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Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Nr. 006 November 2008 Abbildung 1: Methoden der Nanopartikelherstellung: Top-Down und Bottom-Up 2 1 Herstellungsverfahren von Nanopartikeln und Nanomaterialien C. Raab, M. Simkó*, U. Fiedeler, M. Nentwich, A. Gazsó Einleitung Das Spektrum der Anwendungsbereiche von Nanomaterialien und/oder Nanopar- tikeln ist breit. Mittlerweile sind sie in vie- len Produkten und in den verschiedens- ten Anwendungsbereichen vorhanden. Das Gros der großtechnisch gefertigten Nano- produkte sind Nanopartikel, sie entstehen aber auch als Nebenprodukte bei der Her- stellung anderer Materialien 1 . Je nach Einsatzgebiet der Nanopartikel ist eine genau definierte und enge Partikel- größenverteilung (Monodispersität) erfor- derlich. Mit Hilfe bestimmter Synthesever- fahren können gezielt Nanomaterialien hergestellt werden, wie Partikel, Partikel in dünnen Schichten, Dispersionen oder Ver- bundmaterialien etc.. Für das Erreichen der größenabhängigen Partikeleigenschaf- ten sind Herstellungs- und Reaktionsbe- dingungen von ausschlaggebender Be- deutung. Größe, chemische Zusammen- setzung, Kristallinität und Form der Parti- kel lassen sich über Temperatur, pH-Wert, Konzentration, chemische Zusammenset- zung, Oberflächenmodifikation und Pro- zessführung steuern. Für die Herstellung von Nanopartikel wer- den grundsätzlich zwei verschiedene Stra- tegien verfolgt: „Top-Down“ und „Bottom- Up“. Unter „Top-Down“ (von oben nach unten) versteht man im Zusammenhang mit Nanoparikeln die mechanische Zer- kleinerung des Ursprungsmaterials mittels eines Mahlprozesses. In der „Bottom-Up“ Strategie (von unten nach oben) werden Strukturen mittels chemischer Prozesse auf- gebaut (Abbildung 1). Die Auswahl des je- weiligen Verfahrens richtet sich nach der chemischen Zusammensetzung und den anvisierten Eigenschaften der herzustellen- den Nanopartikel. Zusammenfassung Materialien im Nanogrößenbereich wer- den schon seit vielen Jahrzehnten her- gestellt, z. B. wird Carbon black (Indus- trieruß) in der Reifenindustrie verwen- det. Dennoch vergrößert sich das Her- stellungspotenzial durch die neuen und verbesserten Technologien von Jahr zu Jahr. Es handelt sich bei den meisten synthetisch hergestellten Nanomateri- alien um Nanopartikel (80 %). Je nach Einsatzgebiet der Nanopartikel ist eine genau definierte Größenverteilung er- forderlich, die jedoch von der chemi- schen Natur der Nanopartikel abhän- gen kann. Daher gibt es unterschiedli- che Herstellungsverfahren von Nano- partikeln, um eine entsprechende Grö- ßenverteilung zu erreichen. Verfahren in Lösungen oder Verfahren der Selbst- organisierung dürften am häufigsten zur Anwendung kommen. In diesem Dossier werden einige Verfahren zu Herstellung von Nanopartikeln vorgestellt. * Korrespondenzautorin

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Institut für Technikfolgen-Abschätzung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften NNrr.. 000066 •• NNoovveemmbbeerr 22000088

Abbildung 1: Methoden der Nanopartikelherstellung:

Top-Down und Bottom-Up2

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Herstellungsverfahren vonNanopartikeln und Nanomaterialien

C. Raab, M. Simkó*, U. Fiedeler,M. Nentwich, A. Gazsó

Einleitung

Das Spektrum der Anwendungsbereichevon Nanomaterialien und/oder Nanopar-tikeln ist breit. Mittlerweile sind sie in vie-len Produkten und in den verschiedens-ten Anwendungsbereichen vorhanden. DasGros der großtechnisch gefertigten Nano-produkte sind Nanopartikel, sie entstehenaber auch als Nebenprodukte bei der Her-stellung anderer Materialien1.

Je nach Einsatzgebiet der Nanopartikel isteine genau definierte und enge Partikel-größenverteilung (Monodispersität) erfor-derlich. Mit Hilfe bestimmter Synthesever-fahren können gezielt Nanomaterialienhergestellt werden, wie Partikel, Partikel indünnen Schichten, Dispersionen oder Ver-bundmaterialien etc.. Für das Erreichender größenabhängigen Partikeleigenschaf-ten sind Herstellungs- und Reaktionsbe-dingungen von ausschlaggebender Be-deutung. Größe, chemische Zusammen-setzung, Kristallinität und Form der Parti-kel lassen sich über Temperatur, pH-Wert,Konzentration, chemische Zusammenset-zung, Oberflächenmodifikation und Pro-zessführung steuern.

Für die Herstellung von Nanopartikel wer-den grundsätzlich zwei verschiedene Stra-tegien verfolgt: „Top-Down“ und „Bottom-Up“. Unter „Top-Down“ (von oben nachunten) versteht man im Zusammenhangmit Nanoparikeln die mechanische Zer-kleinerung des Ursprungsmaterials mittelseines Mahlprozesses. In der „Bottom-Up“Strategie (von unten nach oben) werdenStrukturen mittels chemischer Prozesse auf-gebaut (Abbildung 1). Die Auswahl des je-weiligen Verfahrens richtet sich nach derchemischen Zusammensetzung und denanvisierten Eigenschaften der herzustellen-den Nanopartikel.

Zusammenfassung

Materialien im Nanogrößenbereich wer-den schon seit vielen Jahrzehnten her-gestellt, z. B. wird Carbon black (Indus-trieruß) in der Reifenindustrie verwen-det. Dennoch vergrößert sich das Her-stellungspotenzial durch die neuen undverbesserten Technologien von Jahr zuJahr. Es handelt sich bei den meistensynthetisch hergestellten Nanomateri-alien um Nanopartikel (80 %). Je nachEinsatzgebiet der Nanopartikel ist einegenau definierte Größenverteilung er-forderlich, die jedoch von der chemi-schen Natur der Nanopartikel abhän-gen kann. Daher gibt es unterschiedli-che Herstellungsverfahren von Nano-partikeln, um eine entsprechende Grö-ßenverteilung zu erreichen. Verfahrenin Lösungen oder Verfahren der Selbst-organisierung dürften am häufigsten zurAnwendung kommen. In diesem Dossierwerden einige Verfahren zu Herstellungvon Nanopartikeln vorgestellt.

* Korrespondenzautorin

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Top-Down/Mechanisch-physikalischeHerstellungsverfahren

Unter „Top-Down“ werden mechanisch-phy-sikalische Herstellungsverfahren verstanden,die auf Ansätzen der Mikrosystemtechnik be-ruhen. Als gängigste mechanischphysikali-sche Zerkleinerungsmethode für die Herstel-lung von Nanopartikeln kommen verschiede-ne Mahlprozesse in Frage, die dem Top-DownVerfahren zugerechnet werden (Abbildung 2).

Mahlprozesse

Im mechanischen Herstellungsansatz wer-den Mikropartikel durch Mahlen zerkleinert.Mahlverfahren kommen bei der Herstellungmetallischer und keramischer Nanomate-rialien zum Einsatz. Für die Herstellung me-tallischer Nanopartikel werden herkömm-liche Ausgangsstoffe (wie etwa Metalloxide)mithilfe von Hochenergie-Kugelmühlenpulverisiert. Die Hochenergie-Kugelmühlensind hierzu mit Mahlkörpern aus Wolfram-carbid oder Stahl ausgerüstet.

Mahlen ist mit thermischer Belastung undEnergieaufwand verbunden. Ein etwaiger Ab-rieb der Mahlkörper bei langen Einsatzzei-ten kann zur Verunreinigung der Partikel füh-ren. Neben der rein mechanischen Vermah-lung kann auch die Reaktivmahlung zumEinsatz kommen, bei der während des Mahl-prozesses gleichzeitig eine chemische bzw.chemisch-physikalische Reaktion abläuft.

Verglichen mit den chemisch-physikalischenHerstellungsverfahren (s. u.) führt die Zerklei-nerung von Partikeln durch Mahlen zu Pro-duktpulvern mit relativ breiter Partikelgrö-ßenverteilung. Eine gezielte Kontrolle derPartikelform ist mit dieser Methode praktischnicht möglich.

Bottom-Up/Chemisch-physikalischeHerstellungsverfahren

Bottom-Up-Methoden nutzen die physikalisch-chemischen Grundsätze der molekularen bzw.atomaren Selbstorganisation. In diesen Her-stellungsverfahren werden komplexere Struk-turen gezielt aus Atomen bzw. Molekülen auf-gebaut, wodurch die Kontrolle der Partikel-größe und Form sowie der Partikelgrößenver-teilung ermöglicht wird. Darunter fallen zumBeispiel Aerosolverfahren, Fällungsreak-tionen und Sol-Gel-Prozesse (Abbildung 3).

Gasphasenprozesse(Aerosolprozesse)1

Gasphasenprozesse gehören zu den groß-technisch gängigsten Verfahren, um Nano-materialien in Pulver- oder in Filmform her-zustellen.

Nanopartikel werden aus der Gasphase ge-bildet, indem ein Dampf des Produktmate-rials auf chemischem oder physikalischemWege erzeugt wird. Die Bildung erster Na-nopartikel, die sich im flüssigen oder festenZustand befinden können, erfolgt durch ho-mogene Keimbildung. Das weitere Partikel-wachstum findet je nach Prozess durch Kon-densation (Übergang vom gasförmigen inden flüssigen Aggregatzustand), durch che-mische Reaktion(en) an der Partikelober-fläche und/oder durch Koagulationsvorgän-ge (Aneinanderhaftung zweier oder mehre-re Partikel) sowie durch Koaleszenzvorgän-ge (Fusion von Partikeln) statt. Beispiele sindVerfahren in Flammen-, Plasma-, Laser- und

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Abbildung 2: Übersicht über mechanisch-physikalische

Verfahren der Nanopartikelherstellung

Abbildung 3: Chemisch-physikalische Prozesse zur Nanopartikelherstellung

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Heißwandreaktoren, wie sie für die die Her-stellung von Fullerene und Kohlenstoffnano-röhrchen verwendet werden:

• In Flammenreaktoren werden Nanopar-tikel durch die Zersetzung von Ausgangs-molekülen in der Flamme bei relativ ho-hen Temperaturen (etwa 1.200–2.200 °C)gebildet. Flammenreaktoren werden heu-te großtechnisch für die Herstellung vonRuß, Pigment-Titandioxid und Siliziumdi-oxidpartikel verwendet.

• In Plasmareaktoren liefert Plasma (ioni-siertes Gas) die Energie für die Verdamp-fung und zur Initialisierung von Zerset-zungsreaktionen.

• In Laserreaktoren wird der gasförmigeAusgangsstoff mit einem Laser selektivüber die Absorptionswellenlänge erhitztund zum gewünschten Produkt zersetzt.

• In Heißwandreaktoren wird Verdampfungund Kondensation eingesetzt. Das Aus-gangsmaterial wird bei niedrigem Drücken(um 1 mBar) in ein reaktionsträges Gasverdampft, das die angereicherte Gaspha-se aus der heißen Zone entfernt. Die durchrasches Abkühlen gebildeten Partikel wer-den auf Filtern gesammelt. Technisch wer-den Heißwandreaktoren beispielsweisefür die Herstellung von nanoskalierten Ni-ckel- und Eisenpulvern verwendet.

• Das chemische Gasphasenabschei-dungsverfahren wird für die direkte Ab-scheidung der Nanopartikel aus der Gas-phase auf die Oberflächen verwendet.Dabei wird der Ausgangsstoff im Vakuumverdampft und an einer erhitzten Ober-fläche in einer chemischen Reaktion kon-densiert, d. h. aus der Gasphase in dasfeste Endprodukt abgeschieden.

Tropfenbildung ausPartikel

Partikel können mit Hilfe von Fliehkraft,Druckluft, Schall, Ultraschall, Vibrationen,Elektrostatik und anderen Methoden auchaus Tropfen gebildet werden. Die Tropfenwerden entweder durch direkte Pyrolyse(thermische Spaltung chemischer Verbin-dungen) oder durch direkte Reaktionen miteinem anderen Gas in Pulver umgewandelt.Bei der Sprüh-Pyrolyse werden Tropfen desAusgangsstoffes durch ein Hochtempera-turfeld (Flamme, Ofen) transportiert, waszur raschen Verdampfung der leicht flüch-tigen Komponente oder zu Zersetzungsre-aktionen führt. Die gebildeten Partikel wer-den auf Filtern gesammelt.

Flüssigphasenprozesse3

Die nasschemische Synthese von Nanoma-terialien läuft in der Regel bei niedrigerenTemperaturen als die Gasphasensyntheseab. Die wichtigsten Flüssigphasenprozessezur Herstellung von Nanomaterialien sindFällungen, Sol-Gel-Prozesse und Hydrother-mal-Synthesen (siehe Abbildung 3).

Fällungsprozesse

Die Fällung (Ausflockung) von Feststoffenaus einer Metallionen enthaltenden Lösungist eines der am häufigsten verwendetenHerstellungsverfahren von Nanomateriali-en. Metalloxide, nichtoxidische und auch me-tallische Nanopartikel können so durch Fäl-lung hergestellt werden. Das Verfahren ba-siert auf Reaktionen von in Lösungsmittelngelösten Ausgangssalzen. Zur Bildung desgewünschten Partikelniederschlags wird einFällungsreagenz zugegeben und der gebil-dete Niederschlag abfiltriert und thermischnachbehandelt.

Bei Fällungsprozessen werden Partikelgrö-ße und -größenverteilung, Kristallinität undMorphologie (Form) durch die Reaktionski-netik (Reaktionsgeschwindigkeit) bestimmt.Neben der Konzentration der Ausgangsstof-fe, zählen die Temperatur, der pH-Wert derLösung und auch die Reihenfolge der Zu-gabe der Ausgangsstoffe und Mischvorgän-ge zu den Einflussfaktoren.

Für eine gute Größenkontrolle kann die Ver-wendung von selbstanordnenden Membra-nen erreicht werden, die als Nanoreakto-ren zur Partikelherstellung dienen. Zu die-sen Nanoreaktoren gehören Mikroemulsio-nen, Blasen, Mizellen und Liposome. Sie be-stehen aus einer polaren Gruppe und ei-ner unpolaren Kohlenwasserstoffkette. Mi-kroemulsionen bestehen zum Beispiel auszwei, in den verwendeten Konzentrationennicht miteinander mischbaren Flüssigkeiten,meistens Wasser und Öl und mindestens ei-nem Tensid (Substanz welche die Oberflä-chenspannung von Flüssigkeiten herabsetzt).In bestimmten Lösungsmitteln formen sichso kleine Reaktionsräume, in denen Keim-bildung und kontrolliertes Partikelwachstumvonstatten gehen. Die Partikelgröße wirddurch die Größe der Nanoreaktoren be-stimmt und gleichzeitig wird die Agglome-ration (Verklumpung) der Partikel verhindert.Mikroemulsionsverfahren kommen insbe-sondere bei der Herstellung von Nanopar-tikeln mit bestimmten Funktionen für Phar-mazeutika und Kosmetika zum Einsatz.

Ein weiteres Verfahren, das auf selbstorga-nisiertem Wachstum mit Templaten (schab-lonartige Abstandhalter) basiert, ist die Hy-drothermal-Synthese. Zeolithe (mikropo-röse Aluminium-Silizium-Verbindungen) wer-den aus wässrig überhitzen Lösungen in Au-toklaven (luftdicht verschließbaren Druck-behältern) hergestellt. Durch das teilweiseVerdampfen des Lösungsmittels baut sichim Autoklaven ein Druck (von einigen Bar)auf, wodurch andere chemische Reaktionenablaufen als unter Standardbedingungen,z. B. durch die Veränderung der Löslichkei-ten. Die Bildung von Nanopartikeln und dieForm der Hohlräume kann durch Zugabevon Templaten gesteuert werden. Templatesind Partikel mit Verbindungen, die die Bil-dung von bestimmten Formen und Größenermöglichen.

Sol-Gel-Prozesse

Sol-Gel-Synthesen (Herstellung eines Gelsaus pulverförmigen Stoffen) sind nassche-mische Verfahren zur Herstellung poröserNanomaterialien, keramisch nanostruktu-rierter Polymere und Beschichtungen sowieoxidischer Nanopartikel. Die Synthese läuftunter relativ milden Bedingungen und nied-rigen Temperaturen ab. Als Sole werden Dis-persionen fester Partikel im Größenbereichzwischen 1–100 nm bezeichnet, die sich feinverteilt in Wasser oder organischen Lösungs-mitteln befinden.

Beim Sol-Gel-Verfahren erfolgt die Herstel-lung bzw. Abscheidung der Werkstoffe je-weils von einem flüssigen Sol-Zustand aus,der durch eine Sol-Gel-Transformation in ei-nen festen Gel-Zustand überführt wird. Wäh-rend der Sol-Gel-Umwandlung kommt eszu einer drei-dimensionalen Vernetzung derNanopartikel im Lösungsmittel, wodurch dasGel Festkörpereigenschaften erhält. Gelelassen sich z. B. in einem (oxid)keramischenWerkstoff durch eine kontrollierte Wärme-behandlung unter Luft umformen.

Zunächst kann eine Lösung aus einem Alk-oxid (Metallverbindung eines Alkohols z. B.mit Silizium, Titan oder Aluminium) eine or-ganometallische Verbindung durch die Zu-gabe von organischen Stoffen im Sol-GelProzess hergestellt werden. Der pH-Wert derLösung wird mit einer Säure oder Base ein-gestellt, die auch als Katalysator die Umset-zung des Alkoxids auslöst. Die ablaufendenReaktionen sind Hydrolyse (Spaltung einerchemischen Verbindung durch Wasser) undanschließende Kondensation und Polyme-risation (Reaktion aus eingliedrigen zu viel-oder langgliedrigen Verbindungen). Die Par-tikel oder das oxidische Polymer wachsen

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bei fortlaufender Reaktion, bis ein Gel ent-steht. Bedingt durch die hohe Porosität desNetzwerkes haben die Partikel meist einegroße Oberfläche, einige hundert Quadrat-meter pro Gramm. Der Ablauf der Hydro-lyse und Polykondensationsreaktion hängtvon vielen Faktoren ab: Zusammensetzungder Ausgangslösung, Art und Menge desKatalysators, Temperatur sowie Reaktor- undMischgeometrie.

Die alkoxidische Ausgangslösung des Sol-Gel-Prozesses kann für Beschichtungen auchauf Oberflächen beliebiger Geometrie auf-gebracht werden. Nach der Benetzung er-folgt durch die Gel-Bildung der Aufbau desporösen Netzwerkes, was zu Schichtdickenvon 50–500 nm führt. Dickere Schichten,die zum Beispiel als Membranen eingesetztwerden können, entstehen durch wiederhol-tes Benetzen und Trocknen. Auch die Her-stellung von Fasern ist durch das Sol-Gel-Verfahren möglich. An die Bildung des Gelsschließt sich in allen Fällen ein Trocknungs-schritt an. Abbildung 4 verdeutlicht die un-terschiedlichen Reaktions- und Verarbei-tungsschritte des Sol-Gel-Prozesses.

Ein bedeutender Vorteil des Sol-Gel-Verfah-rens liegt in der Verarbeitbarkeit der Soleund Gele, je nach Behandlungsschritt zu Pul-vern, Fasern, Keramiken und Beschichtun-gen. Außerdem können hochporöse Nano-materialien hergestellt werden. Durch Fül-lung dieser Poren während oder nach derGelherstellung lassen sich Verbundwerkstof-fe herstellen. Die tiefe Prozesstemperatur ge-stattet es ferner, Wirkstoffe im Laufe des Syn-theseschrittes in das Gel einzubetten, die ge-speichert und kontrolliert wieder freigesetztwerden können. Die Nachteile des Sol-Gel-Prozesses liegen bei den schwer zu kontrol-lierenden Synthese- und Trocknungsschrit-ten, die ein Scale-up des Verfahrens erschwe-ren. Ferner können organische Verunreini-gungen im Gel verbleiben. Die meist not-wendigen Reinigungsschritte, Trocknung undthermische Nachbehandlung führen zu ei-nem im Vergleich zur Gasphasensyntheseaufwändigen Herstellungsprozess.

Die nasschemische Synthese von Nanoma-terialien führt dazu, dass die gewünschtenkristallinen Formen oftmals nicht eingestelltwerden können und die thermische Stabili-tät der Produktpulver geringer ist. Eine ther-mische Nachbehandlung mit wiederholterVerminderung der Oberfläche der Partikelist in diesem Fall notwendig. Andererseitslassen sich über die Flüssigphase hochpo-röse Materialien produzieren, die aufgrundder hohen Temperaturen in Gasphasenre-aktoren meist nicht herstellbar sind. Mit ei-nigen Ausnahmen lassen Gasphasenpro-

zesse auch nicht die Produktion organischerNanopartikel zu. Flüssigphasenprozesse eig-nen sich besonders für die gezielte Herstel-lung monodisperser Produktpulver (mit ein-heitliche Partikelgröße).

Anmerkungen und Literaturhinweise

1 Rössler A, Georgios Skillas Sotiris E. Pratsi-nis, 2001, Nanopartikel – Materialien der Zu-kunft: Maßgeschneiderte Werkstoffe, Chemiein unserer Zeit 35(1), 32-41.

2 lmn.web.psi.ch.3 Stefan, E., 2004, Chemische Technik. Pro-

zesse und Produkte, 5. Aufl. Herausgegebenvon Roland Dittmeyer, Wilhelm Keim, GerhardKreysa und Alfred Oberholz, Angewandte Che-mie 116(42), 5.687-5.788.

4 www.uni-ulm.de/uni/fak/natwis/anorgchem.

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Erläuterungen:

Dispersion (disperses System): Aus zweioder mehreren Phasen bestehendes Stoff-gemisch, bei dem ein Stoff in einem an-deren in feinster Form verteilt ist.

Emulsion: Disperses System, bei dem Flüs-sigkeitströpfchen in einer anderen Flüs-sigkeit verteilt sind.

Suspension: Disperses System, bei demunlösliche Feststoffteilchen in einer Flüs-sigkeit verteilt sind.

Abbildung 4: Reaktions- und Verarbeitsungsschritte

im Sol-Gel-Prozess4

IMPRESSUM:

Medieninhaber: Österreichische Akademie der Wissenschaften; Juristische Person öffentlichen Rechts(BGBl 569/1921 idF BGBl I 130/2003); Dr. Ignaz Seipel-Platz 2, A-1010 Wien

Herausgeber: Institut für Technikfolgen-Abschätzung (ITA); Strohgasse 45/5, A-1030 Wien;www.oeaw.ac.at/ita

Erscheinungsweise: Die NanoTrust-Dossiers erscheinen unregelmäßig und dienen der Veröffentlichung der Forschungsergebnisse des Instituts für Technikfolgen-Abschätzung im Rahmen des Projekts NanoTrust.Die Berichte werden ausschließlich über das Internetportal „epub.oeaw“ der Öffentlichkeit zur Verfügunggestellt: epub.oeaw.ac.at/ita/nanotrust-dossiers/

NanoTrust-Dossier Nr. 006 November 2008: epub.oeaw.ac.at/ita/nanotrust-dossiers/dossier006.pdf

ISSN: 1998-7293

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