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Frau Jekic, 2009 haben Sie das Buch «Unter 7 Über 70» für generationenüber- greifende Singprojekte veröffentlicht. Als Musikpädagogin und Dozentin für Elemen- tare Musikerziehung führen Sie schon lan- ge solche Projekte durch – wie kam das? 2004 habe ich eine Kita-Gruppe für musi- kalische Früherziehung geleitet und dort waren zwei Omas mit dabei. Dort habe ich erlebt, wie viel Freude beide Generationen am gemeinsamen Musikmachen hatten, wie wenig Annäherungsschwierigkeiten es gab – ja, wie das praktische musikali- sche Tun ohne viel Reden schnell Kontakt herstellen kann. Anschließend wollte ich Musikgruppen für Großeltern und En- kel anbieten. Das ließ sich jedoch schwer organisieren, weil sie oft nicht am selben Ort leben. So kam ich auf die Idee, einmal wöchentlich mit Vorschulkindergruppen in Seniorenheime zu gehen, so entstand das Konzept «Unter 7 Über 70». Die Senioren sind beseelt, wenn sie Kin- der sehen, denn oft haben sie selbst wenig Kontakt zu ihren Enkeln und Urenkeln. Und die Zufriedenheit und Ausgeglichenheit der Senioren überträgt sich auf die Kinder, die wiederum häufig kaum Bezug zu den eigenen Großeltern haben. Wo überall wird Ihr Konzept mitt- lerweile angewandt? Bundesweit. Ich gebe auch in der Schweiz, in Österreich, in Südtirol und Luxemburg Schulungen zum Konzept. Das Wichtigste dabei ist, dass die Teilnehmenden eine Praxis- stunde mit echten Kindern in einem echten Seniorenheim erleben. Wenn die Beteiligten die gute Stimmung dort erlebt haben, überzeugt das die Einrichtungen meist, das Projekt weiterzuführen. Was und wen braucht es erfah- rungsgemäß, um ein solches Projekt umzusetzen? Zuerst eine fähige Musikpädagogin oder einen fähigen Musikpädagogen, am besten natürlich Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik mit Hintergrundwissen zur Arbeit mit Kindern wie auch mit Senioren. Oft wagen sich aber auch Erzieherinnen vor, die sich musikalisch weiterge- bildet haben, und übernehmen die Leitung einer Gruppe. Auch Tandem- lösungen aus Erzieherin und Musik- pädagoge können funktionieren. Wichtig ist der Anspruch, dass jede Generation etwas Neues lernen soll. Erzieherinnen, die die Kindergrup- pe ins Pflegeheim begleiten, sollten an der Singstunde teilnehmen. So können sie Inspiration für den Ki- ta-Alltag mitnehmen und auch unter der Woche mit dem Singen weiter- machen. Ein Jahr die «Unter 7 Über 70»-Gruppe zu begleiten, ist für sie im Prinzip wie eine Fortbildung. Was sind typische Hürden? Wenn Kinder schreien und rennen, sehr schnell reagieren oder die Seni- oren von hinten ansprechen, irritiert das die Älteren sehr. Das lernen die Kinder mit der Zeit. Umgekehrt ler- nen Senioren, dass sie die Grenzen der Kinder respektieren müssen, auch wenn sie sie gern streicheln und drücken wollen. Was funktionierte überraschend gut? Wenn ich Musikeinheiten nur für Senioren gegeben habe und neue Lie- der vermitteln oder dazu animieren wollte, sich mit einem Instrument einzubringen, kam oft die Reaktion: Das kann ich nicht, das will ich auch nicht mehr lernen. Sobald Kinder dabei sind, sind die Alten motiviert, das doch zu tun. Sie übernehmen dann die Rolle der Erwachsenen, die zeigen wollen, wie es geht. Oft stau- nen Pflegekräfte darüber, was Frau X oder Herr Y noch können – das hatten sie nämlich bisher nicht gewusst. Wie beziehen Sie stark einge- schränkte Seniorinnen und Senioren ein? Gerade Menschen mit Demenz spre- chen gut auf Musik an, denn diese vermittelt ja vor allem Emotionen. Manchmal werden auch Heimbe- wohner im Pflegebett in unseren Probenraum geschoben. Die nehmen nicht aktiv teil, genießen aber den- noch den Klang und empfinden die Musik mit. Sieht man den Gesichts- ausdruck, mit dem sie eintreffen, und den, mit dem sie wieder gehen, weiß man um die Wirkung der Musik. Wie steht es mit Stimmbildung und der Tonlage, in der musiziert wird? Wir starten mit einem Begrüßungs- lied, in das auch Stimmbildungsele- mente eingebaut werden. Die meis- ten Lieder singen wir in D-Dur. Dazu passend kann man mit Klangbaustei- nen musizieren. Früher wurden Lie- der oft noch höher notiert als die, die wir heute mit den Kindern singen. An die eher ungewohnte hohe Lage passen sich die Senioren an. Man- che singen aber auch einfach, wie sie wollen. Es gibt viele Handicaps: Die Älteren hören schlecht, Hörgeräte sind häufig nicht optimal ein- Angelika Jekic hat das Konzept «Unter 7 Über 70» für generationen- übergreifende Singprojekte entwickelt. Hier spricht sie über Körper- bewusstsein, überraschte Pflegekräfte und das Urbedürfnis Singen Die Musik- und Evolutionspädagogin Angelika Jekic arbeitet im Fachbereich Elementare Musikerziehung mit Kindern und SeniorInnen. Sie unterrichtet an einer Musikschule und ist bundesweit als Referentin tätig. Dabei stehen gene- rationsübergreifende Musikprojekte im Vordergrund. Viele Praxisideen und Lieder stammen aus eigener Feder, Jekic hat sie in zahlreichen Publikationen zum Beispiel bei Schott und Bosse veröffentlicht. «Hier lernen alle dazu» Bei «Unter 7 Über 70» hat jeder mal den Hut auf. Kin- der lernen neben neuen Liedern auch, den Senior- Innen zu helfen, wie hier im ELIM Seniorencentrum Eppendorf F Interview: Nora Friedel Titel 21 Chorzeit~ NOV 2018 Foto: Diakonie / Annette Schrader

«Hier lernen alle dazu» - Deutscher Chorverband...wir heute mit den Kindern singen. An die eher ungewohnte hohe Lage passen sich die Senioren an. Man-che singen aber auch einfach,

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Frau Jekic, 2009 haben Sie das Buch «Unter 7 Über 70» für generationenüber-greifende Singprojekte veröffentlicht. Als Musikpädagogin und Dozentin für Elemen-tare Musikerziehung führen Sie schon lan-ge solche Projekte durch – wie kam das?2004 habe ich eine Kita-Gruppe für musi-kalische Früherziehung geleitet und dort

waren zwei Omas mit dabei. Dort habe ich erlebt, wie viel Freude beide Generationen am gemeinsamen Musikmachen hatten, wie wenig Annäherungsschwierigkeiten es gab – ja, wie das praktische musikali-sche Tun ohne viel Reden schnell Kontakt herstellen kann. Anschließend wollte ich Musikgruppen für Großeltern und En-kel anbieten. Das ließ sich jedoch schwer organisieren, weil sie oft nicht am selben Ort leben. So kam ich auf die Idee, einmal wöchentlich mit Vorschulkindergruppen in Seniorenheime zu gehen, so entstand

das Konzept «Unter 7 Über 70». Die Senioren sind beseelt, wenn sie Kin-der sehen, denn oft haben sie selbst wenig Kontakt zu ihren Enkeln und Urenkeln. Und die Zufriedenheit und Ausgeglichenheit der Senioren überträgt sich auf die Kinder, die wiederum häufi g kaum Bezug zu den eigenen Großeltern haben.

Wo überall wird Ihr Konzept mitt-lerweile angewandt?Bundesweit. Ich gebe auch in der Schweiz, in Österreich, in Südtirol und Luxemburg Schulungen zum Konzept. Das Wichtigste dabei ist, dass die Teilnehmenden eine Praxis-stunde mit echten Kindern in einem echten Seniorenheim erleben. Wenn die Beteiligten die gute Stimmung dort erlebt haben, überzeugt das die Einrichtungen meist, das Projekt weiterzuführen.

Was und wen braucht es erfah-rungsgemäß, um ein solches Projekt umzusetzen?Zuerst eine fähige Musikpädagogin oder einen fähigen Musikpädagogen, am besten natürlich Lehrkräfte der Elementaren Musikpädagogik mit Hintergrundwissen zur Arbeit mit Kindern wie auch mit Senioren. Oft wagen sich aber auch Erzieherinnen vor, die sich musikalisch weiterge-bildet haben, und übernehmen die Leitung einer Gruppe. Auch Tandem-lösungen aus Erzieherin und Musik-pädagoge können funktionieren. Wichtig ist der Anspruch, dass jede Generation etwas Neues lernen soll. Erzieherinnen, die die Kindergrup-pe ins Pfl egeheim begleiten, sollten

an der Singstunde teilnehmen. So können sie Inspiration für den Ki-ta-Alltag mitnehmen und auch unter der Woche mit dem Singen weiter-machen. Ein Jahr die «Unter 7 Über 70»-Gruppe zu begleiten, ist für sie im Prinzip wie eine Fortbildung.

Was sind typische Hürden?Wenn Kinder schreien und rennen, sehr schnell reagieren oder die Seni-oren von hinten ansprechen, irritiert das die Älteren sehr. Das lernen die Kinder mit der Zeit. Umgekehrt ler-nen Senioren, dass sie die Grenzen der Kinder respektieren müssen, auch wenn sie sie gern streicheln und drücken wollen.

Was funktionierte überraschend gut?Wenn ich Musikeinheiten nur für Senioren gegeben habe und neue Lie-der vermitteln oder dazu animieren wollte, sich mit einem Instrument einzubringen, kam oft die Reaktion:

Das kann ich nicht, das will ich auch nicht mehr lernen. Sobald Kinder dabei sind, sind die Alten motiviert, das doch zu tun. Sie übernehmen dann die Rolle der Erwachsenen, die zeigen wollen, wie es geht. Oft stau-nen Pfl egekräfte darüber, was Frau X oder Herr Y noch können – das hatten sie nämlich bisher nicht gewusst.

Wie beziehen Sie stark einge-schränkte Seniorinnen und Senioren ein?Gerade Menschen mit Demenz spre-chen gut auf Musik an, denn diese vermittelt ja vor allem Emotionen. Manchmal werden auch Heimbe-wohner im Pflegebett in unseren Probenraum geschoben. Die nehmen nicht aktiv teil, genießen aber den-noch den Klang und empfi nden die Musik mit. Sieht man den Gesichts-ausdruck, mit dem sie eintreffen, und den, mit dem sie wieder gehen, weiß man um die Wirkung der Musik.

Wie steht es mit Stimmbildung und der Tonlage, in der musiziert wird?Wir starten mit einem Begrüßungs-lied, in das auch Stimmbildungsele-mente eingebaut werden. Die meis-ten Lieder singen wir in D-Dur. Dazu passend kann man mit Klangbaustei-nen musizieren. Früher wurden Lie-der oft noch höher notiert als die, die wir heute mit den Kindern singen. An die eher ungewohnte hohe Lage passen sich die Senioren an. Man-che singen aber auch einfach, wie sie wollen. Es gibt viele Handicaps: Die Älteren hören schlecht, Hörgeräte sind häufi g nicht optimal ein-

Angelika Jekic hat das Konzept «Unter 7 Über 70» für generationen-übergreifende Singprojekte entwickelt. Hier spricht sie über Körper-bewusstsein, überraschte Pflegekräfte und das Urbedürfnis Singen

Die Musik- und Evolutionspädagogin Angelika Jekic arbeitet im Fachbereich Elementare Musikerziehung mit Kindern und SeniorInnen. Sie unterrichtet an einer Musikschule und ist bundesweit als Referentin tätig. Dabei stehen gene-rationsübergreifende Musikprojekte im Vordergrund. Viele Praxisideen und Lieder stammen aus eigener Feder, Jekic hat sie in zahlreichen Publikationen zum Beispiel bei Schott und Bosse veröff entlicht.

«Hier lernen alle dazu»

Bei «Unter 7 Über 70» hat jeder mal den Hut auf. Kin-der lernen neben

neuen Liedern auch, den Senior-Innen zu helfen, wie hier im ELIM Seniorencentrum

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Frisch ans Werk

W ir alle haben Lieblingseinsingübungen oder Lieblingswitze. Aber wenn jemand jede Woche zur Chorprobe kommt, können die üblichen Sprüche schnell öde werden. Sobald die SängerInnen denken «Das habe ich schon

mal gehört» oder «Nicht schon wieder diese uralte Einsingübung», dann schweifen sie mit ihren Gedanken ab. Und wenn SängerInnen nicht bei der Sache sind, kann die Chorarbeit darunter leiden. Wie kann man nun die Probe möglichst abwechslungs-reich gestalten, um die Chormitglieder bei der Stange zu halten?

Eine Möglichkeit wäre, immer und immer wieder neue Warm-ups, neue Sprüche und neue Songs zu bringen. Das ist aber nicht nur eine Menge Arbeit. SängerInnen singen gerne bekanntes Repertoire, genießen gerne bekannte Warm-ups, freuen sich auf die üblichen Aufwärmübungen. Sie jedes Mal mit etwas Neuem zu konfrontieren, kann für sie wiederum sehr ermüdend sein. Du musst also die richtige Balance fi nden zwischen dem Bekannten und dem Neuen. Hier sind ein paar Ideen.

Nutze eine abwechslungsreiche Bildsprache. Ich arbeite beim Einsingen viel mit Bildern. Es hilft den SängerInnen, jede Übung auf ihre eigene Art anzugehen. Versuche also, die Bilder zu variieren, mit denen du arbeitest.

Variiere den Fokus. Du möchtest natürlich, dass deine SängerInnen jede Übung so erleben, als wäre es das erste Mal. Ändere also jedes Mal den Fokus: Schultern und Kie-fermuskeln entspannen, auf das imaginäre Publikum oder Geräusche von draußen oder die anderen SängerInnen achten, Knie lockern und so weiter.

Variiere deine Ansprachen. Du kennst das sicherlich auch: Sobald die Stewardessen mit dem Sicherheitsgeplapper loslegen, schweife ich ab. Es ist immer dasselbe. Du soll-test deine Wortwahl oder die Reihenfolge der Informationen ändern, damit die Chor-mitglieder nicht aufhören zuzuhören.

Ändere den Kontext. So durchbrichst du die Erwartungshaltung deiner SängerIn-nen. Es kann dieselbe Einsingübung oder dieselbe Ermunterung sein, aber in einem ungewohnten, unerwarteten Kontext werden die Chormitglieder aufmerksamer sein. Du könntest zum Beispiel zur Abwechslung im Freien proben, oder dicht gedrängt in einem kleineren Raum, oder in einer anderen Aufstellung.

Ändere die Reihenfolge. Auch so kannst du den Kontext verändern. Ich habe einmal eine Chorprobe damit begonnen, direkt in die Arbeit an einem großen Werk einzustei-gen. Danach haben wir dann unser übliches Einsingen gemacht. So haben die SängerIn-nen erst gemerkt, wie wichtig das Einsingen überhaupt ist. Ein nicht so radikaler Schritt wäre, einfach die Reihenfolge der Einsingübungen zu verändern.

Der Autor ist Chorleiter und Komponist in Suff olk, Großbritannien, und schreibt über den Chorleiteralltag auf www.blog.chrisrowbury.com

Von

Ch

ris

Row

bu

ry

gestellt. Das führt dazu, dass sie auch weniger sprechen. Ihnen fehlt daher ein Stück Körper-bewusstsein, das durchs Singen wieder aktiviert wird. Denn die Einschränkungen hindern nicht die Lust daran, mitzutun. Mit Kritik halte ich mich deshalb auch zurück oder bringe sie erst an, wenn man sich besser kennt – immer sehr wohlwollend. Keinesfalls will ich erreichen, dass jemand sagt: Ich kann das nicht. Und im Laufe eines Jahres entwickelt sich bei Senioren wie Kindern tatsächlich ein besserer Gesang. Die Kinder, die anfangs in der Sprechlage sin-gen, kommen in ihre Singlage.

Welche Singerfahrungen bringen die Gene-rationen mit?Die Senioren, oft zwischen 80 und 90 Jahren, ha-ben in ihrer Schulzeit noch viel gesungen – die Eltern der Kinder heute nicht. Wir laden regel-mäßig die Angehörigen der Senioren und die Kita-Eltern zu einer Mitmachstunde ein. Da treffen dann vier Generationen aufeinander. Unter den Angehörigen, etwa zwischen 45 und 70 Jahren, wird noch gesungen. Fragt man die jungen Eltern, welches Kinderlied ihnen spon-tan einfällt, kommt da manchmal nichts. Hier ist schon ein Bruch zu spüren. Neulich war eine Mutter dabei, die uns ein türkisches Kinderlied vorgesungen hat – wirklich toll. So etwas kön-nen die wenigsten Eltern. Das spontane Singen ist in den Hintergrund getreten, Musikunter-richt ist sehr theorielastig geworden.

Wie blicken Sie in die Zukunft des Singens?Hier in Augsburg sehe ich ein neues Interesse an Volksmusik, es wird wieder mehr gesun-gen – auch mehrstimmig –, getanzt, Gemein-schaft gepfl egt. Ich leite eine Singgruppe mit Menschen ab 45. Wir singen Evergreens und Schlager, aber alte Volkslieder oder Wiegen-lieder machen ebenso Spaß. Sich selbst übers Singen zu erfahren, ist ein Urbedürfnis. Das ha-ben Menschen immer schon gern gemacht und werden es immer gern tun. Außerdem bietet es eben die Möglichkeit, sich ganz neu zu begeg-nen. Wie zum Beispiel, als eine Seniorenheim-bewohnerin in einer «Unter 7 Über 70»-Stunde auf ihre Enkelin traf, die Erzieherin ist. Singend hatten die beiden einander noch nie erlebt. Das war eine schöne Begegnung.

Das Gespräch führte Nora-Henriette Friedel, Redak-teurin der Chorzeit.

Schwesterprogramm im Geiste: Canto elementar

Den umgekehrten Weg wie «Unter 7 Über 70» geht das

Programm «Canto elementar». Das SingpatInnenprogramm

wurde 2001 vom internationalen Netzwerk zur Förderung der

Alltagskultur des Singens e. V. Il canto del mondo entwickelt.

Es bringt singfreudige ehrenamtliche SeniorInnen zusammen,

die etwa zu zehnt einmal wöchentlich Kitas besuchen. Dort

singen sie mit den Kindern vor allem die Lieder, mit denen sie

aus ihrer eigenen Kindheit positiv verbunden sind. SingpatIn-

nen wie ErzieherInnen werden hierbei professionell weiterge-

bildet und begleitet.

Karl Adamek, Musiksoziologe und Mitgründer von Il canto del

mondo, hat «Canto elementar» ins Leben gerufen. «Es geht

dabei um Beziehungsaufbau und ein spielerisches Singen jen-

seits von Leistung», so Adamek. Das Programm entstand aus

der wissenschaftlich fundierten Überzeugung heraus, dass

das einfache Singen eine Vielzahl positiver Eff ekte hat, die

jedem Menschen und jedem Kind off en stehen sollten: Singen

ermöglicht Gemeinschaftserfahrungen, fördert Inklusion,

erleichtert den Spracherwerb und beeinflusst die psychi-

sche, physische und soziale Gesundheit nachhaltig positiv.

Regelmäßig singende Kinder zeigten in Studien gegenüber

Kindern, die nicht singen, deutliche Vorteile bei Sprachent-

wicklung, kognitiver und koordinativer Entwicklung sowie

emotionalem und sozialem Verhalten. Zugleich wurde das all-

tägliche Singen seit den 1960er Jahren pädagogisch gering-

geschätzt, weshalb folglich heutige Eltern und Erzieher Innen

hier wenig Erfahrung haben. SeniorInnen einzubeziehen, die

als Kinder noch das einfache Singen als Lebensfreude erfah-

ren durften, sieht Canto elementar als Chance, diese Proble-

matik zu überbrücken. Zugleich seien die SingpatInnen mit

ihrem Engagement sehr glücklich und erführen die positiven

Wirkungen des Singens selbst, so Adamek.

2.500 SingpatInnen sind bundesweit aktiv, 250 Kitas und

damit etwa 100.000 Kindergartenkinder haben sie bisher er-

reicht. Einige der PatInnengruppen bestehen seit über 15 Jah-

ren. Das Programm hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten:

Preis der Gunter-und-Juliane-Ribke-Stiftung für besondere

Verdienste auf dem Gebiet der Elementaren Musikpädago-

gik (2011), Deutscher Nationalpreis (2012), Auszeichnung

«Bildungsidee für Deutschland» vom Bundesministerium für

Bildung (2013), Auszeichnung durch «startsocial. Hilfe für

Helfer» unter Schirmherrschaft der Bundeskanzlerin (2014),

Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik für Dr. Karl

Adamek (2017).

Mehr Infos zum Programm:

www.cantoelementar.de und auf YouTube

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