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S chlöer BADEN-WÜRTTEMBERG Vertriebskennzeichen E 30373 ISSN 0943-5298 Jahresabonnement 28,00 m Einzelverkaufspreis 7,50 m Ulm-Wiblingen PORTRÄT Franz Martin Kuen, Schöpfer des Deckenfreskos im Bibliothekssaal des Klosters Urach AUSSTELLUNG Mechthild von der Pfalz (1419 – 1482) im Spiegel der Zeit Ludwigsburg REKONSTRUKTION Die Wiedereröffnung der Königswohnungen bis 2023 realisiert 04 2019

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Page 1: hler -  · OCHSENHAUSEN. Im Klostermuse-um Ochsenhausen befindet sich ein Archivschrank, der – aufgrund seiner guten Erhaltung – ein eindrückliches Bild klösterlichen Archivwesens

SchlösserBADEN-WÜRTTEMBERG

Vertriebskennzeichen

E 30 3 73ISSN 0943-5298Jahresabonnement 26,00 €Einzelverkaufspreis 6,80 €Jahresabonnement 28,00 m Einzelverkaufspreis 7,50 m

Ulm-Wiblingen PORTRÄT Franz Martin Kuen, Schöpfer des Deckenfreskos im Bibliothekssaal des Klosters

Urach AUSSTELLUNG Mechthild von der Pfalz (1419 – 1482) im Spiegel der Zeit

Ludwigsburg REKONSTRUKTION Die Wiedereröffnung der Königswohnungen bis 2023 realisiert

042019

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Schlösser 04| 2019 Schlösser 04| 2019

23 GESCHICHTSQUELLE Rosenkranzaltar in Heiligkreuztal zeigt Details der klösterlichen Wasserwirtschaft

26 AUSFLUGSTIPPWinterzauber: königlicher Weihnachtsmarkt auf der Burg Hohenzollern

SERVICE

28 VERANSTALTUNGENSonderführungen bieten die Möglichkeit, Schlösserund Klöster des Landes kennenzulernen

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IM BIBLIOTHEKSSAAL TUT SICH EIN BAROCKES UNIVERSUM AUF

2 Doppeltes Jubiläumin Kloster Wiblingen: Das Deckenfreskoim Bibliothekssaal und sein Schöpferfeiern Geburtstag

10 VITRINEEin Schrank im Kloster Ochsenhausen gibt Einblicke in das Archivwesen des 18. Jahrhunderts

12 PERSÖNLICHKEITMechthild von der Pfalz: eine herausragende Frauengestalt des 15. Jahrhunderts

16 LUDWIGSBURG Die Restaurierung der königlichen Appartements fördert neue Erkenntnisse zutage

20 ZWISCHEN HIMMEL UND ERDE Ein Festsaal im barocken Stil: der Bacchussaal in Schloss Tettnang

Inhalt2

Titelbild: Kloster Wiblingen.An der Decke des Bibliothekssaales

kann sich der Blick angesichts dieses

Detailreichtums verlieren. Geschaffen

wurde das Decken- fresko bereits vor

275 Jahren.

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Schlösser 04| 2019 Schlösser 04| 2019

Im Kloster Wiblingen entstand mit dem barocken Bibliothekssaal ein repräsentatives

Gehäuse für die kostbaren Bücher des Konvents und zugleich ein Festsaal des

Wissens und der Weisheit. Für das Deckengemälde engagierte der Abt einen jungen

Künstler, der zwar noch nicht viele große Aufträge erhalten hatte, dafür aber ein

unbestreitbares Talent besaß: Franz Martin Kuen aus Weißenhorn. Bei einem Besuch

im Bibliothekssaal lassen sich die ungemeine Detailfreude in den Szenen und die

ansprechende Ausführung genießen.

Das Deckenfresko im Bibliothekssaal des Klosters Wiblingen

Über allem thront die göttliche Weisheit Ein doppeltes Jubiläum: Die Vollendung des Deckenfreskos im Wiblinger Bibliothekssaal erfolgte vor 275 Jahren. Gemalt wurde es vom Maler Franz Martin Kuen, der dieses Jahr seinen 300. Geburtstag hat

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Das Arbeitsfoto aus dem Klostermuseum Ochsenhausen vermittelt einen Eindruck, wie das einstige

Benediktinerkloster seine Archivalien aufbewahrte: fein säuberlich sortiert und beschriftet

Details von der Schublade ganz rechts unten: Zu sehen ist die Gesamtansicht der

Schublade im linken Bild und das „contra“-Zeichen im rechten Bild

Schlösser 04| 2019Schlösser 04| 2019

OCHSENHAUSEN. Im Klostermuse-um Ochsenhausen befindet sich ein Archivschrank, der – aufgrund seiner guten Erhaltung – ein eindrückliches Bild klösterlichen Archivwesens des 18. Jahrhunderts liefert. In dem schlichten längsrechteckigen Korpus aus Weich-holz finden neun Schubladen Platz. Zwei große Flügeltüren mit eisernen Schar-nieren verbergen den Blick auf die be-schrifteten Schubkästen, in denen einst wichtige Dokumente des Klosters auf-bewahrt wurden. Der Zugriff darauf wur-de durch ein Schloss gesichert. Dieses ist heute herausgebrochen, der Schlüs-sel entfernt und die Türen nurmehr an-gelehnt.

An den Seiten des Archivschranks befin-den sich verzierte Tragegriffe, mit deren Hilfe man bei einer Änderung der Besitz-verhältnisse oder drohender Gefahr den Schrank und seinen wertvollen Inhalt schnell abtransportieren konnte. Jede der Schubladen trägt frontseitig einen Rahmen aus profilierten Zierleisten. Ein einfacher hölzerner Knauf markiert die Mitte. Jeweils zwei handbeschriebene Pappschilder geben über die Archiv-ordnung Auskunft. Die unterhalb des

Knaufs befindlichen Schilder sind mit einer fortlaufenden Nummerierung ver-sehen; beginnend mit 109, aufsteigend bis 117. Auf den darüber liegenden grö-ßeren Schildern ist mit rötlich-brauner Tinte die in der Schublade befindliche Archivsache vermerkt. Die Beschriftun-gen sind noch gut lesbar und weisen da-rauf hin, dass hier Unterlagen zur weltli-chen Verwaltung des Klosters gelagert wurden: Korrespondenzen mit Reich und Kreis, Dokumente zu allgemeinen Finanzangelegenheiten, Kaufverträge und Bürgschaften mit umliegenden Herrschaftsgebieten, aber auch Belege über Konflikte und Streitigkeiten in weit entfernten Besitzungen.

Der Archivschrank ist auch eine Fund-grube ganz anderer Art: Bemerkens-wert ist die Benutzung eines Zeichens, das man auf den ersten Blick als das uns heute geläufige @-Zeichen inter-pretieren würde. Doch wieso erscheint es auf einem Archivschrank aus dem 18. Jahrhundert? Das @-Zeichen wurde wohl schon lange Zeit als Ligatur des lateinischen Wortes „ad“ verwendet – eine Verschmelzung der handschrift-lich verfassten Buchstaben A und D. Auf den Schubladen des Ochsenhau-sener Schranks findet sich jedoch ein solches „ad“, sodass hier eine andere Interpretation des Zeichens zu vermu-ten ist. Bei näherem Hinsehen ist eine Unterbrechung in der feinen Tintenlinie des vermeintlichen @-Zeichens sichtbar. Dadurch mutet es wie der Großbuchsta-be C an, der ein kleines A umrundet. Im Hinblick darauf könnte man das Zeichen auch mit einem anderen Bereich in Ver-bindung bringen, was sich zudem durch die Inschrift auf dem Pappschild stützen

Vitrine

Der Ochsenhausener Archivschrank

ließe. Demzufolge befanden sich einst Akten des Reichskammergerichts in der Schublade – einen Prozess gegen die Reichsstadt Biberach betreffend. Das @-Zeichen trägt hier also die Bedeutung „contra“ und bildet das verbindende Element zwischen den beiden gegneri-schen Parteien.

Im Laufe der Jahrhunderte sammelten sich immer mehr aufbewahrungswürdi-ge Unterlagen an, die in einem gesicher-ten Bereich des Klosters, dem Archiv, untergebracht wurden. Mehrere dieser Schubladenkästen eigneten sich mit ih-ren seitlichen Tragegriffen auch beson-ders gut, um zu einer einheitlich wirken-den Raumausstattung zusammengefügt zu werden.

Die bis ins Mittelalter zurückreichenden Archivalien des Klosters Ochsenhausen befinden sich heute im Hauptstaats-archiv Stuttgart. Dieses geht auf das Archiv des Herzogtums Württemberg im Alten Reich zurück und kam in den Besitz der Unterlagen, als 1803 im Zuge der Säkularisierung geistliche Territori-en und deren Besitztümer verweltlicht wurden – darunter viele Klöster in Ober-schwaben. Politisch gesehen bedeutete dies ein einschneidendes Ereignis. Doch im Hinblick auf die zusammengetrage-nen Archivschätze boten sich so unge-ahnte Möglichkeiten von Konservierung und Bündelung historischer Aufzeich-nungen. Der Archivschrank ist im Klos-termuseum Ochsenhausen zu sehen, das ab Januar 2020 von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württem-berg betreut werden wird.

Natalie Schmidt

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Schlösser 04| 2019 Schlösser 04| 2019

Mechthild von der Pfalz und Erzherzog Albrecht von Österreich, Darstellung im Codex Ingeram, 1459STUTTGART. Mechthild von der Pfalz (1419–1482) verbindet in ihrer Biografie nicht nur die Kurpfalz und Württemberg, sondern verkörpert durch ihre spätere Heirat ins habsburgische Königshaus vornehmsten fürstlichen Rang. Mecht-hilds 600. Geburtstag im März 2019 bie-tet den willkommenen Anlass, ihr eine kulturgeschichtliche Ausstellung zu wid-men, die in Stuttgart, Rottenburg und Bad Urach gezeigt wird. Freilich ist es nicht die politische Größe, die Mechthild ein breites landesgeschichtliches Inter-esse sichert; dieses anhaltende Interes-se gilt primär ihrer kulturgeschichtlichen Bedeutung als herausragende Mäzenin zeitgenössischer Literatur und Mitbe-gründerin der Universitäten Freiburg und Tübingen.

Das herkömmliche Bild von Mechthild ist besonders durch den argwöhnischen Blick auf ihren sogenannten „Musen-hof“ in Rottenburg geprägt oder besser: verdeckt – dieses Bild, das mit einer lüsternen Witwe und ihren Günstlingen von späteren Chronisten überzeichnet wurde. Umso mehr scheint es ange-messen, die Perspektiven zu wechseln und Mechthild auch selbst sprechen las-sen, um sie in den Texten, Bildern und Büchern an ihrem „Musenhof“ wieder-zufinden.

Gebildete Frau mit reicher Mitgift

Mechthild wurde am 7. März 1419 im Heidelberger Schloss geboren. Sie hat-te prominente Eltern: Kurfürst Ludwig III. von der Pfalz und seine zweite Frau Mathilde/Mechthild von Savoien-Achaia. Mechthild wuchs in Heidelberg an ei-nem der prominentesten Fürstenhöfe des Reiches auf, ausgezeichnet durch ein großartiges kulturelles Profil, das der Kurfürst und seine vornehme Frau glän-zen ließen.

Nachdem Mechthild bereits im Alter von sechs Monaten in die Ehe mit dem württembergischen Grafensohn Lud-wig versprochen worden war, verließ sie 17-jährig den Heidelberger Hof, um 1436 in Stuttgart prächtige Hochzeit zu feiern. Sie war tatsächlich eine reiche Braut mit einer kostbaren Mitgift, die ihr als Gegengabe der Württemberger zum Wittum – also für die Zeit ihrer mögli-chen Witwenschaft – die Ämter Böblin-gen und Sindelfingen einbrachte.

Als die Grafschaft Württemberg dann schon wenige Jahre später zwischen den Grafenbrüdern Ludwig und Ulrich geteilt wurde, zog sich Mechthild mit ih-rem Mann Ludwig und ihrer Familie nach Urach, an den Rand der Schwäbischen Alb, zurück. Immerhin gab es auch hier ein ansehnliches Schloss, das man noch

weiter ausbauen konnte, aber mit Hei-delberg waren Stuttgart und erst recht Urach kaum zu vergleichen – weder vom politischen Ansehen und der herrschaft-lichen Repräsentation noch von der Hof-haltung und dem städtischen Glanz, vom kulturellen Ambiente ganz zu schwei-gen. Freilich wurde Mechthild schon bald der ihr übertragenen Hauptaufgabe gerecht, für den Erhalt der Dynastie zu sorgen: Noch in Stuttgart bzw. in Waib-lingen wurden ihre Tochter Mechthild und ihr Sohn Ludwig geboren, in Urach dann Andreas, Eberhard und Elisabeth.

Der plötzliche Tod ihres Mannes Lud-wig im September 1450 veränderte die Situation grundlegend. Mechthild hatte sich auf ihren Witwensitz nach Böblin-gen zurückzuziehen, während ihr Bruder Friedrich von der Pfalz und ihr Schwa-ger Ulrich in Stuttgart um die Vormund-schaft über ihre unmündigen Söhne und damit um die Regierung in Würt-temberg-Urach stritten. Als Erzherzog Albrecht VI., der jüngere Bruder Kaiser Friedrichs III., drängend um sie warb, entzog sich Mechthild mit dieser Ehe bereits nach einem Jahr der deprimie-renden Situation. Im August 1452 feier-te sie in Böblingen eine zweite großarti-ge Hochzeit. Die Gräfinwitwe war auch für den prunkliebenden Habsburger noch eine glänzende Partie, schon we-gen ihrer überreichen Mitgift. Mechthild war damals erst Anfang 30, und mit der

Verbindung ins habsburgische Kaiser-haus sollte ihr die Sicherung ihrer per-sönlichen Ansprüche und die ihrer Söh-ne gerade gegenüber den Stuttgarter Verwandten besser gelingen.

Mechthilds „Musenhof“ in Rottenburg

Mechthild zog mit ihrem neuen Gatten nun nach Freiburg, seine vorderösterrei-chische Residenz, bald darauf aber nach Rottenburg am Neckar, wo sie ihren ei-genen Hof halten wollte. Hier, ganz in der Nähe von Tübingen und nicht weit von Urach, aber entfernt von Freiburg, konnte sie ebenso herrschaftlich unab-hängig leben und ihren Kindern nahe sein. Ihren Gatten traf und begleitete sie immer seltener. Dafür gelang es ihr, in Rottenburg eine glänzende Hofhaltung aufzubauen, die bald Anziehungspunkt zahlreicher bedeutender Gelehrter und Literaten werden sollte. Von hier aus un-terstützte Mechthild auch die Gründung der Universität in Freiburg, die Albrecht im Jahr 1457 erreichte.

Mechthilds immer wieder hinterfragter „Musenhof“ in Rottenburg, der auch bei einigen Zeitgenossen schon bald in Verruf kam, hat beeindruckende Litera-tur hervorgebracht, die von Mechthild angeregt, ihr gewidmet war oder gar um ihre Person spielte. Dabei weiß die

Mechthild von der Pfalz und ihr „Musenhof“ in RottenburgEine der herausragenden Frauengestalten des 15. Jahrhunderts im deutschen Südwesten: Der 600. Geburtstag von Mechthild von der Pfalz ist der Anlass, sie als herausragende Mäzenin zeitgenössischer Literatur und Mitbegründerin zweier Universitäten im Land vorzustellen.

Grabmal Mechthilds von der

Pfalz von Hans Multscher,

entstanden um 1450, heute in

der Stiftskirche Tübingen