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Redaktion M. Gappa, Wesel T. Nüsslein, Koblenz M. Rose, Frankfurt Pneumologe 2014 · 11:171–172 DOI 10.1007/s10405-014-0778-8 Online publiziert: 9. Februar 2014 © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014 T. Nüßlein Gemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen, Koblenz Hypertone Salzlösung  zur Inhalation bei akutem  Giemen im Vorschulalter Hintergrund.  Die Inhalation von Koch- salzlösung (NaCl) mit einer Konzentra- tion von mehr als 0,9% ist als Behand- lungsoption mittlerweile für eine Reihe von Erkrankungen gut untersucht und in die Therapieempfehlungen aufgenom- men. Besonders für die Diagnose Muko- viszidose liegen mehrere große Studien vor, die sowohl einen kurzfristigen als auch einen langfristigen Effekt belegen. Auch beim häufigen Phänomen Giemen im Vorschulalter gibt es Hinweise darauf, dass die Dehydratation der periziliären Flüssigkeit eine wichtige Rolle im Patho- mechanismus spielt. Betroffene Kinder dürften daher ebenfalls von der Inhalation eines osmotisch wirksamen Agens profi- tieren. Die kürzlich publizierte Arbeit von D. Ater und Mitarbeitern ging dieser Frage erstmals systematisch nach. Methoden.  Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob die Inhalation hyperto- ner Lösung bei Kindern, die in einer Not- fallambulanz wegen akuten Giemens vor- gestellt wurden, der Inhalation von iso- toner Lösung überlegen ist in Bezug auf die Länge des stationären Aufenthalts, den Anteil stationärer Einweisungen und den klinischen Schweregrad. Insgesamt 41 Kinder im Alter zwischen 1 und 6 Jah- ren, die in einem medizinischen Zentrum in Israel wegen akuten Giemens vorge- stellt wurden, erhielten in dieser randomi- sierten, kontrollierten, doppelt verblinde- ten Studie entweder vernebeltes Salbuta- mol mit 5%iger NaCl-Lösung (n=16) oder Salbutamol mit 0,9%iger NaCl-Lösung (n=25) für die Dauer der Behandlung. In- duziertes Sputum wurde gewonnen und mittels PCR auf virale Erreger von Atem- wegsinfektionen untersucht. Ausgeschlos- sen wurden Kinder, die auf der Intensiv- station behandelt werden mussten. Ergebnisse.  Die Dauer des stationären Aufenthalts war in der mit hypertoner Salzlösung behandelten Patientengruppe mit 2 Tagen im Median um einen Tag kür- zer als in der mit isotoner Lösung behan- delten Gruppe. Der Anteil stationär aufge- nommener Patienten lag in der Gruppe, in der die Patienten von Anfang an hypertone Lösung inhalierten, bei 62,2% und damit signifikant niedriger als in der mit isoto- ner Lösung behandelten Gruppe mit 92%. Keine signifikanten Unterschiede zwi- schen den beiden Gruppen gab es im Ver- lauf bezüglich des Schweregrads. Es ließen sich 29 Sputumproben gewinnen. In 83% fand sich zumindest ein viraler Erreger von Atemwegsinfektionen – meistens Rhinovi- rus. Schlussfolgerung  der  Autoren.  Die Autoren schließen aus ihren Daten, dass die Inhalation von hypertoner Lösung so- wohl die Dauer des stationären Aufent- halts, als auch die Quote stationär zu be- handelnder Patienten gegenüber der In- halation von isotoner Lösung signifikant reduzieren kann. Kommentar Obwohl die Zahl untersuchter Kinder in dieser Studie [1] klein ist, sind die Ergeb- nisse vielversprechend. Die Studienpopulation dürfte repräsen- tativ sein für die große Zahl von Kleinkin- dern, die sich vor allem in den Wintermo- naten in Kinderarztpraxen und Notfallam- bulanzen von Kliniken vorstellen, weil im Rahmen eines Infekts mehr Beschwerden an den unteren Atemwegen auftreten, als bei einer „banalen“ Erkältung zu erwarten. Realitätsnah ist die Rekrutierung der Stu- dienpatienten mit „viral wheeze“ [2] mit- tels eines Score, der vor allem klinische Be- funde berücksichtigt. Auf die Abgrenzung einerseits zum sich früh manifestieren- den meist allergischen Asthma bronchiale und andererseits zur Bronchiolitis legt die Arbeit besonderen Wert. In Übereinstim- mung mit anderen Arbeiten zum „viral wheeze“ ließ sich bei fast allen untersuch- ten Kindern zumindest ein Virus in den Atemwegen nachweisen, meist – und auch das stimmt überein – Rhinovirus [3]. Kritisch zu bewerten sind die kleine Zahl von nur 41 untersuchten Kin- dern und das große Altersspektrum von 1–6 Jahren für ein so häufiges Phänomen in der Kinder- und Jugendmedizin. In ver- schiedenen Altersgruppen könnten näm- lich unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen. Zudem dürfte die ein- heitliche Dosierung der Studienmedika- tion alleine schon aufgrund der Gewichts- unterschiede der Kinder zu unterschied- licher Deposition in den Atemwegen ge- führt haben. Zu bemängeln ist außer- dem, dass in beiden Gruppen der Erre- gernachweis zu Beginn der Behandlung Pädiatrische Pneumologie Originalbeitrag Ater D, Shai H, Bar BE et al (2012) Hypertonic saline and acute wheezing in preschool children. Pediatrics 129:e1397–e1403 171 Der Pneumologe 2 · 2014|

Hypertone Salzlösung zur Inhalation bei akutem Giemen im Vorschulalter; Inhalation of hypertonic saline for acute wheezing in preschool children;

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Page 1: Hypertone Salzlösung zur Inhalation bei akutem Giemen im Vorschulalter; Inhalation of hypertonic saline for acute wheezing in preschool children;

RedaktionM. Gappa, WeselT. Nüsslein, Koblenz M. Rose, Frankfurt

Pneumologe 2014 · 11:171–172DOI 10.1007/s10405-014-0778-8Online publiziert: 9. Februar 2014© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2014

T. NüßleinGemeinschaftsklinikum Koblenz-Mayen, Koblenz

Hypertone Salzlösung zur Inhalation bei akutem Giemen im Vorschulalter

Hintergrund.  Die Inhalation von Koch-salzlösung (NaCl) mit einer Konzentra-tion von mehr als 0,9% ist als Behand-lungsoption mittlerweile für eine Reihe von Erkrankungen gut untersucht und in die Therapieempfehlungen aufgenom-men. Besonders für die Diagnose Muko-viszidose liegen mehrere große Studien vor, die sowohl einen kurzfristigen als auch einen langfristigen Effekt belegen. Auch beim häufigen Phänomen Giemen im Vorschulalter gibt es Hinweise darauf, dass die Dehydratation der periziliären Flüssigkeit eine wichtige Rolle im Patho-mechanismus spielt. Betroffene Kinder dürften daher ebenfalls von der Inhalation eines osmotisch wirksamen Agens profi-tieren. Die kürzlich publizierte Arbeit von D. Ater und Mitarbeitern ging dieser Frage erstmals systematisch nach.

Methoden.  Ziel der Studie war es, zu überprüfen, ob die Inhalation hyperto-ner Lösung bei Kindern, die in einer Not-fallambulanz wegen akuten Giemens vor-gestellt wurden, der Inhalation von iso-toner Lösung überlegen ist in Bezug auf die Länge des stationären Aufenthalts, den Anteil stationärer Einweisungen und den klinischen Schweregrad. Insgesamt 41 Kinder im Alter zwischen 1 und 6 Jah-ren, die in einem medizinischen Zentrum in Israel wegen akuten Giemens vorge-stellt wurden, erhielten in dieser randomi-

sierten, kontrollierten, doppelt verblinde-ten Studie entweder vernebeltes Salbuta-mol mit 5%iger NaCl-Lösung (n=16) oder Salbutamol mit 0,9%iger NaCl-Lösung (n=25) für die Dauer der Behandlung. In-duziertes Sputum wurde gewonnen und mittels PCR auf virale Erreger von Atem-wegsinfektionen untersucht. Ausgeschlos-sen wurden Kinder, die auf der Intensiv-station behandelt werden mussten.

Ergebnisse.  Die Dauer des stationären Aufenthalts war in der mit hypertoner Salzlösung behandelten Patientengruppe mit 2 Tagen im Median um einen Tag kür-zer als in der mit isotoner Lösung behan-delten Gruppe. Der Anteil stationär aufge-nommener Patienten lag in der Gruppe , in der die Patienten von Anfang an hypertone Lösung inhalierten, bei 62,2% und damit signifikant niedriger als in der mit isoto-ner Lösung behandelten Gruppe mit 92%. Keine signifikanten Unterschiede zwi-schen den beiden Gruppen gab es im Ver-lauf bezüglich des Schweregrads. Es ließen sich 29 Sputumproben gewinnen. In 83% fand sich zumindest ein viraler Erreger von Atemwegsinfektionen – meistens Rhinovi-rus.

Schlussfolgerung  der  Autoren.  Die Auto ren schließen aus ihren Daten, dass die Inhalation von hypertoner Lösung so-wohl die Dauer des stationären Aufent-halts, als auch die Quote stationär zu be-handelnder Patienten gegenüber der In-halation von isotoner Lösung signifikant reduzieren kann.

Kommentar

Obwohl die Zahl untersuchter Kinder in dieser Studie [1] klein ist, sind die Ergeb-nisse vielversprechend.

Die Studienpopulation dürfte repräsen-tativ sein für die große Zahl von Kleinkin-dern, die sich vor allem in den Wintermo-naten in Kinderarztpraxen und Notfallam-bulanzen von Kliniken vorstellen, weil im Rahmen eines Infekts mehr Beschwerden an den unteren Atemwegen auftreten, als bei einer „banalen“ Erkältung zu erwarten. Realitätsnah ist die Rekrutierung der Stu-dienpatienten mit „viral wheeze“ [2] mit-tels eines Score, der vor allem klinische Be-funde berücksichtigt. Auf die Abgrenzung einerseits zum sich früh manifestieren-den meist allergischen Asthma bronchiale und andererseits zur Bronchiolitis legt die Arbeit besonderen Wert. In Übereinstim-mung mit anderen Arbeiten zum „viral wheeze“ ließ sich bei fast allen untersuch-ten Kindern zumindest ein Virus in den Atemwegen nachweisen, meist – und auch das stimmt überein – Rhinovirus [3].

Kritisch zu bewerten sind die kleine Zahl von nur 41 untersuchten Kin-dern und das große Altersspektrum von 1–6 Jahren für ein so häufiges Phänomen in der Kinder- und Jugendmedizin. In ver-schiedenen Altersgruppen könnten näm-lich unterschiedliche Pathomechanismen zugrunde liegen. Zudem dürfte die ein-heitliche Dosierung der Studienmedika-tion alleine schon aufgrund der Gewichts-unterschiede der Kinder zu unterschied-licher Deposition in den Atemwegen ge-führt haben. Zu bemängeln ist außer-dem, dass in beiden Gruppen der Erre-gernachweis zu Beginn der Behandlung

Pädiatrische Pneumologie

Originalbeitrag

Ater D, Shai H, Bar BE et al (2012) Hypertonic saline and acute wheezing in preschool children. Pediatrics 129:e1397–e1403

171Der Pneumologe 2 · 2014  | 

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mittels induzierten Sputums angestrebt wurde, das heißt mittels Inhalation von hochkonzentrierter Salzlösung auch in der Gruppe , die später mit isotoner Salz-lösung behandelt wurde. Unterschiede im Outcome der beiden Gruppen dürften da-mit abgeschwächt worden sein.

In der Studie werden Zielparameter verwendet, die im Interesse der betrof-fenen Patienten und ihrer Familie liegen dürften. Die Verkürzung der Behand-lungsdauer von im Median 3 Tagen bei den mit isotoner Lösung behandelten Kindern auf 2 Tage bei den mit hyperto-ner Lösung behandelten Kindern und die Vermeidung einer stationären Behand-lung bei nur 8% gegenüber gut 30%, bei-des ist nicht nur statistisch signifikant, sondern auch klinisch relevant. Neben-wirkungen wurden in beiden Gruppen nicht gesehen.

Zusammenfassend dürfte sich damit in dieser Arbeit ein recht typisches Szenario widerspiegeln.

Plausibel ist auch der von den Autoren vermutete Wirkmechanismus. So mani-festiert sich bei den viralen Atemwegs-infekten die Inflammation vor allem im Ödem der Schleimhaut. Parallel kommt es zu einer Dehydratation der Flüssig-keit, welche die Zilien umgibt. In-vitro-Untersuchungen und Erkenntnisse aus anderen Krankheitsbildern belegen, dass sich beide Mechanismen durch osmo-tisch wirksame Inhalativa günstig beein-flussen lassen. Wasser wird dem Gewebe entzogen, das Ödem nimmt ab. Parallel verflüssigt das Gewebewasser die Sekrete, was wiederum die mukoziläre Clearance günstig beeinflusst.

Fazit

Wie so oft ist nach kritischer Sichtung auch dieser Publikation festzuhalten, dass weitere Studien benötigt werden, um sichere Aussagen machen zu können. Jedoch liefern die Autoren ein relevantes Argument dafür, zumindest immer dann, wenn Kleinkinder mit Giemen im Rah-men eines Virusinfekts ohnehin feucht inhalieren sollen, nicht isotone, sondern hypertone Lösung zu verwenden.

Korrespondenzadresse

PD Dr. T. NüßleinGemeinschaftsklinikum Koblenz-MayenKoblenzer Str. 115–155, 56073 [email protected]

Einhaltung ethischer Richtlinien

Interessenkonflikt. T. Nüßlein gibt an, dass kein Inte-ressenkonflikt besteht.

Literatur

1. Ater D, Shai H, Bar BE et al (2012) Hypertonic saline and acute wheezing in preschool children. Pedia-trics 129:e1397–e1403

2. Brand PLP, Baraldi E, Bisgaard H et al (2008) Defini-tion, assessment and treatment of wheezing disor-ders in preschool children: an evidence-based ap-proach. Eur Respir J 32:1096–1110

3. Sears MR, Johnston NW (2007) Understanding the September asthma epidemic. J Allergy Clin Immu-nol 120:526–529

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