Hintergrund Indonesien 03.04.2014

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  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 1

    Indonesien vor der Wahl

    Moritz Kleine-Brockhoff, Katharina Weber-Lortsch, Akim Enomoto

    Indonesien drittgrte Demokratie und grtes muslimisches Land der Welt whlt am 9. April

    neue Parlamente und am 9. Juli durch Direktwahl einen neuen Prsidenten. Laut Umfragen wird die

    bisherige Oppositionspartei PDI-P strkste Fraktion im nationalen Parlament und ihr Prsident-

    schaftskandidat Joko Widodo neuer Staats- und Regierungschef. Im eigentlich weltoffenen Indonesi-

    en nehmen seit einigen Jahren Nationalismus und Intoleranz zu. Wird der Regierungswechsel Trends

    wenden?

    Dass Indonesiens Regierungswechsel

    kommt, ist entschieden. Der einstige

    Glanz des noch amtierenden Prsidenten

    Susilo Bambang Yudhoyono und seiner

    Partai Demokrat (PD) ist lngst erloschen.

    Yudhoyono hatte die PD 2004 als sein

    politisches Vehikel genutzt. Er gewann

    die damaligen Wahlen mit dem Verspre-

    chen, sauber zu regieren und gegen Kor-

    ruption vorzugehen. Nach einer sehr gu-

    ten ersten Amtszeit wurde der Prsident,

    der direkt gewhlt wird, 2009 mit mehr

    als 60 Prozent der Stimmen im Amt be-

    sttigt. Bei der Parlamentswahl 2009

    wurde seine PD strkste Partei. Doch seit-

    dem geht es steil bergab. Yudhoyono

    packte nicht mehr viel an. Der Zuspruch

    der Brger nahm ab. Nach zwei Amtszeiten darf er sich jetzt ohnehin nicht nochmal als Prsident

    zur Wahl stellen. Seine Partei, die interne Kmpfe ffentlich austrug, strzte tief, als der Fraktions-

    Hintergrund:

    Indonesien

    Nr. 18 / 03. April 2014

    Wahlfahne: Partai Demokrat, Indonesiens bisherige Regierungspartei war

    2009 mit 21% der Stimmen Wahlsieger. Umfrage legen jetzt einen Absturz

    auf ein einstelliges Ergebnis nahe. / Quelle: FNF/MKB

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 2

    chef und ein Minister wegen Korruptionsvorwrfen verhaftet und angeklagt wurden. Ihre Strafver-

    fahren laufen. In der Summe gingen bzw. gehen sowohl das saubere Image der PD als auch ihre

    Gallionsfigur Yudhoyono verloren. Es bleibt zu wenig brig.

    JOKOWI kaum zu stoppen

    Durch die offene Tr wird hchstwahrscheinlich die Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan (PDI-P)

    gehen. Die PDI-P hatte in der vergangenen Legislaturperiode der Versuchung widerstanden, Teil der

    Regierungskoalition von Prsident Yudhoyono zu werden. Mittlerweile ist die Regierung unbeliebt.

    Das nutzt nun der PDI-P. Zum anderen hat nur die PDI-P einen Politiker in ihren Reihen, der populr

    ist: Joko Widodo, genannt Jokowi, 54, frher Brgermeister der Stadt Solo, seit 2012 Gouverneur

    des Groraums Jakarta. Bislang gelingt

    dem ehemaligen Mbelhndler einfach

    alles. 2010, als Widodo eine Amtszeit als

    Brgermeister von Solo hinter sich hatte,

    wurde er dort mit 90 % der Stimmen wie-

    dergewhlt. In Jakarta ein 15-Millionen-

    Moloch mit Smog und Verkehrskollaps ist Widodo seit Oktober 2012 im Amt und

    beliebt wie ein Rockstar. Medien, die ihn

    kollektiv verehren, transportieren den Jo-

    kowi-Rausch ins ganze Land. Widodo ist

    neu und anders. Er gehrt nicht zur alten

    Elite aus der Zeit des Militrherrschers

    Suharto. Widodo tritt bescheiden auf und

    gilt als sauber. Es gibt keine Korruptions-

    vorwrfe, nicht einmal Gerchte. Statt

    Kumpels um sich zu scharen, besetzt er

    Positionen nach Leistung. Wer nichts bringt, wird gefeuert. Widodo, der strahlen kann wie US-

    Prsident Barack Obama, hat in Jakarta noch kein Problem gelst, aber einige angepackt. Er stampft

    in Stiefeln durch Hochwasser. Wchentlich inspiziert er unangekndigt Regierungsstellen, schaut,

    ob seine Beamten pnktlich sind und sagt ihnen, dass sie fr die Brger da sein sollen. In armen

    Nachbarschaften schlendert Widodo durch enge Gassen und fragt Menschen, was sie bewegt. Er

    steht beim Metallica-Konzert in der Menge, joggt beim Jakarta-Marathon und fhrt regelmig mit

    dem Fahrrad zum Bro. Joko Widodos Frische, seine Energie, seine Volksnhe sowie die Medien ha-

    ben ihn zum Star gemacht. Indonesien ist im Jokowi-Fieber. Joko Widodo wird sollten politische

    Erdbeben ausbleiben die Prsidentschaft gewinnen.

    Das Parlament hat Vertrauen verloren

    Doch zunchst wird am 9. April ein neues Parlament gewhlt. Leider verkommt die Wahl zu einem

    Vorspiel der Prsidentschaftswahl. Das liegt zum einen daran, dass die Whler den Respekt vor ih-

    rem Parlament verloren haben und zum anderen am Wahlsystem. Es schreibt vor, dass nur Parteien

    oder Koalitionen einen Prsidentschaftskandidaten stellen drfen, die bei der Parlamentswahl 25

    Wahlplakat: Jokowi, PDI-P, Die favorisierte PDI-P Partei hat ihren Wahl-

    kampf auf ihren Star Joko Widodo, genannt "Jokowi", zugeschnitten. /

    Quelle: FNF/MKB

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 3

    Prozent der Stimmen oder 20 Prozent der Mandate gewannen. Monatelang wurde in Indonesien

    fast ausschlielich darber spekuliert, wer sich mit wem zusammentun knne, um welchen Prsi-

    dentschaftskandidaten zu ernennen. Sachthemen sowie die Fragen, was das neue Parlament in der

    kommenden Legislaturperiode leisten soll und welche Partei fr welchen Kurs steht, verkamen zur

    Nebensache. Erst seit die PDI-P Widodo Mitte Mrz endlich nominierte und die offizielle Wahl-

    kampfperiode begann, spielen Themen eine etwas grere Rolle.

    Indonesiens Wahlsystem

    Am 9. April werden per Verhltniswahl die Abgeordneten der beiden nationalen Kammern sowie der

    Provinz- und der Distriktparlamente gewhlt. 200.000 Kandidaten bewerben sich um insgesamt

    20.000 Mandate. 187 Millionen Wahlberechtigte knnen ihre Stimmen an 550.000 Wahllokalen

    abgeben. Am 9. Juli folgt die erste Runde der direkten Prsidentschaftswahl. Kandidaten treten je-

    weils mit einem Vizeprsidentschaftskandidaten an. Sollte kein Kandidatenpaar die absolute Mehr-

    heit erreichen, kommt es im September zu einer Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten

    Paaren. Das Verfahren stellt sicher, dass der Prsident auf jeden Fall durch eine absolute Mehrheit

    legitimiert ist.

    Den Vertrauensverlust des Parlaments, mit dem nur noch 13 Prozent der Brger zufrieden sind, ha-

    ben sich die Abgeordneten selbst zuzuschreiben. Laut Antikorruptionsbehrde KPK ist das Parlament

    nach der Polizei die zweitkorrupteste Institution Indonesiens. Seit 2004 wurden, quer durch die

    Parteien, 65 Parlamentarier wegen Korruption verhaftet, darunter ein Fraktionsvorsitzender und ein

    Parteichef. In Gerichtsverfahren wird deutlich, dass sich Abgeordnete und Unternehmen, darunter

    Staatsbetriebe, als gngige Praxis gegenseitig Geld zuschieben. Der Staatshaushalt des rohstoffrei-

    chen Landes sieht Ausgaben in Hhe von 172 Milliarden US-Dollar vor. Ob es um Gesetzgebung,

    Import-Quoten oder die Vergabe von Groauftrgen geht: Abgeordnete nehmen Geld fr Entschei-

    dungen und sind im Gegenzug so gut zu Unternehmen, dass dort auch noch ordentlich abgeschpft

    werden kann. Viel ffentliches Geld verschwindet in privaten Taschen, Indonesiens Herausforderun-

    gen bleiben: Infrastruktur, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit nichts ist einem G20 Staat wrdig.

    Auerhalb Jakartas holpert man ber lcherige Straen, der Strom setzt regelmig aus.

    Indonesiens BIP pro Kopf betrgt 3.600 US-Dollar, global entspricht das dem Rang 112. Laut Welt-

    bank lebt die Hlfte der Indonesier, also etwa 117 Millionen Menschen, in der Nhe der nationalen

    Armutsgrenze (22 US$ pro Monat).1 Fairerweise: Indonesien hat Fortschritte gemacht, Armut geht

    zurck, zur Jahrtausendwende war das BIP pro Kopf um ein Drittel niedriger. Aber es knnte viel

    besser laufen. Steckte der Staat nicht so viel Geld in Subventionen sowie in seine Staatsbetriebe,

    wren viel mehr Mittel fr Investitionen in Infrastruktur und Bildung vorhanden. Allein Sprit-

    Subventionen lsst sich der Staat jhrlich, abhngig vom lpreis, zwischen 20 und 30 Milliarden

    US$ kosten. Das entspricht bis zu einem Fnftel der gesamten Staatsausgaben. Zudem: Allein ein

    Staatsbetrieb, der Strommonopolist PLN, bekam 2013 knapp 7 Milliarden US$ staatliche Subvention

    und meldete am Jahresende dann noch einen Verlust von 2,5 Milliarden.

    1 http://www.worldbank.org/en/country/indonesia/overview

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 4

    Protektionismus und Exportstopp

    Bislang ist nur rund ein Drittel der Gesetze verabschiedet worden, mit denen sich das Parlament in

    der laufenden Legislaturperiode beschftigen wollte. Herausragend sind drei protektionistische

    Werke, die Indonesiens Wirtschaft schaden werden: die neuen Gesetze, die Handel, Bergbau und

    Industrie regeln. Alle drei erhhen staatlichen Einfluss, stellen weitere Schranken auf und machen

    auslndischen Unternehmen das Leben schwerer. Die Regierung will Importe und Exporte regulieren.

    Indonesien ist nicht von Freihandel berzeugt, sagte der stellvertretende Handelsminister. Die Gesetze reflektieren zunehmenden, ja demonstrativen Nationalismus, der gut beim Whler an-

    kommt. Auch wenn der erklrte Wille, nationale Interessen zu wahren, nachvollziehbar ist die Mittel bleiben kontraproduktiv. Ein Beispiel: Auslndische Unternehmen frdern gemeinsam mit

    lokalen Partnern seit Jahrzehnten Bodenschtze und exportieren sie, ohne dass im Land Wertschp-

    fungsketten oder gar Industrien geschaffen wurden. Nun will Indonesien das mit dem Holzhammer

    korrigieren. Im Januar wurde ein Exportverbot fr unbehandelte Erze umgesetzt. Kupfer, Bauxit und

    Nickel sind betroffen. Indonesien war bislang weltgrter Exporteur von Nickelerz. Firmen, die Erze

    frdern, sollen sie nicht mehr sofort auer Landes schaffen sondern in Indonesien Verarbeitungsan-

    lagen bauen. Der Zwang ist seit 2009 bekannt, Unternehmen bauten keine Anlagen. Sie verweisen

    auf mangelhafte Infrastruktur und vermissen positive Investitionsanreize. Unterm Strich ist kein

    Problem gelst und ein neues geschaffen: Indonesien verliert durch den Exportstopp zwei Milliarden

    US$ pro Jahr.

    Auslndische Firmen sind verrgert. Das ist nicht gut fr ein Land, in dem bislang 70 Prozent der

    Investitionen von Auslndern gettigt werden. Das Parlament hat nichts geleistet, wir haben fnf

    Jahre verloren, sagt ein indonesischer Geschftsmann, es gab kein Gesetz, das Aufbruch signali-siert htte. Stattdessen schufen die Abgeordneten Restriktionen und Ausnahmeregelungen perfekt

    fr Korruption, schlecht fr das Land. Positiv findet der Geschftsmann nur, dass nicht so viele Gesetze verabschiedet wurden: Desto weniger der Staat tut, desto besser luft die Wirtschaft.

    Getragen von Inlandkonsum wchst Indonesiens Wirtschaft seit 2004 um knapp sechs Prozent pro

    Jahr. Das ist sehr ordentlich, reicht aber nicht fr einen Sprung vom Schwellen- zum Industriestaat.

    Korruption wird endlich strafverfolgt

    Das aktuelle Parlament knnte noch mehr Schaden anrichten, denn es wird nach der Wahl vom 9.

    April noch bis Ende September in alter Besetzung und mit allen Vollmachten tagen. Zuletzt gab es

    Anzeichen dafr, dass jetzt pltzlich doch noch einiges durchgepeitscht werden soll. 34 Gesetzent-

    wrfe liegen vor. Bei angestrebten Neufassungen von Strafrecht und Prozessordung ist im Ge-

    sprch, die Kompetenzen der Anti-Korruptionsbehrde KPK einzuschrnken, indem man Korruption

    nicht mehr als " auerordentliches " Verbrechen einstuft. Ermittlungsmglichkeiten der KPK wr-

    den eingeschrnkt, eigene Gerichtsbarkeit abgeschafft. Die Schritte wrden den Kampf der KPK

    gegen Korruption, den viele Indonesier bewundern, bremsen. Es wre nicht der erste Versuch, die

    KPK zu schwchen. Als die KPK Korruption innerhalb der Polizei aufdeckte, fhrten Polizei und

    Staatsanwaltschaft eine Kampagne gegen fhrende KPK-Beamte. Indonesiens Zivilgesellschaft or-

    ganisierte Demonstrationen, die ffentlichkeit stand hinter der KPK. Die von der Behrde behandel-

    ten Korruptionsflle bringen Indonesien zwar negativen Schlagzeilen, weil es so viele gibt und weil

    manche unfassbar sind. Doch die Entwicklung ist positiv. Indonesiens Korruption ist nicht neu. Neu

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    und gut ist, dass endlich aufgedeckt und strafverfolgt wird. Der bislang unfassbarste Fall: Die KPK

    verhaftete den obersten Richter des Verfassungsgerichtes bei einer Geldbergabe. Er hatte, die Be-

    weislage ist deutlich, regelmig Urteile bei Verfahren verkauft, bei denen es um Einsprche gegen

    Ausgnge von Wahlen auf regionaler Ebene ging. Nach der Verhaftung konfiszierten KPK-Beamte

    Land, Huser, 33 Autos, 31 Motorrder und acht Millionen US$ Bargeld, die dem Richter zuzuord-

    nen waren. In seinem Bro wurden Marihuana-Joints gefunden. Ein DNA-Test beweist, dass der

    Richter geraucht hatte.

    Aus der derzeitigen Legislaturperiode wird

    noch ein weiteres schdliches Gesetz blei-

    ben: das NGO-Gesetz. Es schreibt nationa-

    len Nichtregierungsorganisationen vor, wie

    sie sich zusammenzusetzen haben und gibt

    der Regierung das Recht, Aktivitten zu

    suspendieren. Indonesier knnen de facto

    keine NGO mehr zusammen mit Auslndern

    grnden, weil die Hrden jetzt so hoch

    sind: Der auslndische Partner muss vor der

    Grndung fnf Jahre lang in Indonesien

    gelebt haben und eine Million US$ hinter-

    legen. Internationale NGOs, die schon in

    Indonesien sind, auch Deutschlands politi-

    sche Stiftungen, mssen ab sofort mit ei-

    nem Ministerium zusammenarbeiten. Ob

    zustzlich auch weiterhin mit indonesischen NGOs kooperiert werden darf, entscheidet ein Gremi-

    um, in dem auch Polizei- und Geheimdienst sitzen. Sie haben Vetorecht. Wird internationale Koope-

    ration untersagt, was schon geschehen ist, werden auch indonesische NGOs getroffen. Ihre Unter-

    sttzung aus dem Ausland geht verloren. Wir, die Zivilgesellschaft, sind 1998 auf die Strae ge-gangen, haben General Suharto gestrzt und Demokratie gebracht, erinnert ein indonesischer

    NGO-Aktivist, und jetzt drangsaliert uns unsere demokratisch gewhlte Regierung. Das ist unfass-bar.

    Wegen der Verabschiedung des NGO-Gesetzes stuft Freedom House, das politische Rechte und Br-

    gerrechte bewertet, Indonesien nicht mehr wie seit 2006 als frei ein sondern seit Januar nur noch

    als teilweise frei ein.2 Auch das von der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit herausgege-bene Freedom Barometer Asia, das verschiedene Indexe kombiniert, hat Indonesien 2013 herabge-

    stuft.3

    Die junge Demokratie ist stabil

    Weil in Indonesien einiges im Argen liegt, gert Positives in Vergessenheit. Die 15 Jahre junge De-

    mokratie ist zwar lngst nicht perfekt, aber stabil. Noch in den Jahren 1998 bis 2004 brannte es an

    2 http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/freedom-world-2014#.Uy02Ftzmrik 3 http://www.freedombarometer.org/start-page/asia/ranking/

    KPK-Gebude, Indonesiens Anti-Korruptionsbehrde KPK hat bereits

    mehr als 300 Korruptionsflle aufgedeckt und strafverfolgt. / Quelle:

    FNF/SR

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    vielen Orten: Separatismus, ethnische Konflikte und Terrorismus brachten Tausende Tote und das

    Land an den Abgrund. Auseinanderbrechen war nicht auszuschlieen. Seitdem hat Indonesien mit

    einer Ausnahme (Papua) alle Sicherheitsprobleme gelst und viele gute, wichtige Schritte gewagt.

    Dezentralisierung lste Zentralmacht ab. Verfassungsnderungen verbannten Polizei und Militr aus

    dem Parlament und brachten Direktwahlen von Prsident, Gouverneuren und Brgermeistern. Die

    Staatsverschuldung entsprach 1998 mehr als 150% des Bruttosozialproduktes, heute liegt die Quo-

    te bei 28%. In diesem Jahr werden zum vierten Mal seit dem Sturz Suhartos Wahlen abgehalten,

    die frei und fair sind. Stimmenkauf wird probiert, entscheidet aber nicht ber den Wahlausgang.

    Mit wenigen, traurigen Ausnahmen4 gibt es keine politisch motivierte Gewalt. Die Presse ist frei, die

    Zivilgesellschaft frech. Es ist friedlich im Land. Menschenrechte werden viel mehr geachtet als fr-

    her. Indonesien fhrt wieder ASEAN an. Wirtschaft und Mittelklasse wachsen, Armut geht zurck.

    Kein anderes Land in Sdostasien kann all das vorweisen. Nur leider waren die meisten Errungen-

    schaften bereits 2009 erreicht. Seitdem ist das Land seinen guten Weg nicht weitergegangen. Es

    steht still oder macht Rckschritte mit Ausnahme der beeindruckenden Korruptionsbekmpfung.

    Warum Prsident Yudhoyono in seiner zweiten Amtszeit die Luft ausging, ist unklar. Manche halten

    ihn fr mde. Andere weisen darauf hin, dass er nur in seiner ersten Amtszeit einen Vizeprsidenten

    an seiner Seite hatte, der mitregierte und Probleme lste. Yudhoyono hat vor 2009 viel geleistet. Er

    war es, der die Stabilitt brachte und den Indonesiern Selbstvertrauen zurckgab. Nach der Asien-

    krise standen in Jakarta Bauruinen, sechs Jahre lang wurden kein Hochhaus und kein Einkaufzent-

    rum gebaut. Mit Yudhoyonos Amtsantritt kamen Milliarden, die reiche Indonesier in Singapur ge-

    parkt hatten, zurck und mit ihnen ein Bauboom, der bis heute anhlt. Bei aller Kritik an der Re-

    gierungspolitik: knapp sechs Prozent jhrliches Wirtschaftswachstum ber eine Dekade fllt nicht

    vom Himmel. Indonesien hat mutige Unternehmer und viele Millionen fleiige, ehrgeizige junge

    Menschen. Das Berater-Unternehmen McKinsey rechnet damit, dass Indonesiens Wirtschaft im Jahr

    2030 zur siebtgrten der Welt (derzeit Platz 17) aufgestiegen und damit vor Deutschland und

    Grobritannien liegen werde. Allerdings gibt es auch Experten, die daran nicht glauben.

    Zu den Feldern, auf denen Yudhoyono sich Kritik gefallen lassen muss, gehren eine Militrreform,

    die ausblieb, und das Zulassen religiser Intoleranz und zunehmender Islamisierung. Der Prsident

    sprach von Privatisierung der Firmen, die das Militr betreibt. Es geschah zu wenig. Der Prsident

    forderte pauschal religise Toleranz und tat nichts, wenn sie ausblieb. Knapp 90 Prozent der Indo-

    nesier sind Muslime. Sie leben in der Regel gut mit den 25 Millionen Andersglubigen zusammen.

    Das lag lange unter anderem daran, dass die meisten Indonesier nicht sonderlich glubig waren.

    Doch seit Ende der Suharto-Zeit wird der Islam in Gesellschaft und Politik immer wichtiger und

    konservativer. Zwar sind Terroristen, die von 2000 bis 2009 eine Serie von Bombenattentaten gegen

    westliche und christliche Einrichtungen verbten, gescheitert. Fast alle indonesischen Muslime ver-

    abscheuten Gewalt, die den Namen ihrer Religion beschmt. Der Staat schritt rigoros ein. Geschei-

    tert ist auch die friedliche, konservative PKS Partei, der der Islam wichtiger ist als alles andere. Eine

    Weile lang sah es danach aus, als knne die PKS Volkspartei werden. Seit der Chef der angeblichen

    Saubermann-Partei sich als Dieb entpuppte er wurde wegen Korruption zu 16 Jahren Gefngnis verurteilt ist die PKS im freien Fall. Andere islamistische Parteien, auch die moderaten, verlieren ebenfalls an Boden. Und trotzdem schreitet gleichzeitig eine Islamisierung voran, die Indonesien

    verndert. Es begann Ende der 90er Jahre damit, dass kleine, laute Islamgruppen machen konnten,

    4 Die traurige Ausnahmen: Der politische Mord am Menschenrechtler Munir 2004 ist immer noch nicht wirklich aufgeklrt. In Papua

    wo Menschenrechtsverletzungen anhalten ist nichts gelst. In Aceh wurden jngst zwei Politiker ermordet.

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    was sie wollten anders als zur Suharto-Zeit. Ein Beispiel ist die Islamische Verteidigungsfront

    (FPI), die sich drei Monate nach dem Sturz Suhartos grndete. FPI-Mitglieder tauchen mit Knppeln

    auf, wenn ihnen etwas nicht passt. Alkohol-Ausschank whrend des Ramadans, Publizieren von

    Zeitschriften mit Bildern leicht bekleideter Frauen, Treffen von Schwulen- und Lesben oder eine

    Demonstration Liberaler, die fr Pluralismus eintreten die FPI kommt und prgelt oder droht, und

    der Staat lsst sie und hnliche Gruppen in der Regel gewhren.

    Skulare Parteien wollen islamisch erscheinen

    Vor zehn Jahren sprangen dann einige Regional- und Lokalpolitiker auf den Zucht-und-Ordnung-

    Zug. Sie erlieen in ihren Verantwortungsbereichen Dekrete, die ihre islamistische Auffassung von

    islamischem Recht spiegeln: Rcke von Schulmdchen mssen bis zum Knchel reichen, Alkohol ist

    verboten, Frauen mssen Kopftuch tragen und Stellenbewerber in der Verwaltung den Koran rezi-

    tieren. Mittlerweile gibt es mehr als 150 solcher sogenannten Scharia-Regularien auf lokaler oder

    regionaler Ebene. Politiker von Parteien, die gestern noch glasklar skular waren, zum Beispiel von

    der GOLKAR Partei, machen mit, manche betreiben den Trend sogar. Sie wollen mit ihren Scharia-

    Regularien islamisch erscheinen, weil das in Mode ist. Der prominenteste Sndenfall der groen,

    eigentlich skularen Parteien Indonesiens kam 2008 im Nationalparlament, als mit den Stimmen

    von GOLKAR und Partai Demokrat das von islamischen Parteien gewnschte Anti-Pornografie-

    Gesetz verabschiedet wurde. Es brachte spter einen Rocksnger fr zwei Jahre und einen Chefre-

    dakteur fr acht Monate ins Gefngnis. Der Rockstar hatte private Sexvideos von sich gedreht, die

    irgendwie im Internet landeten. Der Chefredakteur leitete die indonesische Ausgabe des Playboy

    Magazins, das keine nackten Frauen zeigte und vor Gericht trotzdem als Pornografie eingestuft

    wurde. FPI-Schlgertrupps griffen das Redaktionsgebude an und setzten im Gerichtssaal den Rich-

    ter durch Brllen unter Druck. Die Redaktion zog erst ins hinduistische Bali, schlielich wurde das

    Magazin eingestellt. Immerhin revidierte das Oberste Gericht den Schuldspruch des Chefredakteurs,

    er war zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und kam vorzeitig frei.

    An manchen Orten Indonesiens, besonders in der Provinz Westjava, wird die Ahmadiyya-Minderheit

    verfolgt, einer sdasiatischen Islambewegung, die von den Mainstreammuslimen als hretisch ein-

    gestuft wird. Ahmadiyya-Moscheen wurden zerstrt, Mitglieder der Gruppe verprgelt und vertrie-

    ben, drei von ihnen totgeschlagen. Die Polizei schaute zu. Die meisten Politiker schweigen, einige

    verschaffen Prgeltrupps sogar Rckenwind: Das Problem wird verschwinden, wenn der Glauben

    der Ahmadiyya verschwindet, sagte der Gouverneur von Westjava, ein Mann der islamischen PKS Partei. In Ostjava wo der Gouverneur der Partai Demokrat angehrt und mit zwei Ausnahmen

    (PDI-P und PKB) alle Parteien hinter sich hat steht eine anderen Minderheit unter Druck: dort

    wurden Schiiten angegriffen. Ein Mann starb, die Polizei schaute wieder zu. Dass es auch anders

    geht, zeigt der Gouverneur von Zentral-Java. Der Politiker der PDI-P sorgt bei sich fr Minderhei-

    tenschutz.

    ber das, was in der Provinz Aceh passiert, regen sich viel zu wenige auf, und zwar mit dem Hin-

    weis, die Provinz sei autonom und nicht reprsentativ fr Indonesien. Das stimmt zwar, macht die

    Steinzeit aber nicht besser. Diebe, Ehebrecher und andere Gesetzesbrecher werden ffentlich aus-

    gepeitscht. In Aceh gilt islamisches Recht, Scharia-Gerichte setzen es durch. Ordnungswchter, de

    facto Sittenpolizisten, nehmen Frauen fest, deren Kleidung zwar lang ist, ihnen aber zu eng er-

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 8

    scheint. Jngst erlie das Regionalparlament, dass islamisches Recht in Aceh auch fr Nicht-

    Muslime gilt.

    Moscheen werden lauter, liberale Stimmen leiser

    Vor den Toren der Hauptstadt Jakarta, in der Provinz Bangten, gibt es keinen Alkohol mehr zu kau-

    fen wenige Hotels machen Ausnahmen. Der Trend erreicht die Grostdte. In Jakarta ist Wein und Hochprozentiges lngst aus Supermrkten in wenige Fachgeschfte abgedrngt. Dort kann sich

    aufgrund hoher Steuern kaum noch jemand den Einkauf leisten. Whrend in Jakarta in Hotels, Res-

    taurants und Bars noch Alkohol jeder Art zu haben ist, denkt Surabaya, die zweitgrte Stadt des

    Landes, ber ein komplettes Verbot nach. Derweil tragen immer mehr Indonesierinnen Kopftcher.

    Es gibt immer mehr Moscheen 80.000 soll es mittlerweile geben und immer seltener Bauge-

    nehmigungen fr Kirchen. Die Lautsprecher der Moscheen werden lauter. Vielerorts rufen Geistliche

    nicht mehr nur zum Gebet sondern lassen die Lautsprecher whrend des gesamten Gebets an fnf

    Mal am Tag und whrend des Ramadans rund um die Uhr. Liberale, die ffentlich ber Toleranz,

    Religionsfreiheit und Pluralismus diskutieren wollen, auch ber Pluralismus innerhalb des Islams,

    finden weniger Veranstaltungsorte. Selbst Universitten, frher selbstverstndlich Diskussionsforen

    ohne Einschrnkungen, haben mittlerweile kalte Fe. Erst sagten manche Rektoren Veranstaltun-

    gen ab, nachdem militante Islamgruppen wie die FPI Prgel oder Brandstiftung angedroht hatten.

    Heutzutage winken einige Rektoren gleich ab. Beim jhrlichen Festival von Schwulen- und Lesben-

    filmen wird das Programm nicht mehr vorher verffentlicht sondern erst am Tag der Vorfhrungen aus Angst vor Schlgertrupps.

    Einerseits schafft die Ballung besorgniser-

    regender Nachrichten einen falschen Ein-

    druck: es sind Ausschnitte aus einem rie-

    sigen Land, in dem die ganz berwiegen-

    de Mehrheit der Muslime immer noch

    tolerant ist. Andererseits ist unklar, wie

    viele Moderate reflektieren, wie sich ihr

    Land vor ihren Augen verndert und wo-

    hin das fhren knnte. Und es steht nie-

    mand mehr auf, der ausreichend Gewicht

    htte. Frher verteidigten die groen,

    liberalen Islam-Intellektuellen Abdur-

    rahman Wahid und Nurcholish Madjid

    Indonesiens Pluralismus. Sie hatten Auto-

    ritt. Egal, wie liberal sie auftraten: sie

    fanden Gehr. Seit beide verstorben sind,

    gibt es keine liberale, unantastbare Islamautoritt mehr, niemanden, der nicht Marginalisierung

    und Gewalt riskiert, wenn er sich fr Andersglaubende einsetzt, zum Beispiel fr die Ahmadiyya. So

    etwas braucht heute viel Mut. Es gibt durchaus noch Mutige in Indonesien, zum Beispiel Ulil

    Abshar-Abdalla, ein liberaler Islam-Intellektueller, der Salafismus ffentlich kritisiert. Aber Ulil be-

    kommt statt Gehr Morddrohungen und eine Briefbombe.

    KPU (Wahlkommission), "INGAT!" heit "Denk dran!" - ein Aufruf von

    Indonesiens Wahlkommission KPU, am 9. April whlen zu gehen. / Quelle:

    FNF/SR

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 9

    Politikwechsel mit der PDI-P mglich

    Islamisierung, Wirtschaftsnationalismus, Gngelung von NGOs, schrumpfende Freirume, besonders

    fr Liberale: Insgesamt entsteht in Indonesien eine Stimmung, die immer weniger zu tun hat mit

    dem weltoffenen, toleranten Land, dessen Wandel nach der Militrherrschaft so bewundert wurde.

    Optimisten glauben, dass sich mit dem bevorstehenden Regierungswechsel einiges ndern werde.

    Wirtschaftsnationalismus: Auf den ersten Blick ist von dem wahrscheinlichen Wahlsieger, der PDI-

    P, keine liberalere Wirtschaftspolitik zu erwarten. Die Partei steht in der eher linken Tradition des

    Staatsgrnders Sukarno, dessen Tochter Megawati Sukarnoputri heute PDI-P Chefin ist. Anderer-

    seits gibt es in der PDI-P, die von 1999 bis 2004 schon einmal strkste Kraft im Parlament war,

    auch liberale Politiker. Die Partei ist Mitglied des Council of Asian Liberals and Democrats (CALD),

    dem Verband der liberalen Parteien in Asien, den die FNF untersttzt.5 Dem PDI-P Prsidentschafts-

    kandidaten Joko Widodo drfte als ehemaliger Mbelhndler im internationalen Geschft sehr gut

    bekannt sein, dass es viel besser ist, die Chancen der Globalisierung zu nutzen statt sich abzuschot-

    ten. Freiheit der Zivilgesellschaft: Die PDI-P, die frher PDI hie, war zur Suharto-Zeit eine von nur

    zwei zugelassenen Oppositionsparteien. Die PDI hatte enge Verbindungen mit der Zivilgesellschaft.

    Als Suharto 1998 strzte, wurde Reformasi auf der Strae von Studenten und anderen zivilgesell-schaftlichen Krften erkmpft und parteipolitisch vor allem mit der PDI-P verbunden. Die Partei

    gewann 1999 die ersten freien Parlamentswahlen deutlich mit knapp 34 Prozent der Stimmen. Hof-

    fentlich erinnert sich die PDI-P, sollte sie nun abermals regieren, an ihre Wurzeln. Toleranz, Min-

    derheitenschutz: Dass der PDI-P Gouverneur in Zentral-Java Minderheiten schtzt, ist kein Zufall

    sondern Parteilinie. Als 2008 im Nationalparlament ber das Anti-Pornografie-Gesetz abgestimmt

    wurde, verlie die PDI-P Fraktion geschlossen den Plenarsaal. Vergangenes Jahr bewies PDI-P Prsi-

    dentschaftskandidat Joko Widodo Rckgrat: In Sdjakarta protestierten 100 Mnner mit islami-

    schen Gebetskappen gegen die Ernennung einer Frau zur Leiterin ihres Subdistrikts, nur weil sie

    Christin ist und die Mehrheit der Einwohner Muslime sind. Widodo stand zu seiner Ernennung und

    sagte, dass er Beamte nach Qualifikation und Leistung einstelle, dabei bleibe es. Sollte Widodo Pr-

    sident werden, knnte er auf Rechtsstaatlichkeit pochen und der Gewalt gegen Minderheiten, an-

    ders als Yudhoyono, Einhalt gebieten. Auch wenn es ein paar Hinweise darauf gibt, wie Widodo

    vielleicht regieren knne: letztlich ist viel zu wenig ber ihn bekannt, um belastbare Schlsse zu

    ziehen.

    5 http://cald.org/site/cald/

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 10

    General Prabowo wrde Indonesien schaden

    Zunchst mssen die PDI-P und Widodo

    die Parlaments- bzw. Prsidentschafts-

    wahl gewinnen. Zur Parlamentswahl am

    9. April treten zwlf Parteien an, nicht

    alle knnen mit dem berwinden der

    3,5 % - Hrde rechnen (siehe Anhang:

    Parteienbersicht). Auer dem wahr-

    scheinlichen Wahlsieger PDI-P drften

    die GOLKAR Partei und vielleicht auch

    die GERINDRA Partei ordentlich ab-

    schneiden. Fr alle anderen Parteien

    kme ein zweistelliges Ergebnis berra-

    schend. Die GOLKAR, frher Partei

    Suhartos, hat eine lange Tradition, im-

    mer noch solide Strukturen und eine

    feste Whler-Basis. brigens wird der

    Ex-Militrherrscher Suharto, der 2008 starb, wieder salonfhig. Manche GOLKAR-Kandidaten wer-

    ben auf ihren Plakaten mit ihm, seine Tochter Titiek Suharto tritt als Kandidatin an. Die GERINDRA

    Partei wird von einem General im Ruhestand angefhrt, von Prabowo Subianto, der sehr viel Geld

    fr den Wahlkampf einsetzt und mit Populismus Erfolg hat. Prabowo, der im Juli auch als Prsident-

    schaftskandidat antreten will, war frher Suhartos Schwiegersohn. Er hat aus seiner Zeit als General

    Blut an den Hnden: unter anderem ist es erwiesen, dass er 1997 und 1998 Demokratie-Aktivisten

    festnahm und verschleppte. Seine zahlreichen Anhnger scheint das nicht zu stren. Prabowo ver-

    spricht Bauern und Arbeitern das Blaue vom Himmel, verteufelt Auslnder und ist ein Fan von Ver-

    staatlichung. Als Prsident wrde er Indonesien mit Hugo-Chavez-Politik zu Grunde richten. Allein

    deshalb erscheint der PDI-P Kandidat Widodo wie ein Geschenk: nur er kann Prabowo verhindern.

    Der Parlamentswahlkampf war in diesem Jahr viel ruhiger als bei den vorangegangenen Wahlen.

    Erstmals seit Ende der Militrherrschaft kam keine tolle Stimmung auf. Die Wahlbeteiligung ging

    von 1999 (93%) und 2004 (84%) bis 2009 (71%) stetig zurck. Eine unbekannte Gre in diesem

    Jahr sind die 22 Millionen Erstwhler. Sie sind nicht unter General Suharto aufgewachsen sondern

    im neuen, demokratischen Indonesien. Das Land hat eine junge Bevlkerung, ab 17 drfen Brger

    whlen. Insgesamt stellen Whler unter 30 etwa ein Drittel der Wahlberechtigten. Theoretisch

    knnten sie mit ihren Stimmen den Wahlausgang mageblich beeinflussen. In der Praxis ist unklar,

    wie viele von ihnen zur Wahl gehen werden. Weil sie die Diktatur gar nicht oder als Kinder erlebten,

    ist ihnen weniger bewusst, welch ein Privileg es ist, frei whlen zu knnen.

    Parteienlogos, Unter den zwlf Parteien, die antreten, sind fnf islamische

    Parteien: PKB, PKS, PAN, PPP und PBB. Laut Umfragen werden alle schlecht

    abschneiden. / Quelle: KPU Wahlkommission

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 11

    Autoren:

    Moritz Kleine-Brockhoff ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF) fr

    Indonesien.

    Katharina Weber-Lortsch ist FNF-Projektreferentin in Jakarta.

    Akim Enomoto war Praktikant im Indonesien-Projektbro der FNF in Jakarta.

    Impressum

    Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)

    Bereich Internationale Politik

    Referat fr Querschnittsaufgaben

    Karl-Marx-Strae 2

    D-14482 Potsdam

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 12

    Parteien-bersicht:

    Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan (PDI-P)

    Indonesien Democratic Party - Struggle

    Grndung: 1998

    Vorsitzende: Megawati Sukarnoputri

    Website: http://www.pdiperjuangan.or.id/

    Ideologie: Nationalistisch, Links-Liberal, Moderat

    Status: Opposition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 1999 2004 2009

    Wahlergebnis 33.74% 18.5% 14.0%

    1998 grndete Megawati Sukarnoputri, Tochter des Staatsgrnders Sukarno, die PDI-P. Sie ging aus

    einer Spaltung der PDI Partei hervor, die Megawati zuvor auch geleitet hatte. Die PDI-P gewann

    1999 die ersten freien Wahlen nach der Militrherrschaft von General Suharto. Megawati wurde

    2001 Prsidentin Indonesiens. Bei den Wahlen 2004 und 2009 verlor die PDI-P ihre Vormachtstel-

    lung im Parlament. Megawati unterlag auch jeweils bei der direkten Prsidentschaftswahl. Der PDI-

    P Politiker Joko Widodo, genannt Jokowi, derzeit Gouverneur von Jakarta und im Juli Prsident-schaftskandidat, hat der Partei zu neuer Popularitt verholfen. Die PDI-P ist klarer Favorit bei den

    Wahlen in diesem Jahr.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 13

    Partai Golongan Karya (Golkar)

    - Party of the Functional Groups -

    Grndung: 1964

    Vorsitzender: Aburizal Bakrie

    Website: http://www.golkar.or.id/

    Ideologie: Nationalistisch, Skular, Moderat

    Status: Regierungskoalition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 1999 2004 2009

    Wahlergebnis 22.44% 21.58% 14.45%

    Die Golkar wurde 1964 whrend der Zeit der gelenkten Demokratie als Organisation von der Ar-

    mee gegrndet. Sie basierte auf der Zusammenarbeit von Funktions- und Interessensgruppen der

    indonesischen Gesellschaft (Armee, Brokraten etc.). Nach der Machtergreifung Suhartos wurde die

    Golkar in den 60er Jahren in eine Partei umgewandelt, die Suharto bis 1998 diente. Danach, wh-

    rend des Wandels zur Demokratie und bis heute, war und ist Golkar stets als eine der grten Par-

    teien im Parlament vertreten. Damit ist auch bei der Wahl in diesem Jahr zu rechnen.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 14

    Partai Gerakan Indonesia Raya (Gerindra)

    - Great Indonesia Movement Party -

    Grndung: 2008

    Vorsitzender: Suhardi

    Website: http://partaigerindra.or.id/

    Ideologie: Nationalismus

    Status: Opposition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 2009

    Wahlergebnis 4.46%

    Gerindra wird offiziell von Suhardi gefhrt, einem Dozent an der Universitt Gadjah Mada in Yogya-

    karta. De facto hat der General i.R. Prabowo Subianto, der die Partei auch finanziert, das Sagen.

    Prabowo will Prsident Indonesiens werden. Seine Gerindra gibt sich nationalistisch und populis-

    tisch. Laut Umfragen sind die Partei und auch Prabowo selbst beliebter geworden als sie es vor fnf

    Jahren waren.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 15

    Partai Demokrat (PD)

    Democratic Party -

    Grndung: 2001

    Vorsitzender: Susilo Bambang Yudhoyono

    Website: http://www.demokrat.or.id/

    Ideologie: Nationalistisch, Rechts-Liberal, Moderat

    Status: Regierungspartei

    Wahlergebnisse:

    Wahljahr 2004 2009

    Wahlergebnis 7.4% 20.85%

    Die Partai Demokrat (PD) diente Indonesiens Prsidenten Susilo Bambang Yudhoyono 2004 als poli-

    tisches Vehikel fr seine Prsidentschaftsambition. Damals wurde die PD zwar nicht strkste Kraft,

    aber Yudhoyono gewann die Direktwahl zum Prsidenten. 2009 setzen sich dann Partei und Yud-

    hoyono deutlich durch. 2012 wurde das Ansehen der Partei erschttert, weil sich herausstellte, dass

    hochrangige Parteimitglieder in einen massiven Korruptionsfall verwickelt waren. Sie stehen derzeit

    vor Gericht. Die PD kann laut Umfragen in diesem Jahr nur noch mit einem einstelligen Ergebnis

    rechnen.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 16

    Partai Hati Nurani Rakyat (Hanura)

    - Peoples Conscience Party -

    Grndung: 2006

    Vorsitzender: Wiranto

    Website: http://hanura.com/10/

    Ideologie: Nationalismus

    Status: Opposition

    Wahlergebnisse:

    Wahljahr 2009

    Wahlergebnis 3.77%

    Die Hanura ist eine nationalistische Partei, die 2006 von Wiranto gegrndet wurde, einem General

    a.D., dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Die Hanura wird von dem Medienmo-

    gul Hary Tanoesoedibjo finanziert. Seine TV-Sender machten viel Werbung fr Hanura, was der Par-

    tei half. Eine allzu groe Rolle drfte sie im nchsten Parlament aber trotzdem nicht spielen.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 17

    Partai Keadilan Sejahtera (PKS)

    - Prosperous Justice Party -

    Grndung: 2002

    Vorsitzender: Anis Matta

    Website: http://www.pks.or.id/

    Ideologie: Islam

    Status: Regierungskoalition

    Wahlergebnisse:

    Wahljahr 2004 2009

    Wahlergebnis 7.34% 7.88%

    Die PKS wurde 2002 als Nachfolgepartei der PK (Justice Party) gegrndet und orientiert sich ideolo-

    gisch an der gyptischen Muslimbruderschaft. Die PKS ist die mitgliedsstrkste islamische Partei

    Indonesiens und verschaffte sich Ansehen durch Sozialarbeit sowie durch ihre Kampagne fr Ehr-

    lichkeit und gegen Korruption. Das Image wurde zerstrt als der PKS-Vorsitzende Luthfi Hasan

    Ishaaq wegen Korruption verhaftet und zu 16 Jahren Gefngnis verurteilt wurde. Er hatte sich im

    Zuge der Vergabe von Fleischimport-Lizenzen bestechen lassen. Laut Umfragen wird die PKS ihr

    Ergebnis von 2009 nicht besttigen knnen.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 18

    Partai Kebangkitan Bangsa (PKB)

    - National Awakening Party

    Grndung: 1999

    Vorsitzender: Muhaimin Iskandar

    Website: http://www.pkb.or.id/

    Ideologie: Moderater Islam

    Status: Regierungskoalition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 1999 2004 2009

    Wahlergebnis 12.61% 10.57% 4.94%

    Die gemigt-islamische PKB wurde 1999 von Mitgliedern der islamischen Massenorganisation

    Nahdatul Ulama (NU) gegrndet. Im selben Jahr wurde der NU-Vorsitzende und PKB-Mitbegrnder

    Abdurrahman Wahid, genannt Gus Dur, Prsident Indonesiens. 2001 strzte der liberale Islam-

    Gelehrte, der mutige Reformen vorgetrieben hatte, durch ein Misstrauensvotum. Spter kam es zu

    einer Partei-Spaltung, von der sich die Partei nie erholt hat. Gus Dur, der 2009 verstarb, und seine

    Familie verloren die Kontrolle und wandten sich ab. Die PKB hat Stellung als einflussreichste islami-

    sche Partei Indonesiens verloren und kann auch in diesem Jahr nicht mit einem guten Ergebnis

    rechnen.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 19

    Partai Persatuan Pembangunan (PPP)

    - United Development Party -

    Grndung: 1973

    Vorsitzender: Suryadharma Ali

    Website: http://ppp.or.id/

    Ideologie: Islam

    Status: Regierungskoalition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 1999 2004 2009

    Wahlergebnis 10.71% 8.15% 5.32%

    Die PPP ist die lteste islamische Partei Indonesiens. Sie entstand, als 1973 vier islamisch geprgte

    Parteien auf Gehei von General Suharto zur PPP vereinigt wurden. Die PPP war fortan (neben der

    PDI) eine von zwei zugelassenen Oppositionsparteien. Im Zuge der Demokratisierung spielte die PPP

    immer noch eine wichtige Rolle. Von 2001 bis 2004 war ihr damaliger Vorsitzender Hamzah Haz,

    der vier Ehefrauen hatte, Vizeprsident Indonesiens. In dieser Legislaturperiode fiel der aktuelle

    PPP-Vorsitzende Suryadharma Ali, der Indonesiens Minister fr religise Angelegenheiten ist, durch

    intolerante uerungen gegenber religisen Minderheiten auf, auch bezglich der Ahmadiyya-

    Minderheit. Nichts weist darauf hin, dass die PPP in diesem Jahr zu alter Strke zurckkehren knn-

    te.

  • Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 20

    Partai Amanat Nasional (PAN)

    - National Mandate Party

    Grndung: 1998

    Vorsitzender: Hatta Rajasa

    Website: http://pan.or.id/

    Ideologie: Islam

    Status: Regierungskoalition

    Wahlergebnisse

    Wahljahr 1999 2004 2009

    Wahlergebnis 7.12% 6.44% 6.01%

    Die PAN ist eine islamische Partei, die zu Anfang der Reformzeit nach Suhartos Rcktritt von Amien

    Rais aufgebaut wurde. Amien war Vorsitzender der Muhammadiyya, der zweitgrten islamischen

    Organisation Indonesiens. Von 1999 bis 2004 war Amien auch Vorsitzender der Nationalversamm-

    lung. Der lange als moderater Moslem und Demokrat respektierte Amien disqualifizierte sich 2000,

    als er in Jakarta an einer Demonstration teilnahm und Aufrufe zum Heiligen Krieg auf den Moluk-

    ken untersttzte, wo Moslems und Christen sich gegenseitig umbrachten. Der Aufruf zu mehr Ge-

    walt schadete ihm und seiner Partei. Der aktuelle PAN-Vorsitzende Hatta Rajasa ist derzeit als Wirt-

    schaftsminister Indonesiens einflussreich. Die PAN drfte kein beachtliches Ergebnis bei den Wahlen

    in diesem Jahr erzielen - so wie alle Islamparteien. Insgesamt drften die fnf kleinen Islam-

    Parteien aber ber ausreichend Mandate verfgen, um Einfluss zu haben. Zwar sind die Parteien zu

    unterschiedlich, um einen Block zu formen. Aber die skularen Wahlsieger werden darber nach-

    denken, die ein oder andere islamische Parteien in eine Regierungskoalition zu holen statt eine

    Front zu schaffen.