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Krisenintervention in der Sozialen Arbeit Erarbeitung von Zugängen und Ansätzen für Professionelle der Sozialen Arbeit

Held Isabelle BA HS18 - fhsg

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Krisenintervention in

der Sozialen Arbeit

Erarbeitung von Zugängen und

Ansätzen für Professionelle der

Sozialen Arbeit

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FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit

Krisenintervention in der

Sozialen Arbeit

Erarbeitung von Zugängen und Ansätzen für

Professionelle der Sozialen Arbeit

Bachelorarbeit von:

an der:

begleitet von:

Isabelle Held

Im oberen Gern 50

8409 Winterthur

FS16

FHS St. Gallen

Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Studienrichtung Soziale Arbeit

Prof. Stefan Ribler

Dozent Fachbereich Soziale Arbeit

Für den vorliegenden Inhalt ist ausschliesslich die Autorin verantwortlich.

Winterthur, 10. Oktober 2018

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Inhaltsverzeichnis

Abstract 1

Vorwort 4

Einleitung 5

1 Krise 7

1.1 Definition 7

1.1.1 Psychosoziale Krise 8

1.2 Arten von Krisen 9

1.2.1 Verlustkrisen 10

1.2.2 Veränderungskrisen 13

1.2.3 Entwicklungskrisen 15

1.3 Auswirkungen von Krisen 17

1.3.1 Gefahrenaspekt 17

1.3.2 Chancenaspekt 19

1.4 Gesellschaftlicher Wandel in Bezug auf Krisen 20

2 Krisenintervention 21

2.1 Definition und Abgrenzung 21

2.2 Ziele 22

2.3 Grundprinzipien 23

2.4 Allgemeines Kriseninterventionskonzept – BELLA 26

2.5 Gesprächsphasenkonzept und Ablauf für Krisengespräche 27

3 Krisenintervention in der Sozialen Arbeit 31

3.1 Definition Sozialer Arbeit 31

3.2 Gegenstand Sozialer Arbeit 31

3.3 Rahmung Sozialer Arbeit in der Krisenintervention 33

4 Zugänge und Ansätze zur Krisenbewältigung 36

4.1 Beziehungsgestaltung 36

4.1.1 Herstellung einer tragfähigen Beziehung 37

4.1.2 Nähe und Distanz 38

4.1.3 Verantwortung klären 40

4.1.4 Vermeidung von Beziehungsabbrüchen 41

4.2 Herstellung einer sicheren Grundlage 42

4.2.1 Schützender Kontext initiieren 42

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4.2.2 Emotionale Entlastung 44

4.2.3 Fünf Säulen der Identität 46

4.3 Ressourcenerschliessung 49

4.3.1 Ressourcenorientierung 49

4.3.2 Netzwerkintervention 51

4.3.3 Copinganalyse und Modifikation 53

5 Weiterführende Ansätze 55

5.1 Psychoedukation 55

5.2 Motivational Interviewing 56

Schlussbetrachtung 58

Beantwortung der Fragestellung 58

Fachliche und persönliche Reflexion 60

Ausblick 61

Literaturverzeichnis 62

Quellenverzeichnis 65

Abbildungsverzeichnis 66

Schlussblatt 67

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1

Abstract

Titel: Krisenintervention in der Sozialen Arbeit.

Kurzzusammenfassung: Diese Bachelorarbeit befasst sich mit dem Themenfeld

Krisenintervention in der Sozialen Arbeit. Die Fokussierung liegt

hierbei auf den Unterstützungsmöglichkeiten von Menschen in

Krisensituationen. Explizit werden Zugänge und Ansätze für eine

Krisenintervention in der Sozialen Arbeit dargelegt.

Autor(en): Isabelle Held

Referent/-in: Prof. Stefan Ribler

Publikationsformat: BATH

MATH

Semesterarbeit

Forschungsbericht

Anderes

Veröffentlichung (Jahr): 2018

Sprache: Deutsch

Zitation: Held, Isabelle. (2018). Krisenintervention in der Sozialen Arbeit.

Unveröffentlichte Bachelorarbeit, FHS St.Gallen, Fachbereich

Soziale Arbeit.

Schlagwörter (Tags): Krise, Krisenintervention, Gegenstand Soziale Arbeit, Zugänge

und Ansätze zur Krisenbewältigung

Ausgangslage:

Inzwischen gibt es verschiedene Fachliteratur bezüglich Krisenintervention. Diese sind jedoch

mehrheitlich psychotherapeutisch ausgerichtet. Betreffend Krisenintervention in der Sozialen

Arbeit, welche auf sozialarbeiterische Zugangsweisen und Ansätze verweisen, besteht nach

wie vor ein mangelndes Literaturangebot. Doch da die Soziale Arbeit einen wesentlichen

Beitrag zur Krisenintervention leisten kann, wäre solche spezialisierte Fachliteratur für die

berufliche Praxis hilfreich und auch notwendig.

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Ziel:

Das Ziel dieser Bachelorarbeit ist die Herausarbeitung von sozialarbeiterischen

Zugangsweisen und Ansätzen für die Krisenintervention. Diese fokussieren sich auf eine

professionelle Unterstützung von Betroffenen in Krisensituationen. Daher lautet die

Fragestellung wie folgt: Mit welchen Zugängen und Ansätzen können Professionelle der

Sozialen Arbeit in Krisen unterstützend sein? Die Beantwortung der Fragestellung erfolgt auf

einer allgemeinen Ebene, sodass die erarbeiteten Erkenntnisse in jeglichen

sozialarbeiterischen Arbeitsfeldern ihre Verwendung finden können. Demnach umfasst die

Arbeit eine Zusammenstellung von Interventionsmöglichkeiten für Sozialarbeitende in der

Krisenintervention, die als substanzielle Grundlagenkenntnisse für die Praxis fungieren. Denn

Sozialarbeitende begegnen Menschen in Krisensituationen in unterschiedlichen Kontexten

und Handlungsfeldern. Die Relevanz des Themas Krisenintervention zeigt sich anhand von

Studien, welche das häufige Auftreten von Krisensituationen eruierten und in der hohen Anzahl

von Suiziden und Suizidversuchen in der heutigen Gesellschaft.

Vorgehensweise:

Diese Bachelorarbeit erfolgte in einer vertieften Auseinandersetzung mit Fachliteratur, welche

sich den Themenfeldern Krise, Krisenintervention, Gegenstand Sozialer Arbeit sowie dem

sozialarbeiterischen Tätigkeitsbereich in der Krisenintervention widmet. Ferner werden

Interventionsmöglichkeiten in Form von Zugängen und Ansätzen der Sozialen Arbeit

veranschaulicht sowie weiterführende Ansätze als Ergänzung thematisiert. Demnach werden

verschiedene untergeordnete Fragen verfolgt.

Im ersten Kapitel werden die Grundlagen einer Krise erläutert. Was ist eine Krise und wie kann

sich eine Krise zeigen? Wie können Krisen im Lebensverlauf entstehen und welche

verschiedenen Arten gibt es? Welche Auswirkungen können diese haben und wie lassen sich

Krisen im heutigen gesellschaftlichen Wandel verordnen?

Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen einer Krisenintervention dargelegt. Was ist eine

Krisenintervention und welche Grundprinzipien sowie Ziele beinhaltet sie? Welche Konzepte

gibt es hierzu, die als Orientierungshilfen für die Fachkraft fungieren können?

Im dritten Kapitel erfolgt die Verknüpfung der Krisenintervention mit der Sozialen Arbeit. Was

ist der Gegenstand Sozialer Arbeit? Was beinhaltet die sozialarbeiterische Tätigkeit in der

Krisenintervention und wie lässt sich Soziale Arbeit in einem solchen Kontext verorten?

Schliesslich werden im vierten Kapitel zentrale Zugangsweisen und Ansätze der sozialen

Arbeit in der Krisenintervention erarbeitet. Welche sozialarbeiterischen Zugänge und Ansätze

können in Krisensituationen unterstützend wirken?

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Abschliessend werden im fünften Kapitel zwei weiterführende Ansätze aufgezeigt, die

folgende Fragestellung fokussieren: Welche weiterführenden Ansätze können nach einer

akuten Krisenüberwindung hilfreich sein?

Erkenntnisse:

Sozialarbeitende müssen unterschiedliche Fach-, Methoden- und Selbstkompetenzen

aufweisen, um Menschen in Krisen unterstützend zu begleiten. Einerseits müssen

Sozialarbeitende über fundierte Grundlagenkenntnisse bezüglich Krisen und

Krisenintervention verfügen, um einen ersten Zugang zu einem umfassenden

Krisenverständnis sowie deren passenden Intervention zu erlangen. Hierbei ist das Wissen

über Krisengeschehnisse, verschiedene Krisenarten und deren Auslöser sowie Auswirkungen

von Krisen zentral. Das Ziel einer Krisenintervention, welches die Stabilisierung und die «Hilfe

zur Selbsthilfe» fokussiert, ist anzustreben. Aufgrund der belastenden Ausnahmesituation gilt

es, spezifischen Grundprinzipien zu folgen, wie beispielsweise dem Prinzip der

Ressourcenorientierung, der interdisziplinären Zusammenarbeit, des schnellen Beginns und

zeitlichen Begrenzung einer Krisenintervention sowie des strukturierenden Interventionsstils.

Andererseits müssen Sozialarbeitende verschiedene Zugänge und Ansätze für eine

Methodenflexibilität kennen. Dabei ist die Fähigkeit gefordert, diese falladäquat einsetzen zu

können, um der Individualität von Menschen in Krisen gerecht zu werden. Gestützt auf das

Kriseninterventionskonzept BELLA und auf den Gegenstand Sozialer Arbeit werden die

Beziehungsgestaltung, die Herstellung einer sicheren Grundlage mit ihrem schützenden

Kontext und der Herbeiführung von Entlastung, sowie die Ressourcenerschliessung, welche

die Ressourcenorientierung, Netzwerkintervention und die Copinganalyse umfasst,

thematisiert. Und nicht zuletzt müssen Sozialarbeitende eine professionelle Grundhaltung

besitzen, indem sie sich den Betroffenen und ihrer Situation empathisch zuwenden, jedoch

auch einen professionellen und tragfähigen Beziehungsaufbau anstreben.

Literaturquellen (Auswahl):

Kunz, Stefanie, Scheuermann, Ulrike & Schürmann, Ingeborg. (2009). Krisenintervention. Ein

fallorientiertes Arbeitsbuch für Praxis und Weiterbildung (3., aktual. Aufl.). Weinheim und

München: Juventa Verlag.

Sonneck, Gernot, Kapusta, Nestor, Tomandl, Gerald & Voracek, Martin. (Hrsg.). (2012).

Krisenintervention und Suizidverhütung (2., überarb. Aufl.). Wien: facultas wuv.

Stein, Claudius. (2009). Spannungsfelder der Krisenintervention. Ein Handbuch für die

psychosoziale Praxis (1., Aufl.). Stuttgart: W. Kohlhammer.

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Vorwort

Meine Motivation, die Bachelorarbeit über Krisenintervention in der Sozialen Arbeit zu

schreiben, basiert auf der Annahme, dass jeder Mensch im Verlaufe seines Lebens mit

kritischen Lebensereignissen oder Krisen konfrontiert wird. Auch die Soziale Arbeit begegnet

in vielen verschiedenen Arbeitsfeldern häufig Klientinnen und Klienten, die sich in solchen

krisenhaften Lebenssituationen befinden. Daher ist meines Erachtens die Soziale Arbeit

verpflichtet, in solchen Begegnungen eine professionelle Unterstützung bei der

Krisenbewältigung zu gewährleisten.

Es war mir wichtig, für die Bachelorarbeit ein Thema auszuwählen, das für meine zukünftige

Tätigkeit von grosser Bedeutung sein wird. Denn in meinen bisherigen Praktika begegnete ich

immer wieder Menschen, die sich in schwierigen Lebenssituationen oder sogar in

Lebenskrisen befanden. So auch in meinem ersten Praxismodul in einem Asylzentrum. Mich

interessierte hierbei, wie Krisen in ihrer subjektiven Bedeutung zu Stande kamen, aber auch

insbesondere, wie Sozialarbeitende solche Menschen in ihren Lebenslagen professionell und

adäquat begleiten sowie unterstützen können. Auch in Anbetracht meines zweiten

Praxismoduls, das ich in einer psychiatrischen Tagesklinik absolviere, wie auch für meine

zukünftige berufliche Tätigkeit, denke ich, dass das erarbeitete theoretische Grundwissen

dieser Bachelorarbeit direkt in der Praxis umgesetzt und angewendet werden kann. Da ich

selbst bereits einige Erfahrungen mit grossen Veränderungen und kritischen Lebensphasen

gemacht habe, sowie selbst vor einigen Jahren ein kritisches Lebensereignis durchlebte, zeigt

sich hier ein weiterer persönlicher Zugang. Mittels eigener Ressourcen und unterstützendem

Umfeld konnte ich dieses jedoch bewältigen und an dieser Herausforderung wachsen. Ich

denke, private wie auch berufliche Erfahrungen können zusätzlich für diese Thematik

sensibilisieren, was sich meines Erachtens auch positiv auf die empathische Fähigkeit und

den Umgang mit Menschen in solchen Lebenssituationen auswirken kann.

Es war mir ein grosses Anliegen, die Kriseninterventionsthematik möglichst allgemein zu

halten und weder mit einem spezifischen Praxisfeld oder einer spezifischen Methode, noch mit

einer konkreten Anspruchsgruppe zu verknüpfen. Das Ziel meiner Bachelorarbeit war, durch

diese Allgemeinhaltung der Thematik ein Erkenntnisgewinn zu generieren, der in

verschiedenen Praxisfeldern zur Anwendung kommen kann. Insbesondere wollte ich mich mit

der Krisenentstehung, den verschiedenen Arten und den Auswirkungen von Krisen, mit den

Grundlagen der Krisenintervention, sowie mit der professionellen Tätigkeit von

Sozialarbeitenden in diesem Themenfeld auseinandersetzen. Hierzu habe ich spezifische

Zugänge und Ansätze herausgearbeitet. Denn ich bin überzeugt, dass diese Fokussierung für

mich den grössten persönlichen Lernerfolg und Erkenntnisgewinn für meine zukünftige Praxis

birgt.

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Einleitung

Analog der Münchner Krisenstudie von Schleuning und Welschehold (2003) werden täglich,

allein im Ballungsraum München, 30 bis 40 Krisensituationen vermerkt, die innerhalb 24

Stunden professionelle Hilfe benötigen. Alarmierend ist auch die hohe Anzahl von Suiziden

(ca. 9’400/Jahr) und Suizidversuchen (ca. 100’000/Jahr), welche oft Ausdruck von

Hilfslosigkeit und Verzweiflung gegenüber Krisensituationen sind. (vgl. Crefeld & Gahleitner,

2010, S. 36) Solche Zahlen von verschiedenen Studien weisen auf die Notwendigkeit einer

adäquaten Krisenhilfe und professionellen Krisenintervention hin. Sie zeigen auf, wie präsent

Krisensituationen in der Gesellschaft und im menschlichen Leben sind. Crefeld und Gahleitner

(2010) ergänzen hier, dass infolge unbewältigter Krisen oft schwere psychosoziale,

psychische und physische Störungen sowie Krankheiten auftreten können (vgl. S. 36-37), was

einen Handlungsbedarf unterschiedlicher sozialer Professionen und die Wichtigkeit der

Thematik aufzeigt. Bei einer solchen interdisziplinären Aufgabenstellung stellt sich die Frage

nach dem sozialarbeiterischen Aufgabenbereich in der Krisenintervention. Insbesondere wie

Sozialarbeitende die Betroffenen in Krisensituationen unterstützen können und welche

Interventionszugänge sich hier anbieten. Daher lautet die Fragestellung wie folgt:

Mit welchen Zugängen und Ansätzen können Professionelle der Sozialen Arbeit in

Krisen unterstützend sein?

Um sich der Fragestellung anzunähern, werden zuerst im ersten Kapitel allgemeine

Grundlagen einer Krise erarbeitet. Dies erfolgt über eine Begriffsdefinition mit der

anschliessenden Eingrenzung auf die psychosoziale Krise. Danach werden, infolge der

Vielschichtigkeit des Krisenphänomens, drei zentrale Krisenarten aufgezeigt, um die

Subjektivität und die Krisenanfälligkeit im menschlichen Lebensverlauf zu veranschaulichen.

Da Krisen in verschiedene Richtungen verlaufen können, werden die Auswirkungen und

Folgen dargelegt. Abschliessend wird die Krise im heutigen gesellschaftlichen Wandel

verordnet. Im zweiten Kapitel werden die Grundlagen einer Krisenintervention aufgezeigt.

Hierzu werden die Begriffsdefinition, die Ziele und die Grundprinzipien der Krisenintervention

genauer erläutert. Um eine erste Orientierung für Fachkräfte zu schaffen, werden ein

allgemeines Kriseninterventionskonzept, sowie ein sozialarbeiterisches

Gesprächsphasenkonzept vorgestellt. Damit die Brücke zwischen den allgemeinen

Grundlagen von Krisen und Krisenintervention zur sozialarbeiterischen Tätigkeit geschlagen

werden kann, wird im dritten Kapitel der Gegenstand Sozialer Arbeit aufgezeigt und

eigenständig in ihrer Wichtigkeit für die Krisenintervention verknüpft. Im vierten Kapitel werden

grundlegende und hilfreiche Zugänge sowie Ansätze der Sozialen Arbeit in der

Krisenintervention dargelegt, welche sich auf die vorgängigen Inhalte beziehen. Dabei wird auf

die Interventionslogiken der Beziehungsgestaltung, Herstellung einer sicheren Grundlage

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sowie auf die Ressourcenerschliessung für eine Krisenbewältigung fokussiert. Abschliessend

werden im fünften Kapitel zwei ausgewählte Ansätze vorgestellt, die nach einer akuten Krise

angewendet werden können.

Die fachspezifische Ausrichtung dieser Arbeit fokussiert die sozialarbeiterische Tätigkeit in der

Krisenintervention sowie deren Zugänge und Ansätze. Da Krisenintervention

berufsübergreifend fungiert und somit eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert, ist es

notwendig, dass die Soziale Arbeit ihre Tätigkeitsbereiche gegenüber anderen Professionen

abgrenzt. Umso wichtiger ist es, eine passende Indikationsstellung zu gewährleisten, wobei

eine Kooperation der verschiedenen Institutionen und Professionen sicherzustellen ist (vgl.

Stein, 2009, S. 19). Des Weiteren können gemäss Stein (2009) Krisen bedeutend für die

Entstehung und den Verlauf von psychischen Störungen sein (vgl. S. 18). Auch Crefeld und

Gahleitner (2010) weisen auf die Verwobenheit von Krisen und Krankheiten hin. Denn nicht

bewältigte Krisen können schwere Erkrankungen nach sich ziehen, aber auch umgekehrt

können schwere Erkrankungen zu Krisensituationen führen. (vgl. S. 41) Aufgrund der

fokussierten Fragestellung und der Abgrenzung von anderen professionsbezogenen

Tätigkeiten, sowie infolge des begrenzten Umfangs dieser Arbeit, werden diese

Themenbereiche nicht vertieft bearbeitet. Auch ist an dieser Stelle festzuhalten, dass sich die

Soziale Arbeit klar abgrenzt von einer Psychotherapie, worauf in der nachfolgenden Arbeit

vereinzelt Bezug genommen wird. Obwohl einzelne Modelle, Zugänge und Ansätze der

Krisenintervention auch bei anderen involvierten Professionen gleich oder ähnlich sind, übt die

Soziale Arbeit einen anderen Auftrag innerhalb der Krisenintervention aus, als beispielsweise

die Psychotherapie.

In der vorliegenden Arbeit wird daher von einer klassischen Krisendefinition ausgegangen, die

primär äussere Belastungen als krisenauslösend betrachtet und somit psychische Krankheiten

als Krisenanlass ausschliesst (vgl. Stein, 2009, S. 18). Deshalb werden psychisch bedingte

Krisen nicht bearbeitet. Eine klare Eingrenzung erfolgt auch, indem sich diese Arbeit von

therapeutischen Interventionen abgrenzt. Deshalb werden die Themenfelder Medikation,

psychische oder physische Störungen sowie therapeutische Ansätze nicht vertieft behandelt,

sondern nur am Rande erwähnt, wenn dies für die Beantwortung der Fragestellung förderlich

ist.

Im Bereich der Krisenintervention scheint die Herausgeberschaft Sonneck, Kapusta, Tomandl

und Voracek (2012) sowie die Literatur von Stein (2009) führend zu sein, da sich diverse

Autorinnen und Autoren auf diese beziehen. Deshalb werden diese Werke primär für die

Grundlagenerarbeitung verwendet.

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1 Krise

Da der Krisenbegriff heutzutage teilweise ungenau verwendet wird (vgl. Stein, 2009, S. 21),

ist eine präzise Begriffsdefinition erforderlich. Daher wird im Folgenden ein Konsens der

unterschiedlichen Begriffsdefinitionen gefasst und auf die psychosoziale Krise eingegrenzt.

Anschliessend werden drei Krisenarten und deren Verläufe dargelegt, um die

Krisenanfälligkeit im menschlichen Lebensverlauf aufzuzeigen. Für ein vollumfängliches

Krisenverständnis ist es hilfreich und notwendig, sich auch mit möglichen Auswirkungen von

Krisensituationen sowie der Verordnung von Krisen im heutigen gesellschaftlichen Wandel

auseinander zu setzten.

1.1 Definition

Der Krisenbegriff findet sowohl in politischen, wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen

Phänomenen seine Verwendung, auf welche hier jedoch nicht detailliert eingegangen wird.

Dennoch ist festzuhalten, dass auch solche äusseren Belastungen für das Individuum

krisenauslösend sein können. Als Beispiele sind hier Kriegshandlungen, Naturkatastrophen

oder wirtschaftliche Krisen zu nennen, die Einfluss auf die jeweilige Lebenssituation nehmen

können. (vgl. Stein, 2009, S. 22) So könnte eine wirtschaftliche Krise ein Arbeitsplatzverlust

zu Folge haben, die sich zu einer sozialarbeiterisch zu behandelnde Krisen zuspitzen könnte.

Auch ein Verlust der Wohnform aufgrund einer Naturkatastrophe kann sozialarbeiterische

Intervention bedingen. Aber auch Belastungen wie beispielsweise Schicksalsschläge können

Anlässe für Krisen sein (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 32). Das Verständnis von Krise in dieser

Arbeit folgt in Anlehnung an die Klinische Psychologie, welche Krisen als einschneidende

Veränderungen im Leben eines Menschen versteht (vgl. Papastefanou, 2013, S. 24).

Stein (2009) weist auf die Begriffsableitung des altgriechischen Wortes «krisis» hin, die für

Wende, Höhepunkt, Umschlagpunkt oder Entscheidung steht. Genauer formuliert, bezeichnet

es den Wendepunkt eines Entscheidungsprozesses, der richtungsweisend ist. (vgl. S. 21) Die

etymologischen Wurzeln des Begriffs Krise gehen auf das Wort «krinein» zurück, was

«trennen» bedeutet. Diese Herleitung verweist auf eine Unterbrechung von etwas Gewohntem

und darauf, dass Krisen mit einem einschneidenden Ereignis einhergehen. (vgl. Filipp &

Aymanns, 2010, S. 13)

Als konstituierendes Merkmal des Krisenbegriffs nennen Filipp und Aymanns (2010) den

Wendepunkt in einem Entwicklungsgeschehen. Krisen zeichnen sich demnach durch einen

labilen Gleichgewichtszustand aus, der mit maximaler Unsicherheit einhergeht. Die

Ausgangsrichtung einer Krise ist auf ihrem Höhepunkt ungewiss – die Wendung zum Guten

wie auch zum Schlechten ist möglich. (vgl. S. 14) Denn bei solchen Lebenssituationen werden

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Anpassungsprozesse und Neuorientierungen gefordert, welche positiv oder negativ ausgehen

können (vgl. ebd., S. 24-25). Treffend zu dieser Herleitung ist auch folgende Definition einer

psychischen Krise: Eine psychische Krise ist «ein belastender, temporärer, in seinem Verlauf

und in seinen Folgen offener Veränderungsprozess der Person, der gekennzeichnet ist durch

eine Unterbrechung der Kontinuität des Erlebens und Handelns, durch eine partielle

Desintegration der Handlungsorganisation und eine Destabilisierung im emotionalen Bereich»

(Ulich, 1987, S. 51, zit. in Filipp & Aymanns, 2010, S. 14). Weiter sprechen Filipp und Aymanns

(2010) im Zusammenhang mit Lebenskrisen das Passungsgefüge an. Dabei stimmt die

Passung von Betroffenen mit ihrer jeweiligen Umwelt nicht mehr überein. Dieses

Ungleichgewicht kann somit nicht mehr durch einfach korrigierende Eingriffe ausgeglichen

werden. Demnach drohen kritische Lebensereignisse sich zu einer Krise zuzuspitzen, wenn

jegliche Versuche der Wiederherstellung der Person-Umwelt-Passung scheitern. Dieser

Verlauf ist durch eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten und Problemlösefähigkeiten

gekennzeichnet und die Person wird zunehmend emotional destabilisiert. (vgl. S. 14) Auch

Weber (2012) spricht ein bestehendes Ungleichgewicht in Krisen an. Jedoch bezieht sich

dieses mehr auf die subjektiv erlebten Schwierigkeiten und den zur Bewältigung verfügbaren

Möglichkeiten, die durch biologische und/oder psychosoziale Belastung nicht mehr

ausbalanciert werden können. (vgl. S. 80) Auch in Anlehnung an Weizsäcker (1940) werden

Krisen als Unterbrechung der Ordnung verstanden, in welcher die Fundamente erschüttert

werden und das Selbstvertrauen schwindet. Nicht krisenbezogene Lebensinhalte werden

dadurch hintergründig. (vgl. zit. in Stein, 2009, S. 20)

Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass Krisen sich durch einen entscheidenden

Wendepunkt in schwierigen Lebenssituationen auszeichnen, die von Unsicherheit, Aufregung

und Ängsten geprägt sind, eine problematische Konfrontation darstellen, in welchen

Erfahrungswerte wie auch passende Lösungsstrategien zu fehlen scheinen (vgl. Hülshoff,

2017, S. 12). Diese doch leicht voneinander abweichenden Begriffsdefinitionen und ihre

unterschiedlichen Wortverwendungen bedürfen hier noch einer weiteren Konkretisierung.

Diese stützt sich auf psychosoziale Krisen und wird nachfolgend zusammengefasst erläutert.

Sie dient zugleich als Grundstein dieser Arbeit.

1.1.1 Psychosoziale Krise

Wie vorgängig dargelegt, zeigt sich der Krisenbegriff sehr vielschichtig, deshalb führte

Sonneck den Begriff der psychosozialen Krise ein (vgl. Hülshoff, 2017, S. 13). Denn eine Krise

ist typischerweise ein komplexes, psychosomatisches und psychosoziales Geschehen, da

Krisen häufig psychische, soziale und körperliche Probleme nach sich ziehen (vgl. Stein, 2009,

S. 151).

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Unter psychosozialer Krise verstehen Sonneck et al. (2012) in Anlehnung an Caplan (1964)

und Cullberg (1978) «den Verlust des seelischen Gleichgewichts, den ein Mensch verspürt,

wenn er mit Ereignissen und Lebensumständen konfrontiert wird, die er im Augenblick nicht

bewältigen kann, weil sie von der Art und vom Ausmass her seine durch frühere Erfahrungen

erworbenen Fähigkeiten und erprobten Hilfsmittel zur Erreichung wichtiger Lebensziele oder

zur Bewältigung seiner Lebenssituation überfordern» (S. 15).

Basierend auf und ergänzend zu dieser Definition formulierte Stein (2009) allgemeine

Charakteristiken einer psychosozialen Krise wie folgt:

«Konfrontation mit belastenden Ereignissen oder neuen Lebensumständen, die

wesentliche Lebensziele in Frage stellen

Gewohnte Problembewältigungsstrategien versagen

Dies macht die Situation rasch bedrohlich und führt zu einer massiven Störung des

psychosozialen Gleichgewichts

Beeinträchtigung des Selbstwertgefühls

Der Vorgang ist zeitlich begrenzt – es wird versucht, möglichst rasch ein neues

Gleichgewicht herzustellen

Wichtige Weichenstellungen für die Zukunft:

Je nachdem ob konstruktive oder destruktive Bewältigungsschritte überwiegen, besteht

die Chance zur Weiterentwicklung und Reifung oder es entstehen spezifische

Gefährdungen und Fehlentwicklungen» (S. 23)

Die oft überraschende Konfrontation mit belastenden Ereignissen und Lebensumständen,

erscheinen durch Versagen der üblichen Bewältigungsstrategien sehr bedrohlich, was zu einer

innerpsychischen und sozialen Labilisierung führen kann. Gefühle der Angst, Überforderung,

Hilflosigkeit und Kontrollverlust können sich einstellen, wobei das seelische Gleichgewicht wie

auch das Identitätserleben erschüttert werden. Viel Energie wird in die Problembewältigung

investiert, wodurch andere Lebensbereiche in den Hintergrund rücken und dort zusätzliche

Probleme entstehen können. (vgl. Stein, 2009, S. 22-23) Von psychosozialen Krisen sind

gemäss Stein (2009) vor allem schwere psychische Störungen zu unterscheiden (vgl. S. 22),

welche in dieser Arbeit nicht vertieft bearbeitet werden.

1.2 Arten von Krisen

Abgesehen von einer Begriffsdefinition scheint es essentiell für ein zusammenhängendes

Krisenverständnis, sich mit den verschiedenen Krisenarten, deren Verläufen und

Herausforderungen auseinanderzusetzen. Denn gemäss Stein (2009) gehören

aussergewöhnliche Herausforderungen, Belastungen sowie Krisen zum Leben. Jeder Mensch

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begegnet solchen Situationen in unterschiedlichen Lebensphasen und Lebensaltern. Doch

nicht jedes belastende Ereignis und jeder herausfordernde Lebensumstand führt automatisch

zu einer Krise. Wie bereits erwähnt, ist dies jeweils abhängig von den verfügbaren Ressourcen

und insbesondere von den eigenen Bewältigungsstrategien. (vgl. S. 20)

Die folgende Klassifizierung stützt sich mehrheitlich auf diejenige von Stein (2009). Auch

Hülshoff (2017) stützt sich auf Steins unterschiedliche Klassifizierungen und deren Kategorien:

Verlustkrisen, Krisen bei Lebensveränderung, Entwicklungskrisen, akute Traumatisierung,

posttraumatische Belastungsstörungen, Zustände des Burnouts, narzisstische Krisen (bei

Persönlichkeitsstörung) sowie psychiatrische Notfälle (vgl. S. 15). Aufgrund der in der

Einleitung genannten Abgrenzung zu anderen Professionstätigkeiten sowie in Anbetracht des

beschränkten Umfangs dieser Arbeit, werden hier drei ausgewählte Krisenarten genauer

beleuchtet. Anhand dieser Auswahl soll die Heterogenität und die Subjektivität von Krisen

aufgezeigt und damit ein praktischer Bezug geschaffen werden.

1.2.1 Verlustkrisen

Fast jeder Mensch wird in seinem Leben mit Verlusten konfrontiert, welche jedoch nicht

zwingend zu Krisen führen müssen. Dennoch gehören solche Erfahrungen zu den

schmerzlichsten, da sie meist nicht vorhersehbar sind. (vgl. Stein, 2009, S. 49) Dieses

Charakteristikum macht gemäss Sonneck et al. (2012) eine Vorbereitung schlecht möglich,

wodurch sie nicht leicht zu verarbeiten sind (vgl. S. 64). Krisen werden durch die

unterschiedlichsten Formen von Verlusten ausgelöst. So kann eine Verlustkrise durch die

Trennung oder durch den Tod einer nahestehenden Person hervorgerufen werden. Auch kann

eine Verlustkrise durch die Einbusse von körperlicher Gesundheit und Unversehrtheit

entstehen, wie zum Beispiel durch Unfallfolgen oder durch schwere Krankheiten. Nicht zu

vergessen sind aber auch symbolische Verluste, wie etwa von Lebenszielen und zentralen

Werten, die eine Verlustkrise auslösen können. (vgl. Stein, 2009, S. 49) Hülshoff (2017) nennt

hierzu noch den Verlust des subjektiven und objektiven Integritätsgefühls, das beispielsweise

nach einer krebsbedingten Brustamputation auftreten kann (vgl. S. 15). Häufig werden solche

schmerzhaften Erfahrungen von einem Trauerprozess begleitet. Dennoch ist eine

Gleichsetzung eines Trauerprozesses und einer Verlustkrise nicht zulässig, da nicht aus jedem

Trauerprozess eine Krise entsteht. (vgl. Stein, 2009, S. 49) Denn schmerzhafte Erfahrungen

spitzen sich erst zu einer Verlustkrise zu, wenn persönliche Bewältigungsstrategien und

Verarbeitungsmodi stark überfordert sind. Dies wiederum ist abhängig von der Verluststärke

für die jeweilige Person, aber auch von dem unterstützenden Umfeld, den eigenen

Erfahrungen, der eigenen Vulnerabilität oder von zusätzlich existierenden Belastungen. (vgl.

ebd., S. 50)

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Hülshoff (2017) weist darauf hin, dass sich bei Verlustkrisen eine erhöhte Verletzlichkeit sowie

Trauer und Kummer einstellen, die auch mit einer Depressionsgefährdung einhergehen

können. Die Krisenintervention bietet sich gut für eine Überwindung solcher Krisen an. Sind

jedoch Übergänge zu einer Depression zu bemerken, sollte eine psychotherapeutische

Behandlung in Betracht gezogen werden. (vgl. S. 15)

Cullberg (1978) konzeptualisiert erstmals durch Verlust ausgelöste Krisen, welche er als

traumatische Krisen bezeichnet, wie folgt: «Die traumatische Krise ist eine durch einen

Krisenanlass mit subjektiver Wertigkeit plötzlich aufkommende Situation von allgemein

schmerzlicher Natur, die auf einmal die psychische Existenz, die soziale Identität und

Sicherheit und die fundamentalen Befriedigungsmöglichkeiten bedroht« (zit. in Stein, 2009, S.

57).

Verlauf von Verlustkrisen bzw. traumatischen Krisen

Der nachfolgende schematische Krisenverlauf stützt sich auf das Verlaufsschema von

Cullbergs sogenannter traumatischen Krise. Da beide Begrifflichkeiten sich durch Verlust

ausgelöste Krisen auszeichnen (vgl. Stein, 2009, S. 57), kann dieses Verlaufsschema an

dieser Stelle beigezogen werden.

1. Phase – Schockphase

Der Krisenschock ist die erste Reaktion auf einen Krisenanlass, der von kurzer Dauer ist

(wenige Sekunden bis zu einem Tag). Die Wirklichkeit wird hierbei abgeschirmt. Aufgrund der

seelischen Aufruhr zeigen sich ziellose Aktivitäten oder ein Rückzug im Verhalten der

Betroffenen. Der Zustand der Betroffenen kann mit dem Begriff der «Betäubung» gefasst

werden, denn es existiert kein Bezug zur Realität. (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 16, 33-34)

Abbildung 1: Krisenverlauf nach Cullberg

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2. Phase – Reaktionsphase

In dieser Phase findet eine Konfrontation mit der Realität statt. Betroffene versuchen mittels

psychischer Abwehrmechanismen die Wirklichkeit zu integrieren, wobei häufig

Verdrängungsphänomene, starke Abhängigkeitswünsche, Rationalisierung der Ereignisse,

Sozialer Rückzug oder selbstzerstörerische Tendenzen wie Alkoholkonsum oder

Medikamentenmissbrauch auftreten. Diese Phase ist durch emotionale Reaktionen

gekennzeichnet. Zudem birgt diese Phase auch eine Chronifizierungsgefahr, wenn

Hilfsstrukturen nicht greifen und die Betroffenen sich isolieren. Diese Phase zeichnet sich

demzufolge durch ein erhöhtes Gefahrenpotenzial aus, wobei Apathie, Verzweiflung,

Depressivität, Hoffnungslosigkeit, Hilflosigkeit, Aggression, Wut, Trauer und oft schwere

körperliche Begleitsymptome auftreten können. Zwischenzeitlich können sich jedoch auch

Zeiten der Entlastung einstellen, die Raum für eine Bearbeitung und Neuorientierung zulassen.

(vgl. Sonneck et al., 2012, S. 16, 34)

3. Phase – Bearbeitungsphase

Langsam lösen sich Betroffene vom Schock und zeigen Interesse an Zukunftsperspektiven.

Diese Phase wechselt sich jedoch immer wieder mit der vorherigen ab, da ein neues

Aufflackern der Reaktionsphase während der Krisenbearbeitung möglich ist. (vgl. Sonneck et

al., 2012, S. 16, 34)

4. Phase – Neuorientierung

In der Neuorientierung kann sich der Wendepunkt einer Krise zeigen, wobei die Krise als

innovative Chance, im Sinne von neu gewonnenen Lebenserfahrungen, genutzt werden kann.

Das Selbstwertgefühl steigt und beispielsweise können neue Beziehungen

wiederaufgenommen und gepflegt werden. (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 16-17, 34)

Stein (2009) weist darauf hin, dass der Begriff «Verlustkrise» dem der «traumatischen Krise»

vorzuziehen ist (vgl. S. 50). Denn seiner Ansicht nach kann der Begriff «traumatische Krise»

zu Missverständnissen führen, da dadurch eine traumatische Qualität assoziiert wird. Die

Abgrenzung von posttraumatischen Belastungsreaktionen zu Krisen ist wichtig, da sich

Verlustkrisen trotz Verlaufsparallelen massgeblich in den Vorgängen und in der Art der

Intervention unterscheiden. (vgl. ebd., S. 57) Des Weiteren ist anzumerken, dass krisenhafte

Entwicklungen, die durch Verluste ausgelöst werden, häufig für das Umfeld der Betroffenen

gut nachvollziehbar sind. Daher bieten diese oft ihre Unterstützung an. Wenn ein tragfähiges

soziales Netzwerk existiert, kann auf diesem aufgebaut und als Ressource für den

Bewältigungsprozess genutzt werden. (vgl. ebd., S. 49)

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1.2.2 Veränderungskrisen

Veränderungen gehören zum Leben und werden von vielen als positive Ereignisse erlebt (vgl.

Sonneck et al., 2012, S. 36). Veränderungskrisen zeichnen sich jedoch dadurch aus, dass sich

Ereignisse im üblichen Lebensverlauf als krisenauslösend entwickeln. Eine Zuspitzung zu

einer Krise erfolgt oft durch Befürchtungen, Ängste, Verunsicherungen und Überforderungen.

So zum Beispiel kann der Umzug in eine eigene Wohnung, eine Heirat, ein Familienzuwachs,

ein Arbeitsplatzwechsel (vgl. Stein, 2009, S. 60), eine Pensionierung, die Konfrontation mit

dem Sterben (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 36) oder finanzielle Engpässe bei alleinerziehenden

Elternteilen eine Bedrohung darstellen und krisenauslösend wirken. Diese Vielschichtigkeit

von Krisenanlässen deutet auch auf den subjektiven Bedeutungscharakter der Betroffenen

hin. Solche subjektiven Krisenanlässe, welche sich anfänglich teils auch als ein positiver

Anlass zeigen können, können bei Betroffenen, aber auch deren Umfeld nicht immer

nachvollzogen werden, was das eigene Unbehagen noch mehr verstärken kann. Demnach

hängen Veränderungskrisen noch mehr von der subjektiven Bedeutung, von der jeweiligen

individuellen Krisenanfälligkeit und von der Persönlichkeit ab, als bei Verlustkrisen.

Charakteristisch für Veränderungskrisen ist, dass diese sich eher schleichend über einen

längeren Zeitraum zuspitzen. Oft treten sie erst ein, wenn jegliche Bewältigungsversuche

erschöpft sind. (vgl. Stein, 2009, S. 60)

Verlauf von Veränderungskrisen

Caplan (1964) hat einen vierphasigen Verlauf für Veränderungskrisen erarbeitet, wobei das

akute Stadium erst Ende der dritten Phase eintritt und in der vierten voll ausgeprägt ist (vgl.

zit. in Sonneck et al., 2012, S. 36). Erst in der anschliessenden Phase der Bearbeitung und

Neuorientierung können Krisen beendet werden. Hierzu werden oft auch externe Hilfen

beigezogen. (vgl. Hülshoff, 2017, S. 16)

Abbildung 2: Krisenverlauf nach Caplan

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1. Phase – Konfrontation

Während der Konfrontationsphase greifen die gewohnten Problemlösungsversuche nicht

mehr. Persönliche Fähigkeiten, erworbene Strategien und übliche Hilfsmittel zeigen keine

Wirkung mehr und führen zu Spannungen und Unbehagen. (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 17,

36)

2. Phase – Versagen

Der Betroffene nimmt wahr, dass er die Situation nicht mehr bewältigen kann, was das Gefühl

des Versagens hervorruft. Dadurch sinkt das Selbstwertgefühl und der innere Druck steigt an.

Durch die starke innere Not sind Betroffene in dieser Phase besonders bereit, Hilfe

anzunehmen, was die Interventionschance für Helfende erhöht. (vgl. Sonneck et al., 2012, S.

17, 36)

3. Phase – Mobilisierung

Der innere Druck wächst zunehmend, wodurch ungewohnte und neue Mobilisierung

hervorgerufen werden. Dies kann zu zwei unterschiedlichen Resultaten führen. Entweder wird

die Krise mit den neuen Strategien bewältigt oder es erfolgt ein Rückzug aus der Situation.

Beim letzteren wiegt die Gefahr der Chronifizierung besonders schwer, da Ziele aufgegeben

werden und sich eine Resignation einstellt. (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 17, 36)

4. Phase – Vollbild der Krise

Das Vollbild einer Krise zeigt sich, wenn weder die neuen Bewältigungsstrategien erfolgreich

waren, noch ein Rückzug möglich war. Hierbei entsteht ein unerträglicher innerer Druck.

Dieser enorme Druck führt dazu, dass Betroffene rat- und orientierungslos sind. Äusserlich

können diese ruhig wirken, innerlich entsteht jedoch ein tiefgreifendes Chaos, das sich durch

Verzerrung und Verleugnung der Wirklichkeit sowie Konfusionen und Desintegration zeigen

kann. Betroffene sind in ihrem Denken, Fühlen und Handeln gelähmt. Aber auch ungesteuerte

Verhaltensweisen wie Schreien, Toben oder Suizidhandlungen können sich aufgrund dieses

inneren Chaos zeigen. Diese Phase entspricht der Reaktionsphase von Cullberg, die Gefahren

von Krankheiten, Substanzmissbrauch, Chronifizierung und suizidalem Verhalten bergen. (vgl.

Sonneck et al., 2012, S. 17, 37)

5. & 6. Phase – Bearbeitung & Neuanpassung

Der Fokus liegt auf der Bearbeitung des Krisenanlasses, der Situationsveränderung sowie

möglicher Konsequenzen und Belastungen. In der Phase der Neuanpassung werden an die

veränderte Situation neue Anpassungsstrategien entwickelt. (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 37)

Besonders bei Übergängen in Lebensabschnitte und Lebensbereiche, welche

Neuanpassungen, Ablaufsänderungen und Entwicklungsaufgaben mit sich bringen, können

sich Veränderungskrisen entwickeln. Insbesondere in eigenen widersprüchlichen

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Zielsetzungen und motivationalen Konflikten besteht die Gefahr der Überforderung. (vgl. Stein,

2009, S. 60) Genau an dieser Stelle in Bezug auf Entwicklungsaufgaben zeigen sich auch

Überschneidungen zu dem nachfolgenden Unterkapitel der Entwicklungskrisen. Diese werden

zusätzlich separat erwähnt, da besonders für Sozialarbeitende auch

entwicklungspsychologische Aspekte eine zentrale Rolle im Fallverstehen und somit in den

Zugangsweisen für eine professionelle Begleitung in der Krisenintervention darstellen.

1.2.3 Entwicklungskrisen

Entwicklungskrisen fokussieren, im Unterschied zu den bisher genannten Krisenformen,

weniger externe Ursachen, sondern vielmehr typische und unausweichliche Übergänge im

menschlichen Leben. Diese Übergänge bergen Krisenpotenzial, da sie neuartige

Entwicklungsaufgaben darstellen, für deren Bewältigung Erfahrungswerte fehlen. (vgl.

Hülshoff, 2017, S. 16)

Zentral für das Verständnis von Entwicklungskrisen ist das Konzept von Erikson.

Vordergründig bei diesem Konzept ist die Persönlichkeits- und Identitätsbildung. Der

Kerngedanke dieses Konzepts beruht in der Annahme, dass jeder Mensch in seinem Leben

kritische Phasen durchlebt, in welchen er sich mit existenziellen, neuen Aufgaben konfrontiert

sieht. (vgl. Stein, 2009, S. 65) Erikson gliedert das menschliche Leben in verschiedene

Lebensstadien, in welchen bestimmte psychosoziale Entwicklungsaufgaben zu lösen sind,

wobei die Bewältigung gelingen oder scheitern kann. Demnach kann jeder einzelne

Entwicklungsschritt als potenzielle Krise erscheinen. (vgl. Ortiz-Müller, 2010, S. 67) Den

jeweiligen Stadien liegen spezifische Grundkonflikte zugrunde. Mittels geglückter Bewältigung

dieser Grundkonflikte kann eine neue Stufe der Identitätsentwicklung erreicht werden. (vgl.

Stein, 2009, S. 65) Werden vorherige Phasen und deren Entwicklungsaufgaben nicht

gelingend abgeschlossen, kann es zu einer Identitätsdiffusion kommen, die sich negativ auf

den weiteren Entwicklungsverlauf und Lebensvollzug auswirken kann. Diese

Identitätsdiffusion kann sich beispielsweise in Angstzuständen, einem Leistungsabfall oder in

Substanzkonsum äussern. (vgl. Ladisich-Raine & Pernter, 2012, S. 339) Zentral ist, dass die

krisenauslösenden Aspekte der Entwicklungskrisen nach Erikson nicht primär im

Missverhältnis von äusseren Belastungen und verfügbaren Problembewältigungsstrategien zu

suchen sind, sondern vor allem in Persönlichkeits- und Identitätsentwicklungen liegen (vgl.

Stein, 2009, S. 65). Eriksons Ansatz veranschaulicht so auch, «dass Krisen zum Leben

dazugehören» (Ortiz-Müller, 2010, S. 68).

Entwicklungskrisen stellen demnach kritische Lebensabschnitte dar, die mit tiefgreifenden

Veränderungen im Selbsterleben und in Beziehungen verbunden sind. Daher reagiert der

Mensch in solchen Lebensphasen empfindlicher auf äussere Belastungen, zeigt sich

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dementsprechend eher labilisiert und ist somit auch anfälliger für eine zugespitzte

Krisenentwicklung. Infolge dieser Vulnerabilität können Menschen häufiger in eine

psychosoziale Krise geraten. (vgl. Stein, 2009, S. 68) Obwohl Krisen in allen Lebensphasen

und Entwicklungsaufgaben auftreten können, weisen Sonneck et al. (2012) darauf hin, dass

sich besonders Jugendliche (Pubertätskrisen) sowie ältere Menschen (infolge von innerer und

äusserer Isolierung und Mehrfachbelastung) als krisenanfällig zeigen (vgl. S. 66). Festzuhalten

ist auch hier, dass bei missglückter Bewältigung von Grundkonflikten andere therapeutische

Hilfestellungen zugezogen werden sollten. Krisenintervention scheint bei solchen, meist länger

andauernden Störungen und Problemen nicht sinnvoll zu sein. (vgl. Stein, 2009, S. 68)

Demzufolge muss hier eine Abgrenzung zum sozialarbeiterischen Handeln ohne

Zusatzausbildung erfolgen. Eine professionelle Triage zu einem therapeutischen Setting

scheint in solchen Fällen notwendig.

Verlauf von Entwicklungskrisen

Ladisich-Raine und Pernter (2012) heben den Zusammenhang zwischen Entwicklungskrisen

und Veränderungskrisen hervor. Dieser zeigt sich anhand der Bewältigung einer

Veränderungskrise, welche eine Neuorientierung des Individuums, einerseits in Bezug auf sich

selbst und andererseits bezüglich seiner Umwelt, erfordert. Durch diese Neuorientierung

entwickelt sich der Mensch weiter, wobei es bei einer gescheiterten Neuorientierung zu der

bereits genannten Identitätsdiffusion kommt. (vgl. S. 338-339) Somit stellen

Entwicklungskrisen oft auch Veränderungskrisen dar oder können sich auch wechselseitig

bedingen. Eine konkrete schematische Verlaufsdarstellung einer Entwicklungskrise, wie

vorgängig bei den Verlust- oder Veränderungskrisen, konnte nicht ausfindig gemacht werden.

Anhand der Ausführungen von Ladisich-Raine und Pernter (2012) kann nun aber

geschlussfolgert werden, dass Entwicklungskrisen in ihrem Verlauf dem bereits erwähnten

Verlaufsschema der Veränderungskrise entsprechen. Zudem wurde vorgängig bereits

aufgezeigt, dass sich Veränderungskrisen oft auch an Übergängen von Lebensphasen

entwickeln, in welchen Neuanpassungen erforderlich werden und Entwicklungsaufgaben zu

lösen sind (siehe Kapitel 1.2.2).

Die hergeleiteten Krisenmodelle haben keineswegs den Anspruch eines

Klassifizierungsversuchs mit bestimmten Vorgehensweisen für Professionelle. Denn auch

gemäss Papastefanou (2013) scheint es fraglich, solche Klassifizierungen und universelle

Modelle zu fixieren, da Verarbeitungsmuster und Bewältigungsformen von Krisen sehr

individuell sind und demzufolge auch die Interventionen und deren Zugänge im Einzelfall (vgl.

S. 24, 43). Auch die dargelegten Phasenmodelle verlaufen nicht strikt linear in der

Krisenbewältigung, da sich der Mensch in stetiger Wechselwirkung und in der

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Auseinandersetzung mit der zu bewältigenden Umwelt befindet (vgl. Ortiz-Müller, 2010, S. 68).

Denn es ist «fast ausgeschlossen, interindividuelle Regelhaftigkeiten aufzustellen für den

Zusammenhang von bestimmten auslösenden Ereignissen mit der Notwendigkeit und

Intensität einer eintretenden Krise und für jeweils typische Bewältigungsformen» (ebd., S. 70).

Daher sollte die subjektive Bedeutung des Krisengeschehens stets beachtet werden (vgl. ebd.,

S. 70). Die Modelle sollen hingegen veranschaulichen, wie vielschichtig und subjektiv

Krisensituationen sein können und wie der Mensch in seinem Lebenslauf mit

Herausforderungen konfrontiert wird. Auch sollte aufgezeigt werden, wie mögliche

Krisenverläufe sich äussern und zu welchem Zeitpunkt bestenfalls interveniert werden sollte.

1.3 Auswirkungen von Krisen

Wie vorgängig angedeutet, können bei missglückter Krisenbewältigung tiefgreifende Folgen

entstehen. Auf solche Auswirkungen wird in diesem Kapitel nun vertiefter eingegangen.

Hierbei werden auf die Parallelen zwischen krisenbedingten Symptome und Krankheiten nur

bedingt eingegangen. Doch Krisen bergen nicht nur Gefahren, sondern auch Chancen, wie

anschliessend dargelegt wird.

1.3.1 Gefahrenaspekt

Krisen sind meist ein komplexes psychosomatisches Geschehen, welches oft von evidenten

Symptomen begleitet wird. Durch die subjektiv unerträgliche und überfordernde Situation

können Symptome entstehen, die als Anpassungsversuch verstanden werden können. Das

Spektrum umfasst hier sowohl psychische Symptomatik, welche meist Angst-, Erregungs- und

Spannungszustände sowie depressive Verstimmungen umfassen, als auch vielschichtige

somatische Begleitsymptome, wie Schlafstörungen oder körperliche Leiden, welche von

Magen-Darm-Problemen bis hin zu Hautirritationen reichen können. Häufig stellen somatische

Begleitsymptome den primären Grund des Aufsuchens von Hilfe dar. (vgl. Stein, 2009, S. 40)

Da sich Krisen durch Überforderungssituationen auszeichnen, können sie die Gefahr

fehlgeleiteter Selbstheilungsversuche oder dysfunktionaler Lösungsstrategien bergen, die zu

lebensbedrohlichen Gefährdungen wie etwa Suizidalität, selbstverletzendem Verhalten oder

Drogenmissbrauch führen können. Länger andauernde überfordernde Krisensituationen

können sich auch, wie bereits im vorherigen Kapitel gezeigt, zu einer Chronifizierung

entwickeln, die zum Beispiel körperliche oder schwere seelische und psychische

Erkrankungen hervorrufen können. (vgl. Hülshoff, 2017, S. 12) Zudem können

schwerwiegende Entwicklungsstörungen, wie zum Beispiel psychosoziale Isolation oder

Rückzug, als Folge von Krisen erscheinen (vgl. ebd., S. 13). Auch Ortiz-Müller (2010) weist

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auf die Chronifizierung durch das wiederholte Scheitern von Krisenbewältigung hin, wie etwa

bei Vermeidungsverhalten oder destruktiven Bewältigungsmustern (vgl. S. 69). Jedoch ist zu

erwähnen, dass Krisen nicht die Ursache von psychischen Störungen sind, sondern diese

«nur» eine auslösende Funktion innehaben (vgl. Papastefanou, 2013, S. 44).

Auch Stein (2009) weist explizit darauf hin, dass eine psychosoziale Krise kein krankhafter

Zustand ist, weshalb sie auch nicht im Diagnosehandbuch ICD-10 (International Statistical

Classification of Diseases and Related Health Problems) aufgeführt wird. Seiner Meinung

nach, lassen sich krisenhafte Zustände, der Symptomatik entsprechend, noch am ehesten

unter den Kategorien akuter Belastungsreaktionen (F43.0) und Anpassungsstörungen (F43.2)

erfassen. (vgl. S. 41) Dies vor allem mit der Begründung, dass «der zeitliche Zusammenhang

zwischen einem aussergewöhnlich belastenden Lebensereignis oder einer besonderen

Veränderung im Leben und der Symptomentstehung» (ebd., S. 41) bestehe. Auch wird im

ICD-10 der Schweregrad der Belastungsreaktion unter anderem von den verfügbaren

Bewältigungsstrategien abhängig gemacht (vgl. ebd., S. 41). Akute Belastungsreaktion wird

als vorübergehende Störung bezeichnet, die sich als eine Reaktion auf eine

aussergewöhnliche Belastung entwickelt. In der Regel klingt sie innerhalb von Stunden oder

Tagen wieder ab. Sie ist üblicherweise gekennzeichnet durch eine Art Betäubung, die durch

Bewusstseinseinengung, eingeschränkte Aufmerksamkeit und Desorientiertheit

charakterisiert ist. (vgl. Papastefanou, 2013, S. 44) Stein (2009) sieht hier die Parallelen zur

genannten Schockphase (vgl. S. 41). Die Anpassungsstörung zeichnet sich hingegen durch

eine längerfristige Krisenreaktion aus, die subjektives Leiden und eine emotionale

Beeinträchtigung nach sich zieht und die sozialen Funktionen sowie Leistungen behindert.

Anzeichen können depressive Stimmungen, Angstzustände sowie Schwierigkeiten bei der

Alltagsbewältigung sein. Anpassungsstörungen treten meist ab einem Monat nach dem

Ereignis ein und dauern bis zu sechs Monaten. (vgl. Papastefanou, 2013, S. 44) Zusätzlich

führt Papastefanou (2013) die posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) auf, welche jedoch

eine Reaktion auf traumatische Ereignisse darstellt. Sie erfordert eine längerdauernde Psycho-

oder Traumatherapie, um sie zu behandeln. (vgl. S. 45) Gestützt auf das Diagnosehandbuch

ICD-10 ordnet Ortiz-Müller (2010) die PTBS als eine Folgestörung einer zunächst nicht

ausreichend bearbeiteten Traumatisierung ein, wobei er dafür plädiert, dass dies keine

Subform einer Krise darstellt (vgl. S. 69).

Papastefanou (2013) hält jedoch fest, dass in vielen Fällen Krisenreaktionen subklinisch

bleiben, da sie vielfach vorübergehende Irritationen darstellen, die sich nach dem Überwinden

der emotionalen Ausnahmesituation wieder zurückbilden. Daher stellen Krisen grundsätzlich

keinen Krankheitswert dar und hinterlassen bei einer erfolgreichen Bewältigung auch keine

langfristigen Beeinträchtigungen. Erst nach einer bestimmten andauernden Intensität können

Krisenreaktionen behandlungsbedürftig werden. (vgl. S. 44)

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1.3.2 Chancenaspekt

Die vorgängigen Herleitungen der verschiedenen Krisenarten weisen darauf hin, dass jeder

Mensch im Laufe seines Lebens mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert wird.

Auch wurde ersichtlich, dass sich solche Herausforderungen erst zu einer Krise entwickeln,

wenn die individuellen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen, sich ein seelisches

Ungleichgewicht einstellt und die Situation zu einer akuten Überforderung führt. Doch Krisen

bergen nicht nur Risiken, sondern auch die Chance zur Veränderung im Sinne eines inneren

Wachstums (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 29).

Diese Beidseitigkeit findet sich auch im chinesischen Begriff für eine Krise wieder. Dieser setzt

sich aus den zwei Schriftzeichen «Wie» und «Ji» zusammen, wobei ersteres Gefahr und

folgendes Chance bedeutet. Daher weist das Schriftzeichen «Ji» explizit auf den

Chancenaspekt einer Krise hin. (vgl. Stein, 2009, S. 21) Passend hierzu das folgende Zitat

von Max Frisch: «Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihr nur den Beigeschmack der

Katastrophe nehmen» (zit. in Stein, 2009, S. 20).

Auch Papastefanou (2013) weist darauf hin, dass Krisen nicht nur schädigend sind. Vielmehr

stellen diese einen Wendepunkt im Leben dar, der bei erfolgreicher Bewältigung die Chance

zu Reifungsprozessen und Weiterentwicklung beinhaltet. (vgl. S. 14) Auch Erikson (1973)

betrachtet Krisen als notwendig, um ein höheres Entwicklungsniveau zu erlangen, im Sinne

einer Reifungskrise eines erneuten Entwicklungsschrittes (vgl. zit. in Weber, 2012, S. 80).

Die erfolgreiche Bewältigung einer krisenhaften Lebenssituation kann zudem Gefühle der Kraft

und Erleichterung nach sich ziehen, wenn nicht teils gar Zufriedenheit und Stolz, diese

gemeistert zu haben (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 29). Des Weiteren können sich bei einer

erfolgreichen Bewältigung neue Erfahrungen und Problemlösungsstrategien entwickeln, die

einen persönlichen Reifungsprozess anregen (vgl. Stein, 2009, S. 20). Gemäss Hülshoff

(2017) können auch Selbstvertrauen und Selbstsicherheit durch die gemeisterte Erfahrung

gestärkt werden (vgl. S. 19). Demnach gehen Menschen nach einer erfolgreich bewältigten

Krise gestärkt hervor, da sie sich neue Bewältigungskompetenzen aneignen konnten, die bei

späteren kritischen Lebensereignissen oder Lebenskrisen angewendet werden können (vgl.

Filipp & Aymanns, 2013, S. 25). In diesem Sinne bringt eine erfolgreiche Krisenbewältigung

bereichernde Lebenserfahrungen, Lösungsstrategien sowie neue Freiheitsgrade und

Handlungsmöglichkeiten hervor (vgl. Hülshoff, 2017, 19).

Abschliessend festzuhalten ist, dass Krisen teilweise sogar als notwendig erachtet werden,

um Veränderungsprozesse in Gang zu setzen (vgl. Filipp & Aymanns, 2013, S. 25), wobei

Kompetenzen und Bewältigungsstrategien erweitert werden und sich neue

Handlungsspielräume eröffnen (vgl. Hülshoff, 2017, S. 19). Denn «man darf eine Krise niemals

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ungenutzt verstreichen lassen. Eine Krise bietet die Möglichkeit, Dinge zu tun, die man

andernfalls vermeiden würde» (Rahm, 2008, zit. in Stein, 2009, S. 151).

Das Wissen über mögliche Auswirkungen von Krisen gehört demnach zur Fachkompetenz

von Professionellen in der Krisenintervention. Dies vor allem, um das Krisengeschehen

nachzuvollziehen und passende Interventionen für eine Symptomlinderung und für eine

Stabilisierung einzuleiten. Nicht nur die negativen Auswirkungen von Krisen sind zu beachten,

sondern auch die positiven Möglichkeiten für einen Reifungsprozess im Sinne eines

persönlichen Fortschritts.

1.4 Gesellschaftlicher Wandel in Bezug auf Krisen

Die heutigen gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen zeichnen sich durch eine

Enttraditionalisierung aus, die einerseits als Befreiung aus den traditionellen Lebensmodellen

betrachtet werden kann. Andererseits kann der neu gewonnene Spielraum der

Selbstgestaltung und durch den Verlust des Gewohnten, für viele Menschen Unsicherheiten

und Ängste bergen. Dieser Prozess ist durch zunehmende Individualisierung und

Pluralisierung gekennzeichnet, wodurch sich mögliche Lebensformen wie auch Vorstellungen

von Normalität vervielfältigen. Dies hat zur Folge, dass nicht nur die Wahlmöglichkeiten

gesteigert werden, sondern dass das Individuum zwangsläufig auch auswählen muss.

Selbstverständlichkeiten sowie etablierte Verhaltens- und Denkmuster, auf welche nicht mehr

ohne weiteres zurückgegriffen werden kann, lösen sich zunehmend auf. (vgl. Keupp, 2010, S.

26-27) Solche gesellschaftliche Dynamiken, die an Stabilität verlieren, prägen die Lebensform

der Menschen. Gemäss Keupp (2010) wird diese Tendenz des Auflösens von Normalität und

alltäglicher Selbstverständlichkeit «als Zustand der permanenten Krisenhaftigkeit» betrachtet

(vgl. S. 26). Demnach können heutige Entwicklungstendenzen infolge der Krisenhaftigkeit

auch vermehrt zu Krisenzuspitzungen führen.

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2 Krisenintervention

Im folgenden Kapitel werden die wichtigsten Grundlagen der Krisenintervention erarbeitet.

Zunächst wird eine begriffliche Definition erläutert, sowie der Anwendungsbereich und seine

Abgrenzung klar dargelegt. Anschliessend werden die Ziele wie auch die spezifischen

Grundprinzipien der Krisenintervention aufgezeigt. Zum Schluss werden ein allgemeines

Kriseninterventions- und ein Gesprächsphasenkonzept vorgestellt, welche sich als

Orientierung für Fachkräfte eignen.

2.1 Definition und Abgrenzung

Die Krisenintervention umfasst jegliche Handlung, die hilfreich für eine Bewältigung der

aktuellen Schwierigkeiten ist, um negative soziale, psychische und medizinische Folgen

vorzubeugen oder abzuwenden (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 15). Konkret umfasst sie

demnach sämtliche Handlungen zur Linderung von krisenbedingten Leidenszuständen. (vgl.

ebd., S. 65). Sie beinhaltet die Begleitung von Menschen in schwierigen Lebenslagen und

unterstützt diese in der Wiedererlangung ihrer Handlungsfähigkeit, sodass nach Abschluss der

Intervention ein höheres Funktionsniveau erreicht wird (vgl. Papastefanou, 2013, S. 39). Stein

(2009) bezeichnet Krisenintervention als eine eigenständige Methode der Beratung, Therapie

und Behandlung, mit der Menschen in akuten Phasen psychosozialer Krisen unterstützt

werden. Sie gilt als ein berufsgruppen- und methodenübergreifender, integrativer

Behandlungsansatz. (vgl. S. 151)

Eine Definitionsvariante nach Sonneck et al. (2012) lautet wie folgt: «Krisenintervention ist jene

Form psychosozialer Betreuung und Behandlung, die sich mit Symptomen, Krankheiten und

Fehlhaltungen befasst, deren Auftreten in engerem Zusammenhang mit Krisen steht» (S. 65).

Die Vielschichtigkeit der psychischen, sozialen und körperlichen Schwierigkeiten, die eine

psychosoziale Krise nach sich ziehen können, müssen bei der Krisenintervention stets

miteinbezogen werden. Daher sollte diese auch von einem multidisziplinären Team

durchgeführt werden. (vgl. Stein, 2009, S. 151) Es ist essentiell, dass diese vielschichtigen

Zusammenhänge einer psychosozialen Krise erkannt werden und in die jeweilige Intervention

und Krisenbewältigung miteinfliessen (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 16).

Abschliessend ist anzumerken, dass die Methode der Krisenintervention lediglich bei akuten

Krisen erfolgreich anwendbar ist und nicht bei chronischen Krisen oder chronischer Suizidalität

(vgl. Sonneck et al., 2012, S. 20, 67). Denn Psychotherapie und Krisenintervention dürfen auch

infolge ihrer Überschneidungspunkte und fliessenden Übergänge nicht verwechselt werden.

Die Krisenintervention ist als eigenständige Methode zu betrachten, die von verschiedenen

Berufsgruppen angewendet wird. Sie ist keine Psychotherapie, kann jedoch, wenn notwendig,

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den Zugang zu einer solchen eröffnen. Zentral ist, dass die Krisenintervention auf die

momentane Notlage und deren Bewältigung abzielt und somit auch zeitlich begrenzt ist. (vgl.

Papastefanou, 2013, S. 40)

2.2 Ziele

Krisenintervention hat das Herbeiführen einer positiven Wende in Ausnahmezuständen zum

Ziel und möchte Krisenzuspitzungen möglichst frühzeitig verhindern (vgl. Papastefanou, 2013,

S. 46). Nach Sonneck et al. (2012) stellt ein wesentliches Ziel der Krisenintervention die «Hilfe

zur Selbsthilfe» dar. Als erster Handlungsschritt sollte eine Akzeptanz der Krisensituation

angestrebt werden. Betroffene müssen ihre derzeitige Situation für sich akzeptieren und

sollten darin unterstützt werden, für sich selbst mögliche Lösungs- und Bewältigungsstrategien

zu finden. Die aktive Auseinandersetzung scheint hierbei zentral. (vgl. S. 18) Besonders die

eigenen Ressourcen der Betroffenen sowie diejenigen der Umwelt sollten aktiviert werden,

stets mit dem Ziel der Selbsthilfe. Professionelle sollten sich hierbei empathisch zeigen und

die Betroffenen dazu ermutigen, die gegenwärtigen Gefühle zuzulassen und die schmerzhafte

Realität nicht zu verleugnen. (vgl. ebd., S. 66) Demzufolge wird die Wiedererlangung von

Handlungsfähigkeit mittels Selbsthilfemöglichkeiten angestrebt (vgl. Papastefanou, 2013, S.

46). Stein (2009) ergänzt weiter, dass für eine solche Zielverfolgung die Stützung und

Stabilisierung der Betroffenen elementar ist. Die gemeinsam gewonnenen Erkenntnisse und

Einsichten sollten dann anschliessend in den Lebenssituationen und im Alltag umgesetzt

werden. Er unterscheidet hierbei zwischen kurzfristigen und langfristigen Zielen. (vgl. S. 152)

Kurzfristige Ziele:

«Erkennen von Gefährdung, Abwenden von unmittelbarer Bedrohung für das Leben und

die körperliche Unversehrtheit aller Beteiligten

Rasche Beseitigung von quälenden Symptomen» (ebd., S. 152)

Mittelfristige Ziele:

«Wiederherstellung des Selbstwertgefühls

Wiedererreichen von Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit

Finden und Erproben alternativer und konstruktiver Handlungsweisen» (ebd., S. 152)

Demzufolge stellen für eine sinnvolle Krisenbewältigung die kurzfristigen Ziele eine

Grundvoraussetzung dar. Erst nach einer Gefährdungsabklärung, allfälligen Massnahmen

sowie nach der Symptomlinderung können mittelfristigen Ziele angegangen werden. Das

Minimalziel der Krisenintervention besteht darin, dass Betroffene durch die erfolgte

Stabilisierung ihren Alltag wieder eigenständig bestreiten können, wobei vor allem die

genannten mittelfristigen Ziele fokussiert werden. Nach einer erfolgreichen Bewältigung zeigt

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sich dann der Chancencharakter von Krisen (siehe Kapitel 1.3.2), indem Betroffene neue

Einsichten und Erfahrungen gesammelt sowie zusätzliche Handlungsweisen erlernt haben.

(vgl. Stein, 2009, S. 152)

In der Krisenintervention werden kurzfristig realisierbare Ziele angestrebt, denn tiefgreifende

Persönlichkeitsänderungen werden in Zeiten akuter Krisen nicht als sinnvoll erachtet (vgl.

Sonneck et al., 2012, S. 66). Destruktive Lösungsversuche, die in der aktuellen Situation als

einziger Ausweg erscheinen, sollten in der Zusammenarbeit reflektiert werden, wobei

gemeinsam nach Alternativen gesucht werden sollte (vgl. ebd., S. 19). Beispiele für destruktive

Lösungsversuche aus der Praxis der Sozialen Arbeit könnte eine sofortige Kündigung der

Arbeitsstelle oder das Verbrennen von lange ungeöffneter Post darstellen. Erlernte, gewohnte

und bisherige Strategien, die nicht mehr ausreichen, können durch Passendere ergänzt und

erweitert werden – es können neue Wege eingeschlagen werden, wobei erneut der

Chancenaspekt zum Tragen kommt (vgl. ebd., S. 19). Ziel der Krisenintervention ist

demzufolge, die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Betroffenen wiederherzustellen

und sie darin zu unterstützen, die aktuelle, aber auch zukünftige ähnliche Situationen selbst

bewältigen zu können (vgl. ebd., S. 19). Denn wie es einst Buddha formulierte: «Wenn du

jemandem ein wenig hilfst, stärkst du ihn. Aber hilfst du ihm zu viel, schwächst du ihn» (zit. in

Stein, 2009, S. 151).

2.3 Grundprinzipien

Aufgrund der Vielschichtigkeit und Komplexität von Krisen kann sich die Vorgehensweise,

insbesondere für Fachkräfte mit geringem Erfahrungswert, als herausfordernd darstellen (vgl.

Stein, 2009, S. 153). Daher scheint es sinnvoll, sich an gewissen Strukturen und

Grundprinzipien zu orientieren, welche im Folgenden kurz erläutert werden. Widulle (2012)

merkt hierzu an, dass in der Krisenintervention teils spezielle Regeln gelten, die bei anderen

Settings weniger zum Zuge kommen, «da sie die Autonomie und Selbstwirksamkeit der

Klienten einschränken würden» (S. 222). Pragmatische, lösungsorientierte, strukturierende,

unterstützende, direktive sowie eingreifende Massnahmen haben in Krisen Vorrang (vgl. ebd.,

S. 222).

Abbildung 3: Ziel der Krisenintervention – «Hilfe zur Selbsthilfe»

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24

Rascher Beginn, richtige Indikationsstellung und Flexibilität:

Kriseninterventionsangebote müssen schnell verfügbar sein, um allfällige Eskalationen, wie

beispielsweise Gewaltanwendungen oder Suizidgefährdungen, zu vermeiden (vgl. Stein,

2009, S. 153). Denn infolge langer Wartezeiten steigt das Risiko der Chronifizierung oder

regressiver Tendenzen sowie ungünstiger Bewältigungsmuster (vgl. Papastefanou, 2013, S.

47). Mit einem schnellstmöglichen Beginn der Intervention können zusätzliche Belastungen

und die weitere Zuspitzung der Situation verhindert werden. Wünschenswert wäre eine

Kontaktaufnahme innerhalb eines Tages. Ein Erstgespräch sollte innert 24-48 Stunden

durchgeführt werden. Um dies zu gewährleisten, benötigt es eine gute und flexible

Zusammenarbeit der Helfenden. (vgl. Stein, 2009, S. 153-154) Denn der Handlungsbedarf ist

je nach Krise sehr unterschiedlich. Je nach Situation ist Hilfe im sozialen, psychologischen

aber auch biologisch-medikamentösen Bereich erforderlich. (Sonneck et al., 2012, S. 67) Eine

richtige Indikationsstellung und Flexibilität im Umgang mit den Betroffenen aber auch in den

interdisziplinären Teams ist essentiell, sodass Fachkräfte aufgrund der jeweiligen Situation

individuell agieren und triagieren können. Hierbei sollte eine personenspezifische

Methodenflexibilität angewendet werden. (vgl. Stein, 2009, S. 154-155, 186).

Verständnis für die subjektive Bedeutung einer Krise, sowie Zuwendung, Zuversicht und Entlastung:

Den Betroffenen sollte mit einer einfühlsamen Zuwendung begegnet werden. Diese

Atmosphäre signalisiert, dass die jeweilige Situation ernst genommen wird. Professionelle

müssen Handlungsfähigkeit ausstrahlen und eine grundlegende Zuversicht vermitteln, um

Ohnmachtsgefühlen oder Gefühle der Verzweiflung und Hilflosigkeit vorzubeugen. Dies

bedingt jedoch, dass Fachkräfte für die subjektive Bedeutung der jeweiligen Krise sowie für

die bisherigen Bewältigungsstrategien ein Verständnis entwickeln. (vgl. Stein, 2009, S. 154)

Fachkräfte müssen eine adäquate Entlastung des emotionalen Drucks gewährleisten, jedoch

nur soweit, wie der Veränderungswunsch existent ist (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 67). Nebst

dem Zulassen der emotionalen Verarbeitung sollten aber auch die rationalen Sichtweisen

gefördert werden (vgl. Widulle, 2012, S. 222).

Verschwiegenheit:

Voraussetzung für ein offenes Gesprächsklima ist ein transparenter Umgang mit der

Verschwiegenheitspflicht. Obwohl Menschen in Krisensituationen eine grosse Bereitschaft

zeigen, ihre Probleme offenzulegen, müssen sie sicher sein können, dass dies in einem

geschützten Rahmen stattfindet und nichts nach aussen dringt. In gewissen Fällen der Selbst-

und Fremdgefährdung, wie beispielsweise bei drohendem Suizid, bei Gewaltbereitschaft, oder

auch bei Jugendlichen, kann die Verschwiegenheit nicht immer eingehalten werden. Hier ist

es notwendig, den Betroffenen gegenüber transparent zu sein und sie darüber aufzuklären,

welche Informationen weitergereicht werden müssen. (vgl. Stein, 2009, S. 154)

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25

Fokus auf die aktuelle Problemlage:

Infolge zeitlicher Begrenzung muss die Krisenintervention immer auf die aktuelle Situation

abgestimmt sein. Psychodynamische und biografische Zusammenhänge sind

miteinzubeziehen, sofern sie für eine Verbesserung der Situation und für ein Verständnis des

Verhaltens und der Gefühle der Betroffenen beitragen. (vgl. Stein, 2009, S. 154) Sonneck et

al. (2012) fügen hierzu an, dass die lebensgeschichtlichen Zusammenhänge jedoch immer

auch mitberücksichtigt werden müssen (vgl. S. 67).

Lösungs- und Ressourcenorientierung:

Um eine schnellstmögliche Entlastung herbeizuführen, wird vorerst versucht, bereits

vorhandene Problemlösungsstrategien und Ressourcen zu aktivieren. Zeigen sich diese als

unwirksam und dysfunktional, sollten nach Alternativen gesucht werden. Vorzugsweise

nehmen Professionelle hierbei eine unterstützende Funktion ein, damit möglichst viel von den

Betroffenen selbst eingebracht und entwickelt wird. Denn Eigeninitiative und eigene

erfolgreiche Lösungsschritte stärken das Selbstvertrauen der Betroffenen. (vgl. Stein, 2009,

S. 154) Eine konfliktorientierte Beratung ist zu vermeiden, um Krisen nicht zu verschärfen.

Zudem sind Betroffene in akuten Krisen meist nicht fähig, zusätzliche Problemstellungen zu

verarbeiten. (vgl. Widulle, 2012, S. 222)

Aktiver und strukturierter Interventionsstil und Förderung der Selbsthilfemöglichkeiten:

Den passenden Interventionsstil zu finden, kann eine Herausforderung darstellen. Da

Menschen in Krisen oft in einer schlechten Verfassung sind, wird vorerst meist ein aktiver und

direkter Interventionsstil angewendet. Bei gravierendem Gefahrenpotenzial erfordert dies auch

einen direktiven Interventionsstil. Die Handlungen variieren je nach Situation individuell

zwischen Beratung, Information oder Vermittlung von anderen Hilfsmöglichkeiten. Die

Autonomie muss hierbei gewahrt werden, jedoch ohne die Betroffenen mit ihren derzeitigen

Fähigkeiten zu überfordern. Dennoch sollte die oben genannte «Hilfe zur Selbsthilfe»

angestrebt wobei Selbsthilfemöglichkeiten gefördert werden. (vgl. Stein, 2009, S. 154) Bei den

Aktivitäten der Fachkraft ist darauf zu achten, dass diese immer auch die Gefahr der

Abhängigkeit in sich bergen, welche möglichst klein zu halten ist (vgl. Sonneck et al., 2012, S.

67). Doch mittels eines stark strukturierenden, direktiven Interventionsstils können fehlende

Strukturen aufgebaut sowie Klarheit gegen Verwirrung geschaffen werden (vgl. Widulle, 2012,

S. 220, 222).

Zeitliche Begrenzung:

Die Krisenintervention ist durch ihre zeitliche Begrenzung charakterisiert (vgl. Papastefanou,

2013, S. 47). Der zeitliche Rahmen beinhaltet ungefähr fünf bis zwölf Gespräche in einer

Zeitspanne von zwei bis drei Monaten. Da Krisen sehr individuell sind, kann dieser zeitliche

Rahmen variieren. Er ist auch stark abhängig von dem Zustand der Betroffenen. Besonders

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der Beendigung der Intervention ist viel Aufmerksamkeit zu schenken, da sich diese aufgrund

des engen Beziehungsaufbaus als herausfordernd zeigen kann. (vgl. Stein, 2009, S. 155)

Einbeziehung der Umwelt:

Für eine erfolgreiche Krisenintervention ist der Einbezug des sozialen Umfelds sehr wichtig,

da die soziale Unterstützung als Eckpfeiler der Krisenintervention gilt (vgl. Stein, 2009, S. 155).

Oft zeigen sich im sozialen Kontext Ressourcen, welche für eine Krisenbewältigung genutzt

werden können (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 67).

Interdisziplinäre Zusammenarbeit:

Da Krisenintervention berufsübergreifend fungiert, benötigt es eine interdisziplinäre

Zusammenarbeit, in der ein enger Austausch und gegenseitige Unterstützung gepflegt

werden. Wichtig hierbei ist, dass eine bestimmte Person als Hauptansprechperson gilt, welche

auch die Intervention koordiniert. Dadurch werden einheitliche Informationen und

Empfehlungen gewährleistet und die Betroffenen können die involvierten Personen nicht

gegeneinander ausspielen. Eine klar strukturierte und enge Zusammenarbeit verhindert

zusätzliche Schwierigkeiten sowie Konflikte und gewährleistet eine konstruktive

Krisenbegleitung. (vgl. Stein, 2009, S. 155-156) Auch Widulle (2012) warnt vor Alleingängen

von Fachkräften bei schweren Krisen und plädiert für eine Kooperation mit anderen

Fachkräften (vgl. S. 222).

2.4 Allgemeines Kriseninterventionskonzept – BELLA

Die Gemeinsamkeit unterschiedlicher Kriseninterventionskonzepte zeigt sich vor allem in der

Arbeit «an der Beziehung, am aktuellen Anlass, an der emotionalen Situation und an der

Einbeziehung der Umwelt» (Sonneck et al., 2012, S. 21). An dieser Stelle wird jedoch nur ein

ausgewähltes Kriseninterventionskonzept, genannt BELLA, vorgestellt, welches für akute

Krisensituationen und Krisenzustände konzipiert wurde (vgl. ebd., S. 105). Mit seinen fünf

Basispfeilern bietet es eine grobe Orientierungshilfe für Fachkräfte der Krisenintervention und

bildet zugleich die Grundlage der späterfolgenden Zugänge und Ansätze.

Beziehung aufbauen

Einen einladenden Anfang schaffen

Dem Klientel aufmerksam und einfühlsam zuhören

Dem Klientel vermitteln, dass er/sie ernst genommen wird und dass ein Bewusstsein

seiner/ihrer Schwierigkeiten besteht (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 106)

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Erfassen der Situation

Auseinandersetzung mit den Gründen des Treffens

Auseinandersetzung mit dem Krisenanlass und den davon unmittelbar Betroffenen

Auseinandersetzung mit der derzeitigen Lebenssituation des Klientel

Auseinandersetzung mit möglichen Veränderungen durch die aktuelle Situation (vgl.

Sonneck et al., 2012, S. 107)

Linderung von Symptomen

Eingehen auf die emotionale Situation (Panik, Depression, Suizidrisiko erhellen)

Versuchen das Klientel zu entlasten (Gefühlsäusserungen, Prioritätssetzung der

Bedürfnisse, Übungen zur Entlastung, wenn notwendig Medikation) (vgl. Sonneck et

al., 2012, S. 107)

Leute einbeziehen, die unterstützen

Hilfssystem des Klientel einsetzen

Wenn notwendig andere Hilfssysteme einrichten, wie zum Beispiel Selbsthilfegruppen

und andere Institutionen (vgl. Sonneck et al., 2012, S. 108)

Ansatz zur Problembewältigung finden

Unterstützen, das eigentliche Problem zu definieren

Unterstützen, Widersprüchlichkeiten zu erkennen

Erfassung der gefühlsmässigen und realen Bedeutung des Problems

Bei der Entscheidung zu Veränderungen unterstützen (vgl. Sonneck et al., 2012, S.

108)

2.5 Gesprächsphasenkonzept und Ablauf für Krisengespräche

Gemäss Ortiz-Müller (2010) fällt es infolge der Komplexität und Subjektivität von

Krisensituationen sowie infolge unterschiedlicher Herangehensweisen schwer, ein

allgemeingültiges Handlungsmodell für Professionelle zu konzipieren. Daher haben sich

mittlerweile verschiedene Modelle herauskristallisiert. (vgl. S. 70) Um sich an der

Gesprächsführung in der Sozialen Arbeit zu orientieren, wurde an dieser Stelle das

Gesprächsphasenkonzept für Krisengespräche nach Wolfgang Widulle (2012) ausgewählt. Es

bietet eine konkrete Orientierung für die Krisenintervention in der Sozialen Arbeit.

1. Kontakt & Situationsklärung: Begrüssung, Rapport, Rahmen

Nach einer ersten Begrüssung und Kontaktaufnahme gilt es vorerst die Krise anzuerkennen

und das Befinden des Klientel abzuklären, sowie auch irritierende Äusserungen zuzulassen

und ernst zu nehmen, insbesondere auch allfällige suizidale Äusserungen. Menschen in

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Krisensituationen können zu Beginn oft starke Emotionalität sowie ein verwirrtes, deprimiertes,

zorniges oder resigniertes Auftreten zeigen. Häufig werden widersprüchliche Gefühle

geäussert und ihre Handlungsfähigkeit, wie auch die Rationalität ist beeinträchtigt. Dies in

Kombination mit krisenbedingtem Stress, kann das Denken und Handeln stark beeinflussen.

Durch das Aussprechen dieser Gefühlslagen kann eine erste innere Distanzierung ermöglicht

werden. Erst anschliessend sollte das Setting geklärt werden. Zentral ist hier auch die explizite

Benennung der aktuellen Situation als Krise. (vgl. Widulle, 2012, S. 219)

2. Problemanalyse und Problemdefinition: Situationsanalyse, Coping und Ressourcen

In einer ersten Situationsanalyse werden gemeinsam systematisch Informationen eruiert und

geordnet. Mittels freiem Berichten seitens Klientel und gezieltem Fragen der Fachkraft werden

die notwendigen Informationen eingeholt. Damit eine Strukturiertheit entsteht, können auch

geschlossene Fragen gestellt werden. Ein direktives Vorgehen seitens der Fachkraft kann sich

als notwendig erweisen, wenn sich Betroffene in einer Überforderungssituation befinden.

Primär ist zu klären, welche Krise vorliegt und was deren Auslöser war. Auch die Betroffenheit

des Klientel und dessen Umfeld sind zu erfassen und ein allfälliges Risiko von impulsiven

Handlungen, Selbst- oder Fremdgefährdung ist einzuschätzen. Anschliessend erfolgt eine

Coping- und Ressourcenanalyse. Die bisherigen Bewältigungsstrategien werden auf ihre

Nützlichkeit hin abgeklärt, sowie innere als auch äussere Ressourcen besprochen, damit

unterstützende Faktoren erkennbar werden. Mittels klaren und verständlichen Worten wird in

der Problemdefinition die geschilderte Krise von der Fachkraft zusammengefasst. Bereits an

dieser Stelle können Rückmeldungen zu den Bewältigungsversuchen gemacht werden. Im

Erstgespräch muss die Fachkraft ihre eigene Rolle, Aufgabe und Zuständigkeit abklären und

sich sicher sein, dass sie die richtige Ansprechperson ist. Es muss festgestellt werden, ob

noch weitere Personen wie Angehörige oder andere Fachpersonen einzubeziehen sind. Dies

muss auch in allfälligen Folgegesprächen stetig überprüft werden. In diesen wird der

Krisenverlauf und insbesondere werden stützenden Massnahmen und

Bewältigungsstrategien besprochen, sowie die Erfahrungen der Betroffenen reflektiert. Es ist

wichtig, dass hierbei die Stärken und Erfolge fokussiert werden und nicht

Konfliktbearbeitungen, Kritik oder Konfrontationen. Letzteres könnte den stützenden

Charakter der Hilfestellung gefährden. (vgl. Widulle, 2012, S. 220)

3. Zieldefinition: Klientenziele, Ziele der Fachkraft, Bedingungen aushandeln

Bereits im Erstgespräch wird der Rahmen für das Begleitsetting und deren Bedingungen

abgesteckt. Insbesondere müssen hier auch die Ziele der Betroffenen sowie diejenigen der

Fachkraft geklärt und konkrete Bedingungen formuliert und ausgehandelt werden. Wenn

Betroffene aufgrund der überfordernden Krisensituation keine oder nur wenige Vorschläge

einbringen können, sollten die Fachkräfte konkrete Vorschläge unterbreiten. Es ist darauf zu

achten, dass die Zielsetzungen innerhalb der zeitlichen Begrenztheit der Krisenintervention

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auch realisierbar sind. Mögliche Hauptziele der Fachkraft könnten zum Beispiel folgende sein:

Anspannung, Stress und Anforderungen reduzieren sowie Entlastung bieten. Zudem die

Vermeidung von Komplikationen, Gefährdungen abwenden, sowie die Unterstützung für eine

konstruktive Krisenverarbeitung und für die Stabilisierung der Betroffenen gewährleisten. (vgl.

Widulle, 2012, S. 220-221)

4. Problembearbeitung: Handlungsstrategie, Plan, Umsetzung

Von den gesetzten Zielformulierungen werden Handlungspläne abgeleitet. Der strukturierende

Stil kann auch hier zum Tragen kommen. So können im Gegensatz zu Nicht-Krisensituationen

mehr Vorgaben und Vorschläge oder wenn nötig Anweisungen und direkte Instruktionen

notwendig sein. Das Einverständnis der Betroffenen sollte hierbei stets eingeholt werden. Die

Bedürfniseinschätzungen seitens Klientel sollte jedoch immer sorgfältig mit den eigenen

fachlich-persönlichen Situationseinschätzungen abgeglichen werden, um förderliche

Handlungsschritte umzusetzen. Denn die Fachkraft muss sich sicher sein, dass diese

tatsächlich eine Entlastung und Unterstützung für das Klientel darstellen. Des Weiteren

müssen auch Notfallmassnahmen festgelegt werden – insbesondere wer welche Aufgabe bei

einer Eskalation übernimmt und wie die Erreichbarkeit in Notsituationen geregelt ist, zum

Beispiel durch Notfallnummern, Stellvertretungen oder Kooperationspartner. (vgl. Widulle,

2012, S. 221, 223)

5. Zusammenfassen: Einordnen, Vereinbarungen, Aufgaben

Bei diesem Vorgehensschritt werden Massnahmen und konkrete Handlungen vereinbart, um

mittels Strukturen und Aufgaben Halt zu geben. Mögliche Beispiele wären eine geregelte

Tagesstruktur aufzubauen, tägliche Tagebuchführung, vereinbarte Telefonate oder diverse

Vereinbarungen wie beispielsweise das Aufsuchen von Freunden. Die Verschriftlichung

solcher Aufgaben kann als Gedächtnisstütze fungieren und hilfreich für die Vorsatzbildung

sein. (vgl. Widulle, 2012, S. 221-222)

6. Situation abschliessen: Blitzlicht, Abschied, nächster Kontakt als Anker

Abschliessend kann mittels eines kurzen Blitzlichtes erfasst werden, ob das Gespräch hilfreich

und erleichternd für das Klientel war. Auch sollte explizit darauf hingewiesen werden, dass der

Kontakt gehalten wird und bei Bedarf eine Kontaktaufnahme jederzeit, auch vor vereinbarten

Terminen, erfolgen kann. (vgl. Widulle, 2012, S. 222)

Der Ablauf wie auch die Interventionsdauer gestalten sich je nach Situation sehr

unterschiedlich. So kann es sein, dass bereits nach dem Erstgespräch eine ausreichende

Weichenstellung erfolgte und die Krisenintervention beendet ist. Es gibt aber auch

Kriseninterventionen, die sich beim Erstgespräch vorerst «nur» auf den Beziehungsaufbau

konzentrieren. (vgl. Stein, 2009, S. 162) Im Allgemeinen wird im Erstgespräch die aktuelle

Problemsituation, der Krisenauslöser und allfällige Gefährdung geklärt. Ressourcen für eine

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Krisenbewältigung werden analysiert sowie Rahmen und Ziele der Intervention besprochen.

Hierzu zählt das Vorbesprechen des weiteren Vorgehens, die Gesprächshäufigkeit und

weitere Unterstützungsmassnahmen. Im Vordergrund stehen vor allem auch die Anerkennung

der Krise sowie gemeinsame Vereinbarungen bei einer allfälligen Krisenverschärfung. (vgl.

Widulle, 2012, S. 215-216) Gemäss Stein (2009) ist ein Erstgespräch gelungen, wenn eine

unmittelbare Gefährdung abgewandt und eine tragfähige Beziehung aufgebaut sowie ein

Folgetermin verlässlich vereinbart werden konnte (vgl. S. 162).

Die Folgegespräche sind auf die Stabilisierung und Krisenbewältigung sowie auf die

emotionale und soziale Situation fokussiert. Positive Handlungsmöglichkeiten sollten

geschaffen werden, sodass erste Erfolge seitens der Klientel bemerkt werden können.

Stärken, Entlastungen, innere Kräfte und soziale Netzwerke sollten gefördert und aktiviert

werden. Im Abschlussgespräch erfolgt ein Rückblick auf die Intervention und ihre Wirksamkeit.

Es wird geklärt, ob Belastung und Bewältigungsfähigkeit in einem guten Gleichgewicht liegen.

(vgl. Widulle, 2012, S. 216) In der Fachliteratur wird an verschiedenen Stellen empfohlen, nach

einer Weile noch ein Nachfolgegespräch (Follow-up) durchzuführen, auch wenn die

Intervention erfolgreich abgeschlossen werden konnte. Dies kann den Betroffenen zusätzlich

Sicherheit bieten und kann als abschliessende Standortbestimmung betrachtet werden. Auch

kann damit eine Indikation für ein weiterführendes Hilfsangebot, wie zum Beispiel für

Psychotherapie, überprüft werden. (vgl. Ortiz-Müller, 2010, S. 71; Widulle, 2012, S. 216)

Die Grundlagenerarbeitung der Krisenintervention ergab, dass die Krisenintervention eine

eigenständige Methode darstellt, welche spezifischen Grundprinzipien folgt. Die Zielsetzung

der Stabilisierung ist zentral, um in einem nächsten Schritt die «Hilfe zur Selbsthilfe»

anzustreben. Allgemeingültige Kriseninterventions- und Gesprächsphasenkonzepte bieten

eine erste Orientierungshilfe für Professionelle. Im nachfolgenden Kapitel wird nun der

Tätigkeitsbereich von Sozialarbeitenden aufgezeigt.

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3 Krisenintervention in der Sozialen Arbeit

Im folgenden Kapitel wird die Verknüpfung der Krisenintervention mit der Sozialen Arbeit

hergestellt. Um sich dieser anzunähern, erfolgt als Erstes eine allgemeine Definition von

Sozialer Arbeit. Darauffolgend wird der Gegenstandsbereich Sozialer Arbeit erläutert und

seine Bedeutung bezüglich der Krisenintervention dargelegt. Abschliessend erfolgt eine

Konkretisierung und Rahmung der Sozialen Arbeit in der Krisenintervention, wobei auch ihre

Zuständigkeitsgrenzen aufgezeigt werden.

3.1 Definition Sozialer Arbeit

«Soziale Arbeit fördert als Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche

Veränderungen und Entwicklungen, den sozialen Zusammenhalt und die Ermächtigung und

Befreiung von Menschen. Dabei sind die Prinzipien der sozialen Gerechtigkeit, der

Menschenrechte, der gemeinschaftlichen Verantwortung und der Anerkennung der

Verschiedenheit richtungsweisend. Soziale Arbeit wirkt auf Sozialstrukturen und befähigt

Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens angehen und Wohlbefinden

erreichen können. Dabei stützt sie sich auf Theorien der eigenen Disziplin, der Human- und

Sozialwissenschaften sowie auf das Erfahrungs-Wissen des beruflichen Kontextes. Diese

Definition kann auf nationaler und/oder regionaler Ebene weiter ausgeführt werden.»

(AvenirSocial, 2015, S. 2) Die genannte Definition entspricht der globalen Definition der

Sozialen Arbeit, welche im Juli 2014 von der IFSW (International Federation of Social Workers)

verabschiedet und von AvenirSocial ins Deutsche übersetzt wurde (vgl. AvenirSocial, 2015, S.

1). Diese Definition zeigt auf, wie vielschichtig die Tätigkeit und das Arbeitsfeld von

Sozialarbeitenden ist. Daher gilt es vorerst, sich dem Gegenstand Sozialer Arbeit noch mehr

anzunähern.

3.2 Gegenstand Sozialer Arbeit

Soziale Arbeit findet in unterschiedlichen Praxisfeldern ihren Aufgabenbereich. Denn gemäss

AvenirSocial (2014) befassen sich Professionelle der Sozialen Arbeit mit dem Vorbeugen,

Lindern und Lösen von Problemen, welche durch die Eingebundenheit des Menschen in der

Gesellschaft entstehen können. Demzufolge stellt der Gegenstand Sozialer Arbeit die

Bearbeitung «sozialer» Probleme dar, sodass Menschen ihren biologischen, psychischen,

sozialen, ökonomischen und kulturellen Bedürfnisbefriedigungen möglichst unbehindert

nachgehen können. (vgl. AvenirSocial, 2014) Soziale Probleme werden hier in einem

systemischen Paradigma aufgefasst. Sie stellen Probleme von Individuen dar, die im

Zusammenhang mit sozialen Interaktionsprozessen entstehen können. Sie beziehen sich auf

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soziale und kulturelle Barrieren in Abhängigkeit von ihrer gesellschaftlichen Position, die eine

Bedürfnisbefriedigung erschweren oder verunmöglichen. (vgl. Staub-Bernasconi, 2012, S.

271-272) Solche Problemlagen können sich aus verschiedenen Gründen entwickeln, wie zum

Beispiel «durch unterschiedliche persönliche und/oder soziale Voraussetzungen, durch die

Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, durch den gesellschaftlichen, politischen

oder ökonomischen Wandel, aber auch durch behindernde Machtprozesse und -strukturen»

(AvenirSocial, 2014). Analog Maja Heiner (2007) lässt sich der Gegenstandsbereich von

Sozialer Arbeit jedoch nicht nur ausschliesslich auf soziale Probleme beschränken. Vielmehr

weitet sich der Gegenstand auf weitere individuelle Problemlagen aus, welche nicht zwingend

eine Folge von sozialen Problemen sein müssen. Deshalb schlägt Heiner vor, die

Begrifflichkeit «personale Probleme» zu verwenden und unterscheidet hier fünf Bereiche:

psychische, physische, sozioökonomische, ökologische und soziale Problemdimensionen.

(vgl. S. 188-189, zit. in Iser, 2015, S. 41-42)

Konkret formuliert Heiner (2007) den Aufgabenbereich von Sozialarbeitenden wie folgt:

«Gegenstand beruflichen Handelns sind manifeste individuelle Probleme der

Lebensbewältigung und damit verbundene kollektive soziale Probleme ihrer Klientel» (S. 190,

zit. in Iser, 2015, S. 42). Sozialarbeitende werden daher «vorrangig bei besonders belasteten

oder gefährdeten Menschen mit hoher Vulnerabilität tätig» (ebd. S. 42). Demzufolge ist der

Gegenstand sozialarbeiterischer Tätigkeit unter anderem die Unterstützung für die

Bewältigung von kritischen Lebenssituationen, sodass Menschen ihre Lebensführung wieder

mehrheitlich selbstständig gestalten können (vgl. Weber, 2012, S. 6). Widulle (2012) erwähnt

zudem, dass infolge der Vielschichtigkeit von sozialarbeiterischen Handlungsfeldern

Sozialarbeitende auch allen möglichen Formen von Krisen begegnen können, seien es

gesundheitliche, materielle, soziale oder psychische Krisen (vgl. S. 214). Denn

Sozialarbeitende finden ihren Aufgabenbereich sowohl in staatlichen als auch in privaten

Kontexten, wie zum Beispiel in der Jugendhilfe, in der Familienhilfe, auf öffentlichen Ämtern

wie den Sozialdiensten, im Bildungswesen und in der Gemeinwesenarbeit, in gesetzlichen

Kontexten oder auch in klinischen Bereichen. In all diesen Handlungsfeldern können die

bereits genannten unterschiedlichsten Krisenarten (siehe Kapitel 1.2) auftreten, die sich zu

akuten Krisen zuspitzen können, sodass eine Krisenintervention notwendig wird. Mögliche

Krisenbeispiele wäre ein Jobverlust oder Arbeitslosigkeit und deren ökonomischen Folgen,

eine plötzlich eintretende Krankheit oder Todesfall, eine Identitätskrise bei Jugendlichen,

häusliche Gewalt oder sexueller Missbrauch bei Kindern und viele mehr.

Demzufolge zeigt sich eine zentrale Aufgabe von Sozialarbeitenden in der Betreuung,

Begleitung und Stabilisierung von Menschen in problematischen Lebenssituationen. Mittels

sozialarbeiterischer Beratung werden geeignete situations- und kontextbezogene

Hilfeleistungen gesucht und aufgezeigt, wobei versucht wird, die grösstmögliche Autonomie

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und Würde der Betroffenen zu wahren. (vgl. Weber, 2012, S. 15) Auch AvenirSocial (2010)

weist in ihrem Berufscodex, der als ethische Richtlinien für das moralische berufliche Handeln

in der Sozialen Arbeit fungiert, auf diese Gegenstandsbereiche, sowie auf eine

professionsethisch begründete Berufshaltung hin (vgl. S. 4). Der Berufscodex von

AvenirSocial (2010) beinhaltet die zentrale Leitidee, dass alle Menschen ein Anrecht auf die

existenzielle Bedürfnisbefriedigung sowie auf Integrität und Integration in ein soziales Umfeld

haben. Soziale Arbeit hat diesem Berufscodex entsprechend einen gesellschaftlichen Beitrag

zu leisten, um Menschen, die vorübergehend oder dauernd in ihrer Lebensverwirklichung

eingeschränkt oder deren Zugang zu gesellschaftlichen Ressourcen ungenügend sind, zu

helfen. Soziale Arbeit ist daher verpflichtet, soziale Notlagen zu verhindern, zu beseitigen oder

zu lindern. (vgl. S. 6) Mittels der Tätigkeit von Sozialarbeitenden und ihrem kooperativen

Handeln mit anderen Professionen wird diese Professionsaufgabe der Wiederherstellung von

Handlungsfähigkeit angestrebt, sodass die betroffenen Menschen wieder selbstständig ihrer

Bedürfnisbefriedigungen nachkommen und ihre Lebensverhältnisse gestalten können (vgl.

AvenirSocial, 2014). Das Ziel der grösstmöglichen Autonomie sowie der Unterstützung zur

Aktivierung und Sicherung von jeglichen Ressourcenarten wird fokussiert, um bessere

Entwicklungsmöglichkeiten zu schaffen (vgl. ebd.). Um dies zu erreichen hat die Soziale Arbeit

das Ziel, Veränderungen mittels professioneller Begleitung anzustossen, sodass Menschen in

ihrer Unabhängigkeit und Entwicklung stabilisiert und gefördert werden (vgl. AvenirSocial,

2010, S. 6).

Doch wie bereits dargelegt (siehe Kapitel 1 & 2), befinden sich Menschen in Krisen in einer

Überforderungssituation, die durch ein seelisches Ungleichgewicht gekennzeichnet ist und

durch das Fehlen von erfolgreichen Bewältigungsstrategien entstehen kann. Zudem ist die

Handlungsfähigkeit wie auch der Zugang zu Ressourcen oft eingeschränkt. Hieraus entstehen

häufig psychische, soziale und körperliche Probleme, die sich auf die Lebensbewältigung

auswirken, weshalb eine professionelle Begleitung durch Sozialarbeitende durchaus

angemessen und notwendig erscheint. In Krisensituationen sind Menschen durch ihren labilen

Zustand auch im höchsten Mass entwicklungsgefährdet (vgl. Widulle, 2012, S. 216). Daher

ergibt sich für die Soziale Arbeit einen legitimen Auftrag, Betroffene mittels einer

Krisenintervention wieder zu stabilisieren und ihre Handlungsfähigkeit wiederherzustellen,

indem Ressourcen erschlossen und aktiviert werden, sodass die Krise aktiv bewältig werden

kann. Nachfolgend wird die sozialarbeiterische Tätigkeit in der Krisenintervention verortet.

3.3 Rahmung Sozialer Arbeit in der Krisenintervention

Die bisherigen Herleitungen zeigen auf, dass die Soziale Arbeit einen legitimierten Auftrag in

Krisensituationen und somit auch in der Krisenintervention hat. Dennoch ist ihrem

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Zuständigkeitsbereich und ihren Kompetenzen auch Grenzen gesetzt. Daher erfolgt an dieser

Stelle eine Rahmung der sozialarbeiterischen Tätigkeit in der Krisenintervention.

Die Labilisierung einer Lebenssituation findet meist in mehreren Lebensbereichen statt. Denn

Krisen sind häufig multidimensional und entstehen oft durch eine Kumulation von mehreren

Faktoren. Aus diesem Grund stellt sich die Krisenintervention wie bereits mehrmals genannt

oft als eine interdisziplinäre Aufgabe heraus, die Koordination zwischen mehreren Diensten

aus dem Gesundheits- und Sozialwesen erfordert. (vgl. Widulle, 2012, S. 216) Widulle (2012)

weist daher explizit auf die sozialarbeiterischen Grenzen hin, wobei Sozialarbeitende

aufgefordert werden, frühzeitig auch andere Hilfsinstanzen wie zum Beispiel

psychotherapeutische Begleitung beizuziehen (vgl. S. 214). Eine Zusammenarbeit mit

therapeutischen Fachkräften ist spätestens bei einer Selbst- und Fremdgefährdung zwingend

notwendig. Denn gemäss Widulle (2012) ist die Behandlung von Suizidalität, drohenden

Gewalthandlungen oder posttraumatischen Belastungsstörungen nicht primär im

Kompetenzbereich von Sozialarbeitenden anzusiedeln, sondern in demjenigen von spezifisch

ausgebildeten Fachkräften (vgl. S. 215). Auch gemäss Hülshoff (2017) erfordern die meisten

Krisensituationen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit. Der Aufgabenbereich von

Sozialarbeitenden konzentriert sich hier meist nicht auf akute Notfallmassnahmen im engeren

Sinne, sondern vielmehr darauf, die genannten Notfallsituationen zu erkennen, erste – wenn

notwendig – lebensrettende und deeskalierende Schritte einzuleiten, zielgerichtete und

individuelle Hilfestellungen zu organisieren und eine nachhaltige Hilfe anzubieten und

sicherzustellen. Hierzu gehört auch das Abwenden von möglichen Gefahren oder das

schnellstmögliche Organisieren von medizinischer Hilfe. Erst nach dieser Beseitigung erfolgt

die Hilfestellung auf pädagogischer und psychosozialer Ebene für eine Krisenbewältigung.

Denn um die Nachhaltigkeit einer Krisenintervention zu gewährleisten, scheint es notwendig,

das zusammenhängende bio-psycho-soziale Krisenbild zu berücksichtigen. (vgl. S. 10-11).

Die Aufgabe von Sozialarbeitenden in Krisensituationen besteht demnach in der Stabilisierung

von Betroffenen und in dem präventiven Abwenden allfälliger Risiken oder Affekthandlungen

(vgl. Widulle, 2012, S. 217). Daher muss in der Krisenintervention die Hilfestellung geboten

werden, «den momentanen Zustand der Überforderung, der Hilflosigkeit, der

Hoffnungslosigkeit oder die Desorientierung zu überwinden» (Weber, 2012, S. 81). Konkret

bedeutet dies, dass Sozialarbeitende in Krisensituationen persönliche wie auch materielle Hilfe

vermitteln, sowie mit professioneller Beratung den Betroffenen zu einem gelingenden Umgang

mit den alltäglichen Herausforderungen verhelfen (vgl. ebd., S. 6). Zusätzlich zur genannten

Ressourcenerschliessung unterstützen Sozialarbeitende die Betroffenen dabei ein

Verständnis der problematisch erlebten Situation zu entwickeln, sowie die Situation zu

bewältigen (vgl. ebd., S. 10).

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FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit

35

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Soziale Arbeit einen wichtigen Auftrag in der

Krisenintervention hat. Wie bereits ausgeführt, muss betont werden, dass die Soziale Arbeit

keinen therapeutischen Auftrag hat, auch wenn es viele Überschneidungspunkte in den

einzelnen Modellen, Zugängen und Ansätzen innerhalb der Krisenintervention gibt. Die

sozialarbeiterische Fokussierung liegt auf der Beratung in Krisensituationen und in der

Hilfestellung der Alltagsbewältigung. Durch Verhinderung von eskalierenden Situationen und

Gefahren, mit Hilfe einer Ressourcenerschliessung und mit der Organisation von weiteren

Hilfestellungen beispielsweise in den Themenfeldern Arbeit, Finanzen, Wohnen, soziales

Umfeld und Integration, kann eine Stabilisierung von Betroffenen erfolgen.

Der Zuständigkeitsbereich von Sozialarbeitenden grenzt sich aber nicht nur von der genannten

Psychotherapie ab. Jegliche andere involvierten Themenfelder wie zum Beispiel juristische

oder polizeiliche wie auch pflegerische gehören in die Zuständigkeit der jeweiligen Profession,

die auch die Mandate der professionsspezifischen Themenschwerpunkte innehaben. Die

Soziale Arbeit kann hierzu vermitteln, wobei sie wie bereits erwähnt, eine interdisziplinäre

Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften aus unterschiedlichen Berufsgruppen pflegen

muss. Eine solche Triage kann bereits als erster Schritt einer Krisenintervention in akuten

Notsituationen betrachtet werden.

Im nächsten Kapitel wird aufgezeigt, an welchen Interventionsprinzipien sich Sozialarbeitende

in der Krisenintervention orientieren können. Zugleich wird hier dargelegt, wie die

sozialarbeiterische Tätigkeit in der Krisenintervention erfolgt sowie welche Zugänge und

Ansätze hilfreich und unterstützend sein können.

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FHS St.Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit

36

4 Zugänge und Ansätze zur Krisenbewältigung

Anhand der bisherigen Ausführungen wurde ersichtlich, dass für eine erfolgreiche

Krisenintervention die individuelle Situation der Betroffenen wahrzunehmen ist und dabei

sowohl Strukturiertheit als auch Methodenflexibilität notwendig sind (vgl. Stein, 2009, S. 162).

Dennoch gibt es verschiedene Zugänge und Ansätze, die für eine professionelle Begleitung in

der Krisenintervention der Sozialen Arbeit hilfreich und auch für eine gelingende

Krisenbewältigung erforderlich sind. Um den Umfang dieser Arbeit nicht zu sprengen, wurden

die Zentralsten ausgewählt, die sich an das genannte Kriseninterventionskonzept BELLA

(siehe Kapitel 2.4) anlehnen und zugleich als Ergänzung zum Gesprächsphasenkonzept von

Widulle (siehe Kapitel 2.5) dienen. Die unterschiedlichen Interventionsmöglichkeiten wurden

in drei Untergruppen gegliedert, die wie folgt lauten: Beziehungsgestaltung, Herstellung einer

sicheren Grundlage und Ressourcenerschliessung. Jede Rubrik beinhaltet weitere

Unterkapitel, welche darlegen, wie ein erster Zugang zur Krisenbewältigung ermöglicht werden

kann. Zudem werden Ansätze für die Stabilisierung von Betroffenen erläutert sowie

Unterstützungsmöglichkeiten für eine gelingende Krisenbewältigung dargelegt.

4.1 Beziehungsgestaltung

Die Grundlage jeder sozialarbeiterischen Tätigkeit besteht aus einer Beziehungsbasis sowie

in der Regel meist aus einer Vertrauensbasis. Denn Sozialarbeitende befassen sich oft mit

sensiblen Lebenslagen und persönlichen Angelegenheiten ihrer Klientel. (vgl. Müller-Teusler,

2013, S. 125-126) Um tatsächlich eine nachhaltige, längerfristige Veränderung in den Lebens-

und Handlungskompetenzen der Klientel zu erzielen, ist die Beziehungs- und

Vertrauensbildung eine wichtige Grundvoraussetzung (vgl. ebd., S. 126). Wird die

Wirkungskraft der persönlichen Beziehung vernachlässigt, kann sich dies stark auf das

Gelingen sozialarbeiterischer Praxis auswirken (vgl. Blaha, Meyer, Colla & Müller-Teusler,

2013, S. 10). Denn «Beratung steht oder fällt mit der Qualität der Beziehungsgestaltung»

(Stimmer, 2013, S. 218).

Aus den genannten Gründen schafft die Beziehungsgestaltung mit ihren spezifischen

Komponenten und Herausforderungen einen grundlegenden Zugang zur Krisenintervention in

der Sozialen Arbeit und somit auch zu einer gelingenden Krisenbewältigung. Im Folgenden

werden daher die Aspekte der Herstellung einer tragfähigen Beziehung und Nähe-Distanz-

Relation vertieft erläutert. Abschliessend werden die ergänzenden Dimensionen der

Verantwortungsklärung mit ihren Grenzziehungen und die Vermeidung von

Beziehungsabbrüchen am Rande skizziert, die insbesondere für die Krisenintervention wichtig

und daher nicht zu vernachlässigen sind.

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37

4.1.1 Herstellung einer tragfähigen Beziehung

Der amerikanische Psychologe Carl Rogers fand anhand empirischer Untersuchungen bereits

in den 1950-er Jahren heraus, dass in allen helfenden Beziehungen die eigene professionelle

Haltung ein entscheidender Faktor für den Erfolg und somit auch die zentrale Grundlage

sozialarbeiterischer Tätigkeit darstellt (vgl. Pörtner, 2013, S. 115).

Für den Aufbau einer tragfähigen Beziehung sollte daher vorerst die personenzentrierte

Haltung nach Carl Rogers beigezogen werden, welche drei Elemente umfasst: Empathie,

Wertschätzung und Kongruenz. Empathie zeichnet sich durch ein einfühlendes Verstehen aus.

Sie beinhaltet die Fähigkeit, das Erleben, die Gefühle sowie den äusseren Bezugsrahmen des

Gegenübers genau und sensibel zu erfassen und sich einzufühlen, sodass die Perspektive

der Situation nachvollzogen und nachempfunden werden kann. Wertschätzung bedeutet, das

Gegenüber ohne zu werten als Person anzunehmen, zu respektieren sowie zu akzeptieren.

Hierbei ist die Reflexion der eigenen Wertehaltung zentral. Diese darf dem Gegenüber nicht

übergestülpt werden. Und zuletzt die Kongruenz, die sich durch Authentizität der Fachkraft

auszeichnet. Das eigene Erleben – eigene Gefühle, Impulse und Eindrücke – sollte hier

bewusst wahrgenommen werden. Zur Kongruenz gehört auch, dass die Rahmenbedingungen

der Situation für alle transparent gemacht werden. (vgl. Pörtner, 2013, S. 115) Aber

insbesondre auch, dass Professionelle Echtheit ausstrahlen, indem sich Gedanken und

Gefühle kongruent im Ausdruck und im Handeln der Fachkraft zeigen (vgl. Stimmer, 2013, S.

230). In einer solchen akzeptierenden, nicht urteilenden Haltung wiederspiegelt sich die

Fokussierung auf eine tragfähige Beziehung (vgl. Meinhold, 2005, S. 512, zit. in Riegler, 2016,

S. 104).

Insbesondere in Krisen bedürfen Betroffene infolge der Überforderungssituation tragfähige

Kontakte, Zuwendung und Empathie (vgl. Sonneck et al., 2000, S. 21). Demnach sollte eine

professionelle Beziehungsgestaltung in der Krisenintervention durch Akzeptanz, emotionale

Wärme und empathische Fürsorge gekennzeichnet sein (vgl. Stein, 2009, S. 162). Auch

Ullmann (2013) weist auf die zentrale Eigenschaft der Empathie für eine tragfähige

Beziehungsgestaltung hin. Denn das Hineinversetzen und das Einfühlen in das Denken und

Handeln der betroffenen Menschen verschafft Zugang zu der jeweiligen Individualität der

Situation, wodurch das Erkennen der richtigen sozialarbeiterischen Ansätze erst ermöglicht

wird. (vgl. S. 166) Des Weiteren ergänzt Meinhold (2005), dass sich ein gelingender

Beziehungsaufbau eben durch den Grundsatz der Individualisierung auszeichnet, indem das

Klientel und seine Situation in seiner Einmaligkeit gewürdigt werden (vgl. S. 512, zit. in Riegler,

S. 104). Auch die Vertrauensbasis, welche für einen tragfähigen Beziehungsaufbau essentiell

ist, kann gelingen, indem der Mensch sich als angenommen erfährt (vgl. Ullmann, 2013, S.

163).

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Für einen solchen tragfähigen Beziehungs- und Vertrauensaufbau und auch um der

Individualität gerecht zu werden, sollten sich Sozialarbeitende hierfür genügend Raum und

Zeit nehmen, da dies die entscheidende Grundlage für den weiteren Unterstützungsverlauf

darstellt (vgl. Ullmann, 2013, S.164-165). Auch Stein (2009) hebt hervor, dass Betroffene

genügend Raum bekommen sollten, um sich und die individuelle Situation darzustellen.

Sozialarbeitende sollten sich hier als aktive und interessierte Zuhörer anbieten, wobei Sie

Verständnis für die Herausforderung der Situationsdarstellung der Betroffenen aufbringen

sollten. (vgl. S. 163-164) Das Einräumen von Zeit sowie das aktive Zuhören und die positive,

emotionale, anerkennende Zugewandtheit schafft Zugang zu einer tragfähigen professionellen

Beziehungsgestaltung (vgl. Riegler, 2016, S. 127). Auch in Anlehnung an Carl Rogers steht

und fällt die Wirksamkeit aller Interventionen mit der emotional-personalen Qualität der

Beziehung, wobei das Vertrauen in die Professionellen als wichtiger «Supportfactor» gilt (vgl.

Colla & Krüger, 2013, S. 19).

Die Aktivität von Sozialarbeitenden in der Krisenintervention hängt jedoch auch vom Zustand

der betroffenen Person ab. Je stabiler der Zustand und je mehr Bewältigungsmöglichkeiten

vorhanden sind, desto zurückhaltender kann sich die Fachkraft zeigen. Wenn die betroffene

Person hingegen von dem Krisenanlass überwältigt ist, Distanzierungsmöglichkeiten fehlen

oder eine ernsthafte Gefährdung besteht, erfordert dies eine aktive und direkte Intervention.

Demzufolge trägt die Beziehung in Kriseninterventionen auch eine stützende Funktion. (vgl.

Stein, 2009, S. 163) Abschliessend ist festzuhalten: Eine gelingende Beziehungsgestaltung ist

notwendig, «damit Klienten in ihrer (prekären) Lebenslage Unterstützungs- und

Assistenzangeboten zugänglich sind, bereit sind, Veränderungen zuzulassen (…), neue

Perspektiven zu entwickeln und darauf vertrauen können, dass sich ihre (prekäre) Lebenslage

verbessert» (Müller-Teusler, 2013, S. 124).

4.1.2 Nähe und Distanz

Sonneck et al. (2012) nennen in der Beziehungsgestaltung zwei Pole der Nähe-Distanz-

Relation, die es zu vermeiden gilt. Der eine Pol umfasst, dass sich Professionelle aus der

Beziehung heraushalten wollen, demzufolge zu viel Distanz gewahrt wird. Die Gefahr hierbei

besteht darin, dass sich so keine ausreichende Identifizierung mit den Betroffenen und deren

individuellen Situation einstellt. Mögliche Folgen hiervon können sein, dass die Gefühls- und

Problemlagen der Betroffenen nicht genügend ernst genommen werden. Zudem kann

aufgrund mangelnder Identifikation das Interesse an der Person und seiner Situation

schwinden. (vgl. S. 21) Der andere Pol umfasst, dass sich Professionelle zu sehr in die

Beziehungen einlassen, wenn nicht gar verwickeln lassen. Zu viel Nähe und eine zu starke

Identifikation können dazu führen, dass sich Professionelle nicht mehr ausreichend von den

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Bedürfnissen und Gefühlen der Betroffenen distanzieren können. Oft werden so auch

Fähigkeiten, Bedürfnisse, Gefühle oder das Durchhaltevermögen des Betroffenen über- oder

unterschätzt. Bei zu viel Nähe wird häufig ein zu starker Helferdrang spürbar, indem

Professionelle besonders aktiv werden und eigene Lösungsvorschläge stellvertretend

darlegen, wodurch die Eigenverantwortung der Klientel eingeschränkt wird. (vgl. ebd., S. 21-

22) Des Weiteren ergänzt Riegler (2016), dass ein zu starkes Involviert-Sein zu einer

Distanzlosigkeit führen kann, die eine unreflektierte Positionierung von Sozialarbeitenden

gegenüber dem Klientel zur Folge hat. Auch werden durch die Distanzlosigkeit Prozesse

langsamen Ausbrennens im Beruf gefördert. (vgl. S. 125-126) Zudem sollte der Umgang mit

Grenzen achtsam gehandhabt werden, da sonst seitens Sozialarbeitende die genannten

Überlastungserscheinungen aufkommen könnten sowie seitens Klientel eine Verstärkung der

Symptome und der Krise folgen kann (vgl. Kunz, Scheuermann & Schürmann, 2009, S. 128).

Demnach muss der Balanceakt zwischen Nähe und Distanz bewusst gesteuert werden, der

sich vorrangig an fachlichen und weniger an emotionalen Aspekten orientiert. Professionelle

Selbstregulation zeichnet sich aber auch durch eine Differenzierung zwischen persönlichem

Einsatz und Misserfolgen aus, welche von äusseren Faktoren verursacht worden sind. (vgl.

Ullmann, 2013, S. 171)

Der Balanceakt von Nähe und Distanz bringt eine weitere Herausforderung mit sich, welche

mit den psychoanalytischen Konzepten der Übertragung und Gegenübertragung erläutert

werden kann. Das Selbsterleben kann in Krisensituationen von Befürchtungen, Ängsten,

Gefühlen der Schutzlosigkeit oder auch früheren negativen Erfahrungen überlagert sein.

Zudem können Abhängigkeitsbedürfnisse sowie andere frühere Verhaltens- und

Beziehungsmuster auftreten. Mittels der Übertragung projizieren Menschen solche

Erfahrungen auf Fachkräfte. So kann die Beziehungsgestaltung seitens Klientel aufgrund der

bisherigen Erfahrungen von Schutz und Fürsorge oder auch von Vorsicht, Macht, Misstrauen

oder Ablehnung geprägt sein. Übertragungen lassen sich an nicht situationsangemessenen

und stark emotionalen Reaktionen bemerken. (vgl. Stein, 2009, S. 165) Als Gegenübertragung

werden jegliche Reaktionen und Gefühle bezeichnet, die seitens Professionellen durch die

Interaktion mit dem Klientel hervorgerufen werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob es sich

seitens der Fachkraft um eine adäquate emotionale Reaktion handelt, oder ob sich diese

Reaktion negativ auf den weiteren Unterstützungsprozess sowie auf den Beziehungsaufbau

auswirken kann. Bei letzterem ist Vorsicht geboten, insbesondere wenn beispielsweise

Fachkräfte zu viel Zuversicht aussprühen und unrealistische Ziele verfolgen, oder wenn durch

autoritäre Interventionen Überforderungssituationen sowie übermässige

Abhängigkeitsverhältnisse hervorgerufen werden. Professionelle müssen daher die

Fachkompetenz der Reflexion solcher Übertragungen besitzen, diese erkennen, um so

Entwicklungen von problematischen Konstellationen zu vermeiden. Durch eine solche

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reflexive Distanz werden problematische Übertragungskonstellationen verhindert, wodurch

eine konstruktive Krisenbewältigung begünstigt wird. Gleichzeitig sollte die Empathie

respektive das Einfühlen in die jeweilige Person und deren individuelle Situation stets bewahrt

werden, um eine ausgewogene Nähe-Distanz-Relation zu halten. (vgl. ebd., S. 166)

Eine förderliche Beziehungsgestaltung in Bezug auf die Nähe-Distanz-Relation zeichnet sich

demnach durch emotionale Interessiertheit aber nicht emotionale Involviertheit aus. Denn nur

dadurch kann ein distanzierter professioneller Blick auf die Problematik ermöglicht werden,

ohne in eine distanzlose persönliche Betroffenheit und unreflektierte Beziehungsgestaltung

hineinzugeraten. Diese distanzierte Sichtweise können Fachkräfte den Betroffenen gegenüber

spiegeln, um ihnen so einen Zugang zu einem eigenen distanzierten Blick auf die Situation zu

ermöglichen und über diese Reflexion zu grösseren Handlungsmöglichkeiten zu gelangen.

(vgl. Riegler, 2016, S. 126, 156) Denn, «wenn jede Distanz verloren geht, geht auch die

Fähigkeit verloren, hilfreich zu sein» (Bauer, 2012, S. 49, zit. in Riegler, 2016, S. 126).

Infolge solcher Herausforderungen auf der Beziehungsebene, Konfrontationen mit

Grenzsituationen und intensiven Gefühlslagen, sind Sozialarbeitende erheblichen

Belastungen ausgesetzt (vgl. Stein, 2009, S. 166). Deshalb müssen Sozialarbeitende eine

gewisse Belastbarkeit aufweisen. Psychische und emotionale Stärken wie auch

Stressresistenz sind gefordert. Selbstbeobachtungs- und Selbsteinschätzungsfähigkeiten

sowie Selbstregulation sind essentiell, um die eigene Balance zu halten. Entlastung kann

mittels Supervisionen, Coaching oder Weiterbildungen geschaffen werden. (vgl. Ullmann,

2013, S. 170-171) Zudem ist das frühzeitige Hinzuziehen von erfahrenen Fachkräften

unerlässlich (vgl. Widulle, 2012, S. 223).

4.1.3 Verantwortung klären

Für Kunz et al. (2009) bedeutet Verantwortung «die subjektive oder objektive Zuständigkeit

eines Menschen für sein Handeln, Denken und Fühlen auf der Grundlage selbstständiger

Entscheidungen» (S. 64). Oft wird davon ausgegangen, dass Menschen selbstverantwortlich

handeln und selbstbestimmt Entscheidungen treffen können. Doch in Krisen können sich

infolge der Überforderungssituationen solche Verantwortungsgrenzen auflösen, da die

Handlungsfähigkeit der Betroffenen beeinträchtig sein kann. (vgl. ebd., S. 64) Deshalb kommt

der Klärung von Verantwortung insbesondere in Krisensituationen ein hoher Stellenwert zu.

Kunz et al. (2009) halten generell fest, dass Professionelle primär für den

Unterstützungsprozess verantwortlich sind und das Klientel zum Beispiel für die

Problempräsentation (vgl. S. 65). Auch Ullmann (2013) appelliert an die Eigenverantwortung

der Fachkräfte für einen professionellen Begleitprozess, in welchem Sozialarbeitende

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aufgefordert sind, ihr eigenes Handeln und Verhalten stets zu prüfen, einzuschätzen,

nötigenfalls zu korrigieren und daraus Lehren für die weitere berufliche Tätigkeit zu ziehen

(vgl. S. 170-171). Sie tragen die Verantwortung für den bereits genannten Beziehungsaufbau

und deren Kompetenzen, die Zielverfolgung der Stabilisierung und Unterstützung zur «Hilfe

zur Selbsthilfe» sowie zur interdisziplinären Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften (vgl.

ebd., S. 174). Da Menschen in Krisensituationen oft verunsichert und unter grosser

Anspannung stehen, kann die Schaffung von Struktur und Sicherheit eine erste Beruhigung

herbeiführen. Daher liegt es in der Verantwortung von Sozialarbeitenden eine transparente

und strukturierte Unterstützung zu gewährleisten, indem sie das Gesprächssetting, den

Auftrag, die Funktionen und die Zuständigkeiten sowie Erwartungen anfänglich klären. (vgl.

Stein, 2009, S. 162) Kunz et al. (2009) erwähnen in diesem Zusammenhang, dass die Grenzen

von Menschen in Krisensituationen durchlässiger werden, da sie infolge starker

Gefühlsüberflutung mangelnde Strukturierung aufweisen können. Durch klare strukturierende

Grenzziehung und Verantwortungsklärung kann das Klientel seine eigenen Grenzen

wiederfinden. Dies setzt voraus, dass Sozialarbeitende ihre eigenen Grenzen, seien es

psychische, institutionelle, kräftemässige oder auch zeitliche, bewusst reflektieren und

kommunizieren. (vgl. S. 128)

Es ist wichtig, dass Professionelle nicht zu viel Verantwortung in Beratungssituationen

übernehmen und trotz beispielsweise spürbaren Hilflosigkeitsgefühlen des Klientel nicht zu

aktiv werden, sondern ihre Distanz zur Thematik und Situation wahren. Denn zu viel Aktivität

seitens der Fachkräfte können Versagensgefühle und folglich Selbstwerteinbussen der

Klientel noch mehr verstärken. Zu viel Verantwortungsübernahme seitens der Professionellen

ist stets eine Gefahr in der Krisenintervention, da der starke Druck der Betroffenen infolge der

durchlebten Krise an die Fachkraft weitergegeben werden kann. Dennoch kann es in

Krisensituationen notwendig sein, dass Professionelle mehr Verantwortung als in anderen

Beratungssituationen übernehmen müssen. Dies ist insbesondere bei einer akuten Selbst-

oder Fremdgefährdung der Fall. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 65) Aber auch hier gilt es gemäss

Kunz et al. (2009), dass sich Fachkräfte nicht die Verantwortung bei einer allfällig eintretenden

Selbst- oder Fremdverletzung aufbürden (vgl. S. 129).

4.1.4 Vermeidung von Beziehungsabbrüchen

Infolge des im ersten Kapitel genannten gesellschaftlichen Wandels, der sich durch die

pluralisierten Lebensformen und Lebenslagen sowie der Individualisierung und zunehmende

Fragmentierung auszeichnet, wird die Wichtigkeit von sozialen Ressourcen umso

offensichtlicher (vgl. Crefeld & Gahleitner, 2010, S. 45). Insbesondere sollten diese «in Form

stabiler und anhaltender psychosozialer Geborgenheit» (ebd., S. 45) sein. Professionelle

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Settings sollten sich daher durch «professionelle Zufluchtsorte als positive Gegenerfahrung zu

konfusen familiären wie gesellschaftlichen Verhältnissen» (ebd., S. 45) zeigen. Für

Sozialarbeitende ist dieses Hintergrundwissen von grosser Bedeutung, sodass

Beziehungsabbrüche und Zuständigkeitswechsel während einer Intervention möglichst

vermieden werden. Denn Beziehungsverluste können die Krisenhaftigkeit zusätzlich

verstärken. Ist ein Wechsel von Institutionen oder Zuständigkeiten nicht zu verhindern, müssen

Übergänge demnach sanft gestaltet und gut begleitet vollzogen werden, um eine stabile

Krisenhilfe zu gewährleisten. (vgl. ebd., S. 45) Durch eine erhöhte Kontaktfrequenz sowie

emotionalen Beistand kann die Beziehung aufrechterhalten und Kontaktabbrüche seitens

Betroffenen vermindert werden (vgl. Widulle, 2012, S. 222).

Professionelle müssen in Krisensituationen Fingerspitzengefühl zeigen und ein passendes

Mass an Unterstützung bieten. Denn einerseits ist ein tragfähiger Beziehungsaufbau und

gefestigtes Vertrauensverhältnis der Grundstein einer jeder Krisenintervention, andererseits

sind Menschen in Krisensituationen aufgrund des seelischen Ungleichgewichts destabilisiert

und somit auch empfänglicher für Unterstützungsangebote. Daher entsteht meist rasch eine

intensive Nähe zur Fachkraft. Da Kriseninterventionen jedoch zeitlich begrenzt sind, muss die

Abhängigkeit auf das Nötigste beschränkt werden – ganz im Sinne einer «Hilfe zur

Selbsthilfe». (vgl. Stein, 2009, S. 151) Doch nicht nur die Beziehungsgestaltung schafft

Zugang zur Krisenintervention und deren Bewältigung. Ist der Zugang zum Klientel mittels

tragfähiger Beziehungs- und Vertrauensbasis geschaffen, gilt es zunächst, die Herstellung

einer sicheren Grundlage zu gewährleisten, welche im nachfolgenden Kapitel erläutert wird.

4.2 Herstellung einer sicheren Grundlage

Die Stabilisierung von Betroffenen ist eine zentrale sozialarbeiterische Aufgabe in der

Krisenintervention (siehe Kapitel 3). Um dies zu erreichen, gilt es abgesehen von der

Beziehungsgestaltung eine sichere Grundlage für diese herzustellen. Hier scheint es zentral,

dass als erstes ein schützender Kontext initiiert wird. Weiters kann mittels Entlastung in

verschieden Bereichen eine erste Stabilisierung erfolgen. Mit Hilfe des Konzepts «Fünf Säulen

der Identität» kann ein Überblick bezüglich der Stabilität in den unterschiedlichen

Lebensbereichen erlangt werden, die zugleich als Analysemethode genutzt werden kann.

4.2.1 Schützender Kontext initiieren

Schutz kann eine zentrale Interventionslogik in der Krisenintervention sein, da sich Menschen

in Krisen in unterschiedlichen Situationen als schutzbedürftig zeigen können. Diese

Schutzbedürftigkeit ist häufig nicht auf den ersten Blick erkennbar, da Menschen ihre

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Schutzbedürfnisse sehr unterschiedlich ausdrücken und diese auch teils selbst für die

Betroffenen nicht immer erkennbar sind. Einen schützenden Kontext zu initiieren bedeutet,

das Klientel gegen ängstigende und gefährdende innere wie auch äussere Einflüsse

abzusichern. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 75) Beispielsweise könnte bei einem Missbrauch eine

räumliche Trennung geschaffen werden, um die betroffene Person vor weiteren Übergriffen zu

schützen. Oder schwer depressive, suizidale Menschen können mittels medizinischer und

therapeutischer Behandlungen oder mittels eines Klinikaufenthalts vor Selbstgefährdung

geschützt werden. (vgl. ebd., S. 75-76) Stimmer und Ansen (2016) betonen aber auch die

Wichtigkeit eines stabilisierenden Kontextes innerhalb des Hilfsangebotes, der folglich auch

eine schützende Funktion innehat. Betroffene müssen diesen als einen sicheren Ort auf Zeit

erleben. In einem solchen geschützten und stabilisierenden Rahmen kann Ungewohntes und

Neues erfahren und gefördert werden. Denn Lernen und Veränderungen werden erst

innerhalb einer sicheren und vertrauenswürdigen Situation in einem Kontext von Stabilität

ermöglicht. Das Arrangieren dieses schützenden und stabilisierenden Kontextes ist jeweils

abhängig von äusseren Bedingungen wie zum Beispiel des Ortes, der Erreichbarkeit, der

Ausgestaltung der Räumlichkeiten oder der geschaffenen Atmosphäre. Des Weiteren ist das

Gelingen aber auch abhängig von der Eindeutigkeit, die durch gemeinsame Vereinbarungen

entsteht. Und schlussendlich vor allem durch die bereits genannte Beziehungsqualität, welche

sich durch wechselseitiges Vertrauen auszeichnet. Hierbei kann das Klientel insbesondere

durch eine Verständigungs- und Ressourcenorientierung vermehrte Sicherheitsgefühle

innerhalb des Settings erfahren. (vgl. S. 72-73)

Um das Schutzbedürfnis überhaupt erkennen zu können, ist es für Professionelle essentiell,

die eigenen Gefühle, die in der Interaktion mit den Betroffenen entstehen, bewusst

wahrzunehmen. So könnten starke Fürsorgewüsche oder diverse Gefühlswahrnehmungen

wie beispielsweise Angst Hinweise für die Gefühlssituation des Klientel sein. Solchen

Gefühlswahrnehmungen sollte im Austausch nachgegangen werden. Schützende Kontexte

sollten immer mit dem Klientel zusammen definiert werden. Mit dem Wissen über

Schutzmöglichkeiten seitens Sozialarbeitenden und mittels gezielter Fragen, können Ideen für

einen schützenden Kontext gemeinsam entwickelt werden. Diese sollten sich soweit möglich

immer an den individuellen Bedürfnissen der Klientel und derer Situation orientieren.

Demzufolge sollten Dinge, die beruhigend wirken, Orte, die ein Wohlbefinden und Sicherheit

vermitteln, Menschen, die unterstützend sein können, Kontakte, die vermieden werden sollten

oder diverse individuelle Bedürfnisse herausgearbeitet werden. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 76)

Insbesondere wenn Betroffene sich selbst nicht mehr ausreichend schützen können, müssen

Sozialarbeitende mehr Verantwortung für diesen Schutz übernehmen. Dies kann zum Beispiel

der Fall sein bei psychischer Beeinträchtigung, bei akuter Selbst- und Fremdgefährdung oder

aufgrund von Abhängigkeitsverhältnissen wie bei Kindern und Jugendlichen (siehe Kapitel

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4.1.3). Für solche Fälle sind die gesetzlichen Regelungen zu beachten. (vgl. Kunz et al., 2009,

S. 77) Abgesehen davon müssen sich Professionelle immer auch selbst schützen, um sich

selbst nicht in gefährliche Situationen zu begeben. Die genannten rechtlichen Pflichten oder

das frühzeitige Hinzuziehen anderer Instanzen, wie beispielsweise der Polizei, können für

einen beidseitigen Schutz essentiell sein. (vgl. ebd., S. 76) Demzufolge gilt es, vorerst ein

mögliches Gefährdungspotenzial im Sinne der Selbst- und Fremdgefährdung abzuklären, falls

notwendig mittels individuellen Handlungsschritten abzuwenden und insbesondere für die

Betroffenen einen schützenden und stabilisierenden Rahmen in dem jeweiligen Setting zu

schaffen.

4.2.2 Emotionale Entlastung

Diverse Experten (Sonneck 1997, Heim 2000, Ciompi 2000) wie auch Kunz et al. (2009)

weisen auf die Entlastung als ein zentrales Element der Krisenintervention hin. Die Entlastung

kann auf unterschiedlichen Ebenen erfolgen – finanzielle, zeitliche, emotionale oder

Entlastung von bestimmten Aufgaben. Durch Entlastung wird wieder ein ausgewogenes

Verhältnis von Belastung und verfügbaren Ressourcen angestrebt. (vgl., S. 141) Gemäss

Kunz et al. (2009) wird in der Krisenintervention vorrangig die emotionale Entlastung

fokussiert, da in akuten Krisen oft ein grosser emotionaler Druck herrscht. Verschiedene

Gefühlslagen können zu erlebten Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Angsterleben führen und

erhebliche Belastungen nach sich ziehen. Durch die emotionale Entlastung können

Bedingungen geschaffen werden, um die eigene Handlungsfähigkeit und

Problemlösekompetenz wiederherzustellen. (vgl. S. 141)

Um eine erste beruhigende Entspannung im Unterstützungssetting zu schaffen, sollten sich

Sozialarbeitende genügend Zeit nehmen, sich selbst und die jeweilige Funktion sowie das

Setting vorzustellen und eine ruhige Atmosphäre zu schaffen, indem zum Beispiel

Sitzmöglichkeiten zur Auswahl stehen oder etwas zum Trinken angeboten wird. Ein

Hauptfaktor der Entlastung ist dann anschliessend das empathische Zuhören und Ermutigen

zum Ausdrücken der Gefühle. Das alleinige Sprechen über die Probleme kann schon eine

entlastende Wirkung zeigen. Es ist darauf zu achten, dass Gefühlsäusserungen genügend

Raum gegeben werden, denn die gemeinsam getragene Last kann entlastend wirken. (vgl.

Kunz et al., 2009, S. 141) Auch Stein (2009) weist auf die Wichtigkeit der emotionalen

Entlastung infolge des seelischen Ungleichgewichts in Krisensituationen hin, in welchem

Professionelle ausreichend Raum und Zeit schaffen müssen, damit sich Betroffene über ihre

eigenen teils widersprüchlichen Gefühle klar werden können. Fachkräfte müssen einen

Zugang zu diesen Gefühlsäusserungen ermöglichen, da sich die Verbalisierung von Gefühlen

oft als schwierig herausstellt. Um Klarheit in die emotional angespannte Situation zu bringen,

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zeigt sich jedoch eine Gefühlsäusserung meist als sehr hilfreich und entlastend. (vgl. S. 164)

Dabei sollten Sozialarbeitende als «Auffangbecken» der belastenden Gefühle fungieren. Dies

erfordert von Professionellen die Fachkompetenz, sich den belastenden Gefühlen und

Lebenslagen der Betroffenen anzunehmen und diese aufzufangen. Der Psychoanalytiker Bion

führte für dieses Konzept den Begriff des «Containers» ein. Es ist geprägt von einer

einfühlsamen Zuwendung, wobei die Betroffenen erfahren, dass die verzweifelte Situation

ernstgenommen wird. Gleichzeitig trifft der Betroffene auf Professionelle, die grundsätzlich

zuversichtlich sind. Hierbei wird mittels des gemeinsamen Aushaltens die Botschaft des

geteilten Schmerzes vermittelt, der wiederum die Situation für die Betroffenen erträglicher

machen kann. Cullberg nannte hierfür auch die «stellvertretende Hoffnung», die für Betroffene

in einer momentan ausweglosen Situation entlastend und somit unterstützend sein kann. (vgl.

ebd., S. 164-165)

Demzufolge müssen Sozialarbeitende die Bereitschaft aufweisen, scheinbar widersprüchliche

Gefühle der Betroffenen zu akzeptieren. Durch diesen Erfahrungswert seitens Klientel können

sie selbst auch ihre eigenen Gefühle besser annehmen und verstehen. Denn die

Verbalisierung der Gefühle ist bedeutsam für eine erfolgreiche Krisenbewältigung. (vgl. Stein,

2009, S. 164) Unterstützt werden diese Ausführungen durch Untersuchungen von James und

Gilliland (2001), die belegen, dass Verdrängung, Verleugnung oder Abspaltung emotionaler

Reaktionen den Krisenverlauf negativ beeinflussen und potenzielle Gefährdungen verstärken

können (vgl. zit. in Stein, 2009, S. 164). Dennoch ist darauf zu achten, die Grenzen der

Betroffenen stets zu wahren und sorgsam mit diesen umzugehen. Daher sollten Widerstände

und Abwehrmechanismen stets wahrgenommen und in ihrer Funktionalität nachvollzogen

werden. Auch ist Vorsicht geboten beim Forcieren intensiven Gefühlsausdruck, da dies

zusätzlich destabilisieren könnte. (vgl. Stein, 2009, S. 164) Des Weiteren ist zu vermerken,

dass entlastende Interventionen auch mögliche negative Auswirkungen haben können. Diese

treffen dann ein, wenn die herbeigeführte Entlastung eine Stagnation stützt und so destruktive

Verhaltensweisen aufrechterhält. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 142)

Da sich Menschen in Krisensituationen häufig überfordert fühlen und ihre Probleme für sie

unüberschaubar werden, bietet sich das Sortieren von jeweiligen Problemen an. Durch

Prioritätslisten und durch das selektive Angehen von Aufgaben können Betroffene wieder

einen ersten Halt verspüren. Zudem können mittels Fangtechniken die Belastungen und deren

Auswirkungen analysiert sowie mögliche Handlungsoptionen besprochen werden, um die

subjektiv verlorene Kontrolle etwas zurückzuerlangen. Eine weitere Methode könnte auch die

Vermittlung an Selbsthilfegruppen sein. Denn vermehrte Informationen über die Problematik

können das Kontrollgefühl und die Handlungsspielräume erweitern. Auch kann sich Entlastung

durch den sozialen Vergleich einstellen, indem erlebt wird, dass andere Menschen ähnliche

Problemlagen haben. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 142)

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Die Wichtigkeit der emotionalen Entlastung wurde aufgezeigt, dennoch gibt es weitere

Bereiche, die entlastend aber auch belastend wirken können. Um solche Bereiche weiter

ausfindig zu machen, lohnt es sich, das Konzept «Fünf Säulen der Identität» nach Petzold

beizuziehen, welches in seiner Wichtigkeit für die Krisenintervention im nachfolgenden Kapitel

dargelegt wird.

4.2.3 Fünf Säulen der Identität

Petzold (2012) unterscheidet in seinem integrativen Identitätskonzept fünf Bereiche, die eine

prozesshafte vielfältige Identität tragen. Er bezeichnet dies als die «Fünf Säulen der Identität».

(vgl. S. 514) Mit Hilfe dieses Instrumentes können sich Professionelle einen Überblick über die

persönliche Stabilität eines Menschen verschaffen und Informationen der einzelnen

Lebensbereiche hervorbringen (vgl. ebd., S. 520).

Die Erfassung erfolgt gemeinsam mit den Betroffenen. Sie kann mittels gezielter Fragen

exploriert, aber auch mittels kreativen Techniken wie beispielsweise Zeichnungen dargestellt

werden. (vgl. Petzold, 2012, S. 520; Stein, 2009, S. 193) Insbesondere bei Krisen kann dieses

Instrumentarium hilfreich sein, denn ein Krisenverständnis kann sich durch die Betrachtung

der betroffenen Säulen erhellen und hilft gemäss Stein (2009) auch der Abstandgewinnung

der aktuellen Problematik (vgl. S. 193). Nachfolgend werden die verschiedenen Säulen

genauer erläutert.

Leiblichkeit:

Die Leiblichkeit ist gemäss Petzold (2012) der zentralste Bereich des Menschen. Diese Säule

beinhaltet die Gesundheit, das Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit, die Vitalität – wobei dem

Selbsterleben in dieser Dimension eine grosse Bedeutung zugesprochen wird. Denn wenn

Menschen ihre eigene körperliche, emotionale und geistige Gesundheit als verloren erleben,

ist diese Säule besonders eingeschränkt und ihre Gesundheit begibt sich in einen riskanten

Abbildung 4: Darstellung der «Fünf Säulen der Identität»

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Bereich. Besonders im modernen Lebensstil wird der vitalen Leiblichkeit nebst dem

Berufserfolg einen hohen Stellenwert zugesprochen. (vgl. S. 520-521)

Soziale Beziehungen:

Die Säule der sozialen Beziehungen umfasst jegliche sozialen Netzwerke wie Familie sowie

Freundes- und Kollegenkreis. Hierbei können spezifische Identitätsbereiche entstehen, die

Chancen der Selbstverwirklichung ermöglichen, die aber auch Einschränkungen in sich

bergen können. (vgl. Petzold, 2012, S. 521-522)

Arbeit und Leistung, Freizeit:

Diese drei zusammenhängenden Lebensvollzüge umfasst die dritte Säule. Mit den stetig

wachsenden Anforderungen in der Arbeitswelt bezüglich Flexibilität und Leistung kommt der

Work-Life-Balance einen hohen Stellenwert zu – ausdrücklich, um sich trotz

Freizeitverknappung Erholungszeiten als Ausgleich zu schaffen. Da der Arbeit in unserer

Kultur einen hohen Stellenwert zugesprochen wird, können Störungen in der Arbeitswelt auch

die anderen Säulen gravierend beeinträchtigen. So kann sich ein Arbeitsverlust als besonders

schwerwiegend zeigen, da sich dadurch weitreichende Auswirkungen auch auf die übrigen

Identitätssäulen erkennen lassen, wie zum Beispiel auf die der materiellen Sicherheit. (vgl.

Petzold, 2012, S. 522-523) Auch Kunz et al. (2009) weisen auf den hohen gesellschaftlichen

Wert der Arbeit hin und erwähnt insbesondere, dass Arbeitslosigkeit meist mit einem Stigma

belegt ist. Häufig wird sie zudem als psychische Belastung erlebt und kann krisenauslösend

wirken. Zudem kann ein sozialer Abstieg sowie Schulden und Verarmung mit der

Arbeitslosigkeit einhergehen. Demnach können sich gravierende psychische, gesundheitliche,

soziale und materielle Folgen abbilden. (vgl. S. 46)

Materielle Sicherheit:

Zu dieser Identitätssäule gehören jegliche materiellen Sicherheiten wie zum Beispiel Geld,

Wohnung oder Kleidung. Fehlen solche Sicherheiten, kann dies zu massiven Erschütterungen

des Menschen und derer Identität führen. Denn materielle Sicherheiten ermöglichen

Freiräume und somit Identitätsverwirklichungen. Diese Säule ist eng mit der dritten Säule

verbunden. (vgl. Petzold, 2012, S. 524)

Werte:

Für viele hat diese Identitätssäule eine grosse Bedeutung. Sie beinhaltet zentrale Werte wie

beispielsweise religiöse oder politische Orientierungen, die ein Mensch haben kann. Sie ist

daher so zentral, da Menschen aus Werten Sinn und Kraft schöpfen können, welche sich auch

in der jeweiligen identitätsstiftenden Haltung wiederspiegeln. (vgl. Petzold, 2012, S. 524-525)

Denn häufig kann durch das Festhalten an eigenen zentralen Werten ein vollständiger

Zusammenbruch in Krisensituationen vermieden werden (vgl. Stein, 2009, S. 194).

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Das Analyseinstrument der «Fünf Säulen der Identität» schafft Einblicke für Sozialarbeitende

aber auch für die Betroffenen. Damit wird ersichtlich, welche Bereiche die eigene Identität

tragen. Aber vor allem können so auch die geschwächten Bereiche herausgearbeitet werden.

An geschädigten Säulen respektive Lebensbereichen kann gezielt in Krisensituationen

gearbeitet und diese bestmöglich wiederhergestellt werden. Die innerlich vergegenwärtigten

«starken» Säulen können als Stütze, Entlastung und Stabilisierung zur Krisenbewältigung

genutzt werden. (vgl. Petzold, 2012, S. 543) Demnach können relativ stabile Säulen Halt und

Sicherheit spenden, wobei betroffene Säulen den Handlungsbedarf aufzeigen können (vgl.

Stein, 2009, S. 193-194). Eine Distanzierung zur Krise wird vor allem auch durch die Einsicht

und Vergegenwärtigung von nicht krisenbetroffenen Bereichen und deren vorhandenen

innewohnenden Ressourcen gefördert. Diese Ressourcen können zugleich hilfreich zur

Krisenbewältigung genutzt werden. (vgl. ebd., S. 194)

Da eine sichere Grundlage und ihre entlastenden Elemente eine der zentralsten Zugänge in

der Krisenintervention der Sozialen Arbeit darstellt, gilt es, diese schnellstmöglich herzustellen.

Für einen Überblick für die Situationserfassung, wobei die einzelnen Bereiche bezüglich deren

Stabilität und Ressourcen durchleuchtet werden, eignet sich das Säulenmodell nach Petzold.

Weiter ist hier auch auf den Gegenstandsbereich der Sozialen Arbeit bezüglich der

Bearbeitung von sozialen Problemen zu verweisen. Hierbei ist wie bereits genannt die Soziale

Arbeit verpflichtet, sich unterstützend bei eingeschränkten Lebensverwirklichungen und

unzureichenden Zugängen zu gesellschaftlichen Ressourcen einzusetzen (siehe Kapitel 3.2).

Denn gemäss dem Berufscodex von AvenirSocial (2010) hat die Sozialen Arbeit auch einen

sozialpolitischen Auftrag, indem sie zu gesellschaftlichen und sozialpolitischen

Verbesserungen beiträgt (vgl. S. 13). Sie ist verpflichtet, sozialpolitische Interventionen zu

initiieren und zu unterstützen, sodass Lösungen für strukturbedingte Probleme geschaffen

werden können (vgl. ebd., S. 6). Dies ist hier insofern wichtig, da die Soziale Arbeit somit einen

wesentlichen Beitrag zur Eindämmung von Krisenzuspitzungen leisten kann. Denn bei

Krisensituationen, und somit auch in der Krisenintervention, kann die Soziale Arbeit Betroffene

gezielt mittels der Erschliessung von Ressourcen und sozialpolitischer Massnahmen entlasten

wie beispielsweise mittels Sicherstellung von materiellen Sicherheiten, gesundheitlichen

Versorgungen und anderen Hilfsangeboten. Diese Ressourcenerschliessung, die ein zentraler

Aufgabenbereich der Sozialen Arbeit darstellt, wirkt folglich unterstützend für die

Lebensbewältigung und somit auch für die Krisenbewältigung (siehe Kapitel 3). Diese

genannte Ressourcenerschliessung wird im Folgekapitel genauer differenziert.

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4.3 Ressourcenerschliessung

In Anlehnung an den französischen Sprachgebrauch bedeutet der Begriff Ressource

«Hilfsquelle». Die Lebensführung und Alltagsgestaltung wie auch die Bewältigung von

Problemen und Krisen sind abhängig von solchen vorhandenen Hilfsquellen und deren

innewohnenden Ressourcen. (vgl. Zwicker-Pelzer, 2010, S. 62) Da sich der Gegenstand

sozialarbeiterischer Tätigkeit auf die Unterstützung der Lebensbewältigung fokussiert, wobei

eine zentrale Devise die Ressourcenerschliessung und -stärkung für die Erlangung einer

grösstmöglichen Selbstbestimmtheit und Eigenständigkeit darstellt (siehe Kapitel 3) und in

Krisensituationen bekanntlich die Handlungsfähigkeit oft eingeschränkt ist, zeigt sich hier ein

legitimierter Zugang und Ansatz für die Krisenintervention in der Sozialen Arbeit. Im folgenden

Kapitel wird daher die Grundhaltung der Ressourcenorientierung in Bezug auf

Krisensituationen und deren Bewältigung dargelegt. Anschliessend wird der Ansatz der

Netzwerkintervention beigezogen, da Netzwerke eine zentrale Stütze und Ressource in

Krisensituationen sein können (siehe Kapitel 2). Abschliessend wird in Anbetracht der

Krisenbewältigung der Ansatz Copinganalyse und -Modifikation erläutert.

4.3.1 Ressourcenorientierung

«Mit Ressourcenorientierung ist eine Grundhaltung gemeint, die sich an den Stärken und

Kompetenzen der Menschen orientiert und nicht an den Defiziten» (Kunz et al., 2009, S. 24).

Insbesondere in Krisensituationen können Menschen oft weder auf ihre Problemlöse-

kompetenzen zurückgreifen, noch diese selbstständig entdecken (vgl. ebd., S. 24).

Ressourcenverlust oder eine mangelnde Nutzung von Ressourcen stellt oftmals den Beginn

sozialer Hilfestellungen dar (vgl. Wüsten, 2013, S. 120). Deshalb müssen Sozialarbeitende

das Klientel darin unterstützen, verlorene und verborgene Ressourcen wiederzufinden und sie

nutzbar zu machen (vgl. Kunz et al., 2009, S. 24). Denn auch gemäss Wüsten (2013) stellt

eine Ressourcenwahrnehmung sowie deren Aktivierung und Nutzung einen Grundstein für

den Behandlungserfolg dar (vgl. S. 120).

Der Ressourcenbegriff wird unterschiedlich diskutiert, da Ressourcen sehr vielfältig sein

können. Die Schwierigkeit einer einheitlichen Ressourcenbestimmung liegt daran, dass diese

immer von den individuellen Bewertungen einer Person abhängt. Generell kann jedoch

festgehalten werden, dass Ressourcen durch positive Gefühle sowie das Empfinden von

Nützlichkeit und Hilfe gekennzeichnet sind. (vgl. Wüsten, 2013, S. 121-122) Fakt ist, der

Mensch verfügt über verschiedene Ressourcen. Eine Differenzierung formulierte Antonovsky

(1987). Er unterscheidet hierbei personale und Umwelt-Ressourcen. Zum Ersteren zählt er

eigene Fähigkeiten, körperliche Gesundheit, wie auch ethische oder religiöse Werte. Zudem

können auch zuversichtliche Lebenseinstellungen, bisherige Krisenbewältigungserfahrungen,

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sowie die Fähigkeit, schwierige Lebensumstände zu ertragen, als personale Ressourcen

gelten. Die Umwelt-Ressourcen sind primär im Bereich der zwischenmenschlichen

Beziehungen zu finden, aber beispielsweise auch in Form von finanziellen Sicherheiten. (vgl.

zit. in Kunz et al., 2009, S. 24)

Im Sinne der Krisenintervention, welche abgesehen von der Selbsthilfe vor allem die

Stabilisierung fokussiert (siehe Kapitel 2), ist es die Aufgabe von Sozialarbeitenden mit

Betroffenen herauszufinden, was in der jeweiligen Situation als stabilisierende Ressource

herbeigezogen werden kann (vgl. Kunz et al., 2009, S. 24). «Gesunde Lebensbereiche»,

Bewältigungsressourcen und insbesondere soziale Ressourcen sollten hierbei erkundet

werden (vgl. Wüsten, 2013, S. 123-124). Doch auch jede andere Art von Ressourcen gilt es

zu nutzen und zu aktivieren, wie beispielsweise Freizeitgestaltungsmöglichkeiten (vgl. Widulle,

2012, S. 223). Gemäss Zwicker-Pelzer (2010) sind auch bei schwerstgefährdeten Menschen

und in jeder defizitären Umwelt förderbare Ressourcen auffindbar (vgl. S. 63). Demnach

müssen die gefundenen Ressourcen stets wahrgenommen, anerkannt und hervorgehoben

werden. So kann es auch sein, dass gefundene Ressourcen derzeit noch nicht zur

Bewältigung beigezogen werden können, sich aber zu einem späteren Zeitpunkt als hilfreich

und unterstützend erweisen. (vgl. Wüsten, 2013, S. 125) Zudem wird durch die

Vergegenwärtigung von eigenen Ressourcen und deren offensichtlichen Benennung das

Selbstwertgefühl gestärkt (vgl. Kunz et al., 2009, S. 26). Die Ressourcenperspektive

ermöglicht es allen Beteiligten, den Blick von der Problemfixierung auf die Stärken und

Potenziale der Betroffenen zu lenken. Sie ermöglicht, den genannten Chancenaspekt

hervorzuheben (siehe Kapitel 1.3), indem nicht nur die negativen Aspekte von Krisen betont

werden, sondern auch die positiven wie beispielsweise bisherige und wertvolle

Erfahrungsmöglichkeiten (vgl. Zwicker-Pelzer, 2010, S. 63).

Wichtig ist, dass eine Ressourcenanalyse am Einzelfall orientiert ist und daher mittels adaptiv

unterschiedlicher Methoden erfolgen kann (vgl. Wüsten, 2013, S. 130). Demzufolge können

verlorengegangene und versteckte Ressourcen mit unterschiedlichen Zugangsweisen

aufgedeckt werden. Verschiedene Fragetechniken eignen sich hier als Werkzeug der

Fachkraft. So können Fragen bezüglich des Umgangs früherer Krisensituationen und deren

Bewältigung gestellt werden, um Ressourcen aufzudecken. Auch kann nach

Ausnahmesituationen in der jeweiligen Krise gefragt werden, respektive welche Dinge zu einer

Entlastung führten oder führen könnten und was dazu benötigt wird. (vgl. Kunz et al., 2009, S.

25) In der Zwischenzeit wurden auch viele Checklisten und spezialisierte Fragebögen

ausgearbeitet, welche eine strukturierte Ressourcenerfassung ermöglichen (vgl. Wüsten,

2013, S. 125-126). Auch Zwicker-Pelzer (2010) empfiehlt, in kritischen Gesundheits- und

Lebensumständen ein Fähigkeitsprofil zu erstellen, wofür unterschiedliche Leitfäden existieren

(vgl. S. 67). Des Weiteren kann auch die Methode des Reframings, zu Deutsch Umdeuten,

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angewendet werden, um einen ressourcenorientierten Zugang der Klientel zu erlangen. Das

Reframing kann hilfreich sein, indem durch eine positive Umdeutung von beispielsweise

Sachverhalten und Eigenschaften neue Perspektiven auf die jeweilige Situation sowie auf

Verhaltensweisen und Eigenschaften der Klientel eröffnet werden. (vgl. Wüsten, 2013, S. 121,

133) Im fortgeschrittenen Begleitprozess können Ressourcen auch mit individuellen

«Hausaufgaben», im Sinne von gezielten Aufgaben, aktiviert und so zur Problembewältigung

aktiv genutzt werden (vgl. ebd., S. 132-133).

Die Ressourcenerschliessung ist deshalb wichtig, da sie allein schon durch die Erhebung

motivierende Anstösse herbeiführen kann, indem Erwartungen positiver Ereignisse gefördert

werden. Auch können sich durch einen solchen Zugang die Problemlöseideen vervielfältigen.

(vgl. Wüsten, 2013, S. 122-123) Doch die Suche nach Ressourcen mit dem Klientel erfordert

von Sozialarbeitenden Fingerspitzengefühl, Geduld aber auch Hartnäckigkeit, da Betroffene

meist nur noch die Krisen wahrnehmen können (vgl. Kunz et al., 2009, S. 25).

4.3.2 Netzwerkintervention

Wie aufgezeigt, sind soziale Ressourcen in Krisensituationen besonders hilfreich für eine

aktive Bewältigung und Stabilisierung der Betroffenen. Diverse Forschungen der vergangenen

Jahre belegen die Wichtigkeit eines tragfähigen sozialen Bezugssystems für Menschen.

Besonders in belastenden Lebenssituationen können solche Beziehungen als Stütze

fungieren und Belastungen können somit besser bewältigt werden. (vgl. Kunz et al., 2009, S.

38) Die Betroffenen können dadurch sozialen Rückhalt in Form von emotionaler Nähe,

Intimität, Zusammenhalt, Zugehörigkeit sowie Akzeptanz erfahren (vgl. Zwicker-Pelzer, 2010,

S. 65). Doch oft zeigt sich bei Menschen in Krisen ein fehlendes intaktes soziales Netzwerk,

da dies bereits vorhin nicht vorhanden war oder sich aufgrund der Krisensituation auflöste (vgl.

Kunz et al., 2009, S. 38). Dies kann sich als einschneidend zeigen, da soziale Beziehungen

unverzichtbar für die Entfaltung und Weiterentwicklung der Identität sowie für einen Aufbau

sozialer Handlungsfähigkeit ist. Diese Beziehungen sind jedoch zwischen positiver und

negativer Qualität zu unterscheiden. Erstere können wie oben benannt Sicherheits- und

Zugehörigkeitsgefühle vermitteln, doch negative können Menschen Entfremdung, Vorurteile

oder Ausgrenzung verspüren lassen. (vgl. Stimmer & Ansen, 2016, S. 105)

Bei einer Netzwerkintervention werden bestehende Netzwerke analysiert und falls notwendig

sowohl neue als auch alte Beziehungen wiederaufgebaut. Netzwerkintervention verfolgt

demnach das Prinzip, die Person bestmöglich mit verschiedenen Hilfsformen zu vernetzen.

Dies kann mittels informeller Hilfen als auch formeller Unterstützungen erfolgen, sodass

Betroffene mehr Möglichkeiten erhalten, die Krise aktiv zu bewältigen. Demnach stellt

Vernetzung ein wesentliches Prinzip von Krisenintervention dar. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 38)

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Hierbei geht es um die Stärkung von hilfreichen Kontakten, jedoch auch um die Analyse der

belastenden Bezüge, die entwicklungshemmend sind oder sich negativ auf die Problemlösung

auswirken können (vgl. Stimmer & Ansen, 2016, S. 105).

Gemäss Kunz et al. (2009) ist bei Krisensituationen die Aktivierung des sozialen Netzwerks

besonders wichtig. Sozialarbeitende sollten gemeinsam mit den Betroffenen ein tragfähiges

Netzwerk aufbauen. So können Familien und Freunde in eine Unterstützungslösung

einbezogen werden. Aber auch die Vermittlung und Zugangsverschaffung zu weiteren

Fachpersonen wie zum Beispiel Ärzten oder Psychologen für allfällige körperliche, seelische

und psychische Beschwerden, können unterstützend sein. Des Weiteren können

Informationen bezüglich Notfallnummern und Krisendiensten Sicherheit stiften. (vgl. S. 37)

Denn das alleinige Wissen bezüglich Rückgriffsmöglichkeiten auf Netzwerkpotenziale kann

die Krisenbewältigung erleichtern sowie das Selbstvertrauen fördern (vgl. Stimmer & Ansen,

2016, S. 109).

Für eine Netzwerkanalyse eignet sich die Veranschaulichung mit einer Netzwerkkarte. Mittels

dieser Technik können Ressourcen aber auch Defizite ersichtlich werden. Unterschiedlichste

Personen wie auch ihre Beziehungsnähe können dargestellt werden, wobei auch eine visuelle

Vergegenwärtigung für die Betroffenen erzielt werden kann. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 38) In

einem weiteren Schritt können Netzwerkkarten hinsichtlich der Art und Struktur, der

Zufriedenheit und zukünftiger Beziehungswünsche sowie bisheriger Beziehungserfahrungen

analysiert werden (vgl. ebd., S. 39). Um eine positive Wirkung von sozialen Netzwerken zu

erreichen, ist es notwendig, dass diese insbesondere vom Empfänger als unterstützend

wahrgenommen werden (vgl. Stimmer & Ansen, 2016, S. 113).

In der Abbildung 5 symbolisieren die Kreise die Beziehungsnähe zu den unterschiedlichen

Personen. Die einzelnen Sprechblasen umschreiben die derzeitige Beziehungsqualität und

deren Beziehungsstand.

Abbildung 5: Beispiel einer Netzwerkkarte

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Eine weitere Methode für die Netzwerkabbildung wäre das Genogramm, welches auch soziale

Ressourcen sichtbar machen kann (vgl. Wüsten, 2013, S. 131). Das Genogramm ist eine

piktographische Darstellung eines Familienstammbaumes und deren Beziehungen, wobei

mehrere Generationen abgebildet werden können (vgl. Weber, 2012, S. 50). Netzwerkarten

haben den Vorteil, jegliche Beziehungsnetze in unterschiedlichsten Lebensbereichen

darzustellen (vgl. Stimmer & Ansen, 2016, S. 168). Sie fokussieren sich demnach nicht nur auf

familiäre Beziehungen. Auch biografische Zeitbalken oder andere gestalterische Methoden

wie Collagen oder Poster können bei der Ressourcenabbildung ihre Verwendung finden (vgl.

Wüsten, 2013, S. 131).

Es kann sein, dass bei Netzwerkinterventionen Widerstände seitens der Betroffenen auftreten.

Daher kann es hilfreich sein, wenn Sozialarbeitende behutsam vermitteln, dass die

Inanspruchnahme von Hilfe keine Schwäche, sondern eine Stärke ist. (vgl. Kunz et al., 2009,

S. 39) Da die Bedeutung sozialer Ressourcen derart hoch ist, lohnt es sich, der Aktivierung

sozialer Netzwerke genügend Aufmerksamkeit und Zeit zu widmen (vgl. Wüsten, 2013, S.

130). Denn wie bereits aufgezeigt, birgt das soziale Netzwerk Ressourcen für eine

Problembewältigung, da sie sowohl materielle, soziale und emotionale Unterstützung bieten

können (vgl. Zwicker-Pelzer, 2010, S. 66).

4.3.3 Copinganalyse und Modifikation

Als Coping, zu Deutsch Bewältigung, «kann das Bemühen bezeichnet werden, bereits

bestehende oder zu erwartende Belastungen innerpsychisch (emotional und kognitiv) oder

durch zielgerichtetes Handeln auszugleichen» (Kunz et al., 2009, S. 51). Auch gemäss Stein

(2009) ist Coping ein mehr oder weniger bewusster Vorgang, welcher der Erhaltung oder der

Wiederherstellung des eigenen inneren Gleichgewichts dient, wobei versucht wird, trotz einer

andauernden Belastung eine innere und äussere Druckreduzierung herbeizuführen (vgl. S.

31). Insbesondere in der Krisenentstehung wie auch in der Krisenüberwindung kommt dem

Coping demnach eine zentrale Rolle zu (vgl. Kunz et al., 2009, S. 51).

Durch mangelnde Handlungsmöglichkeiten und inadäquate Verarbeitungsformen können

Krisen entstehen und sich Gefühle der Hilflosigkeit und Orientierungslosigkeit einstellen (vgl.

Kunz et al., 2009, S. 52). Zudem kann sich eine Krise durch schädigende oder scheiternde

Bewältigungsstrategien auf Dauer chronifizieren (siehe Kapitel 1.3), die sich bis zu

psychischen und psychosomatischen Störungen verhärten oder zu suizidalen Entwicklungen

und Gewalthandlungen zuspitzen können (vgl. Stein, 2009, S. 20-21). Daher ist es eine

zentrale Aufgabe von Sozialarbeitenden in der Krisenintervention, habituelle Copingstrategien

gemeinsam mit den Betroffenen herauszuarbeiten. Es sollte herausgefunden werden, welche

Strategien in der jeweiligen aktuellen Situation passend, hinderlich oder nicht ausreichend

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sind. Insbesondere hinderliche oder nicht ausreichende Bewältigungsstrategien sollten auf

mögliche Modifizierungen überprüft werden. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 52) Bezüglich der

Effizienz kann zwischen funktionalen und dysfunktionalen Bewältigungsstrategien

unterschieden werden, wobei die jeweilige Einteilung immer personen- und situationsabhängig

ist. So können bestimmte Strategien kurzfristig für Entlastung sorgen wie zum Beispiel

Rückzug oder Vermeidung, die aber auf eine längerfristige Betrachtung die Krisenbewältigung

behindern. Daher gilt es auch, zwischen kurzfristigen und längerfristigen effektiven Strategien

zu differenzieren. (vgl. Papastefanou, 2013, S. 33-34) Gemäss Stein (2009) gibt es nicht

primär schlechtes oder gutes Coping. Vielmehr stellen sie mehr oder weniger geglückte

Neuanpassungsversuche dar. Auch er weist darauf hin, dass Bewältigungsstrategien wie

Rückzug oder Verleugnung in gewissen Situationen sinnvoll sein können, um nicht eine

erneute Überforderung hervorzurufen. (vgl. S. 31) Eine erfolgreiche Bewältigung zeigt sich

dann, wenn überflutende Emotionen reguliert werden und Kontrolle zurückerlangt wird (vgl.

Papastefanou, 2013, S. 34).

Sozialarbeitende unterstützen Betroffene mit der Copinganalyse, die derzeitig passenden

Bewältigungsstrategien für eine Krisenbewältigung herauszuarbeiten. Um weitere

Überforderungen in Krisensituationen zu verhindern, ist es nicht hilfreich, völlig neue

Bewältigungsstrategien zu erlernen. Vielmehr sollten gewohnheitsmässige Muster kritisch

beleuchtet und allenfalls modifiziert werden. Denn die Haltung in der Krisenintervention geht

stets von der Annahme aus, dass Betroffene auch in Krisensituationen Ressourcen und

Bewältigungsstrategien zur Verfügung haben. (vgl. Kunz et al., 2009, S. 52)

Ähnlich wie bei der Ressourcenanalyse können Bewältigungsverhalten des Klientel wie folgt

analysiert werden:

Schilderung der aktuellen Situation und der bisherigen Bewältigungsversuche

Frühere Strategien sowie deren bisherige Erfolge analysieren

Gedanken und Gefühle bezüglich der Krise erfragen, um mögliche Hinweise auf die

innerpsychischen Bewältigungsstrategien zu erlangen

Reaktionen auf bestimmte Interventionen bewusst wahrnehmen, um auf mögliche

Verhaltensweisen ausserhalb des Settings zu schliessen. (vgl. ebd., S. 52)

Professionelle müssen bei der Ressourcenerschliessung demnach unterschiedliche

Kompetenzen aufweisen. Einerseits werden fundierte Kenntnisse über Instrumente

erforderlich, aber auch die Fähigkeit diese falladäquat einsetzten zu können. (vgl. Wüsten,

2013, S. 126). Die dargelegten Variablen – Ressourcen, Netzwerke, Coping – sind

ausschlaggebend für die Krisenentstehung und deren Bewältigung. Denn sie haben direkten

Einfluss auf den Schweregrad einer Krise und führen zu einer mehr oder weniger gesunden

Form der Restabilisierung. (vgl. Stein, 2009, S. 35)

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5 Weiterführende Ansätze

Die bisher genannten Zugänge und Ansätze dienen primär der Stabilisierung und Entlastung

der Betroffenen. Sie bieten auch erste mögliche Ansätze zur Problembewältigung, weshalb

sie für eine Krisenintervention in der Sozialen Arbeit besonders geeignet sind. In diesem

Kapitel werden ergänzend noch zwei ausgewählte Zugangsweisen abschliessend skizziert,

die nicht primär für die Krisenintervention entwickelt wurden, aber Parallelen zu einer

Krisenbewältigung aufzeigen. Daher eignen sie sich als weiterführende Ansätze nach einer

akuten Krise.

5.1 Psychoedukation

Psychoedukation findet ihren Anwendungsbereich primär bei Menschen mit sowohl

somatischen als auch psychischen Erkrankungen, kann jedoch auch bei anderen Belastungen

angewendet werden. Sie strebt die Informationsvermittlung über bestimmte Erkrankungen,

verknüpft mit der emotionalen Aufbereitung der daraus resultierenden Schwierigkeiten, an. Da

Erkrankungen oder andere schwerwiegende Belastungen sich zu Krisen zuspitzen können,

zeigt dieses Verfahren auch Bezüge zur Krisenbewältigung. Psychoedukation findet hingegen

meist erst nach der Überwindung eines akuten Notfalls beziehungsweise nach einer akuten

Krise statt. Denn erst wenn die Betroffenen ausreichend stabilisiert sind, kann das

Geschehene vertieft reflektiert und emotional verarbeitet werden. (vgl. Hülshoff, S. 82-83).

Üblicherweise findet Psychoedukation in einem Gruppensetting statt, geführt von einer

Fachkraft aus dem therapeutischen Feld, in Kombination mit Sozialarbeitenden. Diese

Kombination von Fachkräften scheint hilfreich, da Psychoedukation Informationsvermittlung in

allen Bereichen – biologische, psychische sowie soziale – umfasst. Sozialarbeitende finden

ihren Aufgabenbereich hierbei zum Beispiel bei möglichen sozialen Schwierigkeiten,

Erschwernisse im Bereich des Wohnens, der Freizeitgestaltung oder der Arbeit sowie bei

familiären Aspekten. Das Gruppensetting hat zum Vorteil, dass Kursteilnehmende sich über

eigene Erfahrungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede austauschen können. (vgl. Hülshoff,

2017, S. 83) Abgesehen von der Thematisierung der Schwierigkeiten werden auch weitere

psychosoziale Hilfsangebote und vor allem auch positive Entwicklungstendenzen,

Selbstheilungskräfte und Coping-Strategien thematisiert, wobei die Teilnehmenden

voneinander profitieren können (vgl. ebd., S. 84). Die Betroffenen werden hierbei als

«Experten in eigener Sache» verstanden, was auch den positiven Nebeneffekt der Stärkung

von Selbstwertgefühl und Selbstwirksamkeitserfahrungen zugutekommt (vgl. ebd., S. 83). Ziel

einer Psychoedukation ist somit die Integration des eigenen Krisenerlebens mittels

Informationsvermittlung sowie die positive Veränderung vom Krisenverständnis. Des Weiteren

sollen individuelle Konzepte sowie gefestigte Problemlösungsfähigkeiten erarbeitet werden.

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Wie bei der Krisenintervention, werden die Selbstwirksamkeit und das Kontrollgefühl gestärkt,

sowie Bewältigungsstrategien entwickelt und reflektiert. (vgl. ebd., S. 84) Auch Kunz et al.

(2009) weisen auf die Wichtigkeit einer umfassenden Aufklärung und Informationsvermittlung

hin, die vor allem positive Effekte für das Klientel hat. So kann beispielsweise Aufklärung

bezüglich Symptomatik die Vorstellung des eigenen persönlichen Versagens entlasten.

Zudem können Betroffene durch die Informationsvermittlung zu eigenen Entscheidungen

befähigt werden, die sie aufgrund des erlangten Wissens fällen können. Auch Informationen

bezüglich Behandlungserfolgen können Hoffnung erwirken. (vgl. S. 117)

5.2 Motivational Interviewing

Motivational Interviewing, zu Deutsch motivierende Gesprächsführung, ist für Menschen

geeignet, die aus unterschiedlichen Gründen nicht die notwenige Änderungsmotivation

aufbringen können. Im Gegensatz zu anderen Gesprächsführungsmethoden, die meist mit den

vorhandenen Motiven der Klientel arbeiten, konzentriert sich die motivierende

Gesprächsführung auf den systematischen Aufbau von derzeit noch nicht verfügbar eigenen

Motiven. (vgl. Widulle, 2012, S. 124) Dieses personenzentrierte Verfahren fördert den Umgang

mit Problemambivalenzen gegenüber Veränderungen und beinhaltet sowohl direktive und

leitende, wie auch kooperative und zuhörende Gesprächselemente. Das Ziel ist die

Bewusstseinsschaffung von eigener Motivation und deren Ambivalenzen, sodass das Klientel

sich für eigene Ziele entscheiden und die jeweiligen individuellen Stärken für eine

Situationsveränderung erkennen, nutzen und verstärken kann. (vgl. Hülshoff, 2017, S. 89-90)

Gemäss Widulle (2012) und in Anlehnung an das sechsstufige Modell der Verhaltensänderung

(TTM) werden Auswirkungen auf die Änderungsmotivation aufgezeigt. Diese sechs Stufen, die

sich durch unterschiedliche Stabilität oder Anfälligkeit für Rückfälle auszeichnet, lauten wie

folgt: Absichtslosigkeit, Absichtsbildung, Vorbereitung, Handlung, Aufrechterhaltung und

Stabilisierung. Mangel an Informationen oder an Problembewusstsein sowie Resignation

können Veränderungsabsichten mindern. Hier ist anfänglich oft eine aktive Intervention

erforderlich, um das Stadium der Absichtslosigkeit zu überwinden. In der Absichtsbildung ist

die Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten und der individuellen Situation zentral,

wobei starke Ambivalenzen bezüglich Veränderungen bestehen können. In der Vorbereitung

und Handlungsstufe werden Veränderungsabsichten gefestigt und aktiv umgesetzt, wobei

Rückfälle auftreten können. In der Aufrechterhaltung und in der Stabilisierung gilt es die

Veränderung durch Zuversicht beizubehalten und zu festigen. (vgl. S. 125-127)

Bei der motivierenden Gesprächsführung geht es um ein Verfahren auf Augenhöhe, bei dem

das Klientel sich selbst seiner Ambivalenzen, seiner Wünsche, seiner Ziele und der hierfür

notwendigen Schritte bewusst werden soll. In einer solchen Grundhaltung wird die Abgrenzung

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zur akuten Krisenintervention deutlich, welche bekanntlich mehr Verantwortungsübernahme

seitens der Fachkraft und somit eher einen leitenden Kommunikationsstil erfordert. (vgl.

Hülshoff, 2017, S. 90) Des Weiteren ist anzumerken, dass besonders in den anfänglichen

Stadien der Veränderungsmotivation folgende Gesprächsinterventionen zu beachten sind: Mit

dem Ausdruck von Empathie, aktivem Zuhören und einem wertefreien Akzeptieren wird die

intrinsische Veränderungsmotivation erleichtert. Zudem ist es wirksam, stets mit den

Diskrepanzen und Argumenten des Klientel zu arbeiten und diese mit Hilfe von Kosten-

Nutzen-Abwägungen aufzubereiten. Auch sollten Widerstände ausdrücklich anerkannt und

Erfolge stets gewürdigt werden, um die Änderungszuversicht zu stärken. (vgl. Widulle, 2012,

S. 128-129)

Ergänzend zu diesem Ansatz ist auch noch das Interventionsprinzip «Entwicklung von

Lebensperspektiven» von Kunz et al. (2009) beizuziehen. Lebensperspektiven sind

Sichtweisen und Gefühle, mit welchen Menschen auf den zukünftigen Lebensverlauf blicken.

Doch gerade in Krisensituationen können solche tiefgreifend erschüttert sein. Daher scheint

es notwendig, sich mit neuen Perspektiven auseinanderzusetzten. Die gedankliche

Auseinandersetzung mit der hypothetischen Zukunft kann den Betroffenen Sicherheit

spenden, da Zuversicht, Halt, und Orientierung in der Gegenwart geschaffen werden. Weiters

kann durch die Perspektivenschaffung die Lebenslust gefördert sowie durch die gedankliche

Freiheit eine krisenhafte Einengung geweitet werden. (vgl. S. 90) Für die Entwicklung von

Lebensperspektiven eignen sich verschiedene Interventionstechniken, wie beispielsweise die

gemeinsame Erschaffung eines hoffnungsspendenden Zukunftsszenarios oder der Einsatz

von Wunderfragen, die Wunschsituationen seitens Klientel offenbaren und als

Veränderungsgrundlage sowie Zielentwicklung genommen werden können (vgl. ebd., S. 91).

Um die krisenhaften Einengung zu weiten, können Techniken der inneren Distanzierung

hilfreich sein, wie beispielsweise einen Rollentausch für einen Perspektivenwechsel oder die

«Zeitmaschine», um Zukünftiges zu veranschaulichen (Widulle, 2012, S. 222).

Motivational Interviewing wird hier ergänzend zur Krisenintervention vorgestellt, da sich häufig

nach der akuten Krisenüberwindung die Frage des weiteren Lebensverlaufs stellt (vgl.

Hülshoff, 2017, S. 90). Mit diesem Ansatz können so zukünftige Veränderungsschritte

eingeleitet werden, wobei bestenfalls weitere etwaige Krisen vorgebeugt werden können (vgl.

ebd., S. 94). Auch der ergänzende Input zur Lebensperspektivenentwicklung ist in

Krisensituationen nicht ausser Acht zu lassen. Denn die Perspektivenschaffung ermöglicht

Zuversicht und somit auch Vertrauen in eine positive Entwicklung. (vgl. Kunz et al., 2009, S.

90-91)

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Schlussbetrachtung

Mit der Schlussbetrachtung erfolgt die Beantwortung der Fragestellung. Anschliessend wird

eine fachliche und persönliche Reflexion dieser Arbeit und der behandelten Themen dargelegt.

Zuletzt wird ein Ausblick im Themenfeld Krisenintervention in der Sozialen Arbeit vollzogen.

Beantwortung der Fragestellung

Mit der anfänglichen Begriffsdefinition und Konkretisierung einer psychosozialen Krise wurde

aufgezeigt, wie allumfassend eine Krise für den Menschen ist. Sie kann auf der psychischen,

sozialen und/oder auf der körperlichen Ebene Auswirkungen nach sich ziehen, da die

bisherigen Bewältigungsstrategien nicht mehr ausreichen. Dies führt seitens der Betroffenen

zu einer seelischen Destabilisierung und Überforderung, sodass deren Handlungsfähigkeiten

eingeschränkt sind. Um eine professionelle und unterstützende Begleitung in Krisen zu

gewährleisten, sind solche Grundkenntnisse notwendig. Sozialarbeitende müssen sich

solchen Überforderungssituationen bewusst sein und ihre Unterstützung jeweils dem

derzeitigen Zustand der betroffenen Person anpassen. Auch die Kenntnisse über mögliche

Krisenentstehungen, respektive die verschiedenen Krisenarten, sowie das Wissen über

krisenanfällige Lebenssituationen sind essentiell, um Krisenzuspitzungen zu minimieren und

Krisenverläufe nachzuvollziehen. Hier gilt es speziell, sich mit den Betroffenen gemeinsam der

subjektiven Bedeutung einer Krise zuzuwenden, um so auch ein allumfassendes

Krisenverständnis zu erlangen. Sozialarbeitende und Betroffene sollten sich aber stets

bewusst sein, dass sich eine psychosoziale Krise durch einen Wendepunkt im menschlichen

Leben auszeichnet. Krisen bergen viele Gefahren, wie destruktive Bewältigungsverhalten die

zu einer allfälligen Chronifizierung führen können. Aber insbesondere bergen sie auch einen

Chancenaspekt. Durch eine erfolgreiche Bewältigung kann ein inneres Wachstum im Sinne

einer persönlichen Weiterentwicklung erreicht werden. Sozialarbeitende sollten daher ein

besonderes Augenmerk auf das Bewältigungsverhalten der Betroffen legen, da dieses die

Krisenbewältigung massgeblich beeinflusst.

Ein solches Grundwissen stellt ein erster Zugang in der Begleitung von krisenbetroffenen

Personen dar. Dadurch können Krisen überhaupt erst erkannt und nachvollzogen werden

sowie anschliessend eine professionelle und individuell passende Intervention erfolgen kann.

Um die Methode der Krisenintervention adäquat anzuwenden, ist es unausweichlich, sich auch

mit den Grundlagen einer solchen Intervention auseinanderzusetzten. Da die

Krisenintervention spezifische Prinzipien verfolgt, gilt es, sich diese zu verinnerlichen. Ein

schneller Beginn, Verständnis, Einfühlungsvermögen und Zugewandtheit,

Ressourcenorientierung, zeitliche Begrenzung, interdisziplinäre Zusammenarbeit und

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Methodenflexibilität sowie ein strukturierender Interventionsstil sind aufgrund der belastenden

Ausnahmesituation zentral. Insbesondere für noch unerfahrene Sozialarbeitende kann das

Kriseninterventionskonzept BELLA und das Gesprächsphasenkonzept von Widulle eine erste

Orientierung in der Praxis bieten, wobei der Begleit- und Unterstützungsprozess stets an der

Individualität der Person und Situation auszurichten ist. Die Zielverfolgung der Stabilisierung

und Entlastung, sowie die anschliessende «Hilfe zur Selbsthilfe» sollte im

Unterstützungsverlauf im Zentrum stehen. Sozialarbeitende finden hier ihren

Tätigkeitsbereich, indem sie die Betroffenen unterstützen, die Krise aktiv zu bewältigen, um

ihren Alltag wieder selbstständig bestreiten zu können. Dies kann sowohl in der direkten

Begleitung aber auch durch ein sozialpolitisches Engagement erfolgen, sodass trotz dem

genannten gesellschaftlichen Wandel krisenhafte Lebenssituationen reduziert werden. Hierbei

finden die erarbeiteten Zugangsweisen und Ansätze ihre Verwendung.

Sozialarbeitende können mittels einer professionellen Beziehungsgestaltung einen ersten

Zugang zu den Betroffenen und deren Situation herstellen. Hierbei müssen Sozialarbeitende

eine tragfähige Beziehung aufbauen, die sich durch eine Vertrauensbasis auszeichnet. Nähe-

Distanz, Verantwortungsklärung sowie die Vermeidung von Beziehungsabbrüchen sind in der

Begleitung von krisenbetroffenen Menschen, um Stabilität und Struktur zu schaffen, wichtige

Themenbereiche. Sozialarbeitende können Betroffene auch mittels Entlastung in Krisen

unterstützen. Dabei gilt es einen schützenden Kontext zu initiieren, sei es innerhalb oder auch

ausserhalb des Begleitsettings. Auch die Verbalisierung von Gefühlen und der jeweiligen

Situation ist ein wirkungsvoller und entlastender Zugang zur Krisenbewältigung. Die

Vergegenwärtigung von noch stabilen Lebensbereichen und deren Ressourcenerschliessung

kann zudem unterstützend wirken. Dabei ist der zentrale Ansatz der Ressourcenorientierung

zu nennen. Er ermöglicht, auch in einer ausweglos erscheinenden Situation,

Mobilisierungsmöglichkeiten zu erkennen. Insbesondere der Ansatz der Netzwerkintervention

ist hervorzuheben. Unterstützung kann hier erfolgen, in dem Betroffene in verschiedene

unterstützende Netzwerke eingebunden werden, sei dies im privaten Umfeld oder auch in

professionelle Hilfsangebote. Auch mithilfe des Ansatzes der Copinganalyse und -Modifikation

können Sozialarbeitende den Betroffenen beistehen, und helfen, ihre eigenen

Bewältigungsstrategien zu reflektieren und derzeitig hilfreiche Strategien aktiv zur

Krisenbewältigung einzusetzen. Zudem gibt es weiterführende Ansätze wie die

Psychoedukation oder das Motivational Interviewing, welche nach einer ersten Stabilisierung

der Betroffenen ihre Verwendung finden können. Sozialarbeitende können hierbei mittels

Informationsvermittlung, Aufbau von Veränderungsmotivation wie auch durch Schaffung von

Zukunftsperspektiven in Krisen unterstützend sein und so eine nachhaltige Krisenintervention

gewährleisten.

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Um die Fragestellung abschliessend zu beantworten: Sozialarbeitende müssen

unterschiedliche Fach-, Methoden- und Selbstkompetenzen aufweisen, um Menschen in

Krisen unterstützend zu begleiten. Einerseits müssen Sozialarbeitende über fundierte

Grundlagenkenntnisse bezüglich Krisen und Krisenintervention verfügen. Andererseits

müssen sie verschiedene Zugangsweisen und Ansätze für eine Methodenflexibilität kennen.

Hierbei ist die Fähigkeit gefordert, diese falladäquat anwenden zu können, um der

Individualität von Menschen in Krisen gerecht zu werden. Nicht zuletzt müssen

Sozialarbeitende eine professionelle Grundhaltung besitzen, indem sie sich den Betroffenen

und ihrer Situation empathisch zuwenden und so auch eine professionelle und tragfähige

Beziehung aufbauen. Denn anhand der Ausführungen wurde ersichtlich, dass die

Beziehungsgestaltung immer auch eine Haltungsfrage ist. Denn die eigene professionelle

Haltung wiederspiegelt sich jeweils im Beziehungsaufbau und im Begleitprozess.

Fachliche und persönliche Reflexion

Bei der Bearbeitung der Fragestellung wurde klar, dass sich die Suche nach fachspezifischer

Literatur als schwierig herausstellte. Es wurde deutlich, dass diverse Literatur bezüglich

Krisenintervention existiert, diese jedoch sehr psychotherapeutisch ausgerichtet ist. Meines

Erachtens besteht hier ein Mangel an spezialisierter Fachliteratur für den Bereich Zugänge

und Ansätze der Krisenintervention für die Sozialen Arbeit. Daher erhoffe ich mir, dass hierzu

zukünftig solche verfasst werden, auch um der Professionalität gerecht zu werden. In

Anbetracht dessen, dass die Soziale Arbeit einen wesentlichen Beitrag in der

Krisenintervention leisten kann, scheint hier Nachholbedarf.

In verschiedenen Werken wird zudem im Zusammenhang mit Krisen noch der Ansatz des

Empowerments erwähnt. Aufgrund des begrenzten Umfangs dieser Arbeit wurde dieses

Konzept bewusst nicht behandelt. Dennoch wäre es für eine weitere Vertiefung, die von der

erläuterten Ressourcenerschliessung ausgehen würde, durchaus interessant, das Konzept

Empowerment mit der Krisenthematik zu verknüpfen. Des Weiteren konnte beispielsweise auf

Suizidalität auch nur bedingt eingegangen werden. Für die Gewährleistung einer

professionellen Begleitung von Menschen in Krisensituationen wäre es gut, sich mit dieser

Thematik vertiefter auseinanderzusetzen. Dies vor allem deshalb, weil bei möglichen

Anzeichen bei Betroffenen Sozialarbeitende dazu aufgefordert sind, das Selbst- und

Fremdgefährdungspotenzial zu erhellen sowie adäquat darauf zu reagieren.

Die Beantwortung der Fragestellung auf einer solchen allgemeinen Ebene, ohne diese mit

einem konkreten Praxisfeld, einer spezifischen Methode oder mit einer konkreten

Anspruchsgruppe zu verknüpfen, zeigte sich als Herausforderung. Doch mein persönlicher

Erkenntnisgewinn ist sehr gross und ich bin davon überzeugt, dass ich diese Erkenntnisse als

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zukünftige Sozialarbeiterin in die Praxis einfliessen und gut gebrauchen kann. Durch das

Allgemeinhalten der Thematik in dieser Arbeit, wird es Verwendung in den unterschiedlichsten

Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit finden. Mein persönliches Fazit ist, dass ich nach der

Erarbeitung des Themas Krisenintervention in der Sozialen Arbeit fundierte

Grundlagenkenntnisse erworben habe und mich dadurch in Bezug auf meine berufliche

Laufbahn etwas vorbereiteter fühle. Dennoch denke ich, dass für eine professionelle Tätigkeit

in der Krisenintervention selbstverständlich eine Zusatzausbildung die eigene Professionalität

stärken würde.

Ausblick

Mit Blick auf das Tätigkeitsfeld der Krisenintervention und Krisenbegleitung wurde in den

vergangenen Jahren vermehrt unterschiedliche Hilfsangebote ausgestaltet. Meiner

Einschätzung nach, wurde mehr in eine professionelle Krisenbegleitung investiert. Die

Tendenz zeigt, dass vermehrt fundierte methodische Vorgehen in Krisen erarbeitet und

konzipiert werden. Dennoch wurde meiner Meinung nach die Wichtigkeit der

sozialarbeiterischen Tätigkeit in der Krisenintervention lange Zeit vernachlässigt. Umso

erfreulicher sind die Tendenzen, dass immer mehr Sozialarbeitende heutzutage in der

Krisenintervention fussfassen. Unter diesen Entwicklungstendenzen und auch unter

Anbetracht, dass die Soziale Arbeit oft Menschen in schwierigen Lebenssituationen und Krisen

begleitet, fände ich es wichtig, dass diese Themenbereiche im Studium vertiefter behandelt

werden. Anzudenken wäre, dass Studierende innerhalb des Curriculums obligatorisch mit der

Thematik Krise und deren Interventionsmöglichkeiten, im Sinne von gezielten Moduleinheiten,

in Kontakt kämen, um so für die Berufspraxis besser vorbereitet zu sein.

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Abbildungsverzeichnis

Titelbild: Sinnbild Krise

(Quelle: gefunden am 4. Oktober 2018 unter

https://www.der-postillon.com/2015/08/sonntagsfrage-171-wenn-sie-eine-

pflanze.html)

Abbildung 1: Krisenverlauf nach Cullberg

(Quelle: Sonneck et al., 2012, S. 16)

Abbildung 2: Krisenverlauf nach Caplan

(Quelle: Sonneck et al., 2012, S. 17)

Abbildung 3: Ziel der Krisenintervention – «Hilfe zur Selbsthilfe»

(Quelle: Sonneck et al., 2012, S. 67)

Abbildung 4: Darstellung der «Fünf Säulen der Identität»

(Quelle: gefunden am 11. Juli 2018 unter https://www.it-

administrator.de/themen/kommunikation/fachartikel/117165.html)

Abbildung 5: Beispiel einer Netzwerkkarte

(Quelle: Kunz et al., 2009, S. 39)

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Schlussblatt

Ich erkläre hiermit:

dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benützung anderer als der

angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.

_______________________ Winterthur, 10. Oktober 2018

Unterschrift

Veröffentlichung Bachelorarbeit

Ich bin damit einverstanden, dass meine Bachelor Thesis bei einer Bewertung mit der Note

5.5 oder höher, der Bibliothek für die Aufnahme ins Ausleiharchiv und für die Wissensplattform

Ephesos zur Verfügung gestellt wird.

□ ja

□ nein

_______________________ Winterthur, 10. Oktober 2018

Unterschrift