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der hotelier Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung · 22. April 2017 · Nr. 164
Von den zahlreichen Auszeichnungen,
die Michael Stober in jüngster Zeit für
sein Landgut Stober verliehen wurden,
sticht eine besonders hervor: Hotelpersönlich-
keit des Jahres 2016. Sie trifft wahrscheinlich am
besten, was ihn ausmacht und was er auf die Bei-
ne gestellt hat. Mit Mut und Enthusiasmus, mit
Risikobereitschaft und Ausdauer hat er aus den
Ruinen eines ehemaligen Gutshofs in der Bran-
denburger Seenlandschaft nahe Berlin eine Ho-
telanlage für Tagungen, Hochzeiten und Events
geschaffen, die zugleich auch ein idyllischer Ort
zum Relaxen ist. In gewisser Weise blieb ihm
aber auch gar nichts anderes übrig, denn dieses
zerfallene Landgut hatte ihn schon bei der ersten
Begegnung in seinen Bann gezogen.
Angefangen hat alles im Jahr 2000. Da wollte
Michael Stober privat für seine Familie ein altes
Herrenhaus an der Ostsee kaufen, fand aber
nicht das Richtige. Ein Bekannter machte ihn
dann auf ein ehemaliges Gut im Havelland auf-
merksam, das er in einem Versteigerungskatalog
entdeckt hatte. Stober fuhr hin, sah einen Hau-
fen Ruinen und spürte doch zugleich, was er die
Magie des Ortes nennt: „Das war so ein diffuses
Empfinden, das ist etwas ganz Besonderes, nicht
vergleichbar mit den üblichen Schlössern und
Herrenhäusern. Und ich war empfänglich für die
Magie dieses Ortes.“
Historische Energie aufgegriffen
Er kaufte die Ruinen, das gesamte verwahrloste
Grundstück und dachte zunächst – Berlin ist ja
nicht weit – an ein Ensemble aus Ateliers und
Wohnungen. Doch je mehr er über die Geschich-
te dieses alten Landguts recherchierte und er-
fuhr, desto mehr änderten sich seine Pläne. Das
Gut gehörte einst der Berliner Industriellenfami-
lie Borsig und August Borsig war nicht nur ein
Pionier des Industriezeitalters, sondern auch
bahnbrechend in sozialen Belangen, naturver-
bunden und visionär. „Diese historische Energie
wollte ich in angemessener Weise aufgreifen.“ So
gründete er in Berlin eine Arbeitsgruppe aus Ar-
chitekten, Historikern, Künstlern und Innenar-
chitekten, die mehrere Jahre lang die historische
Nutzung des Guts erschloss und Konzepte für
eine Neunutzung unter Berücksichtigung des
Denkmalschutzes entwickelte. Eine ganzheitli-
che und möglichst authentische Neunutzung,
die an den historischen Gegebenheiten anknüp-
fen sollte.
Das Ergebnis: ein Bio-Hotel mit 82 Doppel-
zimmern und 20 Suiten in einer früheren Groß-
scheune, das historische Logierhaus mit 23 Dop-
pelzimmern und drei Suiten, 25 Tagungs- und
Veranstaltungsräume, ein Restaurant im ehema-
ligen Geflügelhaus und Kälberstall, eine Wein-
stube sowie ein riesiger Park für Außen-Feier-
lichkeiten. Insgesamt hat Stober rund 18 Mio.
Euro investiert und, wie er mit durchaus ernster
Miene anmerkt, „sie hoffentlich nicht in, son-
dern auf den sprichwörtlichen Märkischen Sand
gesetzt“.
Michel Stober, Jahrgang 1958, kommt aus Ba-
den-Württemberg und hat, wie er sagt, eine
christlich-humanistische und soziale Erziehung
genossen. Er suchte sich, nicht untypisch für sei-
ne Generation, über die Jahre immer wieder
neue Berufe aus, studierte Philosophie und Fo-
tografie, arbeitete als Bronzegießer, Musiker,
aber auch als Altbausanierer. Er machte als jun-
ger Mann ausgedehnte Reisen durch Länder wie
Tibet oder Afghanistan. Reisen, die manchmal
voller Gefahren und Grenzerfahrungen waren,
aber auch eine Schule fürs Leben. Mit dem Land-
gut Stober hat er sich dann in der Mitte seines
Lebens noch einmal die ganz große Herausfor-
derung ausgesucht. Nun ist er also, seit 2008 der
erste Teil des restaurierten Landguts eröffnete,
Hotelier und Gastronom und ein absoluter
Branchen-Newcomer. „Meine einzige Erfahrung
in dieser Branche war bis dahin ein Schülerjob
im Weinausschank auf der Ravensburg.“ Doch
abgesehen davon, dass seine Frau aus der Bran-
che kommt und das operative Geschäft leitet, hat
Stober, der schwäbische Perfektionist, sich na-
türlich alles angeeignet, was man für ein zu-
kunftsorientiertes Projekt dieser Größenord-
nung braucht. Sein großes Thema in diesem
Kontext: Nachhaltigkeit.
Im vergangenen Jahr wurde das Landgut Sto-
ber von verschiedenen Verbänden als nachhal-
tigstes Hotel Deutschlands ausgezeichnet. Es ist
zudem das erste bio-zertifizierte Hotel in Berlin
und Brandenburg. Der Strom wird hier aus einer
Photovoltaikanlage gewonnen, die Toilettenspü-
lungen verwenden Regenwasser und geheizt
wird mit einer Holzschnitzelanlage. Die Zimmer
sind elektrosmogreduziert und mit Matratzen
aus Kautschuk, Bio-Baumwolle, Seegras und Ko-
kos ausgestattet. Laut Hausherr kommen man-
che Gäste auch deshalb wieder, weil sie auf die-
sen Matratzen so außerordentlich gut schlafen.
Nicht ganz unproblematisch: die Mülltren-
nung. Für ein Bio-Hotel ist das ein Muss, doch
man will sie den Gästen auf den Zimmern nicht
zumuten, deshalb erfolgt sie durchs Personal.
Die Kommunikation mit dem Gast wird bei die-
sen Themen großgeschrieben: „Wie mache ich
das, damit diese Sachen den Gästen nicht auf den
Senkel gehen“, sagt Stober. „Wir haben zum Bei-
spiel einen Holzklotz in der Lobby stehen, mit
dem wir die Themen Heizen und Nachhaltigkeit
humorvoll ansprechen und anschaulich ma-
chen.“ Und für das gastronomische Angebot gilt:
Die Produkte müssen nicht bio, aber hochwertig
Er ist ein Quereinsteiger und braucht die Herausforderung:
Der Umtriebige
nMichael Stober hat schon viel in seinem Leben ausprobiert. Doch mit dem Kauf eines zerfallenen Landguts vor gut
16 Jahren wagte er noch einmal ein neues Abenteuer. Heute gilt das Bio-Hotel Landgut Stober als Leuchtturm im
Berliner Umland. Stobers großes Thema in diesem Kontext ist die Nachhaltigkeit – auch bei der Mitarbeiterbindung.
Von Karin Rieppel
Ort voller Magie: Bereits bei der ersten Begehung zog das Landgut den Unternehmer Michael Stober in seinen Bann. Deshalb kaufte er es und machte ein Hotel daraus Foto: Hotel
Familie ist ihm wichtig: Michael Stober, seine Frau Tanja Getto und die Kinder Foto: Hotel
Allgemeine Hotel- und Gastronomie-Zeitung · 22. April 2017 · Nr. 16 der hotelier 5
und möglichst regional sein. „Wir kennen all un-
sere Lieferanten persönlich, haben uns da inzwi-
schen ein eigenes Netzwerk geschaffen.“
Von großer Bedeutung für das Tagungsge-
schäft sind die VDR-Auszeichnung „Bestes Ta-
gungshotel Deutschlands“ in den vergangenen
drei Jahren sowie die Pharmakodex- und CO2-
frei-Zertifizierung. Stober setzt darauf, dass sein
Landgut mit diesen drei Säulen auf dem heiß
umkämpften Tagungsmarkt bestehen und punk-
ten kann: mit Nachhaltigkeit, mit professionel-
lem und zertifiziertem Tagungs-Know-how so-
wie einer idyllischen ländlichen Abgeschieden-
heit, die der Konzentration auf die jeweiligen
Veranstaltungen äußerst dienlich ist. „Der Anteil
mit Tagungen und Meetings macht bei uns rund
75 Prozent aus, etwa 15 Prozent entfallen auf
Hochzeiten und der Rest sind Leisure-Gäste“, so
Stober. Mit den Hochzeiten hat es übrigens eine
besondere historische Bewandtnis: Zu DDR-Zei-
ten hat die örtliche LPG, sprich Landwirtschaft-
liche Produktionsgenossenschaft, auf den Guts-
hof Trauungen veranstaltet. Vielleicht kommen
auch deshalb die Kinder und Kindeskinder die-
ser Paare heute so gern zum Heiraten hierher.
Jahrelang ist Michael Stober täglich zwischen
Berlin und Groß Behnitz gependelt, doch inzwi-
schen lebt er mit seiner Frau und den vier Kin-
dern auf dem Landgut. Die Zeit, die er dadurch
gewonnen hat, widmet er – wenn irgend möglich
– seinen Kindern: „Um 6.45 Uhr stehe ich auf
und frühstücke mit meiner Familie, um 7.30 Uhr
fahre ich die Kinder zur Schule, um 17 Uhr hole
ich sie wieder ab und um 19 Uhr bringe ich sie
ins Bett.“ Der Arbeitstag ist danach natürlich
noch nicht zu Ende. Doch immerhin, am 1. Janu-
ar 2017 hat ein neuer F&B Manager seinen Job
angetreten, und kann zumindest seine Frau im
operativen Geschäft entlasten.
Ein Landgut, das etwas abseits vom Schuss
liegt, da ist es womöglich noch schwieriger als in
der Branche ohnehin, gutes Personal zu finden.
Zehn der 55 Vollzeit-Mitarbeiter kommen aus
dem Ort Groß Behnitz, der nur 500 Einwohner
hat. Alle anderen, sowie die rund 100 zusätzli-
chen freien Saisonkräfte, pendeln. Wenn das im
Einzelfall zu stressig oder schwierig ist, gibt es
zwölf möblierte Zimmer, in denen Mitarbeiter
kostenlos übernachten können. Es ist nicht der
einzige Aspekt in Stobers Konzept von Mitarbei-
terbindung und -führung. „Wir geben unser
Bestes und legen großen Wert auf eine familiäre
Atmosphäre. Ich glaube, dass unsere Mitarbeiter
uns vertrauen und wir vertrauen auf ihre Hospi-
tality“, so Stober.
Teambildungsmaßnahmen wie innerbetrieb-
liche Wechsel der Arbeitsplätze, ein Zeitkonto
für Weiterbildung und ein tägliches, kostenloses
– und soweit möglich – gemeinsames Mittag-
essen sollen allen Mitarbeitern den Rücken stär-
ken und Freude bereiten. „Sie sind unser Kapital,
sie müssen sich wohlfühlen und Spaß bei der Ar-
beit haben, sonst funktioniert das nicht.“ Auch
hier zeigt sich, dass Nachhaltigkeit ein Motor
sein kann, etwa, wenn das Hotelteam beschließt,
ein papierfreies Hotel zu schaffen, oder wenn
sich junge Leute initiativ bewerben, weil sie das
Engagement anspricht. Über eine Kooperation
mit dem Jobcenter in Neuruppin hat Michael
Stober zudem junge, syrische Flüchtlinge ins
Team geholt, einen Koch-Azubi und zwei Mit-
arbeiter im Housekeeping. Und seine besondere
Fürsorge gilt dabei nicht nur den Flüchtlingen:
„Ich muss ja auch dafür sorgen, dass meine Be-
legschaft die Flüchtlinge akzeptiert.“ Also hat
Stober mehr als ein Kennenlernen organisiert:
Was haben sie früher in ihrem Heimatland ge-
macht, wie steht es um ihre Familien, was muss-
ten sie durchmachen – all das wurde ins Team
getragen, um die Basis für ein besseres Verständ-
nis zu schaffen.
Im Verbund gegen die Konkurrenz
Im Jahr 2015 konnte das Landgut zum ersten Mal
schwarze Zahlen schreiben. Eine Tatsache, die
Stober gleich wieder zu neuen Aktivitäten be-
flügelt hat. Jetzt ist er Vorstandsvorsitzender des
Vereins „Grüner Ring von Berlin“, einem Ver-
bund von 30 Tagungshotels und Eventlocations
rund um Berlin. Denn natürlich muss man sehr
offensiv um Firmen und Institutionen werben,
damit sie nicht in Berlin tagen. Der Verein will
gegen diese Konkurrenz mit Nachhaltigkeit und
Naturverbundenheit punkten, aus der Abge-
schiedenheit in unmittelbarer Nähe Berlins ein
Plus für den Kunden gestalten. Michael Stober
knüpft dabei mit seinem Landgut auch an eine
weitere historische Besonderheit an: Der Kreis-
auer Kreis, eine Widerstandsgruppe gegen den
Nationalsozialismus, hat hier einst getagt und
übernachtet, ein positiver und kreativer Nach-
hall für einen Future Meeting Place.
Das Landgut Stober wird in Brandenburg als
Leuchtturmprojekt gefördert und natürlich
macht diese Wertschätzung den Hotelier stolz.
Es freut ihn, wenn der Brandenburger Wirt-
schaftsminister Albrecht Gerber sagt: „Solche
Bekloppten wie den Stober brauchen wir!“
Hauptsache, man nennt ihn nicht Investor oder
Projektentwickler. Beide Bezeichnungen mag er
auch deshalb nicht, weil sie dem, was er geschaf-
fen hat, nicht gerecht werden. „So ein Projekt
ohne Herzblut, das kann man vergessen.“ So hat
Stober auch schon in einer sehr frühen Phase
den Kontakt zu den Nachkommen der Familie
Borsig gesucht. Das sind heute die Ururenkel von
August Borsig. „Die meisten von ihnen unter-
stützen uns ideell und freuen sich über das Er-
gebnis.“ Und manch einer der Borsig-Nachkom-
men kommt auch hin und wieder zu Besuch auf
dem Landgut Stober vorbei.
Michael Stober: „Ein Projekt ohne
Herzblut, das kann man vergessen“
Foto: Peter Stumpf
L Eröffnet: 2008, Bio-Hotel 2012
L Inhaber: Michael Stober
L Zimmer: 128 Doppelzimmer, davon
105 im Bio-Hotel und 23 im Logierhaus,
sowie 3 Suiten
L Tagungslocation: 25 historische
Salons, 120 Jahre alte Druckwerkstatt und
eine Dampfmaschine
L Gastronomie:
Restaurant Seeterrassen, Weinstube
L Investitionen: 18 Mio. Euro
L Netto-Umsatz: 4 Mio. Euro
L Auslastung: 42 Prozent
L Kontakt:
Behnitzer Dorfstraße 23 und 27-31
14641 Nauen
www.landgut-stober.de
Daten & Fakten
Michael Stober ist 1958 in Mühlbach/
Baden geboren. Sein Philosophiestudium
brach er ab und betätigte sich anschlie-
ßend nach längeren Auslandsaufenthalten
in zahlreichen Berufen, etwa als Bronze-
gießer, Musiker, Fotograf, Tellerwäscher,
Möbelrestaurator und Altbausanierer. Im
Jahr 2000 kaufte er ein verfallenes Land-
gut in Brandenburg. So kam er auf die
Idee, Hotelier und Gastronom zu werden
– eine Tätigkeit, die er bis heute mit gro-
ßer Leidenschaft verfolgt.
Zur Person
Alles bio: Die Zimmer sind elektrosmogreduziert, die Betten handgefertigt Foto: Hotel