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Hermann Dorries

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    HERMANN DRRIES

    Wort und Stunde

    ERSTER BAND

    Gesammelte Studien zur Kirchengeschichte

    des vierten Jahrhunderts

    VANDENHOECK & RUPRECHT

    IN GTTINGEN

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    Kfd l(pto($2tt

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    . H-.i ll e

    Staatsbibliothek

    Mnchen

    Gedruckt mit Untersttzung der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers

    Vandenhoeck & Ruprecht, Gttingen 1966. Printed in Germany.

    Ohne ausdrckliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet,das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege

    zu vervielfltigen. Druck: Guide-Druck, Tbingen

    8402

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    DemGedchtnis meiner liebenFrau,

    deren Leben diese Bltter

    ebenso begleitetenwie dasmeine

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    Siehe, er geht an mir vorber, ehe ich'sgewahr werde, und wandelt vorbei, eheich's merke. Hiob 9,11

    Vorwort

    Das Wort, das eine Geschichtsstunde prgt, das Wort, das in Voll-

    macht einem einzelnen gesagt wird, das Wort, das seine Stunde hat

    und von ihr wahrgenommen sein will Wort und Stunde: ich wte

    es nicht krzer zu sagen, was die hier vereinigten Studien, Aufstze

    und Vortrge verbindet und woran mir in aller Geschichte vornehm-

    lich gelegen ist. Non autem scimus, qua hora dominus venturus sit.

    Mein Dank gilt denen, die es mglich machten, diese Bltter zu

    sammeln und neu in Druck zu geben: dem lieben Fachgenossen Carl

    Andresen, der im Hinblick auf meinen 70. Geburtstag den Gedanken

    fate und tatkrftig frderte, dem Landeskirchenamt in Hannover,

    das Beweis langer Verbundenheit dafr die Mittel gab, dem

    Hause Ruprecht, dem schon mein Vater nahestand und das die Aus-

    gabe betreute.

    Dankbar habe ich die Gelegenheit aufgenommen, die in diesenbeiden Bnden zusammengestellten Schriften, von denen einige weit

    zurckliegen, wieder durchzugehen und zu berdenken. Der Abstand

    lie die frheren Arbeiten mit den Augen des Lesers ansehen: nicht

    weniges sollte lesbarer werden, manche Gedanken waren sicherer zu

    fassen und klarer auszusprechen, Lcken zu ergnzen. Einige Stcke

    konnten mit verwandten zusammengestellt werden, damit sie sich

    gegenseitig erluterten. Dagegen konnte ich nicht unternehmen, ber-

    all die seither erschienene Literatur gebhrend heranzuziehen. So mages geschehen, da die nicht gleichartigen Schriftstcke noch einmal

    ausgehen, Zeugnisse des einst Gedachten und Erstrebten, Trger von

    Erinnerungen.

    Die Beschwerde der Nacharbeit wurde mir erleichtert durch die wil-

    lige und verstndnisvolle Mitwirkung von Kommilitonen: meines be-

    whrten Mitarbeiters Ernst Berneburg, der die Schriften gemeinsam

    mit mir durchsah und die mhevollen Redaktionsgeschfte bernahm,

    der zuverlssigen Helfer Peter B und Wolfgang Rohlfs, die mir inallem zur Hand gingen, sowie der unermdlichen Sekretrin Kthe

    Fder, die das Ihre tat, ein lesbares Manuskript herzustellen. Die

    schne und frderliche Zusammenarbeit dieser Monate steht mir in

    dankbarem Gedchtnis.

    Die Arbeiten dieses I. Bandes handeln vom 4. Jahrhundert, der

    Zeit der konstantinischen Wende, der Kirchenvter und des Dogmas;

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    VIII Vorwort

    damals bildeten sich die Formen aus, die bestimmend blieben fr einJahrtausend. Mein Augenmerk richtete sich besonders auf die fr unsan den Rand der Kirchengeschichte Geratenen: die Kaiser, in denendie Weltverantwortung des christlichen Glaubens, die Mnche, indenen seine Weltverleugnung, die Hretiker, in denen sich die christ-liche Ungenge darstellt. Sie alle gehren in die Geschichte der Kirche;findet doch das Evangelium seinen Weg ebenso in den Kaiserpalastwie in die Eremitenzelle und noch zu den Ausgeschlossenen.

    Gttingen, 8. Oktober 1965 Hermann Drries

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    Inhalt

    KONSTAN TINISCH E W E ND E UND GLAUBENSFREIHEIT 1-117

    Christlicher Freiheitsanspruch und rmische Intoleranz 2

    Bitte um Freigabe des christlichen Glaubens 2 Rmische Kultforde

    rung 6 Trajan-Plinius 7 Diokletian 10

    Drei Toleranzedikte 16

    Galeriusedikt 16 Mailnder Edikt" 18 Toleranzedikt von 324 25

    Vergleich der drei Dokumente 33 Geschichtlicher Ort der konstan

    tinischen Duldung 34

    Bewhrung der Duldung: Heeresgebet und Brief an Schapur II. als

    Proben 38, Regierungspraxis 41

    Krise der Duldung nach Konstantin 45

    Die christliche Intoleranz und die theodosianische Reichskirche . . . 46

    Die Forderung religiser Reichseinheit 46 Rmisches Erbe 52

    Wesensart der christlichen Intoleranz 53 August in als Wortfhrer

    der theodosianischen Reichskirche 56 Heidnischer Einspruch 63

    Die konstantinische Geschichtsstunde 64

    Konstantin und die moderne Toleranz 65

    Kritische Toleranz 65 Duldung der Intoleranten? 66 Toleranz mit

    Wahrheits- und Liebespflicht vereinbar? 69

    Toleranz als Anspruch an den Staat 72, an die Kirche 73, an den

    Einzelnen 73

    Intoleranz: Worts inn, ihr Anspruch, Intoleranz der Offenbarung" 73

    Der tolerante Staat, Freiheit der Glaubensforderung 76

    Konstant in und die Hretiker 80

    Die Donatisten 80

    Kirchliches und staatliches Urteil zur afrikanischen Kirchenspaltung 81 Kaiserliches Vorgehen 88 Religise Herrscherverantwortung 90

    indulgentia ignominiosissima 94

    Die Arianer und das Hretikergesetz 99

    Ausgleichsversuch 99 Niza 102 Hretikergesetz 103Lehrnorm

    und Vershnungspolitik 109

    Unterschiedliches Verhalten gegenber Heiden und Hretikern 112

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    X Inhalt

    BASILIUS UND DAS DOGMA VOM HEILIGEN GEIST 118-144

    Gregor von Nazianz: Offenbarungs- und Lehrgeschichte 118BasiliusDe Spiritu Sancto" 121 Kerygma und Dogma 127 Der III. Artikel

    ein Mnchsdogma? 130 Taufbefehl, Bekenntnis, Doxologie 132 Basilius und die Dogmengeschichte 140

    DIE VITA ANTONII ALS GESCHICHTSQUELLE 145224

    Die Antonius-Apophthegmen undihr Antoniusbild 147

    Das Antoniusbild der Vita 163

    Der Schriftbezug 164 Das Fehlen von Logion, Zellenideal und Beich

    te 166

    Kirchliche Einordnung 170

    Dmonenkampf 171

    Auseinandersetzung mit den Heiden 172, mit den Hretikern 174 Antoniusin der Sicht des Athanasius 175

    Die Grundgedanken der Vita unddie Theologie des Athanasius . . .177

    Antonius alsTypos desChristen 177 Verwandtschaft mitanderenAthanasius-Schriften 178 Christologie 181 Griechische Zge 185Gesetz der Umgestaltung 193

    Vergleich derbeiden Antoniusbilder 193Der genuine Antonius 193 Das neue Antoniusbild 195 Der bleibende Quellenwert der Vita Antonii 198

    Die Nachwirkung der Vita Antonii 200

    Exkurse 209

    Zur Erforschung der Vita Antoni i 209 Zur Apophthegmenfor-schung 213 Antonius in den nichtgriechischen Apophthegmen-Samm-lungen 215Die Antonius-Briefe 218De virginitate 222

    DIE BEICHTE IM ALTEN MNCHTUM 225-250

    Apophthegmen: Verstndnis der Snde 226 Rang der Beichte 228Kritik an den Buzeiten 231 Abweisung des Richtens 233Die Beichtrede Symeons: &XT){>eia und imo[j.ovT) 239 Gerichts-undGnadentor 239 Christusbezug 240 Drei Gefahren der Beichte 242Griechischer Text der Beichtrede 248

    DIE BIBEL IMLTESTEN M NC HT UM 251-276

    Umgang mit der Schrift: Eingrenzung, Auslegung, biblische Vorbilder,Umdeutung, eigene Fragen, Anwendung 253 Schriftwort alsLogion 262 Schriftautoritt und Logien-Vollmacht 265 Schriftverstndnis und Mnchserfahrung 269 Verzicht auf Schrifterklrung 271 Logion und Schrift lsen sich voneinander 273

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    Inhalt XI

    MNCHTUM UND ARBEIT 277301

    Arbeit als Problem 279 Einfhrung der Arbeit als Nothilfe und Notbehelf 282, als Pflicht 283, als Tugendleistung 284, als Mittel zum

    Almosengeben 286 Arbeit und Gebet 287 Euagrios Pontikos 288Cassian: asketische bung und Gehorsamspflicht 289 eoyov und

    jrapepyov 291Die Arbeitsarten, empfohlene undverwehrte : kein Ackerbau 293 Krbe undMatten 295 kein Bcherabschreiben 295 vielseitigeKlosterarbeit 298Wrdigung der Arbeit 300

    EINE ALTKIRCHLICHE WEIHNACHTSPREDIGT 302333

    Vorspruch 303 Heute" 304 Heilsgeschichte undinnerseelischesGeschehen 311 Hymnus 319 Prediger undGemeinde 325 Wrdigung 326bersetzung der Weihnachtspredigt 330

    URTEIL UND VERURTEILUNG. KIRCHE UND MESSALIANER: ZUMU M -

    GANG DER ALTEN KIRCHE MIT HRETIKERN 334351

    ltere Zeugnisse 335 Der Weg derSynoden: Side 335, Konstan

    tinopel 337, Ephesus 340 Andere Versuche: Kyrill, Antiochener,Apophthegmen, Gregor von Nyssa 344 Das Apostelkonzil als Ur-teilsnorm 348

    DlADOCHOS UNDSYMEON. D A SVERHLTNIS DER XE(p

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    BayciiscneStaatsbibliothek

    Mnchen

    L_

    Konstantinische Wendeund Glaubensfreiheit

    In eine ferne Vergangenheit mchte ich Sie bitten, mich in diesen

    Stunden zubegleiten.Wirwollen dabei nicht nur zeit-und selbstver

    gessen das Gewesene erkunden, so hohen Reizes hat, ein zurcklie

    gendes Zeitalter mit seinen Gestalten undbewegenden Krften wie

    dererstehen zu lassen. Man hat von der Geschichtswissenschaft als

    von derrckwrtsgewandten Prophetie sprechen knnen,in Aufnahmedes erhabenen Bildes,da der alttestamentliche Seherauf einFeld vol

    ler Totengebein gefhrt wird, das der Geist Gottes zu neuem Le

    ben erweckt1. Das atemlose Schauen,wie in sprliche RestedasLeben

    wieder einzustrmen und sich zu leibhafter Gegenwart aufzurichten

    scheint, ist langen mhsamen SuchensundForschens wert.

    Das gilt schonvomStudiumderErdgeschichte, das versteinerte Zeu

    gen langer Zeitrumeum Auskunft ber ihre Umwelt angeht,Art und

    Bedingungen vergangenen Lebens zu erkunden. In ganz anderemSinne aberist es so beimenschlicher Geschichte, deren Urkunden noch

    zu spten Geschlechtern sprechen knnen, darunter solche, denen die

    Gegenwart nichts Gleichwertiges an dieSeite zu setzen hat. Sie sind

    ein Stck unseres eigenen geistigen Erbes, das immer neu erworben

    sein will. Unvermerkt wird hierderHistoriker zueinem Abgesandten

    der eigenen Zeit, vergleichbar denPionieren,diedas Unerforschte auf

    suchen und dessen Schtze zugnglich machen.

    Die Stiftungsurkunde der Terry Lectures13

    spricht von dieser Aufgabe undbestimmt dengeistigenOrt desVortragenden.Es istgleich

    sam derAugenblick, in dem ein Forschungsreisender zurckkehrtund

    von demErgebnis seiner langen Wanderung berichtet.Diehinterihm

    liegende Mhsal istvergessen ber derFreude,von dem Gefundenen

    erzhlenzuknnenund anmitgebrachten Proben den Hrern verstnd

    lichzumachen,was es fr siebedeuten mchte. Whrend desReisens

    und Erkundens durfte ernicht so oft anHeimat undGegenwart den-

    Zuerst in den Terry Lectures" New Haven i960 unter demTitel Cons tant ine

    and Religious Liberty" selbstndig verffentlicht. Die Vorlesungsform ist nicht

    ganz aufgegeben, aber in derdeutschen Fassung so ausgeweitet, wie es derWunsch

    nach voller Deutlichkeit anriet; der Leser hat andere Rechte als der Hrer.1 Ez.37.

    l a Sie ist abgedruckt amSchlu der amerikanischen Ausgabe Constantine and

    Religious Liberty".

    1 8402 Drries, Wort I

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    2 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    ken,umdem Fremden,das erkennenlernen wollte, gerecht zu werden.

    Eines freilich bindet ihn an dieeigene Zeit,das istdie Weise des Blicks.

    Jede Generation bringt ihreArt desSehens mit, achtetauf bisher nicht

    Bemerktes und lt das frher Wichtiggehaltene beiseite. Solcherart

    gewinnt jede neue Generation einneues Verhltnis zurVorzeit.Nur

    das Feststellen derTatsachen nimmt seinen stetigen Gang; hier fut

    jeder Historiker auf denErgebnissen seiner Vorgnger.

    Wie aber derWandel des Geschichtsbildes fast unbewut vor sich

    geht,sodarf dieses weder die Ergebnisse vorwegnehmen, noch sollder

    Historiker vorschnell seine Fragen oder garseine Urteileder von ihm

    erforschten Vergangenheit aufdrngen. Zuletzt nimmt diese selbstuns

    andieHandundzeigtuns ihrEigenes. Wolltenwirdann nicht beden-

    ken,was es unswert sei,undalsodieWissenschaft demLeben dienenlassen, dann wre diedaran gewandte Arbeit eine unfruchtbare Ge-

    lehrsamkeit undverschwendete Mhe.Sodarf zwar nichtamAnfang,

    wohl aber muamEnde aller historischen Arbeit die Besinnung stehen,

    auf die es uns ankommt: auch aus der entlegensten Ferne kann eine

    Stimme unserreichenund ein Wort laut werden, das wir als zu uns

    gesagt hren.

    Konstantinische WendeundGlaubensfreiheit"das Thema meint

    nicht eine Station auf demWege zueinem Stck schwer erkmpften,dann gesichert scheinenden, heute wieder in aller Welt bedrohtenBe-

    sitzes.DieGeschichte der modernen Toleranz beginnt kaumvor dem

    16. Jahrhundert undgehrtmit ihrem wirksamsten Abschnitt garerstdem 18.und selbst noch dem 19.Jahrhundert an, das dieFrchtedes

    langen Ringens geno. Diekonstantinische Duldung istzunchst als

    eineinsich selbst gewichtige Stundedersptantiken Geschichtezu be-

    greifen. Als einsolches Geschehen willsie vonuns betrachtet werden.

    Vielleicht hat sie uns gerade so, ohne da wir versuchen, Entwick-lungslinien zuziehen, ihrWort zu sagen.

    Christlicher Freiheitsanspruch undrmische Intoleranz

    DerRuf nach Freigabederchristlichen Religionwar von denWort-

    fhrern der bedrngten Kirche immer wiedervor den rmischen Kai-

    sern erhoben worden,mitganz verschiedener Begrndung. Dieim be-

    sonderen Sinne als Apologeten" bezeichneten Anwltederchristlichen

    Sache,die sie im 2.Jahrhundertvor denKaisern vertraten, wiesenet-

    wa auf denGewinn hin, den das Reich von einer solchen Duldung

    haben knne. Aber wenn sie geltend machten, die Christen seienge-

    setzestreueundordnungsfrdernde Brger2, so lag derEinwand nahe,

    2 JUSTIN, Apologie I, 3; ed. G. KRGER, 4. Aufl. 1915, p. 2.

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    Christlicher Freiheitsanspruch: Tertullian 3

    da siedoch geradedasGesetz durchbrchenund diebrgerliche Ordnung stndig ihretwegen gestrt werde.Sieselbst boten sich dem Kaiser an als zuverlssige Verbndete in seinem Vorgehen gegen Neuerung und Aufruhr; doch eben dies war dasVerbrechen, das ihnenschuldgegeben wurde. Ihren Kampf gegen diealles verheerendenD-monien schlielich konnten die staatlichen Gewalten unmglich willkommen heien; denn die Dmonen, deren Herrschaft sie zubrechenversprachen, waren nichts anderesals dieGtter,dieseit alters verehrtwurden. Diese Grnde konnten deshalb keinen Eindruck machen.

    Weiter griff dieBeziehung zwischen ReichundKirche, wenn christliche Theologen so weit gingen, einen inneren Zusammenhang zwischen demAufkommen der christlichen Religion und dem Gedeihen

    Roms zubehaupten3. Aber sokhn und anspruchsvoll lauteten dieseStze, da sie nicht wohl erwarten konnten, bei heidnischen LesernGehr zu finden.

    Es diente auch schwerlich dazu, dieBedenken zu zerstreuen, wennman auf staatlicher Seite inne wurde, da derGlaube, der Freigabeverlangte, nicht nur die Tempel, sondern oft genug auch das Forumund das Lager meiden lie.Der geistliche Beistand,den einOrigenesdem kaiserlichen Heere zusicherte4, drfte kaum als Ersatz fr den

    zwar nicht von allen, aber von vielen versagten ttigen Anteil amKriegsdienst gewertet worden sein. Wenn man auch vorerst nur ge-ringe Anstalten traf, Christen zu Richtern zu machen, so war diechristliche Bereitwilligkeit, solch ein Amt anzunehmen, sicher nichtgrer als diestaatliche, es zu bertragen. Die Christen hielten sichselbst fern vom ffentlichen Leben,siewurden nichtnur ferngehalten.

    Und dochhatder gleiche christliche Schriftsteller, der am andringendsten sprach, der gedanken- und sarkasmenreiche Tertullian, den in

    seiner Schrfe und Allgemeinheit nachhaltigsten Ausdruck fr denchristlichen Freiheitsanspruch gefunden. Erwandte denVorwurf derIrreligiositt,derimmer wieder gegen die Christen erhoben wurde, zurck auf die Angreifer: Gerade darin,da sie die Religion ihrer Freiheit beraubten, bewiesen sie selbst ihre Religionslosigkeit. Dennwieschon kein Mensch unaufrichtigen Dienst liebt, soerst recht dieGottheit nicht5. Indem hier die Religion von aufrichtiger persnlicher berzeugung abhngig gemacht wird, ist ihre antike Bindungan denStaat

    3 MELITO v. Sardes, bei Euseb, h. e. IV, 26, 711; ed. E. SCHWARTZ, GCS 9,1

    1903, p.384386.4 ORIGENES, Contra Celsum VIII,73 ; ed. P. KOETSCHAU, GCS 3,1899,p . 290 sq.

    5 Videte enim, ne et hoc ad irreligiositatis elogium concurrat, adimere liber-tatem religionis et interdicere optionem divinitatis, ut non liceat mihi colerequem velim, sed cogar colere quem nolim. Nemo se ab invito coli volet, ne homoquidem" (TERTULLIAN, Apologeticum 24, 6; rec . H. HOPPE, CSEL 69, 1939, p. 69).

    1*

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    4 Konstantinische Wen de und Glau bensfre ihei t

    aufgegeben: Die Religion eines Menschen schadet oder ntzt keinem

    anderen6."

    Diese als allgemeingltig ausgesprochenen Stze werden unmittel

    bar auf die Gegenwartsfrage angewandt : Wenn ihr uns zum Opfer

    zwingt, so werdet ihr dadurch nichts fr eure Gtter gewinnen. Sie

    werden von Widerstrebenden kein Opfer begehren, wenn sie nicht

    streitschtig sind; ein Streitschtiger aber ist kein Got t. " Ein aufmerk

    samer Hrer mochte darin schon einen neuen Ton vernehmen. Am

    eindrcklichsten aber klang ihm ein solcher in dem seither oft wieder

    holten Worte entgegen: Es ist nicht Sache der Religion, zur Religion

    zu zwingen7." Fr uns ist nicht erkennbar, welchen Gehalt dies Wort bei

    Tertullian besa; aber es ist hchsten Gehaltes fhig: Glaube als freie

    Hingabe. Zu bedenken bleibt, von wem und in welcher Lage es gesagtist. Damals wurde es zu einem Ausdruck des Glaubens, der zum Kai

    ser-Opfer gezwungen werden sollte; es unternahm, den Verfolger zu

    berzeugen. Neu, wie es ist, setzt Tertullian doch einfach voraus, da

    dem Wort nicht widersprochen werden knne: diese Wahrheit be

    durfte keines Beweises!

    Ein anderer afrikanischer Theologe, Laktanz, nahm 100 Jahre sp

    ter den von Tertullian angeschlagenen Ton auf. Niemand kann ge

    zwungen werden zu verehren, was er nicht will." Es gibt nichts, wasso auf dem freien Willen steht wie die Religion8". Ist es das stoische

    Freiheitspathos, ist es christliche Glaubensfreiheit, was hier beredten

    Ausdruck findet?9 Die Religion allein ist es, in der die Freiheit ihre

    Burg hat10 ." Auch dieses Wort ist nicht ungehrt verhallt, sondern

    6 . . . humani iuris et natu ralis po testa tis est unicu ique, quod puta veri t, colere

    nee alii obest aut prodest alterius religio" (TERTULLIAN, Ad Scapulam 2, 2; Q. S.

    F. Tertulliani opera IV, ed. V. BULHART, CSEL 76,1957, p. 10).7

    . . .nee religionis est cogere religionem, quae sp ont e suseip i debeat , non vi,cum et hostiae ab animo libenti expostulentur. Ita etsi nos compuleritis ad

    sacrificandum, nihil praestabitis diis vestris; ab invitis enim sacrificia non de-

    siderabunt, nisi si contentiosi sunt; contentiosus autem deus non est" (ebd.).8 non est opus ui et iniuria, quia religio cogi non potest, uerbis potius quam

    uerber ibus res agenda est, ut sit uol unt as. des tri nga nt aciem ingeni oru m suo rum :

    si ratio eorum uera est, adser atur. para ti sum us aud ire , si docea nt : tacen tibus

    certe nihil credimus, sicut ne saeuientibus quidem cedimus" (LAKTANZ, Divinae

    institutiones V, 19, 11 in: L. C. F. Lactanti opera omnia I, rec. S. BRANDT, CSEL

    19, 1890, p. 463 sq.). nam si sangui ne, si to rmen ti s, si ma lo relig ionem defen -

    dere uelis, iam non defendetur illa, sed polluetur atque uiolabitur. nihil est enimtarn uoluntarium quam religio, in qua si animus sacrificantis auersus est, iam

    sublata, iam nulla est" (ebd. 19, 23; p. 465).9 Der stoische Freiheitsbegriff, der innere Unabhngigkeit und uere Bande

    kontrastiert, verlangt nicht nach uerer Freiheit, ja er setzt als Korrelat eine

    dauernde uere Unfreiheit voraus. Von da lge es nahe, die Frage im zweiten

    Sinne zu beantworten.10 sed quis audiet, cum homi nes furiosi et inpote nte s minu i domi nati onem

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    Ab le hn un g des christlichen Freiheitsanspruchs 5

    hat ganz verschiedener Deutung fhig auch knftig verdienteBeachtung gefunden. Es will in seinen Zusammenhang gestellt werden, als ein berzeugungsstarkes Wort aus schwerer Verfolgungszeit,Ausdruck bedrngten, aber hochgemuten Glaubens. Eine bedrckteMinderheit ringt darin nach Lebensluft. Doch, wie der Satz lautet, verlangt er nach allgemeiner Anerkennung: jeder kann sich darauf berufen. Fr uns scheint er in unbestreitbarer, freilich wie die Geschichte unserer Tage zeigt nicht unbestrittener Geltung zu stehen.Aber so natrlich er uns heute dnkt, so wenig war er es zu jener Zeit.Da Religion auf freier Entscheidung beruhe und jeder einzelne sie zuvollziehen habe, ist auf antikem Boden nicht selbstverstndlich. DasWort ist begreiflich nur, wo sich der Mensch nicht mehr lediglich von

    der politischen und religisen Ordnung bestimmt meint, in der er sichvorfindet. Es ist zugleich ein christliches, wie es ein Minderheitswortist.

    Mit politischen, geschichtlichen, philosophischen und religisenGrnden wurde das Toleranzverlangen von den Christen vorgetragen;keines ihrer Argumente verfing. Auch nicht etwa nur die bsen" Kaiser haben sich dem versagt, sondern gerade die tchtigen. Das Neinist unabhngig von der Gromut oder Feindseligkeit des einzelnen

    Herrschers.Wie erklrt sich dieses Verhalten, das so wenig zu dem stimmen

    will, was wir sonst von der Bereitwilligkeit der Rmer hren, fremdeReligionen gelten zu lassen? Jedes Volk hat seine Religion sagtCicero , wir haben die unsere11." Solche berzeugung erlaubte den

    suam putent, si sit aliquid in rebus humanis liberum? atquin religio sola est inqua libertas domicilium conlocauit. res est enim praeter ceteras uoluntaria neeinponi cuiquam necessitas potest, ut colat quod non uult. potest aliquis forsitan

    simulare, non potest uelle" (LAKTANZ, Epitome 49, 1.2; reo S. BRANDT, CSEL 19,p. 727 sq.).

    11 sua cuique civitati religio . . . est, nostra nobis" (CICERO, oratio pro L.Flacco, c. 28; ed. L. FRUECHTEL in: M. Tulli Ciceronis scripta quae manseruntomnia, Vol. VI 2, 1933, 69, p. 225). Quo tiens hoc patr um avorumqu e aetatenegotium est magistratibus datum, uti sacra externa fieri vetarent, sacrificulosvatesque foro, circo, urbe prohiberent, vaticinos libros conquirerent comburerent-que, om ne m diseiplina m sacrificandi praete rquam more Roma no abolerent? Judi-cabant enim prudentissimi viri omnis divini humanique iuris nihil aequedisso lvend ae religion is esse, qu am ubi non patrio, sed externo ritu sacrificaretur."

    (Livius, Ab urbe condita, 39, 16; zitiert bei M. ADRIANI, Tolleranza e intolleranzareligiosa nel la Roma Ant ica . Studi Romani 6, 1958, p. 511). S. CARL KOCH,Religio i960: Das Imperium Romanum ist nicht zu trennen von seinem religisenMythos" (S. 176). Der Aufsatz Der altrmische Staatskult im Spiegel augusteischer und sp tr epublikan ischer Apo logeti k" (S. 176204) hat viele bedeutsa meZeugnisse zu sammen ges tel lt. Zur Geschichte der rmischen Spt anti ke vgl. jetztJ. VOGT, Der Niedergang Roms, 1965; hier auch ber die Stellung der Religionim Rahmen der Reichsgeschichte.

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    6 Konstantinische Wen de und Glaubensfr eiheit

    Rmern, den unterworfenen Vlkern ihre Religion zu lassen. DerDienst der rmischen Gtter nahm die Rmer in Pflicht, nicht in gleichem Mae auch die Syrer oder gypter. Suchte man anfangs den Kultder fremden Gtter auf ihr Heimatland einzuschrnken, so hinderteman doch die Ausbreitung nicht ernstlich, ja, bald nahm man selbstund in steigendem Mae daran teil. Vollends, als zu Beginn des 3. Jahrhunderts das Brgerrecht auf alle freien Reichsangehrigen ausgedehnt wurde, fiel jede Beschrnkung dahin12.

    In Rom selbst setzten sich der syrische Sonnenkult und der gyptische Isisdienst so weit durch, da der eine sein Hauptfest, den Tagder Geburt der Sonne, zum Reichsfeiertag machen konnte: der 25. Dezember13; der andere aber wurde im 4. Jahrhundert im rmischen

    Adel zum Trger des Widerstandes gegen das vordringende Christentum: die vom Senat geschlagenen und massenhaft ausgeschtteten Festmnzen, die sog. contorniat i, stellten das Schiff der Isis den amtlichenchristlichen Prgungen entgegen. Tatsachen dieser Art sind es, aufdenen die verbreitete Meinung von einer Toleranz der Rmer beruht.

    Freilich hie die Freigabe der orientalischen Kulte zugleich, da nundie den Rmern obliegenden religisen Pflichten von allen mit derselben Dringlichkeit eingefordert wurden. Doch war damit nichts

    grundstzlich Neues verlangt. Von jeher war die Bereitschaft zumVollzug des Kaiseropfers die Bedingung gewesen, unter der alleindie fremden Religionen zugelassen wurden. Lediglich die Juden blieben ausgenommen, nachdem ein Versuch des Caligula gescheitert war,auch sie dem Gesetz zu unterwerfen, das alle anderen verpflichtete.Dafr aber wurde unter Trajan ihre bis dahin rege Missionsttigkeitunterbunden. Ihre Religion war an ihr Volk gebunden und lie sichdarauf beschrnken.

    Die Freigabe der fremden Gtterdiensteund daran denkt man zumeist, wenn man von rmischer Toleranz spricht ist also an eine unerlliche Bedingung geknpft; diese wird meist nicht ausreichend bedacht. Zwar lie die Forderung des Opfers das Denken frei: wer sich

    12 Nach ihrer brgerlichen Seite fand die Aufnahme der brigen im Reich wohnenden Vlker ins rmische Brgerrecht noch die Billigung des Augustinus: Gra-tissime atque humanissime factum est, ut omnes ad Romanum imperium perti-nentes societatem acciperent civitatis et Romani cives essent, ac sie esset omnium,

    quod erat ante paueorum" (De Civitate Dei V, 17; ed. B. DOMBARTA. KALB,p. 222, 1215). Zu ihrer religisen Zielsetzung vgl. J. VOGT, Zur Religiositt derChristenverfolger im Rmischen Reich in: SAH 1962/1, S. 18; ferner M. H A M -MOND, The Antoni ne Monarchy (Papers and Mono gra phs of the American Acad-emy in Rome Vol. 19, 1959, p. 140 ff.) und CHR. SASSE, Die Constitutio Antoniniana, 1958.

    1S Vgl. H. USENER, Das Weihnachtsfest: Religionsgeschichtliche Untersuchungen I, 1899. Louis M. O. DUCHESNE, Christian Worship, 1903.

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    Gren ze der rmischen Tol era nz: Pliniusbrief 7

    ihr unterwarf, mochte daneben glauben, was er wollte. Selbst Spott

    ber die Gtter konnte noch auf dem Wege zum Tempel sich unge-

    scheut uern: die Tat entschied, nicht das Wort. Aber das Opfer selbst

    durfte nicht verweigert werden. Die Errterungen, wo denn das We

    sentliche der rmischen Religion zu suchen sei und wo die bloenRandbezirke anfangen, sollten von hier ausgehen: was als das ange

    sehen wurde, von dem sich nichts abmarkten lie, und was sich gegen

    jeden Widerstand durchsetzen wollte, das ist der Kern. Alles andere

    ist minder wesentlich, und da kann vieles der Wahl des einzelnen ber

    lassen bleiben. Wer sich in dem, worauf es ankam, beugte oder gar

    willig mittat, mochte daneben tun und denken, was ihm gefiel. Das be

    deutet aber: Freiheit gab es allein in den Randbezirken der Religion;

    nur das Nicht-Wesentliche war der Geltungsbereich der rmischenToleranz. An dem fr diese Zeit bestimmenden Mastab gemessen,

    waren die Rmer intolerant, nicht tolerant14 , und das nicht etwa nur in

    Ausnahmezeiten wie whrend der groen Christenverfolgungen ,

    sondern berall und von jeher.

    An zwei Beispielen seien rmisches Denken und Verhalten anschau

    lich gemacht, beide allbekannt und von besonderer Bedeutung, beide

    zugleich kennzeichnend auch fr den brigen Lauf der rmischen Ge

    schichte; sie zeigen die bewuten wie die kaum bewuten Grundstze,von denen man sich leiten lie.

    Das eine ist der Brief des jngeren Plinius, Statthalters im klein

    asiatischen Bithynien, an Kaiser Trajan, das andere sind zwei Erlasse

    des Kaisers Diokletian. Auf der Hhe wie am Ende der altrmischen

    Kaiserzeit nimmt man die gleichen bewegenden Krfte wahr.

    Das berhmte Schreiben des Plinius berichtet von seinem Verfahren

    gegen die Christen: Ich fragte sie, ob sie Christen seien. Bekannten

    sie, so fragte ich zum zweiten und dri tten Male unter Androhung derHinrichtung. Beharrten sie, so lie ich sie abfhren. Denn ich zweifelte

    nicht, was immer es sein mochte, das sie bekannten, so fordere doch

    die Hartnckigkeit und der unbeugsame Trotz eine solche Strafe."

    Die aber leugneten, Christen zu sein oder gewesen zu sein, die lie

    ich in meiner Gegenwart die Gtter anrufen und deinem Bilde, das

    14 M. ADRIANI, Tolleranza e intolleranza religiosa nella Roma Antica (Studi

    Romani 6 [1958] 507519) mchte die Frage weithin auf linee morali" bringen

    (p . 511), so da wenige r die neu en Got the ite n, als die mit ihre m Kult ve rb un den e mor alit " scelera libid ines que" als bedrohlich erschienen wr en

    (p . 512). Ob es zureich t, die Tol eranz den sac ra pr iva ta, die Int ole ran z den sacra

    publica zuzuordnen, worauf Adrianis Studie hinausluft (p. 518)? Was wre das

    fr eine Toleranz, die das nicht zur Kenntnis der Behrden Gelangte duldet, auf

    das Angezeigte un d Zugeg eben e abe r alsbald mit Hin richt ung ant wort et (p. 519) ?

    Zur Kri tik des Liviusberich ts, auf den sich Adri an i bezi eht, vg l. M. GELZER,

    Die Unterdrckung der Bacchanalien bei Livius (Kl. Schriften III, 1964, 256269).

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    8 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    ich zusammen mit denen der Gtter hatte herbeibringen lassen, Weihrauch und Wein darbringen; auerdem muten sie Christus verfluchen: zu was allem niemand sich bringen lassen soll, der wirklichChrist ist15." Der Bericht zeigt mit voller Deutlichkeit, worum es geht.

    Die Beschuldigten mssen sich dem kaiserlichen Opfergebot unterwerfen und Christus verfluchen, seine Person, nicht seine Lehre. Was siesagen, fllt nicht ins Gewicht. Anschauungen, Gedanken, Worte bedeuten nichts. Die rmische Intoleranz richtet sich nicht gegen eineLehre. Nicht der Glaube, sondern der Kult gibt den Ausschlag. Hieraber ist die Forderung so unerbittlich, da jeder, der sich ihr nichtbeugt, hingerichtet wird. Es ist eine Entscheidung auf Leben und Tod,vor die man gestellt wird.

    Der hartnckige Trotz", den Plinius den Christen vorwirft, meintnicht die Aufsssigkeit des Revolutionrs. Der Statthalter hat sichselbst von der Unverfnglichkeit dessen berzeugt, was bei den christlichen Zusammenknften vor sich ging. Ihm ist nicht zweifelhaft, dadiese Menschen keine politischen Aspirationen haben, auch das Sozial-gefge nicht bedrohen. Lediglich einen religisen Widerstand leistensie. Der aber sammelt sich ihm um die Person dessen, dem sie ihreLieder singen und gttliche Ehren erweisen, Christo quasi deo". Um

    den Widerstand zu brechen, fordert Plinius von den Christen, wassonst bei keinem fremden Kult verlangt wird, ihre Kultgottheit" zuverfluchen. Sie mssen die volle religise Absage vollziehen, wie sievon ihnen allein gegenber dem Widersacher Gottes, dem Satan, geleistet wird.

    15 PLINIUS d. ]., Epistularum ad Traianum liber, rec. M. SCHUSTER, 2i952, p.

    355 f., Ep. X, 96: 3. Interrogavi ipsos, an essent Christiani. Confitentes iterum ac

    tertio interrogavi supplicium minatus; perseverantes duci iussi. Neque enimdubitabam, qualecumque esset, quod faterentur, pertinaciam certe et inflexibilemobst inat ione m debere puni ri. . . 5. Qui neg aba nt esse se Chris tianos aut fuisse,cum praeeunte me deos appellarent et imagini tuae, quam propter hoc iusseramcum simulacris numinum adferri, ture ac vino supplicarent, praeterea maledice-rent Christo, quorum nihil cogi posse dicuntur, qui sunt re vera Christiani,dimittendos esse putavi."

    Fr die unter den verschiedensten Gesichtswinkeln angegangene und mit einerverwirrenden Menge der Urteile bedachte Frage der rmischen Christenverfolgungen vgl. besonders VOGT-LAST, Art. Christenverfolgung (histor. und Jurist.

    Teil) RAC II, Sp. 1159 ff. (1954); dazu noch die Darstellung von J. MOREAU, DieChristenverfolgung im rmischen Reich (Aus der Welt der Religion. N. F. 2),1961, und A. WLOSOK, Die Rechtsgrundlagen der Christenverfolgungen der erstenzwei Jahrhunderte (Gymnasium 56, 1959, S. 1432). Nachdrcklich sei auf dieschne Abhandlung von J. VOGT, Zur Religiositt der Christenverfolger im Rmischen Reich, 1962, verwiesen. Hier ist den Beweggrnden zur Verfolgung in denreligisen berzeugungen der Handelnden nachgegangen und damit ein erheblicher Schritt vorwrts zu einem Verstndnis der Vorgnge getan.

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    Rmische Intole ranz: Plinius, Trajan 9

    Umgekehrt bekannten sich die Christen nicht etwa zu einem gegen

    das Geschick von Welt und Reich gleichgltigen Glauben, als gehe es

    sie nichts an, was aus den anderen Menschen werde. Sie betonten auch

    nicht nur die Loyalitt des friedlichen Brgers, dem keinerlei polizei-

    und rechtswidriges Verhalten nachgesagt werden knne. Sie wolltenals eine staatserhaltende Kraft gewertet sein, um deretwillen auch das

    Rmische Reich gedeihen werde. Gerade an solchem Selbstverstndnis

    gemessen ist das Urteil des Plinius ber ihre obstinatio" bedeutungs

    schwer: indem er ihren zweiten Anspruch, den auf Loyalitt, unbean

    standet lt, sieht er in ihrem ersten, der dem Vorrang des religisen

    Gehorsams gilt, das Reich, das fr sich selbst solchen Anspruch erhob,

    in seinem Wesen verneint. Die Deutung der religisen Abweichung als

    eines Staatsvergehens zeigt, in welchem Mae im Urteil des rmischenBeamten das Imperium Romanum religisen Charakter besitzt.

    Trajan, das Urbild der guten Kaiser", hat das Verfahren gebilligt15

    *.

    Das Rmische Reich hat auch in seinen besten Vertretern, und gerade

    in ihnen, die religisen Grundlagen nicht antasten lassen, auf denen

    es ruhte. Sie in Frage zu stellen, konnte auch dem bedachtesten und

    mavollsten Herrscher nicht beifallen; es htte ihn ein grundstrzen

    des Werk gednkt. Wer den religisen Charakter des Staates nicht

    anerkannte und das Kaiseropfer verweigerte, konnte nur als Verbrecher und Rebell betrachtet werden. Keine Rede durfte von Freigabe

    des Glaubens fr eine Minderheit sein, deren Ansprche die religisen

    Grundlagen des Staates zu bedrohen schienen. Besonders in Krisenzei-

    ls * In seinem Charisma", dem umfassendsten Werk zur Geschichte des anti

    ken Herrscherkults, sagt FRITZ TAEGER ZU dem Bescheid Tra jans : Denselben

    Geist echter Humanitt hat der Kaiser, wie allgemein bekannt, auch in der Frage

    bewiesen, die uns aus dem engen Bereich privaten und kommunalen Lebens an

    weltgeschichtliche Entscheidungen heranf hrt " (Char isma II, i960, S. 364). Wennaber das Rmische Reich selbst in seinen vom Geist echter Humanitt beseelten

    Vertretern nicht umhin kann, Menschen hinzurichten, deren Gewissen es nicht

    erlaubt, einen Kaiser als Gott zu verehren und Christus zu verfluchen, und wenn

    diese Humanitt sich darin erschpft, Verleugner und Abtrnnige zu amnestieren,

    dann werden Rmische Humanitt und Toleranz zu einem Problem, des Fragens

    wrdig. Dabei geht es nicht, wie fr TAEGER, um den Unterschied zwischen den

    feineren Ideen des Kaisers oder Statthalters und dem grberen Verstndnis der

    Vorgeladenen oder, wie fr VOLTAIRE, um den Gegensatz vom strengen Ma des

    Gesetzes und der Zgellosigkeit der Volkswut, sondern um Recht oder Unrecht

    des Befohlenen und Verweigerten. In actu des verlangten Opfers vor Gtter- undKaiserbildern gibt es nur ein Ja oder Nein, Bekenntnis oder Verleugnung. Welche

    subtileren oder massiveren Vorstellungen sich mit dem Gebot verbanden, war da

    bei ohne Belang. Die geistigen" Deutungen, die sich etwa darboten, waren hch

    stens eine desto gefhrlichere Versuchung, kein Ausweg aus der Stunde der Be

    whrung. Das feine Gewebe der Geistesgeschichte ist wichtig genug, und Ideen

    sind oft strker als Menschen, zu deren Heil oder Unheil. Aber das Heil oder

    Unheil der Menschen ist es, worauf es ankommt.

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    10 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    ten vermochte kein Beweis frherer Loyalitt eine Gruppe, die denStaatskult gefhrdete, vor den schrfsten Strafen zu schtzen16.

    Trajan lie sich daran gengen, die Bekenner des neuen Glaubenszu beseitigen, wenn sie den Behrden zu Gesicht kamen; liefen An

    zeigen ein oder entstanden Tumulte, so griff er durch. Hundert Jahrespter schien es ntig, die um sich greifende Bewegung einzudmmen.Severus suchte den bertritt zu verhindern und die christliche Missionebenso zu unterbinden, wie es einst Trajan bei der jdischen gelungenwar. Um die Mitte des Jahrhunderts unternahm Decius, im Rckblickauf die tausend Jahre rmischer Geschichte und im Hinblick auf dienotvolle Gegenwart, das Reich von seinen religisen Wurzeln aus zubeleben: jedermann, bis zu den Suglingen herab, wurde zum Gtter

    opfer gefordert. Nur der Tod des Kaisers in der Gotenschlacht (251)verhtete die Massen-Exekution.

    Auf Decius zurck griff Diokletian, der das Reich nach einer langenZeit des Verfalls wieder aufrichten wollte. Seine Edikte gegen die Christen sind nicht erhalten, aber er gab den Grundstzen des rmischen

    19 Fr Trajan und die Zeit der Antonine sei auf J. BEAUJEU, La religionromaine l'apogee de l'empire. La politique religieuse des Antonins (96192),1955, verwiesen; vgl. dazu P. LAMBRECHTS, Les Empereurs Romains et leur politi

    que religieuse (Revue Beige de Philologie et d' Histoire 35 [1957] 495511). DieHaltung Trajans steht unter dem Zeichen eines realisme eclaire" und stellt sichdar als tolerance bienveillante"; das gilt auch gegenber den Christen. Lambrechts ergnzt: Pour Trajan la religion semble avant tout affaire d' Etat" (p.500). Beaujeu bescheinigt dem Kaiser eine at tit ude de sagesse prud en te , lafois comprehensive et circonspecte"; diese sei auch dans un esprit de toleranceelarg i" von Had ria n und An ton inus Pius beibeha lten (p. 108). Gera de wer dieseUrteile ane rke nnt , mu nach einer zureichenden Antwo rt auf die Frage suchen,warum denn diese Kaiser, trotz persnlicher Duldsamkeit und bei sprbarem Unbehagen ihres Rechtsgefhls, es fr notwendig hielten, Christen ihres Glaubens

    wegen hinrichten zu lassen. Erst zusammen mit ihrer Grenze kommt das Problem der rmischen Toleranz berhaupt in Sicht. Ohne das bewegt man sich imFelde der Vorfragen, wo es kein sicheres Urteil g ibt. Lt man eine ver bre ite teAuffassung, wie billig, durch den angesehensten Vertreter zu Wort kommen, somgen zwei Stze JACOB BURCKHARDTS einen Hinweis geben: Der eine stellt nurfest: Marc Aurel mute als Kaiser Christenfeind sein" (in seiner Vorlesung Geschichte der rmischen Kaiserzeit"; mitgeteilt von W. Kaegi, Jacob Burckhardt,III, 1956, S. 321). Der andere rhmt Diokletians Regierung als eine der bestenund wohlwollendsten", die das Reich je gehabt, sobald man den Blick freihltvon dem schrecklichen Bilde der Christenverfolgungen" (wohlbemerkt, dem

    durch Diokletian selbst geschaffenen, nicht dem von Laktanz gemalten: Die ZeitCons tant ins des Gro en = Ges. Ausg. Bd. 2, 1929, S. 56). Der erste Satz sta tui er tdie Unvermeidlichkeit des Gegensatzes zwischen rmischem Imperium und christlichem Glauben; der zweite beschrnkt Schilderung und Urteil bewut auf denRaum innerhalb der von diesem Imperium selbst gezogenen Grenzen und hltsich von deren gefhrlicher Nhe fern. Beide Stze aber, unreflektiert, wie siesind, deuten auf das Problem hin, das noch seiner Lsung harrt. Historisch erhielt es sie durch Konstantin das ist dessen geschichtliche Gre.

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    Rmische Intoleranz: Diokletian 11

    Glaubens in mehreren anderen Edikten Ausdruck, die nicht eigens

    gegen die Christen gerichtet waren, aber sie ebenso angehen muten.

    Diese Edikte knnen die Grnde herleihen, die zur Christenverfolgung

    fhrten. In seinem Ehegesetz sagte Diokletian: Was durch die Rmi

    schen Gesetze rein und heilig bestimmt wurde, ist unserem frommenSinn hchst ehrwrdig und ewig mit religiser Scheu zu bewahren

    16*."

    Nur dann knnen wir mit Zuversicht annehmen, da die unsterb

    lichen Gtter dem rmischen Namen gndig bleiben werden"17

    . Noch

    deutlicher redet das Edikt gegen die Manicher: Die alte Religion

    darf nicht von einer neuen Religion getadelt werden." Das grte

    Verbrechen ist, abzundern, was einmal von den Alten festgesetzt und

    bestimmt seinen Lauf innehlt und seinen festen Stand besitzt18

    ."

    Darum sind wir entschlossen, die schndliche Hartnckigkeit (perti-18* Mosaicaru m et Roma narum Legum Collatio VI, 4, 1: Quoniam piis reli-

    giosisque mentibus nostris ea, quae Romanis legibus caste sancteque sunt con-

    stituta, uenera bilia maxime uidentu r atque aetern a religione ser uan da" (rec. T H .

    MOMMSEN, Collectio Librorum Juris Anteiustiniani III, 1890, p. 157).

    W. SESTON wendet ein (Art. Diokletian, RAC III, 1957, 1036 ff.), altrmische

    eheliche Zucht mten auch die Christen billigen. Aber der Grundsatz, allge

    mein, wie er von Diokletian formuliert ist, findet fr ihn ohne Frage Anwen

    dung auf jedem anderen Lebensgebiet. Es ist nicht recht verstndlich, warum

    W. Seston die Grundstze des Ehe- und Manicheredikts vor den Christen haltmachen lassen will und nach neuen antichristlichen Motiven ausblickt, ber die

    von ihm selbst als die ganze Regierung Diokletians bestimme nd angefhr ten hin

    aus: man msse die Grn de der Verfo lgung nicht in ueren Einflssen, sondern

    im Werk des D. und in seinen politischen und religisen Vorstellungen selbst

    suchen" (ebd. Sp. 1048); alles in allem beherrscht die fanatische Hingabe des

    D. an den Geist und die religisen Traditionen Roms seine gesamte Regierungs

    zeit" (ebd. Sp. 1050). Genau das bezeugen die Ehe- und Manicheredikte! Seston

    erk lrt denn auch: Die Initiative zur Verfolgung ka m . . . von Diocletian selbst"

    (in seinem Beitrag Verfall des Rmischen Reiches im Westen. Die Vlkerwan

    de ru ng " zur Propylen Weltgeschichte IV, 1963, [S. 487603] S. 497). Fr alleSachfragen bleibt sein kenntnisreiches Werk, Diocletien et la tetrarchie I, 1946,

    grundlegend.

    Das Bestreben, Diokletian zu entlasten, ist lter. In Erneuerung der Darstel

    lung BOLINGBROKES, der das Manicheredikt christlichem Einflu zuschreibt und

    das staatliche Einschreiten gegen die Chr isten auf deren Insolenz zurckfhrt,

    schiebt VOLTAIRE die Verantwortung fr die Verfolgung auf un emportement de

    revolte", das Abreien eines Kaiseredikts durch einen unbesonnenen Christen,

    auf den Caesar Galerius und die Volkswut, spricht aber Diokletian frei: II n'est

    pas en effet vraisemblable qu'un homme assez philosophe pour renoncer

    l'empire l'ait ete assez peu pour etre un persecuteur fanatique"! (Essai sur Iesmoe urs , Oeuvres comple tes 11 , p. 228; vgl. auch Examen importan t de Milord

    Bolingbroke ou Le Tomb eau du Fanati sme" , Oeuvres 26, und Artikel Diocletien"

    im Dictionnaire Philosophique, Oeuvres 2). Es bleibt zu bedenken, von welchen

    Denkvoraussetzungen aus solche Urteile ergehen.17 Mosaicarum et Romanarum Legum Collatio VI, 4, 1.18 Maximi enim criminis est retractare quae semel ab antiquis statuta et defi-

    nita suum statum et cursum tenent ac possident." (Collatio XV, 3, 2, p. 187).

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    12 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    nacia)19 nichtswrdiger Menschen zu bestrafen, die der Verehrung der

    Gtter neue und unerhrte Sekten entgegenstellen und nach ihrer

    blen Willkr das zerstren, was die Gtter ein fr allemal uns ber

    liefert haben20

    ."

    Diokletian frchtet fr das bescheidene und ruhige rmische

    Volk", dem er das fremde Gift fernhalten mu. Darum verhngt er die

    hrtesten Strafen: die Anfhrer sollen zusammen mit ihren Schriften

    verbrannt werden; aber auch die Anhnger drfen nur auf eine mil

    dere Todesart hoffen, ihr Besitz wird enteignet. Die Seuche dieser

    Bosheit soll mit der Wurzel ausgerottet werden aus unserm glck

    lichen Zeitalter21."

    Unseligerweise hat das ganze Mittelalter am Inhalt dieser Gesetze

    festgehalten; unter allen Ketzern sind keine mit unnachsichtigererSchrfe behandelt als die Manicher und ihre vermeintlichen Nach

    folger, die Katharer21*. Bei Diokletian erklrt sich diese Hrte aus der

    Entschlossenheit, gegenber der Fremdreligion das religise Reichs

    verstndnis zu behaupten. Die Rom-Idee gewinnt hier, am Ende ihrer

    Geschichte21b

    , ihre deutlichste Ausprgung. Der Bestand des Impe

    riums erscheint gebunden an das unbeirrte Festhalten an dem fr alle

    zeit Bestimmten. Jedes Abweichen ist ein todeswrdiges Verbre

    chen. Die eigene Vergangenheit wird zum Gtzen gemacht; es gibtkeinen neuen Weg. Die von Plinius an den Christen gergte Hart

    nckigkeit kehrt jetzt bei den Manichem wieder. Das Gebot, das Un

    terwerfung verlangt, wird aber gerechtfertigt und gedeutet als das der

    Gtter und der Altvorderen. Anders als unter Trajan bedarf es jetzt

    einer solchen Begrndung. Der Staatsgehorsam ist zugleich sittliche

    und religise Pflicht.

    19 S. o. S. 8 A. 15: Plin ius ep. X 96, 3. 20 Collatio XV, 3, 3, p. 187.

    Die christliche Erwiderung auf die Vergottung der Vergangenheit erscheintwie eine Ablehnung der Piett, da auch die Vorfahren im Irrtum waren. LAK-

    TANZ ergiet seinen Spott ber die malose Schtzung des Urteils der Alten: Ad

    maiorum iudicia confugiant, quod Uli sapientes fuerint, Uli probaverint, Uli

    scierint quod esset Optimum, seque ipsos sensibus spoliant, ratione abdicant, dum

    alienis erroribus credunt" (Div. inst. V, 19, 3; zit. b. J. MOREAU (ed.), Lactance,

    De la mort des persecuteurs, 1954 (Sources Chretiennes 39), II, p. 389).21 Collatio XV, 3, 48, p. 188.21 a Vgl. dazu PETER R. L. BROWN, Religious Coercion in the Later Roman

    Empire (History 48, 1963, [p. 283305] p. 285 mit Belegen). E. KADEN, Die Edikte

    gegen die Manicher von Diokletian bis Justinian (Festschrift Lewald, 1953, S. 55bis 68).

    2 I b Da die Romidee im christlichen Imperium weiterlebt und dieses mitge

    staltet, ndert nichts daran, da die Zeit ihrer ungebrochenen Herrschaft mit Dio

    kletian zu Ende geht. Ein hnliches Verh ltnis grundstzlichen Aufhrens und

    heimlichen Weiterlebens lt sich beim Herrscherkult zeigen. Vgl. dazu K. ALAND,

    Der Abbau des Herrscherkultes im Zeitalter Konstantins, 1954 (in: Kirchenge

    schichtliche Entwrfe i960, 240256), dort Lit era tur -Angab en.

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    Diokletianische Christenverfolgung 13

    Fr uns ist wichtig, da Diokletian das Wesensgesetz des Rmi

    schen Imperiums nicht in seinen Christenerlassen dargelegt hat, son

    dern ohne Rcksicht auf die letzte Auseinandersetzung von Reich

    und Kirche bestimmte. Diese Grundstze sind keine Kampfbestim

    mungen, die nur fr eine Ausnahme-Lage gelten. Ebenso sicher aberist, da sie ber kurz oder lang auch auf die Christen Anwendung

    finden muten. Nicht zufllig waren es dabei der Hof und das Heer,

    die der Kaiser zuerst von allem nicht-rmischen Wesen zu reinigen

    unternahm22

    . Die Verfolgung begann im Heer oder hatte dort ihr Vor

    spiel. Alle Offiziere und nicht wenige Soldaten wurden vor die Wahl

    zwischen Opfer und Entlassung gestellt. Der Beweggrund war nicht

    etwa lediglich der Wunsch, fr die geplante allgemeine Christenver

    folgung ber ein zuverlssiges Werkzeug verfgen zu knnen. Einesolche nach modernen Erfahrungen sich nahelegende Erklrung reicht

    nicht aus. Es ging vielmehr darum, den Bund zwischen der unteren

    und der oberen Welt zu sichern. Der ungestrte Kult der alten Gtter

    mute wenigstens im Mittelpunkt des Reichs, dem Kaiserpalast und

    dem Heer, gewhrleistet sein, sollte nicht der Zorn der Himmlischen

    das Imperium heimsuchen23

    .

    Die Gesetze der groen Verfolgung sind uns nicht erhalten; nur

    was sie anordneten, nicht dessen Begrndung ist uns bekannt. DerVerlauf der Verfolgung und ihre zerrttenden Folgen, die sich bis tief

    22 Vgl. H. Drries, Konstan tin der Gr oe , 1958, S. 11 f.

    23 W. ENSSLIN meint, Diokletian habe durch den Opferbefehl an das Heer das

    Ziel erreichen wollen, im Staatskult die Einheit der Gleichgesinnten, nmlich

    der Rmer, zur Anschauung zu bringen" (PW VII A 2 [1948], Sp. 2481); konnte

    der Kaiser aber wirklich meine n, durch die Gegenauslese der Nicht -Standhaften

    unter den christlichen Soldaten gleichgesinnte Rmer" zu bekommen und damit

    eine fiktive Einheit zur Anschauung zu bringen"?KURT LATTE erklrt in seiner grundlegenden Rmischen Religionsgeschichte"

    (Handbuch der Altertumswissenschaft V, 4, i960) d ie steigende Schrfe, mit der

    gerade die energischsten Regenten gegen das Christentum vorgingen" (S. 326) aus

    der Gefhrdung der Reichseinheit: Kaiser- und Gtterkult seien Ausdruck fr den

    Gedanken der Einheit und Geschlossenheit des Imperiums; ber ihre Symbole

    habe man um so eifriger wachen mssen, je weniger sie noch der politischen

    Realitt entsprachen; religisen Gehalt habe der Kaiserkult nie gehabt, der Kult

    der Staatsgtter kaum noch. Aber wenn dieser Kult wirklich nurmehr eine Loya

    lit t sku ndgebung be deu tet e wie Latte meint , so versteht m an nicht, wie fr

    seine spteren Anwlte das Verbot des heidnischen Kults nicht so sehr die patriotische Gesinnung der Brger als die Gnade der Gtter gefhrdet: nicht Abnahme

    der Reichst reue, sondern Seuchen und Hungersnot sind die Folge! Die ffentliche

    Religionsbung mu neben der privaten Religiositt doch Bedeutung gehabt ha

    ben: gerade sie war Wesenszug des Rmischen Imperiums. Vom modernen Reli

    gionsdenken ist der Zugang schon zu den Mysterienreligionen des Hellenismus

    nicht ohne weiteres offen; erst recht droht die Gefahr des anachronistischen Mi

    verstndnisses, wenn man Sinn und Rang des staatlichen Kults bestimmen will.

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    14 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    in das Wirtschaftsleben hinein fhlbar machten, sind hier nicht zu

    schildern. Nur um die Grundstze soll es uns gehen und um die Frage,

    wie weit sie greifen und wie fest sie gegrndet sind. Gerade unter die

    sem Gesichtspunkt ist von groer Bedeutung, da sich Diokletian

    augenscheinlich erst nach langem Bedenken entschlossen hat , den Kampf

    gegen die christliche Kirche aufzunehmen; er tat es im vollen Bewut

    sein von dessen Schwere. Eben dies beweist, da er ihn fr unumgng

    lich hielt, wenn sein eigenes Werk nicht unvollendet und ungefestigt

    bleiben sollte. Der die Verfolgung unternahm, seine eigene Person

    wie die seiner Helfer, noch der Augenblick, den er whltezwei Jahre

    vor seinem Rcktritt,sie alle zeigen, da der Gegensatz, der hier aus

    getragen wurde, unvershnlich war. Duldung dessen, was das Wesen

    dieses Imperiums in Frage stellt, htten seine Lenker als Verrat ansehen mssen. Ein religiser Staat will und kann nicht tolerant sein.

    Es braucht nicht ausgefhrt zu werden, zu welchen Unmenschlich

    keiten sich die Unduldsamkeit verstand. Die Mrtyrerakten, auch

    wenn man die spteren Legenden abzieht, lassen in Abgrnde blik-

    ken24

    . Sicherlich wirken dabei alle die dunklen Krfte mit, die in solchen

    Zeiten losgebunden werden: Massenangst und -wut, Ha, Rachsucht,

    Ehrgeiz, Grausamkeit. Aber es sind nicht die Leidenschaften allein,

    die entfesselt werden, und nicht blo der Mob, der sich austobt. Wiedie oberste menschliche Rechtsordnung das Zeichen gibt, so heien

    selbst die hchststehenden Geister die Taten gut. Der neuplatonische

    Philosoph Hierokles scheint eigens von einem hohen Statthalterposten

    in eine dichter von Christen bewohnte Stadt versetzt worden zu sein,

    um die Prozesse mit unnachsichtiger Schrfe durchzufhren; von seiner

    philosophischen Klte durfte man erwarten, da er sich nicht von Re

    gungen bloer Menschlichkeit werde rhren lassen. Die Folgerichtig

    keit des Vorgehens, bei dem mit zwingender Logik eines aus dem anderen folgt, ist wie das Erschreckendste, so das Bedenkenswerteste

    daran. Wir meinen die Unausweichlichkeit jeden neuen Schrittes mit

    Augen zu sehen.

    Der anfngliche Wunsch des Kaisers, Blutvergieen zu vermeiden,

    wich zwangslufig dem furchtbarsten Blutvergieen und der Zerrt

    tung aller Ordnungen des Imperiums. Was es hatte retten sollen, wur

    de zu seiner schwersten Bedrohung. Die vermeintlich staatserhaltende

    Unduldsamkeit des religis begrndeten Reiches erwies sich als

    lebensfremd und selbstzerstrerisch. Dieser Zug des unheimlichen

    Schauspiels stellte sich der nchsten Generation als der bezeichnendste

    dar. Er bezeichnet wirklich das Ende der alten Zeit.

    24 Vgl. Ausgewhlte Mrtyrerakten, hg. v. R. Knopf und G. Krger, 3. Aufl.

    1929.

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    Intole ranz des religisen Staa tes 15

    Die innere Notwendigkeit25, mit der das Rmische Reich den christ

    lichen Glauben abweist, kndigt sich bei Trajan an, tritt aber noch

    nicht voll heraus. Die Linien zeichnen sich in dem Schreiben des Plinius

    ab: die sakrale Macht des Imperiums fordert gebieterisch ihre Aner

    kennung und die Verfluchung Christi; ausgezogen werden sie in dem

    von humanem Rechtssinn bestimmten Reskript des Reprsentanten

    der guten Kaiser. Die Sicherheit dieser Verurteilung bedarf keiner

    nheren Kenntnisnahme, sie stt das Wesensfremde ab. Zu heller

    Klarheit aber gelangte die Erkenntnis von der Unvereinbarkeit rmi

    schen und christlichen Glaubens bei den Kaisern, die das zerrttete

    Reich erneuern und es auf den alten Grundlagen herstellen wollten.

    Je bedachter und entschlossener ein Diokletian dabei ans Werk ging,

    um so unausweichlicher mute es zum Kampf kommen, der die ganzeGewalt des Reiches gegen die waffenlosen Mrtyrer aufbot, bis sie vor

    deren Standhaftigkeit erlag. Der das Reich retten wollte, brachte es

    dem Untergang nahe.

    Dies Urteil gilt gerade auch, wenn man der Person dieses Kaisers

    alle Gerechtigkeit widerfahren lt, seinem Werk und seinem Wollen

    die Ehre zollt, die sie verdienen. Je hher er ber Vorgnger und Mit

    herrscher hinausragt, desto gewisser ging sein Weg diesem Ziel und

    diesem Ende entgegen26

    .

    " Diese Not wendigkei t ist nicht schon dadurch in Frage gestellt, da sie nicht

    gleich und nicht stets bewut war, da es bei ihrer Verwirklichung Unterschiede

    des Umfangs und der Dauer gibt, da besondere Anlsse sie aktivieren, andere

    Umstnde sie hinauszgern. Auch wo man sich, wie unter Trajan, ber die Art

    der Gegenwehr nicht klar ist, tritt ihr Dasein fhlbar genug in Erscheinung. Es

    reicht deshalb nicht aus, wenn W. SESTON die Zwischenzeit zwischen den Verfol

    gungen als Idyll beschreibt: Heiden und Christen leben in Koexistenz und kolla-

    borieren in Frieden" (RAC III, Sp. 1046); es ist die friedliche Koexistenz der afri

    kanischen Etoscha, wo neben dem satten Lwen ungestrt die Herden weiden.Und warum soll man die Soldatenmartyrien euphemistisch Flle von Insubordi

    nation" nennen, welche durch Hinrichtung der Schuldigen geahndet wurden"

    (ebd., Sp. 1049)?26 Es kann nicht wundernehmen, da der Zeitgenosse des erregenden Gesche

    hens, Laktanz, in das Urteil ber die Verfolgung auch die Person und das Regi

    ment der Verfolger einbezog. Wer bei den Verfolgten steht, wird vom Tod der

    Verfolger" nur als von einem Gottesgericht reden knnen, um das warnende

    Exempel knftigen Geschlechtern vor Augen zu stellen. Ganz unbillig wre es,

    von ihm das einfhlende Verstndnis des Historikers fr den trotz dieses Ab

    schlusses bedeutenden und grodenkenden Herrscher zu verlangen oder auch nurdie Erschtterung des einer ungeheuren Tragdie zuschauenden Betrachters. Aber

    wir knnen sein Urteil nicht einfach wiederholen, sowenig wir den entgegenge

    set zte n We g einschlagen drfen, den Ve rs uch t en christlichen Glauben mit Reichs

    gewalt aus der Welt zu schaffen, als geringfgig auszugeben oder die letzten

    Jahre Diokletians als altersbedingt von der Hauptzeit seiner Regierung abzu

    trennen. Der Kampf gegen das Christentum gehrt als ein Wesenszug in das Bild

    dieses Herrschers u nd seines Werks . Beide, einan der entsprechende Weisen,

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    16 Konstantinische Wen de und Glaubens freiheit

    Drei Toleranzedikte

    Begehren der Duldung, Verweigern der Duldung es ist derMchtige, der sie gewhren oder versagen kann27 . In ihrem ersten und

    nchsten Verstand geht es bei der Toleranz um eine Sache des Reichesund seines Verhaltens. berzeugungen spielen dabei auch auf derSeite derer eine Rolle, die Duldung verlangen. Sie knnen ja hoffen,die von ihnen Angegangenen zu berzeugen. Zu spterer Zeit, wenndie jetzt Bedrckten erst zur Macht gelangt sein werden, mgen dievon ihnen geltend gemachten Grnde auch ihnen selbst gegenberAnwendung finden. Dann haben die einst vorgebrachten Stze um somehr ein Anrecht auf Gehr, da es die Worte der eigenen Vter sind,

    die nun in entgegengesetzter Richtung laut werden und die man nichteinfach abweisen kann. So bedeutsam das aber fr die Zukunft seinmute, in der Gegenwart war entscheidend nur, was die Verantwortlichen dachten. Ihre Grundstze gaben den Ausschlag.

    Diese Grundstze aber fanden noch einmal bestimmten Ausdruckin dem Augenblick, in dem sie aufgegeben werden muten, und der sieuerte, war der Mitherrscher und Nachfolger Diokletians, Galerius.Der Versuch Diokletians, das religise Selbstverstndnis des Rmi-

    eine historische Gestalt anzuschuldigen oder zu entschuldigen, verstehen den Historiker als Staatsanwalt oder Rechtsanwalt, der mit einem Angeklagten vor denRichtstuhl der Geschichte tritt. Aber weder das eine noch das andere kann unsereAufgabe sein. Freilich, wenn wir denn hier Diokletian vornehmlich als Reprsentanten des rmischen religisen Staatsgedankens ansehen, so wird er damitnicht zum unpersnlichen Trger einer Idee: er bleibt mit dem, wozu er sich bekennt und was er entscheidet, als Person verbunden; er steht und fllt mit seinerSache. Der Kirchenhistoriker mag sich bei seinem Urteil ber den Ausgan gan die Zerstrung Jerusalems erinnern, deren Schilderung nicht ohne Grund im

    Anha ng der alten Gesangbche r stand wahrlich nicht zu billigem Tri umph berdie christusfeindliche Stadt, sondern zum eigenen Erschrecken und Besinnen.Nicht jeder Verfolger endet so und die Weltgeschichte ist nicht das Weltgericht,wenn auch bisweilen von Blitzen durchzuckt. Wir knnen nur unternehmen, dieFolgerichtigkeit sichtbar zu machen, die den religis verstandenen Staat ntigt,sich absolut zu setzen und die christliche Strung zu beseitigen. Eine unbefangene Wrdigung des im Vordergrund Geleisteten wird dadurch nicht ausgeschlossen. M. GELZER, Der Urheber der Christenverfolgung von 303 (Kl. Schrif-ten II, 1963, S. 378386) zeigt, da es unangebracht ist, Galerius als den Verantwortlichen anzusehen.

    27

    Von Freigabe", Duldung" und Toleranz" kann man sinnvoll nur sprechen, wo auch ein anderer Weg eingeschlagen werden kann. Toleranz wird vondem Mchtigen ausgebt, von dem die Freiheit des Geduldeten abhngt. In neuerer Zeit unterscheidet man zwischen Duldsamkeit und Duldung, bezieht die eineauf eine weitherzige Gesinnung, die andere auf einen Akt der Zulassung. WerDuldung begehrt, kann versuchen, den zu berzeugen, der sie ausben kann, aberdie Entscheidung liegt bei diesem. Im engeren Sinne des Wortes gehrt Toleranzdeshalb dem Staat.

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    Toleranzedikt desGalerius 17

    sehen Imperiums zu behaupten, scheiterte an derGlaubensstrke der

    Mrtyrer. Sein Erbe,derschon als treibende Kraft hinter demUnter

    nehmen gestanden hatte, muteauf seinem Sterbebette,imApril 311,

    der Verfolgung ein Ende machen. Sein Edikt ffnete die Gefngnisse

    und Bergwerke; es lie die Gefangenen zurckkehren28

    . Der Kaiserbeginnt miteinem Rckblickauf dasGescheheneunderkenntdie Un-

    haltbarkeitder mit derVerfolgung geschaffenen Lagean. Zwar wahrt

    er das Gesicht und nennt dieZerrttung des Reiches nicht, die den

    Widerruf der Verfolgungsedikte erzwingt. Was er anfhrt, ist, da

    viele Untertanen kultlos geworden sind. Sie nehmen nicht amDienst

    der Gtter teil, drfen aber auch ihren eigenen nicht ben.Das ist un

    ertrglich.Soerlaubt diekaiserliche MildedenChristen, ihren Gottes

    dienst wieder aufzunehmen. Der einschrnkende Zusatz, er mssesich im Rahmen der staatlichen ,disciplina' halten, ist dehnbar und

    konnte auch einmal neuen Zwang rechtfertigen. Einstweilenwar die

    andere Weisung wichtiger, die Christen sollten bei ihrem Gott Fr

    bitte fr Kaiser und Reich leisten. Ermglicht wurde ein solches Ver

    langen durch die Unabgeschlossenheit des Heidentums. Wie schon

    andere orientalische Gottheiten in den rmischen Gtterhimmel auf

    genommen waren, mochtemanhoffen, auch dieses neuen Gottes Gunst

    durch den Dienst seiner Verehrer fr denStaat zugewinnen29. Wenn

    man freilich zugleich dachte,diealten religisen Grundlagen des Staats

    festhalten zuknnen, sobemerkte mannicht,wiesehr mandamit in

    eine Spannung geriet.Man konnte nicht einfach Diokletians Christen

    politik aufgeben und in allem brigen bei ihm stehen bleiben. Aber

    so war es: an ein grundstzliches Abrcken von Diokletian war so

    wenig gedacht, da Galerius noch jetzt dasRecht derVerfolgung be-

    28 Text in Laktanz, De mort pers., c. 34 (ed.Moreau,p. 117 sq.). Fr die Deu

    tung auer MOREAUS Kommentar immer noch ntzlich JOHN R. KNIPFING, TheEdict of Galerius (311 A. D.) reconsidered: Revue Beige de Philologie et d'His-

    toire I, 1922, p. 693705.Nur wird sich schwerlich Knipfings Meinung halten las

    sen, Galerius mache hier den Christen einen Vorwurf, da sie das Prinzip des

    rmischen Gesetzes bersahen, wonach alle fremden Kulte nationalen Charak

    ter haben sollten (p. 698). Der kaiserliche Tadel, da die Chris ten per diuersa

    uarios populos congregarent", bezeugt nur ihre weite Verbreitung, rgt nicht ihre

    bernationale Art. W. H. C.FREND, TheFailure of thePersecutions in the Roman

    Empire (Past andPresent8, 1959, p. 1027) findet einen wichtigen Grund fr das

    Scheitern der Verfolgungen darin,da im 4. Jh. das Christentum ber die Stdte

    hinaus die Landbevlkerung erreicht habe. Zur allgemeinen Orientierung ber

    Galerius vgl. den Artikel von W. ENSSLIN in P W XIV 2, 1930, Sp.25162528.20 Die kundigen und eindrucksvollen Darlegungen von H. LT. INSTINSKY, Die

    Alte Kirche und das Heil des Staates, 1963,ber die politische Bedeutung des

    Gebets fr den Kaiser und dessen Vorgeschichte werden durch den Hinweis auf

    die innere Ermglichung des Edikts und die Lage, in der es erlassen wurde, nicht

    berhrt; ohne beides ist das Edikt auch als politische Entscheidung nicht ver

    stndlich.

    2 8402 Drries, Wort I

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    18 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    hauptete: Unter den Bestimmungen, die wir stets fr das Wohl undden Nutzen des Gemeinwesens getroffen haben, wollten wir besondersalles nach den alten Gesetzen und den Ordnungen der Rmer zurechtbringen und wollten dafr sorgen, da auch die Christen, die ja die

    Religion ihrer Vorfahren verlassen hatten, zu rechtem Sinn zurckkehrten. Denn eine solch hartnckige Willkr und eine derartige Torheit hat die Christen ergriffen, da sie den Einrichtungen der Altennicht mehr folgten, die vielleicht ihre eigenen Voreltern aufgerichtethatten. Nach ihrem Gutdnken, wie es ihnen gerade gefiel, haben siesich selbst Gesetze gemacht und berall Leute gesammelt30 ."

    Der Verzicht auf die Verfolgung ist demnach nicht wie die Kirchenschriftsteller es verstanden ein Buakt31 . Der Kaiser gibt einen

    Fehlschlag zu, gesteht aber nicht eine Schuld. Die Deutung der so entstandenen Lage und die Antwort darauf ergehen vom Alten aus. Ga-lerius redet noch da der rmischen Unduldsamkeit das Wort, wo ersich entschliet, von ihr abzugehen. Doch bemerkt oder unbemerkt bedeutet die dem Glauben des rmischen Kaisers abgentigte Toleranz einen Bruch mit der Vergangenheit. Das Neue hat sich in gewaltloser Stand-haftigkeit Gehr erzwungen. Das Alte jedoch kann dem nicht gerechtwerden und gert damit in einen inneren Widerspruch. Widerstrebendausgesprochen, der berzeugung des Kaisers entgegen, hat diese vonder Not ihm abgentigte Freigabe des christlichen Kultus keineAussicht auf einen Bestand, der die Bedrngnis des Reichs, der sie abhelfen sollte, berdauerte. Sobald die Verhltnisse sich festigten undder Kaiser genas, mute man einen Widerruf dieser Duldung gewrtigen. Das Edikt des Galerius war das erste Wort einer bergangszeit,bedeutsam und aufschlureich, aber unzulnglich.

    Der nchste Schritt ist von Konstantin getan. Im Verein mit seinemSchwager Licinius hat der Sieger der Milvischen Brcke ein neues Tole

    ranzedikt erlassen. Das sog. Mailnder Edikt32 geht zurck auf Ver-

    30 Inter cetera quae pro rei publicae semper commodis atque utilitate dispo-nimus, nos quidem uolueramus antehac iuxta leges ueteres et publicam discipli-nam Romanorum cuncta corrigere atque id prouidere, ut etiam christiani, quiparentum suorum reliquerant sectam, ad bonas mentes redirent, 2. siquidemquadam ratione tanta eosdem christianos uoluntas inuasisset et tanta stultitiaoccupasset, ut non illa ueterum instituta sequerentur, quae forsitan primum pa-rentes eorundem constituerant, sed pro arbitrio suo atque ut isdem erat libitum,

    ita sibimet leges facerent quas obseruarent, et per diuersa uarios populos con-gregarent." LAKTANZ, De mort. pers., c. 34,12 (ed. Moreau, p. 117).

    S1 . . . tandem maus domitus deum coactus est confiteri" (ebd., c. 33, 11 [p.116]).Vgl. Euseb, h. e. VIII, 16, 3. GCS 9/2, p. 788.

    s2 Beste Wiedergabe des lateinischen Textes, mit Parallelen der griechischenFassung Eusebs in der Ausgabe von Moreau: De mort. pers., c. 48, p. 131135;Kommentar p. 456464.

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    ^Mailnder Edikt' 19

    handlungen, in denen die beiden Kaiser die Grundzge einer gemeinsamen Politik besonders in der Religionsfragefestlegten.

    Da ich, Constantinus Augustus, und auch ich, Licinius Augustus, zuMailand glckhaft zusammenkamen und alles besprachen, was demWohl und der ffentlichen Sicherheit diente, glaubten wir, neben anderem vor allem das ordnen zu mssen, was die Verehrung der Gottheit angeht, um sowohl den Christen wie allen andern die freie Mglichkeit zu geben, der Religion zu folgen, die ein jeder will, damit dieGottheit in ihrem himmlischen Sitz (quicquid (est) diuinitatis in sedecaelesti) uns und allen, die unter unserer Herrschaft sind, gndig undgewogen sein knne. Darum haben wir uns dahin entschieden, niemandem drfe die Freiheit abgesprochen werden, sich der Gottesver

    ehrung der Christen oder der Religion zuzuwenden, die er als die frihn passendste ansieht, auf da die hchste Gottheit, deren Verehrungwir in freier Hingabe folgen, uns in allem die gewohnte Gunst erweise." Aus diesem Grunde rumen die Kaiser die Beschrnkungen fort,die es bisher fr den christlichen Gottesdienst gab sie sind ganzverkehrt und unserer Milde fremd. Von jetzt an kann jeder, der dieReligion der Christen ben will, das ohne irgendeine Beeintrchtigung tun. Wir haben den Christen die freie und ungehinderte Mg

    lichkeit33

    gegeben, ihren Kult zu begehen; in gleicher Weise steht auchanderen das ben und Begehen ihrer Religion offen und frei. Es entspricht dem Frieden unserer Zeit, da jeder freie Mglichkeit habe, zuverehren, was er will". Die Kaiser ordnen an, die christlichen Versammlungshuser und anderes Gemeindeeigentum der Kirche zurckzugeben. Damit sorgen wir fr Frieden und Gedeihen. Nur so wirdes geschehen, da die gttliche Gunst, die wir in so groen Dingen erfahren haben, uns allezeit unser Vornehmen gelingen lasse und das

    ffentliche Glck fortdaure

    34

    ."s s Toleranz heit bei Konstantin entweder indulgentia" oder, wie hier, libera

    potestas" oder libera facultas", der selbstgewhlten religio" zu folgen.54 2. Cum feliciter tarn ego Constant inu s Au gus tus q uam etiam ego

    Licinius Augustus apud Mediolanum conuenissemus atque uniuersa quae adcommoda et securitatem publicam pertinerent, in tractatu haberemus, haec intercetera quae uidebamus pluribus hominibus profutura, uel in primis ordinandaesse credidimus, quibus diuinitatis reuerentia continebatur, ut daremus et christia-nis et Omnibus Iiberam potestatem sequendi religionem quam quisque uoluisset,

    quo quicquid (es t ) diuinitatis in sede caelesti, nobi s atq ue Omnibus qui subpotestate nostra sunt constituti, placatum ac propitium possit existere. 3. Itaquehoc consilium salubri ac rectissima ratione ineundum esse credidimus, ut nulliomnino facultatem abnegandam putaremus, qui uel obseruationi christianorumuel ei religioni mentem suam dederet quam ipse sibi aptissimam esse sentiret,ut possit nobis summa diuinitas, cuius religioni liberis mentibus obsequimur, inomnibus solitum fauorem suum beniuolentiamque praestare. 4. Quare sciredicationem tuam conuenit placuisse nobis, ut amotis Omnibus omnino condicioni-

    2 '

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    20 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    Uns knnen hier nicht die schwierigen Fragen beschftigen, welchedie beiden Fassungen aufgeben, in denen das Gesetz berliefert ist.Sie sind von Licinius verffentlicht, gleich nach seinem Sieg ber Maximinus Daja, den Rivalen im Osten, und weisen nicht ohne Wiederholungen und Ungeschicklichkeiten zurck auf das in Mailand Beschlossene, von dem sie Bericht geben. Nach der Schlacht an der Mil-vischen Brcke hatte der Senat den Sieger, den Rangjngsten der dreiHerrscher, als ersten Augustus anerkannt. So unbestreitbar war Konstantins bergewicht, da die beiden anderen wohl oder bel sichdieser Umkehrung der Rangordnung fgen muten. Auch Licinius tates:das von ihm nach seinem Feldzug gegen Maximinus Daja verffentlichte Ausschreiben stellt Konstantins Namen voran. Selbst wenn die

    ses nicht ausdrcklich davon sprche, mte man voraussetzen, daKonstantin zu Mailand in mndlichen Verhandlungen die wesentlichen Punkte des Regierungsprogramms mit Licinius durchgesprochenhabe,der zudem noch durch verwandtschaftliches Band an ihn geknpftwar. Ebenso versteht sich von selbst, auch ohne die Besttigung derUrkunde, da die wichtigste Frage dabei die Feststellung der knf-tigen Religionspolitik betraf.Keines Wortes bedarf es, da hier, wennirgendwo, der berlegene den Ausschlag gab. Zweifellos waren die

    Festsetzungen schriftlich fixiert35

    ; beide, der fhrende wie der einrumende Partner, hatten ein Interesse daran, das von ihnen Durchgesetzte oder Behauptete gegen Umdeutung zu sichern. Insbesonderemute es Konstantin anliegen, dem lteren Rivalen, der sich ungerngenug dem herrscherlichen Willen des aufstrebenden Westkaisers gefgt haben drfte, bestimmte Richtlinien mitzugeben, die seine Politik

    bus quae prius scriptis ad officium tuum datis super christianorum nomine (con-tinebantur, et quae prorsus sinistra et a nostra dementia aliena esse) uidebantur,

    {ea.remo ueantur , et) nunc libere ac simpliciter unus quisque eorum, qui ean demobse ruan dae religionis christianorum geru nt uoluntat em, citra ullam inqu ietudinemac molestiam sui id ipsum obseruare contendant. 5. Quae sollicitudini tuae plenis-sime significanda esse credidimus, quo scires nos liberam atque absolutam colen-dae religionis suae facultatem isdem christianis dedisse. 6. Quod cum isdem anobis indultum esse peruideas, intellegit dicatio tua etiam aliis religionis suaeuel obseruantiae potestatem similiter apertam et liberam pro quiete temporisnostri (esse) concessam, ut in colendo quod quisque delegerit, habeat liberamfacultatem." 10. In quibus Omnibus supra dicto corpori christianorum interces-sionem tuam efficacissimam exhibere debebis, ut praeceptum nostrum quantocius

    conpleatur, quo etiam in hoc per clementiam nostram quieti publicae consulatur.11. Hactenus fiet, ut, sicut superius comprehensum est, diuinus iuxta nos fauor,quem in tantis sumus rebus experti, per omne tempus prosp ere successibus nostriscum beatitudine publica perseueret" (Laktanz, De mort. pers., c. 48; p. 132134).

    35 R. LAQUEUR, Die beiden Fassungen des sog. Toleranzedikts von Mailand(Epitymbion H. Swoboda, 1927, S. 132141) betont: da diese Vereinbarungenin irgendeiner Form schriftlich festgelegt wurden, versteht sich bei der Schwierigkeit der Materie und der politischen Lage von selbst" (S. 139).

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    festlegten; es sollte keinen Rckfall in das verlassene System geben,dessen Verderblichkeit zur Genge erwiesen war. Das alles ergibt sichaus der Lage und den das Gesetz einfhrenden Worten: Konstantinder erstgenannte Kaiser, die Verhandlungen in Mailand, der Vorrang

    der Religionsfrage. Es ergibt sich aber auch aus dem Inhalt. Wievielman immer an Konzessionen dem berzeugten Sonnenverehrer Licinius zutrauen will, wenn er es war, der die Gunst des Himmels in sogroen Dingen erfahren hatte, so ist alles andere als glaublich, da erdann den Dank fr den Sieg gerade durch Freigabe des christlichenKults abgestattet htte. Es bedurfte eines strkeren Geistes und einerkraftvolleren Hand, um die Gedanken fassen und ausdrcken zu knnen, die in der Urkunde enthalten sind36.

    Wendet man sich gleich dem Inhalt zu, so haben wir die Wahl zwischen drei Auslegungsweisen. Die erste begngt sich damit, festzustellen, was hier angeordnet wird. So mochten es etwa die Provinzial-statthalter tun, die das Verfgte auszufhren hatten; ihnen kam eszunchst auf den Rechtsinhalt an. Eine zweite Weise ist die des Konstantin-Biographen, der versuchen mu, das Dokument als Zeugnisfr das Werden des Kaisers auszuwerten. Er wird wnschen, etwamit Hilfe gleichzeitiger Urkunden, den konstantinischen Anteil daran

    zu erschlieen. Dann kann sich ihm das Schriftstck, in dem er einenKompromi zwischen verschiedenen Auffassungen erblicken mag, inseine Bestandteile auflsen. Wir mssen einen dritten Weg gehen: Esgilt, das bedeutsame Gesetz als ein Ganzes zu wrdigen und zu bercksichtigen, was alles es an Hinweisen auf seine Absicht und diezugrunde liegenden berzeugungen enthlt; nur so ist ein volles Verstndnis zu erreichen.

    Verfgt ist um mit dem Greifbarsten zu beginnendie Rckgabe

    des Kircheneigentums, der Versammlungshuser und Friedhfe. Ferner sind alle Beschrnkungen aufgehoben, die bisher den christlichen

    Wohl weisen die reta rdie rend en M ome nte , die man Licinius zuschreibendarf, auf den Kompromicharakter des Ganzen hin; von einer Privilegierung deschristlichen Klerus ist so wenig die Rede wie von kaiserlichen Dotationen an dieKirche oder auch einer Rckgabe des Privateigentums. Das quicquid divinitatis"ist offener fr eine polytheistische Deutung als eine monotheistische. Was frLicinius ein Maximum darstellte, bedeutete fr Konstantin ein Minimum. Doch

    in dem Hervorheben der eigenen freien Hingabe an den Dienst der Gottheit, wiees als Grundberzeugung Konstantins spter den vollsten Ausdruck fand, meldetsich ein anderer Glaube zu Wort als der rmische oder der Sonnendienst desLic inius . Die gewisse Span nu ng in dem Schriftstck ist schon von G. BOISSIERbeobachtet; er unterscheidet den christenfreundlichen Tenor des Ganzen und einige Ausdrcke heidnischer Provenienz und macht fr diese entweder die cour-toisie" Konstantins oder seine heidnische Kanzlei verantwortlich (La fin du paga-nisme 1,1891, p. 62 sq.).

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    22 Konstantinische Wende und Glaubensfreiheit

    Kultus behinderten. Diese Anordnungen leiten sich unmittelbar ausder Freiheit ab, die jedermann zugesprochen wird: alle knnen sich frdie Religion entscheiden, die sie wollen, die christliche oder eine andere.Begrndet aber wird die Freigabe mit dem Satz, nur so knne die Gott

    heit uns gnstig und gndig sein. Die Sicherung der fr den Staat unentbehrlichen himmlischen Gunst ist der ausgesprochene Zweck der neuen Religionsordnung. Das Mailnder Edikt" hlt sich also darin imRahmen des antiken Religionsdenkens, da es auf die kultische Sicherung des Staates ausgeht. Der himmlische Schutz, dessen auch dermchtigste Kaiser nicht entraten kann, dem er vielmehr gerade seineMacht verdankt, mu gewonnen und gewahrt werden durch rechteVerehrung. Darin ist ,Mailand' dem Galerius-Edikt verwandt. Doch

    andererseits ist der Abstand gro. Whrend Galerius den Christenwiderstrebend einrumte, was er ihnen nicht mehr vorenthalten konnte, werden sie jetzt begnstigt. Dort war es nur eine zustzliche Hilfegewesen, die sich der Kaiser von ihrem Kult versprach. Hier aber istes gerade ihr Gottesdienst, dessen Freigabe die Fortdauer der gttlichen Gnade gewhrleistet. Sie stehen nicht mehr am Rande, sondernim vollen Licht. Man mag fragen, ob nicht das Wohlgefallen des Himmels eben auf ihnen ruht. Wenn die ,groen Dinge', in denen jngst

    die gttliche Gunst sich erwies, nur der Sieg vor Rom sein knnen,um den es in allen gleichzeitigen Zeugnissen geht, hat dann nicht daschristliche Zeichen, unter dem dieser Sieg errungen war, auch Mailand" zu deuten? Schlielich mag noch die kaiserliche Hingabe an denDienst der Gottheit, frei", wie sie geleistet sein will, auf Konstantinseigene Erfahrung zurckblicken, die nun auch allen zustatten kommensoll37. Das alles ist freilich aus dem Dokument allein nicht mit Sicher-

    37

    Die bedeut same Wend un g cuius religioni liberis ment ibus obseq uim ur"(vgl. o. S. 19 A. 34, 3.) fehlt bei Euseb; wurde sie als konstantinisch in der zweiten,unter Licinius verffentlichten, Ausgabe der Kirchengeschichte entfernt? Umgekehrt hat nur Euseb das scharfe Wort ber die jetzt widerrufenen Edikte derVorgnger erhalten: xiva Jivv cxaid xai xrjc, rmexeoa; j[pa6xr|xoc, XXxpia elvoiEOXEI, xaCxa cpaipEfj. Moreau bernimmt es aus der bersetzung des Valesiusin den lateinischen Text seiner verdienstlichen Laktanzausgabe: amotis omnibusomnino condicionibus quae prius scriptis ad officium tuum datis super christiano-rum nomine (continebantur, et quae prorsus sinistra et a nostra dementia alienaesse) uidebantur, (ea remoueantur . . .)". In der Tat enthlt der lateinische Text

    eine Lcke, die mit Hilfe Eusebs aufgefllt werden mu . Aber das von Morea ustatu ierte Homoio teleu ton con tineban tur . . . uid eba ntu r" befriedigt nicht recht,da es fr seinen ersten Bestandteil auf einer neueren bersetzung beruht undauch am Schlu einer Ergnzung bedarf. Fehlte im Laktanztext das verwerfendeWort, so drngt sich die Frage auf, ob nicht Licinius (oder sein Beamter) Anstan dnahm, in dem unter seinen Augen in Nikomedien publizierten Text so un-gescheut das Geset z des Diokle tian als ox

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    Mail nde r Edikt' 23

    heit zu erheben. Bleiben wir bei ihm selbst und werfen nochmals ei

    nen Blick auf das Galerius-Edikt zurck, so wird ein weiterer Unter

    schied sichtbar, der zum Verstndnis des neuen Toleranzgesetzes hilft.

    Den Widerruf der Verfolgungsedikte hatte ein Staatsnotstand erzwungen. ,Mailand' aber redet im Bewutsein, da die Not behoben

    ist und es aufwrts geht. Das jetzt Verfgte ist durch keine Zwangs

    lage abgentigt, sondern will einer groen Stunde entsprechen.

    Obwohl der jetzt im Reich Fhrende sich vom Recht der Christen

    berzeugt hatte, kam es nicht einfach zu einer Umkehrung des bishe

    rigen Verhltnisses. Was immer zwischen den Zeilen zu lesen steht,

    in ihnen hat keine der beiden Religionen den Vorrang. Mag man einen

    Augenblick stutzen, wenn der alte Kult, der jahrhundertelang das R

    mische Reich getragen hatte, nur leichthin als die mit der christlichen

    tik seiner Vorgnger, gerade auch eines Diokletian, abzusetzen. Die Meinung

    Moreaus, es sei hier an Maximins Sabinusreskript zu denken (II, 461), hat keinen

    Anhalt im Text. Die eusebische Fassung (h. e. X, 5, 214) hat auch sonst, be

    sonders mit ihrer Prambel, manches bewahrt, was die durch Laktanz bermit

    telte nikomedische ausl t. Beide Fassungen ergnzen sich und lassen so wie

    H. NESSELHAUF, Das Toleranzgesetz des Licinius (Histor. Jahrb. d. Grres-Ges. 74

    [1955] 4461) gezeigt hat die gemeinsame Gru ndl age eines Mail nde r Pro to

    kolls durchschimmern. Die Licinianische Deut ung des Mai lnder Edikts" istvor allen Dingen von J. Moreau vertreten (im Kommentar seiner Laktanz-Aus

    gabe, II p. 456 ff. und in dem Aufsatz Les Litterae Licinii [1953], jetzt in Scripta

    Minora, 1964, S. 99105 [Annales Universitatis Saraviensis. Reihe: Philosophi

    sche Fakultt 1]), mit drei Argumenten: 1. Licinius wrde, wenn er ein

    fertiges Edikt aus Mailand mitgebracht htte, es gleich bei seinem Einmarsch

    in Nikomedien, nicht erst vier Wochen spter verffentlicht haben. 2. Euseb

    htte das Mandat, mit dem er seine vorletzte Fassung der Kirchengeschichte

    beschliet, nicht in der letzten getilgt, wenn er es fr konstant inisch geha lten

    ht te . 3. Nur im Machtbereich des Maximinus Daja bedurfte es eines Tole ranzer

    lasses, whren d der Wes ten ja das Galerius-Edikt ans tandslos verffentlichtha tt e. Aber 1. hat te es Licinius um so weniger eilig, die Mailn der Beschlsse

    zu verffentlichen, je mehr nicht er, sondern Konstantin dort die treibende Kraft

    war. 2. war es sinnvoll, wenn Euseb, der die erste Aufl. der Kirchengeschichte mit

    dem Galerius-Edik t beschlo und es in der zwei ten durch das Mai lnder Edikt" er

    setzte, in der letzten vielmehr das noch weitergehende Restitutionsedikt von 324

    aufnahm: dies bestimmte nun Gegenwart und Zukunft. Da Konstantin in sei

    nem Herrschaftsbereich die Mailnder Absprache nicht verffentlichte, erklrt sich

    leicht aus der Tatsache, da er selbst rasch ber dessen von ihm als Minimal

    forderung verstandenen Bestimmungen fortschritt; von Rckgabe privaten Eigen

    tums oder gar Staa tszuwe ndunge n war dort ja noch keine Rede. 3. geht das Mailnder Programm weit ber das Galerius-Edikt hinaus; ganz abgesehen davon,

    da Maximin ja schon vor Ausbruch des Krieges mit Licinius sich unter dem

    Druck Konstantins zu den grten Zugestndnissen an die Christen hatte ver

    stehen mssen. Der Inhalt des Licinius-Erlasses aber legt eine interpretatio chri-

    stiana nahe, wie sie nur Konstantin, nicht aber Licinius selbst zuzutrauen ist.

    Der herkmmliche Name Mailnder Edikt" ist zwar formal unrichtig, sachlich

    aber vllig zutreffend.

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    24 Konstantinische We nd e und Glaubensfre iheit

    zur Wahl gestellte Religion, die einer als die ihm passendste ansieht",bezeichnet wird es fllt doch kein Schatten auf ihn; ja, statt der di-uinitas", von der auch christliche Theologen zu reden pflegten, begeg

    net die nur heidnischer Deutung fhige Wendung, Was immer anGttlichem im Sitze des Himmels ist", bei der man an den zweitenUrheber des Dokuments zu denken hat, den dem Sol Invictus ergebenen Licinius37*. Wie immer, beiden Kulten ist gleiches Recht zugesagt, und beide, der alte wie der neue, brgen fr die Fortdauer dergttlichen Gnade, haben also im Sinne des Edikts ungehinderten Zugang zur Gottheit. Auf beiden Weisen der Gottesverehrung ruht dasReich. Es ist gleichsam eine Ellipse mit zwei Brennpunkten. Gerade soaber erfllte der Erla das von der inneren wie von der ueren Lage

    Geforderte. Darum verdient das Mailnder Edikt" die Beachtung,die ihm in der Geschichte zuteil geworden ist.

    Es gibt noch ein drittes Wort in dieser Zeit des bergangs, den beiden anderen nicht ebenbrtig; aber es zeigt eine weitere Mglichkeitund lt gerade im Abstand die Bedeutsamkeit nicht nur von Mailand', sondern auch des Galerius-Ediktes deutlich werden. Es sind dieEdikte des Maximinus Daja. Er, ein Neffe des Galerius, Herrscher berden Sdosten des Reichs, hatte bisher durch besonders grausame Ver

    folgungen seinen Namen verdunkelt. Nur vorbergehend hatte dasGalerius-Edikt ihn zurckgehalten. Nun aber konnte er nicht umhin,dem Druck der Westkaiser stattzugeben. Seine Erlasse wahren ebennoch den Schein der Selbstndigkeit38. Wohl hlt er daran fest, der Bestand des Staates grnde sich auf die Gunst der Gtter, deren Verehrung darum notwendig bleibe. Aber sein Grundsatz sei immer gewesen, die Abtrnnigen nur durch freundliche berredung auf denrechten Weg zurckzuleiten. Die Verantwortung fr all seine nicht

    gut abzustreitenden Gewaltmanahmen schiebt er, so weit er nichteinfach dem Befehl Diokletians habe gehorchen mssen, auf eigenmchtige Richter oder die bergriffe untergeordneter Organe. Daneben fhrt er zu seiner Entschuldigung die Eingabe vieler Stdte an, diekeine Christen in ihren Mauern wnschten; wie konnte er sich ihrer

    " a In erw genswert er Deu tun g mchte H. U. INSTINSKY zwischen dem quic-quid diuinitatis" und der summa diuinitas" einen bedachten Unterschied wahren, das erste sich den Heiden zuwenden, die zweite von Konstantin verehrt wer

    den lassen (G nomon 30 [1958] 128); aber ob Kon stan tin so zu differenzierenwute? Trotz ihrer groen Ausfhrlichkeit hab en mich die Darl egunge n vonS. CALDERONE, Costantino e il cattolicesimo I, 1962, der seltsamerweise dieSpitze der Mailnder" Liciniusbestimmungen gegen Konstantin gerichtet meint,nicht von ihrer Richtigkeit zu berzeugen vermocht.

    38 ber die Edikte des Maximinus Daja vgl. H. DRRIES, Das SelbstzeugnisKaiser Kon stant ins (AAG, Phil. -hist . Kl. 3. F. Nr. 34,195 4), S. 232239 ( = Selbstzeugnis).

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    Maximinus Daja. Konstantins Ausschreiben 324 25

    Bitte versagen! Welchen Anteil er selber an diesen Eingaben hatte,bleibt weislich unerwhnt. Was von der Aufrichtigkeit seiner Erlassezu halten ist, die den Christen Schonung zusichern, zeigt bald daraufeine in Tyrus aufgestellte Bronzeinschrift. Hier wirdganz wie bisher

    die Stadt belobt, da sie von Christen frei zu bleiben verlangt. Ihre

    und des Kaisers fromme Gesinnung soll damit fr ewige Zeiten festgehalten werden. Das alles macht sichtbar, wie wenig man sich aufsolche Duldung verlassen konnte. Wie sie nur unter uerem Druckzustande gekommen war, so gab es fr niemanden einen Zweifel, siewerde bei erster Gelegenheit wieder fallen gelassen werden. Hier hatte man sich nur taktisch einer Machtkonstellation gefgt, ohne eigenen Entschlu. Toleranz aus Gesinnungslosigkeit auch diese Spiel

    art bot also die bergangszeit.Die trgerische Duldung unter Maximinus Daja war von kurzer

    Dauer. Nach seinem Untergang wurden die Verhltnisse im Ostendurch Licinius bestimmt. Dieser hielt sich anfangs an die MailnderVereinbarungen. Aber die zunehmende Spannung mit Konstantinlie ihn mehr und mehr deren Buchstaben, erst recht deren Geist verlassen; wenn auch nicht ausdrcklich widerrufen, praktisch wurdensie schlielich auer Kraft gesetzt. Wie aber wurde es, als die Schlacht

    bei Chrysopolis (324) eine neue Lage schuf? Der Kampf gegen Licinius war als Religionskrieg gefhrt. Je mehr beide Seiten schon in derVorbereitung den religisen Gegensatz herausgekehrt und gleichsamhimmlische Heere beschworen hatten, ihre Sache zum Siege zu fhren,desto mehr mute die Niederlage des heidnischen Kaisers als Beweisder Ohnmacht seiner Gtter erscheinen. Der unter christlichem Zeichenerrungene Sieg gab Konstantin die Alleinherrschaft. Mute nun nichtden Heiden jedes Recht abgesprochen werden? Statt dessen erfolgtetwas vllig Unerwartetes: Die Folgerung, die der Kaiser aus demSiege zieht, ist