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Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 1
Indonesien vor der Wahl
Moritz Kleine-Brockhoff, Katharina Weber-Lortsch, Akim Enomoto
Indonesien drittgrte Demokratie und grtes muslimisches Land der Welt whlt am 9. April
neue Parlamente und am 9. Juli durch Direktwahl einen neuen Prsidenten. Laut Umfragen wird die
bisherige Oppositionspartei PDI-P strkste Fraktion im nationalen Parlament und ihr Prsident-
schaftskandidat Joko Widodo neuer Staats- und Regierungschef. Im eigentlich weltoffenen Indonesi-
en nehmen seit einigen Jahren Nationalismus und Intoleranz zu. Wird der Regierungswechsel Trends
wenden?
Dass Indonesiens Regierungswechsel
kommt, ist entschieden. Der einstige
Glanz des noch amtierenden Prsidenten
Susilo Bambang Yudhoyono und seiner
Partai Demokrat (PD) ist lngst erloschen.
Yudhoyono hatte die PD 2004 als sein
politisches Vehikel genutzt. Er gewann
die damaligen Wahlen mit dem Verspre-
chen, sauber zu regieren und gegen Kor-
ruption vorzugehen. Nach einer sehr gu-
ten ersten Amtszeit wurde der Prsident,
der direkt gewhlt wird, 2009 mit mehr
als 60 Prozent der Stimmen im Amt be-
sttigt. Bei der Parlamentswahl 2009
wurde seine PD strkste Partei. Doch seit-
dem geht es steil bergab. Yudhoyono
packte nicht mehr viel an. Der Zuspruch
der Brger nahm ab. Nach zwei Amtszeiten darf er sich jetzt ohnehin nicht nochmal als Prsident
zur Wahl stellen. Seine Partei, die interne Kmpfe ffentlich austrug, strzte tief, als der Fraktions-
Hintergrund:
Indonesien
Nr. 18 / 03. April 2014
Wahlfahne: Partai Demokrat, Indonesiens bisherige Regierungspartei war
2009 mit 21% der Stimmen Wahlsieger. Umfrage legen jetzt einen Absturz
auf ein einstelliges Ergebnis nahe. / Quelle: FNF/MKB
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 2
chef und ein Minister wegen Korruptionsvorwrfen verhaftet und angeklagt wurden. Ihre Strafver-
fahren laufen. In der Summe gingen bzw. gehen sowohl das saubere Image der PD als auch ihre
Gallionsfigur Yudhoyono verloren. Es bleibt zu wenig brig.
JOKOWI kaum zu stoppen
Durch die offene Tr wird hchstwahrscheinlich die Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan (PDI-P)
gehen. Die PDI-P hatte in der vergangenen Legislaturperiode der Versuchung widerstanden, Teil der
Regierungskoalition von Prsident Yudhoyono zu werden. Mittlerweile ist die Regierung unbeliebt.
Das nutzt nun der PDI-P. Zum anderen hat nur die PDI-P einen Politiker in ihren Reihen, der populr
ist: Joko Widodo, genannt Jokowi, 54, frher Brgermeister der Stadt Solo, seit 2012 Gouverneur
des Groraums Jakarta. Bislang gelingt
dem ehemaligen Mbelhndler einfach
alles. 2010, als Widodo eine Amtszeit als
Brgermeister von Solo hinter sich hatte,
wurde er dort mit 90 % der Stimmen wie-
dergewhlt. In Jakarta ein 15-Millionen-
Moloch mit Smog und Verkehrskollaps ist Widodo seit Oktober 2012 im Amt und
beliebt wie ein Rockstar. Medien, die ihn
kollektiv verehren, transportieren den Jo-
kowi-Rausch ins ganze Land. Widodo ist
neu und anders. Er gehrt nicht zur alten
Elite aus der Zeit des Militrherrschers
Suharto. Widodo tritt bescheiden auf und
gilt als sauber. Es gibt keine Korruptions-
vorwrfe, nicht einmal Gerchte. Statt
Kumpels um sich zu scharen, besetzt er
Positionen nach Leistung. Wer nichts bringt, wird gefeuert. Widodo, der strahlen kann wie US-
Prsident Barack Obama, hat in Jakarta noch kein Problem gelst, aber einige angepackt. Er stampft
in Stiefeln durch Hochwasser. Wchentlich inspiziert er unangekndigt Regierungsstellen, schaut,
ob seine Beamten pnktlich sind und sagt ihnen, dass sie fr die Brger da sein sollen. In armen
Nachbarschaften schlendert Widodo durch enge Gassen und fragt Menschen, was sie bewegt. Er
steht beim Metallica-Konzert in der Menge, joggt beim Jakarta-Marathon und fhrt regelmig mit
dem Fahrrad zum Bro. Joko Widodos Frische, seine Energie, seine Volksnhe sowie die Medien ha-
ben ihn zum Star gemacht. Indonesien ist im Jokowi-Fieber. Joko Widodo wird sollten politische
Erdbeben ausbleiben die Prsidentschaft gewinnen.
Das Parlament hat Vertrauen verloren
Doch zunchst wird am 9. April ein neues Parlament gewhlt. Leider verkommt die Wahl zu einem
Vorspiel der Prsidentschaftswahl. Das liegt zum einen daran, dass die Whler den Respekt vor ih-
rem Parlament verloren haben und zum anderen am Wahlsystem. Es schreibt vor, dass nur Parteien
oder Koalitionen einen Prsidentschaftskandidaten stellen drfen, die bei der Parlamentswahl 25
Wahlplakat: Jokowi, PDI-P, Die favorisierte PDI-P Partei hat ihren Wahl-
kampf auf ihren Star Joko Widodo, genannt "Jokowi", zugeschnitten. /
Quelle: FNF/MKB
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 3
Prozent der Stimmen oder 20 Prozent der Mandate gewannen. Monatelang wurde in Indonesien
fast ausschlielich darber spekuliert, wer sich mit wem zusammentun knne, um welchen Prsi-
dentschaftskandidaten zu ernennen. Sachthemen sowie die Fragen, was das neue Parlament in der
kommenden Legislaturperiode leisten soll und welche Partei fr welchen Kurs steht, verkamen zur
Nebensache. Erst seit die PDI-P Widodo Mitte Mrz endlich nominierte und die offizielle Wahl-
kampfperiode begann, spielen Themen eine etwas grere Rolle.
Indonesiens Wahlsystem
Am 9. April werden per Verhltniswahl die Abgeordneten der beiden nationalen Kammern sowie der
Provinz- und der Distriktparlamente gewhlt. 200.000 Kandidaten bewerben sich um insgesamt
20.000 Mandate. 187 Millionen Wahlberechtigte knnen ihre Stimmen an 550.000 Wahllokalen
abgeben. Am 9. Juli folgt die erste Runde der direkten Prsidentschaftswahl. Kandidaten treten je-
weils mit einem Vizeprsidentschaftskandidaten an. Sollte kein Kandidatenpaar die absolute Mehr-
heit erreichen, kommt es im September zu einer Stichwahl zwischen den beiden bestplatzierten
Paaren. Das Verfahren stellt sicher, dass der Prsident auf jeden Fall durch eine absolute Mehrheit
legitimiert ist.
Den Vertrauensverlust des Parlaments, mit dem nur noch 13 Prozent der Brger zufrieden sind, ha-
ben sich die Abgeordneten selbst zuzuschreiben. Laut Antikorruptionsbehrde KPK ist das Parlament
nach der Polizei die zweitkorrupteste Institution Indonesiens. Seit 2004 wurden, quer durch die
Parteien, 65 Parlamentarier wegen Korruption verhaftet, darunter ein Fraktionsvorsitzender und ein
Parteichef. In Gerichtsverfahren wird deutlich, dass sich Abgeordnete und Unternehmen, darunter
Staatsbetriebe, als gngige Praxis gegenseitig Geld zuschieben. Der Staatshaushalt des rohstoffrei-
chen Landes sieht Ausgaben in Hhe von 172 Milliarden US-Dollar vor. Ob es um Gesetzgebung,
Import-Quoten oder die Vergabe von Groauftrgen geht: Abgeordnete nehmen Geld fr Entschei-
dungen und sind im Gegenzug so gut zu Unternehmen, dass dort auch noch ordentlich abgeschpft
werden kann. Viel ffentliches Geld verschwindet in privaten Taschen, Indonesiens Herausforderun-
gen bleiben: Infrastruktur, Bildung, Arbeitsmarkt, Gesundheit nichts ist einem G20 Staat wrdig.
Auerhalb Jakartas holpert man ber lcherige Straen, der Strom setzt regelmig aus.
Indonesiens BIP pro Kopf betrgt 3.600 US-Dollar, global entspricht das dem Rang 112. Laut Welt-
bank lebt die Hlfte der Indonesier, also etwa 117 Millionen Menschen, in der Nhe der nationalen
Armutsgrenze (22 US$ pro Monat).1 Fairerweise: Indonesien hat Fortschritte gemacht, Armut geht
zurck, zur Jahrtausendwende war das BIP pro Kopf um ein Drittel niedriger. Aber es knnte viel
besser laufen. Steckte der Staat nicht so viel Geld in Subventionen sowie in seine Staatsbetriebe,
wren viel mehr Mittel fr Investitionen in Infrastruktur und Bildung vorhanden. Allein Sprit-
Subventionen lsst sich der Staat jhrlich, abhngig vom lpreis, zwischen 20 und 30 Milliarden
US$ kosten. Das entspricht bis zu einem Fnftel der gesamten Staatsausgaben. Zudem: Allein ein
Staatsbetrieb, der Strommonopolist PLN, bekam 2013 knapp 7 Milliarden US$ staatliche Subvention
und meldete am Jahresende dann noch einen Verlust von 2,5 Milliarden.
1 http://www.worldbank.org/en/country/indonesia/overview
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 4
Protektionismus und Exportstopp
Bislang ist nur rund ein Drittel der Gesetze verabschiedet worden, mit denen sich das Parlament in
der laufenden Legislaturperiode beschftigen wollte. Herausragend sind drei protektionistische
Werke, die Indonesiens Wirtschaft schaden werden: die neuen Gesetze, die Handel, Bergbau und
Industrie regeln. Alle drei erhhen staatlichen Einfluss, stellen weitere Schranken auf und machen
auslndischen Unternehmen das Leben schwerer. Die Regierung will Importe und Exporte regulieren.
Indonesien ist nicht von Freihandel berzeugt, sagte der stellvertretende Handelsminister. Die Gesetze reflektieren zunehmenden, ja demonstrativen Nationalismus, der gut beim Whler an-
kommt. Auch wenn der erklrte Wille, nationale Interessen zu wahren, nachvollziehbar ist die Mittel bleiben kontraproduktiv. Ein Beispiel: Auslndische Unternehmen frdern gemeinsam mit
lokalen Partnern seit Jahrzehnten Bodenschtze und exportieren sie, ohne dass im Land Wertschp-
fungsketten oder gar Industrien geschaffen wurden. Nun will Indonesien das mit dem Holzhammer
korrigieren. Im Januar wurde ein Exportverbot fr unbehandelte Erze umgesetzt. Kupfer, Bauxit und
Nickel sind betroffen. Indonesien war bislang weltgrter Exporteur von Nickelerz. Firmen, die Erze
frdern, sollen sie nicht mehr sofort auer Landes schaffen sondern in Indonesien Verarbeitungsan-
lagen bauen. Der Zwang ist seit 2009 bekannt, Unternehmen bauten keine Anlagen. Sie verweisen
auf mangelhafte Infrastruktur und vermissen positive Investitionsanreize. Unterm Strich ist kein
Problem gelst und ein neues geschaffen: Indonesien verliert durch den Exportstopp zwei Milliarden
US$ pro Jahr.
Auslndische Firmen sind verrgert. Das ist nicht gut fr ein Land, in dem bislang 70 Prozent der
Investitionen von Auslndern gettigt werden. Das Parlament hat nichts geleistet, wir haben fnf
Jahre verloren, sagt ein indonesischer Geschftsmann, es gab kein Gesetz, das Aufbruch signali-siert htte. Stattdessen schufen die Abgeordneten Restriktionen und Ausnahmeregelungen perfekt
fr Korruption, schlecht fr das Land. Positiv findet der Geschftsmann nur, dass nicht so viele Gesetze verabschiedet wurden: Desto weniger der Staat tut, desto besser luft die Wirtschaft.
Getragen von Inlandkonsum wchst Indonesiens Wirtschaft seit 2004 um knapp sechs Prozent pro
Jahr. Das ist sehr ordentlich, reicht aber nicht fr einen Sprung vom Schwellen- zum Industriestaat.
Korruption wird endlich strafverfolgt
Das aktuelle Parlament knnte noch mehr Schaden anrichten, denn es wird nach der Wahl vom 9.
April noch bis Ende September in alter Besetzung und mit allen Vollmachten tagen. Zuletzt gab es
Anzeichen dafr, dass jetzt pltzlich doch noch einiges durchgepeitscht werden soll. 34 Gesetzent-
wrfe liegen vor. Bei angestrebten Neufassungen von Strafrecht und Prozessordung ist im Ge-
sprch, die Kompetenzen der Anti-Korruptionsbehrde KPK einzuschrnken, indem man Korruption
nicht mehr als " auerordentliches " Verbrechen einstuft. Ermittlungsmglichkeiten der KPK wr-
den eingeschrnkt, eigene Gerichtsbarkeit abgeschafft. Die Schritte wrden den Kampf der KPK
gegen Korruption, den viele Indonesier bewundern, bremsen. Es wre nicht der erste Versuch, die
KPK zu schwchen. Als die KPK Korruption innerhalb der Polizei aufdeckte, fhrten Polizei und
Staatsanwaltschaft eine Kampagne gegen fhrende KPK-Beamte. Indonesiens Zivilgesellschaft or-
ganisierte Demonstrationen, die ffentlichkeit stand hinter der KPK. Die von der Behrde behandel-
ten Korruptionsflle bringen Indonesien zwar negativen Schlagzeilen, weil es so viele gibt und weil
manche unfassbar sind. Doch die Entwicklung ist positiv. Indonesiens Korruption ist nicht neu. Neu
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und gut ist, dass endlich aufgedeckt und strafverfolgt wird. Der bislang unfassbarste Fall: Die KPK
verhaftete den obersten Richter des Verfassungsgerichtes bei einer Geldbergabe. Er hatte, die Be-
weislage ist deutlich, regelmig Urteile bei Verfahren verkauft, bei denen es um Einsprche gegen
Ausgnge von Wahlen auf regionaler Ebene ging. Nach der Verhaftung konfiszierten KPK-Beamte
Land, Huser, 33 Autos, 31 Motorrder und acht Millionen US$ Bargeld, die dem Richter zuzuord-
nen waren. In seinem Bro wurden Marihuana-Joints gefunden. Ein DNA-Test beweist, dass der
Richter geraucht hatte.
Aus der derzeitigen Legislaturperiode wird
noch ein weiteres schdliches Gesetz blei-
ben: das NGO-Gesetz. Es schreibt nationa-
len Nichtregierungsorganisationen vor, wie
sie sich zusammenzusetzen haben und gibt
der Regierung das Recht, Aktivitten zu
suspendieren. Indonesier knnen de facto
keine NGO mehr zusammen mit Auslndern
grnden, weil die Hrden jetzt so hoch
sind: Der auslndische Partner muss vor der
Grndung fnf Jahre lang in Indonesien
gelebt haben und eine Million US$ hinter-
legen. Internationale NGOs, die schon in
Indonesien sind, auch Deutschlands politi-
sche Stiftungen, mssen ab sofort mit ei-
nem Ministerium zusammenarbeiten. Ob
zustzlich auch weiterhin mit indonesischen NGOs kooperiert werden darf, entscheidet ein Gremi-
um, in dem auch Polizei- und Geheimdienst sitzen. Sie haben Vetorecht. Wird internationale Koope-
ration untersagt, was schon geschehen ist, werden auch indonesische NGOs getroffen. Ihre Unter-
sttzung aus dem Ausland geht verloren. Wir, die Zivilgesellschaft, sind 1998 auf die Strae ge-gangen, haben General Suharto gestrzt und Demokratie gebracht, erinnert ein indonesischer
NGO-Aktivist, und jetzt drangsaliert uns unsere demokratisch gewhlte Regierung. Das ist unfass-bar.
Wegen der Verabschiedung des NGO-Gesetzes stuft Freedom House, das politische Rechte und Br-
gerrechte bewertet, Indonesien nicht mehr wie seit 2006 als frei ein sondern seit Januar nur noch
als teilweise frei ein.2 Auch das von der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit herausgege-bene Freedom Barometer Asia, das verschiedene Indexe kombiniert, hat Indonesien 2013 herabge-
stuft.3
Die junge Demokratie ist stabil
Weil in Indonesien einiges im Argen liegt, gert Positives in Vergessenheit. Die 15 Jahre junge De-
mokratie ist zwar lngst nicht perfekt, aber stabil. Noch in den Jahren 1998 bis 2004 brannte es an
2 http://www.freedomhouse.org/report/freedom-world/freedom-world-2014#.Uy02Ftzmrik 3 http://www.freedombarometer.org/start-page/asia/ranking/
KPK-Gebude, Indonesiens Anti-Korruptionsbehrde KPK hat bereits
mehr als 300 Korruptionsflle aufgedeckt und strafverfolgt. / Quelle:
FNF/SR
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vielen Orten: Separatismus, ethnische Konflikte und Terrorismus brachten Tausende Tote und das
Land an den Abgrund. Auseinanderbrechen war nicht auszuschlieen. Seitdem hat Indonesien mit
einer Ausnahme (Papua) alle Sicherheitsprobleme gelst und viele gute, wichtige Schritte gewagt.
Dezentralisierung lste Zentralmacht ab. Verfassungsnderungen verbannten Polizei und Militr aus
dem Parlament und brachten Direktwahlen von Prsident, Gouverneuren und Brgermeistern. Die
Staatsverschuldung entsprach 1998 mehr als 150% des Bruttosozialproduktes, heute liegt die Quo-
te bei 28%. In diesem Jahr werden zum vierten Mal seit dem Sturz Suhartos Wahlen abgehalten,
die frei und fair sind. Stimmenkauf wird probiert, entscheidet aber nicht ber den Wahlausgang.
Mit wenigen, traurigen Ausnahmen4 gibt es keine politisch motivierte Gewalt. Die Presse ist frei, die
Zivilgesellschaft frech. Es ist friedlich im Land. Menschenrechte werden viel mehr geachtet als fr-
her. Indonesien fhrt wieder ASEAN an. Wirtschaft und Mittelklasse wachsen, Armut geht zurck.
Kein anderes Land in Sdostasien kann all das vorweisen. Nur leider waren die meisten Errungen-
schaften bereits 2009 erreicht. Seitdem ist das Land seinen guten Weg nicht weitergegangen. Es
steht still oder macht Rckschritte mit Ausnahme der beeindruckenden Korruptionsbekmpfung.
Warum Prsident Yudhoyono in seiner zweiten Amtszeit die Luft ausging, ist unklar. Manche halten
ihn fr mde. Andere weisen darauf hin, dass er nur in seiner ersten Amtszeit einen Vizeprsidenten
an seiner Seite hatte, der mitregierte und Probleme lste. Yudhoyono hat vor 2009 viel geleistet. Er
war es, der die Stabilitt brachte und den Indonesiern Selbstvertrauen zurckgab. Nach der Asien-
krise standen in Jakarta Bauruinen, sechs Jahre lang wurden kein Hochhaus und kein Einkaufzent-
rum gebaut. Mit Yudhoyonos Amtsantritt kamen Milliarden, die reiche Indonesier in Singapur ge-
parkt hatten, zurck und mit ihnen ein Bauboom, der bis heute anhlt. Bei aller Kritik an der Re-
gierungspolitik: knapp sechs Prozent jhrliches Wirtschaftswachstum ber eine Dekade fllt nicht
vom Himmel. Indonesien hat mutige Unternehmer und viele Millionen fleiige, ehrgeizige junge
Menschen. Das Berater-Unternehmen McKinsey rechnet damit, dass Indonesiens Wirtschaft im Jahr
2030 zur siebtgrten der Welt (derzeit Platz 17) aufgestiegen und damit vor Deutschland und
Grobritannien liegen werde. Allerdings gibt es auch Experten, die daran nicht glauben.
Zu den Feldern, auf denen Yudhoyono sich Kritik gefallen lassen muss, gehren eine Militrreform,
die ausblieb, und das Zulassen religiser Intoleranz und zunehmender Islamisierung. Der Prsident
sprach von Privatisierung der Firmen, die das Militr betreibt. Es geschah zu wenig. Der Prsident
forderte pauschal religise Toleranz und tat nichts, wenn sie ausblieb. Knapp 90 Prozent der Indo-
nesier sind Muslime. Sie leben in der Regel gut mit den 25 Millionen Andersglubigen zusammen.
Das lag lange unter anderem daran, dass die meisten Indonesier nicht sonderlich glubig waren.
Doch seit Ende der Suharto-Zeit wird der Islam in Gesellschaft und Politik immer wichtiger und
konservativer. Zwar sind Terroristen, die von 2000 bis 2009 eine Serie von Bombenattentaten gegen
westliche und christliche Einrichtungen verbten, gescheitert. Fast alle indonesischen Muslime ver-
abscheuten Gewalt, die den Namen ihrer Religion beschmt. Der Staat schritt rigoros ein. Geschei-
tert ist auch die friedliche, konservative PKS Partei, der der Islam wichtiger ist als alles andere. Eine
Weile lang sah es danach aus, als knne die PKS Volkspartei werden. Seit der Chef der angeblichen
Saubermann-Partei sich als Dieb entpuppte er wurde wegen Korruption zu 16 Jahren Gefngnis verurteilt ist die PKS im freien Fall. Andere islamistische Parteien, auch die moderaten, verlieren ebenfalls an Boden. Und trotzdem schreitet gleichzeitig eine Islamisierung voran, die Indonesien
verndert. Es begann Ende der 90er Jahre damit, dass kleine, laute Islamgruppen machen konnten,
4 Die traurige Ausnahmen: Der politische Mord am Menschenrechtler Munir 2004 ist immer noch nicht wirklich aufgeklrt. In Papua
wo Menschenrechtsverletzungen anhalten ist nichts gelst. In Aceh wurden jngst zwei Politiker ermordet.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 7
was sie wollten anders als zur Suharto-Zeit. Ein Beispiel ist die Islamische Verteidigungsfront
(FPI), die sich drei Monate nach dem Sturz Suhartos grndete. FPI-Mitglieder tauchen mit Knppeln
auf, wenn ihnen etwas nicht passt. Alkohol-Ausschank whrend des Ramadans, Publizieren von
Zeitschriften mit Bildern leicht bekleideter Frauen, Treffen von Schwulen- und Lesben oder eine
Demonstration Liberaler, die fr Pluralismus eintreten die FPI kommt und prgelt oder droht, und
der Staat lsst sie und hnliche Gruppen in der Regel gewhren.
Skulare Parteien wollen islamisch erscheinen
Vor zehn Jahren sprangen dann einige Regional- und Lokalpolitiker auf den Zucht-und-Ordnung-
Zug. Sie erlieen in ihren Verantwortungsbereichen Dekrete, die ihre islamistische Auffassung von
islamischem Recht spiegeln: Rcke von Schulmdchen mssen bis zum Knchel reichen, Alkohol ist
verboten, Frauen mssen Kopftuch tragen und Stellenbewerber in der Verwaltung den Koran rezi-
tieren. Mittlerweile gibt es mehr als 150 solcher sogenannten Scharia-Regularien auf lokaler oder
regionaler Ebene. Politiker von Parteien, die gestern noch glasklar skular waren, zum Beispiel von
der GOLKAR Partei, machen mit, manche betreiben den Trend sogar. Sie wollen mit ihren Scharia-
Regularien islamisch erscheinen, weil das in Mode ist. Der prominenteste Sndenfall der groen,
eigentlich skularen Parteien Indonesiens kam 2008 im Nationalparlament, als mit den Stimmen
von GOLKAR und Partai Demokrat das von islamischen Parteien gewnschte Anti-Pornografie-
Gesetz verabschiedet wurde. Es brachte spter einen Rocksnger fr zwei Jahre und einen Chefre-
dakteur fr acht Monate ins Gefngnis. Der Rockstar hatte private Sexvideos von sich gedreht, die
irgendwie im Internet landeten. Der Chefredakteur leitete die indonesische Ausgabe des Playboy
Magazins, das keine nackten Frauen zeigte und vor Gericht trotzdem als Pornografie eingestuft
wurde. FPI-Schlgertrupps griffen das Redaktionsgebude an und setzten im Gerichtssaal den Rich-
ter durch Brllen unter Druck. Die Redaktion zog erst ins hinduistische Bali, schlielich wurde das
Magazin eingestellt. Immerhin revidierte das Oberste Gericht den Schuldspruch des Chefredakteurs,
er war zu zwei Jahren Haft verurteilt worden und kam vorzeitig frei.
An manchen Orten Indonesiens, besonders in der Provinz Westjava, wird die Ahmadiyya-Minderheit
verfolgt, einer sdasiatischen Islambewegung, die von den Mainstreammuslimen als hretisch ein-
gestuft wird. Ahmadiyya-Moscheen wurden zerstrt, Mitglieder der Gruppe verprgelt und vertrie-
ben, drei von ihnen totgeschlagen. Die Polizei schaute zu. Die meisten Politiker schweigen, einige
verschaffen Prgeltrupps sogar Rckenwind: Das Problem wird verschwinden, wenn der Glauben
der Ahmadiyya verschwindet, sagte der Gouverneur von Westjava, ein Mann der islamischen PKS Partei. In Ostjava wo der Gouverneur der Partai Demokrat angehrt und mit zwei Ausnahmen
(PDI-P und PKB) alle Parteien hinter sich hat steht eine anderen Minderheit unter Druck: dort
wurden Schiiten angegriffen. Ein Mann starb, die Polizei schaute wieder zu. Dass es auch anders
geht, zeigt der Gouverneur von Zentral-Java. Der Politiker der PDI-P sorgt bei sich fr Minderhei-
tenschutz.
ber das, was in der Provinz Aceh passiert, regen sich viel zu wenige auf, und zwar mit dem Hin-
weis, die Provinz sei autonom und nicht reprsentativ fr Indonesien. Das stimmt zwar, macht die
Steinzeit aber nicht besser. Diebe, Ehebrecher und andere Gesetzesbrecher werden ffentlich aus-
gepeitscht. In Aceh gilt islamisches Recht, Scharia-Gerichte setzen es durch. Ordnungswchter, de
facto Sittenpolizisten, nehmen Frauen fest, deren Kleidung zwar lang ist, ihnen aber zu eng er-
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 8
scheint. Jngst erlie das Regionalparlament, dass islamisches Recht in Aceh auch fr Nicht-
Muslime gilt.
Moscheen werden lauter, liberale Stimmen leiser
Vor den Toren der Hauptstadt Jakarta, in der Provinz Bangten, gibt es keinen Alkohol mehr zu kau-
fen wenige Hotels machen Ausnahmen. Der Trend erreicht die Grostdte. In Jakarta ist Wein und Hochprozentiges lngst aus Supermrkten in wenige Fachgeschfte abgedrngt. Dort kann sich
aufgrund hoher Steuern kaum noch jemand den Einkauf leisten. Whrend in Jakarta in Hotels, Res-
taurants und Bars noch Alkohol jeder Art zu haben ist, denkt Surabaya, die zweitgrte Stadt des
Landes, ber ein komplettes Verbot nach. Derweil tragen immer mehr Indonesierinnen Kopftcher.
Es gibt immer mehr Moscheen 80.000 soll es mittlerweile geben und immer seltener Bauge-
nehmigungen fr Kirchen. Die Lautsprecher der Moscheen werden lauter. Vielerorts rufen Geistliche
nicht mehr nur zum Gebet sondern lassen die Lautsprecher whrend des gesamten Gebets an fnf
Mal am Tag und whrend des Ramadans rund um die Uhr. Liberale, die ffentlich ber Toleranz,
Religionsfreiheit und Pluralismus diskutieren wollen, auch ber Pluralismus innerhalb des Islams,
finden weniger Veranstaltungsorte. Selbst Universitten, frher selbstverstndlich Diskussionsforen
ohne Einschrnkungen, haben mittlerweile kalte Fe. Erst sagten manche Rektoren Veranstaltun-
gen ab, nachdem militante Islamgruppen wie die FPI Prgel oder Brandstiftung angedroht hatten.
Heutzutage winken einige Rektoren gleich ab. Beim jhrlichen Festival von Schwulen- und Lesben-
filmen wird das Programm nicht mehr vorher verffentlicht sondern erst am Tag der Vorfhrungen aus Angst vor Schlgertrupps.
Einerseits schafft die Ballung besorgniser-
regender Nachrichten einen falschen Ein-
druck: es sind Ausschnitte aus einem rie-
sigen Land, in dem die ganz berwiegen-
de Mehrheit der Muslime immer noch
tolerant ist. Andererseits ist unklar, wie
viele Moderate reflektieren, wie sich ihr
Land vor ihren Augen verndert und wo-
hin das fhren knnte. Und es steht nie-
mand mehr auf, der ausreichend Gewicht
htte. Frher verteidigten die groen,
liberalen Islam-Intellektuellen Abdur-
rahman Wahid und Nurcholish Madjid
Indonesiens Pluralismus. Sie hatten Auto-
ritt. Egal, wie liberal sie auftraten: sie
fanden Gehr. Seit beide verstorben sind,
gibt es keine liberale, unantastbare Islamautoritt mehr, niemanden, der nicht Marginalisierung
und Gewalt riskiert, wenn er sich fr Andersglaubende einsetzt, zum Beispiel fr die Ahmadiyya. So
etwas braucht heute viel Mut. Es gibt durchaus noch Mutige in Indonesien, zum Beispiel Ulil
Abshar-Abdalla, ein liberaler Islam-Intellektueller, der Salafismus ffentlich kritisiert. Aber Ulil be-
kommt statt Gehr Morddrohungen und eine Briefbombe.
KPU (Wahlkommission), "INGAT!" heit "Denk dran!" - ein Aufruf von
Indonesiens Wahlkommission KPU, am 9. April whlen zu gehen. / Quelle:
FNF/SR
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 9
Politikwechsel mit der PDI-P mglich
Islamisierung, Wirtschaftsnationalismus, Gngelung von NGOs, schrumpfende Freirume, besonders
fr Liberale: Insgesamt entsteht in Indonesien eine Stimmung, die immer weniger zu tun hat mit
dem weltoffenen, toleranten Land, dessen Wandel nach der Militrherrschaft so bewundert wurde.
Optimisten glauben, dass sich mit dem bevorstehenden Regierungswechsel einiges ndern werde.
Wirtschaftsnationalismus: Auf den ersten Blick ist von dem wahrscheinlichen Wahlsieger, der PDI-
P, keine liberalere Wirtschaftspolitik zu erwarten. Die Partei steht in der eher linken Tradition des
Staatsgrnders Sukarno, dessen Tochter Megawati Sukarnoputri heute PDI-P Chefin ist. Anderer-
seits gibt es in der PDI-P, die von 1999 bis 2004 schon einmal strkste Kraft im Parlament war,
auch liberale Politiker. Die Partei ist Mitglied des Council of Asian Liberals and Democrats (CALD),
dem Verband der liberalen Parteien in Asien, den die FNF untersttzt.5 Dem PDI-P Prsidentschafts-
kandidaten Joko Widodo drfte als ehemaliger Mbelhndler im internationalen Geschft sehr gut
bekannt sein, dass es viel besser ist, die Chancen der Globalisierung zu nutzen statt sich abzuschot-
ten. Freiheit der Zivilgesellschaft: Die PDI-P, die frher PDI hie, war zur Suharto-Zeit eine von nur
zwei zugelassenen Oppositionsparteien. Die PDI hatte enge Verbindungen mit der Zivilgesellschaft.
Als Suharto 1998 strzte, wurde Reformasi auf der Strae von Studenten und anderen zivilgesell-schaftlichen Krften erkmpft und parteipolitisch vor allem mit der PDI-P verbunden. Die Partei
gewann 1999 die ersten freien Parlamentswahlen deutlich mit knapp 34 Prozent der Stimmen. Hof-
fentlich erinnert sich die PDI-P, sollte sie nun abermals regieren, an ihre Wurzeln. Toleranz, Min-
derheitenschutz: Dass der PDI-P Gouverneur in Zentral-Java Minderheiten schtzt, ist kein Zufall
sondern Parteilinie. Als 2008 im Nationalparlament ber das Anti-Pornografie-Gesetz abgestimmt
wurde, verlie die PDI-P Fraktion geschlossen den Plenarsaal. Vergangenes Jahr bewies PDI-P Prsi-
dentschaftskandidat Joko Widodo Rckgrat: In Sdjakarta protestierten 100 Mnner mit islami-
schen Gebetskappen gegen die Ernennung einer Frau zur Leiterin ihres Subdistrikts, nur weil sie
Christin ist und die Mehrheit der Einwohner Muslime sind. Widodo stand zu seiner Ernennung und
sagte, dass er Beamte nach Qualifikation und Leistung einstelle, dabei bleibe es. Sollte Widodo Pr-
sident werden, knnte er auf Rechtsstaatlichkeit pochen und der Gewalt gegen Minderheiten, an-
ders als Yudhoyono, Einhalt gebieten. Auch wenn es ein paar Hinweise darauf gibt, wie Widodo
vielleicht regieren knne: letztlich ist viel zu wenig ber ihn bekannt, um belastbare Schlsse zu
ziehen.
5 http://cald.org/site/cald/
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 10
General Prabowo wrde Indonesien schaden
Zunchst mssen die PDI-P und Widodo
die Parlaments- bzw. Prsidentschafts-
wahl gewinnen. Zur Parlamentswahl am
9. April treten zwlf Parteien an, nicht
alle knnen mit dem berwinden der
3,5 % - Hrde rechnen (siehe Anhang:
Parteienbersicht). Auer dem wahr-
scheinlichen Wahlsieger PDI-P drften
die GOLKAR Partei und vielleicht auch
die GERINDRA Partei ordentlich ab-
schneiden. Fr alle anderen Parteien
kme ein zweistelliges Ergebnis berra-
schend. Die GOLKAR, frher Partei
Suhartos, hat eine lange Tradition, im-
mer noch solide Strukturen und eine
feste Whler-Basis. brigens wird der
Ex-Militrherrscher Suharto, der 2008 starb, wieder salonfhig. Manche GOLKAR-Kandidaten wer-
ben auf ihren Plakaten mit ihm, seine Tochter Titiek Suharto tritt als Kandidatin an. Die GERINDRA
Partei wird von einem General im Ruhestand angefhrt, von Prabowo Subianto, der sehr viel Geld
fr den Wahlkampf einsetzt und mit Populismus Erfolg hat. Prabowo, der im Juli auch als Prsident-
schaftskandidat antreten will, war frher Suhartos Schwiegersohn. Er hat aus seiner Zeit als General
Blut an den Hnden: unter anderem ist es erwiesen, dass er 1997 und 1998 Demokratie-Aktivisten
festnahm und verschleppte. Seine zahlreichen Anhnger scheint das nicht zu stren. Prabowo ver-
spricht Bauern und Arbeitern das Blaue vom Himmel, verteufelt Auslnder und ist ein Fan von Ver-
staatlichung. Als Prsident wrde er Indonesien mit Hugo-Chavez-Politik zu Grunde richten. Allein
deshalb erscheint der PDI-P Kandidat Widodo wie ein Geschenk: nur er kann Prabowo verhindern.
Der Parlamentswahlkampf war in diesem Jahr viel ruhiger als bei den vorangegangenen Wahlen.
Erstmals seit Ende der Militrherrschaft kam keine tolle Stimmung auf. Die Wahlbeteiligung ging
von 1999 (93%) und 2004 (84%) bis 2009 (71%) stetig zurck. Eine unbekannte Gre in diesem
Jahr sind die 22 Millionen Erstwhler. Sie sind nicht unter General Suharto aufgewachsen sondern
im neuen, demokratischen Indonesien. Das Land hat eine junge Bevlkerung, ab 17 drfen Brger
whlen. Insgesamt stellen Whler unter 30 etwa ein Drittel der Wahlberechtigten. Theoretisch
knnten sie mit ihren Stimmen den Wahlausgang mageblich beeinflussen. In der Praxis ist unklar,
wie viele von ihnen zur Wahl gehen werden. Weil sie die Diktatur gar nicht oder als Kinder erlebten,
ist ihnen weniger bewusst, welch ein Privileg es ist, frei whlen zu knnen.
Parteienlogos, Unter den zwlf Parteien, die antreten, sind fnf islamische
Parteien: PKB, PKS, PAN, PPP und PBB. Laut Umfragen werden alle schlecht
abschneiden. / Quelle: KPU Wahlkommission
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 11
Autoren:
Moritz Kleine-Brockhoff ist Projektleiter der Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF) fr
Indonesien.
Katharina Weber-Lortsch ist FNF-Projektreferentin in Jakarta.
Akim Enomoto war Praktikant im Indonesien-Projektbro der FNF in Jakarta.
Impressum
Friedrich-Naumann-Stiftung fr die Freiheit (FNF)
Bereich Internationale Politik
Referat fr Querschnittsaufgaben
Karl-Marx-Strae 2
D-14482 Potsdam
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Parteien-bersicht:
Partai Demokrasi Indonesia Perjuangan (PDI-P)
Indonesien Democratic Party - Struggle
Grndung: 1998
Vorsitzende: Megawati Sukarnoputri
Website: http://www.pdiperjuangan.or.id/
Ideologie: Nationalistisch, Links-Liberal, Moderat
Status: Opposition
Wahlergebnisse
Wahljahr 1999 2004 2009
Wahlergebnis 33.74% 18.5% 14.0%
1998 grndete Megawati Sukarnoputri, Tochter des Staatsgrnders Sukarno, die PDI-P. Sie ging aus
einer Spaltung der PDI Partei hervor, die Megawati zuvor auch geleitet hatte. Die PDI-P gewann
1999 die ersten freien Wahlen nach der Militrherrschaft von General Suharto. Megawati wurde
2001 Prsidentin Indonesiens. Bei den Wahlen 2004 und 2009 verlor die PDI-P ihre Vormachtstel-
lung im Parlament. Megawati unterlag auch jeweils bei der direkten Prsidentschaftswahl. Der PDI-
P Politiker Joko Widodo, genannt Jokowi, derzeit Gouverneur von Jakarta und im Juli Prsident-schaftskandidat, hat der Partei zu neuer Popularitt verholfen. Die PDI-P ist klarer Favorit bei den
Wahlen in diesem Jahr.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 13
Partai Golongan Karya (Golkar)
- Party of the Functional Groups -
Grndung: 1964
Vorsitzender: Aburizal Bakrie
Website: http://www.golkar.or.id/
Ideologie: Nationalistisch, Skular, Moderat
Status: Regierungskoalition
Wahlergebnisse
Wahljahr 1999 2004 2009
Wahlergebnis 22.44% 21.58% 14.45%
Die Golkar wurde 1964 whrend der Zeit der gelenkten Demokratie als Organisation von der Ar-
mee gegrndet. Sie basierte auf der Zusammenarbeit von Funktions- und Interessensgruppen der
indonesischen Gesellschaft (Armee, Brokraten etc.). Nach der Machtergreifung Suhartos wurde die
Golkar in den 60er Jahren in eine Partei umgewandelt, die Suharto bis 1998 diente. Danach, wh-
rend des Wandels zur Demokratie und bis heute, war und ist Golkar stets als eine der grten Par-
teien im Parlament vertreten. Damit ist auch bei der Wahl in diesem Jahr zu rechnen.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 14
Partai Gerakan Indonesia Raya (Gerindra)
- Great Indonesia Movement Party -
Grndung: 2008
Vorsitzender: Suhardi
Website: http://partaigerindra.or.id/
Ideologie: Nationalismus
Status: Opposition
Wahlergebnisse
Wahljahr 2009
Wahlergebnis 4.46%
Gerindra wird offiziell von Suhardi gefhrt, einem Dozent an der Universitt Gadjah Mada in Yogya-
karta. De facto hat der General i.R. Prabowo Subianto, der die Partei auch finanziert, das Sagen.
Prabowo will Prsident Indonesiens werden. Seine Gerindra gibt sich nationalistisch und populis-
tisch. Laut Umfragen sind die Partei und auch Prabowo selbst beliebter geworden als sie es vor fnf
Jahren waren.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 15
Partai Demokrat (PD)
Democratic Party -
Grndung: 2001
Vorsitzender: Susilo Bambang Yudhoyono
Website: http://www.demokrat.or.id/
Ideologie: Nationalistisch, Rechts-Liberal, Moderat
Status: Regierungspartei
Wahlergebnisse:
Wahljahr 2004 2009
Wahlergebnis 7.4% 20.85%
Die Partai Demokrat (PD) diente Indonesiens Prsidenten Susilo Bambang Yudhoyono 2004 als poli-
tisches Vehikel fr seine Prsidentschaftsambition. Damals wurde die PD zwar nicht strkste Kraft,
aber Yudhoyono gewann die Direktwahl zum Prsidenten. 2009 setzen sich dann Partei und Yud-
hoyono deutlich durch. 2012 wurde das Ansehen der Partei erschttert, weil sich herausstellte, dass
hochrangige Parteimitglieder in einen massiven Korruptionsfall verwickelt waren. Sie stehen derzeit
vor Gericht. Die PD kann laut Umfragen in diesem Jahr nur noch mit einem einstelligen Ergebnis
rechnen.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 16
Partai Hati Nurani Rakyat (Hanura)
- Peoples Conscience Party -
Grndung: 2006
Vorsitzender: Wiranto
Website: http://hanura.com/10/
Ideologie: Nationalismus
Status: Opposition
Wahlergebnisse:
Wahljahr 2009
Wahlergebnis 3.77%
Die Hanura ist eine nationalistische Partei, die 2006 von Wiranto gegrndet wurde, einem General
a.D., dem Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Die Hanura wird von dem Medienmo-
gul Hary Tanoesoedibjo finanziert. Seine TV-Sender machten viel Werbung fr Hanura, was der Par-
tei half. Eine allzu groe Rolle drfte sie im nchsten Parlament aber trotzdem nicht spielen.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 17
Partai Keadilan Sejahtera (PKS)
- Prosperous Justice Party -
Grndung: 2002
Vorsitzender: Anis Matta
Website: http://www.pks.or.id/
Ideologie: Islam
Status: Regierungskoalition
Wahlergebnisse:
Wahljahr 2004 2009
Wahlergebnis 7.34% 7.88%
Die PKS wurde 2002 als Nachfolgepartei der PK (Justice Party) gegrndet und orientiert sich ideolo-
gisch an der gyptischen Muslimbruderschaft. Die PKS ist die mitgliedsstrkste islamische Partei
Indonesiens und verschaffte sich Ansehen durch Sozialarbeit sowie durch ihre Kampagne fr Ehr-
lichkeit und gegen Korruption. Das Image wurde zerstrt als der PKS-Vorsitzende Luthfi Hasan
Ishaaq wegen Korruption verhaftet und zu 16 Jahren Gefngnis verurteilt wurde. Er hatte sich im
Zuge der Vergabe von Fleischimport-Lizenzen bestechen lassen. Laut Umfragen wird die PKS ihr
Ergebnis von 2009 nicht besttigen knnen.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 18
Partai Kebangkitan Bangsa (PKB)
- National Awakening Party
Grndung: 1999
Vorsitzender: Muhaimin Iskandar
Website: http://www.pkb.or.id/
Ideologie: Moderater Islam
Status: Regierungskoalition
Wahlergebnisse
Wahljahr 1999 2004 2009
Wahlergebnis 12.61% 10.57% 4.94%
Die gemigt-islamische PKB wurde 1999 von Mitgliedern der islamischen Massenorganisation
Nahdatul Ulama (NU) gegrndet. Im selben Jahr wurde der NU-Vorsitzende und PKB-Mitbegrnder
Abdurrahman Wahid, genannt Gus Dur, Prsident Indonesiens. 2001 strzte der liberale Islam-
Gelehrte, der mutige Reformen vorgetrieben hatte, durch ein Misstrauensvotum. Spter kam es zu
einer Partei-Spaltung, von der sich die Partei nie erholt hat. Gus Dur, der 2009 verstarb, und seine
Familie verloren die Kontrolle und wandten sich ab. Die PKB hat Stellung als einflussreichste islami-
sche Partei Indonesiens verloren und kann auch in diesem Jahr nicht mit einem guten Ergebnis
rechnen.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 19
Partai Persatuan Pembangunan (PPP)
- United Development Party -
Grndung: 1973
Vorsitzender: Suryadharma Ali
Website: http://ppp.or.id/
Ideologie: Islam
Status: Regierungskoalition
Wahlergebnisse
Wahljahr 1999 2004 2009
Wahlergebnis 10.71% 8.15% 5.32%
Die PPP ist die lteste islamische Partei Indonesiens. Sie entstand, als 1973 vier islamisch geprgte
Parteien auf Gehei von General Suharto zur PPP vereinigt wurden. Die PPP war fortan (neben der
PDI) eine von zwei zugelassenen Oppositionsparteien. Im Zuge der Demokratisierung spielte die PPP
immer noch eine wichtige Rolle. Von 2001 bis 2004 war ihr damaliger Vorsitzender Hamzah Haz,
der vier Ehefrauen hatte, Vizeprsident Indonesiens. In dieser Legislaturperiode fiel der aktuelle
PPP-Vorsitzende Suryadharma Ali, der Indonesiens Minister fr religise Angelegenheiten ist, durch
intolerante uerungen gegenber religisen Minderheiten auf, auch bezglich der Ahmadiyya-
Minderheit. Nichts weist darauf hin, dass die PPP in diesem Jahr zu alter Strke zurckkehren knn-
te.
Hintergrund: Indonesien Nr. 18 / April 2014 | 20
Partai Amanat Nasional (PAN)
- National Mandate Party
Grndung: 1998
Vorsitzender: Hatta Rajasa
Website: http://pan.or.id/
Ideologie: Islam
Status: Regierungskoalition
Wahlergebnisse
Wahljahr 1999 2004 2009
Wahlergebnis 7.12% 6.44% 6.01%
Die PAN ist eine islamische Partei, die zu Anfang der Reformzeit nach Suhartos Rcktritt von Amien
Rais aufgebaut wurde. Amien war Vorsitzender der Muhammadiyya, der zweitgrten islamischen
Organisation Indonesiens. Von 1999 bis 2004 war Amien auch Vorsitzender der Nationalversamm-
lung. Der lange als moderater Moslem und Demokrat respektierte Amien disqualifizierte sich 2000,
als er in Jakarta an einer Demonstration teilnahm und Aufrufe zum Heiligen Krieg auf den Moluk-
ken untersttzte, wo Moslems und Christen sich gegenseitig umbrachten. Der Aufruf zu mehr Ge-
walt schadete ihm und seiner Partei. Der aktuelle PAN-Vorsitzende Hatta Rajasa ist derzeit als Wirt-
schaftsminister Indonesiens einflussreich. Die PAN drfte kein beachtliches Ergebnis bei den Wahlen
in diesem Jahr erzielen - so wie alle Islamparteien. Insgesamt drften die fnf kleinen Islam-
Parteien aber ber ausreichend Mandate verfgen, um Einfluss zu haben. Zwar sind die Parteien zu
unterschiedlich, um einen Block zu formen. Aber die skularen Wahlsieger werden darber nach-
denken, die ein oder andere islamische Parteien in eine Regierungskoalition zu holen statt eine
Front zu schaffen.