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Herausgegeben im Auftrag der Eugen-Otto-Butz-StiftungFachliche Redaktion: Christian Kraft

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Annette Hieber, Heidrun Mollenkopf, Ur-sula Kloé, Hans-Werner Wahl

Mobilität und Alter

Kontinuität und Veränderung

TÜV-Verlag GmbH

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Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Eine Schriftenreihe der Eugen-Otto-Butz-Stiftung

ISBN-10: 3-8249-1012-8ISBN-13: 978-3-8249-1012-0ISSN der Reihe:Print: 1862-6463Internet: 1862-6424

© by TÜV Media GmbH, TÜV Rheinland Group, Köln, 2006Gesamtherstellung: TÜV Media GmbH, KölnPrinted in Germany 2006

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Der vorliegende Buchtext ist im Internet unter der Adressewww.butz-stiftung.de

auch als PDF-Datei erhältlich. Bei der Gestaltung der PDF haben wir uns bemüht, eine Version zu entwickeln, die barrierefrei zugänglich ist. Zum Herunterladen verwenden Sie bitte folgende Angaben:

Benutzername: band2Passwort: Rs17bs23

Bitte schicken Sie uns eine Mail, wenn Sie Anregungen oder Kritik zur Gestaltung der PDF haben. Sie helfen uns damit, die Zugänglichkeit der Schriftenreihe weiter zu verbessern.

Kontakt: [email protected]

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Inhalt

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VorwortBei der Beschäftigung mit dem Thema „Mobilität und Alter“ ist die Un-tersuchung der Mobilitätsbedürfnisse der Zielgruppe, insbesondere der von ihr erlebten Veränderungen der Mobilitätsmöglichkeiten, von besonderer Bedeutung.Mit dieser Studie ergab sich die Chance, eine Gruppe älterer Frauen und Männer in Mannheim und Chemnitz in einem Zeitraum von 10 Jahren drei Mal zu ihren Mobilitätsbedingungen und ihrem Mobilitätser-leben zu befragen, um Entwicklungen der alltäglichen Mobilität im Alter beschreiben und im Zusammenhang mit persönlichen Bedingungen und Bedingungen der Umwelt bzw. ihren Veränderungen betrachten zu können.Der Kontakt zur Forschungsgruppe des Deutschen Zentrums für Alterns-forschung (DZFA), heute Abteilung für Psychologische Alternsforschung des Psychologischen Instituts der Universität Heidelberg, entstand auf dem Deutschen Verkehrsexpertentag 2004 am 1. und 2. Juli in Bonn, wo Frau Dr. Mollenkopf die Ergebnisse der Studie MOBILATE unter dem Aspekt „Abbau von Mobilitätsbarrieren“ vorstellte. Aus der Feststellung, dass die Voraussetzungen für Mobilität in der Bevölkerung sowie regio-nal sehr ungleich verteilt sind, ergab sich weiterer Forschungsbedarf für eine Längsschnittuntersuchung.Längsschnittliche Betrachtungen der individuellen Mobilitätsentwicklung sind besonders interessant, aber auch eher selten. Für die Schriftenrei-he der Stiftung ist die Publikation dieser Untersuchung ein besonderer Gewinn!

Univ.-Prof. Dr. phil. Hartmut HäckerMitglied des Kuratoriums der Eugen-Otto-Butz-Stiftung

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InhaltsverzeichnisVorwort 5Tabellen 9Vorwort der Autoren 131. Einführung 152 Theoretische Ansätze und Befunde mit Bedeutung

für das Thema Mobilität im Alter 192.1 Theoretische Ansätze 192.2 Forschungsprojekte zum Thema „Mobilität im Alter“ in Deutschland

222.3 Aktuelle Befunde zum Thema „Mobilität im Alter“ 243 Zielsetzungen des Forschungsprojektes 334 Methodisches Vorgehen 354.1 Der Interviewleitfaden 3�4.2 Datenerhebung 3�4.3 Die Stichprobe 364.3.1 Die Stichprobenentwicklung 364.3.2 Die Befragten 200�: Stichprobenbeschreibung 384.3.3 Stichprobenausfälle und Selektivität 394.4 Inhalte der Befragung 434.� Datenauswertung und Analyse 4�5 Ergebnisse 49�.1 Die außerhäusliche Mobilität älterer Menschen �0�.1.1 Zur Bedeutung außerhäuslicher Mobilität �0�.1.2 Bedeutungswandel außerhäuslicher Mobilität im Lebenslauf und

Antizipation eingeschränkter Mobilität �4�.1.3 Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten �6�.1.4 Erlebte Veränderungen der Mobilität im Zeitverlauf 605.1.5 Einflussfaktoren und Folgen einer sich verschlechternden Mobilität

61�.2 Alltägliche Wege älterer Menschen 76�.2.1 Daten zu den alltäglichen Wegen älterer Menschen 77

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�.2.2 Erlebte Schwierigkeiten und Bewältigungsaspekte bei alltäglichen Wegen 79

�.2.3 Immobile Personen 86�.2.4 Erlebte Anregungen auf alltäglichen Wegen 89�.3 Freizeit und Reisen im hohen Alter 94�.3.1 Zufriedenheit mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten 94�.3.2 Erlebte Veränderungen von Freizeit- und Reiseaktivitäten im

Zeitverlauf 995.3.3 Einflussfaktoren für die Veränderung von Freizeit- und Reiseak-

tivitäten im Zeitverlauf 101�.4 Verkehrsmittel Auto 10��.4.1 Verkehrsmittel Auto: Objektive Aspekte 10��.4.2 Verkehrsmittel Auto: Subjektive Aspekte 107�.4.3 Verkehrsmittel Auto: Schwierigkeiten und Bewältigungsstrategien

112�.4.4 Aufgabe des Autofahrens: Objektive und subjektive Aspekte 116�.� Verkehrsmittel öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV) 122�.�.1 Verkehrsmittel ÖPNV: Objektive Aspekte 123�.�.2 Verkehrsmittel ÖPNV: Subjektive Aspekte 127�.6 Wohnumgebung und Stadtteil als wichtiges Mobilitätsfeld älterer

Menschen 134�.6.1 Zufriedenheit mit der Wohnumgebung 13��.6.2 Zufriedenheit mit infrastrukturellen Bedingungen 146�.7 Mobilitätsbezogene Zukunftsperspektiven und Lebenszufrieden-

heit 1���.7.1 Mobilität im Alter – Zukunftsaspekte 1���.7.2 Lebenszufriedenheit 1�96 Zusammenfassung 1677 Empfehlungen für Wissenschaft und Praxis 1778 Literatur 191Anhang 197

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Tabellen

Tabelle 1: Informationen zur Gruppe der wiederbefragten Personen 40Tabelle 2: Selektivitätsanalyse für die Gesamtstichprobe (N=82) 43Tabelle 3: Selektivitätsanalyse getrennt berechnet für die Städte Mannheim (N=47) und Chemnitz (N=3�) 43Tabelle 4: Erlebte Veränderungen der Mobilität im Zeitverlauf 62Tabelle �: PKW-Führerschein vorhanden 106Tabelle 6: Jemals selbst Auto gefahren 117Tabelle 7: Vor fünf Jahren noch Auto gefahren 118Tabelle 8: Lebenszufriedenheit 164Tabelle 9: Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten 199Tabelle 10: Gruppenunterschiede zum zweiten Befragungs- zeitpunkt (T2) zwischen Personen mit unveränderter bzw. aus gesundheitlichen Gründen veränderter Mobilität zum dritten Befragungszeitpunkt (T3) 200Tabelle 11: Außerhäusliche Wege am Vortag des Interviews 202Tabelle 12: Selbstständiges Ausführen alltäglicher Wege 203Tabelle 13: Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten auszuüben 204Tabelle 14: Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten 20�Tabelle 1�: Veränderungen im Freizeitverhalten 206Tabelle 16: Veränderungen von Reiseaktivitäten 207Tabelle 17: Keine Reisen 208Tabelle 18: Auto im Haushalt 209Tabelle 19: Nutzung des Autos (Fahrer, Mitfahrer) 210Tabelle 20: Nutzung des Autos (Häufigkeit) 210Tabelle 21: Veränderung der Autonutzung 210Tabelle 22: Gründe für das Nicht-Mehr-Autofahren 211Tabelle 23: Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer: Bedarf 211Tabelle 24: Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer 211Tabelle 2�: Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel 212Tabelle 26: Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Gruppe der ÖPNV-Nutzer) 213Tabelle 27: Zufriedenheit mit der Wohngegend 214Tabelle 28: Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen

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in der Wohngegend 21�Tabelle 29: Erlebte Veränderungen im Zugang und in der Verfügbarkeit von Einrichtungen 216Tabelle 30: Kenntnis über mobilitätsunterstützende Angebote 217

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Abbildung 1: Forschungsprojekte zu Mobilität im Alter im 10-Jahres-Verlauf 16Abbildung 2: Das Projekt MOBILATE 24Abbildung 3: Themenschwerpunkte des Interviewleitfadens 4�Abbildung 4: Perspektiven der Datenauswertung 4�Abbildung �: Auswertungsschritte des qualitativen Datenmaterials 46Abbildung 6: Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten �9Abbildung 7: Ursachen für Mobilitätseinschränkungen im Alter 63Abbildung 8: Zufriedenheit mit Freizeitmöglichkeiten 97Abbildung 9: Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten 98Abbildung 10: Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln 130Abbildung 11: Ebenen der Wohnumgebung 136Abbildung 12: Zufriedenheit mit der Wohnumgebung 139Abbildung 13: Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen im Wohnumfeld 140Abbildung 14: Lebenszufriedenheit 163

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Vorwort der Autoren

Außerhäusliche Mobilität stellt für ältere Menschen eine wichtige Vor-aussetzung für Selbstständigkeit und gesellschaftliche Teilhabe dar. Von Bedeutung sind neben gegenwärtigen Mobilitätsbedingungen und -bedürfnissen älterer Menschen insbesondere auch Fragen nach Kon-tinuität und Veränderung von Mobilität im Zeitverlauf. Im Rahmen des vorliegenden Berichtes werden qualitative und quan-titative empirische Befunde zur Entwicklung von Mobilität im Alter über einen Zeitraum von zehn Jahren dargestellt. Das Projekt „Mobilität im Alter: Kontinuität und Veränderung“ steht in der Folge der Mobilitätsprojekte „Erhaltung von Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter“ (199�/1996, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend-BMFSFJ) und „MOBILATE: Enhancing Outdoor Mobility in Later Life“ (2000, gefördert von der Europäischen Kommission im �. Forschungsrahmenprogramm) und wurde vom 01.04.200� bis 31.03.2006 am Deutschen Zentrum für Alternsforschung an der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Werner Wahl und Dr. Heidrun Mollenkopf mit Förderung der Eugen-Otto-Butz-Stiftung durchgeführt. An der Durchführung des Projektes war eine Vielzahl von Personen und Kooperationspartnern beteiligt, bei denen wir uns an dieser Stelle ganz herzlich bedanken möchten. An erster Stelle danken wir der Eugen-Otto-Butz-Stiftung, die diesen Bericht und die zu Grunde liegende Studie durch Ihre finanzielle Förderung ermöglicht hat. In diesem Zusammen-hang möchten wir Frau Rönsch-Hasselhorn von der Forschungsstelle Mensch - Verkehr der Eugen-Otto-Butz-Stiftung am Institut ASER e.V. danken, die mit der Koordination der Zusammenarbeit zwischen der Stiftung und dem Deutschen Zentrum für Alternsforschung an der Uni-versität Heidelberg beauftragt war.Wir danken ferner den studentischen Mitarbeiterinnen Verena Gäßler und Claudia Ganten sowie Karsten Birkenheyer als Honorarkraft, die die wissenschaftliche Mitarbeiterin des Projektes, Annette Hieber, stets tatkräftig und mit hohem Engagement unterstützt haben.

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Unser Dank gilt auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt-verwaltungen Mannheim und Chemnitz (stellvertretend für alle anderen seien an dieser Stelle Herr Genz, Mannheim, und Herr Silbermann, Chemnitz, genannt), die durch Empfehlungsschreiben die Bereitschaft der älteren Menschen zur Teilnahme an der Befragung erhöht haben. Weiterhin möchten wir dem Institut USUMA, Berlin, danken, welches mit der Vorabinformation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer zur bevor-stehenden Befragung, mit der Durchführung der Interviews in Chemnitz sowie der Erstellung des Datensatzes beauftragt war. Unser Dank gilt schließlich ganz besonders auch all jenen älteren Frau-en und Männern, die in Mannheim und Chemnitz zum dritten Mal im Verlauf der vergangenen zehn Jahre an der Befragung teilgenommen und ihr Wissen an uns weitergegeben haben. Diese älteren Menschen haben uns in vielfältiger und ausführlicher Weise an ihren alltäglichen (Mobilitäts-)Erfahrungen teilhaben lassen und somit entscheidend zum Gelingen der Studie beigetragen. Wir hoffen und wünschen, dass die Entwicklung von Mobilität im Alter auch zukünftig ein Thema in Wissenschaft und Praxis sein wird und dass wir durch unsere Arbeit einen Beitrag zur Unterstützung dieser - für die Aufrechterhaltung einer selbstständigen und selbstbestimmten Lebensführung, für die gesellschaftliche Teilhabe und nicht zuletzt für die Lebensqualität älterer Menschen zentralen - Thematik leisten können.

Heidelberg, im April 2006Annette Hieber

Heidrun MollenkopfUrsula Kloé

Hans-Werner Wahl

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1. Einführung

Das Projekt „Mobilität im Alter: Kontinuität und Veränderung“ wurde vom 01.04.200� bis 31.03.2006 am Deutschen Zentrum für Alternsforschung Heidelberg im Auftrag und mit Förderung der Eugen-Otto-Butz-Stiftung durchgeführt. Die Durchführung dieses Projektes bot die einmalige Chance, eine seit 199� begleitete Stichprobe älterer Menschen zum dritten Mal im �-Jahresabstand (199�, 2000, 200�) zum Thema „Mobi-lität im Alter“ zu befragen. Die Stichprobe umfasste ursprünglich N=804 ältere Frauen und Männer, die 199� am Projekt „Erhaltung von Mobi-lität zur sozialen Teilhabe im Alter“ (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001; Mollenkopf et al., 2001; Mollenkopf et al., 2002b; Mollenkopf et al., 2004a) teilgenommen haben. Im Rahmen des europäischen For-schungsprojektes „MOBILATE: Enhancing Outdoor Mobility in Later Life“ (Mollenkopf et al., 2003; Mollenkopf et al., 2005) bestand die Möglichkeit, die 199� im Projekt „Erhaltung von Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter“ befragten älteren Menschen im Jahr 2000 erneut zu mobilitäts-relevanten Themen zu befragen. Im Jahre 200� erfolgte nach Ablauf weiterer fünf Jahre die diesem Bericht zugrundeliegende Befragung zu Mobilitätsbedingungen und -bedürfnissen sowie deren Kontinuität und Veränderung im Zeitverlauf als eine Zusammenstellung qualitativer und quantitativer Befunde zum Thema „Mobilität im Alter“ (siehe Abb. 1).Mobilität ist in der heutigen modernen Gesellschaft zu einem wichtigen gesellschaftlichen und individuellen Gut, zum Symbol für Freiheit und Selbstbestimmung und zum Gradmesser für Wohlstand, Flexibilität und Fortschritt geworden. Zugleich macht die räumliche Trennung von Wohnen und Arbeiten, Freizeit und Versorgung die Überbrückung stän-dig wachsender Entfernungen erforderlich. Ermöglicht wird dies durch die steigende Verbreitung und Nutzung immer schnellerer und immer bequemerer Verkehrsmittel. Mobilität und Verkehrsteilnahme sind damit auch für ältere und alte Mitglieder dieser Gesellschaft zu einer zentralen Voraussetzung für eine eigenständige Alltagsbewältigung, für Versor-gung, Erholung, Bildung und Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben geworden. Zwar verbringen Ältere mit zunehmendem Alter mehr Zeit in ihrer Wohnung als Jüngere (Friedrich, 1995; Küster, 1998; Mollenkopf und Flaschenträger, 2001), doch ist mit diesen quantitativen Relationen

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wenig über die Bedeutung ausgesagt, die außerhäusliche Mobilität für ein befriedigendes Altern hat. Die Aussagen der 200� von uns befragten älteren Frauen und Männer, die danach gefragt wurden, was es für sie bedeutet, aus dem Haus gehen zu können, bestätigen, wie wichtig die draußen verbrachte Zeit für sie ist, gerade weil der Aktionsradius und das Aktivitätsspektrum außerhalb der Wohnung abnehmen (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001). Antworten wie: • „Das macht eine ganz große Freude für mich, das macht mir immer

wieder Freude, frische Luft zu schnappen.“• „Abwechslung, Kontakte mit anderen Leuten und auch die Bewegung

an sich im Freien.“• „Das bedeutet für mich einfach zu leben, sonst nichts. Man lebt nur,

wenn man mit anderen Menschen Kontakt hat, man lebt nur wenn man rauskommt, man lebt nur wenn man sich auch nur mal ganz primitiv Schaufenster angucken kann.“

• „Eine riesige Freiheit. Unabhängigkeit. Freiheit. Das ist eine bestimm-te Unabhängigkeit, dass ich raus kann, wann ich will und mich dort hin begeben, wo ich will.“

verdeutlichen, dass Mobilität für sie über die Notwendigkeit alltäglicher Erledigungen hinaus mit so vielfältigen Aspekten wie der Erfahrung von Neuem und Anregendem, mit körperlicher Bewegung und dem Erleben von Natur sowie der Begegnung mit anderen Menschen verbunden ist.

Abb. 1: Forschungsprojekte zu Mobilität im Alter im 10-Jahres-Verlauf

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In diesem Sinne bedeutet Mobilität für die Älteren weit mehr als ein rationales Mittel zum Erreichen bestimmter Ziele. Es bedeutet Freude und Selbstbestätigung, Teilhabe an der natürlichen und sozialen Umwelt, Unabhängigkeit und Wahlfreiheit und, speziell für sehr alte Menschen bei Antizipation des nahen Lebensendes, das Gefühl, noch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Mobilität erfüllt damit nicht nur einen Selbstzweck, sondern trägt in entscheidendem Maße zum Wohlbefinden und zur Lebenszufriedenheit älterer Menschen bei.

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2 Theoretische Ansätze und Befunde mit Bedeutung für das Thema Mobilität im Alter

2.1 Theoretische AnsätzeDie für die vorliegende Befragung zum Thema „Mobilität im Alter: Konti-nuität und Veränderung“ relevanten theoretischen Ansätze entstammen verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen wie Soziologie, allgemei-ne Verkehrsforschung, Verkehrspsychologie und Gerontologie. Neben der Betrachtung der Thematik im Rahmen der jeweiligen Disziplin wird auch eine dem Thema Mobilität entsprechende interdisziplinäre und übergreifende Betrachtung der Thematik angestrebt.In der soziologischen Mobilitätsforschung steht Mobilität als Merkmal gesellschaftlicher Modernisierung im Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Allgemeine Verkehrsforschung erfasst vor allem die objektiven Aspekte von Ortsveränderungen wie Start und Ziel sowie den Zweck von Mobilität. Die Verkehrspsychologie beschäftigt sich eher mit sub-jektiven Aspekten wie Einstellungen und Verhaltensweisen im Hinblick auf Mobilität. Ausgewählte gerontologische Theorieansätze werden im Folgenden ausführlicher behandelt, weil sie speziell die Lebenswelt älterer Menschen thematisieren, die für die vorliegende Berichterstat-tung zum Thema „Mobilität im Alter: Kontinuität und Veränderung“ von Bedeutung ist (für einen ausführlichen Überblick siehe auch Engeln, 2001). Eine der klassischen gerontologischen Theorien ist die Disengagement-Theorie (nach Cummings und Henry, 1961). Sie besagt, dass ein vom Individuum wie von der Gesellschaft gleichermaßen erwünschter Rück-zug aus sozialen Rollen und Aufgaben zu höherer Lebenszufriedenheit führt. Wichtig ist hierbei die subjektive Bewertung dieses Prozesses und die Qualität und Quantität des Rückzugs. In Bezug auf Mobilität bedeutet die Disengagement-Theorie, dass ältere Menschen nicht nur aufgrund umweltspezifischer Mobilitätsbarrieren weniger Wege zurücklegen. Ältere Menschen können auch freiwillig weniger Wege zurücklegen und dabei die Wege auswählen, die notwendig und zentral für die Auf-rechterhaltung einer selbstständigen Lebensführung sind. Gleichzeitig können eine stärkere Ausrichtung auf die Wohnung und die Entdeckung

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neuer innerhäuslicher Aktivitäten den Rückzug kompensieren.Als „Antwort“ auf die Disengagement-Theorie wurde unter anderem von Tartler (1961) die Aktivitätstheorie entwickelt, deren Hauptthese lautet, dass mehr Aktivität mit mehr Lebenszufriedenheit verbunden ist. Die Autoren gehen davon aus, dass eine der Hauptaufgaben des Alters darin besteht, so viele Rollen wie möglich aus vorangegangenen Lebensphasen zu bewahren und verloren gegangene durch andere Aktivitäten zu ersetzen bzw. zu kompensieren. Höhere Aktivität geht demzufolge mit höherer Lebenszufriedenheit und allgemein besserer Anpassung einher als geringere Aktivität. Rollen- und Aktivitätsverluste sind demzufolge eher mit Unzufriedenheit und Frustration verbunden. Im Hinblick auf das Thema Mobilität wäre laut Aktivitätstheorie demnach anzunehmen, dass außerhäusliche Aktivitäten einen zentralen Beitrag zur Lebenszufriedenheit leisten. Die Kontinuitätstheorie gilt als „Mittler“ zwischen Disengagement und Aktivitätstheorie (Atchley, 1989). Das Hauptargument beinhaltet, dass weder erhöhte noch verminderte Aktivität zu mehr Lebenszufrieden-heit führt, sondern, dass eine kontinuierliche Fortführung von bereits im mittleren Erwachsenenalter entwickelten individuellen und sozialen Aktivitäten zur Lebenszufriedenheit beiträgt (Havighurst, 1963). Die Aktivitäten können dann interindividuell höchst verschieden sein. Der auch im Projekttitel enthaltene Begriff „Kontinuität“ beschreibt das Spannungsfeld, in dem die vorliegende Befragung durchgeführt wurde: Kontinuität bedeutet gleichbleibende Mobilität und Aktivität, Veränderung bedeutet eine Modifikation bisheriger Mobilitäts- und Aktivitätsmuster oder mobilitätsrelevanter Einstellungen. Mobilitätsrelevante Kontinuität wäre im Falle älterer Menschen ohne gesundheitliche Einschränkungen die unveränderte Fortführung bisher ausgeübter Aktivitäten. Im Falle von Mobilitätseinschränkungen aus gesundheitlichen Gründen scheint Kontinuität eher unwahrscheinlich. Als Kontinuität kann vor diesem Hin-tergrund aber auch das Leben mit Einschränkungen nach einer gewissen Zeit der Anpassung und Bewältigung angenommen werden.Theorien der lebenslangen Entwicklung betonen die Notwendigkeit der Entwicklung von Menschen über die gesamte Lebensspanne hinweg. Dabei werden sowohl positive („Gewinne“) als auch negative („Verluste“) sowie die Veränderung des Gleichgewichtes zwischen diesen Polen in den Blick genommen. Mit zunehmendem Alter verschiebt sich das Verhältnis von Gewinnen und Verlusten zuungunsten der Gewinne. Die Gewinn- und Verlustbilanz älterer Menschen bestimmt, inwiefern der je individuelle Alternsprozess mehr oder weniger erfolgreich verläuft (Baltes, 1990; 1997). Im Hinblick auf das Thema Mobilität bedeuten

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die Theorien der lebenslangen Entwicklung, dass es hinsichtlich des Mobilitätsverhaltens, der Mobilitätsbedeutungen und individueller wie struktureller Mobilitätsbedingungen im Zeitverlauf beziehungsweise Lebenslauf Veränderungen gibt, die sich eher positiv, eher negativ oder eher neutral auf die Person und deren Mobilität auswirken können. Mobilitätsveränderungen zählen zu den prototypischen Verlusten des Alterns. Das heißt, die Mehrzahl aller Menschen wird im Verlauf des Alternsprozesses mit Mobilitätsveränderungen konfrontiert werden und steht vor der Aufgabe, Möglichkeiten der Bewältigung zu entwickeln. Kognitive Theorie des Alterns (Thomae, 1968) beinhaltet, dass nicht nur das objektive Geschehen, sondern immer auch die subjektive Sichtweise des Individuums einen Einfluss auf Lebenszufriedenheit hat. Thomae geht davon aus, dass objektiv gleiche Situationen von verschiedenen Individuen unterschiedlich erlebt werden, was zur Varianz in der Lebenszufriedenheit beiträgt. Er stellt insbesondere den Begriff der Kompetenz, das sich selbst Erleben mit Stärken und Schwächen, in den Vordergrund, das entscheidend zum Wohlbefinden beiträgt. Das Kompetenzerleben dient somit nicht zuletzt als Motivation, Kompe-tenzen zu erhöhen und Schwächen zu kompensieren. Im Hinblick auf Mobilität bedeutet die Kognitive Theorie des Alterns, dass es nicht nur darum geht, wie mobil ein älterer Mensch objektiv ist, sondern darum, als wie mobil er sich erlebt und welche Schlussfolgerungen er aus die-sem Erleben für sich zieht. Der Begriff des „Kompetenzgefühls“ meint in diesem Zusammenhang vor allem das Gefühl, den Alltag, zu dem auch alltägliche Aktivitäten zählen, bewältigen zu können (sei es mit oder ohne Unterstützung). Im Zentrum ökogerontologischer Forschungsansätze steht die Fra-ge nach der Wechselwirkung zwischen älteren Menschen und der sie umgebenden Umwelt (physikalisch-räumlich, sozial, sozialstrukturell) sowie deren Bedeutung für den Alternsprozess. Eine zentrale Annahme dieser Ansätze besteht darin, dass anregende und fördernde Umwel-ten Verluste im Alter kompensieren und somit zu einer selbstständigen Lebensführung und Wohlbefinden beitragen können. Das ökologische Modell des Alterns von Lawton (Lawton und Nahemow, 1973) betrachtet das Verhältnis von Person und Umwelt vor dem Hintergrund des Verhält-nisses von individuellen Kompetenzen und vorherrschenden Umwelt-bedingungen. So nimmt er an, dass mit abnehmenden Kompetenzen der „Druck“ der Umwelt wächst und dadurch das Erleben und Verhalten sowie die Bewältigung dieser Veränderung auf Seiten der Person beein-flusst wird. Der ältere Mensch ist diesem Geschehen aber nicht passiv ausgeliefert, sondern kann die Situation proaktiv handelnd gestalten (Lawton und Nahemow, 1973; Lawton, 1999). Ein weiterer, in ökoge-

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rontologischen Theorien thematisierter Aspekt ist die Person-Umwelt-Passung, die die Bedeutung der Übereinstimmung von Bedürfnissen (Person) und Bedingungen (Umwelt) postuliert (Carp und Carp, 1980; 1984). Das heißt, die Umwelt sollte insgesamt so gestaltet sein, dass sie ein eigenständiges, selbstbestimmtes und selbstverantwortliches Altern auch im Falle von Kompetenzverlusten ermöglicht. Durch Mobilität wird es Menschen möglich, mit ihrer außerhäuslichen Umwelt in Kontakt zu kommen. Mobilität ist sozusagen ein „Mittler“ zwischen Person und Umwelt. Mit Blick auf das Thema Mobilität verweisen die ökogeronto-logischen Theorien zudem auf das hohe Anpassungspotenzial älterer Menschen im Kontext ihrer räumlich-sozialen Lebensbedingungen. Sie zeigen, dass ältere Menschen immer wieder gefordert sind, sich mit individuellen und umweltbezogenen Veränderungen auseinander zu setzen, sie zeigen aber auch, dass eine Unterstützung bei diesen Anpassungsprozessen auch von Seiten der Umwelt bedeutsam ist. Öko-gerontologische Theorien verweisen zudem darauf, dass Umwelten für ältere Menschen so gestaltet werden müssen, dass der „Umweltdruck“ nicht zu hoch wird und außerhäusliche Aktivitäten möglichst lange be-wältigbar bleiben. Schließlich zeigen sie auch, dass es nicht nur auf die bestmögliche Gestaltung außerhäuslicher Umwelten ankommt, sondern vor allem auch darauf, ob diese Umwelten den (sich in Zukunft weiter verändernden) Bedürfnissen älterer Menschen gerecht werden.

2.2 Forschungsprojekte zum Thema „Mobilität im Alter“ in Deutschland

In den letzten Jahren wurden in Deutschland mehrere zum Teil inter-national vergleichende Forschungsprojekte zum Thema „Mobilität im Alter“ vorgestellt. Sie werden im Folgenden kurz vorgestellt, dann die wichtigsten Ergebnisse daraus in Abschnitt 2.3 berichtet und schließlich weitere aktuelle Befunde zur Mobilität Älterer dargestellt. Das von der Europäischen Kommission im �. Forschungsrahmenpro-gramm geförderte Projekt „MOBILATE: Enhancing Outdoor Mobility in Later Life“ wurde von 2000 bis 2002 unter Leitung von Dr. Heidrun Mollenkopf, Prof. Dr. Hans-Werner Wahl und Dr. Frank Oswald am Deutschen Zentrum für Alternsforschung in Heidelberg sowie in vier weiteren europäischen Ländern (Italien, Finnland, Niederlande und Ungarn) durchgeführt. Diese Länder wurden ausgewählt, weil sie sich hinsichtlich mobilitätsrelevanter Aspekte unterscheiden, so beispiels-weise bezüglich geografischer und klimatischer Bedingungen, kultureller Traditionen, Bevölkerungsdichte und Technisierungsgrad. Das Hauptziel des Projektes bestand in der Untersuchung des Zusammenhangs zwi-

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schen Mobilität und mobilitätsrelevanten person- und umweltbezogenen Faktoren einerseits und dem subjektiven Wohlbefinden, einem zentralen Aspekt der Lebensqualität älterer Menschen, andererseits. Die zentrale Annahme bestand darin, dass Mobilität auf dem Zusammenwirken zwi-schen Person, genutzten öffentlichen und privaten Transportmöglich-keiten sowie der räumlichen, sozialen und technischen Umwelt basiert. Bedingungen, Chancen und Schwierigkeiten außerhäuslicher Mobilität wurden insbesondere mit den Aspekten Gesundheit, psychologische Ressourcen, soziale Ressourcen (z.B. Nachbarschaft) und der räumli-chen Umwelt in Verbindung gebracht. Besondere Aufmerksamkeit lag auf der Identifikation des Einflusses verschiedener personenbezoge-ner, umweltbezogener und technologiebasierter Bewältigungsmuster auf die Lebenszufriedenheit älterer Menschen. Dabei wurde insbeson-dere auch die Rolle städtischer und ländlicher Regionen und deren differenzielle Rahmenbedingungen berücksichtigt (Mollenkopf et al., 2004b; Mollenkopf und Kaspar, 2005). Die Veröffentlichung, die alle Ergebnisse des Projektes zusammenfassend darstellt, liegt inzwischen ebenfalls vor (Mollenkopf et al., 200�). Im Rahmen des „MOBILATE“-Projektes wurde neben einer Untersuchung zur Mobilität älterer Menschen (MOBILATE-Survey) die Möglichkeit ge-nutzt, die bereits 199� befragten älteren Menschen 2000 noch einmal zu befragen (MOBILATE-Follow-up I zur Beschreibung und Erklärung individueller Kontinuität und Veränderung in Mobilitätsmustern als eine Funktion chronologischen Alters) und damit die 199� befragten älteren Menschen mit den entsprechenden Kohorten aus dem Mobilate-Survey zu vergleichen (MOBILATE-Kohortenvergleich 199�-2000 mit der Frage, ob jüngere und ältere Kohorten unterschiedliche Mobilitätsmuster mit unterschiedlichen technischen Erfahrungen und Ressourcen zeigen) (Mollenkopf et al., 2003; Ruoppila et al., 2003) (siehe Abb. 2). Ein weiteres in Deutschland durchgeführtes Forschungsprojekt zum Thema „Mobilität im Alter“ war das Projekt „ANBINDUNG“ (Anforde-rungen Älterer an eine benutzergerechte Vernetzung individueller und gemeinschaftlich genutzter Verkehrsmittel) (Engeln, 2001; 2003; Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001). Ziel dieses Projektes war es, Aussagen über eine bessere Vernetzung individueller und öffentlicher Verkehrsmittel zu erhalten. Das Projekt „FRAME“ behandelte das Thema „Freizeitmobilität älterer Menschen“. Dabei standen die subjektiven Bedürfnisse und Erwartungen älterer Menschen hinsichtlich variierender Verkehrsmittel und Angebote im Freizeitverkehr sowie die Mobilitätsformen im Bereich Freizeitaktivitä-ten im Vordergrund. Da raumstrukturelle Unterschiede als wesentlich für

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die Untersuchung dieser Fragestellungen angenommen wurden, erfolgte darüber hinaus die Berücksichtigung objektiver verkehrs- und raum-struktureller Rahmenbedingungen (Wohnumfeld; Transportangebote). Zentral für die Erhebung waren vor diesem Hintergrund die „objektive“ und „subjektive“ Angebotsstruktur und deren Einfluss auf Mobilitätsent-scheidungen (Rudinger et al., 2004; Schüttemeyer et al., 2004).Das Projekt „SIZE“ („Life Quality of Senior Citizens in Relation to Mobility Conditions“), das derzeit noch an der Universität Nürnberg-Erlangen im Rahmen eines europäischen Forschungsverbundes durchgeführt wird, hat das Ziel einer detaillierten Beschreibung der gegenwärtigen Situation der Mobilität älterer Menschen. Darüber hinaus sollen Mobilitätsbarrieren identifiziert und Lösungen für deren Überwindung erarbeitet werden. Schließlich ist die Einrichtung und Umsetzung von neuen Vorhaben geplant, die die Mobilität älterer Menschen nachhaltig verbessern sollen. Das methodische Vorgehen umfasst sowohl die Erhebung quantitativer und qualitativer Daten als auch die Durchführung von Expertengesprä-chen (Kaiser und Kraus, 200�).

2.3 Aktuelle Befunde zum Thema „Mobilität im Alter“

Abb. 2: Das Projekt MOBILATE

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In Ergänzung und Erweiterung der bereits in Abschnitt 2.2 erwähnten Studien werden im Folgenden aktuelle Befunde und theoretische An-sätze vorgestellt, die nach dem Jahr 2000 erschienen sind und für den vorliegenden Bericht von Bedeutung sind.

Verkehrsmittel AutoDas Thema Verkehrsmittel, insbesondere das Thema Auto, spielt in der aktuellen Literatur eine zentrale Rolle. Die Fülle an Literatur spiegelt wider, wie wichtig das Auto für ältere Menschen ist. Dies trifft sowohl für die Ausübung von Freizeitaktivitäten zu als auch für die Kompensation von Fußwegen, die beispielsweise aufgrund gesundheitlicher Einschrän-kungen nicht mehr ausgeführt werden können. So erwähnt Metz (2003) beispielsweise das sogenannte „Blue Badge Scheme“, ein europawei-tes System, das es stark gehbeeinträchtigten Fahrern oder Beifahrern erlaubt, möglichst nah an ihrem Ziel zu parken. Solche Innovationen sind bedeutsam, da in Zukunft die Zahl gesundheitlich eingeschränkter älterer Menschen, die auf das Auto angewiesen sein werden, weiter ansteigt. Um einer Immobilität dieses Personenkreis vorzubeugen sind Neuerungen in dieser Richtung unabdingbar (Hildebrand, 2003). Diese Diskussion leitet unmittelbar über zum Thema „Aufgabe des Autofah-rens“. Die Aufgabe des Autofahrens kann aus gesundheitlichen Gründen erfolgen, aber auch eine Folge mangelhafter Umweltbedingungen bzw. des Zusammenspiels beider Aspekte sein. Für die betroffenen Autofahrer handelt es sich um ein besonders sensibles Thema, denn die Aufgabe des Autofahrens ist nicht selten auch mit einem Verlust an Autonomie verbunden. Die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Fahrerlaubnis im höheren Alter sind in Europa zur Zeit noch sehr unterschiedlich. In Finnland wird beispielsweise ab dem 4�. Lebensjahr alle fünf Jahre die Sehfähigkeit überprüft. Ab dem 60. Lebensjahr wird zusätzlich alle fünf Jahre eine medizinische Eignungsprüfung durchgeführt. Mit 70 Jahren läuft die Fahrerlaubnis ab und eine Verlängerung muss ausdrücklich beantragt werden (Mollenkopf et al., 200�). In Deutschland hingegen gibt es bisher keine Einschränkungen, es sei denn, der Führerschein wird aufgrund eines Unfalls oder aus medizinischen Gründen entzogen. Peel et al. (2002) stellen das Verkehrsmittel Auto als zentral für Unab-hängigkeit, Mobilität und soziale Aktivitäten älterer Menschen dar. Sie weisen daraufhin, dass die Aufgabe des Autofahrens von den älteren Menschen im Vorfeld kaum geplant wird. Die Entscheidung, das Auto-fahren aufzugeben, wird allerdings von den meisten älteren Menschen selbst getroffen. Als Folgen werden der Verlust von Unabhängigkeit, Isolation sowie die Verminderung sozialer Kontakte erwähnt. Coughlin

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et al. (2004) berichten über Aspekte der Selbstregulierung des Fahrens, das heißt über die Art und Weise, wie sich Senioren ihren Fahrfähigkeiten anpassen. Sie zeigen auf, dass ältere Menschen ein ausgeprägtes Be-wusstsein für Veränderungen im eigenen Fahrverhalten haben, was sich mit zunehmendem Alter noch zu intensivieren scheint, insbesondere, wenn gesundheitliche Veränderungen offensichtlich werden. Ansprech-partner in diesen Fragen ist für die älteren Menschen am ehesten die Familie und, wenn nicht vorhanden, der Arzt. Die Polizei, so auch ein Er-gebnis, soll auf keinen Fall einbezogen werden. Die Frage ist allerdings, wann der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dass sich andere „einmi-schen“ sollen, um Gefährdungen der Person bzw. der Umwelt frühzeitig zu erkennen und zu vermeiden. In diesem Zusammenhang berichtet die American Medical Association (2003), dass auch Ärzte zunehmend Entscheidungen treffen müssen, die sowohl der Sicherheit der älteren Patienten, aber auch deren Mobilitätsbedürfnissen gerecht werden. In dem Artikel wird ein „Ärztlicher Plan für die Sicherheit älterer Fahrer“ („PPODS“) vorgestellt. O’Neill et al. (2000) berichten, dass ehemalige Autofahrer öffentliche Verkehrsmittel häufiger nutzen als Personen, die (noch) Auto fahren, aber seltener als Personen, die nie Auto gefahren sind. Als Gründe für die geringe Nutzung werden Sicherheitsängste, Schwierigkeiten beim Tragen von Einkaufstaschen sowie der Zugang zu den Fahrzeugen des ÖPNV an sich genannt. Als Hauptgründe für die Aufgabe des Autofahrens stehen vor allem Aspekte der Gesundheit und die Kostenfrage im Vordergrund. Die Autoren empfehlen als Fazit das Angebot von mehr Bildungsprogrammen, die das Hinauszögern der Aufgabe des Autofahrens stützen könnten.

Freizeit und ReisenFreizeit- und Reiseaktivitäten stellen insbesondere für die „jungen“ älteren Menschen ein wichtiges Feld außerhäuslicher Aktivitäten dar. Hildebrand (2003) bemerkt, dass im Zusammenhang mit dieser Thema-tik vor allem der Aspekt des „Lebensstils“ stärker berücksichtigt werden sollte, da dieser ein Einflussfaktor für unterschiedliches Freizeit- und Reiseverhalten sein kann. Schüttemeyer et al. (2004) gehen in ihrem Artikel, der Ergebnisse des o.g. FRAME-Projektes vorstellt, auf Teilberei-che von Freizeit- und Reiseaktivitäten näher ein. Zum einen stellen sie einen allgemeinen Rückgang von Freizeitaktivitäten mit zunehmendem Alter fest. Darüber hinaus finden sie Hinweise darauf, dass der frühere Arbeitsort die Freizeitorientierung im Alter entscheidend mit beeinflusst, ebenso wie das Vorhandensein eines Gartens. Einen Bezug zur Um-welt finden die Autoren insofern, als ein gutes lokales Freizeitangebot

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dazu führt, dass weniger Aktivitäten zu Hause und mehr Aktivitäten außer Haus ausgeübt werden. Dieser Einfluss ist besonders stark in suburbanen Gebieten, die sich durch eine mittelmäßige Ausstattung mit derartigen Angeboten auszeichnen. Schwanen et al. (2001) zeigen anhand ihrer Daten, dass die Wahrscheinlichkeit, außerhäuslich mobil zu sein, für Personen höher ist, die besser gebildet sind, die ein Auto/ Führerschein besitzen, die (noch) berufstätig sind, die jünger sind, die männlich sind und in einer Großstadtregion leben. Insgesamt sehen die Autoren in der Wohngegend (urban, suburban oder ländlich) einen entscheidenden Einflussfaktor für Mobilität. Die Wahrscheinlichkeit der Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs steigt ihren Befunden zufolge mit dem Grad der Urbanisierung der Wohnregion. Autobesitz ist neben der Wohngegend der zentrale Faktor für die Wahl des Verkehrs-mittels zur Durchführung von Freizeitaktivitäten. Die Autoren verweisen allerdings darauf, dass das Auto nicht für alle älteren Menschen glei-chermaßen zur Verfügung steht und deshalb auch in die Ausgestaltung und Verbesserung von ÖPNV investiert werden muss.

LebenszufriedenheitDas Ziel aller Forschungsvorhaben, ob direkt oder indirekt, führt immer wieder zu der Frage, welchen Einfluss Mobilität und mobilitätsrelevante Aspekte auf die Lebensqualität und Lebenszufriedenheit älterer Men-schen haben. In einer Untersuchung des Einflusses verschiedener „Teil“zufrieden-heiten1 auf die Lebensqualität im Alter erwies sich die Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten neben Gesundheit und Einkommen als wichtiger Einflussfaktor (Mollenkopf, 2002a). In weiteren Analysen zeigte sich darüber hinaus, dass insbesondere der Aspekt der Freizeitmöglichkeiten einen Einfluss auf Lebenszufriedenheit hat (Baas et al., 2004; Mollenkopf et al., 2006). Das zentrale Ergebnis des MOBILATE-Projektes, dessen Ziel die Untersuchung genau dieses Zusammenhanges war, macht deutlich, dass zum einen ein höherer sozioökonomischer Status, ein zufriedenstellendes soziales Netzwerk, bessere körperliche Gesundheit und Sehfähigkeit sowie die Motivation außer Haus zu gehen, in Zusam-menhang mit außerhäuslicher Mobilität stehen. Die räumliche Umwelt

1 „Teil“zufriedenheiten meint die jeweils separat gemessene Zufriedenheit mit verschiedenen Lebensbereichen wie beispielsweise die Zufriedenheit mit der Gesundheit, mit finanziellen Ressourcen, mit Freizeitaktivitäten, mit der Woh-numgebung, mit Angeboten und Einrichtungen in der Wohngegend usw.

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(Stadt; Land; Ausstattung der Umwelt) scheint demgegenüber weniger Einfluss auf die Mobilität älterer Menschen zu haben. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass eine bessere außerhäusliche Mobilität einen en-gen Zusammenhang mit der Lebensqualität im Alter aufweist und zwar dadurch, dass außerhäusliche Mobilität moderierend auf verschiedene Einflussfaktoren von Lebensqualität wirkt (Mollenkopf et al., 2005). Die Ergebnisse einer Studie von Gilhooly (2003) zeigen, dass auch Autobesitz, der Zugang zu Transportmöglichkeiten und Reisen für ältere Menschen mit Lebensqualität assoziiert sind. Zentral scheint auch die Wahrnehmung der älteren Menschen selbst zu sein, die zu über �0 % glauben, dass ihre mobilitätsrelevanten Bedürfnisse in der Öffentlichkeit noch nicht genügend wahrgenommen werden. Für Banister und Bowling (2004) ist im Kontext von Lebensqualität und Mobilität im Alter der Zu-gang zu Transportmöglichkeiten ebenfalls zentral. Darüber hinaus wird die „passive“ Einbindung in das Wohngebiet (das heißt, der Aspekt des Wohlfühlens in der Wohnumgebung) und die Integration in ein soziales Netzwerk, insbesondere der Kontakt zur Nachbarschaft, erwähnt. Die Ergebnisse von Cvitkovich und Wister (2001) stehen im Forschungs-kontext der Person-Umwelt-Passung. Zentrales Ergebnis der Studie ist, dass sich transportmittelabhängige und transportmittelunabhängige ältere Menschen hinsichtlich ihrer Lebensqualität nicht voneinander unterscheiden; wichtig ist allein die Befriedigung der Mobilitätsbedürf-nisse. Wie Mollenkopf et al. (200�) stellen auch Gabriel und Bowling (2004) heraus, dass Gesundheit und funktioneller Status im Kontext von Mobilität im Alter die Lebensqualität beeinflussen. Auch Pochet (2003) verweist darauf, dass eine positive Mobilität Ein-fluss hat auf soziale Integration, Selbstständigkeit und Lebensqualität. Als Einflussfaktoren der Mobilität älterer Menschen stellt er die lange Periode des Zusammenlebens mit einem (Ehe-)partner, vor allem für Männer, heraus. Das Einkommen und der Besitz eines Autos, Verän-derungen in der Wohngegend (er erwähnt die Tendenz, dass ältere Menschen vermehrt in städtische Regionen umziehen könnten) sowie gesundheitliche Einschränkungen werden ebenfalls als Einflussfaktoren für Mobilität identifiziert.

Mobilität und ZukunftAuch zum Thema Zukunft und Mobilität im Alter finden sich in der neueren Literatur verschiedene Ansätze. Neben der demografischen Entwicklung und deren Relevanz für Mobilität im Alter werden auch Chancen und Grenzen von neuen Transportmöglichkeiten für ältere

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Menschen als Alternative und Ergänzung bisher bestehender Trans-portsysteme erörtert. In einer Veröffentlichung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (Blume et al., 200�) wird das Thema Mobilität vor dem Hintergrund des demografischen Wandels diskutiert. Der Anteil der über 65-Jährigen an der Bevölkerung insgesamt wird von derzeit ca. 18 % auf über ein Viertel bis zum Jahr 2030 ansteigen und auch danach noch weiter zunehmen. Eine besonders starke Zunahme wird in der Gruppe der Hochbetagten (8� Jahre und älter) erwartet. Der Stellenwert von Mobilität im Vergleich zu anderen Lebensbereichen ist für Erwachsene insgesamt sehr hoch und wird an vierter Stelle hinter Familie, Wohnen, Freunde/ Bekannte genannt. Der Anteil der Personen, die Mobilität für wichtig erachten, nimmt mit dem Alter zu: Bei den 18- bis 24-Jährigen beträgt er 48 %, bei den Personen über 6� Jahre hingegen 69 %. Expertenmeinungen zufolge ist Mobilität weniger eine „bloße Raumüberwindung“, sondern auch ein Abbild verschiedener Lebensstile. Das Auto und die Ausübung von Freizeitaktivitäten spielen in den mobilitätsrelevanten Zukunfts-perspektiven der älteren Menschen eine zentrale Rolle. Obwohl die Mehrzahl der Befragten in der bisherigen Wohnumgebung verbleiben möchte, wird auch über alternative Mobilitätsformen nachgedacht. So gibt rund die Hälfte der �0- bis 64-Jährigen Befragten an, bei Umzug den zukünftigen Wohnort so wählen zu wollen, dass wichtige Wege auch zu Fuß erledigt werden können. Als Regionen oder Standorte, in denen der zukünftige Entwicklungsbedarf am höchsten sein wird, werden von den Experten insbesondere ländliche und dünnbesiedelte Regionen herausgestellt. Sie fordern darüber hinaus eine bessere Koordination der Planungsinstanzen sowie verlässliche Daten zur Bevölkerungs- und Mobilitätsentwicklung. Waldorf (2003) erwähnt unter dem Stichwort „Transportalternativen“ für ältere Menschen, dass diese nur sinnvoll sind, wenn sie sich durch Sicherheit und hohe Qualität auszeichnen. Als problematisch sieht sie die Entwicklung der Gruppe von Personen an, die sich darauf verlassen, von anderen (insbesondere von den eigenen Kindern) gefahren zu wer-den, was vor dem Hintergrund beruflicher und räumlicher Flexibilität der jüngeren Generation zunehmend schwieriger wird. Sterns et al. (2003) verweisen darauf, dass es für ältere Menschen zukünftig wichtig wird, die Veränderung von Mobilität und Wohnen im Alter frühzeitig in den Blick zunehmen. Die Autoren beschreiben ein „Konzept der Unabhän-gigkeit“ vor dem Hintergrund des Zusammenwirkens von Mobilität und Transportwesen:• Transit-zentrierter Ansatz: Gleiche Priorität privater und öffentlicher

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Transportmittel • Person-zentrierter Ansatz: Das Verhältnis der Person (ihre Fähigkei-

ten) zu ihrer Umwelt (Umweltbedingungen)• Markt-zentrierter Ansatz: Ziel ist das Höchstmaß persönlicher Unab-

hängigkeit und Mobilitätsentscheidungen, die sowohl privat (zu Fuß, Fahrrad, Auto) als auch mit öffentlichen Transportmitteln möglich werden.

Alsnih und Hensher (2003) verweisen insbesondere auf die Gestaltung von Transportalternativen zum Auto. Sie plädieren dafür, diesen Über-gang frühzeitig zu planen, damit die Aufgabe des Autofahrens nicht zum ‘totalen’ Mobilitätsverlust führt. Sie betonen darüber hinaus, den Mobilitätsbedürfnissen älterer Menschen sowie deren Veränderung mehr Beachtung zu schenken. Metz (2000) beschäftigt sich mit einem Konzept des „Zugangs zu Mobilität“, in dem er Zeitbuget-Aspekte, den psychologischen Nutzen (Zeit, die freiwillig außer Haus verbracht wird), den körperlichen Nutzen (Gehen, Rad fahren, u. a.) und den gemeinschaftlichen Nutzen (Teilnahme an sozialen Aktivitäten) von Mobilität betrachtet. Darüber hinaus setzt er den Verlust von Mobilität mit Veränderungen der Lebensqualität in Beziehung. Kerschner (2003) beschreibt ein Transportprogramm für Senioren, mit dem älteren Men-schen geholfen werden soll, weiter aktiv am Leben teilzunehmen, auch wenn sie selber nicht mehr Auto fahren können. Das Programm befindet sich in unterschiedlicher Trägerschaft (Kommunen, Banken, Versiche-rungen, u. a.). Auch Mitchell (2003) stellt ein Transportkonzept vor, das „Family of services“-Konzept, das das Ziel verfolgt, ein möglichst allen Menschen gerechtes und günstiges Dienstleistungsangebot zu machen. Das „Family of services“-Konzept beinhaltet: • Ein Netzwerk von hoher Qualität; Niederflurbusse;• Fahrstrecken („Service routes“): Mittlere Busse, die Umwege fahren

und die Distanz zwischen Haltestelle und Wohnung - Supermarkt reduzieren; Fahrplan ermöglicht viel Zeit zum Umsteigen; kann von jedem genutzt werden (teurer als ÖPNV, aber günstiger als Taxi);

• „Dial-a-ride“: Für Personen, die Hilfe benötigen, weniger flexibel, teurer, da begrenztes Angebot.

Die verschiedenen Studienergebnisse und Literaturbefunde verweisen übereinstimmend auf die hohe Bedeutung der Mobilität für die Erhaltung von Selbstständigkeit und Lebensqualität im Alter. Sie zeigen zudem, dass das Problem inzwischen vielerorts erkannt wurde und Vorschläge zur Verbesserung der aktuellen Situation gemacht werden. Insgesamt zeigt sich aber auch, dass längsschnittliche Daten und Befunde zum Thema „Mobilität im Alter“ noch eher selten zu finden sind, was noch einmal auf die Bedeutung der vorliegenden Befragung zum Entwick-

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lungsverlauf von Mobilität im Alter innerhalb eines Zeitraumes von zehn Jahren verweist.

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3 Zielsetzungen des Forschungsprojektes

Zielsetzung des Projektes „Mobilität im Alter: Kontinuität und Verände-rung“ war es, den Entwicklungsverlauf von Mobilität und mobilitätsrele-vanten Aspekten im Alter über einen Zeitraum von zehn Jahren darzustellen. Dabei standen insbesondere mobilitätsrelevante Verän-derungen im Mittelpunkt, die sich im Verlauf des Alternsprozesses im Hinblick auf die individuellen Mobilitätsmöglichkeiten älterer Frauen und Männer in ihrem konkreten Umfeld ergeben haben. Es wurde auf das Entwicklungspotenzial person- und umweltbezogener Aspekte ebenso Bezug genommen wie auf deren Wechselwirkung. Es wurde danach gefragt, ob Veränderungen eher durch Entwicklungen im Be-reich persönlicher Bewegungsfreiheit (z.B. durch gesundheitliche Beeinträchtigungen) oder eher durch Veränderungen der Umwelt (z.B. durch veränderte Bedingungen der Infrastruktur) verursacht wurden. Und es wurde untersucht, wie sich beispielsweise gesundheitliche und soziale Veränderungen (langfristig) auf den Alltag, die Mobilitätsmöglich-keiten und das Mobilitätsverhalten älterer Menschen auswirken. Eine zentrale Rolle spielte in diesem Prozess der Entwicklung individueller und struktureller Bedingungen die Wahrnehmung dieser Verände-rungen durch die älteren Menschen selbst. Hier standen erlebte Verluste bzw. Bewältigungsmöglichkeiten im Zusammenhang mit Mobili-tätsveränderungen im Vordergrund. Aus diesen Erkenntnissen über Veränderungen in Person und Umwelt sowie deren Wahrnehmung durch ältere Menschen wurden Empfehlungen entwickelt, in welchen Bereichen und in welcher Art unterstützende Maßnahmen dazu beitragen können, auch hochaltrigen Menschen noch ein Höchstmaß an Mobilität und damit Eigenständigkeit, gesellschaftliche Teilhabechancen und Lebensqualität, zu ermöglichen. Unter Berücksichtigung personaler, sozialer, technischer oder struktureller Aspekte wurde herausge-arbeitet, in welchen Bereichen aufgrund der Befunde Interventionen erforderlich sind, um hochaltrigen Menschen ihre individuell gewünschte Mobilität zu erhalten.

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Aufbau des ForschungsberichtesDer Bericht ist so gegliedert, dass in Abschnitt 4 die methodischen Grundlagen der Arbeit beschrieben werden. Abschnitt � beinhaltet den Ergebnisteil, das heißt die Darstellung qualitativer und quantitativer empirischer Befunde zu Kontinuität und Veränderung von Mobilität im Alter. Themenschwerpunkte des Ergebnisteiles sind Mobilität im Alter allgemein, alltägliche Wege, Freizeit und Reisen, Verkehrsmittel Auto und öffentlicher Personennahverkehr, Wohnumgebung und Infrastruktur, mobilitäts-bezogene Zukunftsaussichten sowie Lebenszufriedenheit der befragten älteren Menschen. Der Bericht schließt mit Empfehlungen für sozial-, verkehrs- und kommunalpolitische Handlungsträger sowie Industrie und Wissenschaft.

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4 Methodisches Vorgehen

Bei der vorgestellten Studie handelt es sich um ein Forschungsvorhaben, das mit einer ersten Befragung 199� begann und über einen Zeitraum von insgesamt zehn Jahren mit zwei Messwiederholungen (2000 und 200�) durchgeführt wurde. Um eine Vergleichbarkeit der Daten zu allen Messzeitpunkten zu gewährleisten, wurden bei der Erstellung des Inter-viewleitfadens größtenteils bereits vorhandene Themenschwerpunkte und Fragestellungen verwendet.

4.1 Der InterviewleitfadenAls Grundlage des Erhebungsinstrumentes diente zum einen der Inter-viewleitfaden der Tiefenstudie, die 1996, ein Jahr nach der Ersterhebung im Projekt „Erhaltung von Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter“ in Mannheim und Chemnitz durchgeführt worden war. Dieser beinhaltete sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte zum Thema „Mobilität im Alter“. Zum anderen gingen quantitative Fragen mit Längsschnittrele-vanz aus dem ersten Follow-up 2000 in den Interviewleitfaden ein. Die Auswahl der Erhebungsmethode erfolgte vor dem Hintergrund, dass ein persönlicher Zugang sowie eine problemzentrierte Herangehensweise die Chance bietet, bereits vorhandenes Wissen über Mobilität im Alter sowie Aspekte der Kontinuität und Veränderung zu ergänzen, zu erwei-tern und gegebenenfalls zu modifizieren (Lamnek, 2005).

4.2 DatenerhebungDie Datenerhebung fand in Mannheim und Chemnitz statt und wurde in Mannheim von drei Mitarbeiterinnen des Deutschen Zentrums für Alternsforschung und in Chemnitz von drei Mitarbeitern des Institutes USUMA, Berlin, durchgeführt. Die zur Teilnahme bereiten Personen wurden mittels persönlicher Interviews in ihren Wohnungen befragt. Vor Beginn der eigentlichen Erhebungsphase wurden zur Optimierung des Interviewleitfadens in Heidelberg und Ludwigshafen drei Pilotin-terviews durchgeführt. Im Anschluss daran erfolgte die Endredaktion des Interviewleitfadens sowie der Druck des Erhebungsmaterials, das

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neben den Leitfäden Hinweise für die Interviewer zur Durchführung der Interviews sowie das in der Zwischenzeit erstellte Codebuch zur Eingabe der quantitativen Daten umfasste. Neben den Pilotinterviews wurde von den Projektmitarbeiterinnen als eine weitere Maßnahme der Qualitätssicherung eine Interviewerschu-lung durchgeführt, die für die Interviewer des Instituts USUMA telefonisch und für die Interviewer des Deutschen Zentrums für Alternsforschung (DZFA) im Rahmen einer persönlichen Erprobung erfolgte. Darüber hinaus bestand für alle Interviewer und Kooperationspartner während der gesamten Erhebungsphase eine telefonische Hotline zur verant-wortlichen Projektmitarbeiterin am DZFA. Die Verantwortlichen der beteiligten Kommunen wurden persönlich von der Befragung in Kenntnis gesetzt. Um die Teilnahmebereitschaft zu erhöhen, wurden die potenziellen Studienteilnehmer vor Beginn der Erhebung durch Empfehlungsschreiben der Kommunen sowie durch Veröffentlichungen der Ergebnisse aus den vorangegangenen Erhe-bungswellen informiert. Darüber hinaus wurden im Vorfeld der Erhebung in Mannheim und Chemnitz Pressemitteilungen und Radiobeiträge zum geplanten Projekt veröffentlicht.

4.3 Die StichprobeIm folgenden Abschnitt wird in einem ersten Schritt die Entwicklung der Stichprobe im 10-Jahresverlauf vorgestellt und in einem zweiten Schritt auf Charakteristika der Studienteilnehmer eingegangen, die im 10-Jah-resverlauf an der Befragung teilgenommen haben. Im dritten Teil werden die Stichprobenausfälle sowie Aspekte der Selektivität behandelt.

4.3.1 Die StichprobenentwicklungIm Rahmen der Stichprobenentwicklung werden die Parameter Teil-nehmerzahl, Alter, Altersgruppen, Bildung und Geschlecht betrachtet. Während Teilnehmerzahl, Alter und Bildungsstand erwartungsgemäß variieren, ist die Geschlechtszusammensetzung über die Zeit relativ konstant. Die Stichprobe der Befragung „Mobilität im Alter: Kontinuität und Verän-derung“ umfasst nach zehn Jahren von den ursprünglich 804 noch 82 Personen. Das durchschnittliche Alter der Befragten, das zum ersten Messzeitpunkt 199� für die Gesamtgruppe der N=804 Personen bei 62,2 Jahren lag, beträgt jetzt für die Gruppe der verbleibenden N=82 Perso-

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nen im Jahr 200� 6�,2 Jahre (199�), das heißt 7�,2 Jahre (200�).Diese Entwicklung lässt sich gut an der Altersgruppenstruktur ablesen, die 1995 unter anderem als Stratifikationsmerkmal der Stichprobe gewählt wurden. Die Stichprobe umfasste 199� eine jüngere Alters-gruppe mit Personen, die damals �� bis 74 Jahre alt waren und eine ältere Altersgruppe mit Personen, die das 7�. Lebensjahr erreicht bzw. überschritten hatten. Beide Altersgruppen waren zum ersten Messzeitpunkt 199� ungefähr gleich groß (jüngere Altersgruppe 51,2 %; ältere Altersgruppe 48,8 %). Das änderte sich schon fünf Jahre später zum zweiten Messzeitpunkt im Jahr 2000, wo noch rund drei Fünftel (61,3 %) der Befragten der jüngeren und nur noch rund zwei Fünftel (38,7 %) der älteren Alters-gruppe angehörten. Zum dritten Messzeitpunkt finden sich noch ca. vier Fünftel der Befragten (84,2 %) in der jüngeren, aber nur noch ein Fünftel (1�,8 %) in der älteren Altersgruppe. Das heißt, die prozentuale Verteilung der Altersgruppen hat sich – erwartungsgemäß über die Zeit – zuungunsten der älteren Altersgruppe verändert. Um auch 200� noch verlässliche Aussagen über Personen über 7� Jahre (200� 8� Jahre) treffen zu können, wurde eine Veränderung der Altersgruppengrenzen vorgenommen. Die ursprünglichen Altersgruppen des ersten Messzeit-punktes 199� wurden so aufgeteilt, dass 200� in der jüngeren Alters-gruppe die damals ��- bis 64-Jährigen und in der älteren Altersgruppe die damals über 6�-jährigen Befragten zusammengefasst wurden. Nach dieser Gruppierung zählen 200� 41 Personen, das heißt �0 % der Be-fragten zur Gruppe der jüngeren Befragten und ebenfalls 41 Personen zur Gruppe der älteren Befragten. Da die befragten Personen im Unter-suchungszeitraum zehn Jahre älter geworden sind, wird das Lebensalter im Jahr 199� + zehn Jahre angegeben. In den folgenden Ausführungen und im Ergebnisteil wird somit von der Gruppe der jüngeren Befragten gesprochen, die die im Jahr 200� 6� bis 74-jährigen Befragten umfasst, und von der Gruppe der älteren Befragten, die die dementsprechend über 7�-jährigen Befragten umfasst.Veränderungen zeigen sich auch hinsichtlich der Schulbildung der Befragten, die als höchster erreichter Schulabschluss gemessen wur-de. Der prozentuale Anteil der Personen in der Stichprobe, die den Abschluss der 8. bzw. 9. Klasse erreicht haben, ist rückläufig (1995 71,1 %, 2000 69,4 % und 200� �3,7 %). Diese Entwicklung zeigt sich insbesondere zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt. In um-gekehrter Entwicklung nimmt der prozentuale Anteil der Personen in der Stichprobe zu, die ihre schulische Laufbahn mit der mittleren Reife bzw. dem Abitur abgeschlossen haben. Während in der Ausgangsstichprobe

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199� nur 7,6 % der Befragten den Schulabschluss Abitur angaben, ist diese Zahl in der Stichprobe 200� etwas mehr als doppelt so hoch: 200� verfügen 1�,6 % der Befragten über den Schulabschluss Abitur. Schon an dieser Stelle zeigt sich, dass wohl die jüngeren und besser gebildeten Befragten in der Stichprobe verblieben sind, während die älteren und weniger gut gebildeten ausgeschieden sind. Hinsichtlich der Variable Geschlecht hat sich die Stichprobe über die zehn Jahre relativ konstant entwickelt. Auch nach zehn Jahren sind je-weils ca. �0 % der Befragten Männer und ca. �0 % Frauen.

4.3.2 Die Befragten 2005: Stichprobenbeschreibung Im Folgenden soll vor dem Hintergrund der Studienteilnehmer, die zu allen drei Messzeitpunkten an der Befragung teilgenommen haben, ein Überblick über die wichtigsten Parameter der Stichprobe 200� gegeben werden.An der Befragung 200� nahmen insgesamt 82 Personen teil. 41 lassen sich der jüngeren und 41 der älteren Altersgruppe (jeweils �0 %) zuord-nen. 47,6 % der Befragten sind Frauen, �2,4 % sind Männer. �7,3 % der Befragten leben in Mannheim, 42,7 % in Chemnitz. Die Haushaltsgröße und der Familienstand der Befragten variieren erwartungsgemäß über den 10-Jahreszeitraum. Der Anteil der Personen in Mehrpersonen-haushalten ist von 84,1 % im Jahr 199� auf 68,3 % zurückgegangen. Entsprechend ist der Anteil der Personen in Einpersonenhaushalten von 1�,9 % im Jahr 199� auf 31,7 % im Jahr 200� gestiegen. 6�,9 % der Befragten sind 200� noch verheiratet und leben mit dem Partner zusammen, 24,4 % sind verwitwet. Die Zufriedenheit mit der finanziellen Situation des Haushaltes als ein Maß für die sozioökonomische Situation der Befragten variiert ebenfalls. Augenscheinlich wird insbesondere der statistisch signifikante Rückgang der Zufriedenheit zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt, der von den Befragten in den Interviews vor allem mit der Einführung des Euro in Zusammenhang gebracht und als erlebte Verschlechterung der finanziellen Situation des Haushaltes beschrieben wird. Der Gesundheitszustand einer Person ist eine wichtige Voraussetzung für Mobilität und soll deshalb ebenfalls zur Beschreibung der Stichprobe herangezogen werden. Erwartungsgemäß zeigt sich über den Zeitraum von zehn Jahren ein Rückgang gesundheitsbezogener Aspekte. So ge-ben beispielweise 200� �4,9 % der Befragten an, dass sich ihr Gesund-heitszustand seit der letzten Befragung im Jahr 2000 verschlechtert hat,

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während das vor fünf Jahren nur 42,7 % betraf. Demzufolge hat auch die Zahl der Personen, die eine Konstanz ihrer Gesundheit erlebten, über die Zeit hinweg abgenommen (2000: �0,0 %, 200�: 41,� %). Ein ähnliches Bild ergibt sich bezüglich der Ausübung von (instrumentellen) Aktivitäten des täglichen Lebens, (I)ADL. Die Zahl der Aktivitäten, die von den älteren Menschen ohne Schwierigkeiten ausgeübt werden können, ist über die Zeit hinweg rückläufig, während die Zahl der Aktivitäten, die nur noch mit Schwierigkeiten ausgeführt werden können, über die Zeit hinweg zugenommen hat. Schließlich hat sich nicht nur die Bewertung der Veränderung der eigenen Gesundheit sowie die selbsteingeschätzte Ausübung der Aktivitäten des täglichen Lebens verschlechtert, sondern auch die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit. Die Daten spiegeln einen erwartungsgemäßen Rückgang gesundheit-licher Aspekte wider. Betrachtet man jedoch das durchschnittliche Le-bensalter der Befragten von 7�,2 Jahren, können durchaus auch positive Entwicklungen über die Zeit berichtet werden. So geben beispielweise auch 200� noch 41,� %, also knapp die Hälfte der Befragten, an, dass sich keine Veränderungen hinsichtlich ihrer Gesundheit ergeben haben und dass auch die mittlere Zufriedenheit mit der Gesundheit mit 6,7 im oberen Drittel der Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) angesiedelt ist. Ein ähnlicher Befund findet sich für den (I)ADL-Index’ (von 10-30), dessen Werte zwar über die Zeit rückläufig, aber immer noch im oberen Drittel zwischen 27,8 zum ersten und 25,0 zum dritten Messzeitpunkt zu finden sind. Während sich hinsichtlich bereichsspezifischer Zufriedenheiten Verän-derungen abzeichnen, scheint sich die allgemeine Lebenszufriedenheit als ein Outcome-Maß von Mobilität im Alter wenig verändert zu haben. Der Mittelwert von M=8,2; SD=1,6 (1995), M=8,2; SD=1,� (2000) sowie M=8,0; SD=1,8 (200�) auf einer Skala von 0 bis 10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) ist über die Zeit nahezu unverändert (siehe Tabelle 1). 4.3.3 Stichprobenausfälle und SelektivitätDie Ausgangsstichprobe 199� bestand aus 804 Teilnehmern, 404 in

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Tabelle 1: Informationen zur Gruppe der wiederbefragten Personen

Variablen (N; %/ M; SD) Messzeit- Messzeit- Messzeit- punkt 1 punkt 2 punkt 3 (1995) (2000) (2005)

Teilnahme T1, 2, 31 82 82 82

Altersgruppen 2005 (Jahre)

– 6� - 74 41 (50,0)– 7� 41 (50,0)

Geschlecht– Frauen 39 (47,6)– Männer 43 (52,4)

Stadt

– Mannheim 47 (57,3)– Chemnitz 3� (42,7)

Haushaltsgröße

– Einpersonen-HH 13 (15,9) 19 (23,2) 26 (31,7)– Mehrpersonen-HH 69 (84,1) 63 (76,8) �6 (68,3)

Familienstand2

– verheiratet (zus’lebend) 66 (80,5) 61 (74,4) �4 (65,9)– verwitwet 8 (9,8) 13 (15,9) 20 (24,4)

Zufriedenheit mit finanzieller Situation (M; SD)3 7,7 (1,8) 7,6 (2,0) 7,0 (2,4)

Zufriedenheit mit Gesundheit (M; SD)3 7,3 (2,1) 6,9 (2,4) 6,7 (2,5)

Veränderung Gesundheit

– besser geworden 6 (7,3) 3 (3,6)– schlechter geworden 3� (42,7) 4� (54,9)– gleich geblieben 41 (50,0) 34 (41,5)

ADL-Index (M; SD)4 27,8 (3,5) 26,3 (4,9) 2�,0 (4,8)

Lebenszufriedenheit (M; SD)3 8,2 (1,6) 8,2 (1,5) 8,0 (1,8)1 Teilnahme zum ersten, zweiten und dritten Messzeitpunkt.2 In die Analyse gingen auch die Ausprägungen ‘verheiratet, getrennt lebend’ (N=1), ‘geschieden’

(N=3) und ‘ledig’ (N=4) ein, die zu allen Messzeitpunkten jeweils Werte um 10% aufwiesen.3 Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“).

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Mannheim und 400 in Chemnitz. Bei der ersten Folgebefragung im Jahr 2000 konnten noch 271 Personen wiedergewonnen werden, was ca. 33,7 % der Ausgangsstichprobe entspricht: 127 Personen in Mann-heim und 144 Personen in Chemnitz. Für die Wiederholungsbefragung 200� wurde aufgrund der Stichprobenentwicklung zum Zeitpunkt des Follow-up 2000 vermutet, dass nur noch rund 2� % der Befragten aus dem Jahr 2000 wieder teilnehmen würden. Insbesondere das weiter fortgeschrittene Lebensalter der Befragten und die damit verbundenen Aspekte wie ein vermutlich verschlechterter Gesundheitszustand, ließen dies erwarten. Diese Vermutung wurde erfreulicher Weise - wie die Zah-len zeigen - nicht bestätigt, denn auch in der Stichprobe 200� konnten mit 82 Personen 30,3 % der Follow-up-Stichprobe 2000 wiedergewon-nen werden: 47 Personen in Mannheim (37,0 %) und 3� Personen in Chemnitz (24,3 %) beteiligten sich damit zum dritten Mal an der Mobili-tätsbefragung. Wird die Ausgangsstichprobe 199� als Referenzgruppe gewählt, entspricht das 11 % der Ausgangsstichprobe 199�. Sowohl in Mannheim als auch Chemnitz wurden von den Interviewern im Rahmen der Kontaktaufnahme mit den möglichen Studienteilneh-mern standardisierte Kontaktprotokolle ausgefüllt, die Auskunft über die Ausfallgründe in beiden Untersuchungsregionen geben. Der häufigste Ausfallgrund war in beiden Städten ein Ausfall durch Tod des früheren Teilnehmers (18,9 % in Mannheim und 20,8 % in Chemnitz). Ebenfalls häufig dokumentiert wurden gesundheitliche Gründe für die Nichtteilnah-me, und zwar insbesondere in Mannheim, wo die Quote 20,� % betrug. In Chemnitz lag sie im Vergleich dazu bei 6,3 %, was bedeutet, dass sich dort auch weniger gesunde Personen zur Teilnahme entschlossen haben (siehe auch Selektivitätsanalysen). Eine Verweigerung des Inter-views wurde ebenfalls häufig als Ausfallgrund notiert: 4 % der im Jahr 2000 befragten Personen in Mannheim und 13,2 % in Chemnitz lehnten eine nochmalige Befragung ohne weitere Begründung ab. Insgesamt betrachtet konnten in Mannheim von den 127 im Jahr 2000 befragten Personen 77 (60,6 %) nicht wiedergewonnen werden, in Chemnitz trifft dies auf 108 (7�,0 %) von ehemals 144 befragten Personen zu. Aus Gründen der Datenqualität wurden nach der Datenerhebung in Mann-heim drei Personen und in Chemnitz eine Person ausgeschlossen. Werden diese Ausfälle hinzugerechnet, die in Mannheim 2,4 % (drei Personen) und in Chemnitz 0,7 % (eine Person) betrugen, umfasst die Ausfallquote in Mannheim 63,0 % und in Chemnitz 7�,7 % der im Rah-men des Follow-up 2000 befragten Personen. Die Zahl der Ausfälle ist erwartungsgemäß. Vergleicht man die Zahl der Ausfälle 2000 und 200� kann festgehalten werden, dass sich die Ausfallquote zwischen den Befragungszeitpunkten kaum verändert hat und im Mittel bei rund 70

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% liegt. Vor dem Hintergrund des im 10-Jahresverlauf fortgeschrittenen Lebensalters der befragten Personen kann dieses Ergebnis als hohe Teilnehmerquote bewertet werden.

SelektivitätsanalysenZur Prüfung der Frage, ob sich die Stichprobenausfälle zufällig erge-ben haben oder ob ihnen bestimmte Muster zugrunde liegen, werden im Folgenden sogenannte Selektivitätsanalysen vorgestellt. Durch das Verfahren der Logistischen Regression ist es möglich, Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme an der Befragung 200� aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten aus dem Jahr 2000 zu treffen. Das heißt, mit Hilfe der Logistischen Regression erfolgt die Ableitung einer Eintrittswahrscheinlichkeit für die Teilnahme 200�. Zentraler Unterschied zur Regressionsanalyse, mit der nicht die Eintrittswahrscheinlichkeit, sondern der Einfluss verschiedener unabhängiger Variablen auf eine abhängige Variable ermittelt wird, ist die Skalierung der abhängigen Variablen. Während bei der Regressionsanalyse ein metrisches Skalen-niveau der abhängigen Variablen vorausgesetzt wird, können bei der Logischen Regression auch kategoriale, d.h. nominalskalierte Variablen (z.B. Teilnahme 2005 ja=0; nein=1) eingesetzt werden (Backhaus et al., 2003). Wie die Analysen des Gesamtmodells zeigen, scheinen die Variablen Alter, aber auch der Schulabschluss sowie die Anzahl ge-nutzter Verkehrsmittel zum zweiten Messzeitpunkt 2000 einen Einfluss auf die Teilnahme am Follow-up 200� zu haben. Das heißt, die Wahr-scheinlichkeit der Teilnahme am Follow-up 200� steigt mit niedrigerem Lebensalter, höherem Schulabschluss und höherer Anzahl genutzter Verkehrsmittel. Betrachtet man die für Mannheim und Chemnitz getrennt berechneten Modelle, so zeigen sich für die beiden Städte unterschiedliche Muster der Teilnahmewahrscheinlichkeit. Diese sollten jedoch immer auch vor dem Hintergrund der verhältnismäßig kleinen Stichproben von 47 (Mannheim) bzw. 3� Personen (Chemnitz) interpretiert werden. Während im Modell für die Mannheimer Teilstichprobe die Variablen Alter und Schulbildung wie oben beschrieben einen Einfluss auf die Teilnahme am Follow-up 200� haben, gilt das für die Chemnitzer Teilstichprobe nicht in gleichem Maße. Hier scheint sich lediglich die Haushaltsform auf die Teilnahme an der Wiederholungsbefragung 200� auszuwirken, und zwar in der Richtung, dass die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme für Studienteilnehmer in Mehrpersonen-Haushalten höher ist als für solche in Einpersonen-Haushalten (siehe Tabellen 2 und 3).

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4.4 Inhalte der BefragungDie Inhalte der Befragung „Mobilität im Alter: Kontinuität und Verände-Tabelle 2: Selektivitätsanalyse für die Gesamtstichprobe (N=82)

Tabelle 3: Selektivitätsanalyse getrennt berechnet für die Städte Mannheim (N=47) und Chemnitz (N=3�)

Variablen Estimate Odds-Ratio Alter (Jahre) -.07 .94* Geschlecht (1=male; 2=female) .21 1.24 Schulabschluss (1-6) .47 1.59* Einkommen (11 Stufen in gleichen Abständen) .02 1.02 Haushaltsform (1=MPH; 2=EPH) -.�0 0.61 IADL-Index (10-30: je höher, desto mehr IADL werden ausgeübt) .0� 1.0� Aktivitätsindex (0-17: je höher, desto mehr Aktivitäten werden ausgeübt) .01 1.01 Transportation-Index (0-12: je höher, desto mehr Transportmittel werden genutzt) .24 1.27(*)

Variablen Mannheim Chemnitz

Estimate Odds-Ratio Estimate Odds-Ratio

Alter (Jahre) -.09 .91* -.0� 1.0

Geschlecht (1=male; 2=female) .27 1.3 .10 1.11

Schulabschluss (1-6) .53 1.7* .13 1.14

Einkommen(11 Stufen in gleichen Abständen) .02 1.0 -.21 .81

Haushaltsform (1=MPH; 2=EPH) -.13 .88 -.17 .19(*)

IADL-Index (10-30: je höher, desto mehr IADL werden ausgeübt) .07 1.1 .0� 1.0�

Aktivitätsindex(0-17: je höher, desto mehr Aktivitäten werden ausgeübt) -.02 .98 .09 1.1

Transportation-Index(0-12: je höher, desto mehr Transportmittel werden genutzt) .28 1.3 -.09 .91

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rung“ wurden mittels qualitativer und quantitativer Methoden erhoben, deren Basis, wie eingangs beschrieben, der Interviewleitfaden der Tie-fenstudie 1996 (Kombination qualitativer und quantitativer Aspekte) und standardisierte Fragen mit Längsschnittrelevanz aus dem Follow-up 2000 sind (siehe Abb. 3). Die Kombination qualitativer und quantitativer Methoden für den Fol-low-up 2005 erfolgte mit dem Ziel, quantitative Daten (Häufigkeiten;

Abb 3: Themenschwerpunkte des Interviewleitfadens

Mittelwerte) vor dem Hintergrund der von den Studienteilnehmern be-schriebenen mobilitätsbezogenen Lebenswelt darstellen und interpre-tieren zu können. Somit wird die Aussagekraft der quantitativen Daten im Rahmen einer verhältnismäßig kleinen Stichprobe älterer Menschen intensiviert und ein ganzheitlicher und geschlossener Zugang zur The-matik aufgezeigt. Neben der Unterscheidung eines qualitativen und quantitativen Zugangs zum Thema „Mobilität im Alter“ wird innerhalb dieser beiden Kategori-

Thema 1 Wohnsituation und Haushaltszusammensetzung bzw. Freundeskreis

Thema 2 Finanzielle Situation des Haushaltes Thema 3 Gesundheit und Bewegungsfähigkeit Thema 4 Mobilität allgemein Thema 5 Verkehrsmittel Auto Thema 6 Kein Auto/ Studienteilnehmer fährt nicht selbst (Mitfahrer) Thema 7 Verkehrsmittel öffentlicher Personennahverkehr Thema 8 Alltägliche Wege Thema 9 Schwierigkeiten auf Wegen (auch Freizeit und Urlaub) Thema 10 Keine Wege (Fragen für Studienteilnehmer, die nur noch

einige Wege oder gar keinen Weg mehr außer Haus bewältigen können)

Thema 11 Verkehr Thema 12 Wohnumgebung und Stadtteil Thema 13 Lebenszufriedenheit Thema 14 Abschließende Fragen zur Zukunft und antizipierten

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en wiederum zwischen „objektiven“ und eher „subjektiv bewerteten“ Mobilitätsaspekten unter Berücksichtigung des Entwicklungsaspektes differenziert. Zu den eher als objektiv ausgerichteten Variablen zählen beispielsweise Angaben über soziodemografische Parameter oder Angaben bezüglich der eigenen Mobilität, Verkehrsmittelnutzung, Bewegungsfähigkeit, Ausübung von Aktivitäten des täglichen Lebens (I)ADL. Zu den als subjektiv bewerteten Aspekten zählen beispielsweise Bewertungen wie Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten, der eige-nen Gesundheit, mit der Wohnumgebung, erlebte Schwierigkeiten auf Wegen, aber auch die Bedeutung der außerhäuslichen Mobilität sowie Bewältigungsmechanismen eingeschränkter Mobilität (siehe Abb. 4). 4.5 Datenauswertung und Analyse

Abb. 4: Perspektiven der Datenauswertung

QualitativIm Rahmen der Auswertung des qualitativen Materials erfolgte nach Abschluss der Erhebungsphase im August 200� die wörtliche Tran-skription der Interviews, das heißt, das Tonmaterial lag zur Auswertung auch in Textform vor. Die Analyse der Transkripte erfolgte in Anlehnung an die Inhaltsanalyse (Mayring, 2003). Dieses Verfahren eignet sich in

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besonderem Maße zur Strukturierung komplexen Datenmaterials. Ziel der Inhaltsanalyse, insbesondere der inhaltlichen Strukturierung, ist es, „bestimme Themen, Inhalte und Aspekte aus dem Material herauszufil-tern und zusammenzufassen. Welche Inhalte aus dem Material extra-hiert werden sollen, wird durch theoriegeleitet entwickelte Kategorien und (sofern notwendig) Unterkategorien bezeichnet.“ (Mayring 2003, S. 89). In Abbildung � werden die im Rahmen dieser Studie angewandten Schritte dargestellt (siehe Abb. �). Aus der Fülle möglicher Zitate wurden für den vorliegenden Bericht jeweils diejenigen ausgewählt, die eine Kategorie, das heißt einen in-

Abb. �: Auswertungsschritte des qualitativen Datenmaterials

haltlichen Aspekt, besonders charakteristisch und knapp zum Ausdruck bringen, insbesondere dann, wenn es um die subjektive Einschätzung der älteren Menschen geht.

Aus datenschutzrechtlichen Gründen wurden die Namen der Teilnehmerinnen und Teilnehmer von uns geändert; sie sind frei erfunden und stehen in keinerlei Zusammenhang mit Personen gleichen oder ähnlichen Namens.QuantitativDie Eingabe der quantitativen Daten für die beiden Untersuchungszen-

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tren Mannheim und Chemnitz wurde vom Institut USUMA übernommen. Der Datensatz wurde nach Abschluss der Dateneingabe an das DZFA übermittelt. Die Datenanalyse wurde mit Hilfe statistischer Methoden und dem Statistik-Programm-Paket „SAS“ durchgeführt. Im Rahmen der deskriptiven Auswertungen (M; SD; range; %) erfolgten auch Un-terschiedstestungen (χ2; t-Tests für abhängige Stichproben). Die Signifikanzniveaus wurden auf die üblichen Grenzen festgelegt p < .0�*, p < .01**, p < .001*** (hochsignifikant). Um auch Aussagen über Werte treffen zu können, die die Signifikanzgrenze knapp unterschrei-ten, aber Tendenzen in dieser Hinsicht deutlich machen, wird auch das Signifikanzniveau p < .10(*) verwendet. Die Berichterstattung erfolgt insgesamt jeweils für die Gesamtgruppe sowie für Subgruppen, die nach den Kategorien Alter, Stadt Mannheim vs. Chemnitz, Geschlecht, erlebte Mobilitätseinschränkungen 200�, Haushaltsform usw. gebildet werden (M; SD bzw. N; %). Der Leser sei an dieser Stelle noch einmal explizit darauf hingewiesen, dass es sich bei der untersuchten Gruppe älterer Frauen und Männer um eine kleine und nach zehn Jahren im Hinblick auf die genannten Parameter selektive Stichprobe handelt. Aus diesem Grund sind die Befunde nicht verallgemeinerbar. Sie zeigen aber dennoch Tendenzen auf, die für die wissenschaftliche und praktische Herangehensweise an das Thema „Mobilität im Alter: Kontinuität und Veränderung“ richtungsweisend sein können. Die Prozentangaben sollten deshalb immer als Tendenzwerte und in Zusammenhang mit den absoluten Zahlen interpretiert werden. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt jeweils vor dem Hintergrund des Forschungsinteresses zum jeweiligen Themenschwerpunkt, anhand dessen die Auswahl quantitativen und/oder qualitativen Datenmate-rials getroffen wird. Das qualitative Datenmaterial wird in Form von Zitaten vorgestellt, die die subjektive Sichtweise der befragten älteren Menschen exemplarisch widerspiegeln und die aus dem Datenmate-rial gebildeten Kategorien beispielhaft illustrieren. Um Kontinuität und Veränderung der Zufriedenheit mit mobilitätsrelevanten Aspekten wie Mobilitätsmöglichkeiten, Freizeit- und Reisemöglichkeiten, öffentlichen Verkehrsmitteln, Wohnumgebung und die Zufriedenheit mit dem Leben an sich vergleichend darzustellen, werden einleitend zu diesen Abschnit-ten Fallbeispiele zur Darstellung von Verbesserung, Verschlechterung und Kontinuität der Zufriedenheit im Vergleich zum Mittelwert der Ge-samtgruppe dargestellt.

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5 Ergebnisse

Im Mittelpunkt des Ergebnisteils der Befragung zum Thema „Mobilität im Alter: Kontinuität und Veränderung“ steht die Entwicklung von Mobilität über einen Zeitraum von zehn Jahren. Mobilitätsrelevante Person- und Umweltmerkmale werden anhand des vorliegenden Datensatzes mit drei Erhebungszeitpunkten ermittelt und durch das zum dritten Messzeitpunkt erhobene qualitative Datenmaterial aus den Interviews ergänzt. Im ersten Teil geht es um außerhäusliche Mobilität allgemein. Es werden Mobilitätsbedeutungen sowie Bedeutungsveränderungen und der Umgang mit diesen Veränderungen vorgestellt. In einem wei-teren Schritt geht es um die Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten im Zeitverlauf. Im Anschluss daran werden erlebte Veränderungen von Mobilität sowie personelle und umweltspezifische Hintergründe für diese Entwicklung und ihre Auswirkungen auf den Alltag älterer Men-schen vorgestellt. Im zweiten Teil steht das Thema Alltägliche Wege im Vordergrund. Eingangs werden Zahlen zu alltäglichen Wegen bzw. zur Fähigkeit der Ausübung alltäglicher Wege präsentiert. Im Rahmen der qualitativen Analysen wird auf positive Anregungen, aber auch auf Schwierigkeiten hinsichtlich alltäglicher Wege sowie auf Möglichkeiten ihrer Bewältigung eingegangen. Das Thema Immobilität wird anhand von fünf Beispielen von Personen behandelt, die 200� angeben, keinen Weg außer Haus mehr selbstständig ausführen zu können. Während beim Thema Alltägliche Wege eher versorgungsrelevante „notwendige“ Aspekte außerhäuslicher Mobilität im Mittelpunkt stehen, geht es im dritten Teil beim Thema Freizeit und Urlaub eher um rekreative und anregungsbezogene Aspekte. Schwerpunktmäßig werden Befunde zur Zufriedenheit mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten im Zeitverlauf und erlebte Veränderungen in den genannten Aktivitäten vorgestellt. Befunde aus den qualitativen Interviews geben Aufschluss über die Hintergründe für die Veränderungen von Freizeit- und Reiseaktivitäten. Im vierten und fünften Teil werden die Mobilitätsressourcen „Verkehrsmittel“ am Beispiel von PKW und öffentlichem Personennahverkehr dargestellt. Hier geht es insbesondere um eher objektive Aspekte wie die Verkehrsmittelnutzung, aber auch um eher subjektiv erlebte Aspekte wie Zufriedenheit oder die Bedeutsamkeit dieser Mobilitätsressourcen für die eigene Mobilität. Wie in den vorangegangenen Teilen auch, geht es hier also um Veränderun-

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gen sowohl der objektiven als auch der subjektiv erlebten Aspekte. Dem Thema „Aufgabe“ des Autofahrens ist dabei ein eigener Schwerpunkt gewidmet. Im sechsten Teil wird Bezug genommen auf die infrastruktu-rellen Aspekte von Wohnumgebung und Infrastruktur. Neben als wichtig erlebten Umfeldbedingungen stehen erlebte Veränderung sowohl der Wohnumgebung als auch speziell der infrastrukturellen Bedingungen im Vordergrund. Hierbei geht es insbesondere um die Zufriedenheit im Zeitverlauf, um Hintergründe dieser Entwicklung, vor allem aber auch um alltagsrelevante Folgen für die befragten älteren Menschen. In diesem Kontext wird auch das Thema Mobilitätsunterstützende Dienste ange-sprochen. Im siebten Teil wird das Thema „Lebenszufriedenheit“ unter mobilitätsrelevanten Aspekten betrachtet. Der achte Teil gibt schließlich einen Überblick über Zukunftsaussichten der von uns befragten älteren Menschen im allgemeinen und mobilitätsspezifische Zukunftsaspekte im Besonderen.

5.1 Die außerhäusliche Mobilität älterer Menschen Im Folgenden stehen Aspekte der Mobilität älterer Menschen allgemein im Vordergrund. Es werden Mobilitätsbedeutungen und mögliche Ver-änderungen derselben sowie der gedankliche und alltagspraktische Umgang damit vorgestellt. Darüber hinaus geht es um Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten sowie um erlebte Veränderungen der Mobilität aufgrund personenbezogener (gesundheitlich, finanziell) und umweltbezogener (sozial) Einbußen.

5.1.1 Zur Bedeutung außerhäuslicher Mobilität Mobilität beinhaltet vielfältige Bedeutungszuschreibungen und Facetten sowie deren Entwicklung im Lebenslauf. Ein eng mit dieser Tatsache in Zusammenhang stehender Aspekt ist die Antizipation von Mobilität-seinschränkungen. Dieses Spannungsfeld soll zu Beginn ausführlich behandelt werden. Bereits bei der ersten qualitativen Befragung 1996 konnten im Rahmen von Fallstudien eine eher abstrakte und sechs übergreifende Mobilitäts-bedeutungen herausgearbeitet werden, die hier aufgegriffen und durch Aussagen der wiederholt befragten Älteren bestätigt und ergänzt werden (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001; Mollenkopf et al., 2004a). Wie an den zitierten Beispielen deutlich wird, erwähnen die befragten Frauen und Männer häufig nicht nur eine Mobilitätsbedeutung, sondern für die Mehrzahl der Befragten hat Mobilität eine Vielzahl von Bedeutungen,

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die zudem eng miteinander verflochten sind, so dass eine genaue Zu-ordnung der Zitate zu den einzelnen Kategorien nicht immer möglich ist. Die Vielfalt von Mobilitätsbedeutungen lässt schlussfolgern, dass es sich um einen für die älteren Menschen zentralen Lebensbereich han-delt, der auch in Zusammenhang mit der Zufriedenheit mit dem Leben insgesamt steht (Mollenkopf et al., 200�). Im Folgenden werden die im Datenmaterial identifizierten Bedeutungskategorien vorgestellt:

1. Übergeordnete Bedeutung von Mobilität als Ausdruck von Le-ben und Lebensqualität: Mobilität als abstraktes emotionales Erleben

Ein Aspekt von Mobilität bezieht sich ganz unmittelbar auf das „Leben an sich“, auf „Lebensqualität“, ja sogar darauf, dass Mobilität als „le-bensnotwendig“ bezeichnet wird. Mobilität bedeutet: „Für mich einfach zu leben, sonst nichts. Man lebt nur, wenn man

mit anderen Menschen Kontakt hat, man lebt nur, wenn man raus-kommt, man lebt nur, wenn man sich auch nur mal ganz primitiv Schaufenster angucken kann. Wenn man mal Theater, Konzert oder sonst was besuchen kann... Sonst lebt man doch gar nicht mehr.“ (Frau Kulbe, 79 Jahre alt, Mannheim)

„Ein Stück Lebensqualität. Ja, also das ist eigentlich das A und O, dass man sich als Mensch in einer gewohnten Umgebung zu Hause wohl fühlt, dass man rausgehen kann, wann man will und sich frei bewegen kann. Das ist ein Stück, ein ganz erhebliches Stück Lebensqualität.“ (Herr Tietze, 67 Jahre alt, Mannheim)

2. Mobilität als Bewegung an sich, als menschliches Grundbedürf-nis

Mobilität wird von den Befragten als Bewegung an sich, als menschliches Grundbedürfnis erlebt. Mobilität bedeutet: „Außer Haus zu gehen hat für mich große Bedeutung. Ich nutze

jede Gelegenheit, mich im Freien zu bewegen.“ (Herr Jütter, 77 Jahre alt, Chemnitz)

„Abwechslung, Kontakte mit anderen Leuten. Und auch die Bewe-gung an sich im Freien.“ (Frau Issner, 70 Jahre alt, Mannheim)

3. Mobilität als Bewegung im Freien, als Bewegung in und Beob-achtung von Natur bzw. natürlicher Umgebung

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Eine weitere Bedeutung von Mobilität findet sich in der Bewegung im Freien, vor allem in Zusammenhang mit dem Erleben der Natur und frischer Luft. Mobilität bedeutet: „Das ist viel wert, [...] muss einem viel wert sein. Selbstverständlich,

muss doch jedem Menschen noch das viel wert sein, dass er mal aus den vier Wänden rauskommt [...]. Ja, mal in die frische Luft, mal Bewegung und andere Umgebung und andere Menschen, [...] die Natur.“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, das is wie e Vogel an der frischen Luft.“ (Herr Dostmann, 78 Jahre alt, Chemnitz)

4. Mobilität, Fortbewegung als soziales Bedürfnis, als Wunsch nach gesellschaftlicher Integration und Teilhabe

Mobilität wird von den älteren Menschen als soziales Bedürfnis, als Wunsch nach gesellschaftlicher Integration und Teilhabe erlebt. Mobilität bedeutet: „Rausgehn, aus’m Haus gehn, das heißt: Freunde treffen, Be-

kannte treffen, Kommuniziern, an der Kultur teilnehmen, sein’ Horizont erweitern, gute Gespräche führn und [...] Kommuniziern hab ich ja gesagt, und Vieles mehr. Es ist also das Rausgehn ist eigentlich, was das Leben ausmacht, nicht. Wenn man zu Haus sitzt, man kann ja fernsehn, aber das ist nicht das Leben, das ist langsames Sterben. Also, ich mein, zu Haus sein muss auch sein, man brauch ja auch mal nen paar Stunden der Besinnung, aber im Allgemeinen is der Kontakt mit Andern sehr wichtig.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

5. Die Möglichkeit der Fortbewegung als Ausdruck persönlicher Autonomie und Freiheit

Persönliche Autonomie und die Freiheit, sich bewegen zu können, wann, wohin und mit wem man möchte und darin unabhängig zu sein, wird in Zusammenhang mit der Bedeutung von Mobilität vielfach betont. Mobilität bedeutet: „Eine tolle Freiheitsmaßnahme [...]. Das war schon immer so,

das Wollen, jetzt rauszugehen und das zu können. Das ist eben einfach schön. Ich mag auch manchmal nicht raus [...]. Geh ich eben nicht raus [...]. Die Möglichkeit zu haben, ja, ist wichtig, ist

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sehr wichtig.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim) „Ja, das ist sehr viel [...]. Vor allem die Selbstständigkeit, die man

dabei empfindet. Man braucht niemand dazu. Ich kann gehen wann ich will, des ist ‘ne wichtige Sache. Ich kann aktiv sein wenn ich das will. Ich bin nicht abhängig, des is ‘ne wichtige Sache.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

6. Mobilität als Quelle neuer Eindrücke, als Anregung und Ab-wechslung – insbesondere in der nachberuflichen Phase

Auch neue Eindrücke, Anregungen und Abwechslung werden mit Mo-bilität in Zusammenhang gebracht. Mobilität bedeutet: „{Das bedeutet} mir sehr viel. Bewegungsfreiheit und nen bissel

was muss man ja auch sehn, was es Neues gibt, die Festlichkeiten, mit andere Leute zusammen zu kommen, und nen bissel genießen, das braucht man im Alter. Wenn man noch arbeiten geht, dann ist man im Geschäft, dann ist man im Stress, da ist man dann am Wochenend froh, wenn man seine Ruhe hat, aber im Alter braucht man trotzdem halt Bewegung und nen bissel Unterhaltung, und da is halt jeder Tag praktisch Wochenend für uns.“ (Herr Lampert, 66 Jahre alt, Mannheim)

7. Mobilität als reflektierender Ausdruck von (noch vorhandener) Lebenskraft – ein typisches Thema, insbesondere für die hoch-altrigen Befragten

Wie es Mobilitätsbedeutungen gibt, die offenbar speziell für die nach-berufliche Phase zutreffen, finden sich auch Mobilitätsbedeutungen, die vor allem für die hochaltrigen Befragten wichtig zu sein scheinen. Sie bringen Freude und Dankbarkeit darüber zum Ausdruck, dass sie noch aktiv und außerhäuslich mobil sein können, gerade auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen Gleichaltriger, denen es (gesundheitlich) wesentlich schlechter geht. Mobilität bedeutet: „Dass ich eben sagen kann: Mir geht’s noch gut. Ich bin glücklich,

dass ich noch selber da raus kann und selber mich bewegen kann.“ (Herr Küster, 67 Jahre alt, Mannheim)

„Der Herr meiner selbst bin ich. Ich kann also sage, wo ich hin will, wie lang ich dahin geh oder möchte, wo ich hin will. Also alles kann ich noch selbst bestimmen [...]. Mein Leben eigentlich, ja [...]. Ich stell jetzt mal eine Gegenfrage: Wenn ich jetzt, sag mal, ich

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wär jetzt gelähmt, was mach ich dann? Dann tät ich da hocken und hocken und hocken. Ich mein, das ham wir alles schon erlebt bei Kollegen, die ein Schlag gehabt haben. Die habe halt auch ihr Leben so beenden müssen. Aber dann, die hast ja gesehen, dass sie nicht zufrieden waren. Und ich kenn’ ja bloß das eine Wort, zufrieden. Wer ist dann noch zufriede wenn er den ganzen Tag da hockt und nix treiben kann?“ (Herr Ober, 77 Jahre alt, Mannheim)

5.1.2 Bedeutungswandel außerhäuslicher Mobilität im Lebenslauf und Antizipation eingeschränkter Mobilität

Veränderungen der Bedeutung von Mobilität stehen in Zusammen-hang mit sich verändernden Lebensbedingungen bzw. Lebenserfah-rungen. Von den befragten älteren Menschen wird in diesem Zusam-menhang insbesondere der Übergang vom Beruf in den Ruhestand hervorgehoben. Sie geben an, dass Mobilität früher „selbstverständlich“ war und ein Nachdenken darüber eher selten stattgefunden und sich erst mit der Berufsaufgabe intensiviert hat: „Früher denkt man doch nicht über so was nach. Ist ja ganz normal.

Da denk ich schon manchmal in der Stadt, wenn ich da rumgeh, da denk ich: ‘Du bist ja noch voll fit’. So denkt man schon in dem Alter [...], mit 60, vorher waren wir ja voll eingespannt.“ (Frau Randert, 66 Jahre alt, Mannheim)

„Ich mein’ so lange ich berufstätig war, hatt’ ich erstens wenig Zeit und genug Kontakte im Beruf. Also es ist wohl im Ruhestand stärker geworden, dass ich gern raus gehe.“ (Frau Issner, 70 Jahre alt, Mannheim)

Eng mit dem Wandel von Mobilitätsbedeutungen ist die Antizipation von Mobilitätseinschränkungen und deren Bewältigung bei den Personen verbunden, die zum Befragungszeitpunkt noch mobil waren. Die Antworten fallen sehr differenziert aus und beziehen sich sowohl auf tätiges Handeln wie auf die gedankliche und gefühlsmäßige Auseinan-dersetzung mit einer möglichen Mobilitätseinschränkung. Hinsichtlich der praktischen Bewältigung von antizipierten Mobilität-seinschränkungen werden von den älteren Menschen zum einen Ver-kehrs- und Hilfsmittelnutzung genannt. Auch das Thema „Umzug“ wird angesprochen: „Wahrscheinlich auch ein’ Stock nehmen. Ich hab ja nicht hoch

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hier [...], ja. Ein bisschen fort muss man ja schon.“ (Frau Altmann, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Wenn man die Füße nicht einmal mehr benutzen kann, dann kann man eigentlich auch nicht im eigenen Haus bleiben [...], da müsste man sich wirklich schweren Herzens entschließen, das Haus aufzugeben“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

Darüber hinaus wird vor dem Hintergrund einer antizipierten Mobilitäts-einschränkung informelle soziale Unterstützung als wichtig erachtet. Als Personen werden der Ehepartner, Kinder und Enkel, aber auch Freunde genannt. Für einige der befragten älteren Menschen ist die Inanspruchnahme informeller Unterstützung nicht nur mit Entlastung verbunden, sie kann auch mit der Angst einhergehen, die Helfer zu belasten. Im Zusammenhang mit formeller Unterstützung werden Sozialstation, Taxi oder Lieferdienst als Leistungserbringer angeführt: „Ja, was würd ich machen? Es kommt darauf an, wie groß meine

Mobilität noch is...ach, wissen Sie, im Ernstfall, wenn was is, dann ruf ich meine Tochter an, die hat nen Auto, nich, also, ich hätte da keine Probleme.“ (Herr Ufer, 76 Jahre alt, Mannheim)

„Was soll ich da schon machen hier? Wenn ich ans Haus gebunden wäre, naja, würde ich, ich könnte leben im Haus, ohne die Ver-kehrsmittel zu benutzen. Ich könnte ja alles also anliefern lassen. Wär kein Problem.“ (Herr Quast, 86 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, dann müsste meine Tochter ständig kommen und mir was besorgen und das wär eine Abhängigkeit, die sehr grässlich wäre.“ (Herr Bäcker, 81 Jahre alt, Mannheim)

In Bezug auf die gedankliche und gefühlsmäßige Auseinanderset-zung mit der Antizipation von Mobilitätseinschränkungen lassen sich die Aussagen der älteren Menschen in zwei Gruppen einteilen. Ein Teil der Befragten gibt an, im Falle einer Mobilitätseinschränkung vor allem emotional belastet zu sein. Für einige, wenn auch wenige, steht das Thema Mobilitätseinschränkung in enger Verbindung mit dem „Sinn des Lebens“. Sie äußern, dann nicht mehr leben zu wollen, wobei diese Gedanken für einige der befragten Personen nur eine kurze Episode darstellen, aus der durchaus ein kreativer Umgang mit dem „Lebens-ereignis“ Mobilitätseinschränkung erwachsen kann: „Das wär schlecht, ganz schlecht. Denn ich bin gewöhnt zu lau-

fen, täglich laufen [...]. Wir sind immer viel gelaufen. Es wär das Schlimmste, was es für mich gäb, wenn ich nicht mehr laufen könnt. Ich wüsst’ net, was ich mache tät, wenn ich nimmer laufe

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könnt. Darf ich gar nicht dran denken an so was.“ (Frau Helm, 74 Jahre alt, Mannheim)

„Das würde für mich bedeuten, dass ich langsam absterb [...]. Dann lieber unter die Straßenbahn lege, fertig [...], hätt ich keine Lebensqualität mehr.“ (Frau Ernst, 71 Jahre alt, Mannheim)

„Na, das ist ja, ja, da kann man sich einen Strick nehmen vielleicht, ne, oder was, aber das ist ja Quatsch, das wär ja schlimm, wenn ich keine Beine mehr hätte, da müsste ich mit Prothesen laufen. Aber wahrscheinlich würde man dann auch laufen [...]. Man muss damit zufrieden sein, dass man’s [...] dann nicht schlimmer trifft oder wie, also, ja, es kommt auf die innere Einstellung drauf ein, nicht?“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

Hinsichtlich der gedanklichen und gefühlsmäßigen Auseinandersetzung mit der Antizipation von Mobilitätseinschränkungen gibt eine zweite Gruppe von Befragten an, dieses Thema zu „verdrängen“, das heißt, sich noch nicht mit der Thematik auseinandergesetzt zu haben bzw. dies erst tun zu wollen, wenn es tatsächlich zu Mobilitätseinschränkun-gen gekommen sei: „Dann weiß ich nicht, was ich machen soll. Dann, das, über das

hab ich noch nicht nachgedacht. Dann wird das schlimm sein. Jetzt bemüh ich mich so, wie ich kann.“ (Frau Maurer, 81 Jahre alt, Mannheim)

„Also da hab ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht. Ich hoffe, dass ich noch drei, vier fünf Jahre, wenn ich´s noch erlebe, noch fahren kann. Meinen Führerschein, freiwillig kriegen sie von mir nicht. Wenn einmal etwas schwieriger wird, dass ich Unfälle oder was bauen würde, da würd ich schon aufhören, so vernünftig wär ich, aber bis jetzt hab nie was gehabt. Nie. Und warum soll ich? Immer noch´s Einfachste für mich.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

5.1.3 Zufriedenheit mit MobilitätsmöglichkeitenIm Folgenden wird auf die Zufriedenheit eingegangen, die ältere Men-schen erleben, wenn es um ihre Möglichkeiten geht, überall dahin zu kommen, wo sie hin möchten, sei es als Fußgänger, Radfahrer, Auto-fahrer oder Nutzer des öffentlichen Personennahverkehrs. Einleitend werden als Beispiele für Kontinuität und Veränderung von Mobilität im Alter die Fallgeschichten von Herrn Lechner und Frau Dahlmann berichtet2. Ein Diagramm, das die Werte zur Zufriedenheit

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insgesamt sowie die Werte von Herrn Lechner und Frau Dahlmann im Einzelnen darstellt, ermöglicht darüber hinaus einen direkten Vergleich. Während die Zufriedenheit der Gesamtgruppe und auch der Wert von Herrn Lechner über die Zeit nur leicht absinken, zeigen die Zufrieden-heitsangaben von Frau Dahlmann insbesondere zwischen 2000 und 200� einen deutlichen Rückgang (siehe Abb. 6).

Herr Lechner ist 80 Jahre alt, verheiratet und lebt in Chemnitz. Gleich zu Beginn des Gespräches schildert er die Feier seiner Goldenen Hochzeit auf einer Urlaubsreise. Er berichtet in dem Zu-sammenhang auch von einem Zuckerschock, den er dort erlitten hat und einer daraus resultierenden Augen-Operation. Dafür, dass er diese Krankheitsphase so gut überstanden hat, ist er den Ärzten sehr dankbar. Er sagt heute: „Ich muss ja sieben Mal spritzen am Tag und mit den Augen hab ich jetzt auch soweit Ruhe, dass ich also erst den Augendruck, gute Sehverhältnisse hab, ich bin also wieder wie neugeboren, allerdings unter erschwerten Bedingungen [...]. Wir haben keine Einschränkung durch diese Operation und wir sind auch außerhäuslich noch ganz stark als Wanderfreunde unterwegs, also mobil und wir können uns alles, was wir {uns} in unserm Alter noch zumuten können, auch aufladen, wir können uns unsere Wünsche in diese Richtung total erfüllen.“ Neben seinen außerhäuslichen Akti-vitäten ist Herr Lechner auch handwerklich aktiv, er bastelt und malt gern und ist begeisterter Koch. Da Herr Lechner keinen Führerschein hat, erledigen er und seine Frau die Mehrzahl der außerhäuslichen Aktivitäten zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln: „Fahrt zum Hornbach an den Stadtrand, Einkauf technischer Hilfsmittel - alles bewältigt mit der Straßenbahn“. In Zusammenhang damit erwähnt Herr Lechner: „Wir verbinden oft eine Wanderung mit dem Einkauf von Lebensmitteln und den Dingen des täglichen Bedarfs. Wir laufen täglich mindestens fünf, sechs Kilometer direkt, gehen dann einkau-fen und auf dem Rückweg fahren wir meistens nach Hause.“ Herr Lechner ist mit seiner Frau aber nicht nur in der Stadt unterwegs, sondern durch seine Genesung nutzt er die Zeit, wie er sagt: „Für Tagesreisen, für Wanderungen und für Fernreisen.“

2 Da es 200� keine Person gab, die angegeben hat, dass sich ihre Mobilität verbessert hat, kann nur ein Fallbeispiel für sich verschlechternde Mobilität angeführt werden.

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Frau Dahlmann ist 87 Jahre alt und lebt in einer Betreuten Wohn-anlage in Mannheim. Frau Dahlmann ist kurz nach dem Interview im Jahr 2000 in diese Wohnung gezogen, um ihren Mann, der in der Nähe der Wohnung im Pflegeheim gelebt hat, jeden Tag besuchen zu können. Seit einem halben Jahr ist Frau Dahlmann verwitwet, der Schmerz über den Verlust ihres Mannes ist noch immer spürbar. In Bezug auf ihre Lebenszufriedenheit sagt sie: „Ich hab meine Umstel-lung noch nicht ganz vollzogen, kann nicht sagen, dass ich zufrieden bin im Moment - noch nicht.“ Aufgrund verschiedener körperlicher Beschwerden (Arthrose; Hüftgelenks- und Venen-Operation; Spät-folgen einer schon länger zurückliegenden Krebserkrankung) ist Frau Dahlmann in ihrer körperlichen Mobilität stark eingeschränkt. Die fußläufig und in ihrer Nähe gelegenen Einrichtungen kann sie noch gut erreichen, weitere Wege sind nur noch unter großen Be-lastungen bzw. gar nicht mehr möglich. Frau Dahlmann hat eine Gehhilfe (Stock), und möchte sich noch einen Rollator verschreiben lassen: „Und wenn ich den Randstein runtergeh und so, muss ich sehr aufpassen. Dann hab ich eben das unsichere Gefühl und ich denk auch, ich werd beim nächsten Besuch beim Orthopäden mal vorschlagen, ob ich eben einen Rollator bekommen kann - der Si-cherheit wegen.“ 14 Tage vor dem Interview hat Frau Dahlmann das Autofahren aufgegeben. Rückblickend sagt sie, das Auto sei eine große Erleichterung für sie gewesen, um ihren Mann zu besuchen, gerade abends und in der dunklen Jahreszeit. Nach dem Tod ihres Mannes hat sie es weggegeben: „Größere Fahrten hab ich sowieso nicht mehr gemacht und dann hab ich’s jetzt aufgegeben und deshalb bin ich auch jetzt im Moment erst mal dabei, mich vielleicht mit dem Bus anzufreunden, aber das dauert noch nen bisschen, aufgrund meiner Arthrose und ich hab hier nen neues Hüftgelenk und da muss ich noch nen bisschen langsam tun.“

Im Vergleich der drei Befragungszeitpunkte und der Personen, die zu allen Messzeitpunkten an der Studie teilgenommen haben, zeigt sich über die Zeit hinweg eine kontinuierlich hohe Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten, die allerdings in der Tendenz zum dritten Mes-szeitpunkt hin abnimmt. Die Mittelwerte für die Gesamtgruppe liegen auf einer Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) bei M=8,4 (SD=1,9) zum ersten Befragungszeitpunkt, bei M=8,3 (SD=1,9) zum zweiten und bei M=7,8 (SD=2,1) zum dritten Befragungszeitpunkt. Die als prototypisch dargestellten Verläufe der

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Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten von Herrn Lechner und Frau Dahlmann verweisen darauf, dass es neben der mittleren Entwick-lung der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe auch eine je individuelle und in Abhängigkeit von den persönlichen und räumlich-sozialen Um-weltbedingungen beeinflusste Entwicklung der Zufriedenheit gibt. Die je individuelle Zufriedenheit kann im Vergleich zum Mittelwert der Ge-samtgruppe auf gleichem, niedrigerem oder höherem Niveau verlaufen; letzteres trifft für Herrn Lechner zu. Sie kann aber auch niedrigere Werte aufweisen und deutlich vom Mittelwert der Gesamtgruppe abweichen, was für Frau Dahlmann zutrifft (siehe auch Abb. 6). In Bezug auf die Gesamtgruppe finden sich im Zeitverlauf Mittelwerts-unterschiede zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt (t=1,7(*)) sowie zwischen dem ersten und dem dritten Messzeitpunkt (t=1,7(*)). Eine abnehmende Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten zeigt sich für die jüngeren ebenso wie für die älteren Befragten, allerdings wird diese Tendenz nur für die Gruppe der älteren Befragten statistisch sichtbar (beispielsweise zwischen 2000 und 200� (t=2,0(*)) sowie im 10-Jahresverlauf (t=2,1*).

Abb. 6: Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mit Mobilitäts- möglichkeiten)

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Im Vergleich Mannheim und Chemnitz wird für Mannheim eine Abnahme der Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten, insbesondere zwischen 2000 und 200�, sichtbar. In Chemnitz hat sich eine allerdings statistisch nicht sichtbare Abnahme bereits zwischen 199� und 2000 gezeigt, während sich die Mittelwerte für Mannheim zwischen 2000 und 200� statistisch bedeutsam unterscheiden (t=2,�*). Für Frauen und Männer zeigt sich ebenfalls eine Abnahme der Zufriedenheit mit Mobilitäts-möglichkeiten, die allerdings nur in der Gruppe der Männer statistisch bedeutsame Unterschiede erkennen lässt (zwischen 2000 und 200� (t=2,0(*)) sowie im 10-Jahresverlauf (t=2,2*). Die Zufriedenheit der mobilitätseingeschränkten Personen mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten hat sich im Vergleich zu den nicht eingeschränk-ten Personen in den vergangenen fünf Jahren deutlich verschlechtert. Statistisch signifikante Unterschiede im Hinblick auf die Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten lassen sich zwischen 199� und 2000 (t=2,0(*)) sowie zwischen 2000 und 200� (t=3,9***) nachweisen. Diese Unterschie-de sind auch im 10-Jahresverlauf abbildbar (t=�,�***). Für die Gruppe der Personen, die über die Zeit eine Konstanz ihrer Mobilität berichten, deuten die Mittelwerte sogar auf eine Zunahme der Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten hin, die sich allerdings im Vergleich der Mittelwerte über die Zeit statistisch nicht nachweisen lässt. Zusammengefasst bedeuten diese Befunde, dass die Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten in der Gesamtgruppe der Personen, die zu allen drei Messzeitpunkten und über zehn Jahre an der Mobilitätsbe-fragung teilgenommen haben, rückläufig ist. Diese Tendenz zeigt sich speziell bei den älteren Befragten, bei Männern sowie in der Gruppe der Mannheimer Befragten, wohingegen die Unterschiede für jüngere Befragte, Frauen und die Chemnitzer Gruppe statistisch nicht signifi-kant sind. Was sich sehr deutlich zeigt, ist der – erwartungsgemäße – Rückgang der Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten für diejenigen Personen, die Mobilitätseinschränkungen über die Zeit berichten (siehe Tabelle 9 im Anhang).

5.1.4 Erlebte Veränderungen der Mobilität im Zeitverlauf Neben der Zufriedenheit mit vorhandenen Mobilitätsmöglichkeiten und deren Veränderungen liegt das Erkenntnisinteresse auch in der Frage nach erlebten Veränderungen der Mobilität zwischen 199� und 2000 für die Personen, die an allen drei Befragungen teilgenommen haben. Es zeigt sich, dass ungefähr zwei Drittel der Befragten (70 % zum zweiten Messzeitpunkt und 66 % zum dritten Messzeitpunkt) zu beiden Folge-

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befragungen (2000 und 200�) angeben, dass sich ihre Mobilität nicht verändert hat. Ein Drittel der Befragten (27 % zum zweiten Messzeitpunkt und 34 % zum dritten Messzeitpunkt) gibt in den �-Jahreszeiträumen jeweils an, dass sich ihre Mobilität verschlechtert hat. Während zum zweiten Messzeitpunkt noch 4 % der Befragten eine Verbesserung ihrer Mobilität anführen, trifft das zum dritten Messzeitpunkt für keinen der Befragten mehr zu. Auch in den folgenden Auswertungen wird neben Aspekten wie Alter, Geschlecht und Stadt nach Personen mit erlebten Mobilitätseinschränkungen 2005 (N=28; 34 %) und Personen ohne erlebte Mobilitätseinschränkungen 2005 (N=54; 66 %) differenziert. Mit Blick auf die Altersgruppen kann zum einen festgehalten werden, dass 200� rund 80 % der 6� bis 74jährigen Befragten keine Veränderung ihrer Mobilität feststellen, und auch von den über 7�Jährigen noch rund die Hälfte (�1 %) angibt, dass sich ihre Mobilität in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert hat. Zum anderen geben mehr als doppelt so viele Befragte in der Altersgruppe der über 7�-jährigen (rund 49 %) wie in der Altersgruppe der jüngeren Befragten (rund 20 %) zum dritten Messzeitpunkt an, dass sich ihre Mobilität verschlechtert hat. Zum zwei-ten Messzeitpunkt war die Beurteilung in beiden Gruppen noch in etwa gleich verteilt: Im Jahr 2000 berichteten 24 % der Jüngeren und 29 % der Älteren von einer Verschlechterung ihrer Mobilität. Des weiteren ist anzumerken, dass das Verhältnis zwischen Kontinuität und Veränderung in der älteren Altersgruppe zum dritten Messzeitpunkt mit jeweils ca. �0 % in etwa gleichverteilt ist. In der jüngeren Gruppe dagegen berichtet nur rund ein Viertel von einer Verschlechterung, während mehr als drei Viertel Kontinuität hinsichtlich ihrer Mobilität bemerken. Das bedeutet, dass die stärksten Veränderungen der Mobilität in einem durchschnitt-lichen Alter von 70-7� Jahren erfolgen. Der Städtevergleich zeigt, dass die Differenz zwischen den Mannheimer und Chemnitzer Befragten in Bezug auf erlebte Veränderungen der Mo-bilität weitgehend konstant geblieben ist. Schon zum zweiten Messzeit-punkt gaben fast doppelt so viele Chemnitzer wie Mannheimer Befragte an (Mannheim rund 19 %, Chemnitz rund 37 %), dass sich ihre Mobilität über die Zeit verschlechtert hat. Diese Tendenz setzt sich zum dritten Messzeitpunkt fort (Mannheim rund 28 %, Chemnitz rund 43 %). Frauen und Männer weisen in Bezug auf die erlebte Veränderung ihrer Mobilität über die Zeit weitgehend konstante Werte auf (siehe Tabelle 4). 5.1.5 Einflussfaktoren und Folgen einer sich verschlechternden

Mobilität Die Einflussfaktoren für Mobilitätseinschränkungen sind vielgestaltig

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und liegen nicht nur in der Person oder der Umwelt, sondern vor allem auch im Zusammenspiel beider Komponenten begründet. Im folgenden Abschnitt werden in einem ersten Schritt auf der Grundlage der quantita-tiven Daten des ersten und zweiten Messzeitpunktes die Einflussfaktoren für eine sich verschlechternde Mobilität aus gesundheitlichen Gründen erarbeitet. Im Anschluss daran werden anhand des qualitativen Materials die von den älteren Menschen berichteten gesundheitlichen Einschrän-kungen und deren Folgen für die außerhäusliche Mobilität dargestellt. In einem zweiten Schritt werden finanzielle und soziale Einflussfaktoren und Folgen einer sich verschlechternden Mobilität am Beispiel von drei Personen dargestellt, die aufgrund finanzieller Einbussen bzw. aufgrund der Versorgung ihres Partners/ ihrer Partnerin Einschränkungen ihrer außerhäuslichen Mobilität erleben.

Tabelle 4: Erlebte Veränderungen der Mobilität im Zeitverlauf

Erlebte Veränderungen der Messzeitpunkt 2 Messzeitpunkt 3 Mobilität im Zeitverlauf (2000) (2005)(N; %)

Gesamtgruppe (N=82)

... besser geworden 3 (3,7) 0 (0,0)

... schlechter geworden 22 (26,8) 28 (34,2)

... gleich geblieben �7 (69,5) �4 (65,8)

Altersgruppen (Jahre) 65 - 74 75+ 65 - 74 75+(N=41;N=41)

... besser geworden 3 (7,3) 0 (0,0) 0 (0,0) 0 (0,0)

... schlechter geworden 10 (24,4) 12 (29,3) 8 (19,5) 20 (48,8)

... gleich geblieben 28 (68,3) 29 (70,7) 33 (80,5) 21 (51,2)

Stadt (N=47;N=35) Mannheim Chemnitz Mannheim Chemnitz

... besser geworden 2 (4,2) 1 (2,9) 0 (0,0) 0 (0,0)

... schlechter geworden 9 (19,2) 13 (37,1) 13 (27,7) 1� (42,9)

... gleich geblieben 36 (76,6) 21 (60,0) 34 (72,3) 20 (57,1)

Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer Frauen Männer

... besser geworden 1 (2,6) 2 (4,6) 0 (0,0) 0 (0,0)

... schlechter geworden 11 (28,2) 11 (25,6) 14 (35,9) 14 (32,6)

... gleich geblieben 27 (69,2) 30 (69,8) 2� (64,1) 29 (67,4)

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Die befragten älteren Menschen, die im zurückliegenden Befragungs-zeitraum eine Verschlechterung ihrer Mobilität berichten, nennen in den qualitativen Interviews als Gründe für diese Entwicklung insbesondere vier individuelle und strukturelle Bedingungen. Auf der Ebene der Person werden das Nachlassen der eigenen körperlichen Gesundheit sowie eingeschränkte finanzielle Ressourcen und auf der Ebene der Umwelt die Betreuung und Versorgung des Ehepartners sowie negative räum-liche Bedingungen genannt. Auch Schwierigkeiten auf (alltäglichen) Wegen (Person) und zum Negativen hin veränderte Bedingungen im Stadtteil und im Verkehrsgeschehen (Umwelt) können als Mobilitäts-barrieren erlebt werden. In Abbildung 7 werden die Ursachen für Mobili-tätseinschränkungen im Alter noch einmal zusammenfassend dargestellt (siehe Abb. 7). Bemerkenswert sind in diesem Zusammenhang auch die Alltagserfahrungen der befragten älteren Menschen im Hinblick auf unterstützende oder einschränkende Umwelten, die sie selbst erleben oder in der Nachbarschaft beobachten bzw. aus Gesprächen mit Gleich-altrigen in Erfahrung bringen. Ebenso kann eine anfangs als Entlastung empfundene Aufgabe des Autofahrens aus nicht-gesundheitlichen Gründen nach einiger Zeit zur Mobilitätsbarriere werden.

Abb. 7: Ursachen für Mobilitätseinschränkungen im Alter

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Einflussfaktoren einer sich verschlechternden Mobilität auf Seiten der Person: Gesundheit Als ein vielfach replizierter Befund gilt der Zusammenhang von Mobil-itätseinbußen und gesundheitlichen Veränderungen (Mollenkopf et al., 2003; Mollenkopf et al., 2005; Engeln, 2001). So sind gesundheitliche Einbußen auch im Rahmen der vorliegenden Mobilitätsbefragung die mit Abstand am häufigsten erwähnte Ursache für Mobilitätseinschrän-kungen. Aus diesem Grund werden in den folgenden Ausführungen �4 Personen ohne berichtete Mobilitätsveränderungen zum dritten Messzeit-punkt 200� und 24 Personen mit berichteten Mobilitätsveränderungen aus gesundheitlichen Gründen zum dritten Messzeitpunkt 200� einander gegenübergestellt. Auf der Grundlage deskriptiver Analysen von zum ersten und zweiten Befragungszeitpunkt gemessenen soziodemogra-fischen, gesundheitsbezogenen, psychologischen und mobilitätsbezo-genen Variablen werden Einflussfaktoren von Mobilitätsveränderungen herausgearbeitet. Hinsichtlich soziodemografischer Variablen sind die beiden Gruppen in etwa vergleichbar. Es finden sich keine Unterschiede hinsichtlich der Variablen Geschlecht, Schulbildung und Haushaltsgröße. Hinsichtlich des durchschnittlichen Lebensalters zeigen sich allerdings signifikan-te Unterschiede. Personen ohne Mobilitätseinschränkungen sind mit durchschnittlich 73,6 Jahren erwartungsgemäß jünger als Personen mit Mobilitätseinschränkungen (Durchschnitt 78,� Jahre). Unterschie-de zwischen den beiden Gruppen zeigen sich auch im Hinblick auf die beiden untersuchten Städte. In Chemnitz zählen bereits zum zweiten Messzeitpunkt mehr als die Hälfte der Befragten (63 %) zu der Katego-rie der Personen, deren Mobilität sich aus gesundheitlichen Gründen verschlechtert hat, während in Mannheim nur 38 % der Befragten die-ser Kategorie zuzurechnen sind. Hinsichtlich gesundheitsbezogener Variablen finden sich ebenfalls bereits zum 2. Messzeitpunkt Hinweise auf Mobilitätseinbußen zum dritten Messzeitpunkt. Die beiden Personen-gruppen unterscheiden sich in allen gesundheitsrelevanten Variablen si-gnifikant voneinander. So sind die Werte bezüglich selbsteingeschätzter Bewegungsfähigkeit, Zu-Fuß-gehen, Leiden an chronischen Krankheiten und Beschwerden sowie „Aktivitäten des täglichen Lebens“, die „Zufrie-denheit mit der eigenen Gesundheit“ und „erlebte Veränderungen der Gesundheit“ (vom ersten zum zweiten Messzeitpunkt) in der Gruppe der Personen, die zum dritten Messzeitpunkt Veränderungen ihrer Mobilität berichten, deutlich niedriger als in der Gruppe der Personen, die ihre Mobilität als konstant beschreiben. Eine ähnliches Bild zeigt sich für mobilitätsrelevante Variablen. Bereits zum 2. Messzeitpunkt geben die mobilitätsbeeinträchtigen Befragten häufiger eine Verschlechterung

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ihrer Mobilität an (betrifft den Zeitraum zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt), sie üben schon im Jahr 2000 durchschnittlich weniger außerhäusliche Aktivitäten aus und nutzen weniger Transportmittel als nicht mobilitätseingeschränkte Personen. Zudem sind die mobilitätsbe-einträchtigen Befragten mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten unzufriedener (M=7,6; SD=2,3) als die Vergleichsgruppe (M=8,5; SD=1,7). Hinsichtlich psychologischer Variablen, die mit dem Instrument PANAS erhoben wurden (Positive and Negative Affect Schedule, Watson, Clark und Tellegen, 1988; nach Staudinger et al., 1996), lassen sich bezüglich der beiden Dimensionen positiver und negativer Affekt (Gefühlsrichtun-gen) keine Gruppenunterschiede finden. Was die Zufriedenheitsein-schätzungen insgesamt betrifft, finden sich in der Literatur zahlreiche Befunde, die eine konstante Zufriedenheit auch bei sich verändernden bzw. sich verschlechternden (objektiven) Lebensbedingungen nahele-gen (Staudinger, 2000). Dieser Trend findet sich in den vorliegenden Daten nicht. Die Zufriedenheit mit der eigenen Gesundheit (M=7,5; SD=1,9 vs. M=5,6; SD=2,7), mit Mobilitätsmöglichkeiten (M=8,5; SD=1,7 vs. M=7,6; SD=2,3) sowie mit dem eigenen Leben (M=8,5; SD=1,2 vs. M=7,6; SD=1,7) zum zweiten Messzeitpunkt liegt für die Gruppe der zum dritten Messzeitpunkt mobilitätseingeschränkten Personen jeweils deutlich unter dem Wert der zum dritten Messzeitpunkt nicht einge-schränkten Befragten. Es kann davon ausgegangen werden, dass die erlebten Belastungen bezüglich Gesundheit, psychologischer Variablen und Mobilität schon zum ersten und zweiten Messzeitpunkt sehr hoch gewesen sein müssen, um Auswirkungen auf die Zufriedenheitsbewer-tungen in 200� zeigen zu können. Diese Ergebnisse belegen zum einen, dass gesundheitliche Risikofak-toren als Ursache für eine sich verschlechternde Mobilität bereits lange Zeit vor dem Eintreten einer Mobilitätseinschränkung sichtbar werden. Offensichtlich gibt es zwischen den beiden Gruppen bereits vom ersten Messzeitpunkt an Unterschiede im Ausgangsniveau des Gesundheits-status. Die Ergebnisse zeigen auch, dass sich die Gruppen im Hinblick auf das gefühlsmäßige Erleben als einem psychologischen Aspekt nicht unterscheiden, dass aber zum Teil gravierende gesundheitliche Einschränkungen (wie sie im folgenden auf Grundlage der qualitativen Daten berichtet werden) die bereichsspezifische Zufriedenheit (Ge-sundheit, Mobilität) ebenso wie die Lebenszufriedenheit ganz allgemein beeinflussen können (siehe Tabelle 10 im Anhang).

Gesundheitliche Einschränkungen älterer Menschen mit Mobili-tätsrelevanz

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Neben den quantitativen Ergebnissen, die Auskunft über das Zu-sammenwirken von gesundheitlichen Veränderungen und Mobilität-seinschränkungen geben, berichten die älteren Menschen, welche gesundheitlichen Einschränkungen sie erleben und welche Folgen diese Einbußen für ihre alltägliche Mobilität haben. Die genannten gesundheitlichen Einschränkungen lassen sich in drei Gruppen zu-sammenfassen. Zum einen werden von den Befragten schwere chro-nische Erkrankungen und Multimorbidität genannt, die allmählich oder plötzlich zu Mobilitätseinbußen geführt haben. Berichtet werden unter anderem Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates wie Arthrose, Hüftleiden, Multiple Sklerose, Bein- und Kniebeschwerden, aber auch Krebs, Diabetes (und Folgeleiden: Beeinträchtigungen der Augen und Füße), Seh- und Höreinbußen sowie Bluthochdruck. Drei der befragten Personen sind ab und zu oder sogar ständig an den Rollstuhl gebunden. Schwere Kriegsverletzungen bei zwei der befragten Männer scheinen in Zusammenhang mit dem Auftreten weiterer gesundheitlicher Beeinträchtigungen stärker spürbar und schwerer bewältigbar zu werden als in früheren Lebensphasen. Als eine weitere Gruppe gesundheitlicher Einschränkungen wirken sich Operationen und Unfälle sowie deren Folgen auf die Mobilität aus. Sie können sich im Kontext chronischer Erkrankungen ereignen, aber auch unabhängig davon auftreten. Die befragten älteren Menschen nennen hier unter anderem Operationen bei Hüft-, Augen-, Knie und Krebserkrankungen. Schwere Unfälle können sofort, aber auch erst Jahre später (im Alter) gravierende Folgen für die außerhäusliche Mo-bilität haben. Eine dritte Gruppe gesundheitlicher Einschränkungen mit Mobilitätsre-levanz sind - von den Befragten selbst so bezeichnete - sogenannte „Altersbeschwerden“. An dieser Stelle erwähnen die Befragten keine konkreten Gesundheitsereignisse, die zu den Einschränkungen geführt haben, sondern benennen eine „allgemeine Verschlechterung“ des Ge-sundheitszustandes, ein Nachlassen von Seh- und Hörfähigkeit sowie Beschwerden des Stütz- und Bewegungsapparates, die sie allesamt mit dem Alternsprozess in Verbindung bringen: „Das sind normale Verschleißerscheinungen, ich hab’s etwas mit’m

Kreuz, das geht aber schon lange, aber ansonsten geht’s.“ (Frau Jobst, 72 Jahre alt, Chemnitz)

Die Folgen gesundheitlicher Einschränkungen für die MobilitätAls Folge dieser Einschränkungen werden zum einen Einbußen in der

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Teilhabe an alltäglichen außerhäuslichen Aktivitäten erlebt. Vermisst wer-den zum Beispiel Kontakte zu anderen Menschen und Geselligkeit. Die Aufgabe der Teilnahme an Veranstaltungen des kulturellen Lebens in der Stadt wird ebenso erwähnt wie die Aufgabe von Spazierwegen: „Ja, dass ich halt nicht mit meinen Clubfreunden mitziehen kann.

Ich bin gern unter Menschen, ich bin gern allein, aber dann muss mal wieder ‘Remmidemmi’ sein, ja. Und das vermiss ich halt sehr.“ (Frau Ernst, 71 Jahre alt, Mannheim)

„{Das} Tempo {ist} stark eingeschränkt, {ich} benötige oft Pausen und vermisse Spaziergänge.“ (Herr Jütter, 77 Jahre alt, Chem-nitz)

Auch die Aufgabe von Verkehrsmitteln wie Fahrrad und Auto wer-den als Folge einer sich verschlechternden Mobilität genannt. Weitere Konsequenzen betreffen das „spontane“ Unterwegssein und eine Abnahme aktiver Freizeit- und Urlaubsgestaltung: „Ich hab auch mein Auto hergeschenkt vor vier Jahren.“ (Herr

Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim) „Durch die Bewegungsunmöglichkeit, weil ich nicht mehr Fahrrad

fahrn kann, z.B., das fehlt mir.“ (Frau Diffler, 68 Jahre alt, Chem-nitz)

„Wir waren ein gastfreundliches Haus, wir hatten unsere soge-nannten Parties in unserer Gartenlaube vor allem draußen. Jetzt kann es meine Frau nicht mehr. Seitdem meine Frau, wie gesagt, schon ein halbes Jahr jetzt nicht mehr aus der Wohnung {kann}, können wir nicht mal {mehr} die Kaffeestunde beim Dr. V. wahr-nehmen und wir haben früher am kulturellen Leben der Stadt stark teilgenommen und das ist aus.“ (Ehemann von Frau Colins)

„Jetzt vermisse ich natürlich die Mobilität hier, nicht, überall rum-zufahren hier, (Berge zu steigen), reisen hier, das ist alles nun nicht mehr drin hier.“ (Herr Quast, 86 Jahre alt, Mannheim)

Das Angewiesensein auf Hilfe und Unterstützung, der Gebrauch von Hilfsmitteln sowie die im Zusammenhang damit erlebten Umweltbar-rieren werden ebenfalls als Folge nachlassender Mobilität beschrieben (siehe Ausführungen zu sozialer Unterstützung und Hilfsmitteln). „Na ja, bin langsamer und brauch mehr Hilfe, kann nicht mehr so

viel tragen [...], ich brauch öfter mal Hilfe im Haushalt für größe-re schwerere Arbeiten, na zum Beispiel Hochsteigen, Gardinen anmachen und Ähnliches, was ich eben dann auch nicht mehr so kann mit dem Hochsteigen, ne.“ (Frau Diffler, 68 Jahre alt,

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Chemnitz) Für einige Befragte, insbesondere die Personen mit schweren chroni-schen Erkrankungen, hat sich durch die nachlassende Gesundheit nicht nur die Mobilität, sondern auch das Leben insgesamt verändert. Eine Teilnehmerin beschreibt das so: „Alles, was mit Aktivitäten zu tun hat, das ganze Leben bis zur

Freizeit hat sich verändert, im Prinzip nur Sitzen. Lebensfreude wird vermisst.“ (Frau Paun, 70 Jahre alt, Chemnitz)

Auch eine zunehmende Angst, sich in schwierigen Situationen kör-perlich nicht mehr wehren zu können, wird als Folge nachlassender Mobilität beschrieben. Die nachlassenden Kräfte allgemein können auch die Entscheidung mitbestimmen, insgesamt weniger aus dem Haus zu gehen: „Also es ist so: Ich hätte die Möglichkeit aufgrund meiner ehe-

maligen Verbindungen auch heute noch beispielsweise Vorträge [...] zu besuchen. Das lass ich gehen aus dem einfachen Grund, weil ich sehr schwer laufen kann nur, abends nicht mehr so gut sehe wie ich tagsüber sehe und auch die Gefahr, auf der Straße irgendwie Dingen zu begegnen, die einem unangenehm sind, zu, zu umgehen, nicht. Also ich möchte nicht angefallen werden, ich kann mich nimmer wehren.“ (Herr Abel, 93 Jahre alt, Mann-heim)

Einflussfaktoren und Folgen einer sich verschlechternden Mobili-tät: Finanzielle Aspekte und soziale UmweltDer folgende Abschnitt zu finanziellen Einschränkungen und der sich anschließende Abschnitt zu eingeschränkten Mobilitätsmöglichkeiten aufgrund der Versorgung des Ehepartners werden anhand von Fallbei-spielen dargestellt. Diese Form wird gewählt, um die spezielle Situation dieser Personen – die im Kreis der von uns befragten Personen seltener sind als Personen mit Mobilitätseinschränkungen aufgrund eigener ge-sundheitlicher Belastungen – detailliert beschreiben zu können.

Finanzielle EinschränkungenFrau Helm ist 74 Jahre alt, verwitwet und lebt allein in einer Altbau-wohnung in Mannheim. Ihre Tochter lebt mit ihrer Familie ebenfalls in der Stadt. Der Stadtteil ist gut an die Innenstadt angebunden, durch Baumaßnahmen in einem anderen Stadtteil hat sich die Anbindung an

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den öffentlichen Nahverkehr, so sieht es Frau Helm, für sie deutlich verbessert. Sie würde diese Verbesserung gern auch in ihrem Alltag nutzen, was ihr allerdings aufgrund ihrer finanziellen Lage nur bedingt möglich ist. Hinzu kommt, dass Frau Helm auch kaum freundschaftliche Kontakte pflegt (oder pflegen kann?), da sie trotz ihres Alters zusätzlich zu ihrer Rente als Hausmeisterin tätig ist, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Ihre größte Angst ist, diese Tätigkeit nicht mehr ausführen zu können und auf den Staat angewiesen zu sein, mit der Folge, auch ihre Wohnung, in der sie lange Zeit gelebt hat, aufgeben zu müssen. Da die alltäglichen Dinge wie Ernährung und Miete auf jeden Fall abgedeckt sein müssen, bleibt aufgrund ihrer finanziellen Lage für „Extras“ und Ak-tivitäten, insbesondere außer Haus, wenig Spielraum. Sie sagt selbst: „Tja, ich komm nirgends wo hin. Alles, was Geld kost, müssen wir

sparen, müssen ja was zu Essen kaufen können. Ich habe jeden Monat 60 Euro, da können Sie keine Sprünge machen.“ (Frau Helm, 74 Jahre, Mannheim)

„{Friseur} gibt´s nur selten, das kost’ Geld. Die {Haare} werden nur gewaschen, trocknen tun sie alleine, im Winter werden sie gefönt, ansonsten mach ich gar nichts an den Haaren.“ (Frau Helm, 74 Jahre, Mannheim)

Freizeitaktivitäten, die Geld kosten, kommen für Frau Helm überhaupt nicht in Frage. Hauptlebensinhalte sind ihre Arbeit, das Laufen mit dem Hund, zu dem sie eine sehr innige Beziehung zu haben scheint, sowie ihre Zimmerpflanzen, die ihr ganzer Stolz sind: „Nix, da gibt´s gar nix. Das langt mir, wenn ich meine Arbeit ge-

macht hab und mit meinem Hund gelaufen bin, das langt ja [...]. Hobby ist mein Hund [...] und meine Pflanzen. Ich hab sehr viele Pflanzen. Das wär ganz schlimm, wenn ich die aufgeben müsste.“ (Frau Helm, 74 Jahre, Mannheim)

In Richtung Bewältigung dieser Lebenssituation sagt Frau Helm, sie sei in einer armen Familie aufgewachsen und habe nie etwas anderes erlebt. Allerdings sagt sie, und das macht dieses Beispiel erwähnenswert, dass nichts „dazwischen“ kommen darf, sonst würde sich ihre Lebenssituation plötzlich ändern, oder anders ausgedrückt, würde Frau Helm von einem Tag auf den anderen abhängig werden: „Ich bin´s nicht anders gewöhnt [...]. Ich bin von einer armen Fami-

lie groß gezoge, es ging uns noch nie anders [...]. Es muss gehen, es muss gehen. Ich mein, es darf nix dazwischen kommen.“ (Frau Helm, 74 Jahre, Mannheim)

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Frau Helm hat die Möglichkeit, gelegentlich Unterstützung durch ihre Tochter zu bekommen. Hilfesuche und -annahme scheint aber immer auch mit Erfahrungen im Lebenslauf verbunden zu sein, die selbige fördern oder hemmen: „Im äußersten Notfall krieg ich von meiner Tochter eben ein paar

Mark. Aber nur im äußersten Notfall, ich möchte auf eigenen Füs-sen stehen solang´s geht, ja, weil sie arbeitet nicht mehr durch die Kinder. Und ich möchte nicht haben, dass es nachher heißt: ‘Die Kinder haben wegen mir weniger Geld gekriegt’, verstehn Sie? Das möchte ich auf keinen Fall, das hab ich nämlich gesagt kriegt vor Jahren von meiner Mutter.“ (Frau Helm, 74 Jahre, Mannheim)

Versorgung und Pflege des PartnersDie Übernahme der Pflege eines kranken (Ehe-)partners im eigenen Haushalt ist ein Lebensereignis, das derzeit für rund ein Drittel der älteren Menschen zutrifft (Schmitt und Re, 2004). Ein Großteil der betroffenen Personen sind durch diese Tätigkeit in ihrem eigenen Lebensverlauf mehr oder weniger stark eingeschränkt bzw. auf den zu betreuenden Partner konzentriert. Im Rahmen unserer Befragung haben wir mit zwei Personen gespro-chen, die sich in dieser Lebenssituation befinden. Die Auswirkungen dieser Konstellation auf außerhäusliche Aktivitäten und Mobilität werden anhand der beiden folgenden Fallgeschichten dargestellt. Nach einer kurzen Vorstellung der Personen werden Möglichkeiten der Bewältigung und des Wachstums aufgezeigt und die Gemeinsamkeiten beider Fall-geschichten herausgearbeitet. Frau Hansen ist 7� Jahre alt, lebt mit ihrem Ehepartner in einem Ein-familienhaus in Mannheim. Der Stadtteil, in dem das Ehepaar lebt, ist ein reines Wohngebiet, viel Wald und Parklandschaft umgeben das Wohnareal. Geschäfte und Einrichtungen des täglichen Bedarfs sind er-reichbar, ein Auto ist aber von Vorteil. Herr Hansen hatte eine gehobene berufliche Stellung inne, die er aber aufgrund seiner Demenzerkrankung bereits vor Erreichen des Ruhestandes aufgeben musste. Herr Hansen ist nicht pflegebedürftig, aber das Fortschreiten der Demenz erfordert eine immer engmaschigere Anwesenheit seiner Ehefrau. Frau Hansen wirkt im Gespräch sehr gefasst, nur selten ist ihr anzumerken, wie sehr sie durch die Situation beansprucht ist und wie sehr die Lage ihres Mannes auch ihr eigenes Leben mehr und mehr prägt.Herr Jahn ist 90 Jahre alt, also noch 1� Jahre älter als Frau Hansen,

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und lebt zusammen mit seiner schwerstpflegebedürftigen Ehefrau ebenfalls in Mannheim in einem Einfamilienhaus. Herr Jahn wirkt trotz seines hohen Alters noch sehr rüstig und aktiv und fährt auch noch selbst Auto. Er erledigt die meisten Dinge des Alltags selbst oder wird dabei von seinen Kindern und Enkeln unterstützt, für deren Hilfsbereitschaft er sehr dankbar ist. Die Krankheit seiner Frau besteht bereits seit längerer Zeit. Vor etwa zwei Jahren, nach einem schweren Unfall, hat sich die Situation nochmals verschlechtert, so dass eine ständige Unterstützung bei allen Aktivitäten des täglichen Lebens erforderlich ist. Als einen mobilitätsrelevanten Aspekt der Partnerbetreuung erleben Frau Hansen und Herr Jahn ein Gefühl des ständigen „Gebundenseins“. Ein Gebundensein an das Haus, aber auch ein Gebundensein an den Partner während außerhäuslicher Aktivitäten, wenn keine Betreuungs-möglichkeit gefunden werden kann: „Naja, das ist halt schwierig, ich kann sie ja nicht allein da lassen,

und ich kann den Kindern nicht zumuten, die sind auch berufstätig und so weiter. Das geht halt nicht. Schon das Ein- und Ausladen ins Auto und alles, was so dazu kommt, das sind halt Erschwernisse, die man unterschätzt als gesunder Mensch, ne. Die denken: ‘Ach, das ist doch nicht schlimm“. Das soll erst einer machen, dann weiss er´s.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Natürlich, die gesamte Situation hat sich für mich eingeschränkt, indem ich eine Aufgabe habe [...]. Ich nehm meinen Mann mit. Ich bin natürlich..., ich hab immer jemand, ich muss aufpassen, ich muss mein Zettel haben. Das und das wird erledigt und dann is auch die Zeit wieder um, dass wir nach Hause kommen [...]. Ich mein, wenn ich so für das Alltägliche einkaufe, das ist über-haupt keine Schwierigkeit. Geh ich aber mal, vielleicht alle acht Wochen, einmal in die Stadt, oder hol mir mal ein Rock, oder hol mir mal irgendwie ein paar Schuhe, nee hoffentlich nicht alle acht Wochen, dann wird´s natürlich etwas schwierig [...]. Bisher hab ich ihn {den Ehemann} immer noch mitgenommen, weil er sehr friedlich ist und sich auch dann hinsetzt, aber in letzter Zeit hat sich das auch ein wenig geändert [...]. Das heißt, wenn nicht jemand aus dem Freundeskreis hilft und mal zu meinem Mann kommt, ja, dass ich ihn auch mitnehme und dass er dann halt warten muss bis ich fertig bin.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Frau Hansen und Herr Jahn beschreiben gleichermaßen, dass sie selbst noch in der Lage wären, alle notwendigen und anregenden außerhäus-lichen Aktivitäten durchzuführen, aber darin durch die Betreuungssitua-tion Einschränkungen erleben:

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„Ich könnte noch alles, ich könnte noch überall hingehen, mit hinfahren und machen, aber mit´m Rollstuhl überall hin ist, ohne Rollstuhl geht gar nix, der ist zu schwer und sie {die Ehefrau} kann sich nicht mehr dran gewöhnen, selbst, hat sich das natürlich total erschwert. Alles. Aber ich will nicht klagen, es gibt Schlimmeres.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Ich könnte wenn ich unabhängig wäre, wenn ich niemanden be-treuen müsste, könnte noch laufen und könnte verreisen und alles Mögliche machen.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Dass ich sehr gebunden bin, trotz einiger Hilfe im Haushalt. Auch von der Demenzberatungsstelle.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Herr Jahn beschreibt insbesondere räumliche und soziale Barrieren im Rahmen außerhäuslicher Aktivitäten, die ihm durch die starken körper-lichen Einschränkungen seiner Frau und deren Angewiesensein auf einen Rollstuhl besonders auffallen: „Denn ich, mit dem Rollstuhl, wo ich ankomme, sind meistens

Stufen oder so, das kann ich allein nimmer schaffen, und das, da bleibt das halt alles aus, was man früher als sozusagen Sonntag-vergnügen gemacht hat. Bloß das, was sein muss.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Ich nehm nimmer teil an Veranstaltungen und die laden mich immer ein, ich krieg immer Einladungen, aber erstens stört mich das, wenn ich dann, jeder fragt, ja wie geht´s? Was machste? Und immerfort, immerfort dasselbe sagen, und dann, das tut mir richtig weh, da kommen mir die Tränen manchmal. Ach, ich kann´s, weiss nich, wie ich´s ausdrücken soll, aber wenn du immerfort das selbe leiern musst [...]. Wenn ich sie dabei hab und ich muss über sie reden, das ist nich leicht.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Wie Herr Jahn betonte, wird „nur noch das Notwendige“ außer Haus erledigt. Freizeitaktivitäten und Urlaub, so berichten beide Gesprächs-partner, haben sich durch die Einschränkung des Partners extrem redu-ziert oder finden gar nicht mehr statt. Einerseits aufgrund der konkreten Einschränkungen des Partners, andererseits aber auch, weil einfach die „Muße“ fehlt. Herr Jahn und Frau Hansen beschreiben, wie sich insbesondere ihre Freizeitaktivitäten durch die Betreuung des Partners verändert haben: „{Früher} da ist man mehr fortgegangen und spazieren gegangen

oder in den Urlaub gefahren. Das hört halt einfach auf. Wenn

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ich wohin komme mit´m Rollstuhl überall, da ist man halt immer gehemmt, da bleib ich lieber zu Hause.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Wir machen keine großen Radtouren mehr, wir machen keine großen Wanderungen mehr, eben halt, eingeschränkt, eben auch wegen meinem Mann, weil er es nicht mehr kann.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Wie im Abschnitt zu gesundheitsbezogenen Mobilitätsveränderungen bereits ausführlich dargestellt, berichtet auch Herr Jahn im Zusammen-hang mit der körperbezogenen Pflege seiner Frau über das Nachlassen seines eigenen Gesundheitszustandes. Er sagt selbst: „Die Knie vor allen Dingen, die machen mir ein bissel zu schaffen,

das Rückgrat, und (unverständlich), wenn ich sie von der Toilette runter hole oder so, dann muss ich mich sehr anstrengen, das ist natürlich mit dem Alter nicht mehr so einfach [...]. Oder, ich musste, die Tage ist mein Eisschrank kaputt gegangen, einen neuen Eisschrank kaufen gegangen, und in den Centern da, in den Märkten, die Treppen, da hab ich Schwierigkeiten.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Frau Hansen und Herr Jahn erfahren Einschränkungen durch ihre Partner, die die Befriedigung ihrer eigenen Mobilitätswünsche deutlich erschweren. Dennoch erleben sich Frau Hansen und Herr Jahn dieser Situation nicht passiv ausgeliefert, sondern zeigen sich als aktiv han-delnde Personen. Die folgenden Zitatbeispiele geben Zeugnis davon, was Frau Hansen und Herr Jahn aktiv tun, um ihre eigene Mobilität zu erhalten oder zu verbessern. Herr Jahn berichtet beispielweise von kör-perlichen Aktivitäten, die er in dem ihm möglichen Rahmen ausübt: „Nun ja, in dem Alter tut man nimmer viel, da läuft man, bewegt

sich halt und macht ein bissel Freiübungen, so Körpersache. Die Hauptsachen, die man früher gemacht hat, die gehen halt nicht mehr.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Frau Jahn zieht eine Intensivierung der vorhandenen Unterstützung in Erwägung, weil sich der Gesundheitszustand ihres Mannes zunehmend verschlechtert. Durch diese Maßnahme könnte sie für sich selbst und ihre eigenen Aktivitäten mehr Freiraum gewinnen: „{Meine Haushaltshilfe}, das ist auch nur einmal in der Woche und

das sind nur eineinhalb Stunden, und das ist nicht viel und das werd ich jetzt irgendwie umstellen müssen, dass meine Haus-haltshilfe,... dass die einmal in der Woche mehr kommt und ich dann meine Aufgaben erledigen kann, die auswärts oder draußen

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sind.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim) In Bezug auf die psychische Bewältigung bemerkt Herr Jahn zwei As-pekte. Er sagt einerseits, dass er mit der Situation fertig werden muss, auch wenn es schwer sei. Andererseits empfindet er „Dankbarkeit in der Aufgabe“ und er beschreibt das gegenseitige Geben und Nehmen, das trotz der starken gesundheitlichen Einschränkungen seiner Frau nach 60 Jahren Ehe noch immer gegeben ist. Er erwähnt auch die Verbun-denheit, die ihn diese Aufgabe – beispielhaft für die zahlreichen älteren Menschen in ähnlichen Situationen – täglich meistern lässt: „Kann ich nur sagen, ich muss {mit der Situation fertig werden}.

Was soll ich dazu sagen? Das wäre nicht so, wenn meine Frau wenigstens so fit noch wie ich wäre, da wär alles gut, hundertpro-zentig. Aber da sie ja nun gar nichts mehr kann, überhaupt nichts mehr, völliger Pflegefall ist, da ist das nicht so einfach.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Und bei vielen bleibt dann auch geistig ein Schaden, wenn die Operation, das fängt jetzt an, fängt jetzt an, vieles kriegt sie nimmer mit. Aber so ist sie lieb, sehr lieb. Sie freut sich, dass sie noch lebt und bedankt sich für alles und dass alles in bester Ordnung wär. Ich tu auch alles, was ich kann, und sie tut, was sie, sie kann ja ‘nichts’ tun. Ich bin 60 Jahre verheiratet [...], da geht das nicht so: ‘Hier, ich schmeiß dich in die Ecke’.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Frau Hansen berichtet, dass sie sich mit der Situation abfindet. Sie sagt aber auch, dass sich ihr Denken im Hinblick auf Planungen entscheidend verändert hat, eben weil der Verlauf der Krankheit des Ehemannes nicht „planbar“ ist: „Ich finde mich damit ab, es ist halt so [...]. Und {ich} nehm es so

wie es kommt, auch für den nächsten Tag. Denn anderes bleibt einem nichts übrig. Ich hab sonst auch immer geplant und getan und so weiter. Aber es gibt Dinge, die kann man nicht planen.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Und Frau Hansen berichtet, ähnlich wie Herr Jahn, Dankbarkeit in der Aufgabe, für die sie sich Gesundheit erhofft: „Dass ich tatsächlich noch gesund bleibe, weil ich ja noch so,

wie ich denke, eine Aufgabe habe.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Sowohl Frau Hansen als auch Herr Jahn erhalten in ihrer Situation informelle Unterstützung und stehen dieser Hilfe aufgeschlossen ge-

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genüber, was eine wichtige Voraussetzung dafür ist. Herr Jahn wird vor allem durch seine Kinder und Enkelkinder unterstützt, Frau Hansen hat Kontakt zu ihrem Freundeskreis und zur Demenzberatungsstelle: „Die {Kinder, Enkel} tun alles für mich. Da wird nich ein Tag sein,

mein Sohn [...], da wird nicht ein Tag sein, dass der [...] nicht bei mir vorbeikommt, aber jeden Tag kommt er vorbei: Vater, wie geht´s, Opa, wie geht´s? Pflegt die Oma noch mit, also manch-mal ist´s mir zu schwierig, dann tut er sie duschen und so, weil mit einer Hand müsst ich sie halten und mit der anderen müsst ich duschen, das macht er alles für mich [...]. Da bewundert mich jeder, die sehen sie ja immer kommen. Es vergeht kein Tag, wo sie nicht vorbeikommen, die Kinder, so was Liebes.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Der Freundeskreis ist [...] ist sehr behilflich, indem, dass sie sich um uns auch kümmern, wenn irgendwelche Sachen sind, wenn´s ein Geburtstag ist oder was es ist. Wir werden mit eingeladen und man ist dabei. Es weiß jeder Bescheid. Mein Mann ist allerdings sehr ruhig, insofern geht das gut [...]. Es ist immer noch eine gute Verbindung da.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Während Frau Hansen bereits Kontakt zu professionellen Unterstüt-zungsmöglichkeiten geknüpft hat, scheint Herr Jahn dem eher skeptisch gegenüber zu stehen, eventuell bedingt durch seine Lebenserfahrung, durch seine noch vorhandene Kraft, aber auch durch die Annahme, dass eine professionelle Unterstützung ihm einen Großteil der täglichen mit der Versorgung der Ehefrau verbundenen Aufgaben nicht abnehmen könnte: „Solange ich noch kriechen kann und arbeiten und noch selber

Auto fahren kann, werd ich mir keinen Fahrdienst holen, nicht. Erstens mal kann ich´s der Kasse nicht zumuten, und zweitens ist es so, so lange ich noch beweglich bin, werde ich das tun. Ich hab in meinem Leben Krieg mitgemacht, Gefangenschaft mitge-macht, die Flucht mitgemacht, ich komm aus Schlesien, hab alles verloren daheim, und ich hab Härte hinter mir, ich weiß, was Härte is.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Wenn ich ihn {den Pflegedienst} brauch, ist er nicht da. Dann kommt er früh ‘ne halbe Stunde, und dann den Tag über sind sie, biste doch allein [...]. Sind wir doch ehrlich, wenn wir offen spre-chen, nicht. Die kommen früh um achte ne halbe Stunde, waschen sie, ziehen sie an [...], das kann ich noch, dann mach ich´s halt auch.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

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Zusammenfassung In Abschnitt �.1 wurden Ergebnisse zum Thema außerhäusliche Mo-

bilität älterer Menschen allgemein vorgestellt. Die Zufriedenheit der befragten älteren Menschen mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten ist ins-gesamt hoch. Allerdings zeigt sich zum dritten Befragungszeitpunkt hin ein auch statistisch bedeutsamer Rückgang der Zufriedenheit. Diese Entwicklung trifft gleichermaßen auch für die Subgruppen der über 7�-Jährigen, der Männer, der Mannheimer Befragten sowie der Personen mit Mobilitätseinschränkungen zu. Veränderungen der Mobilität im Zeitverlauf berichtet ca. ein Drittel der von uns befragten älteren Menschen, das heißt zwei Drittel der Älteren mit einem Durchschnittsalter von 7�,2 Jahren geben an, dass sich ihre Mobilität in den vergangenen fünf Jahren nicht verändert hat. Die Werte der über 7�-Jährigen zum zweiten und dritten Messzeitpunkt zeigen allerdings, dass 200� rund die Hälfte der Personen in dieser Altersgruppe eine Verschlechterung der Mobilität berichtet, während dies im Jahr 2000 nur auf rund ein Drittel dieser Gruppe zutraf. Das heißt, Mobilitätsveränderungen werden insbesondere zwischen dem 70. und 75. Lebensjahr manifest. Einflussfaktoren für eine sich verschlechternde Mobilität finden sich sowohl auf Seiten der Person wie auf der Umweltebene. Insbeson-

dere konnten die Aspekte Gesundheit, finanzielle Ressourcen sowie Pflege und Versorgung des Ehepartners identifiziert werden. Auch Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen und im Verkehrsgeschehen, Veränderungen der sozialen und räumlichen Umwelt sowie die Aufgabe des Autofahrens spielen eine Rolle. Eine vergleichende Analyse der Personen mit bzw. ohne Mobilitätseinschränkungen im Jahr 200� anhand der Daten des 1. und 2. Befragungszeitpunktes zeigt deutlich, dass gesundheitliche Einbußen, die eine spätere Mo-bilitätseinschränkung zur Folge haben, bereits lange vor Eintreten der eigentlichen Einschränkung nachweisbar sind.

5.2 Alltägliche Wege älterer Menschen

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Mobilität, insbesondere die Mobilität älterer Menschen, findet im Span-nungsfeld zwischen Alltag und Freizeit- bzw. Urlaubsaktivitäten statt. Während die alltäglichen Wege in engem Zusammenhang mit der Auf-rechterhaltung der Aktivitäten des täglichen Lebens angesehen werden können, erfüllen Freizeit und Urlaub eine rekreative Funktion. Das heißt, während die alltäglichen Wege eher notwendig sind, werden Freizeit- und Urlaubsaktivitäten vor dem Hintergrund stärkerer (gesundheitlicher) Einschränkungen auch verringert oder in manchen Fällen sogar ganz aufgegeben. Alltägliche Wege sind für ältere Menschen zu einem ho-hen Anteil Fußwege. Bereits zum ersten Befragungszeitpunkt 199� wurden ca. �6 % der alltäglichen Wege (gemessen als Teilwege eines Gesamtweges) als Fußwege bewältigt. Im Vergleich dazu wurden nur 26 % der Teilwege mit dem Auto und ca. 12 % der Teilwege mit dem ÖPNV bewältigt (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001). Fußwegen oder der Fähigkeit, Fußwege bewältigen zu können, kommt nicht nur eine zentrale Funktion zu, um kurze Distanzen zu überwinden, sondern vor allem auch, um Zugang zu Verkehrsmitteln und anderen Ressourcen zu erhalten. An dieser Stelle wird schon ein Paradoxon sichtbar, das es auch im Hinblick auf mögliche Interventionsansätze zu berücksichtigen gilt: Dass die Bewältigung von Fußwegen mit zunehmendem Alter (und den damit einhergehenden Einschränkungen, insbesondere gesund-heitlicher Art) schwieriger wird, gleichzeitig aber die eigenen Füße ‘das’ Fortbewegungsmittel für ältere Menschen darstellen (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001; Engeln, 2001).5.2.1 Daten zu den alltäglichen Wegen älterer MenschenIm folgenden Abschnitt geht es um die Durchführung alltäglicher Wege unter Berücksichtung verschiedener Personengruppen sowie die Kom-petenz, alltägliche Wege auch noch selbst auszuführen. Im Anschluss daran werden auf der Grundlage der Interviews erlebte Anregungen einerseits und erlebte Schwierigkeiten und Barrieren auf alltäglichen Wegen („Mobilitätsbarrieren“) andererseits aufgezeigt, die sowohl person- als auch umweltseitig begründet sein können. Im Rahmen von Fallgeschichten wird schließlich die Situation von fünf älteren Menschen beschrieben, die keinen Weg mehr selbstständig ausführen können.

Außerhäusliche Aktivitäten am Vortag des InterviewsAm Vortag des Interviews waren insgesamt rund 83 % der von uns be-fragten und im Mittel 7�,2 Jahre alten älteren Menschen (64 Personen) außer Haus unterwegs. Nur ca. 17 % der Befragten (13 Personen) gaben an, an diesem Tag keine außerhäuslichen Aktivitäten unternommen zu

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haben. Bei einem Vergleich der beiden Subgruppen zeigen sich - erwar-tungsgemäß – Unterschiede zwischen den Altersgruppen und zwischen den Haushaltsformen, während der Wohnort (Mannheim oder Chemnitz) kaum keine Rolle spielt. Es fällt auf, dass in der Altersgruppe der über 7�-Jährigen rund ein Viertel der Befragten am Tag vor dem Interview nicht außer Haus war, während dies nur für ca. 8 % der 6�- bis 74-jährigen Befragten zutrifft. Auch bezüglich der Haushaltsformen gibt es Unter-schiede: Während Personen, die in Einpersonenhaushalten leben, zu 92 % am Vortag außer Haus waren (24 Personen), sind es bei Personen in Mehrpersonenhaushalten nur 78 % (40 Personen). Umgekehrt heißt das, dass ein Viertel der Befragten in Mehrpersonenhaushalten nicht außer Haus waren. Ein möglicher Grund dafür ist, dass Alleinlebende ihre Wege notwendiger Weise selber ausführen müssen, während ältere Menschen in Mehrpersonenhaushalten sich diesbezüglich auch an die anderen Haushaltsmitglieder wenden können. Im Vergleich der Städte Mannheim und Chemnitz finden sich nur geringe Unterschiede bezüglich der außerhäuslichen Aktivitäten. In Mannheim waren 8� % der Befrag-ten (39 Personen) am Vortag des Interviews außer Haus unterwegs, in Chemnitz 81 % (2� Personen). Betrachtet man schließlich noch die Gruppe der Personen mit Mobilitätsveränderungen 200�, zeigt sich, dass 87 % der Befragten ohne Einschränkung (47 Personen) außer Haus unterwegs waren. In der Gruppe der mobilitätseingeschränkten Personen trifft das immerhin auch auf 74 % der befragten älteren Men-schen (17 Personen) zu (siehe Tabelle 11 im Anhang). Personen, die alle oder nur noch einige Wege bzw. keine Wege mehr selbstständig ausführen könnenDaten zur außerhäuslichen Mobilität am Vortag der Befragung können nur bedingt zu Aussagen über den Mobilitätsstatus herangezogen wer-den. Um diesbezüglich genauere Angaben machen zu können, haben wir drei Mobilitätskategorien unterschieden:• Befragte Person kann alle außerhäuslichen Aktivitäten selbstständig

ausführen, • Befragte Person kann einige, aber nicht mehr alle außerhäuslichen

Aktivitäten selbstständig ausführen,• Befragte Person kann keinen Weg mehr selbstständig ausführen.Insgesamt geben 84 % der Befragten (69 Personen) an, dass sie noch alle Wege selbstständig ausführen können. Nur ca. 10 % (acht Personen) sagen, dass sie bestimmte, aber nicht mehr alle Wege selbstständig ausführen können und 6 % (fünf Personen) schließlich berichten, dass sie keinen Weg mehr selbstständig ausführen können. Hinsichtlich Alter, Geschlecht und Stadt finden sich nur geringe Unterschiede. Vergleicht

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man schließlich noch die 28 mobilitätseingeschränkten Personen mit den �4 nicht mobilitätseingeschränkten Personen, zeigt sich, dass ca. 96 % der Nichteingeschränkten (�2 Personen) noch alle Wege selbst ausführen können, während das nur auf rund 61 % der eingeschränk-ten älteren Menschen (17 Personen) zutrifft. Von den letztgenannten Personen berichten außerdem elf (40 %), dass sie bestimmte Wege bzw. keinen Weg mehr selbst ausführen können (siehe Tabelle 12 im Anhang).

5.2.2 Erlebte Schwierigkeiten und Bewältigungsaspekte bei alltäg-lichen Wegen

Die Häufigkeitswerte für die Ausführung alltäglicher Wege zeigen, dass sich unter den von uns befragten älteren Menschen sowohl Personen ohne als auch mit Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen bis hin zu ganz immobilen Personen befinden. Die Mehrzahl der Älteren, die Schwierigkeiten erleben, zählen zur Gruppe der Personen mit allgemein nachlassender Mobilität, was wiederum häufig auf einen sich verschlech-ternden Gesundheitszustand zurückzuführen ist.

Erlebte Schwierigkeiten bei der Ausführung alltäglicher WegeDie erlebten Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen liegen zum einen in der Person begründet. Von den älteren Menschen werden als Grün-de insbesondere Krankheiten und Schmerzen, fehlende Kondition und Ausdauer, Erschöpfung sowie die Notwendigkeit verstärkter Aufmerksamkeit berichtet. Das folgende Zitat steht als Beispiel für diesen Aspekt: „Und was ich noch mache ist [...]. Wenn ich geh, immer aufpasse,

dass ich auch die Füße richtig heb. Und ich geh auch die Treppen recht langsam, nicht, weil es mir so schwer fällt – aus Vorsicht – ich möchte nicht fallen. Und, ich versuche auch, mich, es brauch ja nicht, also, ich fass jetzt nicht das Geländer an, sondern ich tippe nur an, damit, wenn ich irgendwie, dass ich mich dann gleich fest-halten kann. Ich kann auch frei die Treppe runter gehn, aber ich geh dann doch in Geländernähe aus Vorsichtsgründen. Und was ich überhaupt nicht gerne gehe, diese Schotter - oder die Straßen, wo’s so bucklig is.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

‘Unliebsame Ziele’ (Arztbesuche; Lastentransport nach Einkäufen bzw. weite Wege zu Einkaufsmöglichkeiten usw.) werden von den befragten älteren Menschen vor allem als Schwierigkeiten bei der Planung und

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Durchführung von Wegen generell angeführt: „Also wenn ich jetzt einen Arzttermin hab, dann geh ich nicht so

gern aus dem Haus, als wenn ich vielleicht jemanden besuche oder so.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

„Ich kann nur sagen, leicht ist es, wenn ich nichts draußen zu schaffen hab, schwer ist, wenn ich einkaufen muss und muss schwer schleppen. Das ist der Unterschied.“ (Herr Ober, 77 Jahre alt, Mannheim)

Auch Umweltbedingungen stellen eine Barriere für ältere Menschen bei der Ausübung alltäglicher Wege dar. Die sich verändernden Ver-kehrsbedingungen sind ein Aspekt, der in diesem Zusammenhang von vielen Befragten angesprochen wird. In den Gesprächen thema-tisiert werden insbesondere die zunehmende Verkehrsdichte, Lärm, Staus, Parkplatzprobleme sowie die Zunahme von Aggressivität und Rücksichtslosigkeit im Verhalten der Verkehrsteilnehmer untereinan-der. Konkrete Gefahren werden von den befragten älteren Menschen beispielsweise durch Radfahrer (Fahren auf Fußwegen, Fahren ohne Beleuchtung) erlebt: „Ich fühl mich etwas unsicherer, sagen wir mal, speziell, also das

fällt mir ganz deutlich auf in Fußgängerzonen. Egal wo ich bin, ja, da fühl ich mich also deutlich behindert. Nicht behindert, aber da fühl ich mich unsicherer durch diese verdammte Radfahrerei.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

Als Umweltbarriere auf alltäglichen Wegen werden des weiteren Dun-kelheit, schlechte Witterungsbedingungen (Regen, Schnee, Glatteis, Hitze) sowie die Beschaffenheit von Wegen (Unebenheiten, Kanten, Treppen und Steigungen) genannt. Auch Aspekte der Wohnumgebung spielen eine Rolle. Als Schwierigkeit wird auch erwähnt, keine Begleit-person zu haben, mit der außerhäusliche Aktivitäten einfacher und vor allem auch lustvoller bewältigt werden könnten: „Ich geh eigentlich immer gerne raus, sommers wie winters [...],

wenn nicht grad Glatteis is und ein Meter Schnee.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Wenn ich irgendwo muss, dann geh ich. Ich gehe {auch} gerne, wenn man irgendwie {mit jemandem} zusammen geht.“ (Herr Paul, 84 Jahre alt, Mannheim)

Bewältigung erlebter Schwierigkeiten bei der Ausführung alltäg-

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licher Wege Personen mit Mobilitätseinschränkungen erleben Einschränkungen ihrer bisherigen Lebensweise, insbesondere aber ihres Mobilitätsverhaltens, in vielfältiger Weise. Sie sind durch plötzliche Ereignisse oder allmählich sich verändernde person- oder umweltseitige Bedingungen in die Lage versetzt, diese Einschränkungen in ihr Leben integrieren zu müssen und eine Form der Anpassung an diese Veränderungsprozesse zu finden. Diese Anpassung ist wiederum von personellen Voraussetzungen und Umweltbedingungen beeinflusst. Sie beinhaltet zum einen Änderungen des eigenen Denkens und Verhaltens bezüglich der als kritisch erlebten Situationen und zum anderen eine Anpassung des Denkens und Ver-haltens an die eigenen Ressourcen. Vor diesem Hintergrund werden im folgenden Abschnitt Potenziale älterer Menschen vorgestellt, die sie bei der Bewältigung von Situationen und Prozessen eingeschränkter Mobilität bzw. von als schwierig erlebten Situationen bei der Ausführung alltäglicher Wege erfolgreich einsetzen.

Anpassung an schwierige SituationenIm Kontext der erlebten Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen (vor allem in ihrer Rolle als Verkehrsteilnehmer – sei es als Fußgänger, Radfahrer oder Autofahrer) wird von den älteren Menschen die Anpas-sung eigener Verhaltensweisen an Situationen im Straßenverkehr genannt. Erwähnt werden konkrete und daraus resultierende Verhal-tensänderungen wie erhöhte Vorsicht und Aufmerksamkeit, aber auch das explizite Einhalten von Verkehrsregeln: „Es ist natürlich ein bisschen hektischer geworden, das kann man

schon sagen, nicht? Und in der Stadt muss ich ja so wahnsinnig aufpassen wenn ich über die große Einkaufsstraße marschiere und die Straße überquere, dann muss ich mit meinen schlechten Augen sehr aufpassen, dass ich nicht eine Straßenbahn übersehe die da ankommt, nicht? Da muss ich also sehr sehr aufpassen.“ (Herr Bäcker, 81 Jahre alt, Mannheim)

„Ich bin früher öfter mal über die Straße gegangen ohne Ampel, wenn ich das überblicken konnte, aber das mach ich heut nicht mehr. Ich benutze heute fast ausschließlich Ampelübergänge.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

In Zusammenhang mit Schwierigkeiten bei der Verkehrsteilnahme wird auch die bewusste Auswahl bestimmter Fahrzeiten oder Verkehrs-mittel (beispielsweise Umstieg vom Auto auf ÖPNV) erwähnt, um si-

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cherer und stressfreier ans Ziel zu gelangen. Auch die eigene Haltung und Ruhe in schwierigen Situationen spielt eine Rolle: „Ich mach halt um den Verkehr ein Bogen, des kann ich mir ja

leisten. Ich muss ja nicht unbedingt, meinetwegen Freitag in der Rushhour auf der Autobahn sein. Des machen wir ganz bewusst.“ (Frau Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)

„Ich überleg mir manchmal, ob ich eine bestimmte Strecke lieber mit dem Rad fahr, weil ich da besser durchkomm - wenn´s nicht allzu weit is. Ach, ich bin sogar schon nach J. mit dem Rad gefah-ren, weil ich gedacht... was war denn da? Da war auch ne Baustelle auf der Autobahn, da hat´s immer gestaut.“ (Frau Zachuber, 66 Jahre alt, Mannheim)

„Ich [...] lass lieber die anderen vorfahren oder überholen oder sonst was. Da halt ich mich immer zurück [...]. Ich fahr lieber außen rum, anstatt dass ich durch die Straßen durchfahr {und} seltener mit dem Auto eben ins Dorf rein. Ganz selten.“ (Herr Bachmann, 82 Jahre alt, Mannheim)

Anpassung an eigene RessourcenDie Erfahrungen der von uns befragten älteren Menschen zeigen dar-über hinaus weitere Strategien, die im Alltag und im Zusammenhang mit der Bewältigung von Mobilitätseinschränkungen als hilfreich erlebt werden. So werden beispielsweise auch die Anpassung des Denkens an die eigenen Ressourcen erwähnt. Von den stärker in ihrer Mobi-lität beeinträchtigten Personen wird in diesem Zusammenhang immer wieder auch eine Konzentration auf das Notwendige betont. Es wird beispielsweise auf Wege des Alltags verwiesen, die insbesondere der Aufrechterhaltung der selbstständigen Lebensführung dienen und somit erledigt werden müssen. Dies kann vor allem für alleinstehende und gesundheitlich beeinträchtige ältere Menschen eine Herausforderung darstellen: „Aber ich geh ja bloß dahin noch, wo ich muss: Zum Einkaufen

oder zum Arzt [...]. Ich muss das machen, wo ich brauch, und alles andere ist für mich überflüssig, brauch ich nicht.“ (Frau Anton, 81 Jahre alt, Mannheim)

Gleichzeitig werden Wege, die schwer fallen, aber vermeidbar sind,

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reduziert oder nicht mehr in Betracht gezogen, um Kraft und Energie für das Notwendige zu erhalten - allerdings nicht passiv, sondern bei-spielsweise durch aktives Aushandeln mit anderen Personen: „Da geh ich halt nicht hin. Fertig. Ganz einfach. Ich will manchmal

noch zu Freunden und Bekannten und so, aber dann, wenn die in einem Haus wohnen, wo ich da Treppen laufen muss, da sag ich: Kommt ihr.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Neben der Konzentration auf das „Notwendige“ werden von den älteren Menschen auch die Anpassung der Verhaltensweisen an die eigene Leistungsfähigkeit sowie die jeweiligen Umweltbedingungen genannt. Wie wichtig das Einlegen von Ruhepausen für die älteren Menschen ist, wird in diesem Zusammenhang immer wieder betont: „Zum Friedhof muss ich [...], ich geh dann, dann steh ich, dann

geh ich wieder, so schön langsam.“ (Frau Maurer, 81 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, da muss ich also schon mal, sagen wir mal ein Päuschen mal verschnaufen oder so was, ja. Aber das hindert mich trotzdem nicht daran, den Weg zu gehen wie früher auch, denn ich will den Weg dann wieder gehen, weil ich ihn schön finde.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

Ein Teil der Älteren mit Mobilitätseinschränkungen berichtet, sich auf-grund der Beschwerden aus dem aktiven Verkehrsgeschehen teilweise oder ganz zurückgezogen zu haben. Dieser Rückzug ist nicht immer nur bewusst entschieden, sondern oft auch eine Folge insgesamt nach-lassender Kräfte: „Normalerweise, muss ich sagen, fällt mir alles schwer. Ich bleib

lieber daheim seit ein paar Jahren. Früher [...] war ich [...] sehr lebendig mit allem. Aber jetzt geht´s halt nicht mehr“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Unangenehm, die Hektik, und es sind so viele Autos geworden hier, die Hektik, alle haben´s eilig. Ich habe mich zurückgezogen aus diesem Verkehr.“ (Herr Quast, 86 Jahre alt, Mannheim)

Doch ein Rückzug aus dem aktiven Verkehrsgeschehen bedeutet nicht immer nur einen „Rückzug ins Private“, eine nach innen gerich-tete Tendenz. Er kann auch Chancen und Möglichkeiten bieten, in der Situation der Mobilitätseinschränkung neue, sinnstiftende Aktivitäten – sowohl inner- als auch außerhäuslich – zu finden bzw. zu aktivieren, die den eigenen (eingeschränkten) Fähigkeiten entsprechen. Genannt werden neben innerhäuslichen und hausbezogenen Aktivitäten wie

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Lesen, Kreuzworträtsel lösen, Auseinandersetzung mit kulturellen und wissenschaftlichen Themen in Literatur und Fernsehen, auch körperli-che Aktivitäten: „Ich hab mich damit abgefunden hier. Ich kann mich anderweitig

beschäftigen hier. Nun ja, ich mache viel im Garten, ich lese, mache meine Aufgaben hier.“ (Herr Quast, 86 Jahre alt, Mann-heim)

„Das einzige, was mir geblieben ist: Denken. Ich tu viel lesen. Aber es gibt Tage, so wie heute, wo ich Lesen nicht mehr kann. Dann ist es so anstrengend. Wenn ich mit der Brille nicht lesen kann, hör ich auf [...]. Ich kann, was ich außerhalb vom Haus mach, das sind noch kleine Gartenarbeiten.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

Neben den genannten aktiv-praktischen oder verhaltensorientierten Res-sourcen werden von den befragten älteren Menschen immer wieder auch – direkt oder indirekt – gedankliche Aspekte der Auseinandersetzung mit Mobilitätseinschränkungen genannt. Eine Gruppe von Personen gibt an, recht gut mit der Situation fertig zu werden, auch vor dem Hintergrund, die Einbuße zu akzeptieren. Das bedeutet für einige der Befragten ins-besondere auch das eigene Bemühen, die täglichen (außerhäuslichen) Ziele auch mit der Einschränkung bestmöglich zu erreichen: „Sie meinen so seelisch? Dass man mit fertig wird? Ach, ich muss

sagen, nachdem ich halt spüre, dass ich’s nicht mehr kann, werd ich eigentlich ganz gut damit fertig und mein Mann ...der wandert noch {das ist seine ‘Auszeit’ von der Betreuung und Pflege der Partnerin einmal in der Woche}.“ (Frau Colins, 83 Jahre alt, Mann-heim)

„Ja, ich komm ganz gut zurecht, ich bemühe mich aber auch. Ich bemühe mich darum, ich sehe ja, dass es andern Menschen auch, und zum Teil - vom Laufen oder Gehen her – noch schlechter geht, aber ich muss wirklich sagen: Ich bemühe mich.“ (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

Auch resignative Tendenzen, Traurigkeit, werden spürbar, insbeson-dere bei sehr schwer in ihrer Mobilität beeinträchtigten Personen. Es wird die Sehnsucht nach einer „Normalität“ deutlich, die nicht mehr auf die Art und Weise realisiert werden kann, wie es vor Eintritt der Mobili-tätseinschränkung möglich gewesen ist: „Ich hab mich reingefügt, ich kann doch nichts erzwingen. Ich

ging auch gerne mal einkaufen [...]. Das geht doch nicht anders, ich kann doch nichts anders. Es würd nicht anders, wenn ich

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jammern würde, das ändert nichts.“ (Frau Englert, 79 Jahre alt, Chemnitz)

Soziale und instrumentelle UnterstützungEin ganz zentraler Aspekt der Bewältigung von Mobilitätseinschrän-kungen ist die Inanspruchnahme sozialer Unterstützung. Die Antworten der älteren Menschen zeigen, welche Vielfalt an Unter-stützungspotenzialen vorhanden ist und von ihnen auch genutzt wird. Familienangehörige spielen in diesem Zusammenhang eine besonders wichtige Rolle. Neben dem Ehepartner werden insbesondere Kinder und Enkelkinder angeführt: „So lange ich so gut die Kinder und Enkel hab [...]. Vor 14 Tagen

ist meine Schwester gestorben in Stuttgart, da kamen sie sofort und haben mich runter gefahren. Die lassen mich nicht mal auf die Autobahn allein fahren. Die sagen: Opa, wir wissen, dass du gut fährst, aber wenn was passiert.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Wenn meine Schwiegertochter aus X. herkommt, die kauft dann mit mir was ein, also, wir haben das so eingetaktet, der eine ist dafür verantwortlich und der andere macht das.“ (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

Auch Freunde und Nachbarn spielen in Zusammenhang mit mobili-tätsunterstützenden Hilfeleistungen eine wichtige Rolle: „Mein Gesundheitszustand geht so, dass ich einkaufen kann und

wenn etwas Schweres ist, helfen mir meine Nachbarn [...]. Die guten Beziehungen in der Nachbarschaft helfen mir entscheidend.“ (Herr Fegert, 79 Jahre alt, Chemnitz)

„Also ich hab Angebote aus dem Haus, also da gibt es Leute, die da sagen: „Sowie irgend etwas ist, kommen Sie und klingeln“. (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

Als professionelle Hilfen werden von den älteren Menschen unter anderem Sozialstation, „Essen auf Rädern“ und mobile Lieferdienste, beispielsweise für Getränke, genannt. Die Tatsache jedoch, dass diese Hilfen wesentlich weniger häufig angesprochen werden als familiale oder nachbarschaftliche Unterstützung, liegt zum einen an dem - bis auf wenige Ausnahmen - doch vergleichsweise hohen Mobilitätsniveau der Befragten, aber auch an der zum Großteil von den Familien erbrachten Unterstützungsleistungen. Die Frage, die in diesem Zusammenhang gestellt werden muss, aber mit den vorhandenen Daten noch nicht

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ausreichend geklärt werden kann, ist, wie Personen mit Mobilitäts-einschränkungen und ohne familiären Unterstützungshintergrund ihre alltäglichen Wege bewältigen und insbesondere, welche Unterstüt-zungsmöglichkeiten dieser Personenkreis für sich selber sieht, damit passende Unterstützungsmöglichkeiten auf Grundlage dieser Einschät-zungen gezielt konzipiert werden können.Eine weitere Möglichkeit, Mobilitätseinbußen zu kompensieren, ist die Nutzung von Hilfsmitteln. Diese kann bereits aktiv zur Optimierung der eigenen Mobilität erfolgen, aber auch aufgrund von Erfahrungen und An-regungen anderer als Möglichkeit in Erwägung gezogen werden. Unter Hilfsmitteln werden allerdings nicht nur Geräte genannt, die die Mobilität unmittelbar verbessern, sondern beispielweise auch Anwendungen wie manuelle Therapie oder Massagegeräte, die die Muskulatur kräftigen und somit auch die körperliche Mobilität erhöhen können: „Da hab ich nen Sessel gekauft [...]. Die Entspannung, sehen Sie,

und wenn ich die Schmerzen hab und setz mich da rein, die sind Nullkommanix weg. Ja, ich tu mich ausruhn. Und durch die Lage, die gestreckte Lage an der Wirbelsäule, da sind die Schmerzen weg im Nullkommanix.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

„Ich könnte mir vielleicht vorstellen, wenn ich nen Rollator habe, dass ich mich stützen kann und die Haftung mit dem Boden oder mit der Unebenheit dann beheben kann oder leichter machen kann, will ich mal sagen, dass könnt ich mir vielleicht vorstellen, durch ein Hilfsmittel.“ (Frau Dahlmann, 87 Jahre alt, Mannheim)

Eine konkrete Erleichterung der alltäglichen außerhäuslichen Mobi-lität wäre es, wenn häufiger ein Fahrstuhl zur Verfügung stehen würde – ein Aspekt, der auf die Gestaltung von Umwelt allgemein verweist, wie sie für ältere Menschen ebenso wie für andere Personengruppen (körperbehinderte Menschen, Mütter mit Kindern/ Kinderwagen) wün-schenswert wäre: „Ich hab mich ja dran gewöhnt, dass ich nu 87 Jahre alt bin, dass

es da nich mehr so geht wie früher. Das Alter macht mir doch zu schaffen [...]. Fahrstuhl im Haus, das wär’ für uns die größte Erleichterung.“ (Herr Zander, 87 Jahre alt, Chemnitz)

„{Wunsch}: Das wär’ überall ein Fahrstuhl – und der ist nicht überall.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

5.2.3 Immobile Personen

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Nachdem in den vorangegangenen Abschnitten Mobilitätseinschrän-kungen und Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen im Mittelpunkt der Ausführungen standen, wird im Folgenden die spezielle Lebens- und Mobilitätssituation von fünf Personen näher betrachtet, die zum dritten Messzeitpunkt angaben, keinen Weg mehr selbstständig ausführen zu können (siehe noch einmal Tabelle 12 im Anhang). Diese vier Frauen und ein Mann gehören zu den 28 Personen, die 200� eine Verschlechterung ihrer Mobilität berichten. Da es sich um eine kleine Zahl von Personen mit je spezifischen Lebenslagen handelt, wird anhand von Fallgeschichten individuell auf die Situation dieser Personen Bezug genommen. Frau Colins ist 83 Jahre alt, verheiratet und lebt mit ihrem Ehemann in Mannheim. Seit ca. zwei Jahren ist sie in ihrer außerhäuslichen Mobilität erheblich eingeschränkt und kann ihre Wohnung allein und ohne Unterstützung nicht mehr verlassen. Ihr Ehemann übernimmt die außerhäuslichen Pflichten, der Arzt kommt ins Haus und die Nachbarn schauen vorbei, wenn der Ehemann einmal mit Freunden Wandern geht. Auch der Sohn unterstützt Frau Colins. Das ist allerdings nicht so häufig möglich, da er berufstätig ist und nicht in Mannheim wohnt. Frau Colins hat es früher viel bedeutet, außer Haus zu gehen. Sie war sehr naturverbunden und hat nicht nur Ziele in der Stadt, sondern auch im weiteren Umland für ihre außerhäuslichen Aktivitäten ausgewählt. Frau Colins hat sich mit ihrer Situation abgefunden, „weil man halt doch spürt, es geht halt einfach nicht mehr“. Herr Nolte ist 88 Jahre alt, verheiratet und lebt mit seiner Frau in Mann-heim. Herr Nolte leidet seit vielen Jahren an Diabetes. Aufgrund einer Kriegsverletzung des Armes ist er bei der Ausführung von Aktivitäten behindert. Seine bestehenden Mobilitätseinschränkungen haben sich im �-Jahreszeitraum seit der letzten Mobilitätsbefragung im Jahre 2000 so verstärkt, dass er bei der Ausführung aller außerhäuslichen Wege auf Unterstützung angewiesen ist. Ein für Herrn Nolte sehr einschnei-dendes und schmerzliches Ereignis war die Aufgabe des Autofahrens, die ebenfalls in diesen Zeitraum fällt. Obwohl Herr Nolte in seinem Aktionsradius an das Haus gebunden ist, sieht er sich nach wie vor als aktiv handelnden und selbstbestimmten Menschen. Für die Dinge, die er im Haushalt benötigt und die er früher selbst erledigen konnte, hat er folgende Lösung gefunden: „Ja, ich sorg dafür, dass jemand da ist und mir hilft.“ Dazu zählt er neben seinen Kindern und Enkeln auch Freunde, Bekannte und Nachbarn. Möglichkeiten seine Situation zu verbessern sieht er eigentlich nicht „und wenn was zu verbessern ist, dann muss ich´s selber machen“; meint er. Aus dem Haus gehen zu können war für Herrn Nolte Zeit seines Lebens bedeutsam. „{Früher}, da hat man

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mehr Freiheit gehabt und hat sein Leben dementsprechend eingestellt.“ Dazu, dass er gegenwärtig das Haus nicht mehr verlassen kann, sagt er: „Restriktion. Tempora mutantur. Die Zeiten ändern sich [...]. Ist alles eingeschränkt [...] und ich muss mich dementsprechend einstellen [...].“ Das heißt für Herrn Nolte ganz persönlich und im Alltag: „Natürlich, ich will net zum Faulenzer werden, ich muss mich bewegen. Wenn´s auch schwer fällt manchmal [...]. Ich lauf da rum, ich bin auf dem Balkon und mach 20 Kniebeugen, bin auf meinem Bicycle Viertelstund am Drehe.“ Herr Nolte hat sich auf die Lebenssituation eingestellt und er sagt noch einmal: „Man hat nicht mehr die Freiheit, die man hatte. Man ist mehr zu Haus, den ganzen Tag zu Haus [...] und da muss man dementspre-chend sich einstellen.“ Frau Paun ist 70 Jahre alt, verheiratet und lebt mit ihrem Ehepartner in Chemnitz. Seit ca. zwei Jahren erlebt sie aufgrund von Bewegungsein-schränkungen zunehmende Einbußen hinsichtlich ihrer außerhäuslichen Mobilität. Wege, die sie früher selbst erledigen konnte, übernehmen ihr Mann sowie die Kinder und Freunde. Unterstützung durch eine Sozial-station möchte Frau Paun (noch) nicht in Anspruch nehmen. Aus dem Haus gehen zu können war für Frau Paun früher vor allem mit Lebens-freude verbunden, die sie jetzt sehr vermisst.Frau Vahls ist 68 Jahre alt, verheiratet und lebt mit ihrem Ehepart-ner in Chemnitz. Seit 197� ist sie aufgrund verschiedener schwerer Erkrankungen (Diabetes, Herzrhythmusstörungen und Krebs) in ihrer Bewegungsfähigkeit stark eingeschränkt und an den Rollstuhl gebun-den. Sie sagt: „Kann allein gar nichts mehr tun, bin auf ständige Hilfe meines Mannes angewiesen“. Auch durch ihre Kinder erhält Frau Vahls Unterstützung, wenn auch eher selten, was durch deren Berufstätigkeit bedingt ist. Der Ehemann erledigt fast alle inner- und außerhäuslichen Aktivitäten wie Einkäufe, Erledigungen (Sparkasse, Apotheke usw.). Da Frau Vahls ohne Unterstützung das Haus nicht mehr verlassen kann, hat sie nur selten und wenig Kontakt zur Außenwelt, Interes-se an besonderen Aktivitäten hat sie kaum noch. Doch nicht nur die körperlichen und gesundheitlichen Einschränkungen, sondern auch Umweltbedingungen erschweren die außerhäuslichen Aktivitäten von Frau Vahls: „Besuche bei {den} Kindern {sind} äußerst selten, da kein Lift vorhanden und mit dem Rollstuhl die Wohnung nicht erreichbar {ist}“. Mit Blick in die Zukunft sagt Frau Vahls: „Ich hoffe, dass mein Zustand sich nicht weiter verschlechtert. Hoffnungen habe ich keine! Mein sich ständig verschlechternder Zustand belastet zunehmend meinen Mann, der seine Leistungsgrenze erreicht hat.“

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Frau Englert ist 79 Jahre alt, lebt in Chemnitz und ist seit �6 Jahren verheiratet. Bereits vor fünf Jahren war sie in ihrer Beweglichkeit stark eingeschränkt, was auf einen schweren Unfall (Becken- und Ober-schenkelhalsfraktur) zurückzuführen ist. Seit der letzten Befragung im Jahr 2000 und aufgrund eines Zuckerschocks vor vier Jahren haben sich ihre gesundheitlichen Beschwerden weiter verschlechtert, so dass Frau Englert ohne Hilfe keinen außerhäuslichen Aktivitäten mehr nachgehen kann. Auch Arztbesuche können nicht mehr bewältigt wer-den, der Arzt kommt ins Haus. Frau Englert klagt über Schmerzen und nachlassende Bewegungsfähigkeit. Die kontinuierliche Unterstützung im Alltag wird von ihrem Ehemann erbracht, die Krankenschwester eines Ambulanten Dienstes kommt allabendlich zur Diabetesbehandlung. Der plötzliche Tod ihrer Therapeutin im Sommer diesen Jahres war ein sehr schmerzhaftes Ereignis für Frau Englert und ihren Mann: „Ich hatte eine Therapeutin, die seit dem {Unfall} hier zu uns kam und dann hat sich das so eingebürgert gehabt, dass das wie unsere Tochter war, kam zum Essen und Kaffeetrinken und allem und is ganz plötzlich jetzt gestorben mit 34 Jahrn [...]. Die vermissen wir sehr, die war wie unsere Tochter. Und [...] sie kam: ‘Dass ihr auch mal rauskommt, ich fahr euch mal dort und dort hin, wir gehen mal essen, tust mal nich kochen – das ist für uns en tüchtiger Schlag.“Die Fallgeschichten der immobilen älteren Menschen zeigen einen stark unterstützungsrelevanten Aspekt der Mobilität im Alter auf. Die betroffenen Personen bewältigen ihre Mobilitätseinschränkung auf un-terschiedliche Weise. Die Themenschwerpunkte sind für Frau Colins das „sich abgefunden haben“, für Herrn Nolte das „sich einstellen auf die Situation und selbst für sich sorgen“ und für Frau Paun, Frau Vahls und Frau Englert die „soziale Unterstützung“. An den beiden letztge-nannten Beispielen wird deutlich, dass eine durch schwere Krankheit und Immobilität geprägte Lebenssituation aufgrund von Überlastung oder Ausfall einer Hauptunterstützungsperson sowie den damit verbundenen psychosozialen Folgen prekär werden kann.

5.2.4 Erlebte Anregungen auf alltäglichen Wegen Die Zahlen zum Thema „Alltägliche Wege“ der von uns befragten älteren Menschen zeigen, dass – mit Ausnahme der fünf immobilen Personen – 83 % der Älteren (64 Personen) am Vortag des Interviews außer Haus waren und 84 % (69 Personen) alle Wege noch selbstständig ausführen können – und das bei einem Durchschnittsalter von 7�,2 Jahren! Daraus leitet sich ab, dass es nicht nur Barrieren sind, die ältere Menschen auf

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ihren Wegen erleben, sondern dass damit auch wichtige Erfahrungen und schöne Erlebnisse verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wer-den im Folgenden Aspekte der „Anregung“ vorgestellt, die für diesen Personenkreis eine wichtige Motivation darstellen, außerhäuslich aktiv zu sein. An dieser Stelle soll auch noch einmal auf die in Abschnitt �.1.1 dargestellten Kategorien zur Bedeutung außerhäuslicher Mobilität im Alter verwiesen werden.

Motivationen, außerhäuslich aktiv zu seinIn den Interviews werden vielfältige Motive dafür genannt, außerhäus-liche Aktivitäten auszuüben. Diese korrespondieren in Teilen mit den Mobilitätsbedeutungen (beispielsweise werden auch hier Freude, Na-turerleben, soziale Kontakte, Bewegung und frische Luft sowie Anregung genannt), gehen aber in einigen Aspekten noch über diese hinaus. Eine zentrale Motivation, außerhäuslich aktiv zu sein, ist für eine Viel-zahl der befragten älteren Menschen das Ziel der außerhäuslichen Aktivitäten. Mit dem Zielaspekt wird sowohl ein „Ziel zu haben“ als auch „kein Ziel zu haben“ sowie „als unangenehm erlebte Ziele“ (siehe oben Schwierigkeiten auf Wegen) in Verbindung gebracht: „Ich würd’ sofort jetzt rausmarschieren und wenn ich da irgendwas

sehen will, was sich da tut, da hab ich keine..., jederzeit [...]. Ja nicht aus reiner Routine, nicht, dass einem die Decke auf den Kopf fällt, sondern wenn, dann hab ich auch ein Ziel. Ja, also nicht nur aus Langeweile, würd’ ich mal gucken, fahr ich mal da rum.“ (Herr Müller, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Ich kann nur sagen, leicht isses, wenn ich nix drauss’ zu schaffe hab [...]. Vor allen Dingen, wenn´s sonntags ist, Samstag, ne, dass ich also kein zielgebundenes Gehen hab, sondern zur Freude, zur Erheiterung.“ (Herr Ober, 77 Jahre alt, Mannheim)

Als eine weitere Motivation, außer Haus zu gehen, wird die Gewohnheit genannt, schon immer gern außerhäuslichen Aktivitäten nachgegangen zu sein, was einen wichtigen Entwicklungsaspekt beinhaltet, nämlich lebenslange aktive Mobilität, die „zur Gewohnheit“ geworden ist und zum Leben dazugehört: „Ich bin gewohnt, rauszugehn an die frische Luft, brauch de

Sauerstoff. Kühlere feuchte Wetter, das ist super für mich. Da ist der Sauerstoff besser [...]. Gut, ich hab, muss dazu sagen, ich hab einen großen Balkon, wo ich auch noch raus kann, ja, aber bloß dahin? Da denk ich nicht dran. Nein, es ist echt, da denk ich

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nicht dran, weil ich gewohnt bin, ewig.“ (Frau Helm, 74 Jahre alt, Mannheim)

Eine angenehme Wohnlage, eine gute Nachbarschaft und ruhige Verkehrslage ebenso wie ein „barrierefreies“ Verlassenkönnen des Hauses werden als Erleichterung außerhäuslicher Mobilität erlebt. Dar-über hinaus unterstützen vorhandene oder nahräumlich verfügbare Verkehrsmittel die älteren Menschen in ihrem Wunsch, außerhäuslich aktiv zu sein: „Na leicht, dass hier viele Nebenstraßen sind, wo der Verkehr

nicht ganz so doll ist und im Haus en Fahrstuhl.“ (Herr Niemann, 92 Jahre alt, Chemnitz)

„Die ruhige Umgebung ist angenehm, wo wir wohnen. Wir haben wenige Steigungen zu bewältigen, die Bushaltestelle ist relativ günstig.“ (Herr Gässner, 76 Jahre alt, Chemnitz)

Schließlich sind auch als angenehm erlebte Wege, sogenannte „Lieb-lingswege“, eine Motivation, außer Haus zu gehen. „Lieblingswege“ werden von den älteren Menschen im Alltag, aber auch im Rahmen von Freizeit- oder Urlaubsaktivitäten, in der unmittelbaren Wohnumgebung oder in weiter entfernten Gegenden zurückgelegt. Ein Hund kann dabei ein wichtiger Begleiter sein. Die befragten Frauen und Männer nennen eine Vielzahl von „Lieblingswegen“, die ihnen den Aufenthalt außer Haus zu einem Erlebnis werden lassen und die sie zu Fuß oder mit dem Fahrrad, mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln bewälti-gen. Die älteren Menschen charakterisieren diese Wege vor allem als naturnah mit wenig Verkehr, sauberer Luft und weichem Boden (z.B. Waldboden, kein Asphalt). Es handelt sich insbesondere um Wald-, Feld- und Parkwege sowie Wege an Flüssen („Uferwege“) innerhalb der Stadt, in der näheren Umgebung oder an Ausflugsorten. Dabei wird der Aspekt intensiven Naturerlebens immer wieder betont. Die aktive Nutzung solcher Wege schafft Vertrautheit und trägt dazu bei, dass sich ein Gefühl von Heimat entwickelt: „Wenn meine Frau sich mittags schlafen legt, dann mach ich

meinen Rundgang, und der dauert eine Stunde, normalerweise. Und dann geh ich immer nur ins Freie. Über die Äcker, über die Felder, über die Wiese. Da drüben ist ein wunderschöner Park angelegt. Des ist der sogenannte X-park, ja den kann man auch schön gehen. Also nur im Freien, keine Häuser.“ (Herr Bachmann, 82 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, gehen tu ich ja fast jeden Tag mit meinem Hund und zwar

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im X-park. Also Waldwege, ja, Waldwege oder Gartenwege, da drüben sind so wunderschöne Kleingärten im Herbst oder im Winter, da laufen wir immer da durch, weil der Hund da nicht an die Leine muss. Aber im Sommer geh ich also mit ihm manchmal kreuz und quer durch den X-park, ne.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Ich liebe Spaziergänge in den Wald, genieße Natur und Ruhe {und} angenehmes Laufen auf weichem Untergrund.“ (Herr Kon-stantin, 71 Jahre alt, Chemnitz)

„Ja, da lauf ich dann das Ufer lang, nicht? Oder auch mit dem Fahrrad..., ja das ist halt schön. Is meine Heimatgegend, wenn Sie so wollen. Is ein gewisses Heimatgefühl.“ (Herr Bäcker, 81 Jahre alt, Mannheim)

(Fast) im Gegensatz zu den Naturwegen erwähnen die älteren Men-schen auch Fahrten oder Ausflüge ins Stadtzentrum, um „Bummeln zu gehen“ oder auch einfach, um Bekannte zu treffen: „Das ist Leben und man trifft vor allen Dingen, was bei mir schon

fast krankhaft ist, immer wieder Leute. Das ergibt sich halt, ein Leben in einer Stadt.“ (Herr Richard, 71 Jahre alt, Mannheim)

„Zum Beispiel mit der {Straßenbahn} nach Y [...], das mach ich ab und zu. Dann steig ich aus, geh durch die X-straße, guck mir die Geschäfte an oder setz mich mal unten am {Fluss} irgendwo hin. Da muss ich nicht unbedingt jemand dabei haben. Das mach ich dann so für mich.“ (Frau Ernst, 71 Jahre alt, Mannheim)

„Also ich geh gern in die Stadt ins Zentrum zum Einkauf, zum Bummeln durch die Warenhäuser schlendern, das ist eigentlich so ein kleines Hobby von mir, in die Stadt gehen, wo Menschen sind und durchlaufen.“ (Herr Richard, 71 Jahre alt, Mannheim)

„Ich geh gern, ich geh zum Beispiel gerne einkaufen. Also die technischen Dinge des täglichen Bedarfs, also Essen, Trinken.“ (Herr Steuber, 65 Jahre alt, Chemnitz)

Von den älteren Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen werden – erwartungsgemäß – eher „Lieblingswege“ genannt, die sich im unmit-telbaren Umfeld der Wohnung befinden. Um so wichtiger ist es, genau dieses Umfeld so zu gestalten, dass Anregungsgehalt und Nutzer-freundlichkeit gegeben und auf die Bedürfnisse dieser Personengruppe zugeschnitten sind: „Bei uns im Wohngebiet da gibt es sehr schön, wo man spazieren

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gehen kann, mit viel Grün und kein Straßenverkehr. Oder wenn wir mit dem Auto fahrn, da fahr wir auch dann die Nebenstraßen, nicht so direkt die Hauptstraße.“ (Frau Trautwein, 67 Jahre alt, Chemnitz)

Zusammenfassung In Abschnitt �.2 wurden die alltäglichen Wege älterer Menschen

vorgestellt. Diese Wege sind eng mit der Aufrechterhaltung einer selbstständigen Lebensführung verbunden und werden von den Älteren mehrheitlich zu Fuß erledigt. Das heißt, die Füße stellen das zentrale „Fortbewegungsmittel“ für ältere Menschen dar. 83 % der von uns befragten Personen waren am Vortag des Interviews außer Haus unterwegs, das heißt, nur 17 % der Befragten (das sind 13 von 82 Personen) hatten das Haus am Vortag nicht verlassen. Zu der letzten Gruppe zählen insbesondere hochaltrige Personen, in Mehrpersonenhaushalten lebende ältere Menschen und Perso-nen mit Mobilitätseinschränkungen. Das selbstständige Ausführen alltäglicher Wege war ebenfalls für über 8� % der älteren Menschen möglich, lediglich 1� % der Befragten gaben an, nur noch wenige oder keinen Weg mehr selbstständig außer Haus bewälti

gen zu können. Schwierigkeiten auf Wegen wurden von den Senioren zum einen aufgrund eigener gesundheitlicher Beeinträchtigungen erlebt. Zum anderen spielen in diesem Zusammenhang auch Um-weltbedingungen wie starkes Verkehrsaufkommen und schlechte Witterungsbedingungen eine Rolle. Die erlebten Schwierigkeiten erfordern von den älteren Menschen vielfältige Adaptationsleis-tungen, die sowohl die Anpassung des Denkens und Verhaltens an die erlebten Schwierigkeiten, als auch die Einschätzung der eige-nen Ressourcen vor dem Hintergrund der erlebten Schwierigkeiten beinhalten. Informelle und formelle soziale Unterstützung sowie der Gebrauch von Hilfsmitteln sind in diesem Prozess ebenfalls bedeutsam. Gänzlich immobile Personen stellen in der Gruppe der von uns befragten älteren Menschen einen Anteil von rund 6 % (fünf Personen). Diese Menschen sind in besonderem Maße auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Ihre Fallgeschichten zeigen, dass auch in diesem Personenkreis vielfältige Bemühungen vorhanden sind, um das kritische Lebensereignis „Mobilitätsbeeinträchtigung“ zu bewältigen. Die Fallgeschichten verweisen aber auch auf prekäre Situationen, die durch die Überlastung oder den Ausfall von Unter-stützungspersonen entstehen können.

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Alltägliche Wege sind nicht nur mit Schwierigkeiten verbunden, sie stellen auch vielfältige Anregungen und Motivationen für ältere Menschen dar, außerhäuslich aktiv zu sein. Eine besondere Be-deutung kommt hierbei den sogenannten „Lieblingswegen“ zu, die überwiegend als besonders naturnah beschrieben wurden.

5.3 Freizeit und Reisen im hohen AlterWährend die „alltäglichen Wege“ eher mit der Aufrechterhaltung einer selbständigen Lebensführung in Zusammenhang gebracht werden und somit mehr oder weniger notwendig sind (Unterstützungsaspekt), geht es beim Thema „Freizeit- und Urlaubsmobilität“ eher um ästhetische und rekreative Momente im Hinblick auf die damit verbundenen Mobili-tätsziele („Anregungsaspekt“, Lawton, 1989). Das Thema Freizeit- und Reiseaktivitäten älterer Menschen hat in den vergangenen Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen, weil immer mehr, auch gesund-heitlich eingeschränkte ältere Menschen an diesem Mobilitätsbereich teilhaben und selbigen mitgestalten wollen. Diese Tatsache fordert die Anbieter heraus, ihre Leistungen an die Bedürfnisse speziell dieser Kundengruppe anzupassen. So üben ältere Menschen beispielsweise acht bis neun von zehn Freizeitaktivitäten im nahen Wohnumfeld aus (Rudinger et al., 2004).

5.3.1 Zufriedenheit mit Freizeit- und ReisemöglichkeitenAls typische Beispiele für Kontinuität und Veränderung von Freizeit- und Reiseaktivitäten im Alter werden im Folgenden zunächst die Fallge-schichten von Frau Pfeil, Herrn Röder und Frau Weimann berichtet. Abbildungen, die die Zufriedenheiten mit Freizeit- und Reisemöglich-keiten der Gesamtgruppe der befragten älteren Menschen sowie die individuellen Werte von Frau Pfeil, Herrn Röder und Frau Weimann darstellen, ermöglichen darüber hinaus einen direkten Vergleich der diesbezüglichen Zufriedenheiten.

Frau Pfeil ist 70 Jahre alt, geschieden und lebt in Mannheim allein in ihrer Wohnung, die sich in zentraler Lage befindet. Das Beispiel von Frau Pfeil wird an dieser Stelle stellvertretend für die (wenigen) Personen angeführt, deren Zufriedenheit mit Freizeit- und Reise-möglichkeiten sich im Verlauf der vergangenen fünf bis zehn Jahre

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verbessert hat, für sie insbesondere zwischen 2000 und 200�. Als Grund für diese Veränderungen erwähnt Frau Pfeil die in diesem Zeitraum bewältigte Betreuung ihrer fast 100-jährigen Mutter, die aufgrund der Schwere der Erkrankung, des langen Sterbeprozes-ses und der räumlichen Entfernung viel Kraft und Zeit in Anspruch genommen hat, so dass wenig Raum für eigene Interessen und Reisen geblieben war. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2002 begann Frau Pfeil nach und nach ihre inner- und außerhäuslichen Freizeit-, vor allem aber ihre Reiseaktivitäten wieder aufzunehmen, die sie schon in der Zeit des Übergangs in den Ruhestand für sich geplant hatte. Frau Pfeil beschäftigt sich zu Hause am liebsten mit ihrem Computer und ihrem Videorekorder, denn seit einiger Zeit ist sie dabei, sich eine Videothek anzulegen. Frau Pfeil liest viel und hört gern Musik. Das Fernsehen nutzt sie nur für Sendungen, die sie besonders interessieren: „Kulturelle Sendungen, Politik und auch mal ‘ne Seifenoper, wenn’s sein muss [...].“ An den „Seifenopern“ interessiert sie aber nicht die Geschichte, sonder Frau Pfeil nutzt diese Art von Sendungen auch, um dem Zeitgeist näher zu kommen. „Sie sehen diese Leute [...], wie oft die ihre Wohnungseinrichtungen ändern [...], was die Jugendlichen tragen, was sie sagen, was sie sprechen, wie ihre Sprache ist, die ganzen Schlagwör-

ter und das alles, und auch die Einstellung, die moralische Einstel-

lung, das ist das, was mich eigentlich an diesen Serien interessiert.“ Frau Pfeil besucht gern Museen, Theateraufführungen und Konzerte, im Sommer insbesondere auch Freilichtveranstaltungen. Sie betätigt sich auch sportlich mit Gymnastik, Tai Chi und Bowling. Was das Thema Reisen angeht, ist Frau Pfeil insbesondere an Tagesreisen, Kulturfahrten, aber auch an größeren Reisen interessiert, die sie nach dem Tod ihrer Mutter wieder häufiger ausführt: „Ja, da war ich in London eine Woche und eine Woche in Prag und in Paris und dieses Jahr mach ich ne zweiwöchige Reise durch die baltischen Länder.“

Herr Röder ist 74 Jahre alt, verheiratet und lebt mit seiner Frau in Chemnitz. Für Herrn Röder haben sich hinsichtlich der Themen Frei-zeit und Urlaub in den vergangenen zehn Jahre keine Veränderungen ergeben. Nach wie vor ist Herr Röder an vielen Dingen interessiert: Er liest sehr viel, beschäftigt sich mit seinem Computer und ist auch sportlich aktiv – vor allem Gymnastik betreibt er gern. Auch die Nähe

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und Verbundenheit zu seiner Frau ist ihm im Zusammenhang mit Freizeitaktivitäten wichtig. Außerhäusliche Aktivitäten berichtet er ins-besondere im Kontext seines Engagements in einer Bürgerinitiative und einer Parteigruppe, die sich unter anderem für bessere Wohn- und Lebensbedingungen älterer Menschen im Stadtteil einsetzen. Zum Thema „Reisen“ meint Herr Röder: „Ich reise noch fleißig und da hab ich keine Probleme“, was sich auch in seiner über die Zeit gleichbleibend hohen Zufriedenheit widerspiegelt.

Frau Weimann ist 8� Jahre alt, verheiratet und lebt mit ihrem Mann

in Mannheim. Ihr Beispiel wird hier stellvertretend für die Personen angeführt, deren Zufriedenheit mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten im Verlauf der vergangenen fünf bis zehn Jahre abgenommen hat. Der Grund für die Abnahme der Zufriedenheit mit Freizeit- und Rei-semöglichkeiten ist die Krankheit von Frau Weimanns Ehepartner, der seit einem Schlaganfall in seiner Bewegungs- und Reaktionsfä-higkeit sehr eingeschränkt ist, so dass Frau Weimann ihm im Alltag mit vielfältigen Unterstützungsleistungen zur Seite stehen muss.

Das hat Auswirkungen auf ihre eigenen Aktivitäten – auf die Freizei-taktivitäten, aber mehr noch auf die Reiseaktivitäten. Weil ihr Mann nicht mehr reisefähig ist, gibt es keinen Urlaub mehr, obwohl Frau Weimann selber noch verreisen könnte und dies auch gerne noch tun würde, aber es allein und ohne ihren Mann nicht tun möchte. Die letzte große Urlaubsreise liegt zehn Jahre zurück: „Nach Österreich, da ist mein Mann auch noch gefahren, also lange Strecken ist früher immer mein Mann gefahren.“ Ein Jahr später sind Frau und Herr Weimann noch einmal gemeinsam drei Wochen zur Kur gefahren: „Das war so hervorragend. Wir waren beide den ganzen Tag mehr oder weniger beschäftigt, mein Mann natürlich noch intensiver als ich, ich konnte also schwimmen soviel ich wollte – ja, das vermiss ich auch – aber da muss ich mal noch ne Lösung finden auch für den Winter.“ Zu dieser Zeit konnte Herr Weimann schon nicht mehr selber Auto fahren. Aus diesem Grund hat der Sohn die Eltern zum Kurort gefahren und auch wieder dort abgeholt. Seit zehn Jahren gehen Herr und Frau Weimann nicht mehr in den Urlaub.

Die für die Gesamtgruppe durchschnittliche Zufriedenheit mit den vor-handenen Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten auszuüben, liegt im oberen Drittel der Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und

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gar zufrieden“) zwischen M=8,1; SD=2,0 (1995), M=7,9; SD=2,4 (2000) und M=7,5; SD=2,3 (200�) und nimmt im Zeitverlauf leicht ab. Die als prototypisch dargestellten Verläufe der Zufriedenheit mit den Freizeit-möglichkeiten von Frau Pfeil, Herrn Röder und Frau Weimann verweisen darauf, dass es neben der mittleren Entwicklung der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe auch die je individuelle Entwicklung der einzelnen Personen im Hinblick auf die Zufriedenheit gibt. Diese Entwicklung kann Kontinuität bedeuten, was für Herrn Röder zutrifft. Sie kann aber auch eine wachsende Zufriedenheit mit Freizeitmöglichkeiten aufweisen, wie das Beispiel von Frau Pfeil zeigt. Sie kann aber auch eine tendenziell abnehmende Zufriedenheit aufweisen, was für Frau Weimann zutrifft und tendenziell dem Entwicklungsverlauf der Gesamtgruppe entspricht (siehe auch Abb. 8). Für die Gesamtgruppe ist trotz der hohen Werte ein statistisch bedeutsa-mer Rückgang der Zufriedenheit mit Freizeitmöglichkeiten über die Zeit festzustellen (t=2,0(*)). Diese Tendenz zeigt sich auch für Subgruppen, wobei signifikante Mittelwertsunterschiede zwischen 1995 und 2005 insbesondere für Personen der Altersgruppe 7�+ (t=2,2*), für Männer (t=1,8(*)) sowie für die Gruppe der mobilitätseingeschränkten Personen (t=2,�*) bestehen. Im Vergleich von Mannheim und Chemnitz zeigt sich

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mitFreizeitmöglichkeiten)

Abb. 8: Zufriedenheit mit Freizeitmöglichkeiten

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in beiden Städten ein Rückgang der Zufriedenheit mit Freizeitmöglich-keiten, allerdings auf unterschiedlichem Niveau. Die befragten älteren Menschen in Chemnitz sind im Zeitverlauf jeweils weniger zufrieden mit ihren Freizeitmöglichkeiten als die Mannheimer Befragten (siehe Tabelle 13 im Anhang). Die Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten liegt ebenfalls zu allen Mes-szeitpunkten im oberen Drittel der Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzu-frieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) zwischen M=8,5; SD=2,0 (199�), M=7,9; SD=2,7 (2000) und M=7,0; SD=2,8 (200�). Auch im Hinblick auf diese Bereichszufriedenheit ist innerhalb des 10-Jahreszeitraumes eine Abnahme zu beobachten. Auch dieses Muster einer statistisch bedeut-samen Veränderung über die Zeit zwischen 199� und 200� zeigt sich wieder in allen Subgruppen. Das heißt, die mittlere Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten ist über den Zeitraum von zehn Jahren für die von uns befragten älteren Menschen insgesamt deutlich zurückgegangen (siehe Tabelle 14 im Anhang). Die prototypisch dargestellten Verläufe von Frau Pfeil, Herrn Röder und Frau Weimann verweisen wiederum auf die individuelle Entwicklung der einzelnen Personen im Vergleich zur Entwicklung der Gesamtgruppe. Die individuellen Verläufe können

Abb. 9: Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mitFreizeitmöglichkeiten)

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zum einen Kontinuität bedeuten, was für Herrn Röder auf hohem Niveau und (mit leicht steigender Tendenz) zutrifft. Sie können aber auch eine wachsende Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten beinhalten, was für Frau Pfeil zutrifft. Sie können aber auch eine nachlassende Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten beinhalten, was dem Verlauf der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe und dem Verlauf der Zufriedenheit von Frau Wei-mann entspricht (siehe auch Abb. 9).

5.3.2 Erlebte Veränderungen von Freizeit- und Reiseaktivitäten im Zeitverlauf

Kontinuität und Veränderung zeigen sich nicht nur bei den alltäglichen Wegen, sondern auch im Hinblick auf die rekreativen Elemente außer-häuslicher Mobilität wie Freizeit und Urlaub. Ältere Menschen, und so auch die von uns befragten Personen, üben eine Vielzahl von inner- und außerhäuslichen Freizeitaktivitäten aus. Die Vielfalt der in den Interviews berichteten Aktivitäten entspricht auch nach zehn Jahren noch voll und ganz den 199� herausgearbeiteten Freizeitkategorien (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001, S. 161ff.):1. Soziale Aktivitäten (Freunde und Bekannte treffen, religiöse Veran-

staltungen; Klub- und Vereinsaktivitäten; Seniorenveranstaltungen)2. Häusliche Aktivitäten (Besuch bekommen; Spiele machen; Lesen;

Rätsel raten; es sich zu Hause gemütlich machen; Handarbeiten; „Do it yourself“; Reparaturarbeiten)

3. Mit Mobilität verbundene Aktivitäten (Spazierengehen; Stadtbummel; Ausflugsfahrten; kleinere Reisen; Gartenarbeit; Wandern; Radfahren; aktiv Sport treiben)

4. Kulturelle Aktivitäten (Theater; Kino; Konzerte; Bücherei aufsu-chen)

�. Sonstige Aktivitäten (ins Cafe oder Restaurant gehen; Tanzen; Ke-geln)

Veränderungen von FreizeitaktivitätenDer Rückgang der Zufriedenheit mit Freizeitmöglichkeiten zeigt sich nicht nur auf Mittelwertsebene, sondern spiegelt auch die Veränderung des Freizeitverhaltens wider. Eine solche Veränderung kann zum einen die Aufgabe von Aktivitäten bedeuten, sie kann aber auch heißen, Frei-zeitaktivitäten wieder aufzunehmen beziehungsweise neue Aktivitäten

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für sich zu entdecken. Zum dritten Befragungszeitpunkt 200� geben ca. 42 % der befragten Älteren (32 Personen) und damit fast die Hälfte der Befragten an, dass sich ihr Freizeitverhalten im Verlauf der letzten fünf Jahre verändert hat. Die Werte in den Subgruppen zeigen, dass dies in besonderem Maße für die Altersgruppe der über 7�-Jährigen (�0 %) (im Vergleich dazu die jüngere Altersgruppe: 33 %), für die Chemnitzer Befragten (4� %) (im Vergleich dazu die Mannheimer Befragten: 39 %), für Frauen (�0 %) (im Vergleich dazu die Männer: 3� %) sowie für mobilitätseingeschränkte Personen (61 %) (im Vergleich dazu die nicht mobilitätseingeschränkten Personen: 33 %) zutrifft (siehe Tabelle 1� im Anhang).

Veränderungen von ReiseaktivitätenEin ähnliches Bild ergibt sich im Hinblick auf die Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten sowie die Veränderung von Reiseaktivitäten, wo-bei Veränderung wiederum nicht nur weniger Reisen, sondern auch zunehmende Reiseaktivitäten bedeuten kann. Auch hier wird nicht nur eine Veränderung der Möglichkeiten, sondern auch eine konkrete Ver-änderung des Verhaltens sichtbar. Über die Hälfte der von uns befragten älteren Menschen (�3 %) gibt an, dass sich ihre Reiseaktivitäten in den vergangenen fünf Jahren verändert haben. Das sind wiederum vor allem Befragte in der Altersgruppe der über 7�-Jährigen (62 %), Chemnitzer Befragte (6� %) sowie Personen mit Mobilitätseinschränkungen (61 %). Männer und Frauen berichten gleichermaßen über die Veränderung ihrer Reiseaktivitäten (�4 % vs. �2 %) (siehe Tabelle 16 im Anhang). Ungefähr ein Viertel der Befragten (24 %; das sind 20 von 82 Personen) gibt an, überhaupt keine Reiseaktivitäten mehr durchzuführen bzw. durchführen zu können. Betrachtet man die Subgruppen, so zeigt sich beispielsweise bezüglich der Altersgruppen, dass rund ein Drittel der von uns befragten über 7�-jährigen älteren Menschen nicht mehr reist. Das heißt umgekehrt, dass zwei Drittel der über 7�-Jährigen im Hinblick auf ihre Reisetätigkeiten noch aktiv sind. An dieser Stelle wird noch ein-mal sehr deutlich, dass Personen, die 200� Mobilitätseinschränkungen berichten, zu über �0 % keine Reiseaktivitäten mehr ausführen (das sind 1� von 28 Personen). In umgekehrter Weise zeigt sich wiederum, dass gut �0 % der Personen, die 200� Mobilitätseinbußen berichten, trotz dieser Einschränkungen noch aktiv sind - ein bemerkenswertes Ergebnis, auch wenn es im Rahmen der Selektivität der Stichprobe interpretiert werden muss (siehe Tabelle 17 im Anhang).

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5.3.3 Einflussfaktoren für die Veränderung von Freizeit- und Rei-seaktivitäten im Zeitverlauf

Von den noch aktiven Frauen und Männern wird eine nach wie vor hohe Freizeit- und Urlaubsaktivität ganz selbstverständlich ausgeführt. Genannt werden neben regelmäßigen Urlaubsfahrten (Deutschland, Europa, nichteuropäisches Ausland) auch Kuraufenthalte. Tages- oder Kurzreisen erfreuen sich besonderer Beliebtheit: „Wir gehn sehr oft fort [...]. Wir sind sehr oft fort, wo wir mal

spontan sagen: Jetzt gehen wir mal da hin und da fahrn wir mal in den Schwarzwald oder jetzt fahrn wir..., hat sich nix geändert. Wir haben alle Möglichkeiten zu gehen und machen das auch.“ (Frau Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)

Gründe veränderten Freizeit- und ReiseverhaltensDie nachlassende Zufriedenheit mit Freizeit- und Reiseaktivitäten sowie die Veränderung des Freizeit- und Reiseverhaltens sind, wie bereits im Abschnitt zu Mobilitätseinschränkungen genannt, durch gesundheitlich-körperliche Einbußen der Befragten selbst sowie durch Betreuungs-aufgaben für den Partner begründet: „Reisen, ja [...], das tät ich noch gern, tun wir gern, bloß es geht

nicht mehr [...]. Jetzt, also die letzten zwei Jahre, sind wir nicht mehr verreist [...]. Weil, ich kann ja nichts mehr tragen und die Frau kann auch nichts tragen, ja, das geht schlecht, die Umstei-gemöglichkeiten [...], da muss man schon Obacht geben [...]. Wenn’s geht, mit dem Auto fahrn wir dann hier in der Nähe wo rum, aber vor zwei Jahren sind wir noch öfters, also warn wir jedes Jahr weg. Vor zwei Jahrn, da warn wir noch jedes Jahr im Urlaub, das ist durch meine Krankheit ist jetzt alles verschwunden.“ (Herr Fischer, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Ich habe große Rücksicht nehmen müssen auf meinen Mann, bis manchmal zum nicht mehr Möglichen. Ich konnte ihn nich allein lassen. Wenn ich zum Chor gegangen bin, bin ich immer ‘ne halbe Stunde später gegangen, es ging nicht anders. Wenn ich wiedergekommen bin, ich hab nur Angst gehabt, hoffentlich is er nicht gefallen oder was, also es war eine sehr schwierige Situation für mich, ich musste auf mein eigenes Leben verzichten, ich hab nur für meinen Mann da gelebt.“ (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

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In ähnlicher Weise wirken sich das Nachlassen der Kräfte einer Be-gleitperson, die gedankliche Auseinandersetzung mit möglichen Einschränkungen und der Verlust von Freizeitpartnern aus, also der Verlust von Menschen, mit denen sich oft eine Freizeit“geschichte“ im Sinne gemeinsamer Interessen und gemeinsamen Austausches über die erlebten Aktivitäten entwickelt hat. Eine Teilnehmerin aus Chemnitz ist beispielsweise durch den kürzlichen Tod ihrer beiden Freundinnen in ihren Urlaubsaktivitäten deutlich eingeschränkt: „Die Gründe sind die zwei {verstorbenen} Freundinnen. {Wir ha-

ben} früher schöne Busreisen gemacht.“ (Frau Anders, 78 Jahre alt, Chemnitz)

Auch finanzielle Risikolagen können die aktive Freizeitgestaltung außer Haus beeinträchtigen: „Die Reisen sind sehr teuer geworden, ne, und dann fehlt mir mein

Partner, und die andern, die könnten, die ehemaligen Kolleginnen und so, die haben auch alle wenig Geld, und dann müssen wir dann schon auf so ‘ne Reise sparen.“ (Frau Immermann, 69 Jahre alt, Chemnitz)

Eine spezielle Erfahrung, die in Zusammenhang mit der Verringerung von Reiseaktivitäten genannt wird, kann mit „Reisemüdigkeit“ um-schrieben werden, die jenseits von konkreten Einbußen ein Nachlassen der Reisetätigkeit und ein gleichzeitiges „Sich-wohler-fühlen“ in der eigenen Wohnung umschreibt: „Wir sind vor fünf Jahren noch viel mehr gereist, es ist ne Geld-

frage, und, na ja, wenn man älter wird, man liebt dann auch mehr die Ruhe und dann kann man mal zu {das Zu-}Hause genießen.“ (Frau Trautwein, 67 Jahre alt, Chemnitz)

„Das kommt aber auch – wissen Sie – durch die Beschwerlich-keiten, die man dann einfach als alter Mensch zu Haus ausleben kann. Ein junger Mensch, der kann das scheinbar nicht nachvoll-ziehen, das ist ja auch gut so, dass das aber dann so ist, dass man dann einfach seine vier Wände braucht.“ (Frau Dahlmann, 87 Jahre alt, Mannheim)

Die genannten qualitativen Veränderungen von Reiseaktivitäten spie-geln sich auch in der Quantität der Reisen wider. Die befragten älteren Menschen berichten, dass sie insgesamt weniger Reisen, zeitlich kürzere Reisen („ein paar Tage“ oder Tagesreisen) unternehmen so-wie insgesamt geringere Reisedistanzen bewältigen. Eine spezielle Gruppe stellen die Personen dar, die aufgrund verschiedener bereits

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genannter Gründe gar nicht mehr reisen (können oder wollen): „Dass ich keine so großen Reisen mehr mache. Vor vier Jahren,

da waren wir in Ungarn, aber danach war ich nicht mehr weit weg. Des ist halt so. Des ergibt sich so.“ (Frau Kulbe, 79 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, man reist nicht mehr so ins Ausland, nicht, früher Österreich usw., nicht mehr so weit. Mit meiner Frau, höchstens X. oder Y., hier im Umkreis [...], Tagesreisen, Tagesreisen nur noch.“ (Herr Ufer, 76 Jahre alt, Mannheim)

„Vor zehn Jahren ja ja. Also nicht nach Mallorca, aber da auch schon mal nach Italien. Aber es wird mit zunehmendem Alter wird´s weniger. Aber das hört man allgemein, der Radius, in dem man sich bewegt, wird kleiner [...]. Ach, ja, seit ich pensioniert bin. Seit zehn Jahren. Man kriegt ja, auch wenn man berufstätig is, so viel Anregung. Ja, da heisst´s: Sie waren noch nicht da? Und Sie waren noch nicht da? Sie müssen mal nach K. nach Spanien fahren und so weiter. Und dann macht man das.“ (Herr Müller, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Man geht vielleicht etwas weniger in Urlaub [...]. Ja, das hat sich verändert [...]. Sagen wir mal statt zwei Kurzurlauben, die früher so, sagen wir mal so jeweils ungefähr zehn Tage waren, jetzt viel-leicht doch nur noch einer. Und im letzten Jahr hatten wir sogar gar kein.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

„Also seit ich Rentner bin, das is ja schon nen bisschen länger, mache ich sehr oft so Tagesreisen, so Kulturfahrten. Und große Reisen konnte ich, solange meine Mutter lebte, hab ich die nicht gemacht, ich bin immer zu ihr hingefahren. Da hat sich ja einiges verbessert.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

Zwei Zitate, die in Zusammenhang mit der Frage nach Veränderungen von Freizeitaktivitäten eindrucksvoll den Bogen von Reisen über Freizei-taktivitäten hin zur alltäglichen Mobilität und Beweglichkeit beschreiben, sollen das Thema abschließen. „Veränderung der Freizeitaktivitäten - zwangsläufig ja. Also, vor

fünf Jahren hab ich noch Langlauf gemacht. Hab mich noch sportlich mehr betätigt, wie heute. Und wenn ich die anderen sehe, wie die da so rumspringen, also dann juckt’s mich als auch mal, net? Aber des geht halt nicht mehr so in dem Alter, net? Und des is schon ne Einschränkung dann [...]. Wir sind immer in die Berge gegangen, in die Dolomiten, immer, jedes Jahr. Also da

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hat sich..., aber nicht in den letzten fünf Jahren [...]. Ja also da is nicht mehr viel drin [...]. Freizeit? Ja, Sauna. Des lass ich mir nicht nehmen, des wird immer noch gemacht, jede Woche [...]. In dem Alter kann ich auch nicht draußen rumspringen [...]. Jeden morgen wird, wenn ich aus dem Bad rauskomm, wird erst mal mit dem Seil gesprungen. Damit auch noch ein bisschen Bewegung drin is.“ (Herr Bachmann, 82 Jahre alt, Mannheim)

„Körperliche Betätigung. Ja, und mal sagen auch ‘nen Naturerleb-nis. Ich mag ja den Winter gar nicht, aber wenn ich dann immer sehe, will mal sagen, wenn’s so rausgeht Februar, März, und dann ändert sich im X-park schon mal die Farbe und dann die Sträucher und immer jahreszeitmäßig - ich genieße das einfach, weil ich halt nicht mehr in Urlaub kann - was mich betrifft, würd ich ja noch weiß Gott was machen, aber da muss man eben froh sein, dass man überhaupt noch nen Partner hat in dem Alter und alleine könnt ich das, hätt ich auch keinen Spaß.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

Zusammenfassung In Abschnitt �.3 wurden Ergebnisse zum Thema Freizeit und Reisen

vorgestellt. Beide Bereiche haben insbesondere für die Gruppe der jüngeren Senioren eine große Bedeutung. Obwohl die Zufrie-denheit der von uns befragten älteren Menschen mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten insgesamt sehr hoch ist, zeigt sich hinsichtlich beider Zufriedenheitsbereiche ein statistisch bedeutsamer Rückgang im 10-Jahresverlauf. Was die Veränderungen von Freizeit- und Reiseaktivitäten betrifft, geben jeweils ca. �0 % der Befragten an, dass diese für sie zutreffen. Veränderung bedeutet aber auch im Alter nicht ausschließlich ein Nachlassen der Aktivitäten, sondern kann durchaus auch eine Intensivierung beinhalten. Ein Viertel der befragten älteren Menschen führt gar keine Reiseaktivitäten mehr durch. Umgekehrt heißt dies, dass drei Viertel der im Durchschnitt 7� Jahre alten Personen noch aktiv reisen. Auch ca. die Hälfte der älteren Menschen mit Mobilitätseinschränkungen reist noch. Als Einflussfaktoren für Veränderungen in den Bereichen Freizeit- und Reisen werden neben gesundheitlichen Aspekten der Verlust von Freizeitpartnern, finanzielle Risikolagen, aber auch eine sogenannte „Reisemüdigkeit“ angeführt. Quantitativ schlagen sich die Verände-rungen des Reiseverhaltens in insgesamt weniger und zeitlich kür-

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zeren Reisen sowie räumlich nähergelegenen Reisezielen nieder.

5.4 Verkehrsmittel Auto Verkehrsmittel stellen eine wichtige Mobilitätsressource dar. Neben Fußwegen sind es insbesondere das Auto und der öffentliche Personen-nahverkehr (für einen kleineren Personenkreis auch Fahrrad, Flugzeug und Taxi), die von älteren Menschen im Rahmen der außerhäuslichen Mobilität zur Fortbewegung und zum Erreichen von Mobilitätszielen genutzt werden.

5.4.1 Verkehrsmittel Auto: Objektive AspekteDas Auto als „Individualverkehrsmittel“ hat für die Mobilität älterer Men-schen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einen enormen Bedeutungszuwachs erfahren. Gegenwärtig und auch in den nachfol-genden Kohorten zählen insbesondere Frauen zu der besonders stark anwachsenden Gruppe älterer AutofahrerInnen (Blume et al., 2005; Engeln, 2001). Im folgenden Abschnitt werden neben Daten zu den von uns befragten älteren Autofahrern und -fahrerinnen insbesondere subjektiv-inhaltliche Aspekte des Erlebens und Verhaltens älterer Au-tofahrer vorgestellt. Besondere Aufmerksamkeit wird der Situation und dem Erleben der Personen gewidmet, die im Zeitraum zwischen der zweiten und dritten Befragung das Autofahren aufgegeben haben.

Führerschein- und Autobesitz Von den von uns befragten älteren Menschen geben 74 % an (61 Per-sonen), im Besitz eines gültigen Führerscheins zu sein. In der jüngeren Altersgruppe trifft das für 78 % der Befragten zu (32 Personen), in der Altersgruppe der über 7�-Jährigen für 71 % (29 Personen). Während in Mannheim 8� % der Befragten einen gültigen Führerschein be- sitzen (40 Personen), sind es in Chemnitz nur 60 % (21 Personen). Eine ähnliche Verteilung ergibt sich für die geschlechtsspezifische Differenzierung: 88 % der Männer (38 Personen), aber nur �9 % der befragten Frauen (23 Personen) besitzen einen gültigen Führerschein (siehe Tabelle �). Zum dritten Befragungszeitpunkt 200� geben 74 % der Befragten an, ein Auto im Haushalt zur Verfügung zu haben. Erwartungsgemäß berichten Befragte der jüngeren Altersgruppe häufiger, ein Auto im Haushalt zur

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Verfügung zu haben, als Befragte der älteren Altersgruppe, wobei auch die Veränderungen über die Zeit in der Altersgruppe 7�+ ausgeprägter sind als in der Altersgruppe der 6�- bis 74-Jährigen. Während der Auto-besitz in der jüngeren Altersgruppe eher konstant geblieben ist, ging er in der älteren Altersgruppe leicht zurück (73 % zum 2. Messzeitpunkt, 63 % zum dritten Messzeitpunkt). Die beiden ältesten von uns befragten Autofahrer sind 90 bzw. 92 Jahre alt. Der 90-jährige Herr lebt in Mann-heim, der 92-jährige in Chemnitz. Beide Männer geben an, das Auto noch aktiv und mehrmals in der Woche zu nutzen. In Chemnitz erfolgte der stärkste Rückgang des Autobesitzes bereits zwischen 199� und 2000, in Mannheim dagegen erst im Zeitraum 2000 bis 200�. Männer berichten erwartungsgemäß häufiger über ein Auto im Haushalt als Frauen, Personen in Mehrpersonenhaushalten häufiger als Personen in Einpersonenhaushalten (siehe Tabelle 18 im Anhang).

Autonutzung Die 61 Befragten, die ein Auto im Haushalt zur Verfügung haben, nutzen dieses auch für ihre außerhäuslichen Aktivitäten. 48 % der Befragten (29 Personen) fahren ausschließlich selbst mit dem Fahrzeug, 3� % (21 Personen) nutzen es sowohl als Fahrer wie auch als Mit- bzw. Bei-fahrer und 18 % (11 Personen) fahren es ausschließlich als Mit- bzw. Beifahrer (siehe Tabelle 19 im Anhang). Von den �0 Personen, die das

Tabelle �: PKW-Führerschein vorhanden

PKW-Führerschein vorhanden (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) Gesamtgruppe (N=82)

... ja 61 (74,4) Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 - 74 75+

... ja 32 (78,0) 29 (70,7) Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

... ja 40 (85,1) 21 (60,0) Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer

... ja 23 (59,0) 38 (88,4)

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Auto als Selbstfahrer sowie als Selbst- und Mitfahrer nutzen, sind 64 % (32 Personen) täglich oder fast täglich und immerhin noch 24 % (12 Personen) ein- bis zweimal die Woche mit dem Fahrzeug unterwegs. Lediglich 12 % der Befragten (sechs Personen) geben an, das Auto sel-tener als ein- bis zweimal in der Woche zu nutzen (siehe Tabelle 20 im Anhang). Von den �0 Selbst- bzw. Mitfahrern geben �8 % (29 Personen) zum dritten Befragungszeitpunkt 200� an, dass sie das Auto weniger nutzen als vor fünf Jahren. 36 % (18 Personen) berichten, dass sich diesbezüglich keine Veränderungen ergeben haben und nur 6 % (drei Personen) sagen, dass sie das Auto mehr nutzen als vor fünf Jahren (siehe Tabelle 21 im Anhang).

5.4.2 Verkehrsmittel Auto: Subjektive Aspekte Inhaltliche Aspekte der Autonutzung älterer MenschenDie Gründe für die Nutzung eines Autos sind für ältere Menschen sehr vielfältig. Ein zentraler und nicht nur altersspezifischer Aspekt der Au-tonutzung ist die Erledigung alltäglicher Wege mit dem Fahrzeug. Dazu zählen insbesondere Einkäufe und die Gesundheitsversorgung. „Ja, also zum Einkaufen mal vor allen Dingen, [...] es ist bei uns

hier in X. sehr schlecht, da [...] hat jetzt wenigstens wieder ein Türke aufgemacht, ein Obstgeschäft, aber ist natürlich teurer, wie wenn ich da Richtung Y. fahre, [...] wo die Center sind, da ist Aldi, Lidl, E-Center.“ (Frau Decker, 85 Jahre alt, Mannheim)

Auch Freizeitaktivitäten und Besuche sind mit dem Auto schnell und bequem zu erledigen. Personen, die mit dem Auto keine weiten Strecken mehr fahren, nutzen die Möglichkeit von Tagestouren oder Wochenendfahrten. Neben der Nutzung des Autos für eigene Zwecke wird das Fahrzeug aber auch dazu verwendet, andere Menschen zu unterstützen, beispielsweise die Kinder (Gartenarbeit, Enkelbetreuung), die eigenen Eltern oder die Ehepartnerin. Für noch berufstätige ältere Menschen stellt das Auto eine Möglichkeit dar, die Arbeitsstelle schnell und bequem zu erreichen, wenn die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr Wünsche offen lässt. Das Auto wird – insbesondere von älteren Frauen – auch für individuelle Aktivitäten genutzt, die unab-hängig vom Partner durchgeführt werden. Autonutzung und Autofahren kann für ältere Menschen auch ausschließlich Aspekte der Freude, und zwar unabhängig vom Zweck der Nutzung, erfüllen („Spaß“): „Ja gut, da’s ja nen Cabrio is, nutzen wir’s halt dann, wenn das

Wetter schön is oder die Frau schafft für 400 Euro ein, zweimal

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die Woche, ich fahr sie dann ins Geschäft, aber das is so ziem-lich alles [...]. Das Auto is nur zum Spaß da im Prinzip, nicht als Nutzfahrzeug.“ (Herr Lampert, 66 Jahre alt, Mannheim)

Hauptsächlich wird das Auto als „Gebrauchsgegenstand“ und Er-leichterung in alltäglichen Aktivitäten betrachtet. Dies sind Aspekte, die so auch von jüngeren Menschen hätten genannt werden können. Für ältere Menschen stellt das Auto, insbesondere vor dem Hintergrund gesundheitlicher Einschränkungen und zum Teil weiter Wege zu Ver-sorgungseinrichtungen, eine wichtige Möglichkeit der Aufrechterhaltung einer selbstständigen Lebensführung dar: „Ich kann bequem einkaufen gehen, ich brauch keine Bierkisten zu

schleppen, ich komm schneller zum Arzt, ich kann in Urlaub fahrn damit, ich bin auf keine öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen.“ (Herr Isselhard, 70 Jahre alt, Chemnitz)

Wie im Bereich der alltäglichen Wege dient das Auto auch dazu, an-regende Ziele in Freizeit und Urlaub stressfreier und bequemer zu erreichen: „Ja, die Beweglichkeit, und dass ich mir doch irgendwie ä, ä Freude

gönnen kann, indem ich halt noch fortfahre, mal zum Wandern.“ (Frau Decker, 85 Jahre alt, Mannheim)

Möglicher Verzicht auf das AutoDas Auto wird von den befragten älteren Menschen in der Regel ver-wendet, weil Geschäfte und Einrichtungen (Arzt, Apotheke, Kultur, Sport...) nicht oder nur schwer zu Fuß bzw. mit anderen Verkehrsmit-teln erreicht werden können. Hinsichtlich des Einkaufens ist auch der Transport der Einkäufe (schwere Taschen, Getränkekisten usw.) ein zentrales Argument. Das Thema „Sicherheit“ wird ebenfalls angespro-chen, insbesondere in Zusammenhang mit der Nutzung des ÖPNV in den Abend- und Nachtstunden. Die Unzufriedenheit mit den Angeboten des ÖPNV, Zeitersparnis und Bequemlichkeit sind weitere Gründe, für die anstehenden Wege das Auto zu nutzen. Eng mit der Zeitersparnis ist auch das Argument verknüpft, mit dem Auto die Möglichkeit zu haben, die geringste Entfernung und beste Möglichkeit, zum Zielort zu kommen, auswählen zu können. Die Frage nach einem möglichen Verzicht auf das Auto wird differenziell beantwortet und ist abhängig von individuellen Voraussetzungen (z.B. Gesundheit; Gewohnheiten; Einstellungen; Flexibilität), aber auch von vorhandenen Umweltbedingungen (Infrastruktur wie Einkaufsmöglich-

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keiten; Haltestellen des ÖPNV usw.).

Warum das Auto für ältere Menschen unentbehrlich istAls Gründe, warum sie nicht oder nur schwer auf das Auto verzichten können, nennen die älteren Menschen zum einen eigene gesundheit-liche Beschwerden oder gesundheitliche Einbußen des Partners, infolgedessen ohne Auto nur noch wenige oder gar keine außerhäus-lichen Aktivitäten mehr durchgeführt werden könnten. Wie Personen, die aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen das Autofahren aufgegeben haben, den Verlust des Autos bewältigen und Alternativen finden, wird in Abschnitt 5.4.3 behandelt. „Auf das Auto verzichten – nein. Könnt ich nicht, weil ich nicht

laufen kann. Das ist ganz einfach.“ (Herr Stolpe, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Nee, so lange ich kriechen kann, werd ich´s fahren, wenn sie mir nicht den Führerschein eines Tages mal abnehmen. Ich brauch gar nicht schuld sein, wenn ich heut mit 90 Jahren irgendwo wär. Was, 90, und fahren Auto? Das glaubt keiner ja, aber es is so [...]. Laufen bis zum Einkaufen kann ich nicht zum Ort, und das mit meiner Frau kann ich auch nicht. {In den} Kombi, da kann [...] der Rollstuhl hinten rein [...]. Also ich brauch´s. So lange ich, wie gesagt, noch auf den Beinen stehen kann, werd ich´s nicht hergeben.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

Als weitere Gründe, weshalb ein Verzicht auf das Auto nicht möglich ist, werden Bedingungen der Infrastruktur, insbesondere der Ein-kaufsmöglichkeiten genannt, die teilweise nur schwer zu Fuß oder mit anderen Verkehrsmitteln erreicht werden können: „Dann müsste {ich} mir jemand suchen, der mir einkauft, das ist

eben das Debakel hier in der Gegend, weil dieser X. da drüben, das war der einzige Einkaufsmarkt, wo man alles kriegen konnte. Der Markt ist zwar auch nicht allzu weit, aber mit schweren Ta-schen kann man das als alter Mensch nicht mehr schaffen.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

Auch die Beibehaltung von Freizeitaktivitäten und Verpflichtungen werden genannt und sprechen gegen einen Verzicht auf das Auto: „Ich muss doch etliches transportieren, wo ich im Moment nicht

wüsste, und wie gesagt do jetzt in den Garten zu kommen, müsst ich entweder laufen, was doch eine ziemliche Anstrengung wäre.

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Ich müsste Radfahren, was ich eben im Moment, also schon seit längerer Zeit nicht mehr so gut kann, wegen dem..., wegen der Knochen eben ein bisschen. Und, der dritte Grund, ich muss ja auch da in den Garten was transportieren. Und wie gesagt, wir haben einen festen Termin jede Woche, muss ich in die Stadt fahren, muss den Enkel von der Schul abholen und abends wieder zurückfahren. Oder mir tuen draußen in G., des sind 12 Kilometer, tun mir kegeln.“ (Herr Küster, 67 Jahre alt, Mannheim)

Die Befürchtungen bezüglich der Sicherheit im öffentlichen Perso-nennahverkehr und das Nichterreichen von Zielen, die sonst bequem mit dem Auto erreicht werden können, sind weitere Gründe, die gegen einen Verzicht auf das Auto sprechen: „Ich fühle mich dann nicht mehr mobil und bin abends gefährdet

[...]. Ich meine, so lange es hell ist, aber [...] auch zeitlich, es [...] kostet ja ne wahnsinnige Zeit. Und so mal schnell irgendwo hin, und dann kann ich abends nach Hause fahren, wann ich will [...]. Im Auto bin ich sicherer als hier in der Straßenbahn, wo ich allein drin sitze. Und auch den Weg von der Haltestelle, sind zehn Mi-nuten, ist ja auch dann nicht so schön.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

„Nein. Das möchte ich nicht. Weils bequem is, man setzt sich rein und kommt an dem Ort an, wo man will, hat keine Zwischenauf-enthalte, es ist ‘mobilgünstig’.“ (Herr Röder, 74 Jahre alt, Chem-nitz)

Schließlich sind es auch biografisch geprägte Einstellungen und Gewohnheiten, die das Nachdenken über den Verzicht auf das Auto beeinflussen: „Nein. Also ich verzichte auf das Auto dann, wenn ich selber mer-

ke, jetzt trau ich mich nicht mehr in den Verkehr. Dann geb ich´s [...] gern wahrscheinlich auf. Aber so lange ich von mir aus das Gefühl hab, das schaff ich, das kann ich, also dann behalte ich das Auto.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim)

„Durchs Geschäft haben wir immer eigentlich mehrere gehabt. Da hast dich reingesetzt und bist weggefahren [...]. Dadurch ist man vielleicht auch so flexibel geblieben oder auch geworden, ne [...] Die Hauptsach, es war ein fahrbarer Untersatz da und der ging. Das war wichtig.“ (Frau Vollmer, 65 Jahre alt, Mannheim)

„Das ist eine ganz wichtige Angelegenheit, das Auto, da möchte ich nicht drauf verzichten. Das wäre eine erhebliche Einschränkung, wenn ich das nicht mehr machen kann.“ (Herr Steuber, 65 Jahre

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alt, Chemnitz)

Die Bedeutung des Autos für die Mobilität ÄltererDie subjektiven Bedeutungen, die das Auto für ältere Menschen hat, sind sehr vielfältig. Sie reichen tiefer und gehen noch darüber hinaus, was im Rahmen der Ausführungen über die Autonutzung und den Verzicht auf das Auto angeführt wurde. Ein Auto zu haben und dies auch nutzen zu können, bedeutet für die von uns befragten älteren Menschen vor allem „Mobilität“, im aktuellen Augenblick, aber auch im Lebensrück-blick. Dabei werden die Aspekte „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“ immer wieder in unterschiedlichen Facetten und mit unterschiedlichem Hintergrund hervorgehoben: „Auto fahren zu können, es auch noch benutzen zu können, das

ist Kernthema der Mobilität. Für mich besteht Mobilität darin, dass ich jederzeit mich frei bewegen kann - mit dem Auto. Dass es bei mir in der Garage steht und ich einsteigen kann wann ich will und losfahren kann [...]. Sonst ist das ein Stück Lebensqualität und zwar ein erhebliches Stück Lebensqualität weniger.“ (Herr Tietze, 67 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, das bedeutet mir viel, weil ich ja schon 50 Jahr fahr. Vorher hab ich ein Motorrad gehabt. Ja und äh... 50 Jahr, mehr als 50 Jahr, immer verbunden mit Auto. Hab ich immer ein Auto gehabt. Und jetzt einfach wegzuschmeißen, das kann ich nicht. Höchstens, wenn ich muss. Wenn ich seh, ich kann nicht mehr, dann muss ich das ja. Aber bis jetzt geht’s immer noch.“ (Herr Paul, 84 Jahre alt, Mannheim)

„Alles. Des bedeutet alles. Ohne Auto bin ich aufgeschmissen. (...) Wär´s, wär ich an die Wohnung gebunden. Und auf andere Leut´ angewiesen.“ (Herr Stolpe, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Ein Stück Freiheit natürlich. Ich steige in das Auto ein und fahr hin wo ich will. Oder ich fahr eben auch nicht. Ach ja, is ein Stück Freiheit.“ (Herr Müller, 75 Jahre alt, Mannheim)

Ähnlich wie bei der Frage nach dem Verzicht wird das Auto auch bei der Frage nach der Bedeutsamkeit als Unterstützungskategorie angeführt. Das Vorhandensein eines Autos scheint Bezug zu haben zur Aufrecht-erhaltung und Pflege sozialer Beziehungen im weiteren räumlichen Umfeld, wobei auch der Aspekt der Reziprozität in Beziehungen eine Rolle zu spielen scheint: Nicht nur bei anderen mitzufahren, sondern selbst fahren zu können, andere Personen auch mitnehmen zu können

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und dieses Geben und Nehmen wechselseitig zu gestalten: „Ja das [...] bedeutet sehr viel für meine Mobilität, für meinen

Umgang, für mein soziales Umfeld, dass ich auch hilfsbereit sein kann, eben das Kind abholen, zum Schwiegervater zu gehen, Einkäufe. Also das bedeutet schon viel für mich.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

„Freiheit. Unabhängigkeit. Ich muss nicht immer von den Anderen mitgenommen werden, ich kann die anderen auch mal mitneh-men.“ (Frau Stettner, 72 Jahre alt, Mannheim)

5.4.3 Verkehrsmittel Auto: Schwierigkeiten und Bewältigungsstra-tegien

Schwierigkeiten bei der Autonutzung Unter dem Stichwort Schwierigkeiten bei der Autonutzung werden von den Befragten insgesamt weniger Aspekte des Autos an sich genannt als vielmehr als problematisch erlebte Aspekte der Umwelt berichtet. Neben Jahreszeiten (Hitze im Sommer, Kälte, Schnee, Glatteis usw. im Winter; Regen), erwähnen die älteren Menschen in Zusammenhang mit Dunkelheit vor allem eine höhere Blendempfindlichkeit und die damit einhergehenden Gefahren: „Bei Dunkelheit also, das ist das Blenden des Lichtes der entge-

genkommenden Fahrer. Und dann regnet´s womöglich noch. Also [...] ich kann das, aber es ist sehr, sehr anstrengend.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim)

Die erlebten Schwierigkeiten bei Dunkelheit und beschwerlichen Wit-terungsbedingungen werden wahrgenommen, gleichzeitig finden aber auch Prozesse des Umdenkens und der Verhaltensänderung statt. So werden beispielsweise Autofahrten im Falle der genannten Bedin-gungen vermieden, Aktivitäten anders eingeteilt oder die Heimkehr rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit geplant: „Dann lass ich den Wagen in der Garage [...]. Also bei Glätte [...].

Das muss ja nicht sein. Nicht, also für die Fahrten die ich dann..., das kann ich dann auch anders einteilen.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Schwierigkeiten bei der Verkehrsteilnahme mit dem Auto

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Die von den älteren Menschen genannten Schwierigkeiten bei der Ver-kehrsteilnahme als Autofahrer sind außerdem in konkreten räumlichen Bedingungen des Autofahrens mehrheitlich im Bereich des Verhaltens der Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer untereinander zu finden. Im Vordergrund der folgenden Ausführungen stehen wieder die erlebten Schwierigkeiten und der Umgang mit diesen als problematisch erlebten Aspekten. Die Mehrzahl der älteren Menschen berichtet einen starken Anstieg des Verkehrsaufkommens. Sie erwähnen insbesondere eine Zunahme riskanten Fahrverhaltens und Rücksichtslosigkeit von Autofahrern sowie von anderen Verkehrsteilnehmern (Rad- und Motorradfahrer). Bemängelt werden auch die Nichteinhaltung von Verkehrsregeln bzw. eine fehlerhafte Fahrzeugbedienung: „Besonders die Zunahme des Verkehrs, damit {ist} erhöhte Auf-

merksamkeit notwendig. Ich erlebe auch ständig eigentlich die Raserei und undiszipliniertes Fahren.“ (Herr Steuber, 65 Jahre alt, Chemnitz)

„Die Raserei, die Drängelei [...], also [...] ich reg mich da pausenlos auf. Ich war früher mal 26 Jahre Polizist. Ich kenn mich da ein bisschen aus, es ist furchtbar. Wenn man den Sicherheitsabstand einhält, huschen sie rein. Die Raserei auf der Autobahn oder an den Baustellen, da fährt man schon ein bisschen schneller als erlaubt, und da rasen die noch an einem vorbei und regen sich auf. Oder von hinten mit der Lichthupe oder so. Da könnte ich mich pausenlos aufregen über solche Leute“. (Herr Ullmann, 70 Jahre alt, Chemnitz)

Als Bewältigungsstrategie zur Vermeidung von Stress und schwieri-gen Verkehrssituationen wird von den älteren Menschen zum einen die Auswahl bestimmter Fahrzeiten oder bereits bekannter Wege eingesetzt: „Die Lastwagen. Deswegen fahr ich immer an einem Sonntag.

In der Woche fahr ich überhaupt keine weiten Strecken. Nur hier [...] in der Umgebung [...]. Und, aber in Urlaub, speziell wenn ich auf der Autobahn bin, am Sonntag wegen der Lastzüge.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim)

„Wenn ich irgendwo hin, wenn mir nach X. müssen, dann fahr ich fast immer den gleichen Weg. Das muss ich dazu sagen. Ich fahr in dieses K. am L.-Platz und da wird geparkt im Parkhaus dann. Des is immer der gleiche Weg. Und den könnt´ich schon im

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Schlaf, ne. Die anderen Straßen: Kann ich fahren, aber ich fahr sie eben nicht gern, da hab ich dann irgendwie so Hemmungen, da vielleicht, net? Ja, ja, wenn ich mich nicht so auskenn´ in der Stadt oder so irgendwo, da fahr ich dann nicht gern [...] Des is so furchtbar, wenn man sich nicht auskennt, da geh ich net hin.“ (Herr Zeitz, 75 Jahre alt, Mannheim)

Erhöhte Aufmerksamkeit, Ruhe, Geduld und Zeit sind weitere, von den befragten älteren Menschen genannte Bewältigungsstrategien, die sich auch in einer konkreten Verhaltensänderung widerspiegeln können, beispielsweise in defensivem und rücksichtsvollem Fahren: „Es kommt drauf an, welche Zeit, sagen wir mal nachmittags,

man zurückkommt, vom Berufsverkehr, da ist es schwierig, also da muss man schon tüchtig aufpassen.“ (Frau Immermann, 69 Jahre alt, Chemnitz)

„Das sind schon Situationen, aber da sag ich mir einfach, ich fahr meinen Stil, der soll machen, was er will hinter mir [...], da versu-che ich also Ruhe zu bewahren [...]. Also an sich versuche ich, mich da nicht aus der Ruhe zu bringen.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

„Schwierigkeiten seh ich im rücksichtslosen Fahren einiger Ver-kehrsteilnehmer [...]. Ja, die fahren hier zu schnell. Hier is Tempo 30 Zone, da fegen die durch wie verrückt [...]. Fahrlässig [...], damit muss man leben. Damit muss man also auch als älterer Mensch zurechtkommen. Das muss man tolerieren [...], Geduld. Geduld einreden.“ (Herr Tietze, 67 Jahre alt, Mannheim)

„Ich bin soweit [...] beim Autofahren, wenn mir jemand entgegen kommt, und selbst wenn ich Vorfahrt hab, meistens sind´s jüngere Leut´. Die haben´s eilig. Die müssen ins Büro. Die verdienen mir ja meine Rente. Also sollen sie vorfahren. Also ich bin nicht so, dass ich sag: ‘Des is mei Recht, jetzt komm ich’. Nee, im Gegenteil. Ich hab ja Zeit. Können also alle vorbeifahren.“ (Herr Bachmann, 82 Jahre alt, Mannheim)

Verbesserungen am Auto Im Gegensatz zu erlebten Schwierigkeiten am Auto wird in Bezug auf Verbesserungsmöglichkeiten sehr wohl auf das Fahrzeug an sich Be-zug genommen. Zum einen werden Innovationen angesprochen, die sich bereits seit längerer oder kürzerer Zeit auf dem Markt etabliert

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haben wie beispielsweise Airbag, Servolenkung, Klimaanlage, Navi-gationssystem, Einparkhilfe usw. Diese ‘modernen’ Instrumente sind in den Autos der befragten Teilnehmerinnen und Teilnehmer teilweise noch nicht vorhanden (einige wenige der befragten Älteren berichten sogar von bis zu 20 Jahre alten Autos), werden aber von einigen der Befragten im Hinblick auf den Kauf eines neuen Fahrzeugs durchaus als wichtig erachtet: „Mein Auto gefällt mir so wie es ist. Ich mein, es hat keinen Airbag.

Ich würd heute vielleicht, wenn ich ein Neues kaufen würde, müs-ste das so was haben.“ (Frau Kulbe, 79 Jahre alt, Mannheim)

„Gut, ne richtige Servolenkung des sollt ich haben, wenn ich jetzt noch mal eines kaufen müsste. Des würd ich machen [...], da muss man manchmal schon ganz schön kurbeln [...]. Und ne Klimaan-lage. Das würd ich, wenn ich mir noch mal eines kaufen würde...drüber nachdenken.“ (Frau Stettner, 72 Jahre alt, Mannheim)

„Was ich bei mir bräuchte, das ist eine Einparkhilfe. Das wär das Einzige, was mein Auto noch nicht hat, wo ich sag, das könnte man brauchen.“ (Herr Steuber, 65 Jahre alt, Chemnitz)

„So einen Navigator, den würd ich vielleicht noch mit ins Auto bringen. Weil [...] mein Mann auch nicht mehr fahren kann. Der kann auch keine Karten mehr lesen.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Die Problematik der geteilten Aufmerksamkeit, die mit manchen neuen Technologien verbunden ist, wird aber ebenfalls gesehen: „{Navigationssystem, Interv}. Also ich selbst muss sagen, ich müsst

es erst mal im Auto haben und längere Zeit ausprobieren, ob mich das nicht wirklich zu viel Aufmerksamkeit kostet, auf das Ding zu starren: ‘Wo bist du jetzt?’ Und in Wirklichkeit hab ich da jetzt grad vor mir einen Fahrradfahrer, den ich vielleicht jetzt über den Haufen fahr, weil ich vor lauter Navigationssystem woanders hin guck. Ich weiß nicht, ob das Ding so ausgestaltet ist... ich kenne sie als Beifahrer [...]. Aber ich hab ja als Beifahrer Zeit, ich kann mir das wunderbar angucken, nich? Andererseits, es gibt natürlich auch sagen wir mal, die Stimme, die mir sagt: ‘Jetzt biste falsch’. Des is schon gut.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

Die Sitzhöhe ist ein weiterer Aspekt, der von den befragten Autofah-rerinnen und Autofahrern mehrfach und als verbesserungsbedürftig angesprochen wird. Praktisch wäre: „Ein Sitz, den man so rausschwingen und dann nur noch runter-

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rutschen muss.“ (Herr Günther, 65 Jahre alt, Mannheim)Eine Teilnehmerin fasst ihre Vorstellungen zur innovativen Gestaltung des Autos für ältere Menschen wie folgt zusammen: „Ja, vielleicht vom Alter her schon würd man sagen, so wie wir

Damenfahrräder beide neu gekauft haben mit tieferem Einstieg, auf den Gedankengang hin, dass man vielleicht später nicht mehr so leicht vom Fahrrad springt, so könnt ich mir auch vorstellen, dass man´s Auto vielleicht {gestaltet}.“ (Frau Vollmer, 65 Jahre alt, Mannheim)

Ein anderer Teil der Befragten ist mit dem Auto, so wie es jetzt genutzt wird, zufrieden, Neuerungen werden für nicht (mehr) notwendig erachtet, als zu aufwendig oder zu teuer angesehen: „Aber ich kann [...] mir erstens mal kein neues {Auto, Int.} mehr

leisten und und möchte auch keines mehr. Das ist nimmer drin [...]. Komm ich halt damit aus, wie´s ist, ne.“ (Frau Decker, 85 Jahre alt, Mannheim)

Abschließend kann gesagt werden, dass die Ergebnisse der vorliegen-den Befragung zum Thema „Mobilität im Alter: Kontinuität und Verän-derung“ die bisherigen Befunde zum Thema „Auto“ unterstreichen, die bereits in früheren Studien (beispielsweise auch im Projekt „MOBILATE“) herausgearbeitet wurden.

5.4.4 Aufgabe des Autofahrens: Objektive und subjektive Aspek-te

Im Folgenden werden in einem ersten Schritt quantitative Daten zum Themenbereich Aufgabe des Autofahrens vorgestellt. Auf der Grundlage des qualitativen Interviewmaterials geht es in einem weiteren Schritt um Gründe für die Aufgabe des Autofahrens und alternative Fortbewe-gungsmöglichkeiten. Abschließend werden, ebenfalls auf Grundlage des qualitativen Materials, das Erleben des Nicht-Mehr-Autofahren-Könnens und die praktischen und alltagsrelevanten Auswirkungen dieses Lebens-ereignisses im Mittelpunkt der Ausführungen stehen. Unter den 32 Personen der Befragung 200�, die derzeit selbst nicht (mehr) Auto fahren, sind elf früher selbst gefahren (als Selbstfahrer oder Mitfahrer). 21 Personen hatten nie einen gültigen Führerschein und sind demzufolge auch nie selbst Auto gefahren (siehe Tabelle 6). Von den elf Personen, die früher Auto gefahren sind, haben vier die Au-tonutzung in den vergangenen fünf Jahren aufgegeben. Diese Personen

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gehören zur Altersgruppe der über 7�-Jährigen, wohnen in Mannheim und geben 200� an, dass sich ihre Mobilität im �-Jahreszeitraum ver-schlechtert hat. Es handelt sich um drei Männer und eine Frau (siehe Tabelle 7). Gründe für die Aufgabe des Autofahrens und alternative Fortbewe-gungsmöglichkeitenAls Gründe für die Aufgabe des Autofahrens werden gesundheitliche Einschränkungen und das Vorhandensein einer Mitfahrgelegenheit genannt. An dritter Stelle stehen vielfältige andere Gründe, beispiels-weise kein Bedarf mehr, Vernunftgründe oder keine Lust mehr zum Autofahren. Insbesondere in Chemnitz war ein interessanter Grund, dass man seit der „Wende“ 1989 nicht mehr mit neuer Technik ver-traut ist. Das erklärt auch, dass es in der Chemnitzer Stichprobe keine Person gibt, die in den letzten fünf Jahren das Autofahren aufgegeben hat, wohl aber fünf Personen, die das Auto schon länger nicht mehr nutzen. Gründe wie ‘Erledigungen sind ohne Auto möglich’, ‘Unfall’ sowie ‘Schwierigkeiten bei der Handhabung des Autos’ scheinen dem-gegenüber weniger relevant für die Aufgabe des Autofahrens für ältere

Tabelle 6: Jemals selbst Auto gefahren

Jemals selbst Auto gefahren (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) Gesamtgruppe (N=32)

... ja 11 (34,4) Altersgruppen (Jahre) (N=19; N=13) 65 - 74 75+

... ja 4 (30,8) 7 (36,8)

Stadt (N=13; N=19) Mannheim Chemnitz

... ja 6 (46,2) � (26,3)

Geschlecht (N=23; N=9) Frauen Männer

... ja 7 (30,4) 4 (44,4)

Erlebte Mobilitätseinschränkung 2005 Mit Mobilitäts- Ohne Mobilitäts - (N=17; N=15) einschränkung einschränkung... ja 7 (41,2) 4 (26,7)

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Menschen zu sein (siehe Tabelle 22 im Anhang).Von den 32 Personen, die das Auto selbst nicht mehr nutzen bzw. die das Auto bereits immer ausschließlich als Mitfahrer genutzt haben, geben �� % (17 Personen) an, dass sie jederzeit eine Mitfahrgelegenheit mit dem Auto in Anspruch nehmen können. 29 % (neun Personen) berich-ten, dass sie bei Bedarf eine Mitfahrgelegenheit nutzen können, und nur 16 % (fünf Personen) geben an, eine Mitfahrgelegenheit lediglich in dringenden Fällen verfügbar zu haben (siehe Tabelle 23 im Anhang). Als häufigste Mitfahrgelegenheit werden von den Personen, die das Auto selbst nicht mehr nutzen bzw. die das Auto bereits immer nur als

Tabelle 7: Vor fünf Jahren noch Auto gefahren

Mitfahrer genutzt haben (von 63 %, d.h. 20 Personen), die eigenen Kinder genannt. 31 % (zehn Personen) verweisen auf den Ehepartner/ -partnerin. Interessant ist, dass ein Viertel der befragten Personen auch auf nichtfamiliäre Mitfahrgelegenheiten (Freunde, Bekannte, Nachbarn) zurückgreifen kann. Andere Verwandte, z.B. Enkel, und Taxis spielen ebenfalls eine wesentliche Rolle und werden immerhin noch von 12-1� % der Befragten (vier bis fünf Personen) als hilfreich erwähnt. Lediglich 3 % (jeweils eine Person) geben an, niemanden zu haben bzw. im Be-

Vor fünf Jahren noch Auto gefahren (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) Gesamtgruppe (N=11)

... ja 4 (36,4) Altersgruppen (Jahre) (N=4; N=7) 65 - 74 75+

... ja 0 (0,0) 4 (57,1) Stadt (N=6; N=5) Mannheim Chemnitz

... ja 4 (66,7) 0 (0,0) Geschlecht (N=7; N=4) Frauen Männer

... ja 1 (14,3) 3 (75,0) Erlebte Mobilitätseinschränkung 2005 Mit Mobilitäts- Ohne Mobilitäts-(N=7; N=4) einschränkung einschränkung

... ja 4 (57,1) 0 (0,0)

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darfsfall einen sozialen Dienst in Anspruch zu nehmen (siehe Tabelle 24 im Anhang).

Die folgenden Zitate zeigen Aspekte der Unterstützung auf, die Per-sonen erhalten, die kein Auto (mehr) fahren: „Ja, meine Tochter [...]. Wenn´s eben mit den Kindern geht, ne,

weil sie hat ja Kinder. Und ich [...] ruf sie halt an, und wenn ich halt eben dringend wo hin müsste, und dann muss sie halt sehen, wo sie mit den Kindern hinkann solang, ne [...]. Oder zur Not mein Sohn. Also ich hab immer dann wieder jemand.“ (Frau Helm, 74 Jahre alt, Mannheim)

„Also, da jetzt meine Bekannte weg is, hab ich eine Kollegin, die mich im Notfall, wenn ich Sie darum bitte, auch irgendwo hin fahrn würde, was ich natürlich höchst ungern in Anspruch nehmen wür-de, aber da wäre jemand, ja. Ja, also wenn ich sie bräuchte, dann würde sie das machen.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

„Also ich hab Angebote aus dem Haus, also da gibt es Leute, die da sagen: ‘So wie irgend etwas is, kommen Sie und klingeln’. (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

Das Erleben des Nicht-Mehr-Autofahren-KönnensIm Hinblick auf das Erleben des Nicht-Mehr-Autofahren-Könnens ist zu unterscheiden zwischen Personen, denen das Auto viel bedeutet hat und die sich aufgrund gesundheitlicher oder anderer personenbezoge-ner Aspekte für eine Aufgabe des Autofahrens entschieden haben, und Personen, für die das Auto nicht nur Vorteile hatte, die weniger gern selbst gefahren sind bzw. die unproblematisch Mitfahrgelegenheiten nutzen können.Der Gesundheitszustand ist einer der häufigsten Gründe, das Autofah-ren aufzugeben (Tränkle, 1994; O’ Neill et al., 2000; Mollenkopf et al., 200�). Damit einher gehen emotionale Reaktionen, aber auch kognitive Strategien („Vernunft“), Erklärungs- und Deutungsmuster, die diesen Entscheidungsprozess begleiten: „Ich bin sehr sehr, viel gefahren und hab alles mit dem Auto

bewältigt und das fehlt mir heute sehr.“ (Herr Abel, 93 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, Verzicht, Verzicht und nen Abschied [...]. Aber auf der an-deren Seite ist natürlich die Vernunft auch da, dass ich bis jetzt

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unfallfrei gefahren bin und vielleicht jetzt in meinem Alter aus Konzentrationsschwierigkeiten, die vielleicht mal - also, das hat auch ‘ne Rolle gespielt, dass [...] ich die Vernunft eingeschaltet habe (lacht), dass vielleicht das auch besser ist aus Altersgründen aufzugeben.“ (Frau Dahlmann, 87 Jahre alt, Mannheim)

„Ach Gott, das war für mich abgemeldet. Fertig. Ich wär gern noch weiter gefahren, aber ich hab gewusst, ich kann´s nicht mehr. Vielleicht bin ich dann gescheiter gewesen wie ein anderer, der´s nicht aufgegeben hätt, verstehen Sie. Und da sind viele ältere Herrschaften, die sind vielleicht noch etwas jünger, aber wenn man dann sieht, wie die einsteigen und die Autos abstellen, parken und so weiter, das dürft man nimmer machen.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

Begünstigend auf die Bewältigung des Nicht-Mehr-Autofahrens scheint sich das Vorhandensein anderer Fortbewegungsalternativen auszu-wirken. Insbesondere Personen, die weniger gern selbst gefahren sind bzw. Mitfahrgelegenheiten nutzen können, erleben die Aufgabe des Autofahrens als Entlastung. Manchmal wird auch in einem schleichen-den Prozess das Autofahren sukzessive reduziert. Auch biografische Erinnerungen sind mit der Aufgabe des Autofahrens verbunden, die über die bloße Nutzung des Autos als Fahrzeug hinausgehen: „Ich hab mich sehr schnell dran gewöhnt, dass ich also mit der ...

wir haben ja hier praktisch 350-400 Meter die Haltestelle, und so dass ich also sehr bequem in die Stadt komme, und wie gesagt, Fahrrad fahr ich auch noch.“ (Herr Bäcker, 81 Jahre alt, Mann-heim)

„Ach. Des hat so angefangen: Da bin ich immer am Anfang am Sonntag, da hab ich keine Lust gehabt zu fahren und dann is er gefahren, dann saß ich daneben. So hat sich das entwickelt und dann bin ich halt auf einmal nicht mehr gefahren.“ (Frau Randert, 66 Jahre alt, Mannheim)

„Das Auto hat mir eben den Alltag erleichtert [...]. Mein Mann hatte keinen Führerschein, also die Fahrerin war ich und da war das [...] eben doch ne zusätzliche Erleichterung und [...] es hat uns auch Freude gemacht zu fahren. Mit diesen Erinnerungen und gerade auch über die letzten fünf Jahre, weil ich [...] so froh war, es dabei zu haben, hat es mir eben das Weggeben nicht leicht gemacht [...]“. (Frau Dahlmann, 87 Jahre alt, Mannheim)

Das Auto wird nicht von allen befragten älteren Menschen gleichermaßen als unterstützend und hilfreich angesehen. So berichten Personen auch

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über Nachteile, die das Auto für sie hatte und darüber, dass die Aufgabe des Autos und des Autofahrens für sie vor allem mit „Sorgenfreiheit“ und Erleichterung verbunden war: „Das Auto hat mich viel Nerven, finanziell, also viele Nachteile

gebracht [...]. Also das war mehr Nachteile, das Auto, wie Vortei-le. Und ich bin auch aus dem Grund gelöster zu Haus heute [...]. Also ich bin sorgenfreier ohne Auto, ja.“ (Herr Ober, 77 Jahre alt, Mannheim)

Praktische Auswirkungen auf den Alltag/ Einschränkung für den HaushaltJe nach Lebens- und Haushaltssituation kann sich die Aufgabe des Autofahrens mehr oder weniger behindernd auf das alltägliche Leben auswirken. Für alleinstehende Personen wirkt sich dieser Einschnitt noch einschränkender aus als für Personen, deren Partner oder ande-re nahräumlich verfügbare Mitfahrgelegenheiten die früher selbst mit dem Auto erledigten Aktivitäten entsprechend kompensieren können. Alternative Fortbewegungsmöglichkeiten (Fußwege, Fahrrad, ÖPNV etc.; personelle Hilfen, formell oder informell) müssen entsprechend neu organisiert werden: „Naja, man muss halt alles zu Fuß und mit den öffentlichen Ver-

kehrsmitteln machen. Das is ja ein Unterschied, nicht wahr?“ (Herr Bäcker, 81 Jahre alt, Mannheim)

„Naja, ich hab mich gebeugt. Beugen müssen. Ja, da hab ich halt jemand gehabt, wo mich hingefahren hat, verstehen Sie. Ich hab auch ne Nachbarin, so gar zwei Stück, die machen alles für mich, wenn ich heut sag, ich muss da und da hin, ne. Die eine geht für mich einkaufen, die andere auch.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

„Entweder es hat jemand Zeit von meinen Verwandten oder ich nehm mir eben ne Taxe. Das war auch ne Überlegung - meines Sohnes eigentlich - der mir gesagt hat: Du sparst jetzt auch die Ausgaben fürs Auto, ja, und das is ja auch nich wenig gewesen, im Verhältnis dazu, wie ich’s gebraucht habe, ja, und dann nimm-ste dir halt mal ne Taxe, wenn es nicht anders geht. Und so denk ich auch, werde ich’s machen.“ (Frau Dahlmann, 87 Jahre alt, Mannheim)

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Zusammenfassung In Abschnitt �.4 wurden Ergebnisse zum Verkehrsmittel Auto vor-

gestellt. Das Auto hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung für ältere Menschen gewonnen. Insbesondere für Frauen wird es in den kommenden Jahren einen weiteren Bedeutungszuwachs erfahren. Etwa zwei Drittel der von uns befragten älteren Menschen sind im Besitz eines gültigen Führerscheins und haben ein Auto im Haushalt zur Verfügung. Im Hinblick auf die Autonutzung, den mög-lichen Verzicht auf das Auto sowie die Bedeutung des Autos für die Mobilität werden von den befragten älteren Menschen insbesondere die Aspekte Versorgung im Alltag (vor allem Einkäufe erledigen), Freizeitaktivitäten und soziale Kontakte mit dem Auto in Verbindung gebracht. Darüber hinaus wurde deutlich, wie stark ein Auto mit

dem Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit verbunden ist. Schwie-rigkeiten erleben die befragten Autofahrer vor allem infolge schlech-ter Witterungsbedingungen. Auch hohes Verkehrsaufkommen und das Verhalten der Verkehrsteilnehmer untereinander werden be-mängelt. Als Möglichkeiten der Bewältigung dieser Schwierigkeiten erwähnen die Befragten vor allem die Nutzung bekannter Wege und Auswahl bestimmter Fahrzeiten sowie Änderungen im Denken und Verhalten wie erhöhte Aufmerksamkeit und rücksichtsvolles Fahren. In Bezug auf Verbesserungen am Fahrzeug äußern die befragten älteren Menschen, insbesondere diejenigen mit älteren Autos, unterschiedliche Meinungen. Die einen würden innovative Ausstattungsmerkmale bei einem Neukauf auf jeden Fall berück-sichtigen, andere erachten dies nicht (mehr) für notwendig. Die Aufgabe des Autofahrens ist ein Ereignis, das den Mobilitätsradius der betroffenen Person deutlich einschränkt und Veränderungen in der Organisation des Alltags zur Folge hat. Gründe für die Aufgabe des Autofahrens liegen insbesondere im gesundheitlichen Bereich. Vorhandene Mitfahrgelegenheiten und Nachteile des Autobesitzes können die Aufgabe des aktiven Fahrens erleichtern.

5.5 Verkehrsmittel öffentlicher Personennahverkehr (ÖPNV)

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Öffentliche Verkehrsmittel sind neben dem Auto eine weitere Möglichkeit für ältere Menschen, weiter entfernt liegende Ziele schnell und bequem zu erreichen. Dies setzt allerdings voraus, dass eine Haltestelle erreicht werden kann und der Einstieg in ein Fahrzeug möglich ist. Mit den beiden letztgenannten Aspekten sind zwei wesentliche Nutzungsbarrieren des ÖPNV angesprochen, die sich auch in den Ergebnissen der vorliegenden Befragung widerspiegeln.

5.5.1 Verkehrsmittel ÖPNV: Objektive AspekteIm folgenden Abschnitt werden anhand der quantitativen Daten Aspekte der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sowie deren Veränderung im Zeitverlauf vorgestellt. Die inhaltlichen Aspekte der veränderten Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (Mehrnutzung vs. Nutzungsbarrieren) sowie Einflussfaktoren für diese Veränderungen basieren auf Analysen der qualitativen Daten. Nutzung öffentlicher VerkehrsmittelDie Daten verweisen auf einen nach wie vor hohen Nutzungsgrad öffentlicher Verkehrsmittel in der von uns befragten Gruppe älterer Menschen. Der Anteil der Personen, die zu allen drei Messzeitpunkten angeben, den ÖPNV zu nutzen, beträgt 6� %, das sind �3 von insge-samt 82 Personen. Betrachtet werden im Folgenden die Personen, die an allen Befragungen teilgenommen haben, unabhängig davon, ob sie zu jedem Messzeit-punkt öffentliche Verkehrsmittel genutzt haben oder nicht. Sowohl im Jahre 199� als auch im Jahr 2000 sind 83 % (68 Personen) der befrag-ten älteren Menschen zumindest gelegentlich mit Verkehrsmitteln des ÖPNV unterwegs gewesen, zumindest gelegentlich. Im Jahr 200�, bei der dritten Befragung, sind dies immerhin noch 73 % (60 Personen), was eine leicht rückläufige, aber immer noch hohe Tendenz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erkennen lässt. Vergleicht man die beiden Al-tersgruppen, so nutzten sowohl 199� als auch 2000 83 % der Befragten (34 Personen) in der jüngeren wie in der älteren Gruppe die Verkehrsmit-tel des ÖPNV. Im Jahr 200� beträgt der Anteil der Nutzer in der jüngeren Altersgruppe 78 % (32 Personen), in der älteren Gruppe noch 68 % (28 Personen). Differenziert nach Mannheim und Chemnitz zeigt sich, dass die Zahl der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel in Mannheim zu allen Messzeitpunkten über der Zahl der Nutzer in Chemnitz liegt. Darüber hinaus kann für Chemnitz über die Zeit hinweg eine rückläufige Tendenz der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt werden (199�: 86

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%, 30 Personen; 2005: 63 %, 22 Personen). Eine mögliche Erklärung für die Zunahme der ÖPNV-Nutzung zwischen 199� und 2000 in Mann-heim könnten Verbesserungsmaßnahmen im Mannheimer ÖPNV sein, beispielsweise der zunehmende Einsatz von Niederflurfahrzeugen und die Eröffnung einer neuen Straßenbahnlinie. Unterschiede in der Nutzung des ÖPNV zeigen sich 200� auch für die Gruppe der Personen mit vs. ohne erlebte Mobilitätseinschränkungen. In beiden Gruppen ist die Zahl der Nutzer öffentlicher Verkehrsmittel über die Zeit rückläufig, allerdings auf unterschiedlichen Niveaus. Während 199� 8� % und 200� 82 % der Personen ohne Mobilitätseinschrän-kungen den öffentlichen Personennahverkehr nutzen, sind es 199� in der Gruppe der Personen mit Einschränkungen nur 79 %. Im Jahr 200� schließlich nutzen nur noch etwas über die Hälfte der Personen mit Mobilitätseinschränkungen die Angebote des ÖPNV (siehe Tabelle 2� im Anhang). Aspekte der Veränderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmit-telFür die Veränderung der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel findet sich in den qualitativen Interviews eine Vielzahl inhaltlich bedeutsamer Erklärungen. Es gibt Gründe für eine verstärkte wie für eine verringerte Nutzung (Hinweise auf Nutzungsbarrieren). Aspekte einer wachsenden Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel stehen in engem Zusammenhang mit einer Mehrnutzung des ÖPNV.

Gründe für die Mehrnutzung öffentlicher VerkehrsmittelAls Gründe für eine verstärkte ÖPNV-Nutzung werden von den Befragten zum einen die günstigen Tarife des öffentlichen Personennahverkehrs, die Angebote von Seniorenkarten und Verkehrsverbünden, aber auch die gestiegenen Benzinpreise genannt: „Ja, durch den Verkehrsverbund X. sind für uns die Verkehrsmittel

Bahn, Bus und Straßenbahn außerordentlich lukrativ, billig, ver-kehrsgünstig für unsere Wanderungen, für unsere Erholung da.“ (Herr Lechner, 80 Jahre alt, Chemnitz)

„Weil’s Benzin zu teuer geworden is, dann […] sagt man sich: ‘Mensch, da geh ich zu Fuß’ oder ich nehm die Sraßenbahn in die Innenstadt. Und mein Mann fährt auch mit öffentlichen Ver-kehrsmitteln, weil einfach Parkgebührn und Benzin alles teuer is und da fahrn wir mit öffentlichen Verkehrsmitteln.“ (Frau Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)

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Auch weil sie Bequemlichkeit bieten und häufiges Unterwegs-Sein weniger anstrengend und flexibel unterstützen, werden öffentliche Ver-kehrsmittel von älteren Menschen genutzt: „Aus Bequemlichkeit […]. Wie zum Beispiel da nach Frankfurt

fahren, ich kann noch mit dem Auto fahren, aber nach Köln zum Beispiel nicht mehr. Nach Berlin erst recht nicht, ne“. (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

Öffentliche Verkehrsmittel werden darüber hinaus auch häufig von Autobesitzern für die Bewältigung spezieller Wege, beispielsweise für Fahrten in die Innenstadt, genutzt. Dabei geht es jedoch nicht nur um die Wege an sich, sondern insbesondere um Bedingungen, die mit anderen Verkehrsmitteln verknüpft sind und von den Befragten zum Teil als schwierig erlebt werden: Parkplatzmangel, Parkplatzsuche, hohe Parkgebühren und hohes Verkehrsaufkommen. Diese Faktoren haben nach Ansicht der Befragten die Nutzungshäufigkeit erhöht und die Bedeutung des ÖPNV wachsen lassen: „Und mit dem Auto kann man auch nicht mehr in die Stadt fahren

wegen […] der Parkmöglichkeit. Auch der Verkehr ist so stark, ja.“ (Herr Quast, 86 Jahre alt, Mannheim)

Öffentliche Verkehrsmittel werden insbesondere auch von den Personen häufiger genutzt bzw. als wichtiger erlebt, die kein Auto mehr fahren oder kein Auto (mehr) zur Verfügung haben. Personen, die den Verlust einer Mitfahrgelegenheit berichten, nutzen den ÖPNV ebenfalls häu-figer als „motorisierte“ ältere Menschen. Ein solcher Verlust ist meist nicht nur mit dem Ausfall der Mitfahrgelegenheit verbunden, sondern kann darüber hinaus mit zusätzlichen, oft umständlichen Wegen ver-bunden sein, nämlich mit den Wegen, die der/ die Fahrerin früher (mit) erledigt hat: „Ja, weil ich kein Auto mehr fahre [...] und weil ich kein Auto hab.

Und wenn ich mal irgendwo hin muss, wo´s halt zu weit ist, dann benutz ich die öffentlichen Verkehrsmittel.“ (Herr Abel, 93 Jahre alt, Mannheim)

„Damals wie mein Mann gelebt hat, bin ich nicht soviel gefahren, weil er alle Einkäufe und alles gemacht hat. Aber jetzt fahr ich viel [...]. Ich hab einen Hausarzt in X., da muss ich mit dem Bus fahren, dann mit einer Straßenbahn, dann mit der andern Straßenbahn, über eine Stunde, bis ich hinkomm.“ (Frau Maurer, 81 Jahre alt, Mannheim)

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Nutzungsbarrieren öffentlicher VerkehrsmittelAuch wenn die Gruppe der Personen, die den ÖPNV im �-Jahres-zeitraum weniger oder gar nicht nutzen im Vergleich zur Gruppe der Nutzer verhältnismäßig klein ist, sollen an dieser Stelle Gründe für den Rückgang der Nutzung bzw. die Nichtnutzung genannt werden. Bereits zum ersten Befragungszeitpunkt wurden Nutzungsbarrieren des ÖPNV standardisiert erhoben. Am häufigsten genannt wurden damals die fehlende Notwendigkeit der ÖPNV-Nutzung, ungünstige Linienführung, zu hohe Fahrpreise und zu große Entfernungen zur Haltestelle. Zum dritten Befragungszeitpunkt sind Gründe für die Nicht-Nutzung offen erfragt worden, um evtl. weitere, 199� noch nicht genannte Aspekte ausfindig zu machen.Physische Mobilitätseinbußen sind eine der zentralen Ursachen für die Nicht-Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Von den älteren Menschen werden nicht nur Schwierigkeiten bei der Nutzung der Fahrzeuge selbst genannt, sondern ebenso die Tatsache, eine Haltestelle und somit das Verkehrsmittel aufgrund der Einbußen gar nicht erst erreichen zu können: „Ach, das is schlecht. Straßenbahn einsteigen und so kann ich

nicht mehr. Ich bin froh, dass unser Auto noch läuft und dass ich einen ‘Chauffeur’ {den Ehemann} habe.“ (Frau Colins, 83 Jahre alt, Mannheim)

„Ich hab ja das Problem, dass ich die Kraft nicht mehr besitze, allein bis zur Straßenbahn zu laufen.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

Die Modalitäten des modernen Fahrscheinverkaufs sowie unzu-reichende Angebote des ÖPNV in Stadtrandgebieten werden von einigen Befragten als mangelhaft erlebt und stellen ebenso wie die Preisgestaltung eine Nutzungsbarriere dar: „Also das is erst mal der Fahrscheinverkauf, wenn ich hier weggeh

und kein’ Fahrschein hab und in ‘nen Bus einsteig, dann isses schwierig, dort en Fahrschein zu bekommen [...]. Und dann stört mich das, wenn ich nachts nach Hause fahr, also von der Stadt jetzt nach Hause fahr, hier nach P., dass also dann später keine Straßenbahn oder kein Bus mehr fährt.“ (Herr Isselhard, 70 Jahre alt, Chemnitz)

„Zu teuer und zu unbequem.“ (Frau Meister, 77 Jahre alt, Chem-nitz)

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Das Vorhandensein und die Nutzung eines Autos (oder eines ande-ren Fortbewegungsmittels, z. B eines Fahrrads) werden ebenfalls als Gründe angeführt, den ÖPNV nicht zu nutzen. In Zusammenhang damit stehen auch die Autonutzung bzw. ÖPNV-Nichtnutzung im Lebens-lauf sowie die erlebten Vorzüge des Autos im Vergleich zu öffentlichen Verkehrsmitteln: „Weil ich ‘nen Auto hab. Und weil ich zu faul bin und diese Freiheit

wie auf’m Sofa zu Hause bequem daher zu fahren.“ (Herr Müller, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Weil ich alles mit dem Fahrrad mach und Zeit habe. Ich bin nicht auf den {öffentlichen Personennahverkehr, I} angewiesen.“ (Herr Lampert, 66 Jahre alt, Mannheim)

„Ich [...] bin doch noch nie gefahren {mit den öffentlichen Verkehrs-mitteln, I}. Ich hab gerade die Tage zu meinem Enkel gesagt [...] ich tät mich blöd anstellen [...] ich wüsste gar nich, wie ich mir einen Fahrschein und wie ich da umgehen müsste und alles [...]. Das Auto steht immer vor der Tür und da fährt man halt, das is ganz selbstverständlich. Und ich kann mir’s noch leisten, finan-ziell, wenn auch das Benzin teuer is, aber auf das werd’ ich nich verzichten, solange ich kriechen kann, nich.“ (Herr Jahn, 90 Jahre alt, Mannheim)

„Ich nehm sie nich gerne {die Öffentlichen Verkehrsmittel}. Sie sind unbequem und man weiß nich, wie se fahrn, man kennt die Zeiten nich, und dann sind se sehr sehr teuer, es is bequemer, wenn wir mit dem Auto fahrn.“ (Frau Trautwein, 67 Jahre alt, Chemnitz)

5.5.2 Verkehrsmittel ÖPNV: Subjektive AspekteUnter subjektiven Aspekten in Bezug auf öffentliche Verkehrsmittel werden die Gesichtspunkte zusammengefasst, die von den Befragten als individuell bedeutsam erlebt werden, beispielsweise die Zufrieden-heit mit öffentlichen Verkehrsmitteln am Wohnort, die subjektiv erlebte Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel für die eigene Mobilität sowie ihre Veränderung im Zeitverlauf. Die Aspekte der Zufriedenheit mit öf-fentlichen Verkehrsmitteln werden auf der Grundlage quantitativer und qualitativer Analysen berichtet; die Aspekte der Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel für die Mobilität werden ausschließlich anhand der Aus-wertungen des qualitativen Interviewmaterials dargestellt.

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Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln Die Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmittel gibt Auskunft über die erlebte Qualität des öffentlichen Nahverkehrs und wird hier berichtet für die Gruppe der älteren Menschen, die bei allen Befragungen angaben, den ÖPNV zu nutzen (ca. 6� % der Gesamtstichprobe, das sind �3 von insgesamt 82 Personen). Einleitend werden als Beispiel für Kontinuität und Veränderung der Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln wie-der Fallgeschichten berichtet. Ein Diagramm, das die Durchschnittswerte der Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln der befragten älteren Menschen sowie die Werte von Frau Faust, Frau Stettner und Herrn Nolte im Einzelnen darstellt, ermöglicht darüber hinaus einen direkten Vergleich (siehe Abb. 10).

Frau Faust ist 77 Jahre alt, verwitwet und lebt in Chemnitz. Der Tod ihres Mannes vor knapp zwei Jahren hat ihr Leben gravierend verändert. Sie sagt selbst: „Also ich bin, sagen wir mal, psychisch krank

geworden, nachdem mein Mann verstorben war und hab mir große

Mühe geben müssen und hab auch was tun müssen, um wieder zurecht zu kommen und ich denke, in eineinviertel Jahr hab ich das dann geschafft. Ich war nur noch von Ängsten befallen und konnte selber nichts dagegen tun, obwohl ich selbst Psychologie studiert hab und alles, aber mein Körper war nicht mehr in der Lage.“ Diese schwierige Lebenssituation hat Frau Faust vor allem dadurch über-wunden, dass sie in stärkerem Maße als vorher (sie war zu Lebzei-ten ihres Mannes, der in einem Pflegeheim lebte, auch in dessen „Versorgung“ eingebunden) außerhäusliche Aktivitäten ausgeführt hat und noch ausführt. Sie berichtet beispielsweise, dass sie einen Chi-Gong-Kurs mitgemacht hat, der ihr wieder Körpergefühl und auch Kontakte zu anderen Menschen vermittelt hat. Ebenfalls re-gelmäßig geht Frau Faust zum Chor und in einen Englischkurs. Da sie selber kein Auto fährt und nie einen Führerschein besessen hat, bewältigt Frau Faust ihre außerhäuslichen Ziele meist zu Fuß oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln. Regelmäßig benutzt sie vor allem den Linienbus und die Straßenbahn. Aufgrund einer schweren Augenerkrankung fällt es Frau Faust nicht immer leicht, sich zu Fuß zu orientieren. Aus diesem Grund gibt sie an, dass die öffentlichen Verkehrsmittel für sie in den letzten Jahren noch an Bedeutung ge-wonnen haben und sie bei der Ausübung ihrer alltäglichen Aktivitäten

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unterstützen. Frau Faust hat auch schon das nächste Ziel geplant: Sie möchte versuchen, wieder mit dem Zug zu fahren, damit sie ihre Kinder, die weiter entfernt wohnen, auch selbst wieder einmal besuchen kann und sich nicht „nur“ von ihnen abholen und bringen lassen muss.

Frau Stettner ist 72 Jahre alt, verwitwet und lebt in Mannheim. Für Frau Stettner haben sich in den vergangenen zehn Jahren hinsichtlich der Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln keine Veränderungen ergeben – sie berichtet nach wie vor, dass sie „sehr zufrieden“ mit den Angeboten des öffentlichen Nahverkehrs ist. Sie schätzt daran vor allem, dass sie überall hinkommt, wenn sie das möchte, und die Bequemlichkeit: „Wenn ich dann wirklich mal nicht fahren will oder mich nicht auskenne, dass ich praktisch dann mich einfach ohne nachzudenken mich reinsetzen kann und mich chauf-fieren lassen kann.“

Herr Nolte ist 88 Jahre alt, verheiratet und lebt in Mannheim. Ein Teil seiner Lebensgeschichte wurde bereits im Abschnitt zu immobilen Personen beschrieben. Seine Geschichte, auch im Hinblick auf den ÖPNV, steht stellvertretend für die älteren Frauen und Männer, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen die Angebote des ÖPNV nicht mehr in Anspruch nehmen können. Für Herrn Nolte haben sich insbesondere zwischen 2000 und 200� starke Einschränkungen der Mobilität aufgrund seines sich allmählich verschlechternden Gesund-heitszustandes ergeben. Dadurch, dass er das Haus ohne fremde Hilfe gar nicht oder nur noch selten verlassen kann, haben sich seine Zufriedenheit und Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel verändert. Herr Nolte sagt, dass seine nachlassende Zufriedenheit mit dem ÖPNV weniger durch die Fahrzeuge oder den ÖPNV selbst bedingt sind, sondern er sagt: „Weil ich körperlich behindert bin bei der ganzen Sache, mit der Straßenbahn bin ich heut nicht mehr zufrieden, weil ich sie nicht mehr benutzen kann.“ Dieser Aspekt zeigt deutlich, dass eine Zufriedenheitsaussage älterer Menschen nicht unbedingt „nur“ auf den Gegenstand der Zufriedenheit bezogen wird, sondern die eigene Situation – gerade auch bei starken Einschränkungen – immer mit thematisiert wird und in die Bewertungen einfließt.

Die Zufriedenheit der befragten älteren Menschen mit dem öffentli-chen Nahverkehr ist über die drei Messzeitpunkte hinweg durchgängig

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hoch und im Zeitverlauf steigend. Sie liegt auf einer Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) im Mittel bei M=7,2; SD=2,8 (1995), M=8,1; SD=1,7 (2000) und M=8,2; SD=1,7 (200�). Die als prototypisch dargestellten Verläufe der Zufriedenheit mit dem ÖPNV von Frau Faust, Frau Stettner und Herrn Nolte verweisen darauf, dass es neben der mittleren Entwicklung der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe auch die je individuelle Entwicklung der einzelnen Personen im Hinblick auf die Zufriedenheit gibt. Diese Entwicklung kann Kontinuität bedeuten, was für Frau Stettner zutrifft. Für Frau Faust zeigt sich analog zum Wert der Gesamtgruppe eine Zunahme der Zufrie-denheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln über die Zeit. Die Entwicklung der Zufriedenheit von Herrn Nolte weist im Vergleich zur Zufriedenheit der Gesamtgruppe einen Rückgang und deutliche Abweichungen von der mittleren Zufriedenheit auf, insbesondere zwischen 2000 und 200� (siehe auch Abb. 10). Mittelwertsunterschiede für die Gesamtgruppe finden sich sowohl zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt (t=-2,0(*)) als auch zwischen dem ersten und dritten Messzeitpunkt (t=-2,2*). Diese Durch-schnittswerte der Zufriedenheit mit dem ÖPNV für die Gruppe der Nutzer verdecken jedoch die Unterschiede in den Städten Mannheim und Chemnitz. Während die Zufriedenheit über die Zeit in Mannheim

Abb. 10: Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mit öffentlichen Verkehrsmitteln)

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zugenommen hat, ist sie in Chemnitz, mit Ausnahme der Einschätzung 1995, niedriger als in Mannheim. Statistische Unterschiede finden sich zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt (t=-2,6*) sowie zwi-schen dem ersten und dritten Messzeitpunkt (t=-3,0**). Ähnlich wie bei den Mannheimer Befragten insgesamt zeigen die Be-funde für die Frauen eine zunehmende Zufriedenheit über die Zeit mit Unterschieden zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt (t=-1,8(*)) sowie zwischen dem ersten und dritten Messzeitpunkt (t=-1,8(*)). Ein ebenfalls interessantes Ergebnis kann für die Gruppe der Personen mit vs. ohne Mobilitätseinschränkungen 200� berichtet werden. Bei Personen mit erlebten Mobilitätseinschränkungen findet sich nur wenig Variation in Bezug auf die Zufriedenheitsbewertungen über die Zeit, bis auf eine – allerdings statistisch nicht signifikante – Abnahme der Zufriedenheit zwischen dem zweiten und dritten Messzeitpunkt. Dem-gegenüber zeigt sich in der Gruppe der Personen ohne Mobilitätsein-schränkungen wieder eine Tendenz zu wachsender Zufriedenheit über die Zeit. Statistisch signifikante Unterschiede bestehen zwischen dem ersten und zweiten Messzeitpunkt (t=-2,2*) sowie zwischen dem ersten und dritten Messzeitpunkt (t=-3,1**) (siehe Tabelle 26 im Anhang).

Die Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel für die Mobilität Älte-rerInsgesamt betrachtet haben öffentliche Verkehrsmittel für den befrag-ten Personenkreis eine große Bedeutung, die sich in differenzierten Bedeutungskategorien zusammenfassen lässt. Als ein erster Aspekt wird Unabhängigkeit genannt: „Unabhängigkeit. Da komm ich überall hin, wo ich hin will.“ (Frau

Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)Als ein weiterer Aspekt wird das Erreichen des Zielortes genannt, insbesondere unter dem Aspekt des bequemeren Fortkommens. Positiv wirkt sich zudem der Besitz einer Dauerkarte aus, weil damit auch Zielorte angefahren werden, die sonst nicht aufgesucht werden würden: „Ja, man erreicht ja den Zielort bequemer, leichter, bequemer,

ohne Anstrengung.“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim) „Und ich hab, wie gesagt, die Fahrkarte und da […] fährt man

einmal wo hin, wo man normaler Weise nicht hinfahrn tät.“ (Frau Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)

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Ein immer wieder erwähnter Aspekt der Bedeutung öffentlicher Verkehrs-mittel ist die Erreichbarkeit der Innenstadt, um Einkäufe zu erledigen, Arztbesuche zu tätigen, Freunde und Verwandte zu besuchen oder am kulturellen Leben der Stadt teilzunehmen. Das wird von den Befragten positiv und als Erleichterung erlebt: „Hilft mir, in die Stadt zu kommen, teilweise auch mal zum Arzt.“

(Herr Michelbach, 76 Jahre alt, Chemnitz) „Na, ich komm günstiger in die Stadt als wenn ich mit’m Auto fahr.“

(Herr Röder, 74 Jahre alt, Chemnitz) „Ich {bin} mit der Bahn sehr mobil. Durch die vielen Linien, die ich ja

unterschiedslos benutzen kann mit meiner Karte, die mir da ja alle Möglichkeiten eröffnet. Da bin ich da mobiler als mit dem Auto, wo ich ja immer wieder zurück müsste, dann wieder neue Parkzeiten einstellen oder weiß der Teufel was. Also bin ich viel mobiler, also insofern bedeutet es mir viel. Aber das gilt ausschließlich für den Bereich Stadtbesuche.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

„Wir sind aus der Warte raus eigentlich schon da rausgezogen, um angebunden zu sein, stadtnah zu sein, ins Theater gehen zu können am Abend [...]. Ich wollt auf Konzert […] und Theater nicht verzichten und da ist eine Straßenbahn absolut wichtig […]. Also ich wollte nicht irgendwo wohnen, wo die Anbindung nicht is.“ (Frau Vollmer, 65 Jahre alt, Mannheim)

Die Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel wird immer wieder auch in Zusammenhang mit der Nutzung anderer Verkehrsmittel, insbeson-dere dem Auto, angesprochen. Hierbei spielt vor allem die Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel als Autoergänzung, Autoersatz, dem Auto gleichgestellt und Gegensatz zum Auto eine Rolle: „Das ist eine Ergänzung zum Auto […]. Ich würde mal so sagen:

Wenn ich so vor Weihnachten, wenn so alles zugeparkt ist, dass ich dann vielleicht sage, ach, ich nehme jetzt die Bahn […]. Ich habe auch schon Folgendes gemacht: Wir haben hier so einen kleinen Markt, und der ist nur mittwochs und samstags. Anson-sten ist der Marktplatz, wird als Parkplatz benutzt, ist also nie voll, und da ist direkt ne Bahn, dass ich schon mal mit dem Auto bis dahin gefahren bin, und dann in die Bahn eingestiegen bin, um diesen Weg mir da zu sparen, nicht.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, weil ich nicht selber Auto fahr bedeutet für mich die Straßen-bahn natürlich viel.“ (Frau Randert, 66 Jahre alt, Mannheim)

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Die Bedeutung öffentlicher Verkehrsmittel wird darüber hinaus auch als existenziell für die eigene Person, als ein Stück Lebensqualität, aber auch als Motivation, außerhäuslich mobil zu sein, erlebt: „Ohne das könnte ma gar net existiere. Denn dann müsste man

jedes Mal jemand frage, nimmst du mich mit, oder fahrst du mich? Und so kann ich durch günstiges Fahren mit öffentliche Verkehrs-mittel das alles erledigen“. (Herr Ober, 77 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, also ich wäre ohne öffentliche Verkehrsmittel momentan oder überhaupt, wär ich absolut […] nicht flexibel, ich wär nicht mobil, ich […] käm nirgenswo mehr hin. Wär ganz schlecht. Öffentliche Verkehrsmittel müssen sein.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mann-heim)

„Das brauch ich, sonst könnt ich ja nirgends hingehen.“ (Frau Trautler, 79 Jahre alt, Chemnitz)

„Die sind unerlässlich. Sonst würd’ ich nur zu Haus hocken.“ (Herr Unger, 73 Jahre alt, Mannheim)

Mit Blick in die Zukunft und die Entwicklung der eigenen Gesundheit und der damit verbundenen Verkehrsmittelnutzung werden von den Befragten auch Überlegungen dahingehend angestellt, dass öffentliche Verkehrsmittel eine akzeptierte Alternative zum derzeit gelebten Mo-bilitätsverhalten sein könnten, immer auch in Bezug auf eine mögliche Aufgabe des Autofahrens: „Ja, die sind schon wichtig. Wenn ich kein Auto mehr habe, und

man kann nich überall hinlaufen und überall mit der Taxe fahren, das geht nich, das ist finanziell eine zu große Belastung. Und mit den Verkehrsmitteln, kann sein, jetzt bin ich 80, vielleicht in fünf Jahren, wenn ich tatsächlich kein Auto mehr fahre, dann werd ich sicherlich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln mehr fahren.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim)

„Es ist gut zu wissen, dass sie da sind. Dass man, wenn man nicht mehr Auto fährt, auf sie zurückgreifen kann.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

„Ja, als Sicherheitspolster[…] für alle Fälle. Wenn ich nicht Auto fahren kann, dann weiß ich, ich fahre von der Haltestelle G. mitten in die Stadt.“ (Herr Müller, 75 Jahre alt, Mannheim)

Zusammenfassung

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In Abschnitt �.� wurden Ergebnisse zum Thema öffentlicher Perso-nennahverkehr dargestellt. Öffentliche Verkehrsmittel sind neben dem Auto das wichtigste technische Fortbewegungsmittel für ältere Menschen. Ungefähr zwei Drittel der befragten Älteren haben im Verlauf von zehn Jahren das Angebot öffentlicher Verkehrssysteme kontinuierlich genutzt. Nutzungsveränderungen zeigen sich in positi-ver (Nutzungsvorteile) und negativer Richtung (Nutzungsbarrieren). Als Nutzungsvorteile sehen die älteren Menschen insbesondere günstige Tarife und das Angebot an Seniorentickets. Weitere Vor-teile liegen in der Bewältigung spezieller Wege mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, beispielsweise Fahrten in die Innenstadt, oder in der Kompensation des Verlustes der eigenen „Auto-Mobilität“ bzw. einer Mitfahrgelegenheit. Nutzungsbarrieren werden im Hinblick auf die Erreichbarkeit von Haltestellen und den Einstieg ins Fahrzeug selbst erwähnt, was zumeist mit gesundheitlichen Einbußen korre-spondiert. Auch die Modalitäten des modernen Fahrscheinverkaufs, die als mangelhaft erlebte Anbindung von Stadtrandgebieten an das öffentliche Verkehrsnetz sowie die Preis-

gestaltung stellten für einige der Befragten eine Nutzungsbarriere

dar. Das Vorhandensein und die Nutzung anderer Verkehrsmittel wie Auto und Fahrrad kann ebenfalls dazu führen, den ÖPNV weniger in Anspruch zu nehmen. Die Zufriedenheit mit dem Angebot des ÖPNV ist für die von uns befragten älteren Menschen durchweg hoch, im 10-Jahresverlauf sogar signifikant steigend. Dieser Veränderung können sowohl die persönliche Wahrnehmung als auch tatsächlich verbesserte Bedingungen im öffentlichen Nahverkehr zugrunde liegen. Öffentliche Verkehrsmittel haben für die Mobilität älterer Menschen eine Vielzahl von Bedeutungen, zu denen insbesondere Aspekte wie Unabhängigkeit, Lebensqualität, bequeme Zielerrei-chung (z. B. Innenstadt), Autoergänzung und Autoersatz sowie die Motivation zu außerhäuslicher Mobilität gehören. Explizit wird auch die mögliche Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel als Alternative zu bisher genutzten Fortbewegungsmitteln antizipiert.

5.6 Wohnumgebung und Stadtteil als wichtiges Mobilitätsfeld älterer Menschen

In Zusammenhang mit Fragen der Mobilität ist auch das Wohnumfeld mit seinen räumlichen und sozialen Bezügen von Bedeutung. In einem

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ersten Schritt wird die Wahrnehmung der älteren Menschen im Hinblick auf die Wohnumgebung dargestellt (z. B. Zufriedenheit mit der Wohn-umgebung und infrastrukturellen Bedingungen sowie als bedeutsam er-lebte Aspekte der Wohnumgebung). In einem weiteren Schritt wird nach Veränderungen bezüglich der Wohnumgebung und infrastrukturellen Bedingungen sowie deren konkreter Auswirkung auf den Alltag der älte-ren Menschen gefragt. Da in diesem Zusammenhang in den Interviews immer wieder auf die vorhandenen (oder nicht mehr vorhandenen!) nahräumlich verfügbaren Einkaufsmöglichkeiten Bezug genommen wurde, steht diese Thematik im Mittelpunkt der Ausführungen zu infra-strukturellen Veränderungen. Am Ende des Abschnittes geht es um den Bekanntheitsgrad mobilitätsunterstützender Angebote im kommunalen Umfeld sowie um Ideen und Vorstellungen der von uns befragten älteren Menschen zum Thema „Kommerzieller Mobilitätsdienst“. Für ältere Menschen gewinnen die Wohnung und das unmittelbare Wohnumfeld infolge eines durchschnittlich kleiner werdenden Akti-onsradius’ und der erhöhten Wahrscheinlichkeit gesundheitlicher und körperlicher Beeinträchtigungen an Bedeutung. Empirische Befunde verweisen darauf, dass ältere Menschen ungefähr 3/4 bis 4/� des Tages in der eigenen Wohnung verbringen (Baltes et al., 1996; Bundesmini-sterium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 1998; Küster, 1998; Mollenkopf und Flaschenträger, 2001; Saup, 1993). Das bedeutet im Zusammenhang mit Mobilität, dass ältere Menschen auch in stärkerem Maße als jüngere im Stadtteil oder angrenzenden Vierteln unterwegs sind und dort ihre außerhäuslichen Aktivitäten durchführen. Vor diesem Hintergrund erfüllen der Stadtteil oder die Wohnumgebung verschie-dene Funktionen für ältere Menschen, sie sind Orte der Versorgung, aber auch Orte des Wohnens, Orte des Lebens und insbesondere auch Orte sozialer Kontakte (Thabe 1997). In welchen mobilitätsrelevanten Umweltausschnitten sich ältere Menschen bewegen, wird in Abbildung 11 dargestellt (siehe Abb. 11). Da die von uns befragten älteren Men-schen der Versorgung als Funktion des Wohnumfeldes besondere Bedeutung beigemessen haben, wird dieser Aspekt im Mittelpunkt der Ausführungen zur Wohnumgebung, insbesondere im Zusammenhang mit Einrichtungen und Dienstleistungen, stehen. 5.6.1 Zufriedenheit mit der WohnumgebungAuch die Zufriedenheitsbewertungen zum Thema Wohnumgebung und Infrastruktur werden anhand von drei Fallbeispielen eingeführt. Eine Abbildung, die den Verlauf der Gesamtgruppe der von uns befragten älteren Menschen sowie speziell die Zufriedenheitsverläufe von Frau Trautwein, Herrn Müller und Herrn Fischer zeigt, ermöglicht darüber

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hinaus einen direkten Vergleich (siehe Abb. 12 und 13).

Frau Trautwein ist 67 Jahre alt, verheiratet und lebt mit ihrem Ehe-mann in Chemnitz. Ihr Beispiel wird stellvertretend für die Personen angeführt, deren Zufriedenheit mit der Wohngegend und den Ange-boten und Einrichtungen im Wohnumfeld im Verlauf der vergangenen fünf bis zehn Jahre gestiegen ist. Die Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr bewertet Frau Trautwein zufriedenstellend, sie nutzt den ÖPNV allerdings nur selten, da sie meist mit ihrem Mann und dem Auto unterwegs ist (sie selbst fährt lediglich als Mitfahrerin). Frau Trautwein ist sowohl mit ihrer Wohnumgebung als auch mit den Angeboten und Einrichtungen im Wohnumfeld sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit hat sich im Laufe der vergangenen zehn Jahre sogar noch verstärkt. Das Wohngebiet, in dem die Eheleute schon seit langer Zeit leben, ist in den vergangenen zehn Jahren saniert und umgestaltet worden. Frau Trautwein berichtet über eine natur-nahe Gestaltung des Wohngebietes mit sehr viel Grün und wenig Verkehr – besten Voraussetzungen, um gut spazieren gehen zu

Abb. 11: Ebenen der Wohnumgebung

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können, was beiden sehr wichtig ist. Außerdem berichtet sie: „Die Einkaufsmöglichkeiten sind sehr gut und das ganze Sanierungsge-biet, die ganzen Häuser sind wunderwunderschön geworden, und gute Nachbarschaft haben wir, es ist einfach sehr schön hier [...]. Es gibt eigentlich hier in dem Wohngebiet gar nichts auszusetzen. Alles, alles super, wir sind sehr zufrieden und glücklich.“

Herr Müller ist 7� Jahre alt, verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau in Mannheim. Sein Beispiel wird stellvertretend für die Personen angeführt, deren Zufriedenheit mit der Wohngegend und den An-geboten und Einrichtungen im Wohnumfeld sich im Verlauf der vergangenen fünf bis zehn Jahre nicht verändert hat. Herr Müller lebt in einem Stadtteil mit weitgehend konstanter und gehobener sozialstruktureller Bewohnerschaft. Da die Bewohner vor 30 bis 3�

Jahren zur selben Zeit in das Gebiet gezogen sind, erleben Herr Müller und seine Nachbarn derzeit eine „gemeinsame Alterung“ der Siedlung. Als Gründe für die Zufriedenheit mit der Wohngegend nennt Herr Müller insbesondere die Ruhe und die gute Kenntnis des Wohngebietes und seiner Nachbarn. Der menschliche Aspekt ist ihm besonders wichtig: „Also, die menschlichen Beziehungen zu den Straßen verstehen sich von selbst. Wenn wir in Urlaub fahren, haben wir sofort ‘ne Nachbarin, die hier jeden Tag reingeht und nach dem Rechten guckt.“ Herr Müller freut sich auch, dass in letzter Zeit auch wieder mehr junge Leute, Familien mit Kindern in die Nachbarschaft ziehen, in die Häuser von Nachbarn, die aus gesundheitlichen oder anderen Gründen ihr großes Haus nicht mehr halten konnten oder wollten und sich eine neue Wohnmöglichkeit gesucht haben. Sein Erleben der Wohngegend beschreibt Herr Müller wie folgt: „Man fühlt sich hier echt...so... eingebettet.“ Die Ausstattung des Wohngebietes mit Versorgungseinrichtungen ist seiner Meinung nach nicht optimal für Personen ohne Auto. Für ihn ist das Angebot ausreichend, da er alle weiter entfernten Wege mit dem Auto erreichen und bewältigen kann.

Herr Fischer ist 7� Jahre alt, verheiratet und lebt mit seiner Ehefrau in Mannheim. Sein Beispiel wird stellvertretend für die Personen angeführt, deren Zufriedenheit mit der Wohngegend und den Ange-

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boten und Einrichtungen im Wohnumfeld sich im Verlauf der vergan-genen fünf bis zehn Jahre verschlechtert hat. Gründe dafür können zum einen eine veränderte persönliche Wahrnehmung, aber auch tatsächliche objektive Veränderungen in der Wohngegend sein. Herr Fischer lebt seit 29 Jahren in einer Gegend, die sich seiner Meinung nach insbesondere in den vergangenen fünf bis zehn Jahren stark gewandelt hat – zum Negativen hin, wie er empfindet. Er berichtet, dass viele Bekannte und Nachbarn weggezogen sind und sich mit den Neuhinzugezogenen auch die Sozialstruktur verändert hat, so dass er sich manchmal fürchtet, bei Dunkelheit seine Wohnung zu verlassen. Er beschreibt auch, dass sich die Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs extrem verschlechtert hat. Ohne Auto wäre es trotz bestehender Anbindung des öffentlichen Personennahverkehrs für ihn beschwerlich, diese Wege zu erledigen, zumal er selbst durch eine schwere Operation gesundheitlich eingeschränkt ist und seine Frau nicht Auto fahren kann. Besonders

verärgert ist er darüber, dass er „um jedes Bissel raus {muss}. Ja, um jedes Bissel. Wenn ich mal was vergessen hab und wenn bloß eine Sache ist und das dringend gebraucht wird, dann muss ich rausfahren, drei Kilometer.“ Die Veränderungen im Wohnumfeld haben dazu beigetragen, dass sich für Herrn Fischer die Freude an außerhäuslichen Aktivitäten in seiner Wohnumgebung verringert hat: „Dass ich nicht mehr rauskomm, rausgeh, keine Lust mehr hab, rauszugehen.“ Für die Zukunft wünscht sich Herr Fischer, dass er für die alltäglichen Wege nicht unbedingt auf das Auto angewiesen wäre, sondern die für ihn notwendigen Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs (oder zumindest ein Teil davon) auch in Fußnähe erreichbar sind.

Die Zufriedenheit mit der Wohngegend, also dem unmittelbar an die Wohnung angrenzenden Wohnumfeld, ist bei den von uns befragten älteren Menschen sehr ausgeprägt und im Zeitverlauf über die zehn Jahre (leicht) gestiegen. Für die Gesamtgruppe liegen die Mittelwerte auf einer Skala von 0-10 (0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“) zwischen M=8,1; SD=2,3 (1995), M=8,3; SD=1,9 (2000) und M=8,6; SD=2,2 (200�). Die als prototypisch dargestellten Verläufe der Zufriedenheit mit der Wohnumgebung sowie Angeboten und Einrich-tungen von Frau Trautwein, Herrn Müller und Herrn Fischer verweisen darauf, dass es neben der mittleren Entwicklung der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe auch die je individuelle Entwicklung der einzelnen

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Personen im Hinblick auf die Zufriedenheiten gibt. Diese Entwicklung kann Kontinuität bedeuten, was für Herrn Müller und für die Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen der Gesamtgruppe zutrifft. Für Frau Trautwein zeigt sich eine wachsende Zufriedenheit mit der Wohnum-gebung und mit Angeboten und Einrichtungen über die Zeit, was dem Entwicklungsverlauf der Gesamtgruppe für die Zufriedenheit mit der Wohnumgebung entspricht. Die Entwicklung der Zufriedenheit von Herrn Fischer weist über die Zeit – im Gegensatz zur Gesamtgruppe – einen Rückgang und deutliche Abweichungen von der mittleren Zufriedenheit auf (siehe auch Abb. 12 und 13). Im Vergleich der Städte Mannheim und Chemnitz zeigt sich eine ge-stiegene Zufriedenheit mit der Wohngegend. Wichtig ist auch festzu-halten, dass die älteren Menschen mit Mobilitätseinschränkungen im Durchschnitt eine hohe Zufriedenheit mit ihrer Wohngegend aufweisen. Diese Gruppe ist signifikant zufriedener mit der Wohngegend als vor

Abb. 12: Zufriedenheit mit der Wohnumgebung

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mit der Wohnumgebung)

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fünf Jahren M=7,9; SD=2,2 (2000) vs. M=8,7; SD=1,6 (200�), wobei auch die Streubreite deutlich abgenommen hat. Diese hohe Zufrieden-heit ist insofern bedeutsam, als gerade ältere Menschen, die in ihrer Mobilität und ihrem Bewegungsradius eingeschränkt sind, sich in ihrer unmittelbaren Wohngegend häufiger aufhalten als nicht eingeschränkte Personen (siehe Tabelle 27 im Anhang). Was sich im Mittelwertsvergleich insgesamt sehr positiv zeigt, kann allerdings stadtteilspezifisch stark variieren, wie die Aussagen zu Veränderungen der Wohnumgebung im Untersuchungszeitraum verdeutlichen.

Erlebte Qualitäten der Wohnumgebung Im Folgenden geht es um Aspekte, die älteren Menschen an ihrer Woh-numgebung, insbesondere vor dem Hintergrund des Themas Mobilität, wichtig sind, aber auch um das, was sie stört und als Veränderungs-bedarf angemerkt wird. Bereits zum ersten und zweiten Messzeitpunkt sind Aspekte der Wohnumgebung quantitativ erhoben worden, wobei

Abb.13: Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen im Wohnumfeld3

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mit Angeboten und Einrichtungen)

3 Diese Thematik wird in Abschnitt �.6.2 ausführlich behandelt.

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unterstützungsrelevante (für ältere Menschen „notwendige“) Aspekte wie nahräumlich verfügbare medizinische Versorgung und gute Versorgung mit Dienstleistungseinrichtungen einen hohen Stellenwert einnahmen. Aber auch anregungsbezogene Aspekte des Wohnumfeldes wie eine ruhige Wohnlage und gute Umweltbedingungen wurden von den äl-teren Menschen als wichtig erachtet (Mollenkopf und Flaschenträger, 2001). Das Vorgehen, Aspekte der Wohnumgebung zum dritten Messzeitpunkt offen zu erfragen, erfolgte mit dem Ziel, die bereits bekannten Merkmale um eventuell weitere, in der Wahrnehmung der älteren Menschen wich-tige Aspekte im Hinblick auf ihre Wohnumgebung ausfindig zu machen. Eine Differenzierung nach Wohngebietsarten erfolgt hier nicht, sondern alle im Erleben der älteren Menschen bedeutsamen Aspekte werden gleichermaßen wiedergegeben, wobei natürlich – je nach Wohngebiet – unterschiedliche Aspekte im Vordergrund stehen können. Von den befragten älteren Menschen werden insbesondere Ruhe (auch Aspekte der Verkehrsberuhigung) und Nähe zur Natur (im Stadtteil, aber auch in unmittelbarer Nähe des Hauses, z.B. ein Garten) geschätzt: „Die Ruhe. Von der Stadt weg. Die Ruhe. Ja und dann sind wir

eben in einem schönen Haus mit angenehmen Mietern. Wir ha-ben ein schönes Verhältnis im Haus überall.“ (Herr Bachmann, 82 Jahre alt, Mannheim)

Die Nähe zu infrastrukturellen Einrichtungen (Einkaufsmöglichkeiten, Kultur, medizinische Versorgung) wird in besonderem Maße als wichtig empfunden, weil sie eine wichtige Voraussetzung für längstmögliches selbstbestimmtes Wohnen darstellt. Die älteren Menschen, die wir in den Innenstädten befragt haben, erwähnen insbesondere den Vorzug der fußläufigen Erreichbarkeit fast aller Angebote und Einrichtungen als zentrales Kriterium des Wohlfühlens im Stadtteil. So wird beispiels-weise das Angebot an Geschäften insgesamt, aber auch das Angebot an Geschäften zur Deckung des täglichen Bedarfs, die Nähe von Ge-sundheitseinrichtungen und kulturellen Einrichtungen (Theater, Kino, Konzertsaal) sowie die Anbindung an den öffentlichen Personennah-verkehr als vorteilhaft hervorgehoben: „Ja, bin ich im Grunde genommen zufrieden, weil ich von hier

aus überall hin kann. Ich kann günstig zum Bahnhof, günstig [...] zu Konzerten, kann ich überall alles zu Fuß machen. Und das ist wichtig, weil man, wenn man schon ins Auto steigen müsste oder ständig mit der Taxe fahren müsste [...], mit der Wohngegend bin ich zufrieden. Ich meine, dass es hier Krach gibt, aber das hör ich ja schon gar nicht mehr. Ich wohn ja schon 36 Jahre hier.“ (Frau

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Bode, 80 Jahre alt, Mannheim) „Ja, dass ich hier einkaufen kann auf kurzen Wegen, dass der

Arzt in der Gegend ist, dass es ne schöne ruhige Wohngegend ist [...]. Gutes Verhältnis zu den Nachbarn, viel Spaß, viel Lachen miteinander.“ (Frau Niebel, 78 Jahre alt, Chemnitz)

Wie bei einigen Zitaten schon deutlich wurde, ist der Kontakt zur Nachbarschaft ein weiterer wichtiger Aspekt des Wohlfühlens in der Wohnumgebung. Gewachsene Nachbarschaften können neben dem alltäglichen Kontakt auch noch weitere Möglichkeiten des Miteinanders bieten, beispielweise in Form gemeinsam und eigeninitiativ organisierter Aktivitäten wie Sommerfeste oder Hausfeste: „Wir machen in der Straße hier jedes Jahr nen Straßenfest, weil

wir uns alle gut kennen. Da wird dann zusammengelegt und jeder macht Salate und Kuchen, und da feiern wir jedes Jahr unser Straßenfest, was in andern Straßen wieder nicht der Fall ist, da [...] gibt’s halt immer wieder die Schwierigkeiten, wird dann geklagt, weil der eine, der hat dann den Baum zu hoch und all des, und wir bereden das halt, und dann suchen wir ‘nen Ausweg.“ (Herr Lampert, 66 Jahre alt, Mannheim)

Auch die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr sowie an den Fernverkehr (Autobahnanschluss) werden als wichtige Aspekte ge-nannt. Beide Verkehrsanbindungen ermöglichen es älteren Menschen, den engeren Umkreis ihrer Wohnumgebung zu verlassen und in angren-zenden Stadtteilen und darüber hinaus mobil zu sein: „Also wir haben Verkehrsanbindung, wir wohnen wunderschön

im Grünen, sind sofort, sind in 20 Minuten in der Stadt, ja, und eigentlich auch es Umfeld, es ist noch ein gepflegter Stadtteil.“ (Frau Vollmer, 65 Jahre alt, Mannheim)

Das folgende Zitat fasst die für ältere Menschen an einer Wohnumge-bung bedeutsamen Aspekte noch einmal zusammen: „Ausschlaggebend ist für mich, schauen Sie rum, schauen Sie

nach hinten, da haben wir viel Grün, da haben wir den Garten da hinten, schauen Sie hier raus, ich wohn nicht irgendwo zwischen den Hochhäusern drin. Also das ist schon mal ein ganz wichtiger Grund, ja. Einfach die Schönheit des Stadtteils, können wir hier uns nicht beklagen. Das Zweite ist die verkehrsgünstige Anbin-dung, sehr wichtig. Das Dritte ist Versorgungseinrichtungen, wenn man sie brauchen würde. Ich hab sie bis jetzt nicht gebraucht, ich hoff, sie auch lang nicht zu brauchen, aber wenn ich sie brauchen

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würde, sind in gut erreichbarer Nähe, ne, das Klinikum, die Ärz-te, die Apotheken [...]. Die Freizeitaktivitäten spielen sich auch in der Nähe ab, weitgehend, ja, also gut erreichbar. Versorgung mit Geschäften ist gut hier, ja, alles eigentlich im großen Ganzen vorhanden, vor allem für den täglichen Bedarf, alles vorhanden. Also auch die Ruhe ist immer noch in Ordnung. {Mit den Nachbarn} , da haben wir ein gutes Einvernehmen.“ (Herr Junker, 72 Jahre alt, Mannheim)

Erlebte Umweltbarrieren und Veränderungen der Wohnumge-bung Als Barriere wird von einem Teil der von uns befragten älteren Menschen in umgekehrter Weise die (noch) nicht bedarfsgerechte Erfüllung der eben genannten Qualitäten einer Wohnumgebung genannt: Kein oder wenig Zugang zur Natur bzw. deren vermisste Pflege, als mangelhaft erlebte oder nahräumlich nicht verfügbare Infrastruktur, unbefriedigende nachbarschaftliche und soziale Kontakte sowie eine schlechte Anbin-dung an den öffentlichen Nahverkehr.

Erlebte Barrieren hinsichtlich der natürlichen Umgebung

Was die Nähe zur Natur und deren Bedeutung für die befragten älte-ren Menschen betrifft, scheinen selbst in den Innenstädten genügend Angebote und Möglichkeiten vorhanden zu sein. Als verbesserungs-bedürftig wird somit nicht das Angebot an sich, sondern eher die als mangelhaft empfundene Pflege von Grünflächen angesehen. De-tailliert angesprochen wird in diesem Zusammenhang insbesondere die „Hundeproblematik“: „Was stört, sind diese viele Hundehaufen, die Hundebesitzer, die

nicht ihr Zeug wegräumen und nicht drauf achten und auch auf Kinderspielplätzen, die halt verdreckt sind von Hunden und auch von Jugendlichen, die abends dann diese Spielplätze benutzen. Und wenn dann am Tag die Frauen kommen mit Kindern, die müs-sen dann versuchen, einiges wegzuräumen und - na ja. Aber das Problem is ja überall dasselbe wie bei uns hier.“ (Herr Lampert, 66 Jahre alt, Mannheim)

Barrieren hinsichtlich des sozialen Gefüges im Stadtteil

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Insbesondere in Stadtteilen mit gemischter Sozialstruktur bzw. mit Ten-denz zu sozial schwacher Bewohnerschaft wird von den dort lebenden älteren Menschen so etwas wie „Entfremdung“ geäußert. In diesem Kontext ist nicht nur die Entwicklung in den letzten fünf Jahren ange-sprochen, sondern zumeist der Zeitraum vom Einzug, der oft schon lange zurückliegt, bis in die Gegenwart:

„Das ganze Umland ist hier schlechter geworden, wie’s war [...]. Es sind viele Leute ausgezogen hier, wo man zusammen kam und alles [...]. 1976 sind wir hier eingezogen, warn Geschäfte, waren viel unsere Leute, man hat jeden gekannt, man hat gesprochen, ist rausgegangen, man konnte rausgehen im Finstern, im Dunkeln. Heute kann man nicht mehr, da wird man angepöbelt [...], da hat man Angst raus zu gehn, wenn’s dunkel wird, so ist das, das ist nicht mehr schön.“ (Herr Fischer, 75 Jahre alt, Mannheim)

Barrieren hinsichtlich der Anbindung an den öffentlichen NahverkehrIm Durchschnitt sind die von uns befragten älteren Menschen mit dem Angebot des öffentlichen Personennahverkehrs verhältnismäßig zufrie-den (8,2; SD=1,7)4. Aber nicht in allen Stadtteilen sind die älteren Men-schen gleichermaßen zufrieden mit dem Angebot. Als unbefriedigend werden lange Wege zur Haltestelle (Entfernung; Beschaffenheit), aber auch die Anbindung, insbesondere von Stadtrandgebieten und dünnbe-siedelten Arealen, erlebt. Auch strukturelle Umplanungen können eine Veränderung des ÖPNV (Linienbesetzung; Zeittakt) verursachen und die bislang als zufriedenstellend erlebte Anbindung in Frage stellen: „Denn ich bin da gar nicht zufrieden. Erstens mal hab ich überhaupt

bis zur Haltestelle zu laufen, zehn Minuten [...]. Ja, es ist schon eine ganz schöne – ich meine, es ist nicht weit, aber einkaufen kann ich nicht gehen ohne Auto.“ (Frau Giebig, 74 Jahre alt, Chemnitz)

„Verkehrslage ist zwar noch günstig, aber der Bus fährt dann nicht so oft, da sind wir jetzt nen bisschen gehandicapt.“ (Frau Diffler, 68 Jahre alt, Chemnitz)

„Die wollen [...] die Straßenbahn reduzieren, die Haltestelle wollen se wegmachen, aber das wird erst 2007. Die Haltestelle wird hier aufgelöst. Dann wird der Verkehr nur alle 20 Minuten statt alle zehn Minuten erfolgen. Ja, das sind die beiden Hauptgründe {für die Unzufriedenheit}, ja. Das ist schlecht, aber das ist, da haben wir diskutiert, da war mal ‘ne Bürgerversammlung hier von der Stadt, aber trotzdem – nicht.“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

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Barrieren aus Sicht mobilitätseingeschränkter älterer MenschenDas Fehlen von Sitz- und Ruhemöglichkeiten kann insbesondere ältere Menschen mit Mobilitätsbeeinträchtigungen daran hindern, über-haupt außerhäuslich aktiv zu werden. Sitz- und Ruhemöglichkeiten sind somit gerade für diesen Personenkreis eine wichtige Unterstützung bei der Bewältigung außerhäuslicher Aktivitäten. Das folgende Zitat zeigt dies besonders deutlich. Herr Stolpe ist gehbeeinträchtigt und erledigt alles, soweit möglich, mit dem Auto: „Und dann hock ich mich fünf Minuten hin, und dann geht´s wie-

der weiter, ein paar Meter. Ich tu..., ich war jetzt auf der Bank gewesen..., des sind dann, ich hab geparkt in X. Das waren ungefähr hundert- hundertzwanzig Meter bis zur Bank und hab mich unterwegs dreimal hinsetzen müssen. Weil, sagen wir mal, dreißig Meter am Stück, dann fängt’s an, dann kann ich nicht mehr weiter [...]. In der Stadt {sind} so Geländer. Da setzt man sich mal drauf. Oder da wird zufälligerweise gebaut, da waren Paletten gestanden, da setz ich mich halt mal da drauf, oder geh mal an nem Schaufenster, wo der Absatz vorne. Ich setz mich überall hin, wo´s möglich is.“ (Herr Stolpe, 85 Jahre alt, Mannheim)

Was in Zusammenhang mit Ruhe- und Sitzmöglichkeiten außerdem angemerkt wird, sind fehlende Parkmöglichkeiten für ältere und mobilitätsbeeinträchtigte Menschen an infrastrukturell wichtigen Orten, beispielweise in unmittelbarer Nähe von Einrichtungen der Ge-sundheitsversorgung. Speziell ausgewiesene Parkplätze gibt es bisher nur für Menschen mit Körperbehinderungen und einem entsprechenden Ausweis: „Es hat sich verändert, dass [...] die Wirbelsäule kaputt ist [...].

Und dann ist da auch noch das dazu, das ist in {in der Stadt}, da suchen Sie mal einen Parkplatz [...]. Die Woche war ich drinne, hab ich wieder einen Strafzettel gekriegt. Falschparken, schon das zweite Mal jetzt [...]. Was würd ich mir wünschen? Ich [...] versuch’s eben, mit dem Auto vor den Doktor zu fahren, und leg mein Kriegsbeschädigten-Ausweis vorne rein [...]. Das ist ja das Traurige. Am Besten, Schönsten und am Einfachsten wär´s, wenn ich mit der Taxe fahren tät, aber wer soll denn des bezahlen?“ (Herr Stolpe, 85 Jahre alt, Mannheim)

4 Wert für die Personen (N=�3), die öffentliche Verkehrsmittel zu allen Befragungs- zeitpunkten benutzt haben.

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Barrieren infrastruktureller Art, insbesondere im Hinblick auf Einkaufs-möglichkeitenInsbesondere das Thema Einkaufsmöglichkeiten des täglichen Be-darfs wird von den älteren Menschen immer wieder angesprochenen. Fehlen diese Möglichkeiten, stellt das eine Einschränkung dar, die die Aufrechterhaltung einer selbstständigen Lebensführung am meisten tangiert.

5.6.2 Zufriedenheit mit infrastrukturellen Bedingungen Den Ausführungen über die Zufriedenheit und den Angaben zu er-lebten Veränderungen von infrastrukturellen Bedingungen sollen vier Aspekte vorangestellt werden. Zum Einen ist die Anzahl der befragten Personen in den Stadtteilen nicht gleichverteilt. Zum Anderen variieren die erlebten Bedingungen und auch die Veränderungen von Stadtteil zu Stadtteil erheblich. Zum Dritten muss berücksichtigt werden, dass auch in infrastrukturell insgesamt recht gut ausgestatteten Stadtteilen ältere Menschen in abgelegeneren Wohnarealen leben, und deshalb weniger an der Ausstattung partizipieren als beispielweise Personen, die im Stadtteilzentrum leben. Als vierter Punkt schließlich muss die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Teilnehmerinnen und Teil-nehmer unserer Befragung bis auf wenige Ausnahmen derzeit noch vergleichsweise mobil und in der Lage sind, infrastrukturelle Barrieren zu kompensieren, sei es zu Fuß, mit dem Auto oder öffentli-chen Verkehrsmitteln. Das darf nicht den Blick verstellen für eventuell nicht gedeckte Bedarfslagen von noch stärker in ihrer Mobilität einge-schränkten Personen als wir sie befragen konnten. So finden sich in den Interviews immer wieder Hinweise auf mobilitätseingeschränkte Nachbarn, für die die vorhandene Infrastruktur nicht (mehr) ausreicht bzw. auch Hinweise darauf, dass sich die eigene derzeitige Situa-tion verändern wird, wenn Supermärkte oder Einkaufszentren in der Peripherie nicht mehr erreicht werden können, wenn beispielweise das Auto als Verkehrsmittel zur Aufrechterhaltung der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs nicht mehr genutzt werden kann. In die-sem Zusammenhang werden auch Ideen (aus anderen Ländern) zur Überwindung infrastruktureller Barrieren angeführt. Die mittlere Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen in der Wohngegend, das heißt mit den infrastrukturellen Bedingungen im Wohngebiet, wird von den von uns befragten älteren Menschen als zufriedenstellend bewertet. Dies gilt punktuell, aber auch im Verlauf der vergangenen zehn Jahre: M=7,4; SD=2,5 (1995), M=7,6; SD=2,�

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(2000) und M=7,4; SD=2,3 (200�). Da sich bis auf eine Ausnahme keine signifikanten Unterschiede zwischen den Messzeitpunkten zeigen, kann die Zufriedenheit mit den Angeboten auf dieser Ebene insgesamt als konstant beschrieben werden (siehe Tabelle 28 im Anhang).

Veränderungen infrastruktureller AngeboteGut die Hälfte (�3 %) der befragten älteren Menschen (41 Personen) gibt an, dass sich der Zugang und die Verfügbarkeit von Einrichtungen für sie in den vergangenen fünf Jahren verändert hat. Die Angaben der Subgruppen (Altersgruppen, mobilitätseingeschränkte vs. nicht einge-schränkte Personen) sind ungefähr gleichverteilt. In Mannheim haben fast doppelt so viel ältere Menschen Veränderungen im Zugang und der Verfügbarkeit von Einrichtungen erlebt wie in Chemnitz. Die Richtung der Veränderung ist damit allerdings nicht angegeben, sie wird anhand der Aussagen aus den Interviews herausgearbeitet (siehe Tabelle 29 im Anhang).

Hintergründe der Veränderungen infrastruktureller AngeboteReduktion des Angebotes nahräumlicher Versorgung mit Gütern des täglichen BedarfsDie zentrale, in den Interviews immer wieder betonte Veränderung betrifft die Reduktion des Angebotes an nahräumlich verfügbarer Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs und deren Verlagerung an die Peripherie der Städte und Gemeinden – ein Thema, das auch in der Öffentlichkeit bereits seit längerem diskutiert wird. Einige Zitate sollen diesen Aspekt noch näher verdeutlichen: „Wir hatten da noch ein Lebensmittelgeschäft, wo man so alles

bekam – und die haben zu gemacht. Aus, fertig.“ (Frau Decker, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Weil hier in X. gibt’s kein Geschäft, kein Einkaufsgeschäft, wo man alles kriegt, was man braucht. Durch die Verlagerung der Einkaufsgewohnheiten [...] in diesen Einkaufszentren draußen, und da ist der Lidl, da ist der Aldi, da ist das E-Center, und da gehen die Leute [...] dort einkaufen, das müssen wir mit dem Auto machen, weil das zu weit weg ist [...]. Aber hier in X., der einzige Lebensmittelmarkt hat zugemacht [...]. Es gibt zwar Bäcker und Metzger und so weiter. Aber [...] Zucker, zum Beispiel, kann man noch nicht mal mehr Zucker kaufen hier in X. [...] oder Waschmit-

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tel? Ja, da gibt´s gar nichts hier, muss man fahren, Auto fahren oder in die Stadt rein fahren. Also das ist ausgesprochen schlecht. Das gab´s früher, vor fünf Jahren gab´s das. Das hat sich sehr, sehr verschlechtert.“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

„Wir hatten mal 27 Geschäfte, jetzt ham wir noch 3. Wir müssen also mit’m Bus fahrn bis zu Aldi bzw. bis zu Netto und hoch bis zu Norma. Zu Fuß ist das kaum möglich. Wir ham ja hier so en komischen Sparladen, von der Spar-AG, und [...] dort sind die Preise zu 30-50 % höher als in den Ketten. Aber die Leute, die alten Leute, die keine Kinder haben oder die kein Fahrzeuge ha-ben, die sind dann gezwungen, in diesen Laden zu gehen.“ (Herr Walter, 86 Jahre alt, Chemnitz)

Nahräumliche Einrichtungen und Dienstleistungen haben jedoch nicht nur einen Versorgungsauftrag, sondern können auch eine soziale Funktion erfüllen. Die Folgen einer Schließung liegen somit nicht nur in der Notwendigkeit, weitere Wege zu neuen Einkaufsmöglichkeiten zu bewältigen, sondern auch im Verlust sozialer Kontakte zu Menschen aus dem Wohngebiet, denen man beim Einkauf im „Supermarkt um die Ecke“ begegnet ist. Die von uns befragten älteren Menschen beschreiben, dass kurze Gespräche im Laden schon fast zu einer Art „Gewohnheit“ geworden waren. Somit bedeutet die Schließung eines kleinen Super-marktes insbesondere für die Menschen einen Verlust, die in ihrem Alltag insgesamt wenig Ansprache und Gelegenheit zum Austausch mit anderen Menschen haben, beispielsweise weil sie alleine leben: „In allernächster Nähe hatte ich einen X., so einen kleinen Super-

markt und eine Sparkasse. Das ist alles nicht mehr [...]. Und wenn ich jetzt jemanden aus dem Edeka, den ich kaum kenne, in einem anderen Laden {treffe}, dann ist das schon fast ne Begrüßung [...]. Man hat sich dann gesprochen und auch kurz unterhalten und so. Also das war da schon. Man grüßte sich auch, ohne sich zu kennen so richtig. Das war fast so ein bisschen ländlich. Das war da schon ne schöne Sache. Und das, jetzt sehe ich natürlich Einige auch in anderen Läden, die müssen ja irgendwo hin, und: Na ja: ‘Gott, das war ne schöne Zeit damals, jetzt haben wir das nicht mehr.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

Im Kontext des veränderten Zugangs zu Einkaufsmöglichkeiten wird von den befragten älteren Menschen nicht nur der meist weitere und nicht mehr fußläufige, sondern mit dem Auto oder öffentlichen Verkehrsmitteln zu bewältigende Weg angesprochen, sondern auch die sich mit den neuen Einkaufsmöglichkeiten verändernden Gewohnheiten:

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„Ich lass mir z.B. meine Konfektionssachen [...] schicken übern Versandhandel, weil in der Stadt, in den großen Geschäften, komm ich ganz schlecht zurecht. Also entweder muss man sich jemanden mitnehmen, ansonsten, es hängt alles voll, sie wissen nicht richtig, was sie nehmen sollen, dann nehmen sie drei Sachen, dann gehen se in die Kabine, dann passen se wieder auf, damit ja ihre Tasche nicht, und auch beim Einkaufen selbst möchten sie alles festhalten, weil ältere Menschen sind nun mal Angriffspunkt bestimmter Leute, die sich da auf die schnelle Art Geld machen möchten, so würd ich’s mal sagen. Das versuche ich zu meiden. Ich besuche nicht solche Geschäft, oder wie Kaufhof usw. geh ich nicht mehr hin.“ (Frau Faust, 77 Jahre alt, Chemnitz)

Mobilitätseingeschränkte Nachbarn und antizipierte eigene Immobili-tätIn den Interviews finden sich außer den wahrgenommenen Veränderun-gen der infrastrukturellen Bedingungen immer wieder auch Hinweise auf die Situation von Nachbarn, die aufgrund des Verlustes nahräumlich verfügbarer Angebote Mobilitätseinschränkungen erfahren, beziehungs-weise Befürchtungen im Hinblick auf die eigene Versorgungssituation im Falle sich verändernder persönlicher Voraussetzung wie beispielsweise des Gesundheitszustandes: „{Der Supermarkt} hat zugemacht, und das war für Viele hier zum

Beispiel grad für die Nachbarn, nen großes Problem, denn die Frau ist gehbehindert, kann auch nicht Autofahren [...], und der Mann hat das jetzt in letzter Zeit immer gemacht, das geht jetzt auch nicht mehr. Jetzt ham wir Nachbarn uns zusammen getan und gesagt, was sie dringend braucht, bringen wir immer mit. Aber das is sicher keine endgültige Lösung.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

{Interv: Und zu den Geschäften}: „Also haben wir wirklich das Problem, das wird immer schlechter. Wir haben das Auto, aber wir wissen auch, dass wir fahren und so weiter, das Heranschaffen unserer Bedürfnisse ist noch nicht problembehaftet. Aber das kommt dann mal später für ältere Leute, wenn niemand mehr da wäre - wir haben erfreulicherweise Tochter oder Sohn da, bei uns wohnt noch der Sohn.“ (Frau Holler, 72 Jahre alt, Chemnitz)

Positive Veränderungen in Stadtteilen

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Trotz der zunehmenden Tendenz der Verlagerung oder Schließung von Geschäften und Dienstleistungseinrichtungen konnten wir im Rahmen unserer Befragung – in Mannheim wie in Chemnitz – auch Stadtteile identifizieren, in denen sich eine Entwicklung in die entgegengesetzte, positive Richtung ergeben hat. Berichtet wird davon, dass Geschäfte und Einrichtungen wieder in Stadtteile zurückkehren, berichtet wird auch von grundlegenden Umgestaltungsmaßnahmen im Wohngebiet, die als Steigerung der Wohnqualität in diesem Stadtteil insgesamt erlebt werden: „Es ist natürlich ein Trend, der überall ist, dass durch diese Märkte

auf der Wiese der Innenstadtteil beginnt sich zu entvölkern mit Geschäften, sagen wir mal so. Hier in X. ist (betont) erstaunli-cherweise, erstaunlicherweise, der gegenteilige Trend feststellbar, dass sich Geschäfte wieder hier ansiedeln im Ortsteil. Natürlich keine großen, Lidl und Penny, aber die sind hier in der engsten Peripherie.“ (Herr Tietze, 67 Jahre alt, Mannheim)

„Das Wohngebiet wurde vor vier Jahren total umgekrempelt, alle Häuser wurden neu restauriert, dadurch ist ein viel größerer Wohnkomfort entstanden, die Einkaufsmöglichkeiten haben sich verbessert durch eine Umstrukturierung der Kaufhalle in unserem Wohngebiet und kleine Gewerke wie Friseur, Bäcker usw. sind ein-gezogen in unser Wohngebiet, dass wir auch da ganz kurze Wege {haben}. Ein großes Kompliment den Menschen, die sich hier um uns gekümmert haben, damit wir also aus dem großen Verkehr herausgenommen, aber doch wohnlich und unterbringungsmäßig uns bewegen können [...]. Es wurde ein neues Ärztehaus einge-richtet, was also für uns nur auf ganz kurzem Weg zu erreichen ist, uns sehr hilft, uns wieder in ärztliche Behandlung zu begeben.“ (Herr Lechner, 80 Jahre alt, Chemnitz)

Insgesamt gesehen scheint es Stadtteile zu geben, in denen sich über die Zeit kaum etwas verändert hat. In anderen Stadtteilen scheint sich speziell die Versorgungslage verschlechtert zu haben. Dies trifft in Mannheim insbesondere auf Stadtteile zu, die sich in der Peripherie befinden und eine relativ geringe Fläche aufweisen. Soziale Verände-rungen der Nachbarschaft wurden eher in „Problemstadtteilen“ sowie im Stadtzentrum, ebenfalls insbesondere in Mannheim, erlebt. Verbesserungen wurden insbesondere aus einem Stadtteil in Mannheim berichtet, in dem ein Neubaugebiet um ein bereits bestehendes Wohn-gebiet angelegt wurde, was zur Verbesserung der Infrastruktur für beide Areale beigetragen hat und vor allem für den bis dahin infrastrukturell unterversorgten alten Ortskern eine qualitative Verbesserung darstellt.

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Als deutliche Verbesserung wurde auch die umfassende Sanierung einer Plattenbausiedlung (Wohnungsbestand; Wohnumfeld; Infrastruktur) am Stadtrand von Chemnitz erlebt.

Mobilitätsunterstützende Angebote und DienstleistungenDie Situationen von Menschen, die an der an den Stadtrand verlager-ten Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs nicht mehr teilhaben können bzw. die Ängste und Befürchtung der Befragten, einmal selbst nicht mehr teilhaben zu können, führten zu der Frage, welche Unterstüt-zungsformen es schon gibt – oder welche Angebote zukünftig noch für ältere Menschen entwickelt werden können, damit sie trotz Mobilitäts-einschränkungen an der Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs teilhaben können. Etwa die Hälfte der von uns befragten älteren Men-schen kennt mobilitätsunterstützende Angebote (4� %, 36 Personen). Die Werte der Subgruppen (Altersgruppen, Stadt, Männer und Frauen sowie mobilitätseingeschränkt oder nicht) sind ungefähr gleichverteilt (siehe Tabelle 30 im Anhang). Einen wichtigen und umfassenden Angebotskatalog, der bei der Mehrzahl der von uns befragten älteren Menschen bekannt ist, stellen Kommunen und Wohlfahrtsverbände bereits in Form von Ambulanten Pflegediensten, Hol- und Bringdiensten, Ehrenamtlichen Begleitdiensten usw.) zur Verfügung. Diese Angebote werden auch vielfach schon in Anspruch genommen. Eine weitere Möglichkeit, die insbesondere in ländlichen Gegenden und bei bestimmten Bevölkerungsgruppen zu-nehmend Verbreitung findet und auch von einigen wenigen der von uns befragten älteren Menschen thematisiert wurde, ist die private (und häufig illegale) Anstellung einer Hilfs- oder Pflege(fach)kraft: „Also ich weiß inzwischen, einige Damen haben also jetzt ‘Polin-

nen’ [...], also meine gute Freundin, die wird jetzt 90, die hat ne ‘Polin’ und die kann sie fahren, überall hin. Und da hab ich auch schon dran gedacht, wenn mal alle Stricke reißen, dann würden wir uns vielleicht so ne Frau ins Haus nehmen.“ (Frau Weimann, 85 Jahre alt, Mannheim)

Das Angebot mobilitätsunterstützender Dienste reicht von familialen Hilfen, insbesondere durch den Partner oder durch Kinder, über wohl-fahrtstaatliche und ehrenamtliche Angebote bis hin zu privaten Pfle-gekräften, die in dem Haushalt, in dem sie angestellt sind, auch leben und wohnen und somit jederzeit verfügbar sind. In Zukunft wird das Nebeneinander verschiedener Angebote und Nachfragen wohl noch

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differenzierter und vielfältiger werden als es derzeit schon der Fall ist. Insbesondere der letztgenannte Aspekt privatwirtschaftlicher und dienst-leistungsbezogener Unterstützungsmöglichkeiten wird zukünftig noch an Bedeutung gewinnen. Auf die Frage: „Würden Sie auch einen privaten (kommerziellen) Mobili-tätsdienst in Anspruch nehmen?“ konnte ein Teil der Befragten aufgrund der fehlenden persönlichen Notwendigkeit einer solchen Dienstleistung bzw. der noch nicht begonnenen gedanklichen Auseinandersetzung mit der Thematik „Mobilitätseinschränkung und deren Bewältigung“ keine Angaben machen: „Also im Moment kann ich mir nur vorstellen, dass, wenn ich gar

nicht mehr kann, würd ich mir ne Taxe rufen und mit der Taxe fahrn [...]. Ich hab überhaupt keine Idee, was da abgeht, hab mich noch nicht damit beschäftigt.“ (Herr Günther, 65 Jahre alt, Mannheim)

„Da hab ich mir noch keine Gedanken drüber gemacht, kann ich eigentlich nicht sagen. Aber ich würde mal mir vorstellen, privater Dienst ist schon wesentlich teurer als ein irgendwie so was Orga-nisiertes, ne. Also das wär dann schon eine Geldfrage vielleicht [...].“ (Frau Stettner, 72 Jahre alt, Mannheim)

Andere Befragte, die im Bedarfsfall auch einen kommerziellen Mobili-tätsdienst nutzen würden, brachten im Gespräch zum Teil sehr detailliert ihre Vorstellungen und Wünsche in Bezug auf ein solches Angebot zum Ausdruck. Genannt wurden beispielsweise Ideen für Bring- und Lieferdienste hinsichtlich der Versorgung mit Waren des täglichen Bedarfs, allerdings nicht für alle Produkte. Das Bedürfnis, Waren im Geschäft noch selbst auswählen zu können bzw. der Wunsch, dabei im Bedarfsfall unterstützt zu werden, ist groß: „Ich würd’ vielleicht Getränke, würd’ ich ruckzuck, wenn {ich sie}

nicht schleppen muss. Aber sonst [...] kauf ich lieber persönlich ein, weil ich das, ne Auswahl habe.“ (Herr Gärtner, 74 Jahre alt, Mannheim)

Einige berichten in Zusammenhang mit dem Thema Mobilitätsdienst auch über Erfahrungen mit Dienstleistungsgewohnheiten in anderen Ländern (beispielsweise in den USA und Kanada). Aber auch die erfor-derlichen Einstellungen zu Dienstleistungen werden angesprochen: „Da steht in Amerika ein kleiner Junge {an der Kasse}, ein 13-,

14-Jähriger, [...] für 50 Cent packt der alles ein. Und dann [...] hätte der das schon in so nem Wägelchen [...] ans Auto begleitet. Aber hier [...], die Leute meinen, hier muss alles für ein ‘Vergelt´s Gott’

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gemacht werden und das geht nämlich nicht. Aber das ist im Kopf [...]. Das ist ja bei uns noch nicht dran, dass man für diese Dinge auch bezahlen muss. Und so gibt´s eben nur die ganzen teuren Sachen oder wirklich die Caritas für ‘Vergelt´s Gott’.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

Ein Mobilitätsdienst sollte aber aus Sicht der befragten älteren Menschen nicht nur „liefern“, sondern mit seinen Angeboten die außerhäusliche Mobilität unterstützen und verbessern. Dabei ist den Älteren vor allem die menschliche Komponente wichtig. Das Preis-Leistungsverhältnis spielt ebenfalls eine zentrale Rolle und ist für viele Befragte mit Skepsis verbunden und ‘das’ Argument für die Nichtinanspruchnahme: „Dass man ihm [...] aus der Wohnung hilft, Treppen runter gehen,

ins Auto, und so weiter, beim Anschnallen behilflich ist, also alles rundum, und ihn auch bis zu der Stelle bringt, ins Theater oder ins Konzert rein, und wenn da viele Treppen sind – aber da gibt’s ja dann auch Fahrstühle – und so, also dass man da sagt: Bis dahin, dass der dann also unbeschadet dahin kommt und vor allen Dingen, dass man da sagen kann: ‘Ich rufe sie an’’ [...] und sich wieder abholn lassen und dann das ganze Procedere wieder rückwärts, das würde mir vorschweben.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

„Er müsste natürlich günstiger als die normalen Taxis sein, dann würd’ ich ihn in Anspruch nehmen, überall da, wo ich, wenn ich nachts nach Hause muss oder so.“ (Frau Pfeil, 72 Jahre alt, Mannheim)

Auch Ideen hinsichtlich der Organisation eines Mobilitätsdienstes wur-den geäußert. So beispielsweise die Idee der Gruppenbildung, mittels derer Menschen aus verschiedenen Gegenden gemeinsam an einem Ort, beispielweise zu einer Veranstaltung, abgeholt und wieder an die Wohnung oder in Wohnungsnähe zurückgebracht werden. Möglicher-weise wäre ein solches Modell auch auf alltägliche Versorgungswege übertragbar: „Das ist jetzt beispielsweise, wenn ich in das Open Air-Konzert

nach X. fahren würde [...]. Da müssten Privatinitiativen, so wie´s heute so viele Dienstleistungen gibt, da müsste doch irgendwie eine Dienstleistung dann auch so etwas anbieten. Also [...] das würd ich in Anspruch nehmen. Denn wenn da mehrere in so ‘nem Kleinbus sitzen, dann teilt sich das ja auf. Vielleicht gibt es das im Laufe der Zeit mal.“ (Frau Bode, 80 Jahre alt, Mannheim)

„Einfach altersgerechteren Service, der vielleicht durch Gruppen-

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bildung, dass man sagt, die Frau soundso [...] geht auch da und so weiter, sagt: ‘Wir bilden da so was, und dann dasselbe auch zu-rück. So was in der Art.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

Zusammenfassend zeigen die Antworten der befragten älteren Men-schen zum Thema mobilitätsunterstützende Dienstleistungen, dass zumindest ein Teil von ihnen sehr detaillierte Vorstellungen hat, was eine solche Dienstleistung leisten kann und welche Bedingungen der Inanspruchnahme erfüllt sein müssen, damit ein entsprechendes An-gebot die älteren Menschen als Kunden auch erreicht.

Zusammenfassung In Abschnitt �.6 wurden Ergebnisse zum Thema Wohnumgebung und

Infrastruktur dargestellt. Aufgrund der Tatsache eines abnehmenden Aktionsradius’ gewinnen die Wohnumgebung und deren soziale und räumliche Bedingungen für ältere Menschen an Bedeutung. Die von uns befragten Älteren sind mit ihren Wohnumfeldbedingungen sehr zufrieden. Diese Zufriedenheit ist im Zeitverlauf relativ konstant. Für die Zufriedenheit mit der Wohnumgebung lässt sich ein (leichter) An-stieg nachweisen, im Hinblick auf die infrastrukturellen Bedingungen sind die Zufriedenheitseinschätzungen im 10-Jahresverlauf nahezu unverändert. Ein wichtiges Ergebnis ist in diesem Zusammenhang, dass ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen annähernd gleiche Zufriedenheitswerte aufweisen wie ältere Menschen ohne Einschränkungen, das heißt, dass die Wohnbedingungen auch für diesen Personenkreis günstig sind beziehungsweise sich nicht auf die Zufriedenheitsbewertung auswirken. Als wichtige Qualitäten der Wohnumgebung werden von den älteren Menschen vor allem Ruhe und Naturnähe angeführt. Darüber hinaus wird besonders die hohe Bedeutung der infrastrukturellen Versorgung betont. Auch der Kontakt zur Nachbarschaft und die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr und das Straßennetz sind den älteren Menschen wich-tig. Als mobilitätsrelevante Umweltbarrieren erleben sie (je nach Wohngebiet unterschiedlich) vor allem die mangelhafte Pflege der natürlichen Umweltbedingungen, soziale Veränderungen im Stadt-teil („Entfremdung“) sowie eine unbefriedigende Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr. Mobilitätseingeschränkte ältere Menschen vermissen vor allem Sitz- und Ruhemöglichkeiten in der Öffentlichkeit. Gehbeeinträchtigte ältere Menschen bemerken das Fehlen von Parkmöglichkeiten an infrastrukturell wichtigen Orten (auch ohne Nachweis der „Körperbehinderung“). Hinsichtlich der infrastrukturellen Versorgung berichten die Älteren vor allem die

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Reduktion des Angebotes an nahräumlicher (und fußläufig erreich-barer) Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs. Dies hat nicht nur Folgen für die Aufrechterhaltung einer selbstständigen Lebens-führung, sondern kann auch mit einem Verlust sozialer Kontakte einhergehen, die sich früher durch den regelmäßigen Einkauf im „Supermarkt um die Ecke“ ergeben haben. Dieser Verlust kann vor allem für hochaltrige Menschen mit ohnehin geringer sozialer Ein-bindung eine gravierende Veränderung bedeuten.

Die von uns befragten älteren Menschen zeichnen sich fast aus-

nahmslos durch ein hohes Maß an Mobilität aus. Sie berichten zwar, dass sie die Angebote im Stadtteil derzeit für sich selbst als zufrieden-stellend erleben, verweisen aber auch auf Personen mit (gravieren-deren) Mobilitätseinschränkungen, für die dies nicht gleichermaßen zutrifft. Insgesamt konnten im Rahmen dieser Mobilitätsbefragung über zehn Jahre hinweg sowohl Stadtteile mit Entwicklungsbedarf, solche mit gleichbleibend guten Bedingungen wie mit verbesserten Wohn- und Mobilitätsverhältnissen für ältere Menschen identifiziert werden. Im Hinblick auf zukünftige Mobilitätsbedürfnisse und -bedin-gungen haben wir die älteren Menschen auch nach ihrer Meinung zu mobilitätsunterstützenden Dienstleistungen befragt. Ein Teil der Personen konnte aufgrund (noch) fehlenden Bedarfs und fehlender Erfahrungen keine Angaben zu diesem Thema machen. Ein anderer Teil erwähnte in diesem Zusammenhang Bedürfnisse wie beispiels-weise einen Bring- und Lieferservice, persönliche Unterstützung bei außerhäuslichen Aktivitäten, Gruppenbildung, zwischenmenschliche und finanzielle Aspekte sowie Erfahrungen mit personenbezogenen Dienstleistungen im Ausland.

5.7 Mobilitätsbezogene Zukunftsperspektiven und Lebenszufrie-denheit

Im folgenden Abschnitt werden abschließend Ergebnisse zu mobilitäts-bezogenen Zukunftsperspektiven und Lebenszufriedenheit berichtet. Die Darstellung der Zukunftsperspektiven erfolgt auf der Grundlage der qualitativen Daten. Die Ergebnisse zur Lebenszufriedenheit basieren wiederum auf einer Kombination qualitativer und quantitativer Daten.

5.7.1 Mobilität im Alter – Zukunftsaspekte

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Mobilität im Alter ist nicht nur von Vergangenheit und Gegenwart geprägt, sondern umfasst auch in starkem Maße den Aspekt der Zukunft. Anhand der Aussagen der von uns befragten älteren Menschen kann man einen umfassenden Eindruck von dem wechselseitigen Beziehungsgeflecht dieser Aspekte gewinnen. Die Zukunftsvorstellungen der Älteren beinhal-ten sowohl personenbezogene als auch umweltbezogene Aspekte, die im Spannungsfeld zwischen Hoffnungen und Befürchtungen, Aktivitäten und dem Erleben und der Bewältigung von schweren Mobilitätseinbußen angesiedelt sind. Im Kontext personenbezogener Zukunftsperspektiven gibt ein Teil der Älteren an, keine Aussagen über die Zukunft treffen zu können, weil man nicht weiß, was morgen ist, weil die Zukunft nicht vorher-gesagt werden kann. Diese älteren Menschen erwähnen in Zusam-menhang mit dieser Ungewissheit die Möglichkeit des Eintretens einer (schweren) Einbuße, die den derzeit noch als unproblematisch empfundenen und aktiv gelebten Alltag plötzlich komplett verändern könnte: „Da steht keiner drin, da kann auch keiner was zu sagen, das

kann morgen schon sein, dass ich nicht mehr laufen kann, dass ich einen Schlaganfall kriege oder was, das kann ich im Voraus doch nicht sagen, was passiert.“ (Frau Hansen, 75 Jahre alt, Mannheim)

Ein weiterer und von vielen Befragten genannter Aspekt ist der Wunsch nach Kontinuität, verbunden mit der Hoffnung, dass „alles so bleibt“ wie es ist, insbesondere in Bezug auf die Gesundheit. Damit verbunden ist auch die Hoffnung, nicht auf Hilfe angewiesen zu sein und alle Aktivitäten noch selbstbestimmt ausführen zu können: „Na, ich wünsch, dass ich so bleib, dass ich mich selbst bewegen

kann und mich selbst bewirten kann, dass ich nicht angewiesen bin auf fremde Hilfe – das ist mein größter Wunsch.“ (Frau Maurer, 81 Jahre alt, Mannheim)

Mit den Hoffnungen verbinden sich aber in umgekehrter Richtung auch Ängste, die wünschenswerte Mobilität nicht aufrechterhalten zu können und eingeschränkt und auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Diese Aussicht scheint insbesondere für alleinstehende Menschen angstbe-setzt zu sein. Auch finanzielle Einbußen werden in Zusammenhang mit Zukunftsängsten geäußert: „Angst. Da bin ich sehr realistisch. Ich hab seit 23 Jahren ein Hüft-

gelenk, irgendwann hält das ja auch nimmer [...]. Wenn man [...]

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zu zweit ist, wenn man ein Partner noch hat, dann kann man sich vielleicht noch gegenseitig helfen, aber wenn man allein is [...]. Also ich weiß es net, wenn ich mal falle und komm nimmer zu mir, da lieg ich drei Tage hier.“ (Frau Ernst, 71 Jahre alt, Mannheim)

„Und dass es auch Geld kostet, ne. Und dass ich eines Tages das Haus, dass wir das vielleicht nicht halten können.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

Neben Hoffnungen, Wünschen und Ängsten werden von den Befragten unter dem Stichwort gesunde Lebensweise konkrete eigene Aktivitä-ten genannt, die als Möglichkeit angesehen werden, den Prozess der nachlassenden Mobilität so lange wie möglich hinauszuzögern. Dazu zählen körperliche Aktivitäten in Form von Spazieren gehen, Radfahren, Gymnastik oder handwerkliche Tätigkeiten. Auch die konkrete Ausübung einer Sportart sowie der Besuch von Kursen der Krankenkasse werden explizit erwähnt: „Also, dass ich mobil bleib, mach ich meistens selbst, indem ich

halt noch zum Sport geh und ein bisschen was tu... und mich einigermaßen gesund ernähren.“ (Frau Zachuber, 66 Jahre alt, Mannheim)

Der Wille, mobil zu bleiben, ist ein wichtiges Motivationsmoment, ob mit oder ohne Einschränkungen das individuell Mögliche zu erreichen. Aber nicht immer kann die Kraft aufgebracht werden, das als gut und wichtig für das eigene Leben Befundene auch umzusetzen: „Ja, das Gefühl, dass ich jetzt schon was dafür tun muss, um fit

zu bleiben, um mich vielleicht auch schon so ein bisschen daran zu gewöhnen, dass es halt nicht leichter wird.“ (Frau Imser, 68 Jahre alt, Mannheim)

Schließlich werden auch Umweltbedingungen wie eine gute medizi-nische Unterstützung, Sicherheit und günstige Bedingungen im Stra-ßenverkehr sowie im Öffentlichen Nahverkehr mit zukunftsbezogener Mobilität in Verbindung gebracht. Im Hinblick auf den ÖPNV wird insbe-sondere der Wunsch geäußert, ihn auch mit Einschränkungen erreichen und nutzen zu können: „Dass ich gesund bleibe, das ist es Wichtigste. Dass [...] der Arzt

mir so weit hilft wie´s möglich ist.“ (Frau Decker, 85 Jahre alt, Mannheim)

„Dass ich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, dass ich die benut-zen, also so meinetwegen auch mit dem Stock, so wie ich die jetzt

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halt so benütz, eben. Dann geht’s halt langsamer als davor, aber ich komm auch hin damit.“ (Frau Vogt, 67 Jahre alt, Mannheim)

Im Spannungsfeld zwischen den Wünschen nach „unendlicher“ Mo-bilität, der Angst vor Mobilitätseinschränkungen und den vielfältigen Aktivitäten, einer nachlassenden Mobilität frühstmöglich vorzubeugen, im Spannungsfeld zwischen Person und Umwelt stehen die Mobilitätsge-schichten jener Personen, die bereits in der Situation leben, keinen Weg außer Haus mehr ohne fremde Hilfe ausführen zu können. Sie beschrei-ben ihre (mobilitätsbezogene) Zukunft sehr unterschiedlich. Herr Nolte äußert Zufriedenheit mit seiner derzeitigen (eingeschränkten) Situation und verweist auf das, was er ist und was er noch kann. Er sieht seine Mobilitätseinschränkung als einen in seinem Alter „normalen“ Vorgang und ist froh, dass er geistig noch rege ist und das, was er noch tun kann, auch ausübt. Er möchte so alt werden wie Max Schmeling. Wünsche und Mobilitätswünsche hat er derzeit keine. Er schätzt seine Familie und freut sich über ihre tatkräftige Unerstützung und unterstützt sie seinerseits z.B. dadurch, dass er seiner Enkelin sein Auto geschenkt hat: „Ja, es ist ganz einfach, ich bin zufrieden, was ich bin und was ich

kann, ne. Mehr kann ich net verlangen. Das ist ein ganz normaler Vorgang. Und solang ich geistig noch vorhanden bin und noch alles kann, da macht man immer, was man kann [...]. Ich hab eigentlich gar keine Wünsche mehr. Ich bin zufrieden mit dem, was ich heut hab [...]. Ich hab Kinder, die machen alles für mich, verstehen Sie. Die Enkelin macht fast alles für mich.“ (Herr Nolte, 88 Jahre alt, Mannheim)

Neben solchen positiv getönten Zukunftsvisionen wird auch die Hoffnung geäußert, dass sich ein schon sehr kritischer Gesundheitszustand nicht noch weiter verschlechtert. In diesem Zusammenhang erwähnt Frau Vahls, keine Hoffnung mehr zu haben. Sie sagt auch, dass ihr Ehemann durch ihre sich verschlechternde gesundheitliche Situation sehr belastet ist und seine Leistungsgrenze erreicht hat: „Ich hoffe, dass mein Zustand sich nicht weiter verschlechtert.

Hoffnungen habe ich keine! Mein sich ständig verschlechternder Zustand belastet zunehmend meinen Mann, der seine Leistungs-grenze erreicht hat.“ (Frau Vahls, 68 Jahre alt, Chemnitz)

Frau Englert sagt, dass es keine Veränderung mehr gibt, weil ihr nach Aussagen der Ärzte nicht mehr geholfen werden kann, da die Krankheit zu weit fortgeschritten ist: „Gibt gar keine Änderung [...]. Der neue Doktor hat mir das gleich

gesagt, sagt er: Kann ihnen gar nicht mehr geholfen werden, das

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ist zu weit nein alles.“ (Frau Englert, 79 Jahre alt, Chemnitz)Insgesamt zeigt sich im Kontext der mobilitätsrelevanten Zukunfts-aussichten ein hohes Maß an Eigeninitiative und Aktivität. Dabei wird die Aufrechterhaltung der Mobilität von den älteren Menschen eher als persönliche und weniger als umwelt- oder gesellschaftsrelevante Verantwortung gesehen: „Selber, eigentlich selbst da dran zu arbeiten, so aktiv wie möglich

zu bleiben.“ Das bedeutet aber nicht, dass es keinen Grund für umweltrelevante Ver-besserungen gäbe. Ganz im Gegenteil. Gerade hier liegt eine Aufgabe von nicht zu unterschätzender Bedeutung für die Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft. Sie können ältere Menschen in ihrem Bestreben nach einem selbstbestimmten, „mobilen“ Leben unterstützen, indem sie Strukturen schaffen und optimieren und ältere Menschen auch an der Entwicklung von Strukturen beteiligen, die es ihnen ermöglichen, ihre gewünschten Aktivitäten längstmöglich aufrechtzuerhalten. Im Kontext von Mobilitätseinschränkungen bedeutet das, Menschen bei der konkreten Bewältigung ihres Alltags, aber auch mit gezielten Maßnahmen bei der psychosozialen Bewältigung der Mobilitätsein-schränkung und deren Folgen zu unterstützen.

5.7.2 Lebenszufriedenheit Abschließend soll noch einmal Bezug genommen werden auf die Rolle, die außerhäusliche Mobilität für das Leben älterer Menschen insgesamt spielt. Die Ergebnisse früherer Mobilitätsbefragungen zeigen einen Einfluss von personalen (z.B. Gesundheit), sozioökonomischen (z. B. Bildung; Finanzen) und strukturellen Aspekten (z. B. räumliches und soziales Umfeld) auf Mobilität, die ihrerseits wiederum in Zusammen-hang mit Lebensqualität als der gelungenen Anpassung an die mit dem Altern verbundenen Herausforderungen insgesamt steht (Mollenkopf et al., 200�). Einleitend werden wieder als Beispiele für Kontinuität und Veränderung der Lebenszufriedenheit drei Fallgeschichten vorgestellt. Ein Diagramm, das die Werte der Lebenszufriedenheit insgesamt sowie die Werte von Frau Pfeil, Frau Ernst und Herrn Walter im Einzelnen darstellt, ermöglicht darüber hinaus einen direkten Vergleich (siehe Abb. 14).

Frau Pfeil ist 72 Jahre alt und lebt allein in ihrer Wohnung in der

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Mannheimer Innenstadt. Ihr Beispiel steht für die älteren Menschen, deren Lebenszufriedenheit im Zeitverlauf zugenommen hat. Ein Teil der Geschichte von Frau Pfeil wurde bereits im Abschnitt zu Freizeit und Reisen berichtet, nämlich im Zusammenhang mit einer

höheren Freizeit- und Reisezufriedenheit. Diese begründete Frau Pfeil damit, dass sie sich um ihre Mutter gekümmert hat, die im Jahr 2002 mit fast 100 Jahren verstorben ist. Durch diese „Versorgungs-aufgabe“ hat sie auf viele ihr wichtige Dinge verzichtet, um ganz für die Mutter da sein zu können. Diese „Sorge“ hat sich auch auf ihre Lebenszufriedenheit insgesamt ausgewirkt, nicht nur auf die Teilbereiche Freizeit und Reisen. Frau Pfeil sagt: „Ja, solange ich immer diese Sorge um meine Mutter hatte, ich mein, sie war ja nun schon sehr, sehr alt, aber trotzdem, Mutter bleibt Mutter. Sie haben die Sorgen und es war immer wie so ‘ne Wolke, die über einem schwebte. Und dieser Druck, es ist nen Druck – ob man es will, wahrhaben will oder nicht – der hat sich geändert.“ Die Einschrän-kungen und Belastungen durch die Pflege sind bei der Befragung 200� überwunden und Frau Pfeil hat wieder mehr Freiheit, ihr Leben nach eigenen Bedürfnissen zu gestalten. Was Frau Pfeil ebenfalls im Kontext der gestiegenen Lebenszufriedenheit erwähnt, ist der Stolz auf ihre Tochter und deren Mann, die beide beruflich sehr erfolgreich sind. Frau Pfeil ist froh, dass sie sich diesbezüglich keine Sorgen zu machen braucht.

Frau Ernst ist 71 Jahre alt, geschieden und lebt allein in ihrer Wohnung in Mannheim. Frau Ernst ist mit ihrem Leben insgesamt zufrieden, in den vergangenen zehn Jahren haben sich für sie diesbezüglich kaum Veränderungen ergeben. Frau Ernst hat einen großen Bekanntenkreis und ist stundenweise noch berufstätig, was sich positiv auf ihre Lebenszufriedenheit auswirkt. Die Trennung von ihrem Lebensgefährten vor ca. zwei Jahren konnte sie durch diese Einbindung leichter bewältigen. Doch das „Glück“ ist nicht ungetrübt, auch wenn es sich nicht unmittelbar in der Lebenszufrie-denheit widerspiegelt. Frau Ernst berichtet von gesundheitlichen, aber auch von familiären Schwierigkeiten, die sie sehr belasten. Durch ihre Kniebeschwerden beispielsweise kann sie nicht an allen Aktivitäten, die ihre Bekannten durchführen, teilnehmen. Als fami-liäre Probleme erwähnt Frau Ernst die weite Entfernung zu ihrem

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Sohn und Schwierigkeiten mit ihrer Tochter, über die sie aber nicht intensiver sprechen möchte. Der Gedanke an die Zukunft macht ihr Angst (siehe �.7.1)

Herr Walter ist 86 Jahre alt, verheiratet und lebt in Chemnitz. Seine Geschichte steht als Beispiel für ältere Frauen und Männer, deren Lebenszufriedenheit insbesondere aufgrund von Einschränkun-gen der Gesundheit und Mobilität zurückgegangen ist. Sie steht aber auch für die Kraft und Anpassungsfähigkeit, mit der ältere Menschen die zahlreichen Schwierigkeiten im Alltag bewältigen, und zeigt, dass das Leben auch mit 86 Jahren und trotz Einschrän-kungen noch „Spaß machen kann“. In Zusammenhang mit seinem Freundeskreis erzählt Herr Walter, dass viele seiner Freunde und Kameraden inzwischen verstorben sind. In dem Zusammenhang berichtet er von der Wiederbegegnung mit einem Kameraden, der sich nach 60 Jahren noch einmal bei ihm gemeldet hat. Herr Walter sagt: „Wie kommste’n jetzt auf mich? Da sagte er: Ich hab geblättert {im Telefonbuch}, und da du mir seinerzeit geholfen hast, wollt ich mich mal mit dir noch mal zusammensetzen ‘[...]. Ham wir auch gemacht.“ Aufgrund einer schweren Kriegsverletzung und anderer in den letzten Jahren hinzugekommener Erkrankungen ist er in seiner Beweglichkeit und Mobilität stark eingeschränkt. Sein Wille, mobil zu bleiben, ermöglicht es ihm aber dennoch, bestimmte Wege weiterhin auszuführen: „Ich versuche eben, die Wege zusammen-zufassen, da gehe ich eben hier zwei Stellen auf einmal. Früher bin ich zur Sparkasse gegangen, wenn ich gehen musste, da hab ich nicht geachtet, dass ich noch mal nächsten Tag zum Arzt gehen muss oder irgendwie.“ Zum Thema Freizeitaktivitäten berichtet Herr Walter, dass er seine Frau noch mehr unterstützen möchte, da diese ebenfalls zunehmend gesundheitlich beeinträchtigt ist, insbesonde-re beim Laufen. Diese Tatsache macht auch gemeinsame Spazier-gänge, wie sie vor einem halben Jahr noch möglich waren, fast unmöglich. Doch auch für diesen Verlust haben die Eheleute bereits eine Alternative gefunden: Sie treffen sich mit Bekannten im eigenen Garten: „Ja, bei vernünftigem Wetter sitzen wir hier draußen, und wir sind meistens so 4-� Personen noch dazu, da haben wir Spaß dran.“ Auf die Frage nach der Lebenszufriedenheit insgesamt ant-wortet Herr Walter: „Wir versuchen uns ja zu helfen, ich würde die Sieben sagen.“ Das heißt, trotz der gravierenden Veränderungen ist Herr Walter noch einigermaßen zufrieden mit seinem Leben,

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wenn auch etwas weniger als 199� und 2000. Auf die Frage nach Veränderungen der Lebenszufriedenheit antwortet er: „Ja, hat sich verändert [...]. Dass eben die Beweglichkeit geringer geworden ist, und das Schmerzempfinden ist größer geworden. Wir sind also etwas unzufrieden, will ich sagen, aber setzen uns durch, also da gibt’s keine ‘Wehleiderei’.“

Die Sorge um die eigenen Kinder bzw. die Freiheit von derartigen Sorgen wird von vielen der befragten älteren Menschen als Glück empfunden und mit Dankbarkeit erlebt. Schwierigkeiten in der Familie stellen für ältere Menschen demgegenüber eine nicht zu unterschät-zende Belastung dar, auch wenn sie sich nicht immer (wie bei Frau Ernst) in Werten der Lebenszufriedenheit widerspiegelt.

Die durchschnittliche Lebenszufriedenheit der Personen, die an allen drei Befragungen teilgenommen haben, ist im Zeitverlauf relativ konstant: M=8,2; SD=1,6 (1995), M=8,2; SD=1,5 (2000) und M=8,0; SD=1,8 (200�) (siehe Tabelle 8). Zum dritten Messzeitpunkt hin zeigt sich in der Gesamtgruppe ein leichter Rückgang der Lebenszufrie-denheit, der allerdings statistisch nicht signifikant ist. Die als prototy-pisch dargestellten Verläufe der Lebenszufriedenheit von Frau Pfeil, Frau Ernst und Herrn Walter verweisen darauf, dass es neben der mittleren Entwicklung der Zufriedenheit in der Gesamtgruppe auch die je individuelle Entwicklung der einzelnen Personen im Hinblick auf die Lebenszufriedenheit gibt. Diese Entwicklung kann tendenziell der kontinuierlichen Entwicklung der Gesamtgruppe entsprechen, was für Frau Ernst zutrifft. Für Frau Pfeil zeigt sich im Gegensatz zur Gesamtgruppe eine wachsende Zufriedenheit mit dem Leben über die Zeit. Die Entwicklung der Lebenszufriedenheit von Herrn Walter beginnt zwar, im Vergleich zur Gesamtgruppe, auf höherem Niveau, weist aber im Zeitverlauf einen deutlichen Rückgang und Abweichungen von der mittleren Zufriedenheit über die Zeit auf (siehe auch Abb. 14).

Die Tendenz zur relativen Konstanz der Lebenszufriedenheit über die Zeit trifft auch für die Altersgruppen zu. Die Lebenszufriedenheit der befragten Männer und Frauen in Chemnitz ist im Vergleich zu den Mannheimer Befragten durchgängig niedriger. Ein ähnliches Bild zeigt sich hinsichtlich des Geschlechtervergleiches: im Zeitverlauf sind die befragten Männer im Durchschnitt zufriedener mit ihrem Leben als die befragten Frauen. Vergleicht man die Personen mit und ohne Mobilitätseinschränkungen wird ein Ergebnis sichtbar, das die Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Mobilität und Lebenszufriedenheit stützt: Während die Lebenszufriedenheit der

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älteren Befragten ohne Mobilitätseinschränkungen über die Zeit auf hohem Niveau weitgehend konstant bleibt, zeigt sich für die Gruppe der älteren Befragten mit Mobilitätseinschränkungen ein deutlicher und statistisch signifikanter Rückgang der Lebenszufriedenheit zwi-schen dem ersten und zweiten Befragungszeitpunkt (t=2,�*) sowie im 10-Jahresverlauf insgesamt (zwischen dem ersten und dritten

Abb. 14: Lebenszufriedenheit

(0=“ganz und gar unzufrieden“; 10=“ganz und gar zufrieden“ mit dem Leben; Lebenszufriedenheit)

Befragungszeitpunkt, t=3,�**). Dieser Befund ist insofern bemerkens-wert, als er auch in Zusammenhang mit der Stichprobenselektivität und den im 10-Jahresverlauf durchgehend niedrigeren Zufrieden-heitswerten für die Chemnitzer Befragten interpretiert werden kann. Dieser Befund ist außerdem bemerkenswert, weil er im Widerspruch zum sogenannten „Zufriedenheitsparadoxon“ steht, das eine hohe Lebenszufriedenheit trotz starker individueller oder umweltrelevanter Einbußen postuliert (Staudinger, 2000). So weisen die Mittelwerte darauf hin, dass eine sich verschlechternde Mobilität Auswirkun-gen auf das Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit der davon betroffenen älteren Menschen hat. Eine Kombination quer- und längsschnittlicher sowie qualitativer und quantitativer Daten könnte

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Aufschluss über weitere Zusammenhangsmuster geben.

Zusammenfassung In Abschnitt 5.7 wurde abschließend auf Zukunftsperspektiven

und Lebenszufriedenheit im Kontext von Mobilität im Alter ein-gegangen. Die von uns befragten älteren Menschen sind auf hohem Niveau mit ihrem Leben zufrieden. Für die Gesamtgruppe finden sich nur geringe und statistisch nicht bedeutsame Ver-änderungen über die Zeit. Während die Zufriedenheit mit dem Leben der Mannheimer Befragten über die Zeit relativ konstant ist, geben die älteren Menschen in Chemnitz eine rückläufige und im Vergleich zu den Mannheimer Befragten niedrigere Lebenszufriedenheit an. Hinsichtlich der Lebenszufriedenheit der älteren Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zeigt sich im 10-Jahresverlauf ein deutlicher und statistisch signifi-

Tabelle 8: Lebenszufriedenheit

Lebenszufriedenheit Messzeitpunkt 1 Messzeitpunkt 2 Messzeitpunkt 3(0-10) (M; SD) (1995) (2000) (2005) Gesamtgruppe (N=82) 8,2 (1,6) 8,2 (1,5) 8,0 (1,8)

Altersgruppen (Jahre)

65 - 74 (N=41) 8,0 (1,5) 8,2 (1,3) 8,1 (1,8) 75+ (N=41) 8,3 (1,7) 8,1 (1,6) 8,0 (1,8)

Stadt

Mannheim (N=47) 8,4 (1,4) 8,� (1,4) 8,� (1,7) Chemnitz (N=3�) 7,9 (1,7) 7,8 (1,5) 7,4 (1,8)

Geschlecht

Frauen (N=39) 7,9 (1,7) 8,1 (1,6) 7,8 (2,0) Männer (N=43) 8,� (1,4) 8,2 (1,3) 8,2 (1,6)

Erlebte Mobilitäts- einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=28) 8,6 (1,7) 7,� (1,7) 7,1 (1,9) Einschränkung nein (N=�4) 7,9 (1,5) 8,� (1,2) 8,� (1,5)

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kanter Rückgang. Dies kann auf Mittelwertsebene als Hinweis für direkte und indirekte Zusammenhänge zwischen Mobilität und Lebenszufriedenheit angesehen werden und widerlegt in Teilen das sogenannte „Zufriedenheitsparadoxon“, wonach auch schlechte (Lebens)bedingungen einen geringen oder keinen Einfluss auf die Lebenszufriedenheit im Alter zu haben scheinen.

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6 Zusammenfassung

Mobilität ist für ältere Menschen mit Freude und Selbstbestätigung, mit der Möglichkeit zur Teilhabe an der natürlichen und sozialen Umwelt, mit Unabhängigkeit und Wahlfreiheit und mit dem Gefühl verbunden, noch ein vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu sein. Mobilität erfüllt damit nicht nur einen funktionalen Zweck, sondern trägt in entschei-dendem Maße zum Wohlbefinden und zur Lebenszufriedenheit älterer Menschen bei. Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und den damit verbundenen Entwicklungs- und Innovationsanforderungen an eine „alternde Gesellschaft“ gewinnt das Thema Mobilität im Alter zuneh-mend an Aktualität. Die Schwerpunktthemen aktueller Literatur und Forschungsprojekte sind neben dem motorisierten Individualverkehr (Auto), öffentlichen Transportsystemen und Aspekten der Gestaltung bedarfsgerechter Mobilitätsbedingungen die Themen Freizeit und Reisen sowie der Zusammenhang von Mobilität, Lebensqualität und Lebenszufriedenheit im Alter. Mit der hier vorgestellten Studie bestand die Chance, auf der Grundla-ge quantitativer und qualitativer Daten zu drei Befragungszeitpunkten (199�, 2000 und 200�) über einen Zeitraum von zehn Jahren ein tiefe-res Verständnis dieses komplexen Themenbereiches zu gewinnen. Im Mittelpunkt stand dabei die Frage nach „Kontinuität und Veränderung“ von Mobilität im Alter. Die wichtigsten Fragen, die durch die Studie be-antwortet werden sollten, waren:• Wie wirken sich die mit dem zunehmenden Alter verbundenen

gesundheitlichen und sozialen Veränderungen langfristig auf die Mobilitätsmöglichkeiten und das Mobilitätsverhalten alter Menschen aus?

• Geschehen diese Veränderungen eher im Bereich persönlicher Be-wegungsfähigkeit (z.B. durch gesundheitliche Beeinträchtigungen) oder sind sie eher durch Veränderungen der Umwelt (z.B. durch die Schließung eines Lebensmittelgeschäfts oder die Modernisierung einer Busverbindung) verursacht?

• Welche Veränderungen der Umwelt sind besonders mobilitätsrele-vant?

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• Welche Veränderungen auf Seiten der Person wirken sich auf Einschränkungen der Mobilität im höheren Lebensalter besonders gravierend aus?

• Werden eventuelle Einschränkungen der Mobilität als Verlust er-lebt?

• In welchen Bereichen sind auf Grund der Befunde Interventionen erforderlich, um hochaltrigen Menschen die gewünschte Mobilität zu erhalten? Welche Interventionen erscheinen besonders erfolg-versprechend?

Von zentralem Interesse war dabei, welche Bewältigungsformen bei erlebten Beeinträchtigungen gewählt werden (können) und welche Rolle personale, soziale, technische oder strukturelle Aspekte spielen, um daraus Empfehlungen für Politik, Wirtschaft und Forschung ableiten zu können.

Methodisches VorgehenVon den ursprünglich 804 befragten Personen (404 in Mannheim und 400 in Chemnitz) im Jahr 199� konnten zum ersten Follow-up fünf Jahre später noch 271 zur Teilnahme wiedergewonnen werden. Nach zehn Jahren, also an der hier berichteten zweiten Wiederholungsbefragung von 200�, beteiligten sich noch 82 Personen, und zwar 47 in Mannheim und 3� in Chemnitz. Das entspricht in etwa 30 % der Stichprobe des Jahres 2000 und 11 % der Ausgangsstichprobe von 199�. Ausfall-gründe waren in Mannheim wie in Chemnitz der Tod des Teilnehmers, gesundheitliche Beschwerden (eigene oder die des Partners) sowie eine Verweigerung der Teilnahme ohne Angabe von Gründen. Die mittels Logistischer Regression durchgeführten Selektivitätsanalysen zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit der Teilnahme am Follow-up 200� mit niedrigerem Lebensalter, höherem Schulabschluss und größerer Anzahl genutzter Verkehrsmittel steigt. Das bedeutet, dass 200� vor allem jüngere, besser gebildete und mobilere Personen bereit und noch in der Lage waren, sich an einer nochmaligen Befragung zu beteiligen. Während die Geschlechtszusammensetzung im 10-Jahresverlauf weitgehend konstant geblieben ist, ergaben sich im Hinblick auf die Altersgruppenverteilung und den Bildungsstand Veränderungen. Die Gruppe der 82 wiederbefragten Personen setzt sich zusammen aus 41 jüngeren (6�-74 Jahre) und 41 älteren Befragten (7�+), aus 39 Frauen und 43 Männern, aus 47 Teilnehmern in Mannheim und 3� Teilnehmern in Chemnitz. Das Erhebungsinstrument der Befragung 200� basiert auf dem Inter-viewleitfaden der Tiefenstudie, die 1996 im Rahmen des Projekts

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„Erhaltung von Mobilität zur sozialen Teilhabe im Alter“ in Mannheim und Chemnitz durchgeführt wurde. Darüber hinaus gingen quantitati-ve Fragen mit Längsschnittrelevanz aus dem ersten Follow-up 2000 in den Interviewleitfaden ein. Der Fragebogen 200� beinhaltet somit sowohl qualitative als auch quantitative Aspekte zum Thema „Mobilität im Alter“. Im Hinblick auf „Kontinuität und Veränderung“ wurden neben soziodemografischen Variablen insbesondere die Themenbereiche Mo-bilität allgemein, Alltägliche Wege, Freizeit und Reisen, Verkehrsmittel und Verkehrserleben, Wohnumgebung und Stadtteil sowie Aspekte der Gesundheit und Lebenszufriedenheit jeweils aus objektiver und sub-jektiver Perspektive erfragt. Die Analyse qualitativer und quantitativer Daten aus beiden Perspektiven und in ihrem Entwicklungsverlauf bietet die Möglichkeit, Mobilität im Alter umfassend abzubilden. Die Datenerhebung erfolgte in Mannheim und Chemnitz in Form persön-licher Interviews in der Wohnung der älteren Menschen. Die Verant-wortlichen der beteiligten Kommunen, Presse und Rundfunk wurden im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit persönlich von der Befragung in Kenntnis gesetzt. Die Auswertung der qualitativen Daten erfolgte auf der Grundlage inhaltsanalytischen Vorgehens, die Auswertung der quantitativen Daten mit dem Statistikprogramm SAS. Im Rahmen der deskriptiven Analyse des Datenmaterials wurden auch Unterschiedstes-tungen durchgeführt.

Die außerhäusliche Mobilität älterer MenschenDie von uns im Jahr 200� in Mannheim und Chemnitz befragten älte-ren Frauen und Männer können als verhältnismäßig mobil bezeichnet werden. Fast alle (83 %) waren am Vortag des Interviews außer Haus unterwegs. Lediglich 17 % der Befragten (das sind 13 von 82 Perso-nen) berichteten, das Haus am Vortag nicht verlassen zu haben. Zu diesen 13 Personen zählen insbesondere über 7�-jährige Befragte, in Mehrpersonenhaushalten lebende alte Menschen sowie Personen mit Mobilitätseinschränkungen. Alle Wege noch selbstständig gehen oder fahren zu können, bejahten 85 % der älteren Menschen; knapp 10 % der Befragten gaben an, nur noch wenige Wege selbstständig außer Haus bewältigen zu können. Gänzlich immobile Personen stellen unter den von uns befragten älteren Menschen einen Anteil von rund 6 % (fünf Personen).Die Zufriedenheit mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten wird von den älteren Menschen über die zehn Jahre hinweg insgesamt hoch eingeschätzt. Allerdings zeigt sich zum dritten Befragungszeitpunkt hin ein auch

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statistisch nachweisbarer Rückgang. Diese Entwicklung ist für die Gesamtgruppe, insbesondere aber in den Subgruppen der über 7�-Jährigen, der Männer, der Mannheimer Befragten sowie der Personen mit Mobilitätseinschränkungen festzustellen. Konkrete Verschlechterungen der Mobilität berichtet 200� rund ein Drittel der im Durchschnitt 7�,2 Jahre alten Männer und Frauen, zwei Drittel geben keine Mobilitätsveränderungen an. Mobilitätsveränderungen wer-den insbesondere zwischen dem 70. und 7�. Lebensjahr manifest. Ein Rückgang wird besonders in der Gruppe der 7�-Jährigen und älteren Befragten sichtbar. Während im Jahr 2000 erst rund ein Drittel dieser älteren Menschen eine Verschlechterung ihrer Mobilität berichtete, traf dies 200� auf rund die Hälfte dieser Personen zu. Gründe für eine sich verschlechternde Mobilität wurden auf Personebene wie auf (sozialer und physischer) Umweltebene identifiziert. Besonders gravierend wirken sich gesundheitliche Beeinträchtigungen aus, aber auch eine prekäre finanzielle Situation oder die Pflege und Versorgung des Ehepartners können zu Einschränkungen der außerhäuslichen Mobilität führen. Schwierigkeiten auf alltäglichen Wegen und im Ver-kehrsgeschehen allgemein, Veränderungen der sozialen und räumlichen Umwelt insgesamt sowie die Aufgabe des Autofahrens wurden von den älteren Menschen ebenfalls als Mobilitätsbarrieren genannt. Der Ver-gleich der älteren Menschen mit bzw. ohne Mobilitätsveränderungen auf der Grundlage der Daten des ersten und zweiten Befragungszeitpunktes belegt, dass gesundheitliche Einbussen, die eine spätere Mobilitätsein-schränkung zur Folge haben (können), bereits lange vor Eintreten der eigentlichen Einschränkung nachweisbar sind.

Alltägliche Wege älterer Menschen Alltägliche Wege sind für ältere Menschen insbesondere mit der Auf-rechterhaltung einer selbstständigen Lebensführung verbunden und werden mehrheitlich zu Fuß erledigt. Das heißt, die Füße stellen das zentrale „Fortbewegungsmittel“ älterer Menschen dar. Alltägliche Wege können mit negativen (Schwierigkeiten) wie positiven Aspekten (Anregung) verbunden sein. Als Schwierigkeiten werden von den Befragten neben gesundheitlichen Beeinträchtigungen vor allem ein starkes Verkehrsaufkommen und schlechte Witterungsbedingungen genannt. Die Bewältigung dieser als problematisch erlebten Situationen erfordert von den Älteren vielfältige Anpassungsleistungen, die sie durch Verhaltensänderungen sowie durch soziale Unterstützung und den Ge-brauch von Hilfsmitteln erbringen. In besonderem Maße sind jene älteren

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Menschen auf Hilfe und Unterstützung angewiesen, die nicht mehr aus dem Haus gehen können. Die Fallbeispiele zeigen ein hohes Maß an Kompetenz im Umgang mit dieser schwierigen Lebenssituation, lassen aber auch die Grenzen der Belastbarkeit aufscheinen, beispielsweise im Falle von Überlastung oder Ausfall der Hauptunterstützungsperson. Alltägliche Wege bieten älteren Menschen aber auch eine Vielzahl von Anregungen und Motivationen, außer Haus aktiv zu sein. Eine besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang sogenannten „Lieblings-wegen“ zu, die von den Älteren überwiegend als besonders naturnah beschrieben werden.

Freizeitaktivitäten und ReisenIm Gegensatz zu den alltäglichen und notwendigen Wegen stellen Frei-zeitaktivitäten und Reisen die rekreative Komponente außerhäuslicher Mobilität dar. Außerhalb ihrer Wohnung sind die Älteren in vielfältigen – sozialen, physischen, kulturellen – Bereichen aktiv. Insbesondere für die Gruppe der jüngeren Senioren haben diese Aktivitäten eine große Bedeutung. Die Zufriedenheit der älteren Menschen mit ihren Freizeit- und Reisemöglichkeiten insgesamt und im Verlauf der zehn Jahre ist hoch. Trotz der im Durchschnitt hohen Werte zeigt sich aber – wie hinsichtlich der allgemeinen Mobilitätszufriedenheit – auch für diese beiden Zufriedenheitsbereiche ein statistisch sichtbarer Rückgang. Mit den Veränderungen der Zufriedenheit gehen auch Veränderungen des Verhaltens einher. Jeweils rund die Hälfte der befragten älteren Menschen gibt an, dass sich im Verlauf der vergangenen fünf Jahre Veränderungen in ihren außerhäuslichen Freizeitaktivitäten ergeben haben (in einigen Fällen Intensivierung, in der Mehrzahl allerdings Abnahme der Aktivitäten). Einen besonderen Einschnitt bedeutet die Tatsache, überhaupt nicht mehr reisen zu können. Dies trifft auf ca. ein Viertel der befragten älteren Menschen zu. Das heißt umgekehrt aber auch, dass noch drei Viertel dieser Älteren aktiv Reisen unternehmen. Auch ungefähr die Hälfte der mobilitätseingeschränkten Personen gibt an, noch zu verreisen. Einflussfaktoren für Veränderungen im Freizeit- und Reiseverhalten sind zum einen wieder gesundheitliche Aspekte. Daneben können finanzielle Probleme, der Verlust von Freizeitpartnern oder auch eine gewisse Reisemüdigkeit zur Aufgabe dieser Aktivitäten führen. Quantitativ schlagen sich die Veränderungen des Reiseverhal-tens in weniger und zeitlich kürzeren Reisen sowie in räumlich näher gelegenen Reisezielen nieder.

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Die Bedeutung von Verkehrsmitteln Verkehrsmittel AutoDas wichtigste Verkehrsmittel älterer Menschen sind, wie bereits er-wähnt, die eigenen Füße. Allerdings hat das Auto in den vergangenen Jahren aufgrund wachsender Distanzen und durch die steigende Zahl von Autofahrern und -fahrerinnen an Bedeutung gewonnen. Insbeson-dere für ältere Frauen wird es in den kommenden Jahren einen weite-ren Bedeutungszuwachs erfahren. Von den von uns befragten älteren Menschen verfügen etwa zwei Drittel über einen gültigen Führerschein und ein Auto im Haushalt. Ein Auto zur Verfügung zu haben und nutzen zu können, wird von den Befragten insbesondere als Erleichterung der Versorgung im Alltag und von Freizeitaktivitäten und sozialen Kontakten gesehen. Für viele Ältere bedeutet das Auto „Mobilität schlechthin“, es ist ein Ausdruck der Freiheit, jederzeit und unabhängig selbst gewählte Orte erreichen zu können. Schwierigkeiten berichten die älteren Au-tofahrer vor allem im Hinblick auf schlechte Witterungsbedingungen, aber auch ein hohes Verkehrsaufkommen und das Verhalten der Ver-kehrsteilnehmer untereinander werden als unbefriedigend geschildert. Als Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit diesen Schwierigkeiten werden von den älteren Menschen vor allem die Nutzung bekannter Wege und Auswahl günstiger Fahrzeiten sowie erhöhte Aufmerksamkeit und rücksichtsvolles Fahren praktiziert. Innovative Fahrzeugtechnik wird von den Älteren differenziert betrachtet. Von einem Teil wird sie als erstrebenswert herausgestellt, von einem anderen Teil als nicht (mehr) notwendig erachtet. Die Aufgabe des Autofahrens stellt einen gravierenden Einschnitt in der Mobilität älterer Menschen dar, insbesondere für die Personen, die lebenslang und gern motorisiert unterwegs waren. Als Gründe für die Aufgabe des Autofahrens nennen die Älteren neben gesundheitlichen Beschwerden so unterschiedliche Aspekte wie günstige Mitfahrgele-genheiten auf der einen und mit dem Autobesitz verbundene Nachteile auf der anderen Seite. Als Folge der Aufgabe des Autofahrens müssen der Alltag und vor allem – speziell von Alleinlebenden – alternative (Mit-)Fahrmöglichkeiten neu organisiert werden.

Verkehrsmittel öffentlicher PersonennahverkehrNeben dem Auto spielen öffentliche Verkehrsmittel als Fortbewegungs-mittel eine wichtige Rolle für ältere Menschen. Die von uns befragten Älteren berichten zu zwei Dritteln eine im 10-Jahresverlauf kontinuierli-che Nutzung. Die Nutzung oder Nichtnutzung öffentlicher Verkehrsmit-

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tel ist für ältere Menschen sowohl mit Nutzungsvorteilen als auch -barrieren verbunden. Als Nutzungsvorteile wurden günstige Tarife, das Angebot an Seniorentickets, eine schnelle und bequeme Erreichbar-keit der Innenstadt sowie die Kompensation des Verlustes der „Auto-Mobilität“ bzw. einer Mitfahrgelegenheit erwähnt. Nutzungsbarrieren bestehen zum einen bezüglich der Erreichbarkeit von Haltestellen und dem Einstieg in ein Fahrzeug. Dies steht zumeist mit gesundheitlichen Einbußen in Zusammenhang. Zum anderen stellen die Modalitäten des modernen Fahrscheinverkaufs, die zum Teil lückenhafte Anbindung von Stadtrandgebieten an das öffentliche Verkehrsnetz sowie die Preisge-staltung für einige der Befragten weitere Nutzungsbarrieren dar.

Verkehrsmittel FahrradEine überraschend hohe Zahl der Befragten in Mannheim – einer Stadt mit wenig Steigungen – nutzt das Fahrrad für alltägliche Besorgungen und zur Erholung und Entspannung.

Die Bedeutung von Wohnumgebung und StadtteilMit zunehmendem Alter und abnehmendem Aktionsradius gewinnen Wohnumgebung und Stadtteil an Bedeutung. Die von uns befragten älteren Menschen (auch die Personen mit Mobilitätseinschränkungen) sind mit ihrer Wohnumgebung und den vorhandenen infrastrukturellen Bedingungen im Durchschnitt sehr zufrieden, auch wenn dies nicht für alle Stadtteile gleichermaßen zutrifft. Wohnumgebung und Stadtteil wurden im Rahmen der vorliegenden Befragung insbesondere vor dem Hintergrund ihrer Mobilitätsrelevanz betrachtet. Als in diesem Zusammenhang wichtige Merkmale führten die älteren Frauen und Männer insbesondere die Aspekte Ruhe und Naturnähe an. Auch die infrastrukturelle Versorgung, die Anbindung an den öffentlichen Nah-verkehr und eine gute Nachbarschaft wurden als Qualitätsmerkmale herausgestellt. Umweltbarrieren bestehen nach Aussagen der älteren Menschen in umgekehrter Weise zu den genannten Qualitäten vor allem in einer mangelnden Pflege der natürlichen Umwelt, im Gefühl der Ent-fremdung im Wohngebiet sowie in der unbefriedigenden Anbindung an den ÖPNV und schlechten Ausstattung mit Versorgungseinrichtungen. Mobilitätseingeschränkte Personen vermissen insbesondere Sitz- und Ruhemöglichkeiten unterwegs. Mobilitätseingeschränkte Autofahrer be-mängeln das Fehlen von Parkmöglichkeiten an infrastrukturell wichtigen Orten (auch ohne Nachweis einer „Körperbehinderung“).

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Hinsichtlich der infrastrukturellen Versorgung bedauern die befragten älteren Menschen vor allem die Reduktion des Angebotes an nahräum-licher (und fußläufig erreichbarer) Versorgung mit Gütern des täglichen Bedarfs. Als Folge dieser Entwicklung erwähnen sie zum einen längere Versorgungswege, aber auch den Verlust sozialer Kontakte aus dem „Supermarkt an der Ecke“, die vor allem für hochaltrige und alleinste-hende ältere Menschen bedeutsam sind.

Insgesamt konnten im Rahmen dieser Befragung in Mannheim und in Chemnitz Stadtteile mit Entwicklungsbedarf, Stadtteile mit gleichbleibend guten Wohn-, Lebens- und Mobilitätsbedingungen für ältere Menschen sowie Stadtteile mit verbesserten Bedingungen identifiziert werden. Als Nutzungsvoraussetzungen mobilitäts-unterstützender Dienstleistungen wurden von den älteren Menschen neben einem allgemein guten und schnell verfügbaren Service vor allem finanzielle und zwischenmensch-liche Aspekte – auch vor dem Hintergrund von Erfahrungen mit perso-nenbezogenen Dienstleistungen im Ausland – angesprochen.

Mobilität und LebenszufriedenheitMobilität dient nicht nur dem funktionalen Zweck der Überwindung von Distanzen, sondern trägt in entscheidendem Maße zum Wohlbefinden und zur Lebenszufriedenheit älterer Menschen bei. Die von uns befrag-ten älteren Menschen sind im Mittel mit ihrem Leben sehr zufrieden, wobei die Zufriedenheit zum dritten Messzeitpunkt hin leicht abnimmt. Im 10-Jahresverlauf haben sich insbesondere die Unterschiede in der Lebenszufriedenheit zwischen den Befragten in Mannheim und Chem-nitz verfestigt. Das heißt, die älteren Frauen und Männer in Chemnitz sind über die Zeit hinweg mit ihrem Leben weniger zufrieden als die befragten Älteren in Mannheim. Bemerkenswert ist, dass ältere Menschen mit Mobilitätseinschränkungen nicht nur deutlich unzufriedener mit ihren Mobilitätsmöglichkeiten sind als Ältere ohne Mobilitätseinschränkungen, sondern dass auch ihre Lebenszufriedenheit im Verlauf der beobachteten zehn Jahre statistisch signifikant abgenommen hat. Dieses Ergebnis liefert einen deutlichen Hinweis auf eine enge Beziehung zwischen Mobilität bzw. Mobilitätsein-schränkungen und allgemeiner Lebenszufriedenheit. Einschränkungen der Mobilität werden als ein Verlust erlebt, der offensichtlich das Leben insgesamt und damit auch die Lebenszufriedenheit beeinträchtigt.Fazit

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Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Zufriedenheit mit Mobi-litätsmöglichkeiten allgemein sowie mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten im Verlauf von zehn Jahren – also mit steigendem Alter – abnimmt. Diese Aspekte stehen im Zusammenhang mit veränderten Umweltbedingun-gen und insbesondere mit gesundheitlichen und lebensstilbezogenen Aspekten. Den Veränderungen der Zufriedenheit in mobilitätsrelevanten Bereichen entsprechen zumeist auch Veränderungen der konkreten Le-benssituation. Dies wird besonders deutlich bei der Zufriedenheit mit den Mobilitätsmöglichkeiten und konkreten Veränderungen der alltäglichen Mobilität und in ähnlicher Weise bei der Zufriedenheit mit Freizeit- und Reisemöglichkeiten und den entsprechenden Verhaltensänderungen. Die Zufriedenheit mit eher umweltrelevanten Aspekten wie Wohnum-gebung, Infrastruktur und öffentlichem Personennahverkehr nimmt im Vergleich dazu einen eher kontinuierlichen oder sogar positiven Verlauf. Auch die Lebenszufriedenheit der befragten Älteren zeigt ein konstant hohes Niveau (der leichte Rückgang zum dritten Befragungszeitpunkt ist statistisch nicht signifikant). Diese Ergebnisse sind allerdings nicht ohne weiteres verallgemeinerbar. Zum einen sollten sie vor dem Hintergrund interpretiert werden, dass es sich um eine kleine und (im positiven Sinne) selektive Stichprobe handelt. Zum anderen deuten die errechneten Mittelwerte lediglich eine allgemeine Tendenz an, denn die Subgruppenanalysen und Fallbeispiele zeigen eindrucksvoll, dass sich hinter den Mittelwerten immer auch Ver-änderungen – sowohl in positiver wie in negativer Richtung – verbergen. Erst eine differenzierte Betrachtung lässt Aussagen über die Mobilität älterer Menschen zu, die den unterschiedlichen Bedingungen, unter denen sie realisiert wird, und den vielschichtigen Bedeutungen, die sie beinhaltet, gerecht werden. Die Ergebnisse zeigen schließlich, dass ältere Menschen mehrheitlich mobil sind und diese Voraussetzungen auch aktiv in ihrem alltägli-chen Leben umsetzen. Im höheren Alter treten jedoch mit zunehmend größerer Wahrscheinlichkeit mobilitätsrelevante Schwierigkeiten und Mobi-litätseinschränkungen auf, die als belastende Lebensereignisse erlebt werden und die Lebensqualität beeinträchtigen. Die überwiegende Mehrzahl der älteren Befragten setzt sich mit dieser Lebenssituation aktiv auseinander, sei es durch Veränderungen des Denkens und Handelns, durch soziale Unterstützung oder mit Hilfe technischer Mittel. Die damit verbundenen Belastungen für die Betroffenen selbst wie für ihre Partner und/oder andere Unterstützungspersonen sind jedoch erheblich. Sie werden durch ungünstige Rahmenbedingungen (finanzielle Problemla-gen, fehlende Einkaufsmöglichkeiten und Verkehrsmittel) noch verstärkt

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– oder durch günstige persönliche und strukturelle Bedingungen (gute finanzielle Ausstattung, tragfähiges soziales Netz, ausreichend verfüg-bare Infrastruktur und Dienstleistungsangebote) erleichtert.Aus wissenschaftlich-theoretischer Sicht sind die Ergebnisse der Studie in mehrfacher Hinsicht relevant. So lassen sich die vielfältigen Einzela-spekte, die herausgearbeitet wurden, im Licht jeweils spezifischer theo-retischer Ansätze interpretieren. Die hohe praktische und symbolische Bedeutung der außerhäuslichen Mobilität für alte Menschen entspricht der soziologischen Charakterisierung moderner Gesellschaften als „mobile“ Gesellschaften. Daneben haben sich sozialstrukturelle Bedin-gungen als wichtige Einflussfaktoren für Mobilität und Lebensqualität bestätigt. Ebenso bestätigt haben sich allgemeine Erkenntnisse der Ver-kehrspsychologie insofern, als die von uns befragten älteren Menschen ihr Mobilitätsverhalten den aktuellen Verkehrsbedingungen soweit wie möglich angepasst haben.Der Rückgang der Zufriedenheit mit Mobilitäts-, Freizeit- und Reise-möglichkeiten sowie mit dem Leben allgemein im Falle von Mobili-tätseinschränkungen entspricht den Annahmen der Aktivitäts- und Kontinuitätstheorie, die von dem Wunsch nach der Beibehaltung von subjektiv bedeutsamen Aktivitäten im Alter ausgeht und diesbezügliche Auswirkungen auf die Lebenszufriedenheit annimmt. Auch der starke Wunsch, zum Beispiel durch Beibehalten des Autofahrens den Alltag zu sichern, oder das Bedauern, aufgrund des Nachlassens eigener Fä-higkeiten oder des Verlustes einer Begleitperson bestimmte Aktivitäten nicht mehr ausführen zu können, sprechen für diese Ansätze. Die von einigen Befragten berichtete Reisemüdigkeit dagegen deutet eher auf Disengagement-Tendenzen beziehungsweise kognitive Anpassungspro-zesse im Falle kaum mehr veränderbarer Lebenssituationen. Als zentral hat sich die aus ökogerontologischer Perspektive geforderte Betrachtung des Zusammenwirkens von Person und Umwelt erwiesen.Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass einer der verschiedenen mögli-chen Ansätze allein zur Erklärung der Mobilität im Alter nicht ausreicht, um dieses komplexe Phänomen befriedigend zu erfassen. Sie scheinen vielmehr jeweils unterschiedliche Aspekte oder Phasen der Altersmobi-lität erklären zu können. Weitere interdisziplinäre Forschungsarbeiten sollten auf dieser Grundlage zum Ziel einer Integration komplexer Zu-sammenhänge zwischen Einzelaspekten der Mobilität und der Synthese einzelner theoretischer Erklärungsansätze beitragen.

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7 Empfehlungen für Wissenschaft und Praxis

Auch im Alter mobil zu sein und zu bleiben ist ein elementares mensch-liches Grundbedürfnis. Dies zeigt sich bei den befragten älteren Frauen und Männern zu allen Untersuchungszeitpunkten zwischen 199� und 200�. Mobilität bezieht sich dabei auf die Fähigkeit, zu Fuß oder mit verschiedenen Verkehrsmitteln (im wesentlichen Auto, ÖPNV, Fahrrad) im Alltag, in der Freizeit und im Urlaub, sowohl im nahen Wohnumfeld wie auch in einem größeren Radius unterwegs zu sein.Nahezu alle Teilnehmer der dritten Befragungswelle im Jahr 200� zei-gen ein hohes Maß an Selbstständigkeit und Mobilität sowie eine hohe Zufriedenheit mit ihren Lebensbedingungen und ihrer Lebensqualität. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass es sich bei den Personen, die zehn Jahre nach der ersten Befragung noch einmal zu einem ein- bis anderthalbstündigen Interview bereit und in der Lage waren, um eine positive Auswahl handelt. Bei den Personen, die eine Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes und geringere Mobilitätsmöglichkeiten berichteten, waren deutlich niedrigere Zufriedenheitswerte zu beob-achten.Für die Aufrechterhaltung von Mobilität wird von den Älteren interes-santerweise zunächst das Individuum selbst in der Verantwortung gese-hen. Gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung gelten allgemein als gute Grundlage für Gesundheit und Mobilität im Alter. Gleichzeitig sind jedoch die wenigsten Älteren bereit, sich frühzeitig mit den Folgen zunehmend eingeschränkter Mobilität auseinander zu setzen oder vorab Strategien für diesen Fall zu entwickeln. Die heutigen Älteren und Alten sind in der Regel eingebunden in soziale Netzwerke und/oder verfügen über finanzielle Ressourcen, die ihnen im Falle geringer werdender Mo-bilität individuelle Lösungen ermöglichen. Aufgrund der für die nächsten Jahre absehbaren demografischen Veränderungen, der stagnierenden Arbeitsmarktsituation und der damit zu erwartenden finanziellen Ver-schlechterung der Lebenslagen im Alter stellt sich jedoch die Frage, wie daraus entstehende Probleme im Vorfeld verhindert oder wenigstens befriedigend abgemildert werden können.Aus den Befunden der dritten Befragungswelle 200�, interpretiert vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus den beiden Wellen 199� und 2000,

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werden im Folgenden die wichtigsten Ableitungen für Politik und Praxis dargelegt, die eine Vorbereitung auf die Anforderungen der wachsenden Zahl älterer und alter Menschen in naher Zukunft ermöglichen können. Die hierzu formulierten Empfehlungen gehen von der Leitfrage aus: Wie kann Mobilität – und damit auch selbstständige Lebensführung, Teilhabe am sozialen Leben, Lebensqualität und Zufriedenheit – im Alter erhalten werden?• Welche Informationen aus Wissenschaft und Forschung werden dafür

benötigt?• Was können Politik und Wirtschaft – und jeder Einzelne, das Indivi-

duum – vorbereiten und anbieten, damit eine selbstständige Lebens-führung im Alter gelingt und Mobilität und soziale Teilhabe erhalten werden können?

Die Empfehlungen gliedern sich nach den Bereichen Wissenschaft – Politik (Stadt-, Sozial- und Verkehrsplanung) – Wirtschaft (Hersteller, Handel und Dienstleistungen). Im Fokus der Empfehlungen für Politik und Wirtschaft stehen sowohl Menschen, die noch mobil sind und die Angebote im Sinne von Komfort und Bequemlichkeit nutzen können, wie auch Menschen, die mit Einschränkungen ihrer Mobilität leben und ihren Alltag und ihre Freizeit mit diesen Einschränkungen gestalten müssen.

Bereich WissenschaftDie Befunde zeigen – auch in Zusammenhang mit den ersten beiden Befragungswellen und im internationalen Kontext des Projekts MOBI-LATE (Mollenkopf et al., 200�) – dass eine kontinuierliche und umfas-sende Betrachtung von Mobilität im Alter außerordentlich wichtig ist und zahlreiche Fragestellungen noch längst nicht ausreichend erforscht sind. Die Befunde weisen in ihrer Vielfalt darauf hin, dass Mobilität im Alter interdisziplinär betrachtet werden muss, um einerseits das Individuum mit seinen persönlichen Bedürfnissen, Ressourcen (z. B. Gesundheit, Fi-nanzen, Know-how auf unterschiedlichen Gebieten, soziale Netzwerke), aber auch psychologischen Barrieren einzubeziehen und andererseits die sich ändernden infrastrukturellen Rahmenbedingungen, die Politik, Gesellschaft und Wirtschaft vorgeben, zu berücksichtigen. Darüber hin-aus erweist sich die Betrachtung eines längeren Zeitraums als wichtig, um fundierte Aussagen über Veränderungs- oder Kontinuitätspotentiale treffen zu können. Die wissenschaftliche, interdisziplinäre Begleitung von Kohorten über mehr als eine Dekade ermöglicht eine gute Vorbereitung auf die Anforderungen, die sich jedem Einzelnen wie der Gesellschaft

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insgesamt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten stellen.Aufgrund der Befunde der vorliegenden Studie besteht Forschungsbe-darf unter anderem zu folgenden Themenkreisen:

Antizipation der Lebensphase 65+ durch die heute 40- bis 55-Jähri-genDie Generationen des Babybooms werden das Alter in großer Zahl erleben und die Gesellschaft damit nachhaltig verändern. Außerdem sind die heute 40- bis ��-Jährigen gesünder, besser ausgebildet und insgesamt aktiver und mobiler als die heute über 6�-Jährigen. Zudem sind sie vertraut mit zahlreichen technischen Neuerungen, die direkt oder als Adaption eine selbstständige Haushaltsführung und Mobilität im Alter unterstützen können. Auch für die Frauen der künftigen Genera-tionen Älterer wird es selbstverständlich sein, ein Auto zur Realisierung ihrer Mobilitätsbedürfnisse zu benutzen. Daraus ergeben sich folgende Fragen, auf die ein interdisziplinärer Forschungsansatz Aufschluss geben kann: • Welche Erwartungen haben die heute 40- bis ��-Jährigen Frauen

und Männer an ihre zukünftige Mobilität? • Welche diesbezüglichen Erwartungen haben sie an Politik, Gesell-

schaft und Wirtschaft?• Wie bereiten sich umgekehrt Politik, Gesellschaft und Wirtschaft auf

die Anforderungen der zukünftigen Generationen Älterer vor und inwieweit stimmen sie mit den individuellen Erwartungen überein?

Antizipation der Lebensphase 65+ durch die zunehmende Zahl von Singles und Paaren ohne KinderAufgrund zunehmender Kinderlosigkeit wird der Generationenvertrag für eine große Zahl alternder Frauen und Männer in den kommenden Jahren nicht fortgeführt werden können. Daraus ergeben sich folgende Fragen, auf die ein stärker sozial- und verhaltenswissenschaftlicher Ansatz Aufschluss geben kann: • Wie sind Einstellung und Motivationslage hinsichtlich Unterstützungs-

leistungen gegenüber der heute alten Elterngeneration? • Welche diesbezüglichen Erwartungen haben sie hinsichtlich der

späteren Bewältigung ihrer eigenen Situation?• Können „Wahlverwandtschaften“ – also nicht-familiale soziale Be-

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ziehungen – dauerhaft traditionelle familiale Unterstützungsnetze ersetzen?

• Welche Maßnahmen auf kommunaler Ebene wären erforderlich und was für Mobilitätsdienste würden (auch gegen Bezahlung) akzeptiert, um fehlende familiale Unterstützungsleistungen zu ersetzen bezie-hungsweise nicht-familiale Netze in ihren Unterstützungsleistungen zu fördern?

Einstellung zu technischen Innovationen in unterschiedlichsten Le-bensbereichen und die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen in diesem BereichDie zunehmende Zahl von Personen, die mit Technik in allen Lebensbe-reichen (insbesondere mit Computer und Internet) vertraut sind, könnte die Weichen für den Einsatz innovativer Technik zur Unterstützung und Erhaltung von Mobilität im Alter stellen. Daraus ergeben sich folgende Fragen, auf die ein interdisziplinärer Untersuchungsansatz Aufschluss geben kann:• Welche Einstellungsmuster und Motivationslagen bestehen bezüglich

mobilitätsrelevanter Technologien? (Vgl. auch die Empfehlungen zu Verkehrsplanung und Fahrzeugtechnik)

• Wie muss eine altersgerechte Gestaltung von Technik aussehen, da-mit sie von möglichst vielen alten Menschen genutzt werden kann?

• Wie wirkt sich die zunehmende Inanspruchnahme von e-Commerce auf die realisierte Mobilität Älterer aus?

• Welche Folgen sind damit möglicherweise auf individueller (Gesund-heit, Sozialkontakte) und gesellschaftlicher Ebene (Verkehrsaufkom-men, Infrastruktur) verbunden?

Interventionen bei UnterstützungsbedarfIn Zeiten leerer (öffentlicher) Kassen und sinkender privater Finanzmit-tel müssen vorhandene Ressourcen besonders sparsam und effizient eingesetzt werden. Daraus ergeben sich folgende Fragen, auf die ein interdisziplinärer Ansatz Aufschluss geben kann: • Welche mobilitätsunterstützende Interventionen wie Fahr- und Bring-

dienste, Gymnastik und Mobilitätstraining, Förderung von Eigenin-itiativen und Nachbarschaftshilfe etc. sind für welche Zielgruppen besonders effizient?

• Welche Bereitschaft zur Gestaltung von Unterstützung auf der einen

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sowie zu deren Entlohnung / Bezahlung auf der anderen Seite besteht in der Bevölkerung? (Akzeptanz von monetärer und nicht-monetärer Eigeninitiative)

• Welche Konsequenzen ergeben sich daraus für Maßnahmen von Kommunen, Krankenkassen und privaten Dienstleistern?

Bereich Politik: Stadt- und Sozialplanung / VerkehrsplanungAngesichts des wachsenden Anteils älterer und alter Menschen an der Bevölkerung besteht für Kommunen dringender Handlungsbedarf bezüglich einer altersgerechten Stadt-, Sozial- und Verkehrsplanung. Hinweise dafür geben die folgenden Empfehlungen:

Alltägliche Wege im Wohnumfeld Zu Fuß unterwegs zu sein ist ein wesentlicher Bestandteil der (tägli-chen) Mobilität älterer und alter Menschen. Daraus leiten sich folgende Empfehlungen ab: • Öffentliche Wege müssen in ihrer Beschaffenheit und Beleuchtung /

Ausleuchtung so barrierefrei wie möglich sein (Straßen- und Wegebe-lag möglichst eben und ohne Stolperstellen, Licht je nach Witterung / Tageszeit).

• Ruhezonen mit Bänken oder anderen Sitzgelegenheiten vereinfachen das Unterwegssein und ermöglichen Einkäufe oder Erledigungen zu Fuß auch bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

• Fußgängerwege müssen klar von Fahrradwegen und Fahrbahnen (für Autos, Busse und Straßenbahnen) abgegrenzt werden.

• Sie müssen breit genug sein, damit Personen mit Rollator, Rollstuhl oder Elektromobil sich problemlos darauf begegnen können, ohne auf die Fahrbahn ausweichen zu müssen.

• Fahrender Verkehr und parkende Autos dürfen die Nutzung von Bürgersteigen nicht einschränken.

• Diese Anforderungen gelten auch für den Zugang zu öffentlichen Gebäuden, zu Haltestellen des ÖPNV oder zu Parkhäusern.

Infrastruktur/VerkehrsplanungMit zunehmendem Alter und wachsenden Beeinträchtigungen der körperlichen Mobilität wächst auch die Bedeutung technischer Unter-stützung für alltägliche Wege und eine altersgerechte Gestaltung des

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Verkehrsgeschehens. Technische Unterstützung kann außer durch private Verkehrsmittel (PKW, Fahrrad, Rollstuhl) insbesondere durch den öffentlichen Per-sonennahverkehr erfolgen, wenn er von den zuständigen Kommunen entsprechend organisiert und gewährleistet wird. Der ÖPNV ermöglicht – im Rahmen vorgegebener Fahrpläne und unter der Voraussetzung der Erreichbarkeit der Haltestellen – Mobilität ohne Abhängigkeit von anderen Personen. Vor allem aber sind öffentliche Verkehrsmittel wichtig, um größere Entfernungen überwinden zu können, wenn dies erforderlich ist.

• Damit ältere und hochbetagte Menschen die Fahrzeuge des ÖPNV nutzen können, müssen barrierefreie Ein- und Ausstiege, leicht er-reichbare und bequeme Sitze sowie eine ausreichende Haltedauer zum bequemen Ein- und Aussteigen gewährleistet sein.

• Die Richtlinien zur Gestaltung öffentlicher Verkehrsmittel und Halte-stellen sind unbedingt zu beachten.

• Zentrale Verbindungen sollten möglichst umsteigefrei organisiert werden.

• Die Fahrplangestaltung darf – z.B. durch Einschränken der Nutzungs-möglichkeiten zu bestimmten Zeiten – nicht zu einer Diskriminierung älterer Menschen führen.

• Preiswerte Kurzstreckenfahrscheine würden die Erreichbarkeit von Einrichtungen im weiteren Wohnumfeld erleichtern und unerwünsch-ten Autoverkehr reduzieren.

• Zubringerdienste von zu Hause zu Haltestellen bzw. von Haltestellen zu wichtigen Anlaufstellen (z. B. Einkaufszentrum in der Peripherie), oder ein die Hauptstrecken ergänzender Shuttleservice können beste-hende Angebote sinnvoll ergänzen (Beispiel ‘Bergbus’ in Heidelberg: regelmäßige Anbindung von abgelegenen Wohngegenden an das Liniennetz).

• Erfolgreiche Innovationen wie die Service-Linien in einigen skandi-navischen Kommunen oder die Von-Tür-zu-Tür-Dienste in den Nie-derlanden sollten systematisch evaluiert und auf ihre Übertragbarkeit geprüft werden.

Eine altersgerechte Gestaltung speziell des innerörtlichen Verkehrs käme nicht nur alten Menschen, sondern der Bevölkerung insgesamt zugute. Für Ältere, die einem höheren Risiko des Verlustes physischer, sensorischer und kognitiver Fähigkeiten ausgesetzt sind, hat sie jedoch eine zentrale Bedeutung. Dazu können insbesondere folgende Maß-nahmen beitragen:

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• Verkehrsberuhigte Zonen, Geschwindigkeitsbegrenzungen auf für Ältere wichtigen Verbindungsstrecken und im Bereich von Haltestellen und Erholungsgebieten sowie ähnliche, örtlich angepasste Strategien ermöglichen eine stressfreiere Teilnahme am Straßenverkehr.

• Die Überquerung von Fahrbahnen muss sicher und ohne Zeitdruck erfolgen können, das heißt Ampelphasen müssen entsprechend eingestellt werden.

Infrastruktur/NahversorgungDie eigenständige Versorgung mit notwendigen Gütern des täglichen Bedarfs darf nicht erschwert werden durch eine Stadtplanung, die den Einkauf dieser Güter nahezu ausschließlich auf die ‘grüne Wiese’ verla-gert. Die Infrastruktur im unmittelbaren Wohnumfeld hat zum einen den Vorteil der Erreichbarkeit zu Fuß, ist aber zusätzlich auch von grosser sozialer und emotionaler Bedeutung im Hinblick auf Vertrautheit und Sicherheit in der Nachbarschaft, für das Wohlbefinden in der Wohnum-gebung und die Identifikation mit dem Stadtteil.• Um diese Anforderungen zu erfüllen, bedarf es einer ausgewogenen

Stadtplanung, die die Erhaltung einer entsprechenden Infrastruktur im Stadtteil fördert.

• Mobile Angebote (z. B. Marktstände, mobile Einzelhandelsangebote wie ‘Tante-Emma-auf-Rädern’) können ein lückenhaftes Angebot er-gänzen. Wo erforderlich, sollten solche Dienstleistungen organisiert und Initiativen unbürokratisch gefördert werden.

Förderung Eigeninitiative/Ehrenamt Der Verbleib in der vertrauten Wohnumgebung – gerade auch bei ab-nehmender Mobilität – ist ein zentrales Bedürfnis älterer Menschen. Soziale Umbrüche in der Nachbarschaft und Änderungen in der Infra-struktur können die Realisierung dieses Wunsches jedoch gefährden. Als Alternative bleibt dann häufig nur der Umzug in ein Pflegeheim. Hier eröffnet sich ein zentrales Feld kommunaler Politik:• Insbesondere wenn finanzielle Ressourcen nicht mehr ohne weiteres

verfügbar sind, erhält informelle Unterstützung – über den klassischen Familienverband hinaus – eine immer größere Bedeutung. Gezielte Kommunalpolitik könnte Initiativen zum gemeinschaftlichen Wohnen, zur Unterstützung auf Gegenseitigkeit und zu ehrenamtlich geleiteten Mobilitätsangeboten unterstützen und fördern. Bürokratische Vorga-

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ben dürfen dabei den Weg zu Eigeninitiative nicht erschweren. • Bereits in der Praxis erfolgreiche Beispiele von Vereinen, die Klein-

busse mit ehrenamtlichen Fahrern betreiben, um für Ältere den Fahr-plan des ÖPNV zu ergänzen, oder von Initiativen, die Unterstützung in Haus und Garten auf Gegenseitigkeit organisieren, sollten auf ihre Übertragbarkeit hin evaluiert werden. Sie können als Modelle genutzt und gegebenenfalls an regionale Bedingungen angepasst werden.

Angebote zur Prophylaxe Der Unterstützung und Ergänzung von Bemühungen, Mobilität zu erhalten, können vielfältige kommunale Maßnahmen und Angebote dienen:• Informations- und Trainingsangebote in Volkshochschulen und

Bürgerzentren • Intensivierung der Zusammenarbeit von Krankenkassen, Sportver-

einen, Sozialdiensten und kommunalen Einrichtungen (Sozial- und Stadtplanungsämter, Bürgerämter, Stadtteilvereine, Verkehrsbetrie-be)

• Auch die Integration von Älteren im Wohnquartier kann durch kom-munale Einrichtungen wie Begegnungszentren oder Maßnahmen wie die Förderung von Nachbarschaftsdiensten begleitet werden – ein wichtiger Aspekt, wenn es in einem Stadtbereich zu sozialen Veränderungen z. B. aufgrund der Bevölkerungszusammensetzung kommt und alte Menschen aus ihrer Sicht ihre ‘Heimat verlieren, ohne umzuziehen’.

Bereich WirtschaftEinzelhandelStandortpolitikEine Standortpolitik, die im Schwerpunkt auf die Peripherie setzt, plant an der Zielgruppe der Älteren und Alten vorbei, die – wie bereits oben erwähnt – bei abnehmender Mobilität die Einkaufsstätten in der Peri-pherie nur noch schwer oder gar nicht mehr erreichen können. • Ein preiswerter Bestell- und Lieferservice wäre ein Angebot, das eine

weiterhin problemlose Versorgung von älteren und alten Menschen mit Gütern des täglichen Bedarfs gewährleisten könnte. Allerdings: der beim Einkauf wichtige Aspekt des sozialen Kontakts bleibt bei dieser Lösung unberücksichtigt und müsste auf andere Weise aus-

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geglichen werden (z. B. über Angebote der Kommunen, Kirchen, Wohlfahrtsverbände, aber auch durch Angebote des Einzelhandels, der sich über ein soziales Engagement im Wettbewerb profilieren kann).

• Ein hauseigener Shuttleservice oder das Angebot regelmäßiger Einkaufsfahrten aus versorgungs- und verkehrstechnisch unterver-sorgten Wohngebieten zu größeren Einkaufszentren könnte die selbstständige Lebensführung im Alter erleichtern und den Anbietern zugleich einen verlässlichen Kundenstamm sichern.

Gestaltung der Einkaufsstätte und Kundenorientierung Beim Thema Einkauf von Gütern des täglichen Bedarfs, von Kleidung, von Haushaltsgütern, gelten andere Länder als positive Vorreiter in ei-ner Entwicklung, die den Kunden in den Mittelpunkt aller Bemühungen stellt. Gerade Ältere fühlen sich durch diese Angebote angesprochen und unterstützt: • Eine direkte Zufahrtmöglichkeit mit dem Auto bis zur Einkaufsstätte,

das (kostenfreie) Einpacken und zum Fahrzeug Bringen der einge-kauften Ware, Ruhezonen mit Sitzgelegenheiten in den Geschäften, eine für den Kunden bequeme Platzierung von Ware im Regal (kein Bücken, kein Herausheben schwerer Ware aus der Höhe), oder Verkaufsberater, die aufgrund ihres eigenen Alters in der Lage sind, die entsprechenden Kunden adäquat zu bedienen, zu begleiten und zu unterstützen, erleichtern das Einkaufen auch bei eingeschränkter Mobilität.

• Für die nahe Zukunft stellt sich die Frage, wie sich die derzeitige Angebotsstruktur im Einzelhandel verändern wird, wenn Personen, die bereits mit e-Commerce vertraut sind, aufgrund von Einschrän-kungen ihrer Mobilität als Zielgruppe für den klassischen Einzelhandel wegfallen.

Angebote an technischen Geräten zur Unterstützung im Alltag Technische Geräte, die Mobilität und selbstständige Lebensführung im Alter ermöglichen, sollten auch zur Miete / im Leasing angeboten werden. Dann wäre die (finanzielle) Barriere niedriger und mehr ältere Menschen könnten über eine zunächst zeitlich begrenzte Nutzungsdauer Zugang zu sinnvoller Technik erhalten. • Ähnlich wie Mietmöglichkeiten für Fahrräder und Car-Sharing soll-

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ten an zentralen Orten (an Busknotenpunkten und Endhaltestellen, Park-and-Ride-Plätzen, wichtigen Einrichtungen und Plätzen, grö-ßeren Grünanlagen sowie in abgelegenen Wohngebieten) Stationen eingerichtet werden, an denen Elektromobile zeitlich befristet gegen eine geringe Gebühr ausgeliehen und wieder abgegeben werden können.

VerkehrsmittelGestaltung und Ausstattung von Fahrzeugen (Auto)Das Auto gilt als Synonym für Mobilität: spontan, ohne Absprache, jederzeit überall hin zu gelangen, hat aufgrund des Freiheitsaspekts einen hohen Stellenwert. Das Auto ermöglicht diese Art der Mobilität ohne Einschränkung und ist deshalb objektiv wie subjektiv von großer Bedeutung. Die Fahrzeuge älterer Menschen sind jedoch häufig nicht auf dem technisch neuesten Stand. Oft scheuen Ältere die Investition in ein neues Fahrzeug, viele halten aber auch an Vertrautem fest. • Die Hersteller von Fahrzeugen sollten im eigenen Interesse den sich

im Alter verändernden Bedürfnissen und Fähigkeiten der Autofahrer und Beifahrer – insbesondere auch der wachsenden Zahl weiblicher Autofahrer – Rechnung tragen und dabei im Wesentlichen zwei As-pekte berücksichtigen: Sicherheit (Ausstattung der Fahrzeuge mit aktiven und passiven Sicherheitsfeatures wie ABS, ESP, PDC, Allrad etc.) und Komfort / Bequemlichkeit (Klimaanlage, Navigationssystem, Sitzkomfort, komfortabler Ein- und Ausstieg, übersichtliche Sitzposi-tion etc.).

• Insbesondere zwei Ziele gilt es zu verwirklichen: zum einen sollen technische Hilfen altersbedingte Defizite (Hören, Sehen, Reaktion) ausgleichen, zum anderen soll ein entspanntes Fahrerlebnis ermög-licht werden, das ‘Störfaktoren’ möglichst ausschaltet, den Fahrer oder die Fahrerin nicht durch zu viele Informationen überfordert und eine Konzentration auf das Wesentliche, das stressfreie Fahren, erlaubt.

• Neue Miet- oder Leasingmodelle, zugeschnitten auf die Bedürfnisse älterer Verkehrsteilnehmer in Bezug auf Fahrzeugausstattung, Nut-zungshäufigkeit und -dauer ermöglichen einen einfacheren Umstieg vom eigenen, aber technisch veralteten Fahrzeug auf ein neues, mit innovativer Technik und modernen Hilfen ausgestattetes Modell (finanzielle Verpflichtung und Entscheidung sind überschaubarer und weniger endgültig im Vergleich zu einem Neukauf).

Fahrkompetenz und Image

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Ältere Autofahrer und -fahrerinnen verfügen gemeinhin über eine langjährige Fahrpraxis. Da viele von ihnen auch im hohen Alter nicht auf die Vorteile eines Privatautos verzichten wollen oder sogar darauf angewiesen sind, muss alles dafür getan werden, ihre Kompetenzen möglichst lange zu erhalten.• Fahrtrainings, wie sie bereits verschiedentlich angeboten werden,

sollten noch deutlich erweitert und für spezifische Gruppen (z.B. nach längerer Krankheit oder für verwitwete Frauen, die längere Zeit nicht mehr selbst gefahren sind) und spezifische Anforderungen (z. B. Fahren bei Schnee und Eis, bei Dunkelheit, zum Kennenlernen der neuesten Verkehrsregeln usw.) angeboten werden.

• Auch die Fahrzeugwerbung sollte die sich verändernde demografi-sche Situation und die Bedürfnisse und Fähigkeiten der wachsen-den Zahl alter Menschen (und Käufer) im Blick haben und statt auf Geschwindigkeit und uneingeschränkte Freiheit auf Kompetenz, Erfahrung und gegenseitige Rücksichtnahme setzen.

DienstleistungenRückläufige Mobilität wird heute häufig im Kontext der Familie kom-pensiert: Partner oder Partnerin, Kinder oder Enkelkinder übernehmen Aufgaben oder ermöglichen über Fahrdienste die Erreichbarkeit der gewünschten Ziele. Die in Zukunft große Zahl allein lebender Älterer wird über diese Kompensationsmöglichkeit nicht mehr verfügen. Daher wird das Angebot an Dienstleistungen für Ältere zunehmend an Bedeu-tung gewinnen.

Mobilität im Alltag/in der Freizeit• Fahr- und Begleitservice beim Einkauf des täglichen Bedarfs, bei

größeren Anschaffungen oder in der Freizeit bei Autofahrten über größere Distanzen ermöglichen einen weiterhin uneingeschränkten Bewegungsradius.

• Ein Taxi könnte häufig eine einfache und finanziell sogar günsti-ge Lösung für individuelle Mobilitätsprobleme beispielsweise bei eingeschränkter Gehfähigkeit darstellen. Für viele alte Menschen ist jedoch die Schwelle, ein Taxi z.B. lediglich für die Fahrt zum nächsten Geldautomaten oder Friseur zu nutzen, sehr hoch. Taxi-betriebe könnten hier durch das Angebot von Kurzstreckentarifen, günstigen Mehrfahrten-Fahrscheinen und ähnlichen Alternativen eine gesellschaftlich wichtige Aufgabe übernehmen und zugleich ihren

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Kundenkreis deutlich erweitern.• Physiotherapeuten und Ärzte können ebenso wie Apotheken oder

Anbieter von Fitness- und Wellnessprogrammen mit der Fokussie-rung ihrer Angebote auf die Erhaltung der Mobilität im Alter einen wichtigen Beitrag leisten. Eine fundierte Prophylaxe kann ältere Men-schen bei der Aufgabe, ihre Mobilität und damit ihre Selbstständigkeit aufrechtzuerhalten, sinnvoll unterstützen und damit zur Einsparung öffentlicher Mittel beitragen.

• Haushaltshilfen und Pflegedienste mit flexiblen Einsatzzeiten und flexiblen Aufgaben sind eine weitere Möglichkeit, Einschränkungen in der Mobilität auszugleichen.

Mobilität im Urlaub Reisen bleibt bis ins hohe Alter attraktiv. Ist die Mobilität eingeschränkt, werden zeitlich kürzere Reisen unternommen oder weniger weit entfernte Ziele gewählt als in jüngeren Jahren. Ist Reisen nicht mehr möglich, wird dies durchaus als Einschränkung der Lebensqualität erlebt – auch wenn der Rückzug in das vertraute Umfeld per se (zunächst) nicht negativ besetzt ist.• Das Angebot von Serviceleistungen wie Gepäckservice von Tür zu

Tür, Zubringer-Dienste zum Bahnhof oder Flughafen, Überführung des eigenen Autos an den Urlaubsort machen Urlaubsreisen für ältere Menschen einfacher und angenehmer, sind bisher allerdings mit Ko-sten verbunden, die für viele Ältere eine hohe Barriere bedeuten.

• Eine Erweiterung bereits bestehender Spezial-Reiseangebote wäre wünschenswert, wobei Alleinreisende nicht durch überhöhte Preise und Einzelzimmerzuschläge diskriminiert oder zur Teilung eines Zimmers mit Fremden genötigt werden dürften.

• Gesundheit hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Reisetätigkeiten älterer und hochbetagter Menschen. Deshalb würde das Angebot von Begleitpersonen mit pflegerischer und/oder medizinischer Aus-bildung oder die garantierte Erreichbarkeit solcher Personen am Urlaubsort (z. B. als Bestandteil der Hotelleistungen) Reisen auch für Personen ermöglichen, die alleine nicht mehr verreisen können oder möchten.

AusblickDie Ergebnisse der Mobilitätsstudie haben gezeigt, und die in diesem

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Abschnitt ausgesprochenen Empfehlungen machen es noch einmal überdeutlich, dass Mobilität nicht allein die physische Fortbewegung zu bestimmten Zielen bedeutet, sondern dass damit zugleich Selbst-ständigkeit und Selbstbestimmung, soziale Teilhabe und Lebensqualität verbunden sind. Der Erhaltung und Unterstützung von Mobilität im Alter kommt damit eine zentrale individuelle und gesellschaftliche Bedeutung zu.Die Erhaltung von Mobilität gelingt dann, wenn zum einen jeder und jede Einzelne sich auf ein aktives Alter vorbereitet – mit gesunder Ernährung, ausreichend Bewegung, dem sich Bewusstmachen von Möglichkeiten, die die Mobilität lange erhalten, und mit der rechtzeitigen Vorbereitung von Lösungsmöglichkeiten, die Defizite ausgleichen können. Dies ge-lingt Personen besser, die über eine gute Ausbildung verfügen, größere finanzielle Ressourcen haben, gesünder sind, selbst Auto fahren und insgesamt an Technik interessiert sind. Aber mit Unterstützung und Hilfe von außen können alle – auch diejenigen, die in einer weniger privilegierten Position alt werden – ihre Mobilität und selbstständige Lebensführung erhalten.Dazu müssen allerdings Sozialpolitik, Stadt- und Verkehrsplanung, Tech-nikentwicklung und die Anbieter von Dienstleistungen die Problematik älterer Menschen in Bezug auf Mobilität erkennen und in ihre Planung einbeziehen. Außerdem reichen Maßnahmen in einem Bereich allein nicht aus. Vielmehr sind Bemühungen auf den verschiedensten Ebenen sowie eine enge Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure dringend erforderlich. Der Schlusssatz der Veröffentlichung ‘Enhancing Mobility in Later Life’ (Mollenkopf et al., 200�) fasst dies zusammen: ‘(…) the whole interrelated socio-technical system has to be shaped in a way that will allow the elderly to continue leading independent lives, maintain social contacts, and take advantage of recreational activities – in short, to deal with daily demands and remain full members of society.’

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Anhang

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Tabelle 9: Zufriedenheit mit Mobilitätsmöglichkeiten

Zufriedenheit mit Messzeit- Messzeit- Messzeit-

Mobilitätsmöglichkeiten punkt 1 punkt 2 punkt 3

(0-10) (M; SD) (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe (N=82) 8,4 (1,9) 8,3 (1,9) 7,8 (2,1)

nach Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 8,3 (2,0) 8,4 (2,0) 8,2 (1,8)

75+ (N=41) 8,� (1,8) 8,1 (1,9) 7,4 (2,3)

nach Stadt

Mannheim (N=47) 8,8 (1,9) 8,9 (1,4) 8,2 (1,9)

Chemnitz (N=3�) 7,9 (1,8) 7,4 (2,3) 7,4 (2,3)

nach Geschlecht

Frauen (N=39) 7,9 (2,1) 7,8 (2,4) 7,6 (2,5)

Männer (N=43) 8,8 (1,6) 8,7 (1,4) 8,0 (1,8)

Erlebte Mobilitäts-

einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=28) 8,6 (1,6) 7,8 (2,3) �,8 (2,4)

Einschränkung nein (N=�4) 8,3 (2,1) 8,� (1,7) 8,7 (1,2)

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Variablen Mobilität zum Gruppen- Mobilität zum 3. Befragungszeitpunkt unterschiede zum 2. 3. Befragungszeitpunkt unverändert Befragungszeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen verändert

(N=�4) (χ2-Test/ T-Testxx) (N=24)

Soziodemografische Variablen

Geschlecht (T1x) �3,7% Männer χ2=0,09 ns �0% Männer 46,3% Frauen �0% Frauen

Schulabschluss (T1) 0% ohne Abschluss χ2=2,� ns 0% ohne Abschluss �3,7% 8./ 9. Klasse �4,2% 8./ 9. Klasse 24,0% Mittlere Reife 2�,0% Mittlere Reife �,6% FH-Reife 4,2% FH-Reife 16,7% Abitur 12,�% Abitur 0% anderer Abschluss 4,1% anderer Abschluss

Haushaltsgröße (T2x) 77,8% MPH χ2=0,07 ns 7�,0% MPH 22,2% EPH 2�,0% EPH

Stadt (Mannheim/ 63,0%: Mannheim χ2=4,4* 37,�% Mannheim Chemnitz) (T2) 37,0% Chemnitz 62,�% Chemnitz

Durchschnittliches Alter (T3x) 73,6 Jahre t=3,0** 78,� Jahre Gesundheitsvariablen

Bewegungsfähigkeit (T2) 18,�% ausgezeichnet χ2=14,7** 0% ausgezeichnet �7,4% gut 37,�% gut 20,4% es geht 4�,8% es geht 3,7% schlecht 8,3% schlecht 0% sehr schlecht 8,3% sehr schlecht

Zu Fuß gehen (T2) 68,�% gleich χ2=12,4* 41,7% gleich (im Vergleich zu T1) 20,4% weniger �8,3% weniger 11,2% mehr 0% mehr

Leiden an chronischen 40,7% Ja χ2=6,�* 70,8% ja Beschwerden oder �9,3% Nein 29,2% nein Krankheiten (T2) ADL-Index T1: M=18,5; SD=2,7 t=-2,1* T1: M=16,1; SD=4,� (je höher, desto mehr ADL) T2: M=17,1; SD=4,0 T2: M=14,8; SD=�,1 (T1,2) Veränderung 9,3% besser χ2=�,1(*) 4,2% besser Gesundheit (T2) 3�,2% schlechter 62,�% schlechter (im Vergleich zu T1) ��,�% gleich 33,3% gleich

Tabelle 10: Gruppenunterschiede zum zweiten Befragungspunkt (T2) zwischen Personen mit unveränderter bzw. aus gesundheitlichen Gründen veränderter Mobilität zum dritten Befragungszeitpunkt (T3)

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Variablen Mobilität zum Gruppen- Mobilität zum 3. Befragungszeitpunkt unterschiede zum 2. 3. Befragungszeitpunkt unverändert Befragungszeitpunkt aus gesundheitlichen Gründen verändert

(N=�4) (χ2-Test/ T-Testxx) (N=24)

Zufriedenheit mit der T1: M=7,4; SD=2,2 t=-3,6*** T1: M=6,9; SD=2,2 Gesundheit (T1,2,3) T2: M=7,5; SD=1,9 T2: M=5,6; SD=2,7 T3: M=7,4; SD=2,2 T3: M=5,2; SD=2,�

Psychologische Variablen

PANAS, negativer Affekt T2: M=2,0; SD=0, 5t=-0,7 ns T2: M=1,9; SD=0,� (T2) PANAS, positiverAffekt T2: M=3,6; SD=0,6 t=-0,7 ns T2: M=3,5; SD: 0,6 (T2) Lebenszufriedenheit T1: M=7,9; SD=1,5 t=-2,7** T1: M=8,5; SD=1,7 (T1,2,3) T2: M=8,5; SD=1,2 T2: M=7,6; SD=1,7 T3: M=8,5; SD=1,5 T3: M=7,1; SD=1,9

Mobilitätsvariablen

Veränderung Mobilität �,6% besser χ2=17,8*** 0% besser (T2) 12,9% schlechter �8,3% schlechter (im Vergleich zu T1) 81,�% gleich 41,7% gleich

Zufriedenheit mit T1: M=8,3; SD=2,1 t=-2,0* T1: M=8,5; SD=1,7 Mobilitätsmöglichkeiten T2: M=8,5; SD=1,7 T2: M=7,6; SD=2,3 (T1,2,3) T3: M=8,7; SD=1,2 T3: M=5,6; SD=2,4

Aktivitäts-Index T1: M=7,1; SD=2,9 t=-2,8** T1: M=5,5; SD=2,4 (je höher, desto mehr T2: M=6,5; SD=2,7 T2: M=4,7; SD=2,9 Aktivitäten) (T1,2) Transportation-Index T1: M=5,0; SD=1,6 t=-1,6 ns T1: M=4,9; SD=2,1 (je höher, desto mehr T2: M=5,5; SD=1,9 T2: M=4,8; SD=1,8 Transportmittel) (T1,2)

x T1, T2 und T3 stehen als Abkürzung für erster, zweiter und dritter Befragungszeitpunkt.

xx Die Signifikanzniveaus sind auf die üblichen Grenzen festgelegt p < .05*, p < .01**, p < .001*** hoch- signifikant). Um auch Aussagen über Werte treffen zu können, die die Signifikanzgrenze knapp unterschreiten, aber Tendenzen in dieser Hinsicht deutlich machen, wird auch das Signifikanzniveau p < .10(*) verwendet.

Tabelle 10: Fortsetzung

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Tabelle 11: Außerhäusliche Wege am Vortag des Interviews

Außerhäusliche Wege am Vortag des Messzeitpunkt 3 (2005)Interviews (N; %)

Gesamtgruppe (N=82)* ... ja 64 (83,1)

... nein 13 (16,9)

Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 - 74 75+... ja 36 (92,3) 28 (73,7)

... nein 3 (7,7) 10 (26,3)

Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz ... ja 39 (84,8) 2� (80,7)

... nein 7 (1�,2) 6 (19,3)

Haushaltsform (N=26; N=56) Einpersonen-HH Mehrpersonen-HH... ja 24 (92,3) 40 (78,4)

... nein 2 (7,7) 11 (21,6)

Erlebte Mobilitätseinschränkung 2005 Mit Mobilitäts- Ohne Mobilitäts-(N=28; N=54) einschränkung einschränkung... ja 17 (73,9) 47 (87,0)

... nein 6 (26,1) 7 (13,0)

* Von N=� Personen liegen keine Angaben vor.

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Tabelle 12: Selbstständiges Ausführen alltäglicher Wege

Befragte Person kann ... Messzeitpunkt 3 (2005)(N; %)

Gesamtgruppe (N=82)

... alle Wege selbst ausführen 69 (84,1)

... bestimmte, aber nicht mehr alle Wege selbst 8 (9,8) ausführen

... keinen Weg mehr selbst ausführen � (6,1)

nach Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 – 74 75+

... alle Wege selbst ausführen 3� (85,4) 34 (82,9)

... bestimmte, aber nicht mehr alle Wege selbst ausführen 4 (9,8) 4 (9,8)

... keinen Weg mehr selbst ausführen 2 (4,8) 3 (7,3)

nach Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

... alle Wege selbst ausführen 42 (89,4) 27 (77,2)

... bestimmte, aber nicht mehr alle Wege selbst ausführen 4 (8,5) 4 (11,4)

... keinen Weg mehr selbst ausführen 1 (2,1) 4 (11,4)

nach erlebter Mobilitätseinschränkung 2005 Mit Mobilitäts- Ohne Mobilitäts-(N=28; N=54) einschränkung einschränkung

... alle Wege selbst ausführen 17 (60,7) �2 (96,3)

... bestimmte, aber nicht mehr alle Wege selbst ausführen 6 (21,4) 2 (3,7)

... keinen Weg mehr selbst ausführen � (17,9) 0 (0,0)

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Tabelle 13: Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, Freizeitaktivitäten

Zufriedenheit mit den Möglichkeiten, Messzeit- Messzeit- Messzeit-Freizeitaktivitäten auszuüben punkt 1 (1995) punkt 2 (2000) punkt 3 (2005)(0-10) (M; SD) Gesamtgruppe (N=82) 8,1 (2,0) 7,9 (2,4) 7,� (2,3)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 8,0 (2,0) 7,7 (2,7) 7,8 (2,1)

75+ (N=41) 8,2 (2,1) 8,0 (2,1) 7,1 (2,5)

Stadt

Mannheim (N=47) 8,� (1,9) 8,4 (2,2) 7,9 (2,1)

Chemnitz (N=3�) 7,� (2,1) 7,1 (2,5) 6,7 (2,6)

Geschlecht

Frauen (N=39) 8,1 (2,0) 7,6 (2,7) 7,6 (2,3)

Männer (N=43) 8,1 (2,0) 8,1 (2,1) 7,4 (2,4)

Erlebte Mobilitäts-einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=28) 8,1 (2,1) 7,4 (2,7) 6,3 (2,5)

Einschränkung nein (N=�4) 8,1 (2,0) 8,1 (2,2) 8,0 (2,1)

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Tabelle 14: Zufriedenheit mit Reisemöglichkeiten

Zufriedenheit mit Messzeit- Messzeit- Messzeit-Reisemöglichkeiten punkt 1 punkt 2 punkt 3 (0-10) (M; SD) (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe (N=82) 8,� (2,0) 7,9 (2,7) 7,0 (2,8)

Altersgruppen (Jahre) 65 – 74 (N=41) 8,1 (2,3) 8,2 (2,4) 7,1 (2,6) 75+ (N=41) 8,8 (1,6) 7,� (3,0) 6,8 (3,1)

Stadt Mannheim (N=47) 8,8 (1,8) 7,8 (2,5) 7,4 (2,6) Chemnitz (N=3�) 8,0 (2,3) 7,9 (3,0) 6,1 (3,1)

Geschlecht Frauen (N=39) 8,3 (2,2) 7,6 (3,1) 6,9 (3,0) Männer (N=43) 8,7 (2,0) 8,1 (2,3) 7,0 (2,7)

Erlebte Mobilitäts-einschränkung 2005 Einschränkung ja (N=28) 8,� (2,6) 7,3 (3,1) 6,7 (2,5) Einschränkung nein (N=�4) 8,� (1,7) 8,1 (2,5) 7,0 (2,9)

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Tabelle 1�: Veränderungen im Freizeitverhalten

Veränderungen im Freizeitverhalten Messzeitpunkt 3 (2005)(N; %)

Gesamtgruppe (N=82)*

...ja 32 (41,6)

Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 – 74 75+

...ja 13 (33,3) 19 (50,0)

Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

...ja 18 (39,1) 14 (45,2)

Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer

...ja 17 (50,0) 1� (34,9)

Mobilitätseinschränkungen (N=28; N=54) Ja Nein

...ja 14 (60,9) 18 (33,3)

* Von N=� Personen liegen keine Angaben vor.

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Tabelle 16: Veränderungen von Reiseaktivitäten

Veränderungen von Reiseaktivitäten Messzeitpunkt 3 (2005)(N; %)

Gesamtgruppe (N=82)*

...ja 40 (52,6)

Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 – 74 75+

...ja 17 (43,6) 23 (62,2)

Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

...ja 20 (44,4) 20 (64,5)

Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer

...ja 17 (51,5) 23 (53,5)

Mobilitätseinschränkungen (N=28; N=54) Ja Nein

...ja 14 (60,9) 26 (49,1)

* Von N=6 Personen liegen keine Angaben vor.

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Tabelle 17: Keine Reisen

Keine Reisen (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005)

Gesamtgruppe (N=82)

...ja 20 (24,4)

Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 – 74 75+

...ja 6 (14,6) 14 (34,0)

Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

...ja 10 (21,3) 10 (28,6)

Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer

...ja 11 (28,2) 9 (20,9)

Mobilitätseinschränkungen (N=28; N=54) Ja Nein

...ja 1� (53,6) � (9,3)

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Tabelle 18: Auto im Haushalt

Auto im Haushalt Messzeitpunkt 1 Messzeitpunkt 2 Messzeitpunkt 3(N; %) (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe (N=82)

... ja 67 (81,7) 64 (78,1) 61 (74,4)

nach Altersgruppen 65 - 74 75+ 65 - 74 75+ 65 - 74 75+(Jahre)

(N=41; N=41)

... ja 36 (87,8) 31 (75,6) 34 (82,9) 30 (73,2) 3� (85,4) 26 (63,4)

nach Stadt

(N=47; N=35) Mannheim Chemnitz Mannheim Chemnitz Mannheim Chemnitz

... ja 42 (89,4) 2� (71,4) 41 (87,2) 23 (65,7) 38 (80,9) 23 (65,7)

nach Geschlecht Frauen Männer Frauen Männer Frauen Männer(N=39; N=43)

... ja 31 (79,5) 36 (83,7) 28 (71,8) 36 (83,7) 26 (66,7) 3� (81,4)

nach EPH MPH EPH MPH EPH MPHHaushaltsgröße (N=13) (N=69) (N=19) (N=63) (N=26) (N=�6)

... ja 11 (84,6) �6 (81,2) 14 (73,7) �0 (79,4) 11 (42,3) �0 (89,3)

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Tabelle 19: Nutzung des Autos (Fahrer, Mitfahrer)

Tabelle 20: Nutzung des Autos (Häufigkeit)

Tabelle 21: Veränderung der Autonutzung

Nutzung des Autos (Fahrer, Mitfahrer) (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) (N=61)

... ausschließlich Selbstfahrer 29 (47,5)

... Selbst- und Mitfahrer 21 (34,5)

... ausschließlich Mitfahrer 11 (18,0)

Nutzung des Autos (Häufigkeit) (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) (N=�0)

... täglich oder fast täglich 32 (64,0)

... ein- bis zweimal pro Woche 12 (24,0)

... seltener 6 (12,0)

Veränderung der Autonutzung Messzeitpunkt 3 im Vergleich zum Jahr 2000 (N; %) (2005) (N=�0)

... Autonutzung weniger als vor fünf Jahren 29 (58,0)

... Autonutzung keine Veränderung 18 (36,0)

... Autonutzung mehr als vor fünf Jahren 3 (6,0)

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Tabelle 22: Gründe für das Nicht-Mehr-Autofahren

Tabelle 23: Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer: Bedarf

Tabelle 24: Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer

Gründe für das Nicht-Mehr-Autofahren (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) (N=11) ... Gesundheit 6 (54,6)... Mitfahrgelegenheit vorhanden 7 (63,6)... andere Gründe, z.B. – kein Bedarf mehr, Vernunftgründe – Heimweg nicht mehr gefunden – Frau wollte es nicht mehr – keine Lust – seit der Wende mit neuer Technik nicht vertraut gemacht � (45,5)... kann ohne Auto alles erledigen 2 (18,2)... Unfall 1 (9,1)... Handhabung Auto fällt schwer 0 (0,0)

Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer: Messzeitpunkt 3 (2005)Bedarf (N; %) (N=32)*

... jederzeit, wenn ich das möchte 17 (54,8))

... wenn ich es brauche 9 (29,0)

... nur in dringenden Fällen � (16,2)* Von N=1 Person liegt keine Angabe vor.

Mitfahrgelegenheiten für Nichtfahrer (N; %) Messzeitpunkt 3 (2005) (N=32)

... Ich habe niemanden 1 (3,1))

... Ehepartner 10 (31,3)

... Kinder 20 (62,5)

... andere Verwandte 4 (12,5)

... Freunde, Bekannte, Nachbarn 8 (25,0)

... Sozialdienst 1 (3,1)

... Taxi � (15,6)

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Tabelle 2�: Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel

Messzeit- Messzeit- Messzeit- punkt 1 punkt 2 punkt 3 (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe ÖPNV-Nutzer �3 (64,6) �3 (64,6) �3 (64,6)(ÖPNV-Nutzung zu allen drei Messzeitpunkten) (N=�3) (N; %)

Gesamtgruppe ÖPNV-Nutzer 68 (82,9) 68 (82,9) 60 (73,2)(ÖPNV-Nutzung zum jeweiligen Messzeitpunkt) (N=82)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 34 (82,9) 34 (82,9) 32 (78,1)

75+ (N=41) 34 (82,9) 34 (82,9) 28 (68,3)

Stadt

Mannheim (N=47) 38 (80,9) 42 (89,4) 38 (80,9)

Chemnitz (N=3�) 30 (85,7) 26 (74,3) 22 (62,9)

Geschlecht

Frauen (N=39) 3� (89,7) 32 (82,1) 31 (79,5)

Männer (N=43) 33 (76,7) 36 (83,7) 29 (67,4)

Mobilitätseinschränkung 2005

Einschränkung ja (N=28) 22 (78,6) 21 (75,0) 16 (57,1)

Einschränkung nein (N=�4) 46 (85,2) 47 (87,0) 44 (81,5)

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Tabelle 26: Zufriedenheit mit öffentlichen Verkehrsmitteln (Gruppe des ÖPV-Nutzer)

Zufriedenheit mit öffentlichen Messzeit- Messzeit- Messzeit-Verkehrsmitteln (ÖPNV- punkt 1 punkt 2 punkt 3Nutzung zu allen drei (1995) (2000) (2005)Messzeitpunkten)(0-10) (M; SD)

Gesamtgruppe (N=�3) 7,2 (2,8) 8,1 (1,7) 8,2 (1,7)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=28) 7,2 (3,0) 8,3 (1,9) 8,1 (1,7)

75+ (N=2�) 7,3 (2,5) 7,8 (1,4) 8,3 (1,7)

Stadt

Mannheim (N=33) 7,0 (3,0) 8,3 (1,6) 8,� (1,6)

Chemnitz (N=20) 7,7 (2,4) 7,7 (1,7) 7,7 (1,7)

Geschlecht

Frauen (N=27) 6,8 (2,8) 7,8 (2,0) 8,0 (1,9)

Männer (N=26) 7,7 (2,7) 8,3 (1,3) 8,4 (1,4)

Erlebte Mobilitäts-einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=14) 7,9 (1,9) 7,9 (1,6) 7,2 (2,3)

Einschränkung nein (N=39) 7,0 (3,0) 8,1 (1,7) 8,� (1,3)

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Tabelle 27: Zufriedenheit mit der Wohngegend

Zufriedenheit mit der Messzeit Messzeit- Messzeit-Wohngegend (0-10) (M; SD) -punkt 1 punkt 2 punkt 3 (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe (N=79)* 8,1 (2,3) 8,3 (1,9) 8,6 (2,2)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 8,0 (2,1) 8,7 (1,8) 8,� (2,3)

75+ (N=38) 8,3 (2,4) 7,9 (1,9) 8,7 (2,1)

Stadt

Mannheim (N=4�) 8,1 (2,5) 8,3 (2,1) 8,4 (2,6)

Chemnitz (N=34) 8,2 (1,9) 8,3 (1,6) 8,8 (1,6)

Geschlecht

Frauen (N=38) 8,3 (2,1) 8,6 (1,7) 8,� (2,5)

Männer (N=41) 8,0 (2,4) 8,1 (2,0) 8,7 (1,9)

Erlebte Mobilitäts-einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=27) 8,8 (2,1) 7,9 (2,2) 8,7 (1,6)

Einschränkung nein (N=�2) 7,8 (2,3) 8,6 (1,7) 8,� (2,4)

* Personen, die noch in derselben Wohnung und demselben Stadtteil leben wie vor fünf und vor zehn Jahren. Drei Personen sind zwischen 2000 und 200� umgezogen, N=2 in Mannheim, N=1 in Chemnitz.

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Tabelle 28: Zufriedenheit mit Angeboten und Einrichtungen in der

Zufriedenheit mit Angeboten Messzeit- Messzeit- Messzeit-und Einrichtungen in der punkt 1 punkt 2 punkt 3 Wohngegend (0-10) (M; SD) (1995) (2000) (2005)

Gesamtgruppe (N=79)* 7,4 (2,5) 7,6 (2,5) 7,4 (2,3)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 7,4 (2,5) 7,4 (2,8) 7,2 (2,3)

75+ (N=38) 7,4 (2,5) 7,9 (2,2) 7,7 (2,2)

Stadt

Mannheim (N=4�) 7,6 (2,8) 8,2 (2,3) 7,� (2,5)

Chemnitz (N=34) 7,2 (2,1) 6,9 (2,7) 7,4 (2,1)

Geschlecht

Frauen (N=38) 7,1 (2,7) 7,� (2,7) 7,2 (2,4)

Männer (N=41) 7,7 (2,3) 7,8 (2,4) 7,6 (2,2)

Erlebte Mobilitäts-einschränkung 2005

Einschränkung ja (N=27) 7,� (2,2) 7,3 (2,6) 7,3 (2,0)

Einschränkung nein (N=�2) 7,4 (2,7) 7,8 (2,5) 7,� (2,5)

* Personen, die noch in derselben Wohnung und demselben Stadtteil leben wie vor fünf und vor zehn Jahren. Drei Personen sind zwischen 2000 und 200� umgezogen, N=2 in Mannheim, N=1 in Chemnitz.

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Tabelle 29: Erlebte Veränderungen im Zugang und in der Verfügbarkeit von Einrichtungen

Erlebte Veränderungen im Zugang und in der Messzeitpunkt 3 (2005) Verfügbarkeit von Einrichtungen (N; %)

Gesamtgruppe (N=79)*/** 41 (52,6)

Altersgruppen (Jahre)

65 – 74 (N=41) 21 (51,2)

75+ (N=38) 20 (54,1)

Stadt

Mannheim (N=4�) 29 (65,9)

Chemnitz (N=34) 12 (35,3)

Erlebte Mobilitätseinschränkung 2005

Einschränkung ja (N=27) 11 (42,3)

Einschränkung nein (N=�2) 30 (57,7)

* Personen, die noch in derselben Wohnung und demselben Stadtteil leben wie vor fünf und vor zehn Jahren. Drei Personen sind zwischen 2000 und 200� umgezogen, N=2 in Mannheim, N=1 in Chemnitz.

** Von N=1 Person liegt keine Angabe vor.

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Tabelle 30: Kenntnis über mobilitätsunterstützende Angebote

Kenntnis über mobilitätsunterstützende Messzeitpunkt 3 (2005)Angebote (N; %)

Gesamtgruppe (N=82)*

...ja 36 (45,0)

Altersgruppen (Jahre) (N=41; N=41) 65 – 74 75+

...ja 20 (48,8) 16 (41,0)

Stadt (N=47; N=35) Mannheim Chemnitz

...ja 22 (48,9) 14 (40,0)

Geschlecht (N=39; N=43) Frauen Männer

...ja 16 (42,1) 20 (47,6)

Mobilitätseinschränkungen (N=28; N=54) Ja Nein

...ja 13 (50,0) 23 (42,6)

* Von N=2 Personen liegen keine Angaben vor.

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