4
ORTHOPÄDIE & RHEUMA 1·2008 32 Fortbildung Zervikale Bandscheibenprothese Eine bewegungserhaltende Therapieoption J. Kuchta, P. Simons Bandscheibenvorfälle und die Osteochondrose der Halswirbelsäule sind im Erwachsenenalter häufig. Durch den Einsatz einer Bandscheibenprothese bleibt die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhalten. Diese Therapieoption ist vor allem für die jüngere Altersgruppe der Patienten mit Bandscheiben- vorfall geeignet. B andscheibenvorfälle und knö- cherne Stenosen der Halswirbel- säule können das zentrale Rü- ckenmark, sowie die seitlich die Halswir- belsäule verlassenden Nervenwurzeln komprimieren (Abb. 1). Die klinischen Symptome unterscheiden sich bei diesen beiden Formen der zervikalen Kompres- sionsyndrome erheblich (Tabelle 1). Eine Indikation zur operativen Behandlung ist nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen bei therapieresistenten Schmerzen oder zunehmenden neurolo- gischen Ausfällen gegeben. Bei einer dekompressiven Operation wird die Bandscheibe meist von ventral ausgeräumt, das hintere Längsband re- seziert sowie der Bandscheibenvorfall entfernt oder Spondylosen abgetragen. Das Rückenmark und die austretenden Nervenwurzeln sind dann wieder frei von Kompression. Um ein postopera- tives Zusammensintern des Bandschei- benraumes und eine zusätzliche Belas- tung der Facettengelenke zu vermeiden, wird ein Platzhalter zwischen die beiden angrenzenden Wirbelkörper eingesetzt. In der Vergangenheit wurde oft ein Kno- chenstück aus dem Becken verwendet, das im Rahmen einer zusätzlichen Ope- ration explantiert wurde. Viele dieser Patienten klagten nach dieser Knochen- spanentnahme über Beschwerden an der Entnahmestelle am Beckenkamm, teil- weise kam es auch zu schwereren Kom- plikationen wie Einblutungen und Mus- kelabrissen. Aus diesem Grunde werden heute bei Fusionsoperationen, bei denen die Wirbelkörper vollständig erhalten bleiben, häufig Platzhalter aus Kno- chenzement, Titan oder Kunststoff ein- gesetzt. Die postoperativen Ergebnisse nach einer Dekompression und Fusion an der Halswirbelsäule sind in der Regel gut. In über 80 % der Fälle kann eine befriedigende Schmerzlinderung erreicht werden. Trotzdem beeinflusst auch eine monosegmentale Versteifung die Beweg- lichkeit der gesamten HWS. Die angren- zenden Segmente werden durch ver- mehrte Bewegung messbar stärker belas- tet. Hilibrand et al. fanden bei einer Un- tersuchung von 374 Patienten zehn Jah- Abb. 1: Bandscheibenvorfall HW 5/6 mit deutlicher Wur- zelkompression C6 links. Klinisch sensomotorisches C6-Syndrom mit Armbeu- gerschwäche und radiku- lärer Sensibilitätsminderung bis zum Daumen. Abb. 2: Intraoperative Kon- trolle der erfolgten Dekom- pression von dorsalen Oste- ophyten durch Einbringen von zwei Tasthäkchen in den Spinalkanal. © Dr. Andersson/ Dr. Steimel, MediaPark Klinik Köln

hws bandscheibenprothese ortho artikel

Embed Size (px)

DESCRIPTION

hws bandscheibenprothese ortho artikel

Citation preview

Page 1: hws bandscheibenprothese ortho artikel

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 1·200832

Fortbildung

Zervikale Bandscheibenprothese

Eine bewegungserhaltende TherapieoptionJ. Kuchta, P. Simons

Bandscheibenvorfälle und die Osteochondrose der Halswirbelsäule sind im Erwachsenenalter häufig.Durch den Einsatz einer Bandscheibenprothese bleibt die Beweglichkeit der Wirbelsäule erhalten. Diese Therapieoption ist vor allem für die jüngere Altersgruppe der Patienten mit Bandscheiben-vorfall geeignet.

B andscheibenvorfälle und knö-cherne Stenosen der Halswirbel-säule können das zentrale Rü-

ckenmark, sowie die seitlich die Halswir-belsäule verlassenden Nervenwurzeln komprimieren (Abb. 1). Die klinischen Symptome unterscheiden sich bei diesen beiden Formen der zervikalen Kompres-sionsyndrome erheblich (Tabelle 1). Eine Indikation zur operativen Behandlung ist nach Ausschöpfung der konservativen Maßnahmen bei therapieresistenten Schmerzen oder zunehmenden neurolo-gischen Ausfällen gegeben.

Bei einer dekompressiven Operation wird die Bandscheibe meist von ventral ausgeräumt, das hintere Längsband re-seziert sowie der Bandscheibenvorfall

entfernt oder Spondylosen abgetragen. Das Rückenmark und die austretenden Nervenwurzeln sind dann wieder frei von Kompression. Um ein postopera-tives Zusammensintern des Bandschei-benraumes und eine zusätzliche Belas-tung der Facettengelenke zu vermeiden, wird ein Platzhalter zwischen die beiden angrenzenden Wirbelkörper eingesetzt. In der Vergangenheit wurde oft ein Kno-chenstück aus dem Becken verwendet, das im Rahmen einer zusätzlichen Ope-ration explantiert wurde. Viele dieser Patienten klagten nach dieser Knochen-spanentnahme über Beschwerden an der Entnahmestelle am Beckenkamm, teil-weise kam es auch zu schwereren Kom-plikationen wie Einblutungen und Mus-

kelabrissen. Aus diesem Grunde werden heute bei Fusionsoperationen, bei denen die Wirbelkörper vollständig erhalten bleiben, häufig Platzhalter aus Kno-chenzement, Titan oder Kunststoff ein-gesetzt. Die postoperativen Ergebnisse nach einer Dekompression und Fusion an der Halswirbelsäule sind in der Regel gut. In über 80% der Fälle kann eine befriedigende Schmerzlinderung erreicht werden. Trotzdem beeinflusst auch eine monosegmentale Versteifung die Beweg-lichkeit der gesamten HWS. Die angren-zenden Segmente werden durch ver-mehrte Bewegung messbar stärker belas-tet.

Hilibrand et al. fanden bei einer Un-tersuchung von 374 Patienten zehn Jah-

Abb. 1: Bandscheibenvorfall HW 5/6 mit deutlicher Wur-zelkompression C6 links.Klinisch sensomotorisches C6-Syndrom mit Armbeu-gerschwäche und radiku-lärer Sensibilitätsminderung bis zum Daumen.

Abb. 2: Intraoperative Kon-trolle der erfolgten Dekom-pression von dorsalen Oste-ophyten durch Einbringen von zwei Tasthäkchen in den Spinalkanal.©

Dr.

Ande

rsso

n/ D

r. St

eim

el, M

edia

Park

Klin

ik K

öln

Page 2: hws bandscheibenprothese ortho artikel

33ORTHOPÄDIE & RHEUMA 1·2008

scheibenvorfälle und „harte“ Wurzelkom-pressionssyndrome durch Spondylosen der Wirbelhinterkanten.

Bei Therapieresistenz auf konserva-tive Behandlung oder bei progressiven neurologischen Ausfällen und nachge-wiesener Kompression im Kernspinto-mogramm ist eine Operation indiziert. Bei der Indikationsstellung ist zu beach-ten, dass ein großer Teil der Nacken-schmerzen und nicht-radikulär zuzuord-nenden lokalen Beschwerden oft zu Lasten der zervikalen Facettengelenke geht. Hier hilft auch die Druckentlastung durch den Höhengewinn bei einer Band-scheibenprothese oder einem anderen Implantat. Die Facettengelenke der HWS sind wirkliche synoviale Gelenke mit knorpliger Kapsel.

Facettenschmerzen entstehen durch Reizung freier und eingekapselter Ner-venendigungen. Hier hilft eine diagnos-tische Facetteninfiltration bei der Zuord-nung der Schmerzen. Länger anhaltende Schmerzlinderung kann in solchen Fällen oft auch durch eine Kryo- oder Thermo-

re nach ventraler Fusion an der Halswir-belsäule bei jedem vierten Patienten be-handlungspflichtige Probleme in den Nachbarsegmenten.

Eine andere Studie von Goffin et al. untersuchte das radiologische Auftreten dieser sogenannten Anschlussdegenera-tion nach Fusionen an der Halswirbel-säule. Bei 92% aller operierten Patienten lassen sich im Verlauf nach einigen Jah-ren Schädigungen des Nachbarsegmentes durch bildgebende Verfahren nachwei-sen. Diese und andere Studien zeigen, dass alle Anstrengungen unternommen werden sollten, die Mobilität der Hals-wirbelsäule in allen Segmenten zu erhal-ten. Dies ist durch Implantation einer Bandscheibenprothese in sehr naturähn-licher Weise bezüglich Extension, Fle-xion, Seitneigung und Rotation mög-lich.

IndikationDie Hauptindikationen für die Implan-tation einer zervikalen Bandscheibenpro-these sind in erster Linie „weiche“ Band-

denervation der Facettengelenke erreicht werden.

Eine Prothese sollte nur nach er-folgtem Nachweis einer erhaltenen Be-weglichkeit im betroffenen Segment implantiert werden. Dies kann präope-rativ anhand von Röntgen-Funktions-aufnahmen in lateraler Projektion er-bracht werden. Einfacher und realis-tischer ist jedoch die intraoperative Prüfung nach erfolgter Nucleotomie und nach Entfernen von Osteophyten (Abb. 2 und 3). Hier lässt sich selbst bei prä-operativ scheinbar unbeweglichen Seg-menten eine deutliche Beweglichkeit nachweisen. Dies ist auch bei Patienten in höherem Alter und bei vorbestehender Osteochondrose der Fall. Ist durch leich-te Spreizung intraoperativ keine relevante Beweglichkeit nachweisbar, so sollte auf die Implantation einer Bandscheibenpro-these verzichtet werden. Auch bei einer ausgeprägten vorbestehenden Überbe-weglichkeit im betroffenen Segment sollte keine Prothese implantiert werden. Diese ist jedoch selten und meist nur nach Verletzung der dorsalen Strukturen (Muskulatur, Lamina, Bandapparat) fest-zustellen.

Bei der HWS gibt es nicht wie etwa beim Hüftgelenk ein festes Rotations-zentrum. Die Bewegung beinhaltet fast immer eine komplexe Kombination von Rotation, Gleiten und Transposition in der AP-Richtung, wobei durch die Ach-senstellung der Facettengelenke ein Großteil der Bewegungsmöglichkeiten vorgegeben ist.

OperationstechnikDer Patient wird mit neutraler Kopfpo-sition in Rückenlage operiert. Für die intraoperative Kontrolle der operierten

Abb. 3: Intraoperative Mobilisation und Distraktion des Bewerbungssegments. Die Dis-traktion des Bandscheibenfaches erfolgt zunächst durch die beiden Casparschrauben, die in den angrenzenden Wirbelkörpern verankert sind. Die Mobilisation mit der in den Bandscheibenraum eingebrachten Distraktionszange lässt den Grad der erhaltenen Mobilität unter seitlicher Durchleuchtung abschätzen.

Abb. 4 a–d: Modelle verschiedener Bandscheibenprothesen für die Halswirbelsäule. a: BRYAN (Medtronic, ca. 16.000 Implantationen weltweit), b: PCM (Cervitech, ca. 4.000 Implantationen weltweit, c: PRO-DISC-C (Synthes), d: PRESTIGE (Medtronic)

a b c d

© Fi

rma

Clin

ical

Hou

se, B

ochu

m

Page 3: hws bandscheibenprothese ortho artikel

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 1·200834

kerung der Prothese wird mittels eines Meißelsystems eine Nut in die angren-zenden Wirbelkörper gearbeitet. Das Meißelsystem hat einen einstellbaren Anschlag, was zusätzliche Sicherheit für das unmittelbar unter dem OP-Feld lie-gende Rückenmark schafft. Alle Arbeits-schritte erfolgen unter seitlicher Rönt-genkontrolle, was eine gute Tiefenab-schätzung zulässt (Abb. 2). Die Ausrich-tung der Prothese in Bezug auf die Mittellinie erfolgt anhand der seitlich freiliegenden Processus Uncinati, die die lateralen Begrenzungen des Bandschei-benraumes darstellen (Abb. 5). Die Pro-cessus Uncinati sollten in jedem Falle erhalten werden, da sie auch den wich-tigsten Schutz vor Verletzungen der et-was unterhalb und lateral des Operati-onsgebietes verlaufenden Aa. Vertebrales bilden. Nach Einsetzen der definitiven Prothese werden die Distraktionsschrau-ben in den angrenzenden Wirbelkörpern entfernt. Das Operationsfeld wird sorg-fältig mit Wasser gespült. Bei klarem

Höhe wird ein Durchleuchtungsgerät benötigt, das vor dem Abdecken in Po-sition gebracht wird. Bei Vorfällen der unteren Halswirbelsäule kann die Dar-stellung des betroffenen Segmentes auf-grund des von den Schultern verursach-ten Röntgenschattens schwierig sein. Nach einem 3 cm langen Hautschnitt entlang einer Hautfalte erfolgt die Prä-paration im Bereich der Faszienloge rechts paramedian. Dies geschieht ohne spitze Instrumente, also stumpf und a-traumatisch mit dem Zeigefinger der rechten Hand. Der Gefäßstrang mit A. Carotis und V. Jugularis wird mit dem M. Sternocleidomastoideus durch den Zeigefinger nach lateral verlagert. Nach Präparation von Luftröhre und Speise-röhre nach medial wird ein Weichteil-sperrer eingesetzt.

Um das Bandscheibenfach etwas auseinanderzuspreizen und die Ausräu-mung des Faches zu erleichtern, werden in den beiden angrenzenden Wirbelkör-pern Halteschrauben angebracht. Die betroffene Bandscheibe wird dann von ventral her ausgeräumt. Die erste Hälfte der Nucleotomie kann makroskopisch erfolgen, mit zunehmender Nähe zum Rückenmark ist dann die Hilfe des Mi-kroskopes erforderlich.

Nach erfolgter mikroskopisch kont-rollierter Dekompression und nach Aus-tasten der beidseitigen Wurzelabgänge (Abb. 2) wird zunächst ein passendes Probeimplantat eingebracht. Zur Veran-

Rücklauf der Spülflüssigkeit wird das Operationsgebiet durch eine resorbier-bare Naht verschlossen. Das Einlegen einer Redondrainage ist bei unauffäl-ligem Operationsverlauf nicht notwen-dig.

Nachbehandlung und ErgebnisseIn fast allen Fällen sind die radikulären Beschwerden unmittelbar postoperativ verschwunden oder sie haben sich deut-lich gebessert. Auch lokale Symptome wie Verspannungen, Nackenschmerzen und in das Hinterhaupt ausstrahlende Schmerzen zeigen meist eine Besserung. Wichtig ist in diesem Rahmen die rich-tige Größenauswahl der Prothese. Bei zu flach ausgewählter Prothese können die Lokalsyndrome durch eine zu starke Ge-wichtsbelastung der Facettengelenke persistieren, bei zu hoch ausgewählter Prothese entstehen Schmerzen durch Überdehnung der Facetten. In unserer Klinik sind bei regelmäßiger Implanta-tion von vier verschiedenen Prothesen-

Abb. 5: Schema der unteren Halswirbel-säule mit einer in das Bandscheibenfach eingebrachten Bandscheibenprothese. Die Mittellinie wird durch die beiden Processi Uncinati vorgegeben, welche die knöcherne äußere Begrenzung des Band-scheibenraumes darstellen. Die Position wird intraoperativ mittels seitlicher und AP-Projektion verifiziert.

Klinische Symptomatik bei Wurzel- und Rückenmarks-kompression (Myelopathie)

Krankheitsbild Wurzelkompression Myelopathie

Verlauf akutes Auftreten, häufig nachts schleichender Beginn

Schmerzen starker, stechender Schmerz kaum Schmerzen

Reflexbild Ausfall der Muskeleigenreflexe Steigerung der Muskeleigen- (nur obere Extremitäten) reflexe, Reflexzonenerweiterung, Kloni (auch an den unteren Extremitäten)

Motorik isolierte Paresen der Kennmuskulatur Paresen nicht radikulär, Ataxie steht im Vordergrund

Tabelle 1

Kriterien zur Indikationsstellung für die zervikale Bandscheibenprothetik, der „MediaPark-Algorhythmus“

Fusion Protheseeher älterer Patient eher jüngerer Patient

keine segmentale Beweglichkeit erhaltene segmentale Beweglichkeit(prä- oder intraoperativ) (prä- oder intraoperativ)

massive Osteochondrose fehlende/milde Osteochondrose

nur ein Segment betroffen mehrsegmentales Problem

ohne Voroperationen bei anderem, ggf. bereits fusioniertem Segment

bei ausgeprägter Myelopathie bei fehlender/milder Myelopathie

bei ausgeprägtem Facettensyndrom bei fehlendem/mildem Facettensyndrom

Tabelle 2

© Fi

rma

Clin

ical

Hou

se, B

ochu

m

Fortbildung Zer vikale Bandscheibenprothese

Page 4: hws bandscheibenprothese ortho artikel

ORTHOPÄDIE & RHEUMA 1·200836

Langzeituntersuchungen beträgt die seg-mentale Beweglichkeit im implantierten Bandscheibenfach durchschnittlich 8° und enspricht somit weitgehend der na-türlichen Beweglichkeit. Eine manchmal zur sekundären Versteifung führende verstärkte knöcherne Überbauung im operierten Segment, die „heterotope Os-sifikation“, wurde in 18% aller unter-suchten Fälle in geringem Ausmaß beob-achtet.

Im Rahmen einer im Jahre 2007 in der Zeitschrift „Spine“ veröffentlichte Studie (Mummaneni et al.) wurden die Ergebnisse der HWS-Fusionsoperation mit den Ergebnissen nach Implantation einer Bandscheibenprothese verglichen. Prothesenpatienten wurden durchschnitt-lich schneller wieder arbeitsfähig, Folge-operationen mussten nach einer Prothe-senimplantation seltener durchgeführt werden.

Die zervikale Bandscheibenprothetik hat somit das Potenzial, in Zukunft viele Fusionsoperationen an der Halswirbel-säule zu ersetzen.

Dr. med. Johannes KuchtaDrs. Patrick Simons

Praxis für Neurochirurgie MediaPark Klinik KölnIm MediaPark 3 50670 Köln

modellen (Abb. 4) und über 50 ventralen Operationen an der Halswirbelsäule pro Jahr lediglich drei Fälle mit postopera-tiver Heiserkeit aufgetreten. In einem dieser Fälle konnte durch Laryngoskopie eine Lähmung des rechtsseitigen Stimm-bandes als Ausdruck einer Läsion des N. Laryngeus Recurrens nachgewiesen wer-den. Der Entstehungsmechanismus die-ser Schädigung ist bisher nicht klar, die beschriebenen Veränderungen besserten sich jedoch in fast allen Fällen nach ei-nigen Wochen. Obwohl eine intraope-rative Druckschädigung durch Einsetzen des Sperrers als Ursache wahrscheinlich erscheint, konnten entsprechende Un-tersuchungen keinen Zusammenhang zwischen dem durch den Sperrer appli-zierten Druck und dem Auftreten einer Stimmbandlähmung nachweisen. Un-serer Erfahrung nach sind die Kontrolle und die Nachregulation des Tubus-Cuff-druckes nach Aufspreizen des Weich-teilsperrers wichtig. Nach Einsetzen des Sperrers kann der Cuffdruck von nor-malerweise 20 mmHg auf über 50 mmHg ansteigen. Über diesen Mecha-nismus sind druckbedingte Nervenschä-digungen des Stimmbandnerven denk-bar.

Da bereits intraoperativ eine ausgie-bige radiologische Kontrolle der Prothe-senlage erfolgt ist, und da bei korrekter Implantation eine hohe primäre Bela-stungsstabilität besteht, können die Pa-tienten postoperativ bereits im Auf-wachraum voll mobilisiert werden. Das Tragen einer Halskravatte oder ähnliches

ist nicht erforderlich. Einige Studiener-gebnisse legen eine postoperative Medi-kation mit Diclofenac über zwei Wochen nahe, da eine sekundäre Verknöcherung im operierten Segment unter dieser Me-dikation seltener auftrat.

Eine spezielle physiotherapeutische Nachbehandlung nach zervikaler Band-scheibenprothese ist in der Regel nicht erforderlich. Da es sich bei Spondylosen und Bandscheibenvorfällen jedoch in den seltensten Fällen um rein einsegmentale Probleme einer sonst vollkommen gesun-den Wirbelsäule handelt, ist nach eini-gen Wochen der Beginn einer speziellen Kräftigungstherapie zum Muskelaufbau (z. B. Yoga, Pilates oder ähnliches) indi-ziert.

Eine vorübergehende Dysphagie tritt nach ventraler HWS-Operation in circa 10–20% aller Fälle auf, Risikofaktoren sind Revisionschirurgie, weibliches Ge-schlecht und Operationen in mehr als zwei Höhen. Die von Patienten und Chirurgen so gefürchteten möglichen schweren Komplikationen (A. Carotis-/A. Vertebralis-Verletzung, Rückenmarks-schädigung mit Querschnittsyndrom, Duraverletzung, Speiseröhrenperforation, Nachblutungen usw.) sind zwar prinzi-piell möglich, bleiben im Zeitalter der mikroskopisch assistierten Chirurgie je-doch tragische Einzelfälle und sind in unserer Klinik bisher nicht aufgetreten.

Die Beweglichkeit im implantierten Segment kann in den meisten Fällen nachweislich langfristig erhalten werden (Abb. 6). Nach aktuellen radiologischen

Fortbildung Zer vikale Bandscheibenprothese

Abb. 6: Postoperative radiologische Stellungs- und Funktionskontrolle bei Z.n. Implantation einer Bandscheibenprothese in Segment HW 5/6. Aufnahmen einer Inklination, Neutralstellung und Reklination zeigen eine regelrechte postoperative Stellung sowie einen physiologischen Bewegungsumfang.

© D

r. An

ders

son/

Dr.

Stei

mel

, Med

iaPa

rk K

linik

Köl

n

a b c