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HERAUSGEBER Hans-Jürgen Lange Joachim Laux Holger Münch REDAKTION Dieter Müller (Schriftleitung) Ralph Berthel Michael Knape Sabrina Schönrock Heft 8 August 2021 Seiten 321–368 112. Jahrgang Art.-Nr. 56244108 PVSt 5624 8 AUS DEM INHALT Aufsätze Goertz Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen S. 321 Bramow/Kahn Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stigmatisierender Personenkontrollen S. 327 Lorei Lagebild polizeilicher Schusswaffengebrauch in Deutschland und Europa S. 334 Knape Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Distanz- Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende gesetzliche Regelung des Rettungsschusses S. 342 Koehl Neuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgern S. 347 Opielka Statistische Verfahren in strategischen Ansätzen des behördlichen Gesundheitsmanagements der Polizei S. 351 Mit Beiträgen zur Corona-Pandemie

HERAUSGEBER REDAKTION AUS DEM INHALT Aufsätze

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HERAUSGEBER

Hans-Jürgen Lange

Joachim Laux

Holger Münch

REDAKTIONDieter Müller (Schriftleitung)

Ralph Berthel

Michael Knape

Sabrina Schönrock

Heft 8August 2021Seiten 321–368112. JahrgangArt.-Nr. 56244108PVSt 5624 8

AUS DEM INHALT

AufsätzeGoertzRechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen S. 321

Bramow/KahnRacial Profiling – Polizei im Spannungsfeld zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stigmatisierender Personenkontrollen S. 327

LoreiLagebild polizeilicher Schusswaffengebrauch in Deutschland und Europa S. 334

KnapeWaffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Distanz- Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende gesetzliche Regelung des Rettungsschusses S. 342

KoehlNeuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgern S. 347

OpielkaStatistische Verfahren in strategischen Ansätzen des behördlichen Gesundheitsmanagements der Polizei S. 351

Mit Beiträgen zur Corona-Pandemie

Die POLIZEI 8 · 2021 I

INHALT 8 ∙ 2021

Die

POLIZEIFACHZEITSCHRIFT FÜR DIE ÖFFENTLICHE SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI

EditorialLiebe Leserinnen, liebe Leser,

die Redaktion der Zeitschrift DIE POLIZEI ist bemüht, mit den Aufsätzen, aktuellen Meldungen, Berichten aus der Rechtsprechung und Buchbesprechungen Ihnen einen mög-lichst breit gefächerten Einblick einerseits in aktuelle sicher-heitsrelevante Entwicklungen und Diskussion zu geben und Sie andererseits zum Mitdiskutieren anzuregen. Zugleich ver-suchen wir, bestimmte Schwerpunkte zu verfolgen. In dieser Ausgabe thematisieren unsere Autoren insbesondere Fragen der besonderen Verantwortung von Angehörigen der Polizei-en und anderen Sicherheitsbehörden für die freiheitliche de-mokratische Grundordnung und für die Menschen in diesem Staat. Folgendes erwartet Sie:

Im ersten Beitrag innerhalb der Rubrik »Aufsätze« trägt Stefan Goertz mit seinem Aufsatz »Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen« einerseits zur Systematisierung bisheriger Erkenntnislagen bei und leistet andererseits einen Beitrag zur Versachlichung der bisweilen heftig geführten Diskussion zu diesem Thema.

Auch mit dem zweiten Aufsatz greifen wir ein in der öffent-lichen Diskussion oft emotional unterlegtes und für die Ak-zeptanz polizeilichen Handelns bedeutsames Thema auf. In ihrem Aufsatz »Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stig-matisierender Personenkontrollen« betrachten Marcus Bra-mow und Franz Kahn das Phänomen des Racial Profilings im Kontext mit Maßnahmen der präventiv-polizeilichen ldentitätsfeststellung und unterbreiten zugleich Vorschläge zur Vermeidung diskriminierend erlebter Polizeikontrollen.

Im dritten Aufsatz stellt Clemens Lorei das »Lagebild polizei-licher Schusswaffengebrauch in Deutschland und Europa« dar. Darüber hinaus werden einige Fakten zu Situationen und Ereignissen berichtet, die in einer Befragung von Schützen erlangt werden konnten.

Unser Redaktionsmitglied Michael Knape setzt sich in seinem Aufsatz »Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Dis-tanz-Elektroimpulsgerät) als neue Polizeiwaffe und fehlende gesetzliche Regelung des Rettungsschusses« mit einer aus sei-ner Sicht bestehenden Regelungslücke beim Einsatz des sog. Tasers in der Berliner Polizei auseinander.

Nicht erst seit dem z.T. gewalttätigen und hasserfüllten Auf-treten von sog. Reichsbürgern im Rahmen von Demonstratio-

nen gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der CORONA-Pandemie stehen Angehörige der »Reichsbürgerbewegung« im Fokus polizeilicher und behördlicher Aufmerksamkeit. Felix Koehl stellt in seinem Aufsatz »Neuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgern« die aktuelle Rechtsprechung deutscher Verwaltungsgerichte mit Blick auf den Widerruf von waffenrechtlichen Erlaubnissen bei Personen, die dieser Bewegung angehören, vor.

Wissenschaftliche Methoden der Ist-Stand-Analyse im Be-reich des Gesundheitsmanagements in der Polizei erörtert Sascha Opielka im Rahmen seines Aufsatzes »Statistische Ver-fahren in strategischen Ansätzen des Behördlichen Gesund-heitsmanagements der Polizei«.

In unserer Rubrik »Aktuelles« werden Sie neben Pressemittei-lungen zur Rechtsprechung des BGH und des BayVGH auch ein Positionspapier des Arbeitskreises »Politische Bildung und Polizei« zum Maßnahmenkatalog »Bekämpfung von Rechts-extremismus und Rassismus« der Bundesregierung finden. Auch in diesem Dokument werden Thesen zur besonderen Verantwortung von Bediensteten der Polizei als Träger des staatlichen Gewaltmonopols mit besonderen Eingriffsbefug-nissen innerhalb des staatlichen Gemeinwesens dargestellt.

In der Rubrik »Buchbesprechungen« rezensieren wir für Sie folgende Bücher:– Pandemiestrafrecht – Aktuelles Recht für die Praxis von

Robert Esser und Michael Tsambikakis– Clankriminalität Phänomen – Ausmaß – Bekämpfung von

Dorothee Dienstbühl– Kriminalistik – ein aktueller Themenüberblick von Heiko

Artkämper, Thomas E. Gundlach und Thomas Straub so-wie

– Polizeirelevante psychische Störungen Kompaktwissen für Polizeistudium und -praxis von Lena Posch

Liebe Leserinnen,

liebe Leser,

ich hoffe, dass Sie das Angebot, das wir Ihnen mit dieser Aus-gabe unterbreiten, als interessant und anregend empfinden und wünsche Ihnen im Namen des Redaktionsteams und des Verlages viel Freude bei der Lektüre!

Ihr

Ralph Berthel

Aufsätze

Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehör-den und Gegenmaßnahmenvon Prof. Dr. Stefan Goertz, Lübeck S. 321

Racial Profiling – Polizei im Spannungsfeld zwischen effektiver Gefahrenabwehr und dem Vorwurf stigmatisierender Personenkontrollenvon Marcus Bramow, Rostock/Münster und Franz Kahn, Greifswald S. 327

Lagebild polizeilicher Schusswaffengebrauch in Deutschland und Europavon Prof. Dr. Clemens Lorei, Gießen S. 334

Waffen der Berliner Polizei – Rechtslage: Taser (Distanz-Elektroimpulsgerät) als neue Polizei-waffe und fehlende gesetzliche Regelung des Rettungsschussesvon Prof. Michael Knape, Berlin S. 342

Neuere Rechtsprechung zur waffenrechtlichen Zuverlässigkeit von Reichsbürgernvon Felix Koehl, München S. 347

Statistische Verfahren in strategischen Ansätzen des behördlichen Gesundheitsmanagements der Polizeivon Dr. Sascha Opielka, Aachen S. 351

Aktuelles

Arbeitskreis »Politische Bildung und Polizei«: Polizeiliche Bildung als Schlüssel – Rechts-extremismus- und Rassismusbekämpfung als Arbeitsfelder der Polizei S. 359

Pressemitteilung BGH vom 18.02.2021 S. 361

Pressemitteilung BayVGH vom 31.01.2021 S. 361

Buchbesprechungen

Pandemiestrafrecht – Aktuelles Recht für die Praxis, Robert Esser und Michael Tsambikakis Prof. Dr. Dieter Müller S. 362

Clankriminalität Phänomen – Ausmaß – Bekämpfung Dienstbühl, Dorothee Prof. Ralph Berthel S. 363

Kriminalistik – ein aktueller Themenüberblick Heiko Artkämper, Thomas E. Gundlach, Thomas Straub Prof. Ralph Berthel S. 365

Polizeirelevante psychische Störungen Kompaktwis-sen für Polizeistudium und –praxis Posch, Lena Prof. Ralph Berthel S. 366

Straßenverkehrsrecht, Peter Hentschel, Peter König und Peter Dauer Prof. Dr. Dieter Müller S. 368

Impressum III

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Aufsätze

Die POLIZEI 8 · 2021 321

Die

POLIZEIFACHZEITSCHRIFT FÜR DIE ÖFFENTLICHE SICHERHEIT MIT BEITRÄGEN AUS DER DEUTSCHEN HOCHSCHULE DER POLIZEI

Heft 8/2021 · 111. Jahrgang · Seiten 321–368

RedaktionProf. Dr. Dieter Müller, Hochschule der Sächsischen Polizei (FH), Rothen-burg/O. L. und Bad Dürrenberg (Schriftleitung) · Ltd. Kriminaldirektor a.D. Prof. Ralph Berthel, Frankenberg · Direktor beim Polizeipräsi denten a.D. Prof. Michael Knape, Fachhochschule der Polizei Brandenburg, Oranienburg · Prof. Dr. Sabrina Schönrock, Hochschule für Wirtschaft und Recht, Berlin

Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmenvon Prof. Dr. Stefan Goertz, Lübeck*

Rechtsextremismus in deutschen Sicherheitsbehörden stellt eine besondere Bedrohung für die freiheitliche de-mokratische Grundordnung (fdGO) dar, weil genau diese Behörden und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Innere Sicherheit und die fdGO schützen und garantieren sollen. Das erste Lagebild »Rechtsextremisten in Sicher-heitsbehörden« des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) aus dem September 2020 wird hier in Bezug auf Verdachtsfälle von Rechtsextremisten in deutschen Si-cherheitsbehörden und der Bundeswehr ausgewertet. Zudem werden aktuelle Fälle von Rechtsextremismus in den Polizeien von Berlin, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, bei der Bundespolizei sowie der Fall »NSU 2.0« vorgestellt.

I. EinleitungIn den vergangenen Monaten und Jahren wurden Fälle in Sicherheitsbehörden bekannt, die auf eine Haltung der handelnden Mitarbeiter jenseits der freiheitlichen demo-kratischen Grundordnung hindeuten. Die Fälle waren viel-schichtig. Sie reichten von Anhaltspunkten für antisemitische oder fremdenfeindliche Haltungen, über die Teilnahme an Chatgruppen, in denen entsprechende Inhalte kommuniziert wurden, bis hin zur Beschaffung und Lagerung von Waffen und Munition zur Vorbereitung des sog. Tages X. Auch wenn die absoluten Zahlen dieser Verfehlungen in Relation zur Gesamtzahl der Beschäftigten bei den Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz gering sind, ist grundsätzlich von einem Dunkelfeld auszugehen (BfV 2020, S. 5). Fälle von Rechtsex-tremismus, die Angehörige des öffentlichen Dienstes, vor al-lem der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr, betreffen, bedürfen einer besonderen Betrachtung, denn der Staat und seine Bediensteten stehen für die freiheitliche demokratische Grundordnung ein und sind dieser in besonderem Maße ver-pflichtet. Ausfluss dessen ist das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis, einschließlich des ausdrücklichen Be-kenntnisses jedes Beamten und Soldaten zu den Werten des Grundgesetzes. Das BfV verweist darauf, dass es keiner weiteren Erläuterung bedürfe, dass die weit überwiegende Mehrheit der Polizisten, Verfassungsschützer, Soldaten und weiteren Beamten und Mitarbeiter des öffentlichen Diens-

tes fest zu diesen freiheitlichen demokratischen Grundsätzen stehe. Weiter wird im Lagebild ausgeführt, dass genau jene Bediensteten, die in ihrer täglichen Arbeit für die freiheitli-che demokratische Grundordnung eintreten, Unrecht erfüh-ren, wenn sie pauschal dem Vorwurf einer antisemitischen, rassistischen oder demokratiefeindlichen Haltung ausgesetzt würden (BfV 2020, S. 6).

II. Der Lagebericht »Rechtsextremisten in Sicher-heitsbehörden« des Bundesamtes für Verfassungs-schutz – Eine aktuelle AnalyseDas Bundesamt für Verfassungsschutz verweist im Lagebe-richt »Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden« einführend darauf, dass »Disziplinarverfahren und diesbezügliche (Ver-waltungs-)Ermittlungen« im »Verantwortungsbereich der je-weils betroffenen Behörde geführt« werden (BfV 2020, S. 7). Daher mangelte es bis zur Veröffentlichung des Lageberichtes »Rechtsextremisten in Sicherheitsbehörden« durch das BfV an einer zentralen Erfassung und Bewertung entsprechender Vorfälle. Weiter wird zu Beginn dieses Lageberichtes aus-geführt, dass die dem jeweiligen Verfahren zu Grunde lie-genden Ermittlungen oftmals nicht im Zusammenhang mit einer extremistischen Haltung oder Handlung des Betroffe-nen geführt werden, sondern sich auf den konkreten Vorwurf einer – unter Umständen zunächst auch außerhalb eines ex-tremistischen Zusammenhangs erscheinenden – Verfehlung fokussieren. Daher war das Ziel dieser ersten Erhebung, eine Übersicht über Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder sowie der Bundeswehr zu gewinnen (BfV 2020, S. 7). Darüber hinaus dient diese Erhebung dazu, einen Überblick über die Ver-fahrensausgänge zu gewinnen. Von Interesse ist hierbei, ob

* Prof. Dr. Stefan Goertz ist Professor für Sicherheitspolitik, mit dem Schwer-punkt Extremismus- und Terrorismusforschung an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, in Lübeck. Studium Politikwissen-schaft, Öffentliches Recht und Arabisch u.a. in Berlin und Damaskus/Syrien. Auslandseinsätze als Offizier der Bundeswehr im muslimischen Teil Bosniens – EUFOR – und im Libanon – UNIFIL. Promotion an der Car-leton University, Ottawa/Kanada und an der Universität der Bundeswehr in München im Bereich islamistischer Terrorismus. Aktuelle Forschungs-schwerpunkte: Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus, Islamismus und islamistischer Terrorismus, Organisierte Kriminalität sowie der Cyber- und Informationsraum.

Aufsätze

Die POLIZEI 8 · 2021322

Goertz · Rechtsextremisten in deutschen Sicherheitsbehörden und Gegenmaßnahmen

sich ein Verdachtsfall bestätigt hat und welche Disziplinar-maßnahmen bzw. arbeitsrechtlichen Konsequenzen folgten. Deswegen war es erforderlich, Abfragemechanismen und Abfragewege zu erarbeiten und auf dieser Basis bei allen be-troffenen Stellen Daten zu erheben. In Bezug auf die Ver-knüpfung von Einleitung des Verfahrens sowie Verfahrens-abschluss, fehlte es vor Erstellung des Lageberichts an einer systematischen Einbindung des Verfassungsschutzes. Nicht in allen Fällen war dem BfV die Beamteneigenschaft bzw. die Angehörigkeit des Betroffenen zu einer Sicherheitsbehörde bekannt, oder die Verdachtslage wurde durch die ermittelnde Stelle im Rahmen der Sachverhaltsaufklärung und Erkennt-nisanfragen dem BfV nicht mitgeteilt (BfV 2020, S. 8). Die Erstellung dieses Berichts zählt zu den Aufgaben der neu ge-schaffenen »Zentralstelle Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst« des BfV. Über diese Erhebung hinaus hat diese Zen-tralstelle den Auftrag, einen Überblick über die Gegenmaß-nahmen der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder zu gewinnen und eine Plattform für den Erfahrungsaustausch und die Weiterentwicklung der Maßnahmen zu bieten.

II.1. AnalysezeitraumDieser Lagebericht hat Verdachtsfälle Rechtsextremismus im Zeitraum 01.01.2017 bis 31.03.2020 untersucht, bei denen dienst- und arbeitsrechtliche Maßnahmen oder Verfahren we-gen des Verdachts von rechtsextremistischen Einstellungen oder Verhaltensweisen eingeleitet wurden. Maßgeblich für die Berücksichtigung war dabei das Datum der Verfahrensein-leitung. Beendete Verfahren sind solche, die zum Abschluss gebracht wurden. Soweit möglich, fand eine Aufschlüsselung der Fälle nach den Arten verhängter Disziplinarmaßnahmen statt. Ebenfalls erhoben wurden eingeleitete Ermittlungsver-fahren im Rahmen eines Strafverfahrens. Darüber hinaus wurden arbeitsrechtliche Verfahren, wie zum Beispiel die Abmahnung oder Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis, be-rücksichtigt (BfV 2020, S. 11).

II.2 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in den Sicherheitsbehörden der BundesländerDie Sicherheitsbehörden der Länder leiteten im Erhebungs-zeitraum Ermittlungen in insgesamt 319 Verdachtsfällen ein. Zu beachten ist, dass gegen einen Betroffenen im Erhebungs-zeitraum mehrere Verfahren anhängig sein können und in-nerhalb eines Verdachtsfalls mehrere Personen betroffen sein können, so dass in beiden Fällen Mehrfachnennungen mög-lich sind. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Verfahrenslaufzeiten nicht in allen Fällen eine Aussage zum Verfahrensabschluss getroffen werden könnte (BfV 2020, S. 11). Die Zahl des Gesamtpersonals der Sicherheitsbehör-den der Länder betrug mit Stand des 30.06.2019 insgesamt 275.680, so dass diese 319 Verdachtsfälle von Sicherheits-behörden der Bundesländer auf die Gesamtpersonalzahl 275.680 (Dies sind 0,1 %.) kommen (BfV 2020, S. 12). Zu den 319 Verdachtsfällen wurden insgesamt 303 Verfahren eingeleitet. Es wurden 237 disziplinarrechtliche Verfahren (78 %), 48 Verfahren mit dem Ziel der Entlassungen/Nicht-ernennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (16 %) sowie 18 arbeitsrechtliche Maßnahmen (6 %) eingeleitet. In dem genannten Zeitraum wurden zudem 261 strafrechtliche Verfahren eingeleitet (BfV 2020, S. 13). Die häufigsten durch Landesbehörden berichteten Verdachtsfälle stehen im Zusam-menhang mit sonstigen rechtsextremistischen Handlungen

(68 %). Darunter zählt etwa der Austausch von Chatnach-richten mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder Äußerun-gen mit verfassungsfeindlichem Inhalt (BfV 2020, S. 13–14). Zu derartigen Sachverhalten wurden 35 disziplinarrechtliche Maßnahmen (35 %) und 17 arbeitsrechtliche Maßnahmen verhängt (17 %) sowie 48 Entlassungen aus dem Beamten-verhältnis auf Widerruf bzw. die Nichternennung in das Be-amtenverhältnis auf Probe durchgesetzt (48 %) (BfV 2020, S. 15). Insgesamt wurden hierbei 67 Verfahren eingestellt (21 %) (BfV 2020, S. 15).

Als Gründe für die Einstellung der Verfahren nennt der Be-richt insbesondere:– Vergehen nicht bestätigt/nicht erwiesen: Ein vorgeworfe-

nes Vergehen hat sich nicht bestätigt bzw. konnte der be-troffenen Person nicht eindeutig nachgewiesen werden.

– Einstellung des Verfahrens unter Feststellung eines Verge-hens: Es wurde das Vergehen zwar erwiesen, eine Diszipli-narmaßnahme schien jedoch nicht verhältnismäßig.

– Nicht-Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gem. § 14 Bundesdisziplinargesetz.

– Sonstige Gründe: Andere Gründe führten zur Beendigung des Verfahrens, z.B. Tod des Beamten, erfolgreiche Anfech-tungsklage gegen die Maßnahme, Entlassung auf eigenen Wunsch usw.

Der häufigste Einstellungsgrund war, dass der Verdacht letztlich nicht bestätigt bzw. nicht erwiesen werden konnte (51 %) (BfV 2020, S. 15).

II.3 Verdachtsfälle von Rechtsextremismus in Sicher-heitsbehörden des BundesIm Bereich der Sicherheitsbehörden des Bundes wurden im Untersuchungszeitraum 58 Verdachtsfälle mit Bezug zum Rechtsextremismus gemeldet. Zu den durch den Lagebe-richt untersuchten Sicherheitsbehörden gehören das Bun-desamt für Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst, die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt, die Polizei beim Deutschen Bundestag sowie die Zollverwaltung. Diese Si-cherheitsbehörden hatten zum Zeitpunkt der Erhebung dieses Lagebildes 108.700 Mitarbeiter. 58 Verdachtsfälle Rechtsextremismus auf 108.700 Mitarbeiter macht 0,06 %. Das Bundesamt für Verfassungsschutz meldete einen, der Bundesnachrichtendienst zwei, die Bundespolizei 44 (davon 24 Verdachtsfälle Rechtsextremismus und 20 Verdachtsfäl-le Rassismus), das Bundeskriminalamt sechs, die Polizei des Bundestages einen und die Zollverwaltung vier Verdachtsfälle Rechtsextremismus (BfV 2020, S. 16). Diese Verdachtsfälle führten zu insgesamt 62 Verfahren: davon 38 disziplinarrecht-liche Verfahren (61 %), 23 Entlassungen/Nichternennungen in das Beamtenverhältnis auf Probe (37 %) sowie in einem Fall zu arbeitsrechtlichen Schritten (2 %) (BfV 2020, S. 16).

Der Lagebericht führt aus, dass die verdächtigen Personen am häufigsten durch sonstige rechtsextremistische Handlungen oder Äußerungen oder einen sonstigen rechtsextremistischen Bezug auffielen (89 %). Dazu zählt etwa der Austausch von Chatnachrichten mit verfassungsfeindlichen Symbolen oder Äußerungen mit verfassungsfeindlichem Inhalt. Den Diszi-plinarbehörden lagen keine Erkenntnisse vor, dass die Be-troffenen Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen waren, noch ergaben sich Hinweise auf Kontakte zu anderen