Hubig, Christoph - Identität und Nichtidentität

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  • 7/28/2019 Hubig, Christoph - Identitt und Nichtidentitt

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    Christoph Hubig, Stuttgart

    Identitt und Nichtidentitt

    Kleiner Kommentar zu Hans Heinz Holz Koordinaten dialektischer Konstruktion

    Ein zentrales Kapitel aus Weltentwurf und Reflexion. Versuch einer Grundlegung derDialektik enthlt Hans Heinz Holz Darlegung der Koordinaten dialektischer Konstruktion(Holz 2005, 410-462). Anspielend auf die Spiegel-Metapher, die Holz Philosophierenorientiert, knnte man hier von einem Brennspiegel sprechen, in dem verschiedene Impulsezusammengefhrt sind, um die Denkfigur der Dialektik aufscheinen zu lassen.

    1. Monismus, Identitt, NichtidentittUnter Verweis auf Leibniz Satz vom zureichenden Grund betont Holz, dass jede konsequentmaterialistische wie jede konsequent idealistische Philosophie monistisch sein msse, da die

    Konzession einer Vielheit von Seinsgrnden die Frage nach dem absoluten Grund dieserVielheit entstehen liee (410). Das Nichts ist ohne Grund erlaubt jedoch zunchst nicht dieBegrndung eines Monismus. Aus Fr alle x gilt, dass es einen Grund G gibt, so dass G (x)folgt nicht Es gibt einen Grund G, so dass fr alle x gilt G (x). Die Angabe des Grundes(nicht zu verwechseln mit Ursache) freilich fllt zusammen mit einer Bestimmung desWesens. Denn ber die Faktizitt hinaus, die uns als solche scheint, ist die Bestimmung desWesens eines Phnomens die Projektion einer einheitlichen abstrakten (Theorie-)Struktur auf

    jenes, welches dann als Modell (Erfllung) dieser Struktur erscheint. (So sind natrlicheZahlen ein Modell der Peano-Axiome, die ihr Wesen ausmachen und den Grund ihres Soseinsabgeben.) Dass ein x das ist, was es ist, hat seinen Grund, sein Sein in einem Anderen, dasals dessen Identisches mit sich sein Wesen ist (Hegel, Enz. 121), jenseits der Grenzen dessich verndernden Daseins. Das Dasein des Grundes ist mithin die Einheit der Identitt unddes Unterschieds insofern, als es die vorgestellte Erfllung des Wesens durch dieErscheinung (Identitt) und die Unterschiedlichkeit zwischen beiden auf den Begriff bringt.Dazu gehrt insbesondere, zwischen wesentlichen und unwesentlichen Eigenschaften zuunterscheiden ein Unterschied, der dem Wesensbegriff inhrent ist. Wir haben also beigenauerer Analyse zwei Unterschiede zu betrachten, die sprachlich auf verschiedenen Ebenenliegen: Objektstufig den Unterschied zwischen wesentlichen und unwesentlichenEigenschaften, der zur Intension von Wesen gehrt und somit extensional das sichakzidentiell Vernderliche umfasst; hherstufig (reflexiv, nicht metatheoretisch) denUnterschied zwischen Wesen und Schein, die absolute Nicht-Identitt, die die Identitt von

    Wesen ausmacht, den Grund nur, insofern es [das Wesen] Grund von Etwas, von einemAndern ist (ebd.). Wird auf dieser Basis Wesen zur Klassenbildung (Gattung) eingesetzt,werden bestimmte Extensionen ausgegrenzt, nmlich diejenigen, fr die dasjenige, was frdas erstere Wesen akzidentiell ist, ihrerseits wesentlich sein kann. Ein solchermaen engerBegriff von Wesen erweist sich als einer, der durch Verstandesabstraktion zustande kommt.

    Fr den Verstand gilt der Satz der Identitt A = A (A als klassenbildende Intension), der eineTautologie ist und dafr sorgt, dass die Extensionen gleich bleiben und einer weiterenlogischen Verarbeitung unterzogen werden knnen. Fr die Vernunft hingegen, die nicht aufExtensionen absieht, sondern ber die Definitionsbereiche reflektiert, gehren dieausgeschlossenen Extensionen mit zur Wesensbestimmung als jeweiliger hherstufiger

    Bestimmung von Intension als Bestimmungsregel, als Angabe des Grundes derBestimmung, da sie ja den Definitionsbereich ausmachen, auf den das Unterscheiden zielt,gem der Hegelschen Charakterisierung der Vernunft als Trieb des Bestimmenwollens.

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    Fr den bloen Verstand erscheinen die Seiten des Unterschieds als Gegensatz (die beidenverschiedenen Extensionen), eins durchs andere bestimmt. Bliebe es dabei, dann schlssesich das Denken selbst aus, es verge seine Intention, trte zu sich in Widerspruch (Hegel,Logik II, 49).

    Ich habe entsprechend versucht, den dialektischen Widerspruch zu rekonstruieren als

    diejenige aus der Sicht des Verstandes vorliegende und genauer zu analysierende Strungdes Tripels Intension, Extension und Intention, die im Lichte einer Reflexion auf das Wesen(den identittsstiftenden Grund) von Unterschied ersichtlich wird (Hubig 1978). DasDenken kann diese Strung vermge seiner Kraft, den Widerspruch in sich zu fassen, alsWiderspruch zwischen einem Verharren bei der falschen Selbstndigkeit der Opposita, deneinander sich ausschlieenden Extensionen, und der Erkenntnis, dass das Sich-Ausschlieende die Extension der reflektierten Intension als Intention ausmacht,identifizieren. Die Opposita richten sich zugrunde, indem sie auf ihren Grund zurckgefhrtwerden (Hegel, Logik II, 51 f.). Insofern kann das Denken diesen Widerspruch aufheben,indem es ihn als Reflexion des Unterschieds begreift. Identitt wird als das Andere desAnderseins begriffen: Anderssein als Ergebnis der verstandesmigen Bildung vonExtensionen unter einer Intension (Wesen) qua Abstraktion; Andersheit des Andersseins alsErgebnis der Reflexion auf die Intension als Wesen (Grund), unter dem wir die Abstraktionenvornehmen. Identitt als Identitt von Identitt und Nichtidentitt ist also unterkomplex

    bestimmt, wenn sie einfach als Identitt des Nicht-Identischen bestimmt wird die Formel,mit der die Dialektiker die Logiker verschrecken.

    Zurck nun zu den beiden anfangs erwhnten Monismen (Idealismus Materialismus). Worinliegt wenn wir diese performativ widersprchliche Formulierung nicht dulden, d.h. in derverstandesmigen Schreckenstarre vor diesen Opposita verharren ihr Wesen, ihr Grund?Hegel hat diesen Gegensatz immer zurckgewiesen: Gegenbegriff zum Idealismus (alssubjektiver Idealismus eines Fichte etwa) ist fr ihn Realismus als Annahme eines

    Wirklichen unabhngig von Denken; Gegenbegriff zum Materialismus ist Spiritualismus(der behauptet, die Welt sei ein Denkprodukt). Hegels spekulativer Idealismus zielt auf dieVorstellung davon, wie wir uns Vorstellungen machen und liegt jenseits dieser Alternativen,die Standpunkten verpflichtet sind, gegen die er in der Vorrede zur Phnomenologie desGeistes polemisiert. (Man ist an David Hilberts Diktum erinnert: Ein Standpunkt ist einHorizont vom Radius Null.)

    Entgegen der verbreiteten Rede von einer Trias subjektiver Dialektik, objektiver Dialektikund einer Dialektik der Wirklichkeitsaneignung (z.B. Hrz, 2006) ist nur letztere geeignet,den auf Abstraktion beruhenden Dualismus der ersteren beiden aufzuheben. Konsequentwre dementsprechend weder eine idealistische noch eine materialistische (monistische)

    Philosophie, so lange sie nicht das Wesen von Wirklichkeitsaneignung reflektiert. Die reinverstandesmige Fixierung beider wird daran erkenntlich, dass sich diese Dialektikformenals allgemeine Theorien (abhebend auf Strukturen) entweder von Denk- oder von

    Naturprozessen verstehen. Sie sind abhngig vom Stand der Fachwissenschaften undrepetieren in abstrakter (Hegel: schlecht abstrakter) Terminologie, was diese prziser undelaborierter darlegen. Sie provozieren damit den Vorwurf, Dialektik sei berflssig, undsehen sich dem Hase- und Igel-Effekt gegenber: Die Fachwissenschaften arbeiten lngst dort(nmlich an der Aufhebung von irritierenden Dualismen), wo eine solche Dialektik entwederdas Vorhandensein einer Baustelle verkndet oder abstrakte Gebude errichtet, die dernchste empirische Windsto umblst.

    Demgegenber erinnert Hegel an einen radikaleren Anspruch von Allgemeinheit imUnterschied zu derjenigen, die qua Abstraktion klassenbildend wirkt. Allgemeinheit stehtunter dem (nie einlsbaren) Anspruch einer vollstndigen Bestimmung (Totalitt) des

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    Besonderen. Sie steht unter dem (spekulativen) Anspruch, die Vorstellung zu benennen, unterder wir uns Vorstellungen machen. Zu diesem Zweck ist sie auf die Betrachtung unsererVorstellungen und ihrer Verhltnisse untereinander angewiesen, eben deshalb spekulativ. Siefindet ihren Ausdruck in spekulativen Stzen der Art Ich begreife A als B bzw. Das A istein B und unterscheidet sich entsprechend von prdikativen Stzen der Form a ist B

    (einschlielich deiktischer Stze Dieses ist B), die auf Abstraktionen, Auszeichnung einerEigenschaft, beruhen. Das Allgemeine ist mithin bergreifend (Knig, 1978, 34); seineBestimmungen sind Momente in der setzenden Reflexion (Hegel), seine gesetzteBestimmtheit macht es zu einem Besonderen, das es von sich selbst (seinem Anspruch)unterscheidet. Als solches Besonderes ist es jedoch von allen anderen mglichenBestimmungen nicht ablsbar, wollte es seinen Allgemeinheitsanspruch nicht verfehlen. DasAllgemeine, mithin jegliche Gattung ist, so gesehen d.h. nicht als Resultat einerAbstraktion/Klassifikation und den sich anschlieenden exkludierendenSubsumptionsverfahren Gattung undBesonderes, benannt durch den Gattungsausdruck. Inden Worten Knigs: Gattung ihrer selbst und ihres Gegenteils (ebd.). Dies erscheintrtselhaft, solange nicht deutlich ist, dass diese Charakterisierung sich auf spekulative und

    nicht auf prdikative Stze bezieht. Ein Satz wie Paarhufer ist Gattung der Paarhufer undder Unpaarhufer ist abwegig. Ein spekulativer Satz (auf diesem Niveau) wrde hingegen

    beschreiben, wie wir uns im Prozess eine Vorstellung der Vorstellung Paarhufer machen,nmlich ber die Gattung Huftier: Der Paarhufer ist das Huftier mit der und der Huf-Struktur. Der vollstndige Begriff von Huftier enthlt jedoch, neben der Hinsicht(Moment), dass es Hufe hat noch (unendliche) weitere Bestimmungen (einschlielich derrelationalen zu allen anderen Entitten der Welt). So verstanden ist Huftier, sofern HuftiereWarmblter, Felltrger sind, nicht fliegen knnen etc. Gattung seiner selbst und ihresGegenteils (Besonderung der Huftrgerschaft), in der die anderen Eigenschaften als fr dieVorstellung jener Vorstellung ausgeschlossen werden. Hchste spekulative Stze wie DasSein ist das Nichts (als Unbestimmtes) oder Das Schicksal ist das Notwendige (als Nicht-Disponibles, weil nicht anders sein Knnendes) bestimmen den jeweils besonderen Aspekt,unter dem wir uns eine Vorstellung von der Vorstellung machen, d.h. die jeweiligeVorstellung bestimmen und dabei deren Allgemeines (im radikalen Sinne) notwendigerweiseals Besonderes bestimmen. Aufgehoben wird diese Besonderung im Gattungsbegriff, wenndieser sukzessive weiterbestimmt wird mit Blick auf die Eigenschaften, die ihm (als Gattungseiner selbst) weiter inhrent sind. Eine solche a limine vollstndige Bestimmung derGattung wre zugleich eine vollstndige Bestimmung der Welt.

    2. MglichkeitEs war davon die Rede, dass die Besonderungen (oder Bestimmungen) des Allgemeinen

    diesem inhrent seien. Holz verweist darauf, dass hier Aspekte der ModalkategorieMglichkeit ins Spiel kommen, wie sie Ernst Bloch unter Latenz und Tendenz geltendgemacht habe, die aber noch ganz unerforscht seien (Holz, 419). Die Koordinate Hegel(als Element eines philosophischen Bezugssystems) scheint mir aber noch mehr herzugeben.Zum einen ist auf die modale Kennzeichnung des Dreischrittes An-sich Fr-sich An-undFr-sich zu verweisen, wie sie in der Vorrede zur Phnomenologie des Geistes angelegt istund sich durch die gesamte Phnomenologie hindurch zieht: Das (unmittelbare) An-sich wirdals real mglich, leere, vorbereitete Form charakterisiert, als Nacht der Mglichkeit oderVermgen. Das Fr-sich als abstraktes Bestimmtsein, als besonderes einfach bestimmt,fhrt erst qua Reflexion in sich zur Wirklichkeit als Erfahrung der Sache im Zuge derArbeit, dem Ernst des erfllten Lebens, zum An- und Fr-sich. Auf dieser Ebene, der Ebene

    der Spekulation, auf der wir uns eine Vorstellung der Vorstellung (des reinen, einfachen Fr-sich machen), wird der Widerspruch als Widerspruch festgehalten und aufgehoben in eineVorstellung berfhrt, nmlich die Vorstellung (Einheit) von der Differenz zwischen dem An-

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    sich als Bestimmungskandidaten in seiner Mglichkeit und der besonderen Bestimmung desFr-sich. Diese neue Vorstellung birgt eine neue Mglichkeit des Weiterbestimmens, sie istein neues An-sich. Analog zur bereits besprochen Doppelung von Unterschied wird auch inmodaltheoretischer Perspektive der doppelte Aspekt von Widerspruch als reflektiertemUnterschied ersichtlich: Zum einen als reflektierter Unterschied der Bestimmungen

    gegeneinander, die die Mglichkeit, das An-sich, im Medium des Verstandes ausfllen. Zumanderen als Widerspruch zwischen der einseitigen Ausfllung/Bestimmung der Mglichkeitund ihrem Totalittsanspruch (Gattung ihrer selbst), der durch diese Bestimmung negiertwird. Dies erfhrt die reflektierende Vernunft, sofern sie sich nicht dem Spiel derVerstandesbestimmungen ergibt, sondern in Erfahrung der Hemmung ihrer Begierde imProzess der Arbeit mit der Einseitigkeit konfrontiert wird. Sie bildet sich eine Vorstellungvon dem, was die Widersprchlichkeit ihrer Vorstellungen ausmacht (An- und Fr-sich) undgewinnt hier ein neues An-sich, das seiner Bestimmung harrt. Dieses neue An-sich ist dieneue Gattung seiner selbst (Fr-sich) und ihres Gegenteils.

    Die strukturelle bereinstimmung mit der Rekonstruktion vermittels der KategorienIntension, Extension und Intention ist offensichtlich: Intension als Regel des Bestimmens wie sie die moderne Semantik fasst drckt die bloe Mglichkeit der Bestimmung, die leereForm unabhngig von ihrer Ausfllung/Erfllung aus. Sie markiert mgliche Extensionen.Jede Regel ist mithin ein Mehr gegenber ihrer Instantiierung, andererseits enthlt jedeInstantiierung mehr Eigenschaften als die Regel, die sie instantiiert. Die Einseitigkeit dervollzogenen extensionalen Bestimmung relativ zur Intension (ihr Andres, ihr Nicht-Identisches) ist das Eine, der stumme Verweis auf ein Auch von Eigenschaften (HegelsCharakterisierung von Medium (Phn. 91)), das der Bestimmung harrt, das Andere. Das istdie Dialektik von Regel und Regelvollzug. (Die Differenz zwischen Dialektik undSpekulation, zwischen Erfahrung des Widerspruchs und seiner Aufhebung, in der dieDifferenz des Modalgeflles An-sich/Fr-sich auf ihren Grund zurckgefhrt wird, wird

    oftmals in der Hegel-Rezeption nicht hinreichend bercksichtigt.) Wird dieses VerhltnisGegenstand der Vorstellung, so ist der Widerspruch zwischen der gattungsbildendenIntension und ihrem Gegenteil, der extensionalen Erfllung, aufgelst, da dieBestimmungsoptionen in neuer (relativer) Totalitt (Gattung ihrer selbst, dasbergreifende Allgemeine) vorgestellt werden. Die Intension wird als erfllteAllgemeinheit rehabilitiert und fortgeschrieben, und die Intention ist ihrer Erfllung ein Stcknher gekommen. Denn dass jede extensionale Erfllung mehr Eigenschaften aufweist als dieIntension kennzeichnet, erweist sich als Resultat des Wechselspiels zwischen der Intentiondes Bestimmens und ihrer Hemmung in der Arbeit, der Praxis. Das ist der Punkt, an dem derspekulative Idealismus Hegels (im Gegensatz zum subjektiven Idealismus Fichtes) demMaterialismus nher steht als viele wahrnehmen wollen. Denn die Hemmung der

    Begierde, die im Modus der Theorie, dem Spiel der Verstandeskrfte, nicht erscheint,vollzieht sich einzig im Modus der Arbeit, der Realisierung des extensionalen Bezugsvorgegebener Intensionen. Das Kapitel Herrschaft und Knechtschaft in der Phnomenologiedes Geistes ist die Zsur, die aus dem Theoretischen herausfhrt noch nicht in dieBeziehungen zwischen subjektiven Bewusstseinen verschiedener Personen (dies wird erst imGeistigen Tierreich rekonstruiert) , sondern zunchst in der Binnenrelation zwischenverschiedenen Momenten, Seiten des Bewusstseins, das sein Anderes, die arbeitendeSeite und diese jenes (als Herr-Seite) anerkennen muss. Die Leipziger Schule der Hegel-Interpretation (Stekeler-Weithofer (2005), Hubig (1985, 2006), Luckner (1997) hat dies alsRekonstruktion des Leib-Seele-Verhltnisses gedeutet, das auf dieser Stufe formal

    charakterisiert und dann im objektiven Geist bestimmungsmig ausgefllt wird. Leib ist im Unterschied zu Krper bewusst und ist das Andere zur bloen leeren Idee der Herr-Seite; insofern besteht die Konkurrenz zweier Bewusstseine unter dem Titel

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    Selbstbewusstsein, welches sich als Gattung seiner Selbst/Identitt eben nur als Differenzzwischen der Vorgabe der Herr-Seite und dem Werk (mit dem es sich nicht identifizierendarf) erfhrt. An der Differenz zwischen der Vorgabe als abstrakter Form und ihrerRealisierung lesen wir dasjenige ab, was wir heute Fhigkeit oder Kompetenz nennen. Daswahre Selbstbewusstsein als knechtisches ist das Bewusstsein der eigenen Fhigkeiten als

    Potential. Und dieses ist eben nicht subjektiv-idealistisch als solches der Herr-Seite erweisbar,so wie sie zum Spott Jean Pauls wurde: Das wre wie jener betrunkene Kerl, der sein Wasserin einem Springbrunnen hinein lie und die ganze Nacht davor stehen blieb, weil er keinAufhren hrte und mithin alles, was er fort vernahm, auf seine Rechnung schrieb (Jean Paul1961, 767).)

    Vielmehr ist die Arbeit der Knechtseite ein materielles Verhltnis (qua Verwirklichung derMglichkeit) zwischen den Vorgaben der Herr-Seite und der gegenstndlichen Welt im Zugeder Bildung eines Werkes (Hegel) bzw. der Produktion (Marx). Mit Blick auf die vonMarx im Kapital (I, cap. 21) vorgenommene Analyse des Verhltnisses der Produktion zudem von ihr Unterschiedenen (Konsumtion und Reproduktion) analysiert Holz konsequent dieProduktion als das Allgemeine der Produktion selbst und der produktiven Konsumtion,welche als Konsumtion von Produktionsmitteln gleichzeitig Konsumtion der Arbeitskraft desArbeiters ist. Diese wird wieder hergestellt in der individuellen Konsumtion des Arbeiters, dieauch eine Art produktiver Konsumtion ist, denn sie erzeugt das Produkt Arbeitskraft (Holz,428 f.). Die Figur des bergreifens gewinnt so Stufen (ebd.):

    ProduktionProduktion produktive KonsumtionProduktion Reproduktion produktive Konsumtion individuelle Konsumtion

    M.E. lassen sich diese Stufen zwanglos als Modalgeflle rekonstruieren, als jeweiligeVerwirklichung des Potentials in entsprechenden Produktionsverhltnissen. Diese Dialektik

    finden wir im Allgemeinsten in der Groarchitektonik des Verhltnisses von Produktivkrftenund Produktionsverhltnissen, welches im Prozess der Arbeit/der Produktion weiterentwickelt wird: Produktivkrfte als reale Mglichkeiten aktualisieren sich unvollkommen inden realen Produktionsverhltnissen, in denen sie aber allererst erscheinen. Als Vorstellungensind sie mithin Gattung ihrer selbst und ihres Gegenteils: EinerseitsIntensionen/Eigenschaften der vorliegenden Realisierung als Weisen der Produktion, wiesie Marx in einer frhen Bestimmung fasste, andererseits als berschieende Mglichkeitenzugleich umfassender, was die Produktionsverhltnisse als ihr Gegenteil erscheinen lsst.Wird dieses Verhltnis als Modalgeflle erkannt, erscheint der Gegensatz als Widerspruch(im dialektischen Sinne), der aufhebbar ist, wenn das umfassende Allgemeine derProduktivkrfte in vernderten Produktionsverhltnissen eine entsprechendere dem

    Totalittsanspruch nhere Verwirklichung findet. Freilich lsst sich diese Konstellation ausVerstandesperspektive extensional auch umgekehrt modellieren und wird dannideologisch: Produktionsverhltnisse umfassen die Produktivkrfte extensional alsAktualisierungen, die doch aber ein Mehr an Bestimmungen erlauben, als es in denKategorien der Produktionsverhltnisse vorgesehen ist (welche z.B. Arbeitskraft auf Ware inder Zirkulation reduzieren). Hier wren im ideologischen Sinne die ProduktionsverhltnisseGattung ihrer selbst und ihres Gegenteils, nmlich der Produktivkrfte. Mithin knnen wirformulieren: Bestimmungen sind ideologisch, wenn aus der Perspektive des Verstandes nurmit Subsumptionen gearbeitet und das Modalgeflle zwischen Intension und Extensionignoriert wird.

    3. Wie kann Mgliches gedacht werden die Koordinate Leibniz/Wittgenstein und ihreAmphibolie

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    Hegel fasst im 143 seiner Enzyklopdie Mglichkeit als das Wesentliche zur Wirklichkeit,aber so, dass sie zugleich nurMglichkeit sei, also unwesentliche Wesentlichkeit, modernformuliert: als Intension ohne Extension, Gedanke als Inhalt ohne Bestehen desselben.Wirklichkeit hingegen ist nicht das blo Gesetzte, sondern das in sich vollendete Konkrete.Aber nun, auf den ersten Blick irritierend: Aberalles ist ebenso sehr unmglich, [...]. Der

    Grund hierfr liegt darin, dass Mglichkeit, gefasst als bloe Konsistenz (LeibnizKompatibilitt) in dieser Fassung das Unmgliche birgt. Denn Konsistenz ist ebenfalls zugewinnen durch die konsequente Verneinung aller Mglichkeitsbehauptungen einer TotalittT, also ihrer Ersetzung durch eine negative Totalitt T. Solcherlei bezeichnet Hegel alsabstrakte und unwesentliche [d.h. noch nicht als Wesen einer konkreten Erscheinunggesetzte] Wesentlichkeit. Holz kommentiert: [...] Das Denkmgliche berhaupt auchsolches, das nie wirklich werden wird kommt doch vor und ist sicher kein widergespiegeltesSeiendes (Holz, 437). Solcherlei ist gegeben, solange wir Mglichkeit als bloe Konsistenzfassen. In ihrem Lichte erscheint das Wirkliche als Zuflliges (Hegel, Enz. 144).Entsprechend kritisiert Hegel das hohle Ersinnen von Mglichkeiten und recht vielenMglichkeiten ( 143) und fordert eine Bercksichtigung des Inhalts, des wesentlichen

    Bestimmungsgrundes ( 145). Diesen sieht Holz in dem materiellen Verhltnis von ttigenSubjekten und gegenstndlicher Welt (Holz, 434), innerhalb derer wir neben vollstndigerBedingtheit (Wirklichkeit) partielle Bedingtheit (Mglichkeit) als Offenheit infolge einesnicht vollstndig zureichenden, also mehr oder minder unzureichenden vorliegendenBestimmungsgrundes antreffen (Holz, Bloch zitierend, 439).

    Diese Problematik nun sucht Holz im Rekurs auf Leibniz und Wittgenstein zu klren, undhier sehe ich einige offene Punkte, die aus meiner Sicht diese Rekurse fragil werden lassen.Warum sollte es denn berhaupt erforderlich sein, jenseits einer Begrndung der Offenheitauf der Basis des materiellen Verhltnisses von ttigen Subjekten und gegenstndlicher Weltnoch eine ontologische Begrndung dieser Offenheit zu entwerfen, die erhebliche

    metaphysische Hypotheken mit sich fhrt? Zwar bentigen wir, ber die Kompatibilitthinaus, ein strkeres Mglichkeitskonzept, eine realphilosophische [...] Interpretation durchihre Konkretisierung als Kompossibilitt (Holz, 461). Durch Kompossibilitt imLeibnizschen Sinne? Sicherlich gilt, dass die Erklrung, dass fehlende Kompatibilittverhindere, dass das eine zur Existenz gelange, das andere nicht (Holz ebd.) eine zu schwacheErklrung ist. Leistet aber das Kompossibilitts-Prinzip die Ausfllung dieser Lcke bzw.liefert es einen Bestimmungsrahmen, der sich dann in materialistischer Absicht ausfllenliee? Kompossibilitt im Leibnizschen Sinne ist eine Forderung an mgliche Welten, dieber die logische Forderung hinausgeht, dass die Bildung maximal widerspruchsfreierAussagemengen geleistet werden kann (grtmglicher Reichtum und Vielfalt in denmglichen Welten), reformuliert: dass die Bildung maximaler Mengen widerspruchsfreier

    Intensionen gewhrleistet ist. ber diese logische Fassung von Kompossibilitt hinaus vertrittnmlich Leibniz die strkere ontologische These, dass Kompossibilitt bedeutet, dass Dingenebeneinander als Teile derselben mglichen Welt existieren knnen, d.h. die Mglichkeit derzwischen den Dingen bestehenden raumzeitlichen Relationen, die Koexistenz dieserRelationen, gegeben ist. Damit wird Kompossibilitt raumzeitlich relativiert, sie ist zu einemZeitpunkt eine andere als zu einem anderen Zeitpunkt. Eine solche Prozessualitt nun scheintfr eine dialektische Ontologie interessant zu sein. Man darf aber nicht bersehen, dassLeibniz Konzept der Kompossibilitt eingebettet ist (und sein muss) in das Konzept der

    praestabilierten Harmonie einer vollstndig determinierten Schpfung (im VerstandeGottes). Lsst sich in diesem Rahmen das Konzept eines dialektischen Widerspruchs

    verorten, der doch aus jener Sicht blo als durch die Unzulnglichkeiten des menschlichenVerstandes bedingt erscheinen muss, mithin als irrtmliche Einschtzung von Gegenstzen,die sich sub specie aeterna als kompossibel zu erweisen htten? Verliert nicht dialektisches

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    Denken seinen Stachel der Initiierung einer Praxis, die ein uns als widersprchlicherscheinendes Modalgeflle so einzurichten hat, dass Mglichkeiten, die uns als solchevorkommen, aktualisierbar werden? Haben wir uns nicht in anderer Weise zu verstehen als alsSeismographen eines determinierten Prozesses, der nur zu denken wre, wenn wir dieaneignende Dialektik aufgeben und die Dialektik als theoria des Weltganzen entwerfen?

    Wenn dies ohne Theologie mglich sein sollte (sei sie eine Leibnizsche oder sei sie eineTheologie der Materie) von welchem Standpunkt auch sollte sie uns zugnglich sein?Radikaler wre zu fragen: Verliert Dialektik nicht ihren Charakter, wenn sie als Ontologieauftritt? Bt sie nicht den Erfahrungsschatz gehemmter Praxis ein, wenn sie ber einKonzept zu verfgen glaubt, die Defizienzerfahrungen der Praxis objektiv bewerten zuknnen, wie es Leibniz konsequent in seiner Theodizee unternommen hat?

    Eine materialistische Leibniz-Interpretation luft Gefahr, der von Immanuel Kantaufgezeigten Amphibolie der Reflexionsbegriffe zu erliegen: die Mglichkeiten de re , die aufder Basis einer Vergleichung (logische Comparation) von Vorstellungen erscheinen, zuontologisieren und die Ertrge transzendentaler Reflexion, nmlich ihrer Zuordnung zu demErkenntnisvermgen, darin sie zusammengehalten werden, zu ignorieren (Kant KrV B319). Mit der Vermeidung jener Amphibolie ist aber die Option einer materialistischenInterpretation keinesfalls aufgegeben. Diese sollte jedoch m.E. nicht auf eine Ontologiezielen, sondern ihren Ausgang aus der Einsicht gewinnen, dass wir unsere Weltbezge nichtim Modus der theoria, sondern im Zuge einer Praxis gewinnen, an deren Hemmung uns dasGegenstndliche der Gegenstnde erscheint. Es gibt nichts Absolutes, auer man tut es!Umgekehrt: Wir erreichen nicht das Absolute, indem wir die Allgemeinheit allgemeinerTheorien immer weiter steigern. Das bergreifende Allgemeine ist nicht durch Abstraktionzu gewinnen, sondern nur reflexiv, indem gehemmte produktive Praxis abduktiv dieBedingungen ihrer Hemmung aufsprt und sie in ihr gestaltendes Tun einbezieht. Das ist derKern menschlicher Technik, die Welten baut, welche sie dann notwendigerweise ex post

    erschliet. Hierin ist die unhintergehbare Technomorphizitt problematischer Metaphysikbegrndet, welche die Dialektiker, insbesondere Hegel, bereits bedacht hatten, bevor diePhnomenologie eines Husserl oder Heidegger dies als neue Einsicht prsentierte.

    Unter einem hnlichen Amphibolie-Verdacht drfte auch der von Holz vollzogene Rekurs aufWittgensteins Tractatus stehen. Die Welt, begriffen als Gesamtheit der Tatsachen, nichtder Dinge [...] bestimmt, was der Fall ist, und auch was alles nicht der Fall ist (Wittgenstein,Tractatus 1.1, 1.12). Was der Fall ist, ist das Bestehen von Sachverhalten, diese wiederumeine Verbindung von Gegenstnden (2.01, 2.06). Jedes Ding ist, gleichsam, in einemRaume mglicher Sachverhalte (2.013). Daraus folgt: Wenn ich den Gegenstand kenne, sokenne ich auch smtliche Mglichkeiten seines Vorkommens in Sachverhalten [...]. Es kann

    nicht nachtrglich eine neue Mglichkeit gefunden werden (2.0123). Die Mglichkeit einesVorkommens in Sachverhalten nennt Wittgenstein die Form des Gegenstandes (2.0141).Diese logische Form nun, habe, so Holz, eine ontologische Interpretation (Holz, 453).Denn: Sind alle Gegenstnde gegeben, so sind damit auch alle mglichen Sachverhaltegegeben (Wittgenstein, 2.0124). Es handele sich um die Wirklichkeit des Mglichen (Holz,ebd.), von der die verwirklichten Wirklichkeiten eine Teilmenge abgben. Insofern mndetder Umweg ber Wittgenstein wieder bei Aristoteles (ebd.), gemeint ist dessen Lehre derVerwirklichung wirklicher Formen unter den Mglichkeiten der Materie durch dieermglichende Wirklichkeit der kinesis. Jedoch ist zu fragen: Wie passt WittgensteinsKonzept einer Welt, nach der diese alles ist, was der Fall ist (als Bestehen von Sachverhalten)zu dem Konzept einer Welt, die nicht anders [zu] denken [ist] als in der Form alle

    mglichen Sachverhalte (Holz, ebd.)? Wenn eine Prozessualitt (aristotelisch) von derMglichkeit zu einer Wirklichkeit zu einer neuen Mglichkeit usw. (Holz, 453) alsontologische Prozessualitt gedacht wird, stellt sich wieder die Frage nach dem

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    Bestimmungsgrund (Motor) dieser Prozessualitt bzw. nach dem Seinsgrund, die alternativ(konsequent) idealistisch oder materialistisch zu beantworten wre, mit allen Problemen derBegrndung des jeweiligen Standpunktes, die eben nicht ber Abstraktion und Steigerung derAllgemeinheit zu gewinnen ist. Eine aneignende Dialektik htte gerade diese Alternative zuberwinden.

    Wie steht der Wittgenstein des Tractatus zu dieser Frage? Er rechnet die Welt zur Kategorieder Tatsachen, dass Gegenstnde in Verbindungen stehen. Das macht die Sachverhalte aus,deren Mglichkeit in den Dingen prjudiziert sein muss (Wittgenstein, 2.012). DieseMglichkeit wird ber den Begriff des logischen Raumes bestimmt, der so vieleDimensionen hat, als es voneinander unabhngige Beschreibungen der Welt gibt. Unabhngigvoneinander sind atomare Sachverhalte, die zu verschiedenen Dimensionen des logischenRaumes gehren. Atomare Sachverhalte, die zu ein und derselben Dimension gehren, sindunvertrglich nur einer kann der Fall sein. Fr Wittgenstein, der den logischen Raum als Ja-

    Nein-Raum fasst, treten in jeder Dimension nur zwei Sachverhalte auf, die entsprechendmiteinander unvertrglich sind. Nur solche Sachverhalte sind atomare Sachverhalte. DieUnendlichkeit des logischen Raumes (4.463) bedeutet, dass seine Dimensionen unendlichsind. Nach Wittgenstein ist diese Unendlichkeit gegeben, da die Zahl der Zeitpunkteunendlich ist, zu denen die atomaren Sachverhalte bestehen, welche als unabhngigvoneinander gelten mssen, sofern sie zu unterschiedlichen Zeitpunkten bestehen. SeineBehauptung nun, dass Gegenstnde farblos sind (2.0232), weist auf den logischen Raum alsJa-Nein-Raum zurck: Seine Gegenstnde sind nicht Erfahrungsgegenstnde, seineSachverhalte, deren Elemente sie ausmachen, sind grammatisch durch ein dass [...]gekennzeichnet. Dieses dass hat keine Farbe, mithin auch nicht seine Elemente alsEinzeldinge und Relationen bzw. Attribute, die keine Farbe haben. Die Bilder von denTatsachen drfen daher nicht realistisch oder gar naturalistisch interpretiert werden, sondernsind selbst Tatsachen (i.S. von dem, was Mathematiker als Abbildung verstehen): komplexe

    abstrakte Relationen, die strukturgleich zu den abgebildeten sind. Das Bild ist nicht a prioriwahr (2.225), denn die Gleichheit seiner Struktur mit dem Abgebildeten impliziert nochnicht deren Isomorphizitt, die im Zeigen des Einen durch das Andere liegt und einBestandteil des Bildes ist. Ein mglicher Sachverhalt liegt erkenntnistheoretisch inseiner Darstellbarkeit in seiner bildlichen Struktur. Dass hier nur die Mglichkeit erreichtwird, liegt daran, dass die Zeichen in der Darstellung selbst nicht auf das Dargestellteverweisen (also ein Ausdruck aRb nicht auf zwei Individuen und eine Relation), sondern erstdie Tatsache, dass a rechts von R und b links von R steht (was sich zeigt), eineninterpretationsfhigen Sinn ausmacht, der zeigt, wie es sich verhlt, wenn er wahr ist. DieseWahrheit ist jedoch im Bild selbst nicht impliziert. ber sie kann man nicht reden, wirknnen nicht sagen, das und das gibt es in der Welt, jenes nicht (5.61). Wittgensteins

    Abbildtheorie verabschiedet explizit jegliche Realontologie.

    Ex negativo wird m.E. deutlich, dass ein Philosophieren, welches seine Hoffnung in eineAnalyse von Abbildung oder Spiegelung setzt, die Frage unbehandelt lassen muss, wie esdazu kommt, dass sich Interpretationsregeln herausbilden, auf deren Basis eine Darstellung(oder Spiegelung) von Sachverhalten als wahren oder falschen, verzerrten oder adquatenSpiegelungen zu erachten wre. Dies zu klren, ist (jenseits idealistischer odermaterialistischer Dialektik) das Anliegen einer aneignenden Dialektik, die sich daraufverwiesen sieht, im Ausgang von gehemmter Praxis ihre Weltbezge auf den Prfstand zustellen und bestndig hierbei diese Praxis zu reflektieren, die sich nur in einem Grenzgangvon Innen (Wittgenstein) erschliet. Da uns ein gttlicher Verstand abgeht, der auf der Basis

    einer Kenntnis der notiones completae die Welt berschaut, bleibt uns mit Hegel nur derWeg ber die Absicherung einer Praxis, die ihr Fundament nicht in einem gesichertenWeltbezug sieht, sondern in der intersubjektiven Gemeinsamkeit der Modellierung und

  • 7/28/2019 Hubig, Christoph - Identitt und Nichtidentitt

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    Bewertung von Praxen. Diese thematisiert Kriterien fr gelingendes Tun (worauf auch derspte Wittgenstein abhebt), um die Wahrheit von Darstellungen eben nicht qua unterstellterIsomorphie zu gewhrleisten, sondern durch eine provisorische und mithin prinzipiellrevidierbare Sicherung des gemeinsam als gelingend eingeschtzten Tuns. So gefasst, knnteDialektik in der Tat nicht mehr als Ontologie auftreten, sondern wrde zum permanenten

    Korrekturmechanismis jeglicher ontologischer Hypostasierungen. Spekulativ bliebe sie,sofern sie diejenigen Irritationen spiegelt, die wir in Ansehung unserer Spiegelbilder haben.Spekulative Stze, an denen wir diese Irritationen erfahren, sind Spiegelbilder, in denen wirsehen, wie wir uns Vorstellungen von Vorstellungen gemacht haben. Niemals knnen wir

    jedoch sehen, wie wir uns Vorstellungen machen. Die Spiegelmetapher stt dort an ihreGrenzen, wo sie ihren Bildcharakter selbst nicht mehr spiegelt. Aus dieser Aporie vermgenuns weder Leibniz noch der Wittgenstein des Tractatus herauszufhren. Uns bis zu dieserGrenze gefhrt zu haben, ist ein Verdienst von Hans Heinz Holz.

    LITERATUR

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    Hegel, Georg WilhelmFriedrich (1830/1961)

    Enzyklopdie der philosophischen Wissenschaften. Hamburg:Meiner

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    Kant, Immanuel

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    Knig, Josef (1978): Vortrge und Aufstze. Freiburg/Mnchen: Alber

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    Jean Paul (1961) Titan, in: Werke III. Mnchen: Hanser

    Luckner, Andreas (1994) Geneologie der Zeit. Berlin: Akademie-Verlag

    Stekeler-Weithofer, Pirmin(2005)

    Philosophie des Selbstbewusstseins. Frankfurt/M.: Suhrkamp

    Wittgenstein, Ludwig

    (1971)

    Tractatus logico-philosophicus. Frankfurt/M.: Suhrkamp