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Das Leipziger Auensystem breitet sich auf einer Fläche von rund 6.000 Hektar aus und umfasst Natura-2000 Gebiete (FFH und SPA). Im zugehörigen Landschaftsschutzgebiet sind drei Naturschutzgebiete ausgewiesen. Der Leipziger Auwald verfügt über eine in Sachsen ein- zigartige, gut ausgeprägte Hartholzaue mit sehr wertvollem Eichenbe- stand. Lebensraumtypen der Weichholzaue sind aufgrund der zunehmenden Austrocknung und intensiven Unterhaltung kaum noch vorhanden. Entlang der Neuen Luppe, dem bedeutendsten Auenbereich im Nord- westen Leipzigs, wurden nach einem Hochwasserereignis im Januar 2011 auf 30 ha Fläche mehr als 6.500 Bäume an und auf den Deichen gefällt, darunter auch über 200 Jahre alte Eichen. Auch die begleitende Neuanlage von Deichverteidigungswegen sowie die abschnittsweise Neudimensionierung der Deiche wurde ohne förmliches Verfahren und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. In der Nordwestaue liegt das Gebiet mit hohem Potential für Deichrückbau und Wiederver- nässung. Die 2011 realisierten Maßnahmen bewirken das Gegenteil und schneiden den Auwald dauerhaft von der natürlichen Überflutungs- dynamik des Flusses ab. Begründet wurden die Fällungen und anschließenden Arbeiten mit „Gefahr im Verzug“. Dagegen sieht der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig hier einen planungsrechtlichen Ausbau und klagt gegen die Maßnahmen und die Nichtbeteiligung. Abflussdynamik prägt die Gestalt naturnaher Gebirgsflüsse Auwald Leipzig Fällung an der Luppe Dem Auwald eine Chance geben – Deichrückverlegung in Lenzen an der Elbe Hochwasser bis zu einem HQ5 können Uferstrukturen beeinflus- sen und innerhalb des Flussbettes Geschiebe umlagern. Die Kraft von größeren Hochwas- serereignissen gestaltet die Land- schaft, verlagert Flüsse, lässt neue Altwässer entstehen, schüttet Kies-, Sand- und Schlammbänke auf. Bachoffenlegung Renaturierte Feuchtwiese Wiederbewaldung Gerade bei Mittelgebirgsflüssen schaffen erst größere Hochwäs- ser wesentliche naturnahe Struk- turen von Ufer und Sohle. Hierzu zählen Uferabbrüche, Laufverla- gerungen, Schotterbänke und Kolke. Ohne die prägende Strö- mungsdynamik bleiben Erosion und Umlagerung von Sediment aus, typische Pionierlebensräume verschwinden. Der Fluss braucht das Hochwasser wie der Mensch die Luft zum Atmen Hochwasserschutz und Naturschutz können Hand in Hand gehen – durch intensiven Deichbau werden sie zu Gegnern! Natürliche Sukzession Laufveränderung der Bobritzsch im Ergebnis eines HQ5 Hochwasser 2002 (HQ200-300): Neuer Fluss- arm der Flöha bei Falkenau Altarm der Bobritzsch bei Bieberstein, ent- standen beim Hochwasser 2002 © GRÜNE LIGA e.V. Bundeskontaktstelle Wasser Water Policy Office Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin Tel: +49 30 40 39 35 30 E-Mail: [email protected] Internet: www.wrrl-info.de Redaktion: Michael Bender Tobias Schäfer Alexandra Gaulke Anja Grohse Franziska Bernstein Layout: Kommunikatisten Stand: 11/2012 Das Projekt „Gewässerschutz HWRM“ wird vom Umweltbundesamt und vom Bundesumweltministerium gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen. Hochwasser und Naturschutz Deichertüchtigung zerstört Leipziger Auwald Bildnachweise Titelbild: Uwe Grö[email protected] | Fotos Leipziger Auwald: Holger Seidemann, Umweltbund – Ökolöwe Umweltbund Leipzig e. V., | Luftbild Deichrückverlegung Lenzen: Jochen Purps | Bilder Auendynamik/Bobritschtal: Beispiele von Eigentumsflächen des Naturschutzbunds Sachsen e.V. - NaSa, Fotos: Tobias Mehnert Die Bobritzsch gilt als einziger weitgehend naturnaher Flusslauf im Erzgebirge ohne Abflussregulierung durch Staubauwerke. Der Flusslauf ist auf 38 Kilometern als FFH-Gebiet „Bobritzschtal“ Teil des europä- ischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000. Das natürliche Abflussregime droht nun auf einer Strecke von über 30 Kilometern durch ein künstlich gesteuertes ersetzt zu werden: Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) Sachsen plant durch die Errichtung Hochwasserrückhaltebecken gefährden Gewässerentwicklung im Natura 2000-Gebiet Bobritzschtal von je einem Hochwasserrückhaltebecken bei Oberbobritzsch und Mulda (Chemnitzbach), die Bobritzsch bereits bei einem zweijährlichen (HQ2), den Chemnitzbach bei einem fünfjährlichen Hochwasser (HQ5) einzustauen. Die für die Gebietsmeldung im Jahre 2004 maßgeblichen Schutzziele naturnahe Fließgewässerdynamik, Durchgängigkeit und Auendynamik wurden im Planfestellungsverfahren nicht berücksichtigt. Im geplanten Einstaubereich des Hochwasserrückhaltebe- ckens Oberbobritzsch hat der Naturschutzverband Sachsen e.V. seit den 1990er Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Gewässerentwicklung und zum Wasserrückhalt realisert.

Hochwasser und Naturschutz - we.riseup.netneu16+web.pdf · Die 2011 realisierten Maßnahmen bewirken das Gegenteil und schneiden den Auwald dauerhaft von der natürlichen Überflutungs-

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Page 1: Hochwasser und Naturschutz - we.riseup.netneu16+web.pdf · Die 2011 realisierten Maßnahmen bewirken das Gegenteil und schneiden den Auwald dauerhaft von der natürlichen Überflutungs-

Das Leipziger Auensystem breitet sich auf einer Fläche von rund 6.000 Hektar aus und umfasst Natura-2000 Gebiete (FFH und SPA). Im zugehörigen Landschaftsschutzgebiet sind drei Naturschutzgebiete ausgewiesen. Der Leipziger Auwald verfügt über eine in Sachsen ein-zigartige, gut ausgeprägte Hartholzaue mit sehr wertvollem Eichenbe-stand. Lebensraumtypen der Weichholzaue sind aufgrund der zunehmenden Austrocknung und intensiven Unterhaltung kaum noch vorhanden.

Entlang der Neuen Luppe, dem bedeutendsten Auenbereich im Nord-westen Leipzigs, wurden nach einem Hochwasserereignis im Januar 2011 auf 30 ha Fläche mehr als 6.500 Bäume an und auf den Deichen gefällt, darunter auch über 200 Jahre alte Eichen. Auch die begleitende Neuanlage von Deichverteidigungswegen sowie die abschnittsweise Neudimensionierung der Deiche wurde ohne förmliches Verfahren und ohne Beteiligung der Öffentlichkeit durchgeführt. In der Nordwestaue liegt das Gebiet mit hohem Potential für Deichrückbau und Wiederver-nässung. Die 2011 realisierten Maßnahmen bewirken das Gegenteil und schneiden den Auwald dauerhaft von der natürlichen Überflutungs-dynamik des Flusses ab.

Begründet wurden die Fällungen und anschließenden Arbeiten mit „Gefahr im Verzug“. Dagegen sieht der Ökolöwe – Umweltbund Leipzig hier einen planungsrechtlichen Ausbau und klagt gegen die Maßnahmen und die Nichtbeteiligung.

Abflussdynamik prägt die Gestalt naturnaher Gebirgsflüsse

Auwald Leipzig Fällung an der Luppe

Dem Auwald eine Chance geben – Deichrückverlegung in Lenzen an der Elbe

Hochwasser bis zu einem HQ5 können Uferstrukturen beeinflus-sen und innerhalb des Flussbettes Geschiebe umlagern.

Die Kraft von größeren Hochwas-serereignissen gestaltet die Land-schaft, verlagert Flüsse, lässt neue Altwässer entstehen, schüttet Kies-, Sand- und Schlammbänke auf.

Bachoffenlegung Renaturierte FeuchtwieseWiederbewaldung

Gerade bei Mittelgebirgsflüssen schaffen erst größere Hochwäs-ser wesentliche naturnahe Struk-turen von Ufer und Sohle. Hierzu zählen Uferabbrüche, Laufverla-gerungen, Schotterbänke und Kolke. Ohne die prägende Strö-mungsdynamik bleiben Erosion und Umlagerung von Sediment aus, typische Pionierlebensräume verschwinden.

Der Fluss braucht das Hochwasser wie der Mensch die Luft zum Atmen

Hochwasserschutz und Naturschutz können Hand in Hand gehen – durch intensiven Deichbau werden sie zu Gegnern!

Natürliche Sukzession

Laufveränderung der Bobritzsch im Ergebnis eines HQ5

Hochwasser 2002 (HQ200-300): Neuer Fluss-arm der Flöha bei Falkenau

Altarm der Bobritzsch bei Bieberstein, ent-standen beim Hochwasser 2002

© GRÜNE LIGA e.V.Bundeskontaktstelle WasserWater Policy OfficeGreifswalder Straße 4, 10405 BerlinTel: +49 30 40 39 35 30 E-Mail: [email protected]: www.wrrl-info.de

Redaktion: Michael Bender Tobias Schäfer Alexandra Gaulke Anja Grohse Franziska BernsteinLayout: KommunikatistenStand: 11/2012

Das Projekt „Gewässerschutz HWRM“ wird vom Umweltbundesamt und vom Bundesumweltministerium gefördert. Die Förderer übernehmen keine Gewähr für die Richtigkeit, die Genauigkeit und die Vollständigkeit der Angaben sowie für die Beachtung privater Rechte Dritter. Die geäußerten Meinungen müssen nicht mit denen der Förderer übereinstimmen.

Hochwasser und Naturschutz

Deichertüchtigung zerstört Leipziger Auwald

Bildnachweise Titelbild: Uwe Grö[email protected] | Fotos Leipziger Auwald: Holger Seidemann, Umweltbund – Ökolöwe Umweltbund Leipzig e. V., | Luftbild Deichrückverlegung Lenzen: Jochen Purps | Bilder Auendynamik/Bobritschtal: Beispiele von Eigentumsflächen des Naturschutzbunds Sachsen e.V. - NaSa, Fotos: Tobias Mehnert

Die Bobritzsch gilt als einziger weitgehend naturnaher Flusslauf im Erzgebirge ohne Abflussregulierung durch Staubauwerke. Der Flusslauf ist auf 38 Kilometern als FFH-Gebiet „Bobritzschtal“ Teil des europä-ischen Schutzgebietsnetzes Natura 2000.

Das natürliche Abflussregime droht nun auf einer Strecke von über 30 Kilometern durch ein künstlich gesteuertes ersetzt zu werden: Die Landestalsperrenverwaltung (LTV) Sachsen plant durch die Errichtung

Hochwasserrückhaltebecken gefährden Gewässerentwicklung im Natura 2000-Gebiet Bobritzschtal

von je einem Hochwasserrückhaltebecken bei Oberbobritzsch und Mulda (Chemnitzbach), die Bobritzsch bereits bei einem zweijährlichen (HQ2), den Chemnitzbach bei einem fünfjährlichen Hochwasser (HQ5) einzustauen.

Die für die Gebietsmeldung im Jahre 2004 maßgeblichen Schutzziele naturnahe Fließgewässerdynamik, Durchgängigkeit und Auendynamik wurden im Planfestellungsverfahren nicht berücksichtigt.

Im geplanten Einstaubereich des Hochwasserrückhaltebe-ckens Oberbobritzsch hat der Naturschutzverband Sachsen e.V. seit den 1990er Jahren zahlreiche Maßnahmen zur Gewässerentwicklung und zum Wasserrückhalt realisert.