aber es gibt auchNeutronenstrahlung, bei der Neutronen aus dem Kern ausgestoßenwerden. Ohne die Quantenmechanik wäre es nicht zu erklären, wiediese Phänomene zustande kommen.Es beweist auch erneut die Gültigkeit von HeisenbergsUnschärferelation. Wenn es beispielsweise nicht möglich ist. Energieund Zeitpunkt eines Zustandes gleichzeitig ganz genau zu bestimmen,dann kann es passieren, daß für eine ganz winzig kleine Zeitspanne einTeilchen eine weit höhere Energie hat, als ihm eigentlich zusteht. Undin diesem Augenblick kann es aus dem Potentialtopfentkommen. DieRegeln sagen ja nur aus, daß die Ungenauigkeit der Energiemultipliziert mit jener der Zeit kleiner sein muß als h. Man nenntdieses Phänomen, bei dem Teilchen aus einem Potentialtopf ent-

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kommen, »Tunneleffekt«, da es auf den ersten Blick so wirkt, als hättesich das Teilchen durch einen Tunnel in der Topfwand davongemacht.Der Tunneleffekt ist nicht nur verantwortlich tut die radioaktive Alpha-und Neutronenstrahlung, sondern auch für eine Reihe andererErscheinungen. So war es beispielsweise in den zwanziger Jahren nochrätselhaft, warum eichte Kerne im Inneren von Sternen miteinanderverschmelzen können. Die gemessenen Temperaturen dort waren nichthoch genug, um erklären zu können, wie die positiv geladenenAtomkerne die gegenseitige elektrische Abstoßung überwindenkönnten. Sie hatten aufgrund der Beobachtungen nicht genügendEnergie, um die Wände des Potentialwalles zum nächsten Atomkernzu überspringen. Erst der Tunneleffekt konnte erklären, daß eingeringer Prozentsatz der Teilchen diesen Wall einfach durchdrang, Beider ungeheuren Anzahl der Atome in der Materie reichen jedoch diesevergleichsweise wenigen Teilchen schon aus, um den hohenEnergiegewinn im Inneren der Sonne und der Sterne zu erklären.Der Tunneleffekt tritt ständig und überall auf, nur wird er wegen seinerWinzigkeit im allgemeinen nicht wahrgenommen. In den achtzigerJahren haben jedoch zwei Forscher, Gerd Binnig und Heinrich Rohrer,ein geniales Gerät erfunden, das genau auf diesem Effekt berühr. Dassogenannte Raster-Tunnel-Mikroskop, für dessen Erfindung die beiden1986 den Nobelpreis erhielten, ist in der Lage, Strukturen abzutasten,die bis hinab zur Größe eines Atoms reichen.Das Herzstück des Mikroskops ist eine Sonde, bestehend aus einerextrem feinen Wolframnadel, deren Spitze im Idealfall aus nur einemeinzigen Atom besteht. Sie wird in geringem Abstand beispielsweiseüber eine Kupfcroberfläche geführt, deren Atome man abtasten will.Selbstverständlich besteht diese Nadel ihrerseits auch aus Atomen mitihren Elektronenhüllen- Weil es sich bei Wolfram um ein Metall

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handelt, kann sich ein Teil der Elektronen so gut wie frei in der Nadelumherbewegen, sie können aber die Nadel nicht verlassen, aufgrundder Quantenregeln ist ihnen dies verboten. Das Gleiche gilt für dasKupfer. Befindet sich nun die Nadelspitze unmittelbar über derKupferoberfläche, ohne sie indes zu berühren (etwa im Abstand vonTausendstel Millimetern), sollte man meinen, daß stets die Wolfram-Elektronen in der Nadel und die Oberflächenelektronen im Kupferblieben. Aber in Wirklichkeit kann hin und wieder ein Elektronzwischen Nadel und Kupfer hüpfen, es tunnelt durch den verbotenenZwischenraum hindurch. Wie häufig das geschieht, hängt natürlichvon dem Abstand zwischen Spitze und Kupferoberfläche ab. Je dichtersie beisammen sind, desto leichter fällt der Wechsel. Wenn man nochzusätzlich eine elektrische Spannung zwischen Nadel undKupferoberfläche anlegt, schlüpfen noch mehr Elektronen durch denfiktiven Tunnel: Es fließt ein wenn auch winziger Strom, dersogenannte Tunnelstrom.Tastet man nun mit der Sonde systematisch die Oberfläche ab undregistriert an jedem Punkt die Stärke des Tunnelstroms, so erhält manein Bild dieser Oberfläche, das so fein ist daß es sogar noch dieErhebungen der einzelnen Kupferatome zeigt. Inzwischen wurde dieseTechnik weiterentwickelt, Geräte im Aktenraschenformat haben denMarkt erobert.Eine andere Entdeckung, die auf dem Tunneleffekt beruht, machte derBrite Brian Josephson. Im Jahr 1973 erhielt er als einer der jüngsten jegeehrten Physiker den Nobelpreis. E wurde ausgezeichnet für densogenannten Josephson-Effekt Es handelt sich dabei um dasPhänomen, daß bei sehr tiefe Temperaturen ein winziger Strom auchdurch sehr dünne Isolatorschichten hindurchfließt. Es gelangJosephson — und mi ihm zugleich Leo Esaki und Ivar Giaver in denUSA —, diese Effekt in supraleitenden Medien zu erklären. DieAnwen cmTig des Jroephson-Efiekts in elektronischen Dünnschicht-

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Elementen steigerte die Meßgenauigkeit von Spannungsdetektorenerheblich und führte zu einer verbesserten Bestimmung derFeinstrukturkonstante, einer atomaren Grundkonstante.

Die geheimnisvolle Fernwirkung zwischen zweiTeilchen

Die Aussage der Quantenmechanik, daß die Kausalität aufgehoben seiund nur noch statistische Wahtscheinlichkeiten gelten, versetzte diewissenschaftliche Welt in eine Unruhe, die bis heute nicht vorüber ist.Zwei der herausragendsten Köpfe, Albert Einstein und Niels Bohr,fochten ihr ganzes Leben lang einen wissenschaftlichen Streit über dieFrage aus, ob es das Grundprinzip der Welt sei, unbestimmt zu sein,oder ob es noch sogenannte verborgene Variablen gebe, die nur nochnicht entdeckt sind und die eigentliche Ursache für die Phänomene derQuantenmechanik darstellen. Hinstein glaubte an letzteres, Bohrhingegen hielt die Wahrscheinlichkcitsdar-stellung für grundlegend.Zu Lebzeiten beider wurde der Disput nicht entschieden, erst in denletzten Jahren mehren sich die Hinweise, daß Bohr recht hatte.Wenn zwei so geniale Köpfe wie Einstein und Bohr über ein Themastreiten, kann dies nur auf höchstem Niveau geschehen, und so ist esspannend, die Argumente und Gegenargumente nachzulesen, die beidegegeneinander schleuderten. Vor allem Einstein dachte sich ständigExperimente aus, die beweisen sollten, daß beispielsweise dieHeisenbergsche Unschärfe-relation nicht immer gilt. Bohr ging dannstets daran, die Argumente Einsteins zu zerpflücken. Der Streit zogsich über Jahrzehnte hin, und es würde zu weit führen, ihn in allenEinzelheiten hier aufzurollen. Eines der Gedankenexperimente

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überdauerte aber die Zeiten und ist auch heute noch hoch aktuell. Eshandelt sich um einen fiktiven Versuch, den Einstein sich 1935zusammen mit seinen Kollegen Boris Podolsky und Nathan Rosenausdachte, und er wurde nach den Anfangsbuchstaben der dreiErfinder EPR-Experiment genannt.Man stelle sich vor, so hatten die drei Theoretiker gefordert, daß manzwei Photonen gemeinsam erzeugt, die physikalisch miteinandergekoppelt sind. Solche Photonenpaare können beispielsweiseentstehen, wenn ein Teilchen, etwa ein Elektron, mit seinemAntiteilchen, dem Positron, zusammenstößt und sich dabei in Energieverwandelt. Die beiden entstehenden Photonen fliegen mitLichtgeschwindigkeit auseinander und stehen in keiner Verbindungzueinander. Dies wäre nach der Relativitätstheorie auch gar nichtmöglich, da eine Informationsübermittlung zwischen zwei Objektenhöchstens mit Lichtgeschwindigkeit geschehen kann.Angenommen, man mißt nun genau die Emissionszeit des ersten (unddamit automatisch auch des zweiten) Photons, dann kennt man nachder Hciscnbergschen Regel seine Energie zu diesem Zeitpunkt nichtgenau. Da man aber die Energie des anderen Teilchens genauestensmessen kann (dafür milk man dessen Emissionszeitpunkt nicht), läßtsich daraus die Energie des ersten Photons ebenfalls genau ermitteln,denn die Summe der beiden Energien ist durch das Teil-chen/Antiteilichen-Paar bekannt. So ließe sich sowohl Energie als auchEmissionszeitpunkt exakt bestimmen und die Unscharferelationumgehen. Wie läßt sich dieser Widerspruch auflösen?Eine Erklärung wäre, daß es irgendeine Art von »spukhafterFernwirkung«, wie Einstein das nannte, gibt, über die die beidenTeilchen sich miteinander verständigen können. Dann aber wäre dieRelativitätstheorie falsch, nach der sich Informationen nicht schnellerals mit Lichtgeschwindigkeit übermitteln lassen. Eine andereErklärung wäre, daß die beiden

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Photonen auf irgendeine nicht bekannte Art miteinander korrelieren,also in ihren Eigenschaften verbunden bleiben, so daß Messungen ameinen auch Rückschlüsse auf das andere zulassen und umgekehrt.Einstein, Podolsky und Rosen folgten dieser zweiten Auffassung undglaubten, es gebe noch unbekannte verborgene Variablen, die eineWechselwirkung zwischen den Teilchen herstellten,Das EPR-Rätsel ließ die Physiker nicht ruhen, und im Jahr 196-4gelang es schließlich dem amerikanischen Forscher John S. Bell, aufmathematischem Wege zu zeigen, daß alle Annahmen von derartigenverborgenen Variablen Voraussagen ergeben, die nicht im Einklangmit der Quantentheorie stehen. Dieser Schritt war wichtig, denn er botdie Voraussetzung dafür, daß nun nicht mehr nur mitGedankenexperimenten, sondern mit echten Laborexperimenten dieFundamente der Quantenmechanik untersucht werden konnten.Geradezu als Jahrhundertexperiment gilt in diesem Zusammenhang dieVersuchsanordnung des französischen Physikers Alain Aspect aus demJahr 1982, sie verwendet das Phänomen der Polarisation vonLichtwellen.Die Polarisation ist eine Eigenschaft des Lichts, die eine bestimmteRichtung im Raum definiert. Man kennt das Phänomen von denPolaroid-Sonnenbrillen, die nur einen Teil der Lichtstrahlen (oder -teilchen) hindurchlassen. Sie wirken also ähnlich wie eine Jalousie.Der Physiker John Gribbin hat ein einleuchtendes Bild für einenderartigen »Polarisationsfilter« gefunden: Es ist, so schreibt er, »alstrügen die Photonen lange Speere. Alle Photonen, die ihre Speere quervor der Brust tragen, können zwischen den Stäben hindurchschlüpfenund werden von Ihren Augen gesehen; alle Photonen, die ihre Speerehochhalten, können durch die schmalen Spalten nicht hindurch undwerden abgeblockt. In normalem Licht kommen alle Arten derPolarisation vor — die Speere der Photonen weisen dieunterschiedlichsten Neigungswinkel auf.«

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Die Polarisation eines Teilchens ist wie sein Spin einequantenmechanische Ja/Nein-Eigenschaft. Das Teilchen ist entwederin eine Richtung polarisiert oder in die andere, nie aber in beideRichtungen gleichzeitig. Richtet man also beispielsweise einenLichtstrahl auf einen Polarisationsfilter, so wirkt dieser wie die obengeschilderte Jalousie: Die Photonen, deren Spin parallel zu den"Lamellen« {der Fachmann spricht von Polarisationsebenen) steht,kommen durch, die anderen nicht. Die Photonen, die hinter dem erstenFilter ankommen, sind also alle in eine bestimmte Richtung polarisiert,die parallel zu den Lamellen des ersten Filters ist.Angenommen, diese Richtung soll waagrecht sein. Baut man nunhinter dem ersten Filter einen zweiten auf, dessen Lamellen senkrechtstehen, werden alle Photonen abgeblockt, da ihre Polarisationsrichtungja waagrecht ist, Mit zwei zueinander senkrecht stehendenPolarisationsfiltern kann man also jeden Lichtstrahl zu hundert Prozentunterbrechen.Nun gibt es aber eine Erweiterung dieses Experiments, die einverblüffendes Ergebnis erbringt, das nur mit Hilfe derQuantenmechanik zu verstehen ist. Angenommen, man stellt zwischendie beiden Filter einen dritten, dessen Lamellen mit denen des erstenFilters einen Winkel von 45 Grad bilden. Die dort ankommendenPhotonen haben einen Polarisationswinkel, der von dem der Lamellenum 45 Grad abweicht, das heißt, nach der klassischen Vorstellungdürfte keines der Photonen hindurchgehen. Das Experiment zeigt aber,daß in Wirklichkeit fünfzig Prozent der Photonen durchkommen, Diesläßt sich nur erklären mit der quantenmechanischenWahrscheinlichkeit. Sie gibt nämlich jedem Teilchen die fünf-zigprozentige Chance, den Filter zu durchdringen. Und es gibt nocheine zweite Merkwürdigkeit: Die Polarisationsebene derdurchgekommenen Photonen wurde parallel zu den Lamellen deszweiten Filters ausgerichtet, also auch um

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45 Grad gedreht. Diese Photonen-es sind noch die Hälfte derursprünglich losgeschickten — kommen nun also an dem hinterenFilter an, der senkrecht zum ersten und im Winkel von 45 Grad zumzweiten steht. Und wie schon beim zweiten Filter geht auch hierwieder die Hälfte der Photonen hindurch. Es ergibt sich also insgesamtein paradoxes Resultat: Stellt man dem Licht zwei gekreuzte Filter inden Weg, kommt keines der Photonen hindurch, stellt man aberdazwischen noch einen dritten, gedrehten Filter, kommen am Ende einViertel aller Photonen an. Wie sich ein einzelnes Photon verhält, läßtsich auch in diesem Experiment, ebensowenig wie beim Doppelspalt,vorhersagen, man kennt nur die Wahrscheinlichkeit, mit der es dieAnordnung durchdringt oder nicht. Was zwischen den Filtern wirklichgeschieht, darüber läßt sich keinerlei Aussage treffen.Alain Aspect hat nun dieses Phänomen zum Inhalt seines berühmtenExperiments gemacht. Vereinfacht gesprochen, erzeugt er gleichzeitigzwei Lichttcilchen, die auseinanderfliegen. Diese schickt er dann durchje einen Polarisationsfilter und mißt auf jeder Seite, wie viele Teilchendurchkommen. Je nach der Polarisationsrichtung der Photonen könnensie den Filter mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit durchdringen.Was Aspect nun fand, war, daß die beiden gleichzeitig erzeugtenPhotonen immer gleich reagierten; Kam das eine am einen Filterdurch, dann kam auch das andere bei seinem Filter durch undumgekehrt.Dies ist noch nicht allzu erstaunlich, da man davon ausgehen kann, daßdie beiden Photonen durch ihre gemeinsame Erzeugung miteinanderkorreiieren, also in ihrem Verhalten verbunden sind. Sie würden sichdann lediglich so verhalten wie die beiden Würfel in folgendemBeispiel: Man hat zwei Würfel, einen roten und einen schwarzen. Dereine wird in eine Schachtel gepackt, der andere in eine andere. Dannwerden beide verschickt. Der Empfänger weiß nicht, in welchem

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Päckchen welcher Würfel ist. Er kennt aber sofort die Farbe deszweiten Würfels, sobald er die erste Schachtel öffnet, denn ist der darinenthaltene Würfel rot, muß der andere schwarz sein und umgekehrt.Auch dies ist genaugenommen eine überlichtschnelle Verbindungzwischen den beiden Würfeln und gibt bei eingehender Überlegung zumanchen Theorien Anlaß.Insofern ist also das Resultat von Aspects Experiment bisher nochnicht weiter verwunderlich. Aber er beließ es dabei nicht, sondernerweiterte die Versuchsanordnung. Er baute vor den beidenPolarisationsfiltern »Schalter« ein, welche die Polarisationsrichtungdes durchfliegenden Photons ändern. Diese Schalter werden gesteuertvon einem Zufallsgenerator, das heißt, der Schalter wird ganz zufälligan- oder ausgeschaltet. Außerdem arbeitet er so schnell, daß er noch inder Lage ist umzuschalten, wenn das Photon bereits unterwegs ist. Diebeiden Photonen wissen also, wenn sie losfliegen, noch nicht, ob siedurch den Filter durchkommen können oder nicht.Das Experiment, das natürlich in Wirklichkeit sehr viel komplizierteraufgebaut war und hier nur in seinen Grundzügen geschildert werdenkann, ergab folgendes Ergebnis: Die jeweils »zusammengehörigen«Photonen verhielten sich trotzdem wie Zwillinge immer gleich. Konntedas eine das Polarisationsfilter durchdringen, so konnte es auch dasandere, wurde das eine zurückgehalten, dann auch das andere. Unddas, obwohl die Bedingungen unterwegs geändert wurden. Woherwußte das eine Photon, ob der Schalter beim anderen Photoneingeschaltet war oder nicht? Durch irgendeine Art vonInformationsübertragung konnte es nicht geschehen sein, denn diePhotonen bewegten sich mit Lichtgeschwindigkeit auseinander.Die Lage war und bleibt geheimnisvoll. Was Aspect und tiner ganze-riReihe von N adriahrnern seines Experiments ge-

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lang, war, anhand von Beils Vorhersagen die Entscheidung zu treffen,daß es keine verborgenen Variablen sein konnten, die dasmerkwürdige Zwillingsverhalten der Photonen steuern. Immerhin weißman dadurch, daß Bohr in seinem Streit mit Einstein recht hatte.Was aber nach wie vor unklar ist und eigentlich mit jedem Experiment,das dazu durchgeführt wird, rätselhafter wird, ist die Frage, wie diebeiden Photonen ihr Verhalten aufeinander abstimmen können. Woherweiß das erste vorn Verhalten des zweiten? Wie erfahrt das eine, daßdas andere gerade einen Schalter durchflogen hat, der seinePolarisationsrichtung geändert hat/ Und wie erhält es die Information,ob sein Kollege mit der gedrehten Polarisationsnchtung noch in derLage ist, den Filter zu durchdringen, um dann selbst das gleicheVerhalten zu zeigen?Manche Forscher ziehen sich auf die Deutung zurück, die Heisenbergschon gab: Über das, was man nicht beobachten kann, darf man auchkeine Aussagen machen. Ebensowenig, wie ein Elektron in einemAtom eine bestimmte Bahn beschreibt oder durch das eine oder andereLoch in einem Dop-pelspaltversuch fliegt, kann man sich eineVorstellung davon machen, was zwischen den beiden Photonenabläuft, die As-pects Experiment durchlaufen.Andere Forscher sind mutiger: Sie glauben, daß hinter demmeükwüidigeri Verhaken eine geheime Art von Verbundenheit steckt.David Bohm, Physikprofessor in London, glaubt, daß das, was wir alsgetrennte Teilchen sehen, gar nicht getrennt ist, sondern zu einem»tieferen Realitätsbereich« gehört, der eine uns unbekannte, impliziteOrdnung enthält. John Bell hingegen, der mit seiner Ungleichung dieGültigkeit der Quantenmechanik beweisen konnte, glaubt. daß dies nurein Wiederaufleben von Einsteins verborgenen Variablen wäre undlehnt solche Theorien, die alles mit allern verbinden wollen, ab.

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Trotzdem: Wenn man bedenkt, daß bis zurück zum Urknall alle Atomeirgendwann einmal mit anderen Atomen oder Teilchen inWechselwirkung gestanden haben und dadurch eine gewisseBeziehung bestehen bleiben könnte, dann ist der Gedanke nicht mehrganz abwegig, daß im Weltall alles mit allem verbunden sein könnte.Auf jeden Fall würde dies ein völlig anderes Weltbild liefern, als unserAlltagsverstand es hat. Vielleicht steht die Physik damit an der Grenzezum Aufbruch in ein neues Zeitalter? Immerhin war es bei derErfindung der Quantenmechanik mindestens ebenso merkwürdig, wasman damals plötzlich als Realität annehmen sollte. Richard Feynmanhat in seinen Vorlesungen einmal gesagt: »Das Paradoxe ist lediglichein Konflikt zwischen der Realität und dem Gefühl, was Realität seinsollte.«Bleibt aber immer noch die Frage, ob Einsteins Relativitätstheoriedurch Aspects Experiment widerlegt wurde. Die Forscher Raymond YChiao, Paul G. Kwiat und Aephraim M. Steinberg, die in Berkeley miteinem ähnlichen Experiment Aspects Resultate untermauerten,machten sich auch darüber Gedanken. Im Jahr 1993 schrieben sie in>Spektrum der Wissenschaft<: »Ist demnach EinsteinsRelativitätstheorie in Gefahr? Erstaunlicherweise nicht, denn es gibtkeine Möglichkeit, die Korrelation zwischen Teilchen zurNachrichtenübermittlung mit Überlichtgeschwindigkeit zu nutzen. DerGrund dafür liegt darin, daß es ausschließlich vom Zufall abhängt, obein Photon auf den Detektor gelangt. (...) Nur durch den direktenVergleich zweier Messungen der offensichtlich zufälligenZählergebnisse können wir die nichtlokalen Korrelationen nachweisen.Das Kausalitätsprinzip wird also nicht verletzt. Science-fiction-Fanswerden sich aber damit zufriedengeben müssen, daßNachrichtenübermittlung mit Überlichtgeschwindigkeit auch weiterhinphysikalisch unmöglich zu sein scheint.«

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Kosmologie und Multiwelten

Die Katze in Schrödingers Gedankenexperiment ist zugleich lebendigund tot. Der Physiker nennt dies eine Überlagerung von zweiZuständen. Mathematisch wird die Situation gedeutet durch dieWellenfunktion der Zustände. Bleibt man in der Ausdrucksweise derPhysiker, so bringt man dadurch, daß man die Kiste öffnet, also eineMessung macht, die Wellenfunktion dazu zu kollabieren. Bei diesemKollaps entsteht aus Wahrscheinlichkeit Realität, im Fall derSchrödingerschen Katze ist es Leben, oder Tod.In dieser Interpretation, die in der schon erwähnten KopenhagenerDeutung festgeschrieben ist, bringt jede Messung und jedeBeobachtung die beteiligte Wellenfunktion dazu zu kollabieren. Beigenauerem Nachdenken verursacht sie aber eine Reihe vonSchwierigkeiten, Was passiert zum Beispiel, wenn man die Kiste mitder Katze öffnet, dann aber nicht hineinschaut? Ist dann dieWellenfunktion trotzdem kollabiert? Oder wenn ich hineinschaue unddann das Ergebnis meinem Nachbarn mitteile, kollabiert dieWellenfunktion für ihn dann erneut? Irn Grunde sind dies skurrileFragen, die den Normalbürger sicherlich nicht beschäftigen, aber diePhysiker und Philosophen haben sie nicht ruhen lassen.Unser Alltag, überhaupt der Ablauf der Welt besteht nach derKopenhagener Deutung in einem unablässigen Kollabieren vonWellenfunktionen. Dies ist zudem eine sehr spröde Interpretation derWelt, wenn es auch vielleicht für Naturwissenschaftler nicht soerscheinen mag. Aber sie hat eine Reihe von Theoretikern nichtbefriedigt, so daß sie versuchten, eine alternative Deutung derQuantenmechanik zu entwickeln. Sie wurde bekannt unter dem NamenMultiwelt-Theorie. Vorreiter dieser Theorie war Hugh Everett, der inden fünfziger Jahren an der Princeton Universität bei John

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Wheeler promovierte. Beiden erschien es merkwürdig, daßWellenfunktionen auf magische Weise kollabieren sollten, wenn mansie beobachtet. Da ja das gesamte Universum aus einer Unzahleinander sich überlagernder Wellenfunktionen Ksteht, müsse es, someinten sie, letzten Endes auch jemanden geben, der dieses Universumbeobachtet, um seine Wel-enfunktionen zum Kollabieren zu bringenund es damit ietztendlich in die Realität zu versetzen.Um dieses Dilemma aufzulösen, postulierte Everett, daß die einanderüberlagernden Wellenfunktionen des Universums, die ja, bevor siekollabieren, eine Vielzahl alternativer Möglichkeiten offenlassen, alleparallel zueinander existieren, ohne jemals zu kollabieren. DerBeobachter bringt die Wellenfunktion dann nicht mehr zum Einsturz,sondern er entscheidet sich lediglich für eine der vielen Möglichkeitender Realität. Es existieren also ebenso viele Welten parallelzueinander, wie es Überlagerungen von Wellenfunktionen gibt.

Abschätzungen sprechen von l0100, was eine Zahl ist, die allesVorstellbare weit überschreitet. Für den Betrachter existiert aberjeweils nur eine mögliche Welt, nämlich die, für die er sich mit seinerBeobachtung soeben entschieden hat, ohne daß er Zugang zu denanderen, parallelen Welten erhalten kann.Angewandt auf das Bild der Schrödingerschen Katze bedeutet dies: Esgibt nicht eine, sondern zwei Katzen. Eine ist lebendig, die andere tot.Die Kopenhagener Deutung sagt, daß der Beobachter durch das Offnender Kiste die eine der beiden Möglichkeiten in die Wirklichkeit hebe.Everett hingegen meint, daß beide Möglichkeiten weiterhin real sind,daß sich nur der Beobachter für eine der beiden entscheide. Dasradioaktive Atom in der Kiste ist nicht zerfallen oder nicht, sondern esgibt eine Welt mit zerfallenem Atom, eine mit nicht zerfallenem Atom.Beide sind - glaubt man der Multiwelt-Theorie — gleichermaßen real.Und in der echten

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Welt gibt es eben nicht nur zwei derartige Alternativen, sondernunzählige.Auch das EPR-Gedankenexperiment und seine realen Nachfolger kanndie Vielwelten-Theone erklären. Nach Ever-ett ist es nicht so, daßunsere Entscheidung, welche Polarisationsrichtung eines Photons wirmessen wollen, die Polarisation eines Photons irgendwo anders imUniversum auf magische Weise zwingt, einen entsprechenden Zustandeinzunehmen, vielmehr entscheiden wir lediglich darüber, welche dervielen existierenden Realitäten wir wahrnehmen wollen.Diese Art, die Welt zu betrachten, ist, wie Everett bewies, mit derQuantenmechanik mathematisch völlig in Einklang zu bringen. Sieerscheint uns nur deshalb unverständlich, weil sie unserenDenkgewohnheiten nicht entspricht. Aber diese Hürde mußten dieQuantenphysiker ja schon häufiger überspringen. John Gribbin, dernach eigenem Bekunden die Multiwelt-Theorie für durchausglaubwürdig hält, hat der grundlegenden Unterschied zwischen derKopenhagener Deutung und dieser Theorie in einen einzigen Satzgefaßt: »Entweder ist nichts real, oder alles ist real.«Er bringt diese Theorie damit in Zusammenhang, daß dieVergangenheit bestimmt, die Zukunft aber ungewiß ist. In derVergangenheit »haben wir aus den vielen Realitäten eine realeGeschichte ausgewählt, und sobald jemand in unserer Welt einenBaum gesehen hat, bleibt er dort, auch wenn niemand nach ihm schaut.Dies gilt auch rückwirkend bis hin zum Urknall. (...) In die Zukunftführen jedoch viele Wege, und jeden davon wird irgendeine Versionvon uns einschlagen. Jede Version von uns wird glauben, eineneindeutigen Weg zu gehen, und auf eine eindeutige Vergangenheit zublicken, aber die Zukunft wird unerkennbar sein, da es so viele Artenvon Zukunft gibt.« Fairerweise sollte man noch sagen, daß einer derVäter dieser Multiwelt-Theorie, John Wheeler, sich später wiederdavon lossagte, »weil ich fürchte,

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daß sie ein zu schweres metaphysisches Gepäck mit sichherumschleppt«, sagte er 1979.Unabhängig davon, ob man daran glauben mag oder nicht, das Bildvon den Multiweiten gibt es auch in der Kosmologie. Andrei Linde,ein russischer Physiker, hat ein Szenario entwickelt, das die Idee derMultiweiten in letzter Konsequenz durchdenkt und die Entstehung derWelt auf diese Weise erklärt. Er kommt zu dem Ergebnis, daß dasWeltall ein unendliches Ganzes ist, das sich ständig in Form von Mini-Universen in einem chaotischen Prozeß selbst reproduziert, dieentstehen und irgendwann wieder zusammenbrechen. Einer dieserMini-Kosmen ist unser Universum. Aber ununterbrochen entstehenneue Raumwelten, die sich so stark voneinander unterscheiden können,daß sie sogar eine andere Dimensionenzahl besitzen als unsere Welt.Linde geht wie alle Theoretiker davon aus, daß es für die Zeit kurznach dem Urknall sinnlos wäre, von Ort oder Zeit zu sprechen, beidesgab es damals noch nicht. Er schlägt vor, sich die Bedingungen damalseher wie einen wabernden Schaum aus Raum und Zeit vorzustellen.Das Entscheidende ist, daß dieser Schaum anfangs völlig ungeordnet,chaotisch verteilt ist. In der Wissenschaft spricht man bei einemsolchen Zustand von Fluktuationen, zufälligen Schwankungen, dieüberall und ständig auftreten.Unter bestimmten Bedingungen kann sich aus einer solchenFluktuation eine Situation ergeben, in der ein Teil der Schwankungensozusagen »eingefroren« wird. Aus diesem Teil entwickelt sich einganzes, neues Universum. Der andere Teil wächst weiter und weiterund erzeugt neue Fluktuationen, die wiederum neue Universenhervorbringen können. So konnte das gesamte All aus einer Vielzahlvon Mini-Universen bestehen, die sich jeweils gerade aufblähen oderzusammenziehen. Das Besondere an ihnen ist, daß sie nur für denjeweiligen Bewohner beobachtbar und wahrnehmbar sind. So wie

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die Katze, die nur für den Beobachter lebend oder tot ist, muß nachLinde das Universum beobachtet werden, damit es seine Existenzoffenbart.Linde erklärt mit Hilfe der Quantcnphysik auch die Entstehung vonGalaxien. Normalerweise gilt diese Theorie nur für mikroskopischeAbmessungen, aber sie spielt im Universum ebenfalls dieentscheidende Rolle. Die Quantenfeldtheo-ne lehrt nämlich, daß derleere Raum nie vollkommen leer, sondern Immer mit winzigenSchwankungen aller möglichen physikalischen Felder angefüllt ist.Wenn diese Schwankungen manchmal zufällig bestimmte Werteüberschreiten, werden sie eingefroren und verwandeln sich in richtige,meßbare Felder. Solche Felder stören das Gleichgewicht und führenschließlich wie kleine Samenkörner zur Bildung von Masse, aus dersich letztlich die Galaxien zusammenballen. Da diese Schwankungenvollkommen zufällig verteilt sind, erklärt sich aus ihnen sowohl dieGleichmäßigkeit unseres Universums, würde man es aus sehr großerEntfernung betrachten, als auch die Ungleichmäßigkeit derMassenverteilung im Detail.Für unser eigenes Universum bleibt also die Urknalltheorie, wie siebisher galt, erhalten. Lindes Theorie der chaotischen Inflation - wie sieoffiziell heißt — sagt lediglich aus, daß dies nicht der einzige und nichtder erste oder letzte Urknall war, sondern daß sich das gesamteUniversum unendlich in vielen Urknallen ständig weiter fortpflanzt.

Neueste Experimente aus der Welt derQuantenphysik

Atome, in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts noch Modelle derTheorie, an denen man beispielsweise die quantenmechanischenGesetze erproben konnte, sind inzwischen zu sichtbaren, handfestenObjekten geworden, die von Experi-

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mentatoren eingesperrt, fotografiert und aufs genaueste vermessenwurden. Neueste Entwicklungen bei den Meßgeräten und in derElektronik haben dies möglich gemacht. Vor allem ein Gerät stehtdabei im Vordergrund, das nicht größer ist als eine Faust und deshalbin jedem Labor Platz hat; die lonen-falle. Auch wenn ihr Prinzip schonseit über vierzig Jahren bekannt ist, haben die präzisen Winzlinge erstmit der jüngsten technologischen Entwicklung ihre Blüte erlebt. DieVerbesserung der Hochvakuumtechnik und neue Möglichkeiten derComputersteuerung spielten dabei eine Rolle, hinzu kam dieMöglichkeit, mit supraleitenden Spulen starke und gleichmäßigeMagnetfelder zu erzeugen sowie die Erfindung der Laser mitveränderbarer Frequenz.In der lonenfalle wird ein Ion, ein Rumpfatom, das eines oder mehrereseiner äußersten Elektronen verloren hat, von elektrischen undmagnetischen Feldern so eingesperrt, daß es nicht entweichen kann.Wenn das Ion sich nur um eine Spur aus dem Zentrum der Falleentfernt, wird es durch die dort ansteigenden Felder sofort wiederzurückgezogen.Was auf den ersten Blick wie ein Spielzeug der Grundlagenforscheraussieht - und es auch ist -, hat inzwischen längst seinen praktischenNutzen bewiesen. Kein anderes Gerät läßt so genaue physikalischeMessungen zu wie die lonenfalle. Der Grund hierfür liegt in derHeisenbergschen Unschärferelation. Bekanntlich sagt diese aus, daßdas Produkt aus Meßzeit und Energie einen bestimmten Wert nichtunterschreiten kann, nämlich das Plancksche Wirkungsquantum. Wennman nun aber mit Hilfe der Falle die Meßzeit stark verlängern kann,läßt sich damit die Ungenauigkeit der Energiemessung reduzieren. Unddie Aufenthaltsdauer eines Ions in einer lonenfalle kann sehr lang sein— der Rekord liegt derzeit bei zehn Monaten. Dies erlaubt Messungenmit extrem hoher Präzision.Ein Beispiel für eine derartige Messung ist es, die Genauigkeit derZeitmessung in Atomuhren noch weiter zu verbes-

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sern. Man verwendet dafür den Übergang zwischen zweiElektronenschalen des Ytterbium-Ions. Durch den Einfluß desmagnetischen Feldes des Atomkerns auf den Spin der Elektronen inder Hülle spalten sich die Energieniveaus der Elektronen sehr fein auf,man nennt dies die Hyperfeinstruk-tur.Für das Experiment benutzt man eine doppelte Resonanz: EinLaserstrahl, dessen Frequenz sich genau abstimmen läßt, «entvölkert«ein bestimmtes Energieniveau der aufgespaltenen Linie, indem er dieAtome auf ein höheres Niveau hebt. Wenn sie dieses wieder verlassen,geben sie den Energieunterschied in Form von Fluoreszenzlicht ab.Gleichzeitig werden Mikrowellen eingestrahlt, deren Energie genaudem Unterschied zwischen zwei benachbarten Hyperfeinstruktur-niveaus entspricht. Dadurch füllt sich das entvölkerte Niveau wiederauf. Wenn die Resonanzfrequenz erreicht wird, kann man dies auseiner drastischen Erhöhung des Fluoreszenzlichts ablesen. DieseMessung ist so genau, daß sie alle Rekorde in derMikrowellenspektroskopie bricht, das heißt, man kann damit dieFrequenz des Lasers so exakt einstellen, daß sie zur Zeitmessungverwendet werden könnte. Eine solche Uhr wäre so genau, daß sie indreißig Millionen Jahren nur um eine einzige Sekunde falsch gehenwürde.Eine weitere Anwendung von lonenfallen ist die Möglichkeit, eineMasse sehr genau 2u bestimmen. Bisher wird die Masse immer nocham Urkilogramm geeicht, das im Internationalen Büro für Maße undGewichte in Sevres bei Paris steht. Dieses ist ein Zylinder aus Platin-Iridium - im Grunde ein Anachronismus in unserer Zeit derhypergenauen Meßverfahren, denn für die anderen beiden Grundlagenunseres Maßsystems, Meter und Sekunde, gelten längst High-Tech-Maßstäbe.Endlich auch für das Kilogramm eine genaue und überall auf der Weltnachvollziehbare Definition zu entwickeln, ist

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ein Ziel, das die Erfindungsgabe auch der Quantenmechanikerherausfordert. Gute Realisierungschancen hat die Idee, die Masse einesAtoms extrem genau zu bestimmen und dann abzuschätzen, wie vieleAtome in einem Kilogramm enthalten sind. So könnte es gelingen, dasKilogramm auf die gebräuchliche atomare Masseneinheitzurückzuführen, das Atomgewicht des Kohlenstoff-Isotops 12C.In einer lonenfalle werden Silizium-Atome eingefangcn und rotierendort um die Feldlinien des Magnetfeldes. Die Frequenz dieser»Zyklotron-Schwingung« genannten Rotation hängt von der Stärke desMagnetfeldes und von der Masse der Ionen ab. Mit einigenexperimentellen Finessen gelingt es, diese Frequenz auf einMilliardstel genau zu messen. Wenn es nun auch noch möglich wird,einen Silizium-Einkristall höchster Güte herzustellen und ihn miteinem Raster-Tunnel-Mikroskop zu vermessen, ließe sich damit dieAnzahl der Atome pro Volumen in dem Kristall zählen. Hat dieserAnsatz Erfolg, wird das Urkilogramm in Sevres überflüssig.Daß quantenphysikalische Objekte nicht immer extrem winzig seinmüssen, bewiesen vor kurzem Forscher in den USA und in Osterreich.An mehreren Hochschulen gelang es, Atome in einer Falle fast bis zumabsoluten Nullpunkt zu kühlen, ohne daß sie sich zu einer Flüssigkeitoder zu einem Festkörper zusammengeballt hätten. Sie bilden dann einsogenanntes Bose-Einstein-Kondensat, eine Art von Materie, wie siesonst in der Welt nicht vorkommt. Es handelte sich dabei um Teilchenmit ganzzahligem Spin, also um Bosonen, von denen sich nach denGesetzen der Quantenmechanik beliebig viele im gleichen Zustandaufhalten können. In den hier geschilderten Versuchen fielen bis zuzehn Millionen von Atomen in den tiefstmöglichen Energiezustandund wurden dadurch vollkommen ununterscheidbar. Sie verhielten sichalso wie ein einziges Riesenatom. Trotzdem waren dieZusammenballungen noch mit dem bloßen Auge sichtbar.

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Von derartigen Experimenten erwartet man sich weitete Einblicke inden Zustand der Materie, aber auch praktische Anwendungen; Sokönnen sie ähnlich wie oben geschildert zur noch genaueren Messungvon Zeit und Längenmaßstäben dienen. Forscher sprechen auch schondavon, sogenannte Atomlaser herzustellen - man meint damit Geräte,die nicht wie ein Laser Photonen, sondern Atome aussenden, die völliggleich orientiert und sehr eng gebündelt sind. Sie könnten helfen,ähnlich einer Airbrush-Pistole winzigsten Maßstabs sehr dünne undexakte Strukturen auf elektronische Halbleiterchips aufzutragen.Eine der Besonderheiten des Bose-Einstein-Kondensats ist dieTatsache, daß sich hier Materie fast am absoluten Temperatur-Nullpunkt befindet. Noch vor wenigen Jahren brauchte eswochenlange Kühlung und einen extrem hohen Aufwand, umTempeiauiren zu erreichen, die nur noch ein Millionstel Grad über demabsoluten Nullpunkt (er entspricht -273,15 Grad Celsius oder NullKelvin) liegen. In den neunziger Jahren entdeckten die Physiker jedocheinen quantenphysikalischen Trick, mit dem es ihnen seither gelingt,Atome innerhalb von Minuten so stark zu kühlen.Wärme ist im Grunde nichts anderes als Bewegung. Die Atome einesGases fliegen ungeordnet durch den Raum und stoßen häufigzusammen. Je schneller sie fliegen, desto wärmet ist das Gas. Selbst ineinem Feststoff schwingen die Atome noch um ihren Ruhepunkt.Bleiben die Atome völlig ruhig liegen, ist der absolute Nullpunkterreicht. Nach den Gesetzen der Quantenmechanik kann dies aber nieganz geschehen, da die Heisenbergschc Unschärferelation stets einenwinzigen Energiebetrag vorschreibt, den ein Teilchen besitzen muß,wenn sein Ort ganz genau festgelegt ist. Man nennt diesen Betrag dieNullpunktsenergie.Um bereits vorgekühlte Atome in einer Falle (sie werden dort durchden Strahlungsdruck von Laserlicht zusammenge-

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halten) fast bis zürn absoluten Nullpunkt zu kühlen, macht man sichdie Tatsache zunutze, daß Atome Energie nur m Form von Quanteneiner bestimmten Größe aufnehmen können. Diese Größe muß genaudem Abstand zwischen zwei Energieniveaus eines Elektronsentsprechen. Man bestrahlt nun das Atom mit Laserlicht, dessenPhotonen geringfügig unterhalb dieser Energie, also auch unter dieserFrequenz, liegen. Da sich die Atome in der Falle immer noch einwenig bewegen, reagieren diejenigen, die dem Laserlichtentgegenfliegen, wegen des Dopplereffekts auf eine etwas niedrigereFrequenz. Sie entspricht dann genau der nötigen Absorptionsfrequenz.Das Atom schluckt also das Photon. Da dessen Energie in Wirklichkeitaber nicht ausreicht, um das Elektron auf eine höhere Bahn zu heben,wird die fehlende Energie aus der Bewegungsenergie des Atomsgenommen. Die Folge ist, daß das Atom abgebremst wird. Wenn esdas eingefangene Photon später wieder abgibt, fällt es wieder in denGrundzustand zurück, ist aber langsamer als vorher. Dieses»Laserkühlung« genannte Verfahren wurde inzwischen zu einemStandardinstrument der Quantenphysiker.Nicht nur die Zeit-, Abstands- und Massenmessung, auch diephysikalische Grundlagenforschung benötigt immer feinereInstrumente. Laserlicht, also Licht, das sehr gleichmäßig schwingt,gehört zu den beliebtesten »Sonden«, mit denen man Atome, Ionenoder einzelne Teilchen untersuchen kann. Inzwischen reicht dieExaktheit des Laserlichts jedoch für manche Experimente nicht mehraus. Physiker sind deshalb zur Zeit dabei, eine völlig neue Art vonLicht zu erfinden: sogenanntes nichtklassisches Licht, dessen Teilchenwie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. Benutzt man dasTeilchenbild zur Beschreibung eines Lichtstrahls, so besteht er auseiner Abfolge von Lichtquanten, sogenannten Photonen. Von ihrerMenge pro Zeiteinheit hängt die Intensität des Lichtstrahls ab, vonihrer Energie seine Farbe.

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Leider enthalt jeder »normale« Lichtstrahl aber eine großeUnsicherheit, die um so störender wirkt, je geringer seine Intensität ist:Die Photonen kommen - auch bei einem Laserstrahl — nicht inregelmäßigen Abständen nacheinander an, sondetn sind statistischverteilt. Das fallt kaum auf, wenn der Lichtstrahl aus unzähligenTeilchen besteht, denn dann gleichen sich die Intensitätsunterschiedeaus. Ist jedoch die Lichtstärke extrem gering, mit anderen Worten,besteht der Strahl nur aus wenigen Photonen, prasseln sie ins Meßgerätwie Regentropfen auf den Schirm. Vergleichbar ist dieses Phänomenetwa einem Schuß aus einer Schrotflinte. Auch dort treffen dieeinzelnen Kügelchen nicht in einer exakt vorhersehbaren Reihenfolge,sondern nur statistisch beschreibbar am Ziel ein. DieIntensitätsschwankungen, die sich aus dieser Erscheinung ergeben,bezeichnet man deshalb beim Licht ganz analog als »Schrotrauschen«.Dieses Rauschen macht sich insbesondere dann äußerst unliebsambemerkbar, wenn man mittels eines Lichtstrahls sehr genaueMessungen durchführen möchte. Damit bei der Überlagerung derbeiden Teilstrahlen am Ende die durch das Schrotrauschen erzeugtenIntensitätsschwankungen das Meßergebnis nicht zu stark verfälschen,muß der Laserstrahl eine bestimmte Stärke haben. Technische undfinanzielle Gründe sowie die Wärmeausdehnung der optischenKomponenten setzen dem aber häufig eine Grenze.Im Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching bei Münchenund an der Universität Konstanz stellt man deshalb Überlegungen an,wie man das klassische Licht mit seinen natürlichenUnregelmäßigkeiten so verändern könnte, daß es »nichtklassisch«, alsoganz gleichmäßig, würde.Im Normalfall entsteht ein Lichtquant dadurch, daß ein Atom voneinem Energiereicheren Zustand in einen energieärmeren springt. DieEnergiedifferenz zwischen den bei-dabei fmuriuiri Form eines Photonsaus-

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gesandt. Nun haben aber solche Übergänge die fatale Eigenschaft, daßsie zufällig passieren. Man kann also ihren Zeitpunkt nicht exaktvorhersagen — und genau aus diesem Grund »tröpfeln« die Photonenbeim normalen Licht so ungleichmäßig.Ein einzelnes Ion in einer lonenfalle laßt sich jedoch unter bestimmtenBedingungen dazu zwingen, regelmäßig Photonen von einem Laseraufzunehmen und kurz darauf wieder abzugeben. Je höher dieIntensität des Lasers ist, desto kürzer werden die Pausen. Man sprichtbei diesem Licht, das man sich vorstellen kann wie eine Perlenkette,von »nichtklassischem Licht«.Fast noch schwieriger als derartiges Licht zu erzeugen ist es, einesolche »Perlenkette« aus Photonen nachzuweisen, ohne sie zuzerstören. Denn praktisch alle Meßvorgänge beruhen darauf, daßeinzelne Lichtquanten verschluckt und damit aus der Perlenketteherausgerissen werden. Ihre Regelmäßigkeit ist dann verschwunden.Einen Ausweg aus diesem Dilemma zeigt der sogenannte »Ein-Atom-Laser«, er kann sowohl nichtklassischcs Licht erzeugen als auchnachweisen. Bei diesem Präzisionsinstrument schießt manbeispielsweise Rubidium-Atome mir einer bestimmtenGeschwindigkeit in einen Resonator, nachdem man sie mit einemLaserstrahl hoch angeregt hat. Die Länge des Resonators ist so genauauf die Eigenschaften des Atoms abgestimmt, daß dieses veranlaßtwird, seine Energie nach einer bestimmten Zeit als Photon abzugeben.Wenn der Resonator sehr genau abgestimmt und stark gekühlt ist,nimmt das Atom dann aber das Photon nach der gleichen Zeit wiederauf, gibt es anschließend wieder ab und so weiter.Nachdem mehrere Atome den Resonator durchlaufen haben, haltensich dort eine Anzahl von Photonen auf, die man ermitteln kann, indemman die auslaufenden Atome abzählt

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und ihren Energiezustand mißt. Auf diese Weise erhält manInformationen über das nichtklassische Strahlungsfeld im Inneren desResonators, ohne es zu zerstören.Der »Ein-Atom-Laser« stellt ein sehr interessantes Modellsystem fürdas Studium nichtklassischen Lichts dar, allerdings enthält er nurwenige Photonen und ist deshalb für viele praktische Anwendungenschlecht geeignet. An der Universität Konstanz wird deshalb zur Zeitdaran gearbeitet, auf ganz anderem Wege »Perlenketten-Licht« mitweit höherer Intensität zu erzeugen. Man benutzt dafür die FrequenzVerdoppelung in gewissen optisch nichtlinearen Kristallen.Daß all diese Theorien und Experimente, so exotisch sie heute nocherscheinen mögen, nicht nur l'art pour l'art sind, zeigen vielfältigeÜberlegungen, wie man mit Hilfe dieses Perlenketten-Lichts dieoptische Kommunikation revolutionieren könnte, denn damit wäre esmöglich, mit kleinstem Aufwand ein Optimum an Informationen zuübertragen. Kein Wunder, daß weltweit auch in den großenComputerfirmen über das nichtklassische Licht nachgedacht wird.

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Wie die Quantenphysik unseren Alltagverändert

Laser

Obwohl Albert Einstein aufgrund seiner theoretischen Überlegungenschon 1914 vorhergesagt hatte, daß es etwas wie einen Laserstrahlgeben müsse, gelang es Forschern erst I960, dieses Prinzip in ein Gerätumzusetzen. Es ist wohl die bedeutendste Entwicklung, die unmittelbarauf der Quantenphysik beruht.Das Wort ist Programm: Laser - der Begriff hat sich inzwischen auchim Deutschen so eingebürgert, daß kaum jemand noch daran denkt,daß es sich dabei um eine Abkürzung handelt. »Light Amplification bythe Stimulated Emission of Radiation« ist der volle Name, und dasheißt auf deutsch: »Licht Verstärkung durch angeregte Strahlungsaus-sendung.«Vom praktischen Standpunkt aus gesehen ist der Laser eineLichtquelle, die einen enggebündelten Strahl aussendet. DieserLichtstrahl hat eine bestimmte Wellenlänge, und seine gleichförmigenWellen laufen parallel und synchron. Physiker nennen diese beidenEigenschaften »monochrom« und »kohärent«. »Normales« Lichthingegen besteht aus vielen verschiedenen Wellenlängen, und seineWellenzüge schwingen nicht parallel und nicht im Takt.Laser gibt es inzwischen in einer ungeheuren Vielfalt. IhreWellenlänge reicht vom infraroten bis zum ultravioletten Bereich, ihreStärke variiert von Bruchteilen eines Milliwatt bis

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zu den gewaltigen Megawatt-Lasern der Militärs. Es gibt sogenanntegepulste Laser, die ihre Energie in Bündeln abschießen; andere, dieDauerstrichlaser, senden einen kontinuierlichen Lichtstrahl aus.Bei allen Lasern kommt der Strahl auf die gleiche Art zustande: Manbenutzt ein Medium, das man mit Energie vollpumpt. Anschließendbringt man dieses Medium dazu, die gespeicherte Energie in Form vonLicht wieder abzugeben. Dieses wird dann in einem sogenannten»Resonator« mittels Spiegeln zu einem Strahl gebündelt. Das Mediumkann ein Gas, eine Flüssigkeit oder ein Feststoff sein, und meist ist derLasertyp auch nach seinem Medium benannt. Beispiele sind derRubinlaser, der Neodym-Glas-Laser, der CO2-Laser oder derFarbstofflaser.Ein Lichtquant oder Photon kommt bekanntlich im allgemeinendadurch zustande, daß ein Atom oder Molekül von einem»angeregten« Zustand, in dem es viel Energie enthalt, in einenenergiearmeren Zustand »fällt«. Die Energiediffcrenz zwischen denbeiden Niveaus ist dann die Energie der Welle oder des Quants. Dieverschiedenen Energiezusrände des Atoms oder des Moleküls könnenunterschiedliche Ursachen haben: So können sich Elektronen derAtomhülle auf verschiedenen Schalen befinden, die höheren habendabei mehr Energie als die niedrigeren. Fällt ein Elektron von einerhöheren auf eine niedrigere Schale, entsteht ein Lichtquant.Eine andere Möglichkeit: Ein Molekül schwingt. Die Atome, ausdenen sich das Molekül zusammensetzt, können gegeneinanderschwingen, und je mehr Atome vorhanden sind, desto mehrverschiedene Schwingungsmuster gibt es. Beim Übergang zwischenihnen oder zurück in den Ruhezustand wird nach den Gesetzen derQuantenmechanik ebenfalls ein Photon ausgesandt.Die dritte Art von Energieniveaus kommt durch Rotation zustande.Moleküle können sich in unterschiedliche Richtun-

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gen drehen, und beim Übergang von einer Drehung in eine andere ödetin den Ruhezustand kann wiederum ein Photon freigesetzt werden.Alles in der Natur ist bestrebt, den niedrigstmöglichen Energiezustandeinzunehmen. Eine Kugel zum Beispiel, die auf einem Hügel liegt,rollt nach unten, so weit es geht. Entsprechend verhalten sich auchAtome und Moleküle. Wenn ein Atom in einen angeregten Zustandgerät, egal aus welchem Grund, ist es bestrebe, unter Aussendung einesLichtquants wieder in den Grundzustand zurückzufallen. Das geschiehtnach einer zufälligen Zeitspanne, deren Mittelwert man aus Messungenkennt - meist nach Bruchteilen einer Sekunde. Da der Vorgang desZurückfallens zeitlich nicht vorhersagbat ist, spricht man von»spontaner Emission«.Würde man nun also ein Medium mit Energie vollpumpen, würden dieeinzelnen Atome oder Moleküle nach kurzer Zeit durch solchespontanen Emissionen in den Grundzustand zurückfallen, und dieEnergie wäre verloren., aber einen Laser hätte man damit nicht. BeimLaser kommt noch ein weiteres Phänomen hinzu: Es gibt nicht nurspontane Emission, sondern man kann das Zurückfallen in denniedrigeren Energie-zustand auch künstlich auslösen, indem man einLichtquant der gleichen Energie auf das Teilchen treffen läßt. DieserAnstoß genügt, um das Atom oder Molekül zur Aussendung eineseigenen Photons anzuregen, zu »stimulieren«. Der Vorgang heißt ausdiesem Grund »stimulierte Emission« — der Ausdruck, der in denNamen des Lasers eingegangen ist.Das Prinzip des Lasers wird damit klar: Man pumpt ein Medium vollEnergie und bringt es mittels stimulierter Emission dazu, diese Energieals Lichtquanten wieder abzugeben, und zwar nicht zufällig, sonderngesteuert. Es gibt allerdings noch ein Problem: Nur wenn ein Photonauf ein Atom oder Molekül im angeregten, hohen Energiezustand trifft,kann es, wie eben beschrieben, das Teilchen zur Aussendung eines

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Das Prinzip eines Lasers

In einem normalen Gas befinden sich fast alle Atome oderMoleküle im Grundzustand, also im Zustand möglichst geringerEnergie. Nur wenige Teilchen, die durch einen Stoß oderbeispielsweise durch ein einfallendes Photon angeregt wurden,sind in einem höheren Energiezustand. Sie fallen aber nacheiner gewissen Zeit wieder zurück in ihren Grundzustand.Pumpt man durch geeignete Maßnahmen - etwa durch dasEinstrahlen von Licht oder durch eine elektrische Entladung -systematisch Energie in das Gas hinein, wobei die Photoneneine bestimmte, genau passende Größe haben müssen,nehmen die Teilchen des Gases die Energie auf und gehen ineinen angeregten Zustand über. Man nennt dies eine Inversion.Nach einiger Zeit senden sie die Energie von selbst wieder ausund fallen in den Grundzustand zurück. Man kann sie aber auchdazu zwingen, die Energie wieder abzugeben, indem man sieerneut mit einem Photon gleicher Größe bestrahlt. Im Laser wirdeine solche Inversion gezielt aufgebaut. Die parallelen Spiegelan den Enden reflektieren die freiwerdenden Photonen hin undher. Dabei treffen sie auf angeregte Teilchen und zwingen diesezur Abgabe ihrer Energie. So werden immer mehr Photonen frei,es entsteht ein Lawineneffekt. Der Laserstrahl aus parallelenPhotonen wird durch einen der Spiegel, der halb durchlässig ist,nach außen gestrahlt.

1. Normalerweise befinden sich die meisten Atome eines Mediums im Grundzustand,nur wenige sind zufällig angeregt.2. Pumpt man Energie in das Medium, werden dadurch Atome angeregt, sie geben kurzdarauf die Energie in Form von Photonen wieder ab [spontane Emission}.3. Durch das Auftreffen eines Photons werden angeregte Atome gezwungen, ihreEnergie abzugeben (stimulierte Emission]. Zwei Spiegel am Ende bündeln das Licht.

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1. angeregtes Atom

2.

3. Spiegel stimulierte halbdurchlässiger

Emission Spiegel

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Lichtquants bewegen. Norrnalerweise befinden sich aber viel mehrAtome oder Moleküle in einem niedrigen Energiezustand. Sieschlucken die auftreffenden Photonen und springen dadurch in einhöheres Energieniveau. Dies ist aber noch kein Laser.Zur Konstruktion eines Lasers ist es deshalb notwendig, mehrangeregte Teilchen in einem Medium zu haben als Teilchen inniedrigen Energiezuständen. Nur so werden viele Teilchen lieber einPhoton aussenden, als eines zu schlucken. Man nennt eine solcheEnergieverteilung eine »Inversion«: im oberen Energieniveau vieleTeilchen, im unteren weniger. Man kann sie durch Einsatz von vielEnergie erreichen. Erst unter dieser Voraussetzung funktioniert dasLaserprinzip.Das Licht, das auf diese Weise entsteht, wäre zwar stark, aber es wärenoch nicht gebündelt, sondern würde in alle Richtungen abgestrahlt.Der eigentliche Laserstrahl wird erst durch den bereits erwähntenResonator erzeugt. Er besteht in seiner einfachsten Eorm aus zweiparallelen Spiegeln, zwischen denen sich das Lasermedium befindet.Wenn nun im Medium durch Emission viele Lichtteilchen entstehen,werfen die Spiegel immer nur diejenigen Photonen ins Mediumzurück, die senkrecht auftreffen. Die Lichtquanten, die nach der Seitehinausfliegen, sind verloren. Die zurückgeworfenen aber treffen beimnächsten Durchgang erneut auf angeregte Atome oder Moleküle undregen diese ihrerseits zur Aussendung eines Lichtquants an. DieserProzeß setzt sich immer weiter fort und führt schnell zu einer positivenRückkopplung, das heißt, der Lichtstrahl, der senkrecht auf die Spiegeltrifft, wird immer stärker. Meist benutzt man auf einer der beidenSeiten einen Spiegel, der halb durchlässig ist. Durch ihn hindurchentweicht dann nach außen der Laserstrahl, der aus den Photonenbesteht, die mittels stimulierter Emission im Medium entstanden sind.Vorn Medium hängt es ab, wie man die Energie in den Laserhineinpumpt, ihn sozusagen

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auflädt, Der älteste und wohl auch bekannteste Lasertyp ist derRubinlaser, der I960 von Theodore Maiman der staunendenWeltöffentlichkeit als erster Laser vorgeführt wurde. Sein Medium istein Rubinstab, also ein Aluminiumoxidkristall, der geringe Spuren vonChromionen enthält. Gepumpt wird er mit Licht. In der Praxis sinddies Blitzlampen, die den Rubinstab umgeben und gleichzeitiggezündet werden. Das Licht des Rubinlasers ist rot. Heute wird jedochweit häufiger der sogenannte Neodym-Glas-Laser benutzt. Auch erwird optisch, also mit Blitzlampen, aufgeladen. Der bisher größteLaser der Welt, der Nova-Laser in Livermore, Kalifornien, und seingeplanter Nachfolger NIF (National Ignition Facility), arbeiten nachdiesem Prinzip.Eine grundsätzlich andere Art von Lasern sind die Gaslaser. Wie ihrName schon sagt, besteht ihr aktives Medium aus Gas, zum Beispielaus CO2, aus einem Helium-Neon-Gemisch oder aus Argon. DieEnergie wird hier nicht mit Blitzlicht eingestrahlt, sondern aufelektrischem Wege zugeführt. Im allgemeinen legt man an das Rohrmit dem Lasergas eine elektrische Hochspannung an und erzeugt damitähnlich wie in einer Neonlampe eine Gasentladung. Die Elektronen,die daran beteiligt sind, stoßen mit den Gasmolekülen oder -atomenzusammen und regen sie dabei an. Je nachdem, welches Gas manverwendet, kann man Laserlicht unterschiedlicher Farbe herstellen.Der Argonlaser strahlt grün bis blau, der Helium-Neon-Laser rot, derCO2-Laser infrarot.Die Energiezufuhr durch eine einfache Gasentladung hat aber ebensowie die Entladung von Blitzlampen den Nachteil, daß sie meist nurkurze Zeit andauert. Ein solcher Laser kann deshalb nur Lichtstößeaussenden {Pulsbetrieb). Um auch einen permanenten Strahl(Dauerstrichlaser) zur Verfügung zu haben, verwendet man in neuerenEntwicklungen zum Beispiel starke Radiowellen. Sie werden insMedium eingestrahlt und erhalten dort eine ständige Gasentladungaufrecht.

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Eine andere Weiterentwicklung bei den Gaslasern geht dahin, daß maneinen Elektronen- oder lonenstrahl von außen her durch das Mediumschießt, der die Teilchen anstößt und ihnen so Energie zuführt. Wiedereine andere Methode verwenden die sogenannten chemischen Laser.Die Energie wird dem Medium hier durch eine chemische Reaktionzugeführt. So können zum Beispiel zwei Gase miteinander reagieren,wobei Reaktionsenergie frei wird. Die neu entstandene chemischeVerbindung behält diese Energie in Form von Vibrationsenergie, dasheißt, ihre Moleküle schwingen und sind deshalb in einem angeregtenZustand.Aber es müssen nicht immer Feststoffe oder Gase sein, auchFlüssigkeiten können als Lasermedium dienen. Besonders berühmtsind in dieser Klasse die Farbstofflaser, bei denen das eigentlicheMedium, nämlich fluoreszierende organische Farbstoffe, in einerFlüssigkeit gelöst sind. Solche Laser werden meist optisch gepumpt,das heißt, eingestrahltes Licht regt die Moleküle an. Dieses Licht kannentweder aus Blitzlampen stammen oder von einem zweiten Laser.Hier regt also ein schwacher Laser einen stärkeren an — ein Prinzip,das auch bei anderen Typen manchmal angewandt wird.Gerade in jüngerer Zeit macht eine weitere Art von Lasern von sichreden, die sogenannten Halbleiterlaser. Bei ihnen werdenHalbleiterschichten, die mit bestimmten Atomen geimpft (dotiert) sind,durch elektrische Spannung angeregt. Nach diesem Prinzip lassen sichextrem kleine Laser herstellen, sogenannte Diodenlaser, diebeispielsweise in CD-Playern oder Laserdruckern Anwendung finden.Die größeren Laser haben andere Aufgaben, und diese sind heute sovielfältig, daß es fast absurd erscheint, daß man den Laser in denfrühen sechziger Jahren als »Erfindung auf der Suche nach einerAnwendung« verspottet hatte. Heute werden Laser zurMaterialbearbeitung eingesetzt; dort schneiden, fräsen, bohren sie fastjedes Material, außerdem können

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sie Oberflächen bearbeiten, härten und beschriften. In der Schweiß-und Löttechnik sind sie kaum mehr wegzudenken, vor allem in derMikroelektronik, wo sie mit höchster Präzision die elektrischenAnschlüsse an Chips realisieren. Die hohe Energiedichte undaußerordentliche Präzision von Laserstrahlen erlauben es, sie auchunter extremsten Bedingungen einzusetzen: Sie erlauben es, kleinsteTeile beispielsweise in der Mikrosystemtechnik zu bearbeiten,andererseits können sie sogar das härteste Material der Welt,Diamanten, bearbeiten.Auch in der Meßtechnik sind Laser inzwischen unentbehrlich: Siemessen Abstände und sind damit im Tunnelbau, in der Geodäsie undbei Baumaßnahmen hilfreich, ja sogar der Abstand des Mondes vonder Erde wurde mit Hilfe eines Lasers gemessen, der an einem vonAstronauten auf der Mondoberfläche aufgestellten Spiegel reflektiertwurde. Laserlichr wird an Luftverunreinigungen und besonderenMolekülen in der Atmosphäre gestreut — deshalb dienen Laser in dermodernen Wissenschaft zur Umweltüberwachung und -diag-nose. Sowurde beispielsweise die Veränderung des Ozonlochs teilweise mitLasern gemessen. In der Industrie werden Laser zurProzeßüberwachung eingesetzt, da sie feinste Änderungen in Formoder Temperatur aufspüren können. Mit Hologtam-men,dreidimensionalen Laserfotos, untersuchen Autobauer dasSchwingungsverhalten ihrer Karossen, Computerforscher entwickelnauf dieser Basis neue, noch leistungsfähigere Datenspeicher.Ohne Quantenphysik würde die moderne Welt auch nicht über diehochgenaue Zeitmessung verfugen, die es beispielsweise ermöglicht,Navigation über Satelliten durchzuführen. Für eine derartig exakteZeitbestimmung sind Atomuhren notwendig, die ebenfalls auf einemquantcnmechanischen Effekt betuhen. Die heute vielfachgebräuchlichen Cäsium-Atomuhren bestehen aus einem winzigenOfen, in dem Cäsiummetall verdampft wird. So erzeugt man einenStrom

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aus geladenen Cäsium-Atomen, der durch ein luftleer gepumptes Rohrläuft. Ein Magnet an dessen Ende lenkt nur Cäsium-Ionen mit einemganz bestimmten Encrgiezustand in den sogenannten Resonator. Inihm werden sie mit Mikrowellen der Frequenz 9,19263177 MilliardenHertz bestrahlt. Sie können genau diese Frequenz absorbieren, alsoQuanten der Strahlung aufnehmen, und werden dadurch angeregt. Nunlenke ein zweiter Magnet die Ionen in einen Detektor, Wenn dortweniger Ionen eintreffen, wird ein elektronischer Regelkreis aktiv, derdie Frequenz der Mikrowelle nachregelt, bis im Detektor wieder diemaximale Anzahl an Ionen eintrifft. Auf diese extrem genaue Art undWeise wird die Frequenz gleich gehalten und betreibt dann eine Uhr.Ein weiteres wichtiges Anwendungsgebiet moderner Laser ist dieMedizin. Vor allem bei nichtinvasiven Operationen mit dem Endoskopist der Laser unentbehrlich, um Blutungen zu stillen. Dies tut ernatürlich auch bei herkömmlichen Operationen, wo man ihn häufigzum Verschweißen der Blutgefäße einsetzt. Laser sind inzwischenStandardinstrumente bei Augenoperationen, sie tragenHornhautschichten ab, korrigieren die Linse oder schweißen Netzhäutewieder fest. Bei der Behandlung von Hauterkrankungen werden vorallem sanfte Laser eingesetzt, zum Entfernen von Muttermalen,Geschwüren, Narben, Tätowierungen oder Warzen benötigt manstärkere Kaliber.Und last but not Icast benutzen Militärs große Laser. Vor allemwährend des Kalten Krieges bemühten sich die beiden GroßmächteUSA und UdSSR, immer größere Laser zu bauen, mit denen manhoffte, gegnerische Raketen abzuschießen. Unter dem Namen »Kriegder Sterne« oder »SDI« legten die Vereinigten Staaten ein eigenesEntwicklungsprogramm auf, das mit vielen Millionen DollarLasersysteme für den Weltraum und Röntgenlaser entwickeln sollte.Inzwischen wurden die Bemühungen etwas reduziert, aber längst nichteinge-

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stellt. Angesichts dieser Flut von Anwendungen kann man ohne Scheusagen, daß der Laser als im Grunde quantenmechanisches Gerät dasLeben einer Vielzahl von Menschen verändert oder beeinflußt hat. Undsein Siegeszug ist noch nicht zu Ende. Man erhofft sich davon dieMöglichkeit, eines Tages optische Computer zu realisieren, die nichtmehr mit Elektronen, sondern mit Photonen rechnen und die nocherheblich kleiner und schneller sind. Laser werden bald auch eine neueGeneration von Datenspeichern hervorbringen, die eine weit größereKapazität besitzen als die heutigen. Und schließlich dienen Laser auchKünstlern als zukunftsweisendes Medium, das mit seinen technischenMöglichkeiten neue Gestaltungsfreiheiten eröffnet.

Supraleiter

Der niederländische Physiker Heike Kamerlingh-Onnes entdeckte imJahr 191l ein seltsames Phänomen, das er nicht erklären konnte: Wenner Quecksilber auf weniger als minus 269 Grad Celsius abkühlte,verlor es plötzlich seinen elektrischen Widerstand vollständig undleitete Strom ohne Verluste. Onnes erhielt 1913 den Nobelpreis,allerdings nicht für diese Entdeckung, die Supraleitung genannt wurde.Nach und nach stellte man fest, daß etwa ein Dutzend Elemente undweit über hundert Legierungen ein ähnliches Verhalten zeigten. Immeraber lag die sogenannte Sprungtemperatur, unterhalb derer sichSupraleitung einstellte, nur wenige Grad über dem absolutenNullpunkt, der bei minus 273 Grad Celsius liegt. Er wird mit NullKelvin angegeben und bezeichnet den Punkt, an dem jede thermischeBewegung der Atome und Moleküle zum Erliegen gekommen ist. DerEinfachheit halber gibt man ticte Temperaturen lieber in Kelvin an.

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Quecksilber wird also bei vier Kelvin supraleitend. Die drei ForscherJohn Bardeen, Leon Cooper und Robert Schrieffer schlugen Ende dersechziger Jahre eine quantenmechanische Theorie vor, die dasEntstehen des merkwürdigen Verhaltens erklären sollte und die nachden Anfangsbuchstaben der Physiker BCS-Theorie genannt und 1972mit dem Nobelpreis belohnt wurde.Da die Temperaturen für die Supraleitung so extrem tief lagen, mußteman flüssiges Helium benutzen, um die Materialien zu kühlen. Dergroße Aufwand rechtfertigte nur die wenigsten praktischenAnwendungen, etwa supraleitende Spulen für Besehleuniger-experimente oder Fusionsanlagen oder Kernspintomographen. DasThema Supraleitung schien ausgereizt und geklärt.Groß war deshalb die Aufregung, als im März 1987 auf einer Tagungder Amerikanischen Physikalischen Gesellschaft in New York derSchweizer K. Alexander Müller und der Deutsche J. Georg Bednarzdie Entdeckung eines Materials bekanntgaben, das bereits bei derrelativ hohen Temperatur von 35 Kelvin supraleitend wurde. Eshandelte sich um die keramische Substanz Lanthan-Barium-Kupferoxid, die ein kompliziert aufgebautes Kristallgitter besitzt undzur Familie der sogenannten Cuprate gehört. Für diese Entdeckungerhielten die beiden im darauffolgenden Jahr den Nobelpreis. Sofortbegann weltweit die Suche nach ähnlichen Substanzen mit nochhöheren Sprungtemperaturen. In der Tat wurden bald daraufVerbindungen gefunden, die schon bei neunzig Kelvin supraleitendwurden, danach folgten weitere Erfolgsmeldungen, und denderzeitigen Rekord hält Quecksilber-Barium-Kalzi-um-Kupferoxid miteiner Sprungtempcratur von etwa 135 Kelvin. Dies liegt weit oberhalbder Temperatur von flüssigem Stickstoff (77 Kelvin) und ermöglichtes, Supraleitung bereits mit normaler St ick Stoffkühlung zu erreichen;das teure flüssige Helium ist hierfür nicht mehr notwendig. Nach wievor

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halten sich auch Spekulationen, daß es eines Tages gelingen werde,Materialien zu finden, die sogar bei gewöhnlicher Umgebungs-temperatur schon supraleitend werden.Der physikalische Mechanismus, der hinter dem merkwürdigenPhänomen der Supraleitung steckt, konnte bis heute nicht restlosaufgeklärt werden. Bardeen, Cooper und Schrieffer hatten in ihrerBCS-Theorie postuliert, daß die Elektronen in einem Supraleitersogenannte Cooper-Paare bilden, die im Gegensatz zu einzelnenElektronen nicht mit ihresgleichen zusammenstoßen können und auchnicht an den Störstellen des leitenden Kristalls gestreut werden. Darumtreffen sie bei ihrer Fortbewegung auf keinerlei Widerstand.Daß sich Elektronen, die ja bekanntlich eine negative Ladung tragen,überhaupt zu Paaren zusammenschließen können, ohne sichabzustoßen, beruht auf einem quantenmechanischen Effekt, der nur inFestkörpern, genauer gesagt in Kristallen, auftritt. In einem Metallbesteht das Kristallgitter aus Atomrümpfen, also aus Ionen, die ihräußerstes Hüllenelektron als Leitungselektron abgegeben haben.Vereinfacht erklärt, kann man sich vorstellen, daß ein Elektron, das andiesen Ionen vorbeiwandert, deren Lage durch die elektromagnetischeAnziehung kurzfristig ein wenig verschiebt. Solche kurzzeitigenVerzerrungen des Gitters nennt man in der FestkörperphysikPhononen. Es handelt sich dabei um Gitterschwingungen, die aberaufgrund des quantenmechanischen Welle-Teilchen-Dualismus auchals Teilchen betrachtet werden können. Diese Phononen also schaffensozusagen kleine Bezirke positiver Ladung, die weitere Elektronenanziehen und so die Paarbildung unterstützen. Diese BCS-Theorie, diehier freilich nur sehr vereinfacht dargestellt wurde, konnte dieSupraleitung in Metallen gut erklären.Sie versagte aber weitgehend bei der Deutung der neu entdecktenHochtemperatur-Supraleitung in Cupraten. Deshalb

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wurden seither die unterschiedlichsten Theorien dafür vorgeschlagen.Durchsetzen konnte sich bisher keine mit letzter Sicherheit. Amaussichtsreichsten erscheint zur Zeit das Spinwellen-Modell, das vonDouglas J. Scalapino aus Kalifornien und David Pines in Illinoisentwickelt wurde. Es besagt, daß beim Durchgang einer bewegtenLadung durch den Supraleiter die Spinorientierung det Atome desKristallgitters entlang des Weges kippt. Bildlich gesprochen: DerLadungsträger erzeugt in seinem Kielwasser eine magnetischeStörung, eine Spinwelle, der Sog dieser Heckwelle zieht einenweiteren Ladungsträger an, und die beiden bilden ein Cooper-Paar. Diebeiden IBM-Forscher John R. Kirtley und Chang C. Tsuei scheinennun experimentelle Hinweise für die Richtigkeit dieser Spinwellen-Theorie gefunden zu haben.Für die Praktiker ist eine exakte theoretische Erklärung jedoch nurzweitrangig. Sie arbeiten heute mit Hochdruck daran, die kompliziertaufgebauten Materialien in technischem Maßstab herzustellen und vorallem sie zu verarbeiten. Da die Kristalle des keramischen Werkstoffssehr spröde sind, ist es kompliziert und bedarf einer Mengeverfahrenstechnischer Anstrengungen, beispielsweise dünne und langeDrähte daraus herzustellen. Dies ist aber eine der Grund-voraussetzungen, um die Supraleitung industriell einzusetzen. Eineweitere Schwierigkeit besteht darin, daß Cuprate eine schichtartigeStruktur besitzen und den Strom nur in dieser Schichtebene leitenkönnen. Man umging das Problem, das den Stromtransport beimultikristailinem Aufbau stark behinderte, dadurch, daß man dünne,gleichmäßig ausgerichtete Schichten auf einem Substrat aufwachsenließ. Dadurch konnte man die supraleitenden Molekülebenen präziserausrichten. Auch wenn die geringe Dicke dieser Filme, die in derGrößenordnung von tausendstel Millimetern liegt, nur relativ geringeStromstärken zulaßt, ermöglicht sie doch eine Reihe von Produkten,vor allem Filter, Oszillatoren und Subsysteme für

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die Telekommunikation. Kein Markt wächst zur Zeit schneller alsletzterer. Supraleitende Komponenten könnten die technischenKapazitäten gewaltig steigern, denn die Bauelemente lassen sichminiaturisieren, das Rauschen wird enorm reduziert und dieÜbertragungsqualität um Größenordnungen besser. So habenbeispielsweise Abschätzungen ergeben, daß sich beim Mobilfunkdurch den Einsatz von Supraleitung in intelligenten Basisstationen dieKanalkapazität vervielfachen läßt. Die höhere Empfindlichkeit derEmpfangsstationen erlaubt es außerdem, die erforderlicheSendeleistung bei den Mobiltelefonen zu verringern. Dies führt zueinem niedrigeren Energieverbrauch - die Geräte sind länger vom Netzunabhängig — und zu einer Reduzierung der Strahlenbelastung für denBenutzer.Für den Einsatz der supraleitenden Komponenten in kom-munikationssatelliten bedeutet die Miniaturisierung trotz der nötigenKühlaggregate eine Gewichts- und Volumenersparnis und ermöglichtdadurch geringere Nutzlasten. Ein komplettes Übertragungssystem sollerstmals auf der internationalen Raumstation Alpha getestet werden.Dort kann in der Praxis gezeigt werden, welches die Vorteile in Bezugauf Systemgewicht und Performance sind.Anwendungsbereiche im Elektrizitäts- und Energiebereich gibt esmehrere: vor allem natürlich die verlustfreie Stromleitung über weiteStrecken. In Regionen mit hoher Bevölkerungsdichte könntenunterirdisch verlegte supraleitende Kabel den steigendenStrombedarfdecken. Die erhöhten Kosten für die nötige Kühlung derLeitungen sollte durch die Verminderung der Verluste leichtwettgemacht werden; schließlich gehen nach Schätzungen vonFachleuten heute rund 15 Prozent der übertragenen Leistung durch denLeitungswiderstand verloren, das heißt, sie wandeln sich in Wärmeum. Supraleitende Elektromotoren könnten wesentlich effizienterarbeiten als konventionelle Anlagen. Aber auch zur

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direktenStrom speicherung, für die es heute überhaupt noch keineMöglichkeit gibt, wäre die Supraleitung geeignet. In einersupraleitenden Spule kann Strom vollkommen verlustfrei umlaufen.Man stellt sich deshalb vor, eines Tages große elektrische Spulen zubauen, sie mit Strom »vollzupurnpen«, der ewig in ihnen umläuft, undsie nur bei Bedarf anzuzapfen. Eine faszinierende Möglichkeit, diedurch die neuen Werkstoffe in greifbare Nähe gerückt ist.Eine weitere Möglichkeit, die Supraleitung bei der Ener-giespeicherung einzusetzen, sind große Schwungräder, die aufsupraleitenden, reibungsfreien Lagern laufen. Sie werdenbeispielsweise mit billigem Nachtstrom in Schwung versetzt undrotieren mit hoher Drehzahl. Bei Bedarf wird ein Generatorangekoppelt, der die Bewegungsenergie in elektrische Spannungumwandelt. Das gleiche Prinzip der reibungsfreien Bewegung wird inder Magnetschwebebahn angewandt. Supraleiter könnten hier dieBetriebskosten voraussichtlich senken. In der Weltraumtechnik lassensich Supraleiter wohl ebenfalls in vielen Anwendungen einsetzen,wegen der Kälte des Weltalls ist es sogar denkbar, daß man aufaufwendige Kühlsysteme verzichten kann. Bereits heute weit verbreitetist der Einsatz der Supraleitung in der Medizintechnik. SogenannteSquids, extrem empfindliche Magnetsensoren, lassen es zu, diewinzigen magnetischen Signale aus dem Inneren des menschlichenKörpers zu messen. So kann man ähnlich wie beim EEG mit Hilfe vonSquids die Magnetströme nachweisen, die von Herz und Gehirnausgehen, und ihre Veränderung ermitteln. Auf diese Weise erhofftman sich, Einblicke in die Vorgänge zu erhalten, die beispielsweise beibestimmten Epilepsiearten im Gehirn ablaufen, und dadurch auf neueMöglichkeiten zur Behandlung zu stoßen.

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Quantenphysik in der Medizintechnik

Während die Squids noch reichlich exotische Meßgeräte sind, diehauptsächlich in der Forschung, sonst aber nur im Ausnahmefall zumEinsatz kommen, ist die Kernspintomogra-phie heute bereits eineStandardmethode der medizinischen Diagnostik. Sie beruht inmindestens zweifacher Hinsicht auf der Quantenmechanik: einerseitsdurch die supraleitenden Spulen, die zur Erzeugung der extrem starkenMagnetfelder benötigt werden, und zweitens durch diephysiologischen Prozesse im Patienten, die durch das Verfahrenabgebildet werden.Bei der Kernspintomographie wird der Patient sozusagen magnetischdurchleuchtet, dabei wird die Tatsache ausgenutzt, daß einige Atomemagnetische Eigenschaften besitzen. Auch Wasserstoff-Atomebenehmen sich im Inneren des menschlichen Körpers wie winzigeMagnete.Man legt den Patienten in ein starkes Magnetfeld, das durchsupraleitende Spulen erzeugt wird. Die Wasserstoff-Atome im Körperdes Probanden richten sich nach diesem Feld aus. Das allein genügtaber noch nicht, um ein Bild zu erhalten - dazu müssen erst die Atome,die im Magnetfeld ausgerichtet sind, einen »Schubs« bekommen. Diesbesorgt ein Radiowellenimpuls, der die Wasserstoff-Atomkerne auf einangeregtes Energieniveau hebt. Nun befinden sich die Atomegegenüber dem Magnetfeld nicht mehr in Ruhelage, sondern siekreiseln um die Feldlinien, bis sie die zusätzliche Energie durchAbstrahlung eines Energiequants - in diesem Fall ein Radiowellen-quant - wieder abgegeben haben. Dies geschieht nach den Gesetzen derQuantenmechanik zu keinem genau vorhersagbaren Zeitpunkt,durchschnittlich jedoch ungefähr innerhalb der darauffolgendenSekunde. Hochempfindliche Meßgeräte registrieren die abgestrahltenEnergiequanten

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und gehen sie an einen Computer weiter, aus Zigtausenden von Wertenkonstruiere nun der Rechner ein Bild. Dabei spielen drei Phänomeneeine wichtige Rolle: Erstens ist das Magnetfeld nicht überall gleichstark, sondern es steigt von einer Seite zur anderen allmählich an. AusZonen höherer Intensität kommen kürzere Wellen, aus den anderenBereichen längere. So kann man orten, woher jede Welle kam und wodas dazugehörige Atom sitzt. Zweitens setzt sich jedes Schichtbild ausvielen »Belichtungen« zusammen, jede aus einer anderen Richtungaufgenommen. Und drittens; Aus der Stärke der abgestrahlten Wellenkann der Computer berechnen, wie viele Wasserstoffatome in dembetreffenden Körperbereich enthalten sind.Aber das Verfahren kann noch mehr: Wie schnell nämlich dieangeregten Atome ihre aufgenommene Energie wieder abstrahlen,hänge von ihrer Umgebung ab. Ein Wasserstoff-Atom, das ganz festim Gewebe gebunden ist, braucht zum Beispiel länger als eines, dasrelativ locker gebunden ist. Die Dauer dieser sogenannten Abklingzeitgibt also einen Hinweis darauf, welche Art von Gewebe betrachtetwird.Durch komplizierte Reche n verfahre n ermittelt der Computer aus denaufgenommenen Signalen Schichtbilder, sogenannte Tomogramme.Sie zeigen nicht nur die Organe, sondern auch krankhafteVeränderungen im Gewebe. Ein Tumor hebe sich beispielsweise gutsichtbar vom umgebenden Hirngewebe ab. Neuerdings ist man sogarin der Lage, noch millimeterfeine Tumoren in der weiblichen Brust zuorten, die auf Brustkrebs hindeuten, damit könnte die Diagnose dieserKrankheit weit frühzeitiger erfolgen als heute üblich. Auch dieLokalisierung von Sauerstoff, der an Hämoglobin gebunden ist, istaufgrund des magnetischen Verhaltens der Eisen-Atome imHämoglobin inzwischen möglich. So läßt sich ermitteln, wo im Körperbesonders viel Sauerstoff verbraucht wird — beispielsweise in welcherRegion des Gehirns — und

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man erfährt, welche Regionen des Gehirns bei bestimmtenWahrnehmungsleistungen aktiviert werden.Ein anderes Durchleuchtungsverfahren benutzt die Eigenschaftbestimmter Elemente, radioaktive Strahlen oder andere Teilchenauszusenden. Die Strahlen durchdringen zum großen Teil das Gewebeund lassen sich von außen angebrachten Detektoren registrieren. DieseArt der Diagnose ist zum Beispiel bei Schilddrüsenerkrankungen seitlangem üblich. Andere Teilchen, etwa Positronen, die im Inneren desKörpers ausgesandt werden, zerstrahlen zusammen mit den überallvorhandenen Elektronen zu winzigen Energieblitzen, die ebenfalls vonMeßgeräten von außen registriert werden, Das Verfahren heißtPositronen-Emissions-Tomographie, PET, und es hilft nicht nur bei derErforschung des Gehirns, sondern auch bei der Lokalisierung vonKrankheitsherden.

Mikroelektronik und Datenspeicherung

Computer sind heutzutage so in unser Alltagsleben eingebunden, daßniemand auf die Idee käme, sie mit der skurrilen Welt derQuantenmechanik in Zusammenhang zu bringen, aber in Wirklichkeitberuht ihre Wirkungsweise ganz fundamental darauf. Der Grundhierfür liegt in der Anordnung der äußeren Elektronen derverschiedenen Elemente.Wie bereits früher gezeigt, ist es für ein Atom ein energetischbesonders günstiger Zustand, acht Außenelektronen zu besitzen. In derChemie können deshalb die Stoffe besonders leicht miteinander zurReaktion gebracht werden, deren äußerste Schalen sich auf achtElektronen ergänzen. Diese Grundregel gilt aber nicht nur fürchemische Verbindungen, sondern auch für die Bildung von Kristallen.In ihnen ordnen sich die Atome in einer regelmäßigen Struktur an, undzwar

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Die Kristallstruktur im Halbleiter und die Dotierung mitFremdatomen

Alle Atome in einem Kristall streben den für sie günstigstenEnergiezustand an, der dann erreicht ist, wenn sie in ihreräußersten Schale acht Elektronen haben. Jedes Silizium-Atombesitzt aber nur vier Außenelektronen. Deshalb benutzt es mitvier benachbarten Atomen jeweils ein Elektron gemeinsam. Aufdiese Weise entsteht ein regelmäßiges Kristallgitter. Da alleElektronen ziemlich fest gebunden sind, kann der HalbleiterSilizium bei Zimmertemperatur keinen elektrischen Strom leiten.Ein Bor-Atom hat nur drei Außenelektronen. Werden in einenSiliziumkristall an einigen Stellen Bor-Atome eingebracht,entsteht ein Unterangebot an Elektronen, da die benachbartenSilizium-Atome nun keine acht Außenelektronen mehrerreichen. Die Elektronenlücken nennt man in derHalbleitertechnik Löcher, sie bewegen sich durch das Kristallwie positive Ladungsträger. Ein mit Bor dotierter Halbleiter kannalso einen, wenn auchgeringen, Strom leiten. Genau umgekehrt ist die Ausgangslagebei einer Dotierung mit Phosphor-Atomen. Phosphor hat fünfAußenelektronen. Wenn es zwischen den Silizium-Atomen sitzt,kann es vier davon mit den Nachbarn teilen, das fünfte ist kaumgebunden und kann im Kristall umherwandern. So kann auchein mit Phosphor dotierter Halbleiter elektrischen Strom leiten.

p-Silizium [negativ) n-Silizium [positiv]

vorzugsweise ebenfalls so, daß jedes Atom acht Außenelektronenbesitzt.Kohlenstoff, Silizium oder Germanium, die im Periodensystemuntereinander stehen, haben jeweils vier Außenelektronen. Sieverbinden sich im Kristallgitter mit ihren Nachbarn so, daß jedes Atomje ein Elektron mit jedem Nachbarn teilt. So kommt die besondersstabile Diamantstruktur zustande, bei der jedes Atom von achtElektronen umgeben ist.Normalerweise dürfte keines dieser drei Elemente elektrischen Stromleiten, aber in der Realität werden sie als Halbleiter bezeichnet. Hinund wieder erhält nämlich eines der Außenelektronen einen kleinenSchubs und springt aus derGitterstruktur heraus. Ein solcher Schubs kann beispielsweise durcheine Gitterschwingung, aber auch durch ein einfallendes Photonerfolgen, wie dies beim lichtelektrischen Effekt geschieht. Ein solchesenergiereiches Elektron hat nun die Möglichkeit, sich parallel zumKristallgitter frei zu bewegen, es wirkt als Ladungsträger und sorgtdafür, daß Strom fließen kann. Durch dieses Phänomen habenHalbleiter ihren Namen erhalten: Sie wirken nicht als Isolatoren, aberauch nicht ganz als Leiter, eben als Mittelding.Computerchips bestehen im Prinzip aus derartigen Halbleitern. Manbenutzt meist Silizium, in Sonderfällen Germanium. Nun ist es abermit einem einzigen chemischen Elc-

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ment noch nicht möglich, logische Schaltungen anzufertigen. Deshalbhat man Möglichkeiten erfunden, den Halbleiter so zu verändern, daßseine Leitfähigkeit besser oder schlechter wird. Erst aus derKombination zwischen unterschiedlich gut leitenden Substanzen lassensich Rechen- oder Speicherelemente konstruieren.Die Veränderung des Siliziums geschieht dadurch, daß man einzelneAtome durch andere ersetzt, indem man sie in das Kristallgitter einbaut— der Fachmann nennt diesen Vorgang »Dotieren«. Man benutzt dazueinerseits Phosphor, das fünf Außenelektronen besitzt, und andererseitsBor, das über drei Außenelektronen verfügt. Befinden sich Phosphor-Atome zwischen den Silizium-Nachbarn, ist die Leitfähigkeit desMaterials erhöht, da zusätzliche Außenelektronen für denStromtransport zur Verfügung stehen. Impft man die Kristallstrukturmit Bor, so hat die Kristallstruktur an diesen Stellen sozusagen»Löcher«, da dort Elektronen im Gitter fehlen. Diese Löcher kann manbetrachten wie positiv geladene Ladungsträger, weil jeweils einnegativ geladenes Elektron fehlt. Auch sie können wandern unddeshalb für einen Stromtransport durch das Material sorgen.In elektronischen Bauelementen wie Transistoren oder Gattern werdennun die drei unterschiedlichen Materialien in hauchdünnen Schichtenund Leiterbahnen so miteinander kombiniert, daß sie als logischeSchakelemente für die Elektronen bzw. Löcher wirken. Aus demZusammenspiel unzähliger derartiger Schaltelemente entstehenschließlich die Chips, die unsere Computer zum Rechnen bringen.Aber nicht nur in Computern spielen die Halbleiter eine entscheidendeRolle. Sie werden in einigen Jahrzehnten die Energieversorgung derWelt übernehmen, und zwar in Form von Solarzellen. In diesenflachen Scheiben, die bereits heute vielfach in Kleingeräten, aufHausdächern oder in Prototyp-Kraftwerken zu sehen sind, entstehtdurch den üchtelektri-

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schen Effekt eine elektrische Spannung, denn einfallende Photonenschlagen aus dem Kristallgitter der Halbleiter Elektronen heraus. Aufdiese Weise kann man mittels Sonnenlicht direkt Strom erzeugen, eineMöglichkeit, die Energieversorgung der Erde zu revolutionieren. DasPrinzip ist einfach und wird seit langem beispielsweise in denSolarpaddeln zur Energieversorgung von Satelliten angewandt. Aufder Erde, wo Solarenergie mit den bereits eingeführtenkonventionellen Energieträgern finanziell konkurrieren muß, ist sienoch zu teuer, Hinzu kommt, daß die Sonne nur tagsüber scheint,Strom aber auch nachts gebraucht wird, daß also ein Energie-Speicherzum Ausgleich des Angebots nötig ist. So ergeben sich heute noch eineReihe technisch-wirtschaftlicher Probleme, die aber zweifellos baldgelöst sein werden. Spätestens dann, wenn die fossilen Energieträgerzur Neige gehen werden - Fachleute schätzen, daß dies in hundert biszweihundert Jahren sein wird -, wird die Energieversorgung aufSolarenergie umgestellt werden.

Quantencomputer

Die Fortschritte in der Computertechnologie in den letzten Jahrzehntenwaren so groß, daß heutige Rechner etwa eine Million Mal soleistungsfähig sind wie ihre Urahnen aus den sechziger Jahren. BillGates, Chef der Softwarefirma Microsoft, wird mit dem Ausspruchzitiert: »Wenn General Motors eine ebenso schnelleTechnologieentwicklung hinter sich hätte wie die Computerindustric,dann würden wir heute in 25-Dollar-Autos fahren, die auf hundertKilometer nur einen Fünftel Liter Benzin verbrauchen.«Die Strukturen in den Mikroprozessoren heutiger Computer sind nurnoch ein Hundertstel so breit wie ein menschliches

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Haar, und die Entwicklung geht weiter zu noch kleinerenAbmessungen und noch höherer Integrationsdichte. Dies wird balddazu führen, daß die Größenordnung von Atomen erreicht wird und dieGesetze der Quantenmechanik zum Tragen kommen. Forscher denkendeshalb weltweit darüber nach, ob es nicht prinzipiell möglich wäre,einen Computer zu konstruieren, der die Regeln der Quantenmechanikdirekt ausnutzt, einen sogenannten Quantencomputer.Im Prinzip sollte das möglich sein. Jeder elektronische Rechner beruhtdarauf, daß die Information in winzige Pakete zerlegt wird, die nachund nach verarbeitet werden. Man spricht von sogenannten Bits. EinBit ist die kleinste Informationseinheit, quantenmechanischgesprochen, ein Informationsquant. Heutige Computer arbeiten nachdem binären System, das heißt, sie kennen nur zwei Zahlen: 0 und l,oder: ja und nein. Alle Rechenoperationen, und seien sie noch sokompliziert, werden durch die Manipulation dieser beiden Zahlendurchgeführt. Vergegenwärtigt man sich den Aufbau eines Atoms, sofindet man dort eine ähnliche Struktur: Ein Elektron der äußerstenHülle kann im Grundzustand sein -dies entspräche der Zahl 0 —, oderes kann angeregt sein und sich auf der nächsthöheren Bahn befinden,was der Zahl l entspräche. Diese Tatsache könnte es ermöglichen,einen Quantencomputer zu entwickeln.In einem Rechenwerk müssen die Zahlen 0 und l einstellbar sein, siemüssen manipulierbar sein, das heißt, man muß sie ineinanderüberführen können, und sie müssen auslesbar sein, damit man dasErgebnis ermitteln kann. Konventionelle Elektronenrechner erledigendie Operationen zwischen den beiden Zahlen mit Hilfe dreiersogenannter logischer Verknüpfungen: »Und«, »Oder« und »Nicht«.Daraus setzen sich alle Rechenschritte zusammen.Die Eingabe einer l in einen Quantencomputer kann man sichbeispielsweise so vorstellen, daß man mit Hilfe eines ge-

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nau abgestimmten Lasers das äußerste Elektron des Atoms auf einehöhere Bahn hebt — man regt das Atom also an. Will man eine l ineine 0 überführen und umgekehrt, bestrahlt man das Atom mit derEnergie, die für den Übergang zwischen niedrigerem und angeregtemZustand nötig ist. Ist das Atom vorher schon angeregt, wird es dadurchzur Abgabe seiner Energie angeregt (wie beim Laser) und fällt zurückin den Grundzustand; l wird also zu 0, und ein Photon wird ausgesandt,das man registrieren kann. Ist das Atom vorher im Grundzustand, wirdes durch den Laserpuls angehoben, aus 0 wird 1. Eine solcheVorrichtung nennt man in der Computertechnik ein »Flip-flop«. ImGrunde lassen sich für alle logischen Operationen geeigneteMöglichkeiten finden, die man im Quantencomputer kombinierenkann. Ähnlich funktioniert auch das Auslesen der Information mitHilfe geeigneter eingestrahlter Laserimpulse.Nun gibt es aber bei einem Quantencomputer eine Besonderheit:Aufgrund der Regeln der Quantenmechanik können sich Zuständeüberlagern, das heißt, es gibt Elektronen, die sowohl im Grundzustandals auch im angeregten Zustand sind. Nun gibt es keine eindeutigenNullen oder Einsen mehr, sondern nur noch Wahrscheinlichkeiten, obdas Atom 0 oder l repräsentiert. Ein Quantenbit ist dann sozusagenhalb umgeklappt, wenn man sich das Bild der Rechenmaschinevorstellt. Dort bedeutet ein solches Vorkommnis einen Fehler, imQuantencomputer hingegen kann es neue Möglichkeiten des Rechnenseröffnen. Mehrere Wissenschaftler haben inzwischen bewiesen, daßein Quantencomputer, der Bits umklappen kann, prinzipiell alsUniversalrechner zu gebrauchen ist.So schön dies alles klingt: Es gibt eine ganze Reihe großerSchwierigkeiten, die bisher den Bau eines realen Quantencomputersverhinderten. Erstens ist die »Verdrahtung« der Bauteile miteinanderkompliziert. Das heißt, Atome müßten Informationen über ihrenZustand miteinander austauschen

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können, man müßte Quantenbits von einem Atom zum nächstenübertragen können. Dies stößt heute - trotz einiger genialer Ansätze,die sich unter anderem das EPR-Paradoxon zunutze machen — nochauf zu große Schwierigkeiten.Ein zweites grundlegendes Problem ist die Zuverlässigkeit einessolchen Computers. Da der Zustand eines Atoms mit einer gewissenWahrscheinlichkeit innerhalb einer gewissen Zeit wechselt, muß mansicherstellen, daß während der Rechnung keine unvorhergesehenenWechsel auftreten. Auch in konventionellen Rechnern passieren hinund wieder zufällige Fehler, dort löst man das Problem dadurch, daß inden Rechenprogrammen ständige Kontrollen eingebaut sind. Beidiesen Kontrollen wird zum Beispiel die Quersumme über alle Bitseiner Zahl gebildet und überprüft, ob sie konstant bleibt. Eine solcheLosung ist im Quantencomputer nicht realisierbar. Die HeisenbergscheUnschärferelation und die Kopenhagener Deutung sagen aus, daß einQuantenzustand in dem Augenblick verändert wird, in dem ergemessen wird. Eine Überprüfung zur Kontrolle, ob alles richtig läuft,wäre eine solche Messung, und sie würde den Zustand des Computerszum Kollabieren bringen. Allerdings wurde auch hierfür kürzlich einLösungsweg vorgeschlagen. Populär gesprochen beruht er darauf, daßman zwar den Zustand mißt, aber nicht genau hinschaut, ähnlich einem»Quantenwachhund«, der bei Gefahr zwar knurrt, aber nicht zubeißt.So gibt es jetzt in der Quantenphysik also nicht nur Katzen und Mäuse,sondern neuerdings auch Hunde.Wenn es möglich wäre, einen Quantencomputer zu realisieren, wäredies nicht nur reine Spielerei. Schon heute geben ExpertenRechenprobleme vor, die ein Quantencomputer mit Leichtigkeit lösenkönnte, während ein konventioneller Rechner Jahre daran zu tun hatoder ganz daran scheitert. Ein solches Problem, das heute großepraktische Bedeutung besitzt, ist das »Faktorisieren« großer Zahlen:Wie Seth Lloyd vom

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Massachussetts Institute of Technology in Cambridge darstellt, kannman sich die Überlagerung mehrerer Bits in einem Quantencomputeranalog vorstellen zu der Überlagerung von Schallwellen. Eine 0 odereine l klingt dann wie ein einzelner Ton, eine Überlagerung wie einAkkord. Er zitiert den IBM-Forscher Peter W. Shor, der glaubt, daßdieser symphonische Aspekt des Quantencomputers ihn dazu befähigt,große natürliche Zahlen schnell in ihre Faktoren zu zerlegen. Er glaubt,daß die Faktoren einer großen Zahl so deutlich hervortreten wie eineMelodie, die von Geigen, Bratschen und Celli in Oktavparallelengespielt wird, gegenüber den anderen Instrumenten. Das Faktorisierenvon hundert- und mehrstelligen Zahlen hat große Bedeutung in derDatensicherheit, denn bei den modernen Methoden derVerschlüssclungstech-nik werden solche Rechenverfahren benötigt.Und letztendlich könnte ein Quantencomputer die Prinzipien, die ihnzum Laufen bringen, selbst simulieren; Seth Lloyd glaubt, daßQuantencomputer vor allem dazu dienen könnten, quantenmechanischeSysteme zu simulieren. Ein solcher Rechner würde dabei mit vierzigBits in etwa hundert Schritten dasselbe leisten wie ein klassischerComputer mit Billionen von Bits in mehreren Jahren.

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Glossar

AbsorptionAufnahme eines Teilchens oder eines Energiequants beispielsweisedurch ein Atom.

AnregungDer Übergang eines Teilchens oder eines Atoms in einen höherenEnergiezustand. Die Anregung wird meist ausgelöst durch dieAbsorption eines Energiequants.

AntimaterieGegenstuck zur »normalen« Materie, das heißt, sie kann Materievernichten. Zu jedem Teilchen gibt es ein Antiteilchen. Stöbt es mitdem entsprechenden Teilchen zusammen, dann zerstrahlen die beidenzu einem Energieblitz. Antimaterie gibt es in der Höhenstrahlung undin der Strahlung bestimmter radioaktiver Elemente, außerdem wird sieheute routinemäßig in großen Beschleunigerlabors hergestellt.

AtomWie schon Demokrit 420 vor Christus richtig vermutet hatte, bestehtalle Materie aus Atomen. Heute weiß man, daß das Atom aus einemKern und einer Hülle besteht. Der Kern ist ein Gemisch aus positivgeladenen Protonen und elektrisch ungeladenen Neutronen. Um denKern kreisen ebenso viele negativ geladene Elektronen, wie im KernProtonen enthalten sind.

AufenthaltswahrscheinlichkeitDie statistische Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen zu einem bestimmtenZeitpunkt an einer bestimmten Stelle zu finden.

BosonenElementarteilchen mit ganzzahligem Spin, die nicht dem Pauli-Prinzipunterliegen.

BrechungDa jede Welle in unterschiedlichen Medien unterschiedlicheFortpflanzungsgeschwindigkeiten hat, erleidet sie an den Grenzflächenzwischen zwei Medien eine Änderung ihrer Geschwindigkeit undRichtung.

DrehimpulsEin Maß für das Bestreben eines rotierenden Körpers, seine Bewegungum die Drehachse weiter fortzusetzen. Bei Elementarteilchen wird derDrehimpuls auch Spin genannt.

ElektronEs ist das Elementarteilchen, aus dem sich die Atomhülle jedenchemischen Elements zusammensetzt. Es trägt eine elektrischeEinheitsladung, die in der Größe genau, der des Protons entspricht,aber mit umgekehrtem Vorzeichen. Man spricht deshalb oft davon, daßdas Elektron die Ladung -l besitzt. Es ist sehr klein; bis heute weißman nicht, ob es überhaupt eine räumliche Ausdehnung hat. SeinAntiteilchen ist das Positron,

EmissionAussendung von Strahlung oder Teilchen, beispielsweise aus einemAtom.

FermionenElementarteilchen mit halbzahligem Spin, die dem Pauli-Prinzipunterliegen.

FrequenzDie Anzahl der Schwingungen pro Zeiteinheit. Meist wird sie inHertz gemessen, also in Schwingungen pro Sekunde. Je höher dieFrequenz einer Welle, desto höher die Energie des dazugehörigenTeilchens.

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HalbleiterStoffe, deren elektrische Leitfähigkeit zwischen der der Metalle undder der Isolatoren liegt. In der Mikroelektronik witd die Leitfähigkeitmancher Halbleiter durch den Einbau von Störstellen erhöht.

HalbwertszeitBeim radioaktiven Zerfall verwandeln sich Atome durch Aussendungbestimmter Teilchen in andete Atome. So zerfällt beispielsweise Uran238 in mehreren Schritten zu Blei 206. Jeder einzelne Zerfall ist nichtvorhersagbar, er erfolgt zufällig. Wenn man aber viele Atomegleichzeitig betrachtet, kann man statistisch angeben, nach welcherZeitdauer die Hälfte der Atome zerfallen ist. Bei Uran 238 beträgtdiese Zeit rund 4,5 Milliarden Jahre. Andere Elemente haben kürzereHalbwertszeiten: Tritium: 12,3 Jahre, Kohlenstoff 14: 5730 Jahre,Krypton: 10,76 Jahre, Jod 131: 8,02 Tage und Cäsium 137: 30,2 Jahre.

InterferenzÜberlagerung von zwei oder mehreren Wellen, bei der eine lokaleVerstärkung oder Auslöschung eintreten kann.

IonEin Atom, das durch Abgabe oder Aufnahme eines oder mehrererHüllenelektronen positiv oder negativ elektrisch geladen wurde.

lonenfalleExperimentelle Vorrichtung, bei der ein Ion mit Hilfe magnetischerund elektrischer Felder in ein winziges Volumen eingeschlossen wird.

LaserGerät zur Herstellung eines extrem parallelen und gleichförmigenLichtstrahls.

LichtquantSiehe Photon.

NeutronElektrisch neuttales Elementarteilchen, das etwa die gleiche Masse wieein Proton besitzt. Zusammen mit den Protonen bildet es denAtomkern.

Pauli-PrinzipPhysikalisches Gesetz, nach dem zwei Fermionen nie im seihenSystem in allen Quantenzahlen übereinstimmen dürfen.

PeriodensystemDieses Schema ordnet die chemischen Elemente nach ihremAtomgewicht und ihren chemischen Eigenschaften. Es wurdeunabhängig voneinander von Dimittij Mendelejew und Lothar Meyerentwickelt.

PhotoeffektAuch licht- ödet photoelektrischer Effekt genannt. Fr besteht darin, daßLichtquanten aus manchen Festkörperoberflächen Elektronenherausschlagen können. Für die Erklärung des Photoeffekts erhieltEinstein den Nobelpreis.

PhotonAuch Lichtquant genannt, ist das Energiequant derelektromagnetischen Strahlung. Es verhält sich mitunter wie einTeilchen, mitunter wie eine Welle.

PolarisationAusrichtung eines Teilchens oder einer Welle im Raum, beispielsweisedurch seine Spinrichtung, die sich nach einem äußeren elektrischenoder magnetischen Feld richtet.

ProtonPositiv geladenes Elementarteilchen, das etwa die gleiche Masse wiedas Neutron besitzt. Zusammen mit den Neutronen bildet es denAtomkern.

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QuantUm die Jahrhundertwende stellte Max Planck die Theorie auf, daßEnergie nicht kontinuierlich, sondern in Form winzig kleiner »Pakete«,sogenannter Quanten, auftritt. Einstein gelang es später, mit seinerDeutung des photoelektrischen Effekts diese Theorie zu untermauern.

QuantenzahlenZahlen, die zur Charakterisierung bestimmter Zustande von Atomeneingeführt wurden, Sie dienen dazu, Ordnung in die Atommodelle zubringen.

SpinDrehimpuls von Elementarteilchen. Er ist gequantelt und kann nurhalbzahlige Werte annehmen.

SupraleitungDas Phänomen, daß manche Substanzen, vor allem Metalle undkompliziert aufgebaute keramische Verbindungen, bei extrem tiefenTemperaturen schlagartig jeglichen elektrischen Widerstand verlieren.

WellenRäumliche und zeitliche periodische Änderungen physikalischerGrößen. Bei den longitudinalen Wellen liegt die Schwingungsrichtungparallel zur Ausbreitungsrichtung (Beispiel Schall), bei transversalenWellen senkrecht dazu (Beispiel Wasserwellen).

UrknallAngenommener Beginn des Universums, der vor zirka 15Milliardenjahren stattgefunden haben soll. Die gesamte Masse undEnergie des Universums war damals in einem Punkt konzentriert,

WirkungsquantumEine der universellen Konstanten der Physik, die große Bedeutung fürdie Quantenmechanik hat. Sie gibt den Proportionalitätsfaktor für dieEnergie eines Teilchens zur Frequenz der zugehörigen Welle an. Siewird mit h bezeichnet.

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Weitere LiteraturWer sich mit dem Thema Quantenphysik näher befassen will, dem seien diefolgenden Bücher empfohlen, die ich zum Teil als Quelle benutzt habe:

Der absolute Klassiker unter allen Physikbüchern und das Nonplusultra für jeden,der sich die Mühe machen möchte, etwas tiefer in die Materie einzusteigen, sinddie berühmten >Vorlesungen über Physik< von Feynman/Leighton/Sands. Sieerschienen auf Deutsch beim Oldenbourg Verlag, München im Jahr 1988. Derdritte Band befaßt sich mit der Quantenmechanik.

Richard P, Feynman hielt später noch einmal eine Serie von vier Vorlesungenzum Thema Quantenelektrodynamik. Sie sind 1985 erschienen unter dem Titel=QED, Die seltsame Theorie des Lichts und der Materie< im Piper Verlag,München. Auch dieses Buch verblüfft durch einfache Darstellung undverständliche Erklärungen.

Es gibt nur wenige populäre Bücher zur Quantentheorie. Eines der besten stammtvon John Gribbin und hat den Titel >Auf der Suche nach Schrödingers Katze<,erschienen 1984 irn Piper Verlag, München,

Zumindest teilweise beschäftigen sich aber auch die folgenden Bücher in leichtverständlicher Weise mit der Quantenphysik; Edgar Lüscher, >Pipers Buch dermodernen Physik<, Piper Verlag, München 1980Ders. u.a. (Hg.), >Physik<, Heinz Moos Verlag, München 1971 Murray Gell-Man, >Das Quark und der Jaguar<, Piper Verlag, 1994

Die philosophischen Aspekte der Quantentheorie stehen bei den folgendenWerken im Vordergrund:Martin Basfeld, >Erkenntnis des Geistes an der Materie-, Edition Hardenberg,Verlag Freies Geistesleben, Stuttgart 1992 Jos Verhulst, >Der Glanz vonKopenhagens Verlag Freies Geistesleben," Stuttgart 1994Ilya Prigogine und Isabelle Stengers, >Dialog mit der Natur«, Piper Verlag,München 1990.

Die Geschichte der Quantenphysik behandeln: K. Simonyi, >Kulturgeschichte derPhysik«, Verlag Harri Deutsch, Thun Frankfurt, 1990David C. Cassidy, >Werner Heisenberg, Leben und Werks SpektrumAkademischer Verlag, Heidelberg 1992Werner Heisenberg, »Schritte über Grenzen-, Piper Verlag, München 1984>Die 100 des Jahrhunderts, Naturwissenschaftlers rororo, Rembek 1994.

Allen, die sich ernsthaft mit der Mathematik auseinandersetzen wollen, die hinterder Quantenmechanik steckt, seien vier Bücher empfohlen, die nur für denPhysiker verständlich sind: Gerald Grawert, >Quantenmechanik<, AULA-Verlag,Wiesbaden 1985Marcelo Alonso/Edward J. Finn, >Quantenphysik<, Addison-Wesley PublishingCompany, Bonn 1988A.S- Dawydow, >Quantenmechanik<, VEB Verlag der Wissenschaften, Berlin1963Siegfried Flügge, -Rcchenmethoden der Quantentheorie-, Springer-Verlag, Berlin1965.

Die hier geschilderten neucsten Erkenntnisse zur Quantenphysik stammen vorallem aus der grundsätzlich sehr empfehlenswerten Zeitschrift >Spektrum derWissenschaft<.

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RegisterAbsorption 25Absorptionslinien 25Alphastrahlen 62Aspect, Alain 67 f.. 71Äther IG ff.Atomhülle 28Atommodell, Bohrsches 12,23, 26,48Atommodelle 23 ff.Atomuhr 59,95Auslöschung 44Balmer, Johann Jakob 25Bardeen, John 97 ff.BGS-Theorie 98 f.Becquerel, Henri 28ßednarz, J. Georg 98Bell, John S. 67,72Binnig, Gerd 63Bohm, David 72Bohr. Niels 12 f., 50, 54, 65Bohrsches Atommodell 12,23, 26 f., 48Born, Max 47, 50, 52Böse, Satyendra Math 31Bose-Einstein-Kondensat 81Bosonen 31, 81Brechung des Lichts 15 f.Brechungsgesetz 15Broglie, Louis de 46 f., 52Chaotischer Prozeß 77Chiao, Raymond Y. 73Computer, optische 97Computerchip 107 f.Computerindustrie 14Cooper, Leon 97 ff.Cooper-Paare 99Datensicherheit 113Datenspeicherung 105-113Dauerstrichlaser 93Descartes, René 15 f.Detektoren 40 ff.Diodenlaser 94Dirac, Paul 46 f.Doppelbrechung 18Doppelspalt-Experiment 40 ff., 55Dopplereffekt 83Dotierung 106 ff.Drehimpulsquantenzahl 31Eddington, Arthur 49Ein-Atom-Laser 85 f.

Einstein, Albert 21 ff., 46, 52, 65 ff.Elektrodynamik 59Element, radioaktiv 9Emission, spontane 89Emission, stimulierte 89Emissionslinien 28Emissionstheorie 46Endoskop 96Energieniveau 24Energiepakete/Quanten 20EPR-Experiment 66, 76Esaki, Leo 64Everett, Hugh 74 ff.Farbstoff Laser 94Feinstrukturkonstante 65Fermi, Enrico 31Fermionen 31Fernwirkung 65-73Feynman, Richard 45, 73Flip-flop 111Fluidum 16Fluktuation 77Galaxie 78Gaslaser 93Gates, Bill 109Giaver, ivar 64Gravitationstheorie 59Gribbin.John 47,67,76Grimaldi, Francesco 16Grundschwingung 40

Halbleiter 107Halbleiterlaser 94Harouche, Serge 12Hauptquantenzahl 30Heisenberg, Werner 46 f., 52-55, 72Heisenbergsche Unschärferela-tion 52-55,62,65,79,82, 112Hochtemperatur-Supraleitung 99 f.Hochvakuumtechnik 79Huygens, Christian 16 f.Hyperfeinzustand 13,33,80Infeld, Leopold 2lInformationsübertragung 71Interferenz 43Inversion 90lonenfalle 13,79,85Josephson, Brian 64Josephson-Effekt 64

Kamerlingh-Onnes, Heike 97Kausalität 53Kernkräfte 60Kernspintomographie 59,103 ff.Kirtley.John R. 100Komplementarität 50Kopenhagener Deutung 12,54, 74 f.,112Korpuskulartheorie des Lichts 17-23Korrelation 73Kosmologie 74-78Kwiat, Paul G. 73Ladungswolke 49Laser 59, 80, 85, 87-97Laser, chemische 94Laue, Max von 24Lenard, Philip 21 f.Licht 15-23Lichtgeschwindigkeit 10, 21, 71Linde, Andrei 77 f.Lloyd.Seth 112 f.Magische Zahlen 60Magnetschwebebahn 102Maiman, Theodore 92Materiewellen 48Matrizenmethode 47Maxwell, Clerk 19Maxwellsche Gleichungen 19Medizintechnik 103 ff.Mendelejew, Dimitrj 33Meßungenauigkeit 53Meyer, Lothar 33Mikroelektronik 105-113Mikroprozessor 109Millikan, Robert A. 23Miniaturisierung 14Mini-Kosmos 77Monroe. Chris 13Müller, K.Alexander 98Multiwelten 74-78Neutronenstrahlung 63Newton Isaac 11.161,59Nullpunkt, absoluter 82,97Oberschwingung 50Ordnungszahl 33Pauli, Wolfgang 31Pauli-Prinzip 31Paulische Ausschlußregel 31

Periodensystem der Elemente 33 ff.Phasenraum 48 f.Phononen 99Photoelektrischer Effekt 21 ff.Photonen 21 ff.Physik, klassische 13Pines, David 100Planck, Max 20-23.52Planck-Konstante 20, 22, 79Podolky, Boris 66 f.Polarisation 18, 68 ff.Polarisationsfilter 67Positron 66Positronen-Emissions-Tomographie(PET) 105Potentialtopf 60 ff.Quanten 20Quantenalgebra 47Quantenbit 111Quanten Computer 109-113Quantenrnaus 12 ff.Quantenmechanik 10-14,46,82Quantensprung 56Quantenwachhund 112Quantenzahl, magnetische 31Quantenzahlen 30-38Radioaktivität 28 f.Raimond, Jean-Michel 12Raster-Tunnel-Mikroskop 63Reflexion 15Relativitätstheorie 66Resonator 88Rohrer, Heinrich 63Röntgenstrahlung 19Rosen, Nathan 66 f.Rückkopplung 91Rutherford, Ernest 23 f.Scalapino, Douglas J. 100Schrieffer, Robert 97 ff.Schrödinger, Erwin 9-14,48, 50,52Schrödingers Katze 9-14,39, 56 f.,74Schrotrauschen 84Segre, Emilio 46Shor, Peter W. 113Snellius.Willebrard 15

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Solarzellen 108 f.Spektograph 28Spektrallinien 25 Spektrum 17Spin 31Spinquantenzahl 31Squids 102Statistik 29,57Steinberg, Aephraim M. 73Strahlungsformel 21Stromspeicherung 102Supraleitung 59,97-102Thomson, George 48Thomson, J.J. 48Tomogramme 104 f.Tsuei, ChangC. 100Tunneleffekt 60-65Tunnelstrom 64Überlagerung 12Überlichtgeschwindigkeit 71, 73Unbestimmtheit 53Undulationstheorie 46Universum 74-78Unschärferelation 52-55, 62, 65.79,82, 112

Urknall 73Vakuum 11Verschlüsselungstechnik 113Verstärkung 44Wahrscheinlichkeit 9,42,51, 65,112Wahrscheinlichkeitsverteilung 55, 57, 60Wasserstoffatom 25Wasserstoffbrücke 37Wasserstofflinien 25Welle, kohärente 87 f.Welle, longitudinale 18Welle, monochrome 87 f.Welle, synchrone 87 f.Welle, transversale 18 f.Wellenfunktion 46, 74Weilentheorie des Lichts 15-23Wheeler, John 75 Wineland, David 13Wirkungsquantum 20,22Young, Thomas 18Zerfall, radioaktiver 9,28Zwillingsverhalten 72Zyklotron-Schwingung 81, 124