24
EDITORIAL steueranwaltsmagazin 4/2002 73 I. „Verwöhnungsverwahrlosung“ – ein treffliches Wort von Samson als Zustandsbeschreibung für die Gesetzgebung im deutschen Steuerrecht. Vornehmer natürlich Redeker in der NJW 2002, 2756 ff. („Auf der Suche nach besserer Gesetzgebung“). Favorit der Redaktion ist allerdings die „Geldsack-KG“: Beschreibung der Zustände in der deut- schen Wirtschaft? II. Die Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV hat nun ziemlich genau 770 Mitglieder. Ein schöner Erfolg. Wei- ter so: Mit hoffentlich attraktiven Veranstaltungen (bei 220 Teilnehmern beim Steueranwaltstag haben wir zu- mindestens nicht alles falsch gemacht), dokumentiert in Tagungsbänden und ergänzt durch das steuer anwalt s - magazin . III. Wie fühlt man sich, wenn man vor der Verwirklichung seiner Träume steht? Zitat aus der Koalitionsvereinba- rung der rot-grünen Bundesregierung: „Modernisierung und Vereinfachung wird in den nächsten vier Jahren die Leitlinie unserer Steuerpolitik sein. (...) Wir wollen einen kundenorientierten Vollzug der Steuergesetze...“ Bitte- schön, wir werden die Regierung an diesem Anspruch festhalten. Das SteVAG (oder wie das heißen mag) ist die erste Nagelprobe. Ein „Ungenügend“ nicht ausgeschlos- sen, außer man liebt Daumenschrauben. IV. An dieser Stelle wollen, ja müssen wir fast, eine aktuelle Aussage zitieren, auch wenn wir uns Kommentare erspa- ren – aus dem „Steuer-Song“ von Elmar Brandt: „Was du heute kannst versprechen/darfst du morgen wieder bre- chen/und drum hol ich mir jetzt jeden einzelnen Geld- schein/euer Pulver, eure Kohle, euer Sparschwein!/Ich erhöh euch die Steuern,/gewählt is gewählt, ihr könnt mich jetzt nicht mehr feuern,/das ist ja das Geile an der Demokratie.“ V. Wir sind ON! Die Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht unter- hält nun nicht nur irgendeine, sondern eine topaktuelle interaktive homepage (s. hierzu in diesem Heft S. 89). Viel Spaß mit steuerr echtdav .de ! Eine schöne Weihnachtszeit wünscht Ihr Jürgen Wagner Red. steuer anwalt s magazin Sie können der Redaktion Texte, Anregungen und Kritik zum steueranwaltsmagazin, insbesondere zur Aufma- chung, der Themenauswahl und -vielfalt sowie zum steuerrechtlichen „Niveau“ zusenden. Wir schließen nicht aus, geeignete Kritik auch abzudrucken. Rechtsanwalt Jürgen Wagner, Konstanz WAGNER.RECHTSANWAELTE@t–online.de Rechtsanwältin Kirsten Bäumel-Ianniello, Aachen [email protected] EDITORIAL Impressum: Herausgeber: ARGE Steuerrecht im DAV, Littenstr. 11, 10179 Ber- lin, T 030/726152-0 · Verlag: Deutscher Anwaltverlag GmbH, Wachsbleiche 7, 53111 Bonn, T 0228/91911-0 · Satz und Druck: Richarz Publikations-Service GmbH, 53757 Sankt Augustin · Anzeigenverwaltung: Verlag. Es gilt Anzeigen- preisliste Nr. 7 vom 1.1.2002.· Alle Urheber-, Nutzungsrechte und Verlags- rechte vorbehalten. Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Bezugspreis ist im Mitgliedspreis ent- halten ISSN 1615–5610 Die nächste Ausgabe des steuer anwalt s magazin erscheint am 15. März 2003 zusammen mit dem Tagungsband STEUERANWALTSTAG 2002. Die Ausgabe 02/2003 erscheint am 15.05. vor dem Deutschen Anwaltstag in Freiburg, die Ausgabe 03/2003 wie gewohnt am 15.09. (zusammen mit dem Tagungsband der Veranstaltung STEUERANWALT INTERNATIONAL in Prag. Danach folgt die Weihnachtsausgabe 04/2003 zum 15.12.2003. Die wichtigsten Termine der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV im Jahr 2003: 14.–15. Februar Gemeinsame Veranstaltung mit der DVEV Neuss 08.–09. Mai Steueranwalt International Prag 30.–31. Mai Deutscher Anwaltstag Freiburg 27.–28. Juni Gemeinsame Veranstaltung mit der ArGe Strafrecht München 14.–15. November Steueranwaltstag Berlin Mitschreibende in dieser Nummer: Kirsten Bäumel-Ianniello, Jürgen Wagner (Redaktion); Andreas Jahn, Dr. Jochen Krieger, Dr. Wolfgang Leibner, Sebastian Korts, Udo Schmallenberg

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EDITORIAL

steueranwaltsmagazin 4/2002

73

I.

„Verwöhnungsverwahrlosung“ – ein treffliches Wort vonSamson als Zustandsbeschreibung für die Gesetzgebungim deutschen Steuerrecht. Vornehmer natürlich Redekerin der NJW 2002, 2756 ff. („Auf der Suche nach bessererGesetzgebung“). Favorit der Redaktion ist allerdings die„Geldsack-KG“: Beschreibung der Zustände in der deut-schen Wirtschaft?

II.

Die Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV hat nunziemlich genau 770 Mitglieder. Ein schöner Erfolg. Wei-ter so: Mit hoffentlich attraktiven Veranstaltungen (bei220 Teilnehmern beim Steueranwaltstag haben wir zu-mindestens nicht alles falsch gemacht), dokumentiert inTagungsbänden und ergänzt durch das steueranwalts-magazin.

III.

Wie fühlt man sich, wenn man vor der Verwirklichungseiner Träume steht? Zitat aus der Koalitionsvereinba-rung der rot-grünen Bundesregierung: „Modernisierungund Vereinfachung wird in den nächsten vier Jahren dieLeitlinie unserer Steuerpolitik sein. (...) Wir wollen einenkundenorientierten Vollzug der Steuergesetze...“ Bitte-schön, wir werden die Regierung an diesem Anspruchfesthalten. Das SteVAG (oder wie das heißen mag) ist dieerste Nagelprobe. Ein „Ungenügend“ nicht ausgeschlos-sen, außer man liebt Daumenschrauben.

IV.

An dieser Stelle wollen, ja müssen wir fast, eine aktuelleAussage zitieren, auch wenn wir uns Kommentare erspa-ren – aus dem „Steuer-Song“ von Elmar Brandt: „Was duheute kannst versprechen/darfst du morgen wieder bre-chen/und drum hol ich mir jetzt jeden einzelnen Geld-schein/euer Pulver, eure Kohle, euer Sparschwein!/Icherhöh euch die Steuern,/gewählt is gewählt, ihr könntmich jetzt nicht mehr feuern,/das ist ja das Geile an derDemokratie.“

V.

Wir sind ON! Die Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht unter-hält nun nicht nur irgendeine, sondern eine topaktuelleinteraktive homepage (s. hierzu in diesem Heft S. 89).Viel Spaß mit steuerrechtdav.de!

Eine schöne Weihnachtszeit wünscht

IhrJürgen WagnerRed. steueranwaltsmagazin

Sie können der Redaktion Texte, Anregungen und Kritikzum steueranwaltsmagazin, insbesondere zur Aufma-chung, der Themenauswahl und -vielfalt sowie zumsteuerrechtlichen „Niveau“ zusenden. Wir schließen nichtaus, geeignete Kritik auch abzudrucken.

Rechtsanwalt Jürgen Wagner, KonstanzWAGNER.RECHTSANWAELTE@t–online.de

Rechtsanwältin Kirsten Bäumel-Ianniello, [email protected]

EDITORIAL

Impressum: Herausgeber: ARGE Steuerrecht im DAV, Littenstr. 11, 10179 Ber-lin, T 030/726152-0 · Verlag: Deutscher Anwaltverlag GmbH, Wachsbleiche 7,53111 Bonn, T 0228/91911-0 · Satz und Druck: Richarz Publikations-ServiceGmbH, 53757 Sankt Augustin · Anzeigenverwaltung: Verlag. Es gilt Anzeigen-preisliste Nr. 7 vom 1.1.2002.· Alle Urheber-, Nutzungsrechte und Verlags-rechte vorbehalten.Die Zeitschrift erscheint vierteljährlich. Bezugspreis ist im Mitgliedspreis ent-haltenISSN 1615–5610

Die nächste Ausgabe des steueranwaltsmagazinerscheint am 15. März 2003 zusammen mit demTagungsband STEUERANWALTSTAG 2002. Die Ausgabe02/2003 erscheint am 15.05. vor dem DeutschenAnwaltstag in Freiburg, die Ausgabe 03/2003 wiegewohnt am 15.09. (zusammen mit dem Tagungsbandder Veranstaltung STEUERANWALT INTERNATIONAL inPrag. Danach folgt die Weihnachtsausgabe 04/2003zum 15.12.2003.

Die wichtigsten Termine der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht im DAV im Jahr 2003:

14.–15. Februar Gemeinsame Veranstaltung

mit der DVEV Neuss

08.–09. Mai Steueranwalt International Prag

30.–31. Mai Deutscher Anwaltstag Freiburg

27.–28. Juni Gemeinsame Veranstaltung

mit der ArGe Strafrecht München

14.–15. November Steueranwaltstag Berlin

Mitschreibende in dieser Nummer:Kirsten Bäumel-Ianniello, Jürgen Wagner (Redaktion);Andreas Jahn, Dr. Jochen Krieger, Dr. Wolfgang Leibner,Sebastian Korts, Udo Schmallenberg

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steueranwaltsmagazin 4/2002

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- sowie Insol-venzrecht Dr. Wolfgang Leibner LL.M., Langenhagen*

I. VORBEMERKUNG

Die Bedeutung des Haftungsrechts für Wirtschaftsprüferhat kontinuierlich zugenommen. Dies gilt nicht nur imZusammenhang mit spektakulären Insolvenzen, wie z.B.Flowtex, Holzmann oder Enron. Vielmehr hat auch der immittelständischen Unternehmensbereich tätige Wirt-schaftsprüfer verstärkt Haftungsrisiken zu gegenwärti-gen. Akut werden diese zum einen wegen der allgemeinsteigenden Zahl von Insolvenzen. Ein Trend, der nocheinige Zeit weiter anhalten wird. Zum anderen sind dieAnforderungen an mittelständische Unternehmen unddie Berater im Rahmen ihrer Bankfinanzierung – nichtzuletzt durch Basel II – gestiegen. Beide Entwicklungenführen dazu, daß die Verantwortung der Wirtschaftsprü-fer in den jeweiligen Fällen verstärkt überprüft wird. Dernachstehende Beitrag geht anhand ausgewählter Recht-sprechung auf einige besonders praxisrelevante Fallkon-stellationen ein.

II. ALLGEMEINE HAFTUNGSREGELUNGEN

Zunächst soll jedoch die allgemeine haftungsrechtlicheAusgangssituation für Wirtschaftsprüfer kurz dargelegtwerden, um eine Einschätzung der künftigen Entwick-lung zu ermöglichen.

1 . W I R T S C H A F T S B E R A T E N D E T Ä T I G K E I T

Grundsätzlich handelt es sich bei den von Wirt-schaftsprüfern abgeschlossenen Vereinbarungen im Rah-men der allgemeinen Wirtschafts- und Steuerberatungum die gleiche Art von Verträgen, wie sie auch von reinsteuerlichen Beratern eingegangen werden. Daher erge-ben sich insoweit für Wirtschaftsprüfer aus haftungs-rechtlicher Sicht keine Besonderheiten im Verhältnis zuSteuerberatern und es kann im jeweiligen Fall auf diehierzu umfangreich vorliegende Rechtsprechung zurück-gegriffen werden.

In der Regel liegt demgemäß ein sogenannter echterBeratungsvertrag vor. Soweit im Rahmen der danachbestehenden vertraglichen Verpflichtungen es zu Bera-tungsversehen kommt, erfolgte bisher eine Haftung aufGrundlage des Rechtsinstitutes der positiven Forde-

rungsverletzung. Im Rahmen des am 01.01.2002 in Kraftgetretenen Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind inForm des § 280 Abs. 1 BGB und des § 241 Abs. 2 BGB zweineue Tatbestände zur Regelung von Pflichtverletzungeneingeführt worden. Die Regelung des § 280 Abs. 1 BGBstellt dabei für Pflichtverletzungen den allgemeinen Tat-bestand dar. Der § 241 Abs. 2 BGB regelt die Verletzungvon Nebenpflichten in einem bestehenden Schuldver-hältnis. Je nach dem auf welche Pflichten aus dem Bera-tungsvertrag sich das Versehen des Wirtschaftsprüfersbezieht, ergeben sich zukünftig die entsprechendenAnspruchsgrundlagen. Eine solche Haftung kommt ins-besondere dann in Betracht, wenn eine der vier Grund-pflichten durch den Berater verletzt worden ist.1

Die erste Grundpflicht für den Berater ist die umfassen-de Aufklärung des Sachverhaltes. So muss der Beraterklären, welche Ziele der Mandant bezüglich des Auftra-ges verfolgt, welche tatsächlichen Umstände dafür maß-geblich sind und welche Beweismittel zur Verfügung ste-hen.2 Hat der Berater Hinweise dafür, daß die Informa-tionen lückenhaft und unzutreffend sind, muss er sichum Ergänzung oder Berichtigung bemühen. Grundsätz-lich besteht ein Anscheinsbeweis dafür, daß der Mandanteine Bitte um weitere Angaben und Unterlagen erfüllthätte.3

Die nächste Grundpflicht des Beraters betrifft die recht-liche Prüfung des ermittelten Sachverhalts. Zu untersu-chen ist hierbei, ob und wie der Mandant das erstrebteZiel aufgrund des festgestellten Sachverhalts auf demRechtswege erreichen kann. Diese Prüfung muss aufBasis aller einschlägigen Rechtsnormen sowie von Erlas-sen, einer ständigen Verwaltungsübung und der höchst-richterlichen Rechtsprechung erfolgen. Die dritte Pflichtdes Beraters ist die eigentliche Beratung des Mandanten.So muss er den Mandanten über das Ergebnis der Sach-und Rechtsprüfung umfassend in Kenntnis setzen. DasZiel der Beratung ist, den Mandanten eine sachgerechte,eigenverantwortliche Entscheidung zu ermöglichen.4 Dieletzte Grundpflicht des Beraters schließlich ist die Scha-densprävention. So muss der Berater seinen Mandantenvor voraussehbaren und vermeidbaren Nachteilenbewahren. Gegebenenfalls können entsprechende Hilfs-und Vorsorgemaßnahmen des Beraters erforderlich sein.Die Durchführung von risikoreichen Maßnahmen darfnur nach Aufklärung des Mandanten und mit dessenZustimmung erfolgen.5 Aus den vier vorstehend

BEITRÄGE

74

DIE ENTWICKLUNG DES HAFTUNGSRECHTS FÜRWIRTSCHAFTSPRÜFER

* Der Autor ist als Rechtsanwalt insbesondere auf dem Gebiet desHaftungsrechts tätig (www.Leibner.de).

1 OLG Schleswig, Az: 10 U 13 / 92.2 BGH, WM 1998, 303, 309; 1992, 62, 66; 701, 702 ff.; 2000, 189.3 BGH, WM 1996, 1832, 1835f.; 1997, 1392, 1394f.4 BGH, WM 1997, 335, 338; 1999, 1342, 1344.5 BGH, WM 1990, 1917.

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beschriebenen vertraglichen Grundpflichten eines Bera-ters leiten sich dann je nach Mandatsgegenstandbestimmte weitere Einzelpflichten ab.

2 . H A F T U N G G E G E N Ü B E R D R I T T E N

Eine Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Drittenkommt grundsätzlich auf der Grundlage von Verträgenmit Schutzwirkung zugunsten Dritter und durch Aus-kunftsverträge in Betracht. Aus der Vorschrift des § 323HGB können dagegen keine vertraglichen Ersatzan-sprüche für Dritte folgen.6 Die Annahme eines Vertragesmit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergibt sich durchAuslegung, denn im Regelfall wird eine Vereinbarungkeine ausdrückliche Bestimmung über den Schutz einesDritten enthalten.7 Ein entsprechendes Auslegungser-gebnis setzt voraus, daß dem Vertragsschuldner die Ein-beziehung des Dritten in den vertraglichen Schutzbe-reich zumindest erkennbar ist8 und die Rechtsgüter desDritten durch die Vertragsleistung des Schuldners mitRücksicht auf den Vertragszweck bestimmungsgemäßund typischer Weise beeinträchtigt werden können. Wei-terhin muss der Vertragsgläubiger ein berechtigtes Inter-esse am Schutz des Dritten haben.9

Im Gegensatz zu einem Vertrag mit Schutzwirkungzugunsten Dritter liegt bei einem Auskunftsvertrag eineeigenständige Vereinbarung zwischen dem Geber einerAuskunft und deren Empfänger vor. Ein solcher Aus-kunftsvertrag wird geschlossen, wenn sich jemandgegenüber einem anderen ausdrücklich oder durchschlüssiges Verhalten verpflichtet, eine bestimmte Aus-kunft zu erteilen.10 Der stillschweigende Abschluss einessolchen Vertrages setzt voraus, daß die Auskunft – fürden Geber erkennbar – erhebliche Bedeutung für denEmpfänger hat, weil dieser sie zur Grundlage einerwesentlichen Vermögensentscheidung machen will.Letztendlich hängt der Vertragsabschluss durch schlüssi-ges Verhalten von einer Bewertung der Gesamtumständedes jeweiligen Falls mit Rücksicht auf die Verkehrsan-schauung ab. Anhaltspunkt in diesem Sinne kann sein,daß der Auskunftgeber – also der Wirtschaftsprüfer – fürdie Erteilung der Auskunft besonders sachkundig ist odermit der Auskunft ein eigenes wirtschaftliches Interesseverfolgt.11 Je nach dem Vorliegen der beschriebenen Vor-aussetzungen kommt also auch eine Haftung des Wirt-schaftsprüfers nicht nur gegenüber seinem Vertragspart-ner in Betracht, sondern auch gegenüber Dritten.

3 . A B S C H L U S S P R Ü F U N G

Die vorstehend beschriebenen rechtlichen Rahmenbe-dingungen werden durch die Vorschrift des § 323 HGB imBereich der Pflichtprüfungen erheblich modifiziert.Soweit dieser Tatbestand eingreift, soll nach der h.M. ins-

besondere das Institut der positiven Forderungsverlet-zung ausgeschlossen sein. Die Regelungen der Dritthaf-tung jedoch kommen zur Anwendung. Nach § 323 HGBbesteht die Verpflichtung zur gewissenhaften, unpartei-ischen und eigenverantwortlichen Prüfung.12 Die Einzel-heiten hierzu werden insbesondere durch die Rechtspre-chung und die von dieser entwickelten Fallgruppen kon-kretisiert. Etwas anderes gilt für den Bereich der freiwil-ligen Prüfungen. Hier findet § 323 HGB keine Anwen-dung, weswegen es den Beteiligten freisteht, die zuerfüllenden Pflichten im Einzelfall zu definieren. Für dieVerletzung der danach bestehenden Pflichten kommendann die allgemeinen Haftungsregelungen zur Anwen-dung.

III. RECHTSPRECHUNGSENTWICKLUNG

Nachstehend werden Rechtsprechungsentscheidungenzu den Bereichen Konkretisierung der Pflichten und Haf-tung gegenüber Dritten dargestellt, weil diese besonderspraxisrelevant sind.

1 . P F L I C H T E N K O N K R E T I S I E R U N G

Es wurde bereits dargelegt, daß im Rahmen von Pflicht-prüfungen eine Einschränkung der Pflichten nicht mög-lich ist, da § 323 Abs. 4 HGB sich sowohl auf die Haftungdem Grunde nach als auch der Höhe nach bezieht.13 DiePrüfungspflichten sind vielmehr in §§ 318 ff. HGB fest-legt.14 Einschränkungen sowie Modifikationen kommendemgemäß nur für den Bereich der freiwilligen Prüfun-gen und den Bereich der sonstigen beratenden Tätigkeitin Betracht.15 Soweit der Wirtschaftsprüfer danachsowohl im Rahmen der Abschlussprüfung tätig wird, alsauch eine Beratung des Mandanten in wirtschaftlichenund steuerlichen Angelegenheiten vornimmt, ist dieseszwar grundsätzlich zulässig,16 birgt jedoch besondereHaftungsrisiken. Diese resultieren daraus, daß vielfach inder Praxis die verschiedenen Tätigkeitsbereiche des Wirt-schaftsprüfers nicht mit der erforderlichen notwendigenSorgfalt – also durch eine gegebenenfalls gerichtsver-

BEITRÄGE

6 LG Hamburg, Az: 402 O 70 / 97; LG Frankfurt, Az: 18 O 475 / 957 BGH, NJW 1984, 355, 356; WM 1986, 711; BGHZ 56, 269, 2738 BGHZ 49, 350, 354; BGH, NJW 1985, 489; WM 1984, 1233, 1234;

NJW 1985, 2411; BGHZ 133, 168, 1739 BGHZ 49, 350, 354; 69, 82, 86; 70, 327, 329; 96, 9, 17; 133, 168,

17310 BGH, NJW 1972, 678, 680; 1973, 321, 323; 1992, 2080, 2082 11 BGH, NJW 1986, 180; WM 1988, 1828; 1992, 1031, 1034; NJW

1993, 3073, 3075; WM 1995, 941, 943; 1998, 1771, 177212 Zur Vertiefung vgl. Röhricht, Wpg - Sonderheft 2001, 80 ff.13 Budde / Hense in: Beck'scher Bilanzkommentar, § 323, Rn. 135

m.w.N.14 OLG Stuttgart, Urteil vom 25.07.1995, Az: 12 U 57 / 9415 Vgl. a.a.O. Fn. 13 Rn. 16216 BGH, Urteil vom 21.04.1997, Az: II ZR 317 / 95

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wertbare Dokumentation – abgegrenzt werden. Dieskann zu einer faktischen Haftungsausweitung führen.

Ein weiteres Praxisproblem ist die Frage, wie weit diePflichten eines Wirtschaftsprüfers reichen, wenn derMandant vorsätzlich Manipulationen oder ähnliches vor-nimmt. Die Linie der Rechtsprechung ist, daß in dieserSituation den Mandanten ein überwiegendes Mitver-schulden trifft, selbst dann, wenn dem Wirtschaftsprüfereine fahrlässige Pflichtverletzung vorzuwerfen ist.17

Etwas anderes gilt jedoch, wenn der Berater bei der Prü-fung selbst vorsätzlich tätig geworden ist, also z.B. dieManipulation des Mandanten bewusst ignoriert hat.18

Dann müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte fürManipulationen für den Wirtschaftsprüfer erkennbargewesen sein. Von sich aus ist der Wirtschaftsprüfernicht verpflichtet, eine gezielte Prüfung z.B. auf Unter-schlagungen vorzunehmen, wenn es an solchen Anhalts-punkten fehlt.19 Weiterhin haftet der Wirtschaftsprüferauch nicht dafür, daß der Mandant seine Arbeitsergeb-nisse zu zukünftigen strafbaren Handlungen nutzt.20

Diese in der Rechtsprechung klar gezogene Grenzezwischen den Verantwortungsbereichen des Wirt-schaftsprüfers und des Mandanten ist in der Praxis oftnicht präzise feststellbar. Gerade bei Fällen, in denen esauch um eine mögliche strafrechtliche Verantwortungdes bisherigen Mandanten geht, ist zu beobachten, daßdiese versuchen, dem Berater zur eigenen Entlastungeine möglichst umfassende Verantwortung zukommenzu lassen. Hier stellt sich dann insbesondere die genaueAbgrenzung zwischen der Fahrlässigkeit und dem Vorsatzals problematisch heraus. Hinzu treten Beweisproblema-tiken bei der Sachverhaltsermittlung. Dies gilt um somehr, als ein Wirtschaftsprüfer nicht nur prüfend, son-dern daneben ebenfalls beratend tätig geworden ist. DieVerantwortlichkeit und die Risiken des Wirtschafts-prüfers wachsen, um so weitergehend und umfassend erin einem Mandat tätig wird. Den entsprechenden Risikenkann letztendlich nur durch ein präventives Haftungs-management Rechnung getragen werden. Ein solchesmuss auch – wie die jüngsten Entwicklungen zeigen – dieeigene gesellschaftsrechtliche Struktur in die Überlegun-gen mit einbeziehen.

2 . H A F T U N G G E G E N Ü B E R D R I T T E N

Es wurde bereits dargelegt, daß für eine Haftung aufGrundlage eines sogenannten Vertrags mit Schutzwir-kung zugunsten Dritter es erforderlich ist, daß derBetroffene in den Schutzbereich einbezogen ist. Dabeisind nicht per se ohne weiteres alle Gläubiger, Gesell-schafter oder Anteilserwerber in den Schutzbereich einesPrüfungsauftrages einbezogen.21 Vielmehr ist es in jedemeinzelnen Fall erforderlich, daß eine konkrete Einbezie-

hung des Dritten erfolgt, was z.B. daraus resultierenkann, daß beide Vertragspartner bei der Auftragsertei-lung übereinstimmend davon ausgegangen sind, einePrüfung erfolge auch im Interesse eines bestimmtenDritten.22 Eine solche Einbeziehung ist aber auch bereitsohne eine ausdrückliche Vereinbarung angenommenworden, nämlich z.B. dann, wenn die Gesellschaftergleichzeitig vom Wirtschaftsprüfer beraten wordensind.23 Eine Einbeziehung und damit eine Dritthaftungwurde weiterhin schon dann angenommen, wenn demWirtschaftsprüfer bekannt ist, daß ein Unternehmenwegen Finanzproblemen verkauft werden soll und dievon ihm geprüfte Bilanz eine Entscheidungsgrundlagedarstellt.24 Hierbei müssen dem Wirtschaftsprüfer wie-derum die Umstände des Falles bekannt sein. Allein dieabstrakte Möglichkeit, daß sein Arbeitsergebnis Drittenüberlassen wird, reicht nicht aus, daß diese in denSchutzbereich einbezogen werden.25 Andererseits ist esnicht erforderlich, daß die einbezogenen Personen demWirtschaftsprüfer namentlich bekannt sind oder einezahlenmäßige Abgrenzung erfolgt.26 Zum Teil wird in derRechtsprechung sogar angenommen, daß es ausreichendist, wenn ein Arbeitsergebnis des Wirtschaftsprüferserkennbar zum Gebrauch gegenüber einem Drittenbestimmt ist und deshalb mit einer bestimmten Beweis-kraft ausgestattet sein soll.27 Im Ergebnis ist damit fest-zuhalten, daß die erheblichen Haftungsrisiken im Bereichder Dritthaftung insbesondere aus der sehr diffusenDefinition der tatbestandlichen Voraussetzungen resul-tieren. Dieses eröffnet im jeweiligen Fall erhebliche Wer-tungsspielräume. Für den Wirtschaftsprüfer ergibt sichdeswegen die Notwendigkeit eines aktiven Haftungsma-nagements, gerade mit Blick auf die möglichen Dritthaf-tungsansprüche.

IV. AUSBLICK

Die spektakulären Insolvenzen der letzten Zeit habenerneut zu einer intensiven Diskussion um die Verantwor-tung der Wirtschaftsprüfer geführt. Dabei fokussiert sichbei „Wirtschaftsskandalen“ immer wieder die Aufmerk-samkeit und das Interesse der Öffentlichkeit auf diejeweils tätigen Wirtschaftsprüfer. Die allgemein erwarte-te Entwicklung bei den Insolvenzzahlen und die Ver-schärfung der Rahmenbedingungen für die Kreditierung

BEITRÄGE

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steueranwaltsmagazin 4/2002

17 OLG Hamburg, Urteil vom 25.09.1996, Az: 5 U 208 / 95.18 OLG Hamm, Urteil vom 17.02.1993, Az: 25 U 77 / 92.19 OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.06.1996, Az: 5 U 11 / 96.20 OLG Karlsruhe, Urteil vom 07.02.1985, Az: 12 U 132 / 82.21 BGH, Urteil vom 02.04.1998, Az: III ZR 245 / 96.22 Vgl. BGH FN. 18.23 OLG Stuttgart, Urteil vom 25.07.1995, Az: 12 U 57 / 94.24 LG Arnsberg, Urteil vom 10.03.1995, Az: 2 O 473 / 94.25 LG Köln, Urteil vom 11.02.1986, Az: 22 O 131 / 85.26 BGH, Urteil vom 02.11.1983, Az: IVa ZR 20 / 82.27 OLG München, Urteil vom 17.05.1991, Az: 21 U 4529 / 90.

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von Unternehmen werden diese Entwicklung noch wei-ter fördern. In diesem Zusammenhang ist mit einerErhöhung der geltend gemachten Haftungsansprücheund einer Verschärfung der Rechtsprechung als Reaktionauf die Diskussion zu rechnen. Dem kann seitens derWirtschaftsprüfer nur durch ein präventives Haftungs-management begegnet werden.

RA/FAStR Dr. Heinz-Willy Kamps,Streck Mack Schwedhelm, Berlin

I. ÜBERSICHT

Die Globalisierung wirkt sich auch bei der Erbschaft- undSchenkungsteuer aus. Die Sachverhalte mit Auslandsbe-zug gewinnen in der täglichen Praxis zunehmend an Be-deutung.

Zentrale Vorschrift des deutschen internationalen Steu-errechts ist § 2 ErbStG. Er schränkt die Grundsatznormdes § 1 ErbStG ein, die ohne jeden räumlichen Bezugzunächst sämtliche auf der Welt vorkommende Erb-schaft- und Schenkungsteuervorgänge erfasst.

Vermögensübertragungen sind in Deutschland unterzwei Anknüpfungspunkten steuerpflichtig. Entweder istein Inländer beteiligt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Oder dieÜbertragung bezieht sich auf Inlandsvermögen (§ 2 Abs.1 Nr. 3 ErbStG). Knüpft das Gesetz an die Qualifikation„Inländer“ an, wird der gesamte Vermögensanfall erfasst(§ 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG). Dieser Fall wird als unbe-schränkte Erbschaftsteuerpflicht bezeichnet (MEINCKE,ErbStG, 13. Auflage, 2002, § 2 Rz. 2). Ist (alleiniger)Anknüpfungspunkt das Inlandsvermögen (§ 2 Abs. 1 Nr. 3ErbStG), entsteht die Steuerpflicht nur für diesen spezi-ellen Vorgang. Als Zwischenstufe im Falle des Wegzugsgibt es von beiden Varianten Erweiterungen:

Unter Anknüpfung an die Person die erweiterte unbe-schränkte Erbschaftsteuerpflicht (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 b)ErbStG). Unter Bezug auf das Inlandsvermögens diesogenannte erweiterte beschränkte Erbschaftsteuer-pflicht (§ 4 AStG).

II. (ERWEITERTE) UNBESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT(§ 2 ABS. 1 NR. 1 ERBSTG)

1 . B E G R Ü N D U N G D E R U N B E S C H R Ä N K T E NS T E U E R P F L I C H T

Die unbeschränkte Erbschaftsteuerpflicht tritt gemäß § 2Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ein, wenn – der Erblasser zur Zeit seines Todes,– der Schenker zur Zeit der Ausführung der Schenkung,– der Erwerber (Erbe/Beschenkter) im Zeitpunkt der Ent-

stehung der Steuer ein Inländer ist.

Der deutschen Erbschaftsteuer unterliegen also grund-sätzlich alle Erwerbe, die steuerpflichtige Vorgänge iSd.§ 1 ErbStG sind, sobald nur ein Beteiligter Inländer ist.Wo der Erwerb stattfindet, wo sich der vererbte oder ge-schenkte Gegenstand befindet, ist unerheblich. Als Inlän-der gelten im Wesentlichen nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStGnatürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oderihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (Nr. 1 a). Entschei-dende Voraussetzung für die unbeschränkte Erbschaft-steuerpflicht ist demnach die Inländereigenschaft vonErblasser, Schenker oder Erwerber. Die deutsche Erb-schaftsteuerpflicht greift damit sehr viel weiter als dieErbschaftsteuer der meisten anderen Staaten. Im Gegen-satz zu Deutschland stellt zB Spanien allein auf denErben bzw. Beschenkten ab.

Unter Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt iSv. § 2Abs. 1 Nr. 1 a) ErbStG ist der Wohnsitz iSv. § 8 AO bzw. dergewöhnliche Aufenthalt iSv. § 9 AO zu verstehen (ausführ-liches Prüfschema bei NEU, DStZ 1995, 715). Auch Körper-schaften werden erfasst. Für sie sind Sitz oder Geschäfts-leitung im Inland maßgebend, § 2 Abs. 1 Nr. 1 d) ErbStG.Ob zudem Personengesellschaften in den Anwendungsbe-reich des § 2 Abs. 1 Nr. 1 d) ErbStG fallen, ist bisher höch-strichterlich nicht entschieden (vgl. zum MeinungsstandJÜLICHER in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, Loseblattwerk, § 2Rz. 28 f. (Feb. 2001)). Meines Erachtens steht dem der kla-re Wortlaut der Vorschrift entgegen.

Besondere Beachtung im Rahmen der Erbschaftsteuer-pflicht ist dem Zeitmoment zu schenken.

Beispiel: Familie F ist 1990 von Köln nach Mallorca gezo-gen. Das Inlandsvermögen wurde aufgelöst. Ertragsteu-erlich bestehen also keinerlei Anknüpfungspunkte füreine deutsche Steuerpflicht. Vater V hat in seinem Testa-ment der Tochter T ein Vermächtnis aus seinem Nachlassausgesprochen, dass auf den Zeitpunkt der Verheiratungder Tochter aufschiebend bedingt ist. F stirbt. T lernt aufMallorca Rechtsanwalt R aus Köln kennen. Sie ziehtzurück nach Köln und heiratet. Lösung: Zum Entste-

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GRUNDSÄTZE ZUR ERBSCHAFTSTEUER BEIAUSLANDSBERÜHRUNGEN

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hungszeitpunkt der Steuer ist T Steuerinländerin unddeshalb unterliegt das Vermächtnis der deutschen unbe-schränkten Erbschaftsteuerpflicht.

2 . B E G R Ü N D U N G D E R E R W E I T E R T E NU N B E S C H R Ä N K T E N S T E U E R P F L I C H T

Als Inländer gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) ErbStG auchdeutsche Staatsangehörige, die sich nicht länger als fünfJahre dauernd im Ausland aufgehalten haben, ohne imInland einen Wohnsitz zu haben (erweiterte unbe-schränkte Erbschaftsteuerpflicht).

Für die Beratung: Maßgebend ist somit die deutscheStaatsangehörigkeit. Wer die Fünf-Jahres-Frist nach derAuswanderung nicht abwarten und vorher schenken willbzw. befürchtet, vorher zu versterben, so dass der Vermö-gensübergang vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist eintritt,muss die deutsche Staatsangehörigkeit aufgeben, um dererweiterten unbeschränkten Steuerpflicht zu entgehen.

3 . B E S T E U E R U N G S U M F A N G

Sofern der Erblasser/Schenker als Inländer iSv. § 2 ErbStGanzusehen ist, unterliegt das gesamte Vermögen des Erb-lassers/Schenkers, das durch den Erbfall oder die Schen-kung auf andere Personen übergeht, der deutschen Erb-schaftsteuer. Steuerverstrickt ist also sowohl das imInland belegene als auch das im Ausland belegene Ver-mögen. Es spielt keine Rolle, wo die Personen ansässigsind, die das Vermögen erhalten.

Beispiel: Ein Italiener schenkt sein in Frankreich gelege-nes Grundstück einem Inländer. Lösung: Es fällt deutscheErbschaftsteuer an. Variante: Dasselbe gilt, wenn der In-länder das Grundstück dem Italiener schenkt. Zusätzlichkönnte noch Erbschaftsteuer in Frankreich und Italienanfallen.

Beispiel: Der im Jahr 1999 von Köln nach Paris verzoge-ne deutsche Staatsangehörige A verstirbt im Jahr 2002und hinterlässt folgendes Vermögen: Eine Farm in Kana-da, die Beteiligung an einer französischen S.A, die Betei-ligung an einer amerikanischen Personengesellschaft,Aktien einer spanischen Bank, ein Wohnhaus in Deutsch-land sowie erhebliche Bargeldbestände. Erben sind zugleichen Teilen seine in Frankreich lebende Ehefrau, diein Spanien lebende Tochter sowie der in Deutschlandlebende Sohn. Lösung: Das gesamte Vermögen desErblassers unterliegt der deutschen Erbschaftsteuer (§ 2Abs. 1 Nr. 1 b) ErbStG). Es spielt keine Rolle, dass es zumTeil im Ausland belegen ist. Ferner spielt es keine Rolle,dass die Erwerber zum Teil im Ausland ansässig sind.

Sofern der Erbe/Beschenkte Steuerinländer, der Zuwen-dende Steuerausländer ist, ist das steuerpflichtige Ver-mögen begrenzt: Erfasst wird das dem Erben/Beschenk-ten zufallende Vermögen, nicht das gesamte Vermögendes Erblassers/Schenkers. Maßgebend ist wiederum, obdieses Vermögen im Inland oder im Ausland belegen ist.

Beispiel: Der im vorherigen Beispiel ausgewanderte A istim Jahr 1970 nach Mallorca gezogen. Lösung: Der inDeutschland lebende Sohn ist mit dem Teil des Vermö-gens, der ihm Kraft Erbfolge zufällt, in Deutschland steu-erpflichtig, auch soweit ausländisches Vermögen betrof-fen ist.

Für die Beratung: Der Wegzug ins Ausland führt imErgebnis also nur zur Beendigung der unbeschränktenErbschaftsteuerpflicht, wenn sowohl Erblasser als auchErbe nach Spanien auswandern und der Umzug im Zeit-punkt des Erbfalls länger als fünf Jahre zurückliegt.

4 . S T E U E R B A R E V O R G Ä N G E

Im Bereich internationaler Erbfälle richten sich die Erb-folge und Schenkungen oft nicht nach deutschem, son-dern nach ausländischem Zivilrecht (vgl. dazu ausführ-lich FLICK/PILTZ, Der internationale Erbfall, Rz. 78 ff.). Esstellt sich dann die Frage, ob unentgeltliche Bereiche-rungen iSd. deutschen Erbschaftsteuerrechts vorliegen(Steuerbarkeit), wenn ja, unter welche Gruppe der Er-werbsvorgänge sie rechtlich subsumiert und in welcheSteuerklasse die Personen eingeordnet werden.

Im Ergebnis werden auch die sich nach ausländischemZivilrecht vollziehenden unentgeltlichen Bereicherungenvon dem deutschen Erbschaftsteuerrecht erfasst, obwohldie §§ 3–8 ErbStG im Wesentlichen an das deutscheZivilrecht anknüpfen.

Es gilt folgende Vorgehensweise (vgl. FLICK/PILTZ, aaO.,Rz. 1246 ff.):

Der Vermögensübergang nach ausländischem Recht ist mitdenen in §§ 3–8 ErbStG genannten Rechtsinstituten desdeutschen Rechts zu vergleichen. Entweder stimmen derausländische und der deutsche Rechtsvorgang inhaltlichüberein oder es ist der wirtschaftlich der dem ausländi-schen Vorgang am nächsten kommende deutsche Gesetze-statbestand zu suchen. Nur in seltenen Fällen kommt diePraxis hier zu dem Ergebnis, dass der ausländische Vorgangkein steuerbares deutsches „Pendant“ findet.

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III. BESCHRÄNKTE ERBSCHAFTSTEUERPFLICHT

1 . A U S G A N G S L A G E

Sind alle Beteiligten Steuerausländer, greift die unbe-schränkte Steuerpflicht nicht, kommt nur die beschränk-te nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG in Betracht.

Die Steuerpflicht beschränkt sich auf bestimmte Gegen-stände des inländischen Vermögens. Die beschränkteSteuerpflicht erfasst folglich nicht alle unentgeltlichenVermögensübergänge von einem Steuerausländer aufeinen anderen Steuerausländer. Nur solche Vermögens-gegenstände, die in enger Beziehung zum Inland stehen,sollen der Erbschaftsteuer unterworfen werden, wennein persönlicher Bezug zum Inland bei den beteiligtenPersonen fehlt.

2 . S T E U E R P F L I C H T I G E SI N L A N D S V E R M Ö G E N

Das erbschaftsteuerpflichtige Inlandsvermögen ist in§ 121 BewG aufgeführt. Danach zählen zum erbschaft-steuerpflichtigen Inlandsvermögen insbesondere:– inländisches land- und forstwirtschaftliches Vermö-

gen;– inländisches Grundvermögen;– inländisches Betriebsvermögen (inländische Betrieb-

stätte oder ständiger Vertreter);– Anteile an einer Kapitalgesellschaft mit Sitz oder Ge-

schäftsleitung im Inland iHv. mindestens 10 %; – Forderungen und Rechte, wenn sie durch inländischen

Grundbesitz oder grundstücksgleiche Rechte gesichertsind.

3 . N I C H T S T E U E R P F L I C H T I G E V O R G Ä N G E

Nicht erfasst von der beschränkten Erbschaftsteuer-pflicht wird das Auslandsvermögen, das von einem Steu-erausländer auf einen anderen Steuerausländer über-geht. Auch bestimmte Vorgänge, die einen Inlandsbezugaufweisen, aber nicht unter § 121 BewG zu subsumierensind, fallen aus der beschränkten Erbschaftsteuerpflichtheraus. Dazu gehören zB:– Übergang von Bank- oder Sparguthaben bei deut-

schen Kreditinstituten, (reine Geldforderungen);– Übergang ungesicherter Forderungen gegen inländi-

sche Schuldner;– Übergang in Deutschland deponierter Wertpapiere;– Beteiligungen an Kapitalgesellschaften unter 10 %.

Ferner nicht beschränkt steuerpflichtig ist zB ein Geld-vermächtnis, das ein Steuerausländer einem anderenSteuerausländer aussetzt, selbst dann nicht, wenn es aus

einem Nachlass zu entrichten ist, der nur aus Inlandsver-mögen besteht (KAPP/EBELING, ErbStG, Loseblattwerk,§ 2 Rz. 38 (April 2002)).

Beispiel: Der vor 10 Jahren nach Belgien verzogene VaterV ist Eigentümer eines Hausgrundstücks in Köln. Seinebeiden Kinder leben seit über fünf Jahren in Frankreichund Italien. Lösung: Werden die beiden Kinder zu Erbeneingesetzt, ist auf den Übergang des in Deutschlandbelegenen Hausgrundstücks Erbschaftsteuer zu bezah-len. Wird ein Dritter als Erbe eingesetzt und ein Voraus-vermächtnis zugunsten der beiden Kinder in Höhe desVerkehrswerts des Grundstücks ausgesetzt, wird im Er-gebnis die deutsche Steuerpflicht vermieden.

Der Pflichtteilsanspruch eines Ausländers im Erbfall nacheinem Ausländer wird nicht besteuert, selbst wenn derErbe Inländer ist und der Nachlass ausschließlich In-landsvermögen umfasst (vgl. MEINCKE, aaO., § 2 Rz. 11).Denn dieser Anspruch ist ungesicherte Forderung, folg-lich nicht Inlandsvermögen im Rechtssinn.

Schulden und Lasten sind nur abzugsfähig, wenn sie mitdem Inlandsvermögen in wirtschaftlichem Zusammen-hang stehen, § 10 Abs. 6 Satz 2 ErbStG.

Steuerbefreiungen nach § 13 ErbStG bestehengrundsätzlich auch bei beschränkter Steuerpflicht (vgl.BFH, BStBl. 1984 II, 9; JÜLICHER in Troll/Gebel/Jülich,aaO., § 13 Rz. 1). Jedoch werden die Freibeträge nach§ 16 Abs. 1 ErbStG nicht gewährt. Vielmehr sieht § 16Abs. 2 ErbStG einheitlich einen Freibetrag von € 1.100,–,unabhängig vom Verwandtschaftsverhältnis vor.

Für die Beratung: Wegen des geringen Freibetrags ist beinahen Verwandten zu prüfen, ob nicht die unbeschränk-te Steuerpflicht günstiger ist. Hinzu kommt die einge-schränkte Abzugsfähigkeit von Schulden und Lasten.

Der Steuertarif ist für In- und Ausländer gleich.

Beispiel: Erblasser E mit Wohnsitz im Ausland verfügtüber folgendes Vermögen: Grundstück Berlin, Ertragswert € 100.000,–Bankguthaben Inland € 200.000,–Grundstück Spanien, Wert € 200.000,–.

Der Sohn S (Alleinerbe) des E ist ebenfalls Steuerauslän-der. Lösung: S hat Erbschaftsteuer auf das Grundstückim Inland zu zahlen, und zwar ausgehend von Ertrags-wert € 100.000,–, abzüglich Freibetrag gemäß § 16Abs. 2 ErbStG iHv. € 1.100,– = € 98.900,–. Die restlichenVermögensgegenstände unterliegen nicht der Erbschaft-steuer. Der Wert des Erwerbs ist nach der Steuerklasse Iauch für die Höhe des Steuersatzes (bis € 256.000,–

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11 %) maßgeblich. S muss Erbschaftsteuer iHv.€ 10.879,– zahlen.

Besonderheit für Anteile an inländischen Kapitalgesell-schaften: Maßgebend für die 10 %-Grenze (§ 121 Abs. 1Nr. 4 BewG) ist der Beteiligungsumfang des Abgebenden,nicht der des Empfängers (JÜLICHER in Troll/Gebel/Jüli-cher, aaO., § 2 Rz. 58 (März 2000); KAPP/EBELING, aaO.,§ 2 Rz. 40 (April 2002)).

Um zu vermeiden, dass Anteile nach einer Aufteilungunter Umgehung der Erbschaftsteuer übertragen wer-den, bestimmt § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG, dass dieeiner Schenkung folgenden weiteren Teilerwerbe derErbschaftsteuer auch dann unterliegen, wenn die Betei-ligung bereits unter 10 % gesunken ist.

Beispiel: Der Ausländer A ist zu 11 % an einer Kapitalge-sellschaft beteiligt. Er schenkt dem Ausländer B 2 % sei-ner Beteiligung, die damit unter 10 % fällt. Die Beteili-gung ist künftig an sich nicht mehr Inlandsvermögen. Esfolgen weitere Schenkungen an B nach. Lösung: Diesesind jedoch weiterhin nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStGsteuerpflichtig.

§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 ErbStG verlangt allerdings, dass die„Voraussetzungen des § 14 ErbStG erfüllt sind“. Folglichist der Zeitraum von 10 Jahren maßgeblich. Im Beispielkönnte die Restbeteiligung von 9 % nach Ablauf vonzehn Jahren steuerfrei an B übertragen werden.

Meines Erachtens bedeutet die Verweisung auf § 14ErbStG aber auch, dass im letzten Beispiel nur Erwerbedes B steuerpflichtig sind, nicht aber, wenn ein weitererAusländer Erwerber ist. Denn in diesem Fall fände auch§ 14 ErbStG keine Anwendung (SCHWEDHELM/OLBING/STRECK, DStR 1994, 1442; wohl auch KAPP/EBELING,aaO., § 2 Rz. 40 (April 2002); aA JÜLICHER in Troll/Gebel/Jülicher, aaO., § 2 Rz. 61 (Feb. 2001)).

Keine Erbschaftsteuer entsteht, wenn Beteiligungen aneiner ausländischen Kapitalgesellschaft übertragen wer-den, selbst wenn diese ausländische Gesellschaft Inlands-vermögen hat. Ausnahme, falls das Inlandsvermögeneine Beteiligung iSv. § 121 Abs. 2 Nr. 4 BewG, also Antei-le an einer inländischen Kapitalgesellschaft, ist (= mittel-bare Beteiligung). Eine weitere Ausnahme besteht (alsoSteuerpflicht) im Falle der Treuhand und des Missbrauchs(vgl. KAPP/EBELING, aaO., § 2 Rz. 40.1 (April 2002)).

IV. ERWEITERTE BESCHRÄNKTE STEUERPFLICHT (§4 ASTG)

§ 4 AStG erweitert die beschränkte Steuerpflicht nach§ 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG auf weitere Vermögensposten, dienicht Inlandsvermögen iSv. § 121 BewG sind. Ferner kann§ 4 AStG mit der Wohnsitzverlegung bei gleichzeitigerAufgabe der deutschen Staatsbürgerschaft eingreifen.Wesentliche Voraussetzungen für die erweiterte be-schränkte Steuerpflicht regelt § 2 Abs. 1 Satz 1 AStG.

Voraussetzungen sind (vgl. JÜLICHER in Troll/Gebel/Jüli-cher, aaO., § 2 Rz. 80 (Sept. 2001):

(a) Der Erblasser oder Schenker muss in den letzten zehnJahren vor seiner Auswanderung als Deutscher ins-gesamt mindestens fünf Jahre unbeschränkt steuer-pflichtig gewesen sein;

(b) der Erblasser oder Schenker muss seinen Wohnsitz ineinem Niedrigsteuerland genommen haben;

(c) der Erblasser oder Schenker muss mittelbar oderunmittelbar wesentliche wirtschaftliche Interessenim Inland haben;

(d) die Anwendung des § 4 AStG darf nicht durch DBAausgeschlossen sein;

(e) keine Entrichtung von Erbschaftsteuer im AuslandiHv. mindestens 30 % der deutschen Erbschaftsteuer.

Auf die Verhältnisse des Erben oder des Beschenktenkommt es nicht an.

Zum „erweiterten Inlandsvermögen“ gehören ua:– Kapitalforderungen gegen Schuldner im Inland; – Guthaben bei inländischen Banken;– Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaften,

auch wenn sie geringer sind als 10 %;– im Inland verwertete Erfindungen und Urheberrechte,

falls sie nicht schon Inlandsvermögen sind;– sämtliche beweglichen Wirtschaftsgüter, die sich im

Inland befinden.

Die praktische Bedeutung der erweiterten beschränktenSteuerpflicht ist gering, da zum einen der Fiskus von Ver-mögensübertragungen im Ausland an Steuerausländernur selten Kenntnis erlangen wird und er noch seltenerin der Lage ist, Steueransprüche zu realisieren (vgl.MEINCKE, aaO., § 2 Rz. 8).

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V. DOPPELBESTEUERUNG

1 . G R U N D F Ä L L E

Im Fall unbeschränkter Erbschaftsteuerpflicht unterliegtder gesamte, global erzielte Vermögensausfall der Erb-schaftsteuer. Soweit Gegenstände im Ausland belegensind, kann es zur Mehrfachbesteuerung kommen.

Daneben kommen insbesondere Konstellationen inBetracht, in denen der Erbe bzw. Beschenkte vonDeutschland ins Ausland zieht.

2 . A N R E C H N U N G G E M Ä ß § 21 E R B S T G

§ 21 ErbStG ermöglicht die Anrechnung der ausländi-schen Erbschaftsteuer.

A . V O R A U S S E T Z U N G E N

Eine ausländische Steuer wird nur dann angerechnet,wenn der Erblasser bzw. Schenker oder der Erwerber(Erbe, Vermächtnisnehmer, Beschenkter usw.) im Zeit-punkt des Erwerbs unbeschränkt steuerpflichtig iSv. § 2Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist. Er muss also Steuerinländer sein.Zur unbeschränkten Steuerpflicht iSv. § 21 Abs. 1 ErbStGgehört auch die erweiterte unbeschränkte Steuerpflichtnach § 2 Abs. 1 Nr. 1 b) ErbStG. § 21 ErbStG ist nichtanwendbar in Fällen der beschränkten sowie der erwei-terten beschränkten Steuerpflicht. Insoweit kann allen-falls durch Billigkeitsmaßnahmen eine Milderungerreicht werden (vgl. BOOCHS, DVR 1987, 178, 180).

Die Anrechnung der ausländischen Steuer setzt voraus,dass Auslandsvermögen ausländischer und deutscherErbschaftsteuer unterliegt.

Die ausländische Steuer muss dasselbe Vermögen betref-fen, das auch der deutschen Steuer unterworfen ist.Unterliegt nur ein Teil des im Ausland steuerpflichtigenAuslandsvermögens in der Bundesrepublik Deutschlandder Steuer, kann im Übrigen die ausländische Erbschaft-steuer nur insoweit auf die deutsche Erbschaftsteuer an-gerechnet werden.

Die ausländische Steuer muss der deutschen Erb-schaftsteuer entsprechen.

Die ausländische Steuer muss vor der Anrechnung fest-gesetzt und bezahlt worden sein und darf keinemErmäßigungsanspruch mehr unterliegen.

Die Anrechnung setzt einen Antrag voraus. Er ist unbe-fristet zulässig, muss aber spätestens bis zur Bestands-

kraft des Erbschaftsteuerbescheids gestellt sein, ggf. imRahmen des Einspruchsverfahrens (MEINCKE, aaO., § 21Rz. 7). Antragsberechtigt ist jeder Steuerschuldner sowiedie gemäß § 31 Abs. 5, 6 ErbStG zur Abgabe der Steue-rerklärung verpflichteten Personen, dh. Testamentsvoll-strecker, Nachlassverwalter oder Nachlasspfleger.

Ist ein DBA einschlägig, scheidet die Anrechnung aus.

Der Steuerpflichtige, der die Anrechnung begehrt, hatwegen des Auslandsbezugs erhöhte Mitwirkungspflich-ten. Gemäß § 21 Abs. 3 ErbStG muss er gegenüber demFinanzamt die Höhe desjenigen Auslandsvermögensnachweisen, auf das sich der Anrechnungsantrag stützt.

B . U M F A N G

Allgemeine Folge des Anrechnungsverfahrens ist zu-nächst, dass mindestens der Steuersatz des anrechnen-den Staats Anwendung findet. Sind dessen Steuernjedoch niedriger als diejenigen des Belegenheitsstaats,verbleibt es auch hier beim höheren Steuersatz. DerUmfang der Anrechnung wird durch die Steuer begrenzt,die auf das „Auslandsvermögen“ entfällt (§ 21 Abs. 1ErbStG). Was zum „Auslandsvermögen“ gehört, bestimmt§ 21 Abs. 2 ErbStG. Dies hängt davon ab, ob der Erblas-ser/Schenker Steuerinländer oder Steuerausländer war:

War der Erblasser bzw. Schenker Steuerinländer, gilt derengere Auslandsvermögensbegriff nach § 21 Abs. 2 Nr. 1ErbStG, der nur eine geringe Anrechnungsmöglichkeiteröffnet. Als Auslandsvermögen gelten lediglich die in§ 121 BewG genannten Vermögensgegenstände, die aufeinen ausländischen Staat entfallen. Wo der Erwerberansässig ist, ist unerheblich. War der Erblasser bzw.Schenker dagegen kein Steuerinländer, gilt für die auchin diesem Fall dem Grunde nach zulässige Anrechnungder ausländischen Steuer der weitere Auslandsvermö-gensbegriff des § 21 Abs. 2 Nr. 2 ErbStG, der zu einerhöheren Anrechnung führt. In diesem Fall gelten als Aus-landsvermögen sämtliche Vermögensgegenstände, mitAusnahme des in § 121 BewG bezeichneten Inlandsver-mögens.

Da auf den Erblasser oder Schenker abgestellt wird, wirdim Ergebnis dem inländischen Erwerber, der von einemausländischen Erblasser oder Schenker erwirbt, eine gün-stigere Anrechnungsposition eingeräumt (vgl. MEINCKE,aaO., § 21 Rz. 27).

Ferner ist der Anrechnungsbetrag in der Höhe begrenzt.Der Abzug derjenigen ausländischen Steuer ist zuzulas-sen, die genau auf das Auslandsvermögen entfällt, dasauch in Deutschland zu inländischer Steuer herangezo-

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gen werden soll. Die Anrechnung soll nicht dazu führen,dass in Folge einer Kompensation mit erhobener auslän-discher Erbschaftsteuer inländische Erbschaftsteuer, dieauf das Inlandsvermögen entfällt, nicht erhoben wird.

Ist das Auslandsvermögen in mehreren ausländischenStaaten belegen, ist für jeden ausländischen Staat ein-zeln zu ermitteln, welchen Anteil das in ihm belegeneVermögen im Verhältnis zum Gesamtvermögen hat (sog.per country-limitation, § 21 Abs. 1 Satz 3 ErbstG, vgl. zurKritik MEINCKE, aaO., § 21 Rz. 24).

Zeitlich ist die Anrechnung begrenzt auf Fälle, in denendie deutsche Steuer innerhalb von fünf Jahren seit demZeitpunkt der Entstehung der ausländischen Erbschaft-steuer entstanden ist (§ 21 Abs. 1 Satz 4 ErbStG).

3 . D O P P E L B E S T E U E R U N G S A B K O M M E N

Doppelbesteuerungsabkommen auf dem Gebiet der Erb-schaftsteuern bestehen seitens Deutschlands nur mitDänemark (1995), Griechenland (1910), Schweden(1992), Österreich (1954), Schweiz (1978), USA (1980)und Israel (1984). Verhandelt wird zur Zeit über Abkom-men mit Finnland, Frankreich und Großbritannien (vgl.zu weiteren Einzelheiten MEINCKE, § 2 Rz. 15 ff.).

Schenkungen unter Lebenden werden von den DBA nichterfasst, ausgenommen das DBA/USA (dazu WACKER,StbKongrRep. 1989, 339 ff.; BOOCHS, DVR 1987, 178)und das DBA/Schweden (siehe BELLSTEDT/LINDEN-CRONA, DB 1991, 62).

Die Regelungen in den Abkommen sind höchst unter-schiedlich (zum wesentlichen Inhalt der einzelnenAbkommen MEINCKE, aaO., § 2 Rz. 15 ff.; FLICK/PILTZ,Der internationale Erbfall, Rz. 1415 ff.).

Haben Sie den „Bodensee-Tatort“ gesehen? Wunderschö-ne, herbstlich depressive Bilder vom Bodensee. Grau inGrau. Wir sitzen nicht mehr auf den Bäumen, sondernquälen lieber die Leute übers Internet. Nein, das mit demInternet stimmt nicht, sehr wohl aber die Herbstdepres-sion, die alle hier befällt. Was sollen wir auch machenangesichts der Informationsflut, von der uns selbst daslokale Monopolblatt nicht verschont? Alice Schwarzerwird 60, die Steuern werden keinesfalls erhöht und dieErde ist doch eine Scheibe.

(Fortsetzung folgt auf S. 92)

RA/FAStR Dr. Jochen Krieger, Oßenbrügge und PartnerGbR, Stade

TOTALES STEUERSTRAFRECHT - TOTALEVERTEIDIGUNG?

Unter diesem Titel führte Prof. Dr. Franz Salditt in die Ver-anstaltung ein. Er zeigte auf, zu welch katastrophalen Fol-gen die Einführung des § 370 a AO (gewerbsmäßige oderbandenmäßige Steuerhinterziehung) führen werde. Bis-lang seien die klimatischen Verhältnisse in Steuerstrafver-fahren durch die Selbstanzeige und/oder den nachfolgen-den „Deal“ geprägt gewesen. Mit dieser „Kultur der Koope-ration“, gekennzeichnet durch Mediation und Konsens,dürfte es nach Einschätzung von Salditt jetzt ein Ende ha-ben. Jede Selbstanzeige berge künftig das Risiko, daß erstrecht ein Verfahren nach § 370 a AO eingeleitet werde, na-mentlich mit der Begründung, der Steuerpflichtige habejahrelang und damit gewerbsmäßig hinterzogen. Die Ein-holung einer (vorherigen) Zusage der Finanzbehörde, § 370a nicht anzuwenden, mache nur dann einen Sinn, wenn dieNichteinhaltung der Zusage zu einem absoluten Verwer-tungsverbot führen würde.

Salditt bewertet die jetzige Gesetzeslage als Erfolg derBemühungen namentlich von Meyer (MdB) und Hetzer,dem Vermögen des Bürgers bei schweren Verletzungender Steuerpflicht den verfassungsrechtlichen Schutzschlichtweg und überhaupt zu entziehen und einen„Interventionsverbund zwischen Polizei, Staatsanwalt-schaft und Finanzbehörden“ herzustellen. Mit der Ände-rung des § 261 Abs. 1 S. 3 StGB erstrecke sich der straf-rechtliche Geldwäschemakel auch auf diejenigen Vermö-gensbestandteile, hinsichtlich deren Abgaben hinterzo-gen worden sind. Nach den aktuellen Erläuterungen vonMeyer (BRAK-Mitt. 2002, 105 ff) wirke die damit ver-bundene wirtschaftliche Blockade ähnlich wie ein ge-setzlicher Arrest. Letztlich werde, so Salditt, über recht-mäßiges Vermögen die fiskalische Geiselhaft verhängt.

Darüber hinaus ermögliche die Verknüpfung von Steuer-hinterziehung und Geldwäsche den Einsatz der Waffen,die der Gesetzgeber eigentlich zum Kampf gegen organi-sierte Kriminalität geschaffen hat. Mit der neuen Zen-tralstelle für Verdachtsanzeigen des Bundeskriminalam-tes, den Änderungen des Geldwäschegesetzes, insbeson-dere der Aufhebung des Steuergeheimnisses durch § 31 b

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PRAXIS STEUERSTRAFRECHT: BERICHT ÜBER DEN4. IWW-KONGRESS IN DÜSSELDORF1

1 Der 4. Kongreß des Instituts für Wirtschaftspublizistik zum Thema„Praxis Steuerstrafrecht" fand am 11.10.2002 in Düsseldorf statt.

TATORT

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AO im Bereich der Geldwäsche und schließlich der Aus-weitung der Kompetenzen der Nachrichtendienste seider „Sachverstand aus Nachrichtendiensten, Polizei, Zoll-fahndungen, Staatsanwaltschaften, Banken und Finan-zaufsichtsbehörden“ entsprechend einer Forderung vonHetzer nunmehr gebündelt. Dieser Ermittlungsverbundwerde in einer großen Zahl von Fällen ausgereifte Ergeb-nisse präsentieren, noch ehe die Bürger erstmals von derUntersuchung Kenntnis erlangen. Die alten Schrankeneines Anfangsverdachtes gem. § 152 Abs. 2 StPO undeines hinreichenden Anlasses gem. § 208 Abs. 1 Nr. 3 AOhätten, so Salditt, nur noch rechtshistorische Bedeutung.

An die Adresse des Bundesgerichtshofs richtete Saldittdie Hoffnung, daß dieser dem Mißbrauch des materiellenStrafrechts zu polizeilichen Zwecken Grenzen setze undden neuen Normen einen verfassungskonformen Geisteinhauche: Im einzelnen könne die Anwendung des § 70a AO nicht in erster Linie vom Ausmaß der Steuerverkür-zung abhängen, vielmehr müsse eine Auslegung erfol-gen, wonach (einer Formulierung von Joecks folgend) diefragliche Hinterziehung von vornherein „als Gewerbe“betrieben worden sein muß. Nur dann bleibe § 370 a AO(entsprechend der Intention Terrorismusbekämpfung)eine eng begrenzte Ausnahme. Weiterhin müsse dasgroße Ausmaß der Steuerverkürzung durch jede einzelneTat bewirkt worden sein, allein dies sei eine sachgerech-te Entsprechung der Aufgabe des Fortsetzungszusam-menhangs. Ebenso müsse für das große Ausmaß derSteuerverkürzung bundesweit einheitlich ein Schwellen-wert definiert werden. Dem Strafrecht seien allerdingsmathematische Grenzziehungen fremd. Das große Aus-maß müsse daher in einer Gesamtwürdigung aufgefan-gen, also nur als ein Kriterium von mehreren verstandenwerden. Schließlich dürfte die Kontamination im Sinnedes § 261 StGB nicht weiterreichen, als der Betrag derverkürzten Steuern vorgäbe. Die Kontamination dürfteauch erst mit Vollendung der Steuerhinterziehung ein-treten und müßte andererseits von selbst entfallen,sobald und soweit die Steuern gezahlt sind.

Letztlich müßte auch das „Ausforschungsprogramm dergroßen Interventionskoalition“ in diejenigen rechtsstaat-lichen Grenzen verwiesen werden, die ihrem Anlaß (Ter-rorismusbekämpfung) entsprechen. Auch insoweit seiendie Gerichte gefordert, denn der Wortlaut der einzelnenGesetze lege keinerlei Beschränkungen nahe. Absch-ließend warnte Salditt davor, dem totalen Steuerstraf-recht die totale Verteidigung entgegenzusetzen. Der bis-herige pragmatische Weg müsse fortgesetzt werden. Indiesem Sinne richteten sich die Erwartungen der Steuer-strafverteidiger an die Rechtsprechung als Dritte Gewalt.

DER KÜNFTIGE ZUGRIFF DER VERWALTUNG

Im Folgebeitrag befaßte sich Prof. Dr. Wolfgang Joecksmit der Frage, ob künftig erhöhte Entdeckungsrisiken imSteuerstrafrecht bestehen. Einleitend mit einem Zitatvon Flore „Der Euro kommt – die Steuerfahndung auch !“stellte Joecks zunächst die Entwicklung der „Leistungs-fähigkeit“ der Finanzverwaltung dar. Insbesondere dieBankenstrafverfahren führten in der Vergangenheitdazu, daß alle relevanten Statistiken einen synonymenAnstieg verzeichneten. Lediglich die Zahl der förmlichenVerfahrensabschlüsse aufgrund eines Steuerstrafverfah-rens wies eine absteigende Linie auf. Man versuche, soJoecks, der Vielzahl und Komplexität der Verfahrendadurch zu entgehen, daß man sich auf den informellenVerfahrensabschluß durch Einstellung gegen Geldaufla-gen verständige. Während sich die diese noch bis 1993auf Beträge um die 10 Mio. DM beliefen, wurden sowohl1999 wie auch 2000 über 70 Mio. DM Geldauflagen auf-grund einer Fahndungsprüfung entrichtet.

Im zweiten Teil seines Referats ging Joecks auf die künf-tige Entwicklung ein. Um das Ergebnis vorweg zu neh-men: „1984“ gewinnt 20 Jahre später ernsthafte Kontu-ren. Die früher engen Grenzen zur Durchbrechung einesSteuergeheimnisses nach § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO werdendurch neue Ermächtigungsgrundlagen und Mitteilungs-pflichten erheblich aufgeweicht. So beseitigt nach § 4Abs. 5 S. 2 Nr. 10 EStG schon die Strafbarkeit einer Beste-chungshandlung als solche die Abzugsfähigkeit derBetriebsausgabe. Darüber hinaus ist die Finanzverwal-tung nach Satz 3 dieser Vorschrift verpflichtet, schoneinen entsprechenden Verdacht der Staatsanwaltschaftmitzuteilen. Weitere Mitteilungspflichten der Finanz-behörden finden sich in der Abänderung des § 31 a AOaufgrund des Gesetzes zur Erleichterung der Bekämp-fung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeitsowie im § 31 b AO (Mitteilungen zur Bekämpfung derGeldwäsche).

Daneben ist mit Wirkung vom 30.08.2002 eine Ergän-zung des § 299 StGB in Kraft getreten. Danach geltendessen Absätze 1 und 2 nunmehr auch „für Handlungenim ausländischen Wettbewerb“. Joecks prognostiziert,daß diese Erweiterung ganz massive Konsequenzen fürdie deutsche Exportwirtschaft haben werde. Die Ausdeh-nung auf den gesamten ausländischen Wettbewerb wer-de zahlreiche Unternehmen in eine Schieflage bringen,weil deren Wettbewerber solche Rahmenbedingungenweder steuerlich noch strafrechtlich kennen.

An Orwell´sche Verhältnisse erinnere auch § 24 c KWG inder Fassung des Vierten Finanzmarktförderungsgesetzes.Danach wird künftig zentral von jedem deutschen Bank-konto der Name (bei natürlichen Personen: auch der

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Geburtstag) des Inhabers und anderer berechtigter Per-sonen vorgehalten. Diese Informationen dürfen auf Ersu-chen auch für Leistungen der internationalen Rechtshil-fe in Strafsachen und darüber hinaus allen „für dieVerfolgung und Ahndung von Straftaten zuständigenBehörden oder Gerichten“ zur Verfügung gestellt wer-den, soweit dies für die Erfüllung der gesetzlichen Auf-gaben erforderlich ist (§ 24 c Abs. 3 Nr. 2 KWG). Dieursprünglich vorgesehene Ausnahme hinsichtlich der fürSteuerstraftaten zuständigen Strafverfolgungsbehördenoder Gerichte ist nicht Gesetz geworden.

Letztlich hat auch die Tätigkeit der Zollfahndung mitdem „Gesetz zur Neuregelung des Zollfahndungsdien-stes“ vom 16.08.2002 eine neue Grundlage erhalten.Künftig erhalten die Zollfahndungsämter Befugnisse, die– so Joecks – stark an geheimdienstliche Tätigkeit erin-nern, etwa die Datenerhebung durch längerfristigeObservationen, durch den verdeckten Einsatz technischerMittel und schließlich durch den Einsatz von Privatper-sonen. Die so erhobenen Daten dürfen weitergegebenwerden, „soweit dies in anderen Rechtsvorschriften vor-gesehen ist oder ... für Zwecke der Strafverfolgung ...erforderlich ist und Zwecke des Strafverfahrens nichtentgegen stehen“ (§ 33 Abs. 1 Nr. 2 Zollfahndungs-dienstgesetz). Zu den Strafverfolgungsbehörden gehörenauch die normalen Polizeidienststellen, demnach auchdie Beamten der Steuerfahndung (§ 404 AO).

Abschließend ging Joecks noch auf die Europäisierungder Strafverfolgung ein. Zu dem bereits 1995 geschaffe-nen europäischen Polizeiamt Europol ist nunmehr auchdie Einrichtung „Eurojust“ hinzugefügt worden, die nachden Vorstellungen der EG-Kommission an sämtlichen„Straftaten von erheblicher Bedeutung“ beteiligt seinsoll, primär also bei der Bekämpfung der grenzüber-schreitenden Kriminalität.

Darüber hinaus wurden auf OECD-Ebene zahlreiche Ver-handlungen mit sog. Steueroasen geführt. Gab es nochim Jahre 2000 über 30 unkooperative Hoheitsgebiete,haben nunmehr einige Staaten ihre Bereitschaft erklärt,bis zum 31.12.2005 die gesetzgeberischen Maßnahmenzu ergreifen, die einen Auskunftsaustausch ermöglichen.Auf der „schwarzen Liste“ verblieben sind Andorra, Liech-tenstein, Liberia, Monaco, die Marshall-Inseln und dieRepubliken Nauru und Vanuatu.

Ebenso zynisch wie treffend war das Fazit von Joecks:Wer bedauere, daß die Zeiten für Steuerhinterzieherschwerer werden, möge sich mit der Erkenntnis trösten,daß ein konsequenterer Gesetzesvollzug das Bedürfnisnach qualifizierter Steuerberatung fördert.

STRAFVERFAHRENSRECHTLICHE ERMITTLUNGEN BEISTEUERLICHEN BERATERN

Der nachfolgende Beitrag von RA Wolfgang Wannema-cher, der wegen Erkrankung von seinem Kollegen undMitautor Dr. Markus Gotzens gehalten wurde, befaßtesich mit Durchsuchung und Beschlagnahme bei Steuer-beratern und den Vorfeldmaßnahmen, mit denen sichjeder Berater auf eine Durchsuchung durch die Steuer-fahndung einstellen sollte.

Gotzens stellte eingangs die Probleme einer Durchsu-chung bei steuerlichen Beratern dar. Bei Durchsicht kom-pletter EDV-Datenbestände bestehe stets die Gefahr, daßauch Daten gesichtet werden, die ganz andere Mandatebetreffen. Daher müßten bereits im Vorfeld Vorkehrun-gen getroffen werden, um solche Auswirkungen derDurchsuchung möglichst gering zu halten. Hierfür ist, soGotzens, zunächst einmal die Grundentscheidung zutreffen, ob Aktenorganisation und EDV-Datenstrukturtransparent oder für Dritte undurchschaubar gestaltetwerden oder ob gar mit Mitteln der Datenverschlüsse-lung gearbeitet wird. Weiterhin komme es darauf an, dieAkten möglichst risikominimierend zu bearbeiten, wobeinaturgemäß ein Spannungsfeld zwischen berufs-, haf-tungs- und strafrechtlichen Aspekten und Risiken beste-he. Aktenvermerke und Schriftsätze, die ursprünglichausschließlich der Haftungsfreizeichnung zu dienenbestimmt waren, böten den Ermittlungsbehörden nichtselten die Grundlage für die Annahme des subjektivenTatbestandes einer Straftat.

Sodann stellte Gotzens die rechtlichen Grundlagen vonDurchsuchung und Beschlagnahme dar. Probleme berei-te immer wieder die (frühzeitige Klärung der) Frage, obein Beschlagnahmeverbot im Sinne des § 97 StPO be-steht. Dies hat unmittelbare Auswirkungen darauf, wel-che Papiere überhaupt nach § 110 StPO von der Steuer-fahndung durchgesehen werden dürfen. In diesem Zu-sammenhang stelle sich auch die weitere Frage, ob diesogenannte Handakte, deren Begriff objektiv nicht defi-niert ist, generell beschlagnahmefrei ist. Der Verhältnis-mäßigkeitsgrundsatz führe bei der elektronischen Akten-führung dazu, daß weder die gesamte EDV-Anlage nochServer oder Festplatte komplett mitgenommen werdendürften. Ebenso dürfe auch nicht der gesamte Datenbe-stand eines Beraters kopiert werden. Entsprechend deraktuellen BVerfG-Entscheidung vom 17.07.2002 dürftenKopien vielmehr nur von denjenigen Dateien angefertigtwerden, die wegen einer erkennbaren Tatverstrickungder Beschlagnahme unterliegen.

Gotzens ging sodann auf die Vorfeldmaßnahmen ein, diejeder Berater treffen sollte, um die Folgewirkungen einerDurchsuchung möglichst gering zu halten. Im Ergebnis

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sprach Gotzens sich für eine transparente Aktenorgani-sation und EDV-Datenstruktur aus. Nur so könne ge-währleistet werden, daß man die Ermittlungsbehördenbereits während der Durchsuchung erfolgreich auf einunzulässiges Vorgehen hinweisen und insbesonderedafür sorgen könne, daß lediglich diejenigen Dateienkopiert werden, die für den eingegrenzten TatvorwurfBeweisrelevanz haben. Wer als Steuerberater sich dem-gegenüber dazu entschließe, durch eine umfassendeDatenverschlüsselung etwaigen Durchsuchungsmaßnah-men zu begegnen, müsse damit rechnen, daß Steuer-fahndung und Staatsanwaltschaft mit entsprechendenProgrammen Schlüsselwörter ausprobieren, um das vor-genommene Chiffrier-Verfahren auszuhebeln.

VERFASSUNGSWIDRIGE NEUREGELUNGEN

In dem Beitrag von RAin Dr. Brigitte Gast-de Haan ginges durchweg um verfassungsrechtliche Bedenken gegenzahlreiche Neuregelungen. Dies gelte zunächst für dieNeufassung des § 370 a AO. Frau Gast-de Haan gelang-te anhand der Entstehungsgeschichte zu dem Ergebnis,daß der Vermittlungsausschuß § 370 a AO in einer Weiseabgeändert hat, die so vorher weder von der Bundesre-gierung noch insbesondere vom Bundestag jemals erör-tert wurde. Letztlich enthielt der Vorschlag des Vermitt-lungsausschusses vielmehr eine Gesetzesinitiative, diedurch die verfassungsmäßigen Rechte des Ausschussesnicht abgedeckt ist.

Anschließend ging Frau Gast-de Haan auf Einzelheitender neuen Fassung ein. Bislang völlig unklar sei, wie eineSteuerverkürzung „in großem Ausmaß“ zahlenmäßigerfaßt werden könne. Immerhin habe der BGH dieAnwendung des insoweit wortgleichen § 370 Abs. 3 Nr. 1AO trotz einer Steuerhinterziehung von 5,8 Mio. DM ver-neint (5 StR 191/85 vom 24.07.1985). Indessen setzt§ 370 Abs. 3 Nr.1 AO nicht nur das große Ausmaß derSteuerverkürzung, sondern zusätzlich „groben Eigen-nutz“ voraus. Diese Einschränkung enthält § 370 a AOnicht. Durch die Rechtsprechung müsse daher das großeAusmaß nach § 370 a AO von dem großen Ausmaß nach§ 370 Abs. 3 Nr. 1 AO abgegrenzt werden. Auch hierausergeben sich durchgreifende Zweifel im Hinblick aufArtikel 103 Abs. 2 GG. Nicht geklärt sei schließlich auch,was bei den minderschweren Fällen des § 370 a Satz 2 AOunter „Voraussetzungen des § 371 AO“ zu verstehen ist.Im Ergebnis werde sich jeder Berater, so Gast-de Haan,zwangsläufig schwer tun, jemanden zu einer Selbstan-zeige zu raten, die Folgen seien einfach zu unsicher.

UMSATZSTEUER-NACHSCHAU

Mit dem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz wurde§ 27 b in das Umsatzsteuergesetz eingefügt. Ab dem01.01.2001 können Finanzbehörden ohne vorherigeAnkündigung Geschäftsräume betreten und Auskünftebzw. Vorlage von Unterlagen verlangen, um die gleich-mäßige Festsetzung und Erhebung der Umsatzsteuersicherzustellen (§ 27 b Abs. 1 S. 1 UStG).

Nach Auffassung von Frau Gast-de Haan verletzt auch§ 27 b UStG elementare Verfassungsgrundsätze: EinBetreten der Geschäftsräume setze eine gesetzlicheErmächtigung voraus, die den Erfordernissen des Art. 13GG genüge. § 27 b Abs. 1 UStG verstoße indessen gegendas Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 S. 2 GG und sei schondeshalb nichtig. Aus einem Vergleich von § 27 b Abs. 1S. 1 und 2 UStG ergäbe sich, daß Wohnräume nur in Aus-nahmefällen, Geschäftsräume dagegen durchgängigauch gegen den Willen des Geschäftsführers betretenwerden dürften. Im Ergebnis sei die Finanzbehörde alsobefugt, ohne richterliche Anordnung und ohne straf-rechtlichen Verdacht eine Durchsuchung vorzunehmen.Nach § 27 b Abs. 3 UStG könne auch ohne vorherige Prü-fungsanordnung zu einer Außenprüfung nach § 193 AOübergegangen werden könne. Die formellen Vorschriftenüber die Außenprüfung werden dadurch ausgehebelt.Zudem sei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ver-letzt, da die Finanzbehörde durch die „Hintertür“ des§ 27 b Abs. 3 UStG eine überfallartige Betriebsprüfungvornehmen könnte.

Abschließend ging Frau Gast-de Haan noch auf die Frageein, ob bei einer gewerbs- oder bandenmäßigen Schädi-gung des Umsatzsteueraufkommens (§§ 26 b, c UStG)noch eine Selbstanzeige erstattet werden kann. Mit die-sen Vorschriften führe das schlichte Nichtzahlen zustrafrechtlichen Konsequenzen. Eine Steuerhinterzie-hung im Sinne des § 370 AO liege damit nicht vor, nachdem Wortlaut des § 371 AO müsse daher auch die Mög-lichkeit einer Selbstanzeige verneint werden. Frau Gast-de Haan sprach sich für eine analoge Anwendung des§ 371 AO aus, denn es sei widersprüchlich, dem Tätereiner besonders schweren Hinterziehung im Sinne des§ 370 Abs. 3 AO die Möglichkeit einer strafbefreiendenSelbstanzeige zu ermöglichen, dem lediglich nichtzah-lenden, im übrigen aber steuerehrlichen Steuerpflichti-gen diesen Weg hingegen zu versperren.

PODIUMSDISKUSSION

An der nachfolgenden Podiumsdiskussion nahmen insbe-sondere Frau Vorsitzende Richterin am BGH MonikaHarms und Prof. Dr. Salditt teil. Frau Harms nahm ein-

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gangs zu den bisherigen Beiträgen Stellung. Sie bevor-zugte die vorherige Fassung des § 370 a AO, denn beidieser hätte der von ihr geleitete 5. Strafsenat noch mitherkömmlichen Auslegungskriterien die Strafbarkeit ein-grenzen können.

Ein Hauptthema der Podiumsdiskussion war die Frage, wodie Grenzen des § 370 a AO liegen werden, ab wann alsodas große Ausmaß der Steuerverkürzung beginnt und eineSelbstanzeige folglich nur noch ein Geständnis darstellenkann. Die von Meyer erwogene Mindestgrenze von100.000 DM (BRAK-Mitt. 2002, 105 f., 106) wurde von al-len Beteiligten als unrealistisch eingestuft. Unsicherheitbestand auch zu der Frage, ob es auf die einzelne Steuer-verkürzung oder die Summe der vorgenommenen Steuer-verkürzungen ankommt. Frau Harms bat in diesem Zusam-menhang dringend darum, entsprechende Verfahren bisvor den Bundesgerichtshof zu bringen, damit dort ver-bindliche Aussagen zur Auslegung des § 370 a AO gemachtwerden können. Allen Beteiligten war aber bewußt, daßein derartiges Verfahren durchweg auch mit erheblichenRisiken sowohl für den Mandanten wie auch unter Um-ständen für den Berater verbunden ist.

Der anschließende Nachmittag war den vier Praktiker-Foren vorbehalten, von denen jeweils zwei zur gleichenZeit stattfinden. Der Verfasser kann daher nur über die-jenigen Foren berichten, an denen er teilgenommenhatte.

STRAFBARKEITSRISIKEN IN DER MANDANTEN-BERATUNG

StB Wolfgang Bornheim ging nochmals detailliert auf dieStrafbarkeitsrisiken des steuerlichen Beraters in derMandantenberatung ein. Ausgehend von einem aktuel-len Fall wies Bornheim darauf hin, daß die Grenzziehungzwischen Steuergestaltung, Steuerumgehung und Steu-erhinterziehung oft ein schmaler Grat sei und häufig dasRisiko bestehe, daß der Berater die Grenze zur falschenSeite überschreite.

Bornheim stellte sodann die Kriterien zur Abgrenzungvon Täterschaft und Teilnahme dar. Dem Berater könnenur dringend angeraten werden, nicht über die Mitwir-kungspflichten hinauszugehen, zu denen er aufgrunddes Beratungsvertrages verpflichtet sei. Wer selbst kraftder ihm erteilten Vollmacht eine Umsatzsteuervoranmel-dung unterschreibe, komme auch als Täter in Betracht.Ebenso sei es unsinnig, als Berater eine tatsächliche Ver-ständigung selbst zu unterschreiben. Im folgenden gingBornheim eingehend auf das BFH-Urteil vom 10.11.1999betr. Verpflichtung zur Offenbarung abweichenderRechtsansichten ein. Zahlreiche Probleme in diesem Be-

reich seien ungeklärt, etwa die Frage, wie bei abwei-chender Verwaltungspraxis von der höchst-richterlichenRechtsprechung (sog. Nichtanwendungserlasse) zu ver-fahren sei. Etwa in den sogenannten Irland-Fällen (BFH-Urteile vom 19.01.2000) habe der Berater je nachdem, zuwelchem Zeitpunkt er eine Erklärung abgebe, entwederdie BFH-Rechtsprechung anzuwenden, sie nicht anzu-wenden oder aber sich auf die Neufassung des § 42 AOzu konzentrieren.

Der Rückzug auf den subjektiven Tatbestand (der Steuer-berater wollte gar nicht eine Steuerverkürzung begehen)sei mit erheblicher Unsicherheit belastet, so daß vor-dringlich auf die Vermeidung des objektiven Tatbestan-des abgestellt werden müsse. Als „Präventivmaßnahme“müsse in wesentlich größerem Umfange als in der Ver-gangenheit mit Anlagen zu den Steuererklärungen gear-beitet werden, in denen die wesentlichen Elemente desSachverhaltes aufgezeichnet werden oder die entspre-chenden Materialen in mehr oder weniger aufbereiteterForm dem Finanzamt zur eigenen Prüfung überlassenwerden. Der Steuerpflichtige und sein Berater müßtenalle Sachverhaltselemente, die für die steuerliche Beur-teilung wesentlich sind, vollständig vortragen. EineStrafbarkeit scheide aus, wenn die Rechtsunsicherheitoder die verschiedenen Auffassungen über vertretbareInterpretationen dem Finanzamt gegenüber offengelegtwerden. Umgekehrt sei mit strafrechtlichen Risiken be-haftet, wer lediglich einen Teil der Tatsachen richtig vor-trägt und einen anderen Teil wegläßt, der indessen fürdie Beurteilung erheblich ist.

Ein weiterer Schwerpunkt dieses Praktikerforums bildetedas novellierte Geldwäschegesetz. Bornheim wies einge-hend auf die Identifizierungs-, Aufzeichnungs- und Auf-bewahrungspflichten aus § 3 Abs. 1 GwG sowie auf dieVerdachtsanzeigepflicht nach § 11 GwG hin, ebenso auchauf die in § 11 Abs. 3 GwG vorgesehene Ausnahme fürdiejenige Informationen, die der Berater im Rahmen derRechtsberatung oder der Prozeßvertretung eines Man-danten erhalten hat.

BEWEISWÜRDIGUNG IM STEUERSTRAFVERFAHREN

Im zweiten Praktikerforum ging RAin Dr. Ute Döpfer aufdie Probleme der Beweiswürdigung für die Verteidigungim Steuerstrafverfahren ein. Nach Darstellung der ver-schiedenen Ebene, in denen eine Beweiswürdigung voll-zogen wird, ging Frau Döpfer detailliert auf die aktuellenEntscheidungen zur Beweiswürdigung im Rahmen derstrafbaren Hinterziehung von Spekulationsgewinnen,insbesondere aus „unechten Tafelgeschäften“, ein.Anhand des BFH-Beschlusses vom 31.03.2002 arbeiteteFrau Döpfer heraus, daß der BFH letztlich eine Checkliste

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von Indizien aufgestellt hätte, anhand derer die Zulässig-keit eines steuerrechtlichen Sammelauskunftsersuchensbegründet wurde.

Frau Döpfer vertrat sodann die These, daß auch der Bun-desgerichtshof sich einer vergleichbaren „Indizien-Check-liste“ bedienen würde, beispielsweise in dem Verfahren zurSteuerhinterziehung durch Bankmitarbeiter (5 StR 624/99vom 01.08.2000), wo es um die Abgrenzung von „neutra-len“ Tätigkeiten des Bankangestellten zur Beihilfe zurstrafbaren Hinterziehung ging. Damit stieß Frau Döpfer aufganz erheblichen Widerspruch bei der ebenfalls im Audito-rium anwesenden Vorsitzenden Richterin Harms. Dieselegte Wert auf die Feststellung, daß es Checklisten oderdergleichen in der Rechtsanwendung des Bundesgerichts-hofes nicht geben würde, vielmehr jeder Fall ausschließlichaus dem individuellen Ergebnis der Hauptverhandlungentschieden werde. Stets gehe es um „Wertungen auf derBasis von Sachverhalten“.

Im Anschluß an diesen Disput ergab sich eine lebhafteDiskussion im Plenum zur Abwicklung der immer nochlaufenden Bankenstrafverfahren. Im einzelnen ging esum die Frage, ob Bankmitarbeiter für die Beihilfe zuSteuerhinterziehungen belangt werden dürften, obwohlder Umfang der Steuerhinterziehungen, also die Haupt-taten allenfalls durch Hochrechnung ermittelt werdenkönnten. Die verschiedenen „Modelle“, die in der gegen-wärtigen Abwicklung der Bankenstrafverfahren ange-wandt werden (neuerlich etwa über §§ 70, 71 AO), wur-den eingehend auf ihre strafrechtliche Haltbarkeit unter-sucht. Letztlich ging es um dieselbe Problematik, die FrauDöpfer in ihrem abschließenden Resümee mit dem Zitateines Steuerfahndungsbeamten nochmals plastisch auf-warf: „Ich muß mich daran gewöhnen, daß das, was imSteuerrecht als bewiesen gilt und Steuerzahlungsan-sprüche begründet, als Beweis für eine Strafbarkeit nochlange nicht für das Steuerstrafrecht ausreicht“.

FAZIT

Alles in allem eine Veranstaltung, die zwar bei den Betei-ligten ein erhebliches Unwohlsein hinsichtlich der aktu-ellen gesetzgeberisch veranlaßten Unsicherheiten imSteuerstrafrecht begründete, die andererseits aber auchzu erheblichen Gewinnen für alle Beteiligten aus densehr konstruktiven Diskussionen führte. Wenngleich dieVeranstaltung vornehmlich auf Steuerberater zuge-schnitten war, kann sie jedem Steueranwalt nur einge-hend empfohlen werden. Aus Sicht des Verfassers gibt esnur wenige Veranstaltungen, bei denen sowohl der „ein-fache Steuerberater“ wie auch der hochqualifizierteSteuerstrafverteidiger gleichermaßen Vorteile für ihrkünftiges Beratungs- und Verteidigungsverhalten ziehenkönnen.

Kein steueranwaltsmagazin ohne Bericht über minde-stens eine Veranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Steu-errecht – diesmal ist es der Steueranwaltstag 2002, deram 15. und 16.11.2002 in Berlin ausgerichtet wurde.

DIE VERANSTALTUNG – UNTER „NEUER LEITUNG“

Die Veranstaltung, die unter der souveränen Leitung desKollegen Friedhelm Jacob, Hengeler Mueller, Frankfurt,stand, zog mehr als 220 Teilnehmer in das Hilton Hotelam Gendarmenmarkt.

DIE REFERATE AM FREITAG

Der Freitagvormittag gehörte den Referenten Dr. RandolfMohr, Fachanwalt für Steuerrecht, Wirtz & Kraneis, Kölnund Dr. Rolf Schwedhelm, Fachanwalt für Steuerrecht,Streck Mack Schwedhelm, Köln. „Die GmbH & Co. KG –Rechtsform mit neuer Attraktivität“ war ihr Thema.Neben den zivilrechtlichen Grundlagen, der Darstellungder Gründungsprobleme, der Gesellschafterhaftung undder Anteilsübertragung, wandten sich die Referenteneingehend den steuerlichen Vor- und Nachteilen derGmbH & Co. KG bei laufender Besteuerung, der Unter-nehmensnachfolge und dem Unternehmenskauf zu.Auch die Darstellung der Umwandlung fehlte nicht. DenTeilnehmern konnte ein hervorragendes, 146 Seiten(einschließlich Mustersatzung) umfassendes Skript zurVerfügung gestellt werden, das qualifizierte Nachberei-tung ermöglicht.

Den Nachmittag begann Dr. Peter Bilsdorfer, Richter amFinanzgericht Saarland, mit einer Darstellung der „Infor-mationsquellen und -wege der Finanzverwaltung“. Diepolitische Motivation, wie sie im Koalitionsvertrag vom16.10.2002 festgehalten wurde, nämlich sicherzustellen,daß das geltende Steuerrecht insbesondere für privateVeräußerungsgeschäfte Kapital- sowie Mieterträgeeffektiver erfasse, stellte er voran. Eine Analyse der bis-herigen Rechtsprechung zu Ermittlungen ins Blaue,Rasterfahndungen und Ausforschungsdurchsuchungenfolgte. Bereits hier bot sich Gelegenheit, bestehendestrukturelle Mängel des Steuererhebungsverfahrens kurzzu diskutieren. Nicht ohne richterlichen Witz undScharfsinn kommentierte Bilsdorfer den Informations-austausch innerhalb der Finanzverwaltung. Kritischäußerte er sich insbesondere zum Informationsfluß zwi-schen den Veranlagungsstellen zur Einkommensteuerund den Erbschaftsteuerstellen der Finanzämter.

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STEUERANWALTSTAG 2002 IN BERLIN

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Nicht nur für Steuerstrafrechtler darf als Höhepunkt desNachmittags sicher das Referat von Prof. Dr. Erich Sam-son, Buccerius Law School, Hamburg, bezeichnet werden.Professor Samson machte die Zuhörer mit dem „Syn-drom der Verwöhnungsverwahrlosung“ vertraut, eineErscheinung, die üblicherweise im Bereich der Jugendkri-minologie diskutiert wird. Nach wenigen einleitendenWorten erschloß sich jedem Zuhörer blitzschnell, daßhier das Verhalten des Gesetzgebers einer scharfen Analyse mit eindeutig vernichtendem Ergebnis unter-zogen wurde. „Geldwäsche-Risiken für Beratung undBerater“ war ein Thema, was dem Referenten zur Kritikjede erdenkliche Gelegenheit bot. Mit Hilfe der These der„Kontaminierten Volkswirtschaft“ und unter Hinweis aufdie verfehlte Diagnose, daß der Gesetzgeber lernfähigsei, sezierte Professor Samson den Gesetzestext desGeldwäschetatbestandes: „Das Verbergen der Herkunftersparter Aufwendungen“ sei eine Tatbestandsalterna-tive, deren Wortlaut schon nicht nachvollziehbar sei. Keiner der über 220 Tagungsteilnehmer widersprachfolglich, als Samson dem Geldwäschetatbestand höchsteverfassungsrechtliche Fragwürdigkeit bescheinigte.

So vorbereitetes Terrain fand dann Dr. Ingo Flore, Rechts-anwalt und Steuerberater, Echtermeyer & Koll., Dort-mund, der sich im Anschluß dem Tatbestand dergewerbs- oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung(§ 370 a AO), widmete. Es bedarf kaum der Erwähnung,daß auch diese Glanzleistung des Gesetzgebers – fachlichfundiert – vom blanken Dortmunder zerlegt wurde. DasFazit: Bei ergebnisoffener Beratung kommt die Selbstan-zeige nicht mehr in Betracht. Konfliktoffene Steuerstraf-verteidigung ist die Konsequenz.

Das aufgeputschte Auditorium ließ sich zum Abschlußdes ersten Tages mit Dr. Rainer Spatscheck, Fachanwaltfür Steuerrecht, Streck Mack Schwedhelm, München,nochmals intensiv auf „Strafbarkeit und Haftung nachdem Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz“ – die weite-ren Neuregelungen ohne § 370 a AO und § 261 StGB –ein. Umsatzsteuernachschau, Sicherheitsleistung bei Vor-steuerüberhängen, Haftung für fremde Umsatzsteuer-schulden und die Frage nach dem Fortbestand derSelbstanzeigemöglichkeit trotz Nachschau gaben jedenAnlaß für eine aufgeschlossene Diskussion. Auch in die-sem Punkt wurde die Qualität der Tagungsbeiträge deut-lich, denn welcher Teilnehmer könnte nach so einem Pro-gramm noch fachlich diskutieren, ohne „abzusacken“,wäre er nicht immer wieder herausgefordert worden?

DIE MITGLIEDERVERSAMMLUNG

Die Mitgliederversammlung begann pünktlich am Frei-tagabend im unmittelbaren Anschluß an den letzten

Tagungsbeitrag des Tages. Der Vorsitzende desGeschäftsführenden Ausschusses, Dr. Rolf Schwedhelm,Köln, eröffnete mit dem Geschäftsbericht für daszurückliegende Jahr. Veranstaltungen, Internetauftrittund steueranwaltsmagazin haben sich etabliert. In deranstehenden Neuwahl des Geschäftsführenden Aus-schusses wurden die weitgehend wieder kandidierendenMitglieder bestätigt. Rechtsanwältin Anja Möwisch,Hannover, kandidierte nicht erneut. Statt ihrer rückteAndreas Jahn, Rechtsanwalt und Steuerberater, Meyer-Köring von Danwitz Privat, Bonn, nach. AufmerksamenLesern des steueranwaltsmagazins ist er bereits bekannt.Neben regelmäßigen Beiträgen hat er dort die Rubrik„TaxLawLinks“ übernommen.

Vorsitzender des Geschäftsführenden Ausschusses ist Dr.Rolf Schwedhelm, Köln, sein Stellvertreter Dr. Ingo Flore,Dortmund. Die weiteren Mitglieder sind Kirsten Bäumel-Ianniello, Aachen, Andreas Jahn, Bonn, Sebastian Korts,Köln, Dr. Jochen Krieger, Stade, Dr. Marcel Sauren,Aachen, Jürgen Wagner, Konstanz. Vom DAV „abgeord-net“ wird nach wie vor Friedhelm Jacob, Frankfurt, deman dieser Stelle ausdrücklich für die Leitung der Tagungund der Mitgliederversammlung zu danken ist.

DAS RAHMENPROGRAMM

Die DATEV sponserte, die Teilnehmer blieben gern: Miteinem kleinen Empfang klang die Freitagsveranstaltungaus. Offensichtlich waren viele zu „k.o.“ um jetzt nochBerlin zu genießen ... Oder doch nicht?

DER NÄCHSTE TAG

Brennend aktuell ging es am nächsten Morgen mit Dr.Reinhard Geck, Rechtsanwalt, Notar und Steuerberater,Hannover, weiter. Auch hier waren es Gesetzesänderun-gen und der Vorlagebeschluß des BFH vom 22.05.2002 (IIR 61/99, BStBl. II, 2002, 598), die das Referat über „Aktu-elle Entwicklungen bei vorweggenommener Erbfolgeund Erwerb von Todes wegen“ unverzichtbar und denSaal voll machten. Nicht ohne gewissen Sarkasmus –„Sterben für die Bildung“ – kommentierte auch dieserReferent die verzweifelten Versuche des Gesetzgebers„Druck aus dem Kessel“ zu lassen. Sein Ziel, „zwar keinharmonisches, jedoch ein einigermaßen vollständigesBild“ der Entwicklungen im Bereich vorweggenommenerErbfolge sowie Erwerbes von Todes wegen zu geben, hatder Referent erfüllt. Die gründliche Auseinandersetzungmit der Rechtsprechung wurde auch hier in einem auf-fallend guten Skript (37 Seiten) dokumentiert und bleibtzur Nachbereitung empfohlen.

VERANSTALTUNGEN

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Dem in nichts nachstehend folgte Karsten Sessinghaus,Richter am Finanzgericht Köln, mit einem Referat überdie praktische Relevanz der einzelnen neuen Bestimmun-gen in der FGO-Novelle. Auch hier blieb die Diskussionnicht aus, zeigte der Autor doch die praktischen Konse-quenzen der Neuregelungen auf, die nicht immer dieZustimmung des Auditoriums fanden, an denen der pro-zessierende Steueranwalt jedoch kaum vorbeikommt.

Was in „Kapitalvermögen und privaten Veräußerungsge-winnen“ steckt, erschloß sich durch den Vortrag von Dr.Jörg-Andreas Lohr, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater,Düsseldorf. Auch hier fand sich die qualifizierte Aufar-beitung des Beraterthemas. Gesetzliche Neuregelungenund die neueste Entwicklung in der Rechtsprechungbrachten die Teilnehmer auf den neuesten Stand.

Redaktion

Die Referate des Steueranwalatstages:

Freitag, 14. Februar 2003

Nießbrauchsgestaltung: Zivilrechtliche ProblemeNotar Prof. Dr. Günter Brambring, Köln

Nießbrauchsgestaltung: Ertragsteuerliche FragenRA und StB Dr. Heinrich Hübner, Stuttgart

Nießbrauchsgestaltung: Erbschaft- und Schenkungsteu-errecht RA und FAStR Dr. Marc Jülicher, Bonn

Deutsch-Schweizer Nachfolgeplanung im VerhältnisRA Dr. Nico H. Burki, Zürich

Der Familienpool – Nachfolgeregelungsmöglichkeit beiGrundbesitzRA, StB und vBP Dr. Marcel M. Sauren, Aachen

Belastungsvergleich Personen- und Kapitalgesellschaften WP, StB und RA Thomas Jorde, Düsseldorf

Samstag, 15. Februar 2003

Aktuelles zum Erbschaftsteuerrecht MR Dr. Dietmar Moench, Saarbrücken

Erbschafts- und Schenkungssteuer bei Zuwendung zwi-schen Gesellschaft und GesellschafternRichter am BFH a D. Dr. Gerd Albrecht, München

Aktuelles zum ErbrechtVorsitzender Richter am LG Walter Krug, Stuttgart

Tagungsleitung: RA und FAStR Dr. Marc Jülicher, BonnRA, StB und vBP Dr. Marcel M. Sauren, Aachen

Datum: Freitag 14. Februar 2003,9:30 – 17:30 UhrSamstag 15. Februar 2003, 9:30 – 13:00 Uhr

Ort/Hotel: Düsseldorf/Neuss, Dorint am Rosen-rgarten

Gebühr: EUR 355,– DVEV-Mitglied/Mitglied ArGe SteuerrechtEUR 455,– NichtmitgliedAlle Preise zzgl. der gesetzlichen USt

Wir

� bringen wichtige Informationen schnell in die ent-scheidenden Verteiler

� lassen wichtige Leute mit wichtigen news zu Wortkommen

� zeigen direkte Wege zu den online-Angeboten desDAV auf

� vernetzen die Kollegen und Kolleginnen� bringen Licht in die Vielzahl an Fortbildungs- und

Tagungsaktivitäten

Gastkommentare, Recherchen, Portraits, Interviews undDownloadhinweise werden Aktuelles auf den Punkt brin-gen. Der „Newsletter“ bringt das Wichtigste in Ihre Kanz-lei oder auch Ihre Infos in die Steuerwelt. Mitglieder der

VERANSTALTUNGEN

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ERBRECHTS- UND ERBSCHAFTSTEUERTAGE DER ARGESTEUERRECHT IM DAV UND DER DVEV

WWW.STEUERRECHT.DAV MIT NEUEM KONZEPT

Die Referate des Steueranwaltstages werden, wiegewohnt, in der Broschüre „Steueranwalt 2002“zusammengefaßt und den Mitgliedern im kommendenFrühjahr zur Verfügung gestellt werden.

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Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht tragen sich mit ihrereigenen e-mail in der „Region-Suche“ ein. Unter „Kolle-gen-Links“ verlinken wir die Homepage des Mitglieds.Wir publizieren Ihre Fortbildungsveranstaltung undbenennen unter „Favoriten“ Ihre Vorschläge einer inter-essanten Seite.

Testen Sie das Angebot, nehmen Sie teil und machen Siedie homepage durch aktives Mitgestalten attraktiv.

Sebastian Korts, Mitglied des Geschäftsführenden Aus-schusses

Udo Schmallenberg, Journalist

Die Rubrik „LiteraTour“ greift willkürlich und subjektivaus der Flut der steuerrechtlichen Literatur besonderslesenswerte Beiträge heraus. Mit der naturgemäß sehrbeschränkten Auswahl soll nicht suggeriert werden, dieRedaktion hätte die Vielfalt der Publikationen auch nurannähernd gesichtet. Erst recht ist damit keine Abwer-tung nicht erwähnter Autoren verbunden.

BILSDORFER, INFORMATIONSQUELLEN UND -WEGEDER FINANZVERWALTUNG, ERICH SCHMIDT VERLAG,BIELEFELD, 5. AUFL., 2002, 174 SEITEN

Gut, daß das im Jahr 1988 (!) zum ersten Mal erschiene-ne Buch nur 174 Seiten hat. Das liegt nicht am Autor,sondern am Thema. An den Informationsquellen derFinanzverwaltung ist vielleicht weniger dran, als unsdiese manchmal glauben lassen will...

Das Thema an sich hat noch einigen gedanklichen Nach-holbedarf: So verdienstvoll es ist, die Informationsquel-len und -wege der Finanzverwaltung zusammenzustel-len, so sehr stellt sich die Frage, ob man (ohne sich inwissenschaftliche Details zu verlieren) auf beschränktemPlatz auch in die Tiefe gehen kann. Man kann durchaus.Hier liegt aber die Schwäche dieses Buches, das teilweiseundifferenziert über (aktuelle) Diskussionen hinweggeht(z.B. das sog. Bankgeheimnis in § 30a AO, S. 158 f.) sowieüber die Fragen der internationalen Rechtshilfe (z.B.S. 144), die der Autor auf dem Stand vor 1998 widergibt.Leider nicht mehr aktuell.

Der Autor, mit dem gleichnamigen Thema Referent beimSteueranwaltstag 2002, zitierte dort der Aktualitätwegen aus der Koalitionsvereinbarung der rot-grünenBundesregierung, während er ansonsten bei George

Orwell Beistand sucht. Und der mag auch gerechtfertigtsein: Der Autor behauptet zwar, der See ruhe noch still,er selbst wirft aber gern mal einen Stein ins Wasser. Sobspw. bei der „Information aus Aufgeboten“ (S. 102),wobei also die Kraftloserklärung von Sparbüchern nichtnur kleine Fischlein aufstöbern soll, sondern grosseFische. Wer´s glaubt – aber die Informationswege derFinanzverwaltung sind geheimnisvoll...

BRITZELMAIER U.A., REGULIERUNG ODERDEREGULIERUNG DER FINANZMÄRKTE, (2002),PHYSICA-VERLAG, HEIDELBERG, 2002, 352SEITEN

Das Buch faßt die Vorträge des 2. LiechtensteinischenFinanzdienstleistungs-Symposiums zusammen. Die Fach-hochschule Liechtenstein, immerhin das herausragendeBildungsinstitut in Liechtenstein, bildet im Bereich derFinanzdienstleistungen Nachwuchs aus. In diesemZusammenhang steht das Symposium, das auf herausra-gende Weise dokumentiert wurde. Leider hatten nurwenige steuerrechtlich relevante Themen Platz:„Grundsätze fairen Steuerwettbewerbs – Ein wirt-schaftsethisches Plädoyer für einen Steuerleistungswett-bewerb“. Leider: Ein Deutscher, der das Prinzip derSteuererhebung in einem Kleinstaat nicht wirklich ver-standen hat. „Die europäische Politik gegen den schäd-lichen Steuerwettbewerb – Aktuelle Entwicklungen,Chancen und Risiken“ – fast ein Vertreter der EU, der denLiechtensteinern mal zeigt, wo die Daumenschraubenbefestigt werden. Und schließlich: „Salz in die Wunden:Drei zentrale Themen aus dem Finanzdienstleistungsbe-reich“, nämlich die Repatriierung kontaminierter Gelder,Sorgfaltspflichten und Plausibilität sowie die Beratungs-pflicht mit eingebauter Haftung. Es bleibt spannend,nicht nur in Deutschland.

THEISEN, GRUNDSÄTZE EINER ORDNUNGSMÄßIGENINFORMATION DES AUFSICHTSRATS, SCHÄFFER–POESCHEL, STUTTGART, 3. AUFL., 2002,242 SEITEN

Das Vorwort schließt mit dem 01.08.2002 ab. Dement-sprechend wird der Perfektionist Theisen auch allesErdenkliche berücksichtigt haben, was bis zum31.07.2002 erschienen ist. Und in der Tat: Bei der Fülleder Details und der Neuerungen, die in den letzen Jahrenbeschlossen wurden, erstaunt die Tatsache, daß diesesBuch nach 1991 und 1996 erst in dritter Auflage vorliegt.

Schon von der Logik her kommt es bei der Unterneh-mensüberwachung wesentlich auf die Informationen an,die der Vorstand dem Aufsichtsrat gibt: Getreu dem

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logisch zwingenden Shit-in-shit-out-Prinzip kann nichtsVernünftiges rauskommen, wenn man nichts Vernüftigesreintut. Mit solchen bizarren und unanständigen Überle-gungen verschont uns Theisen. Stattdessen präzisiert erdie einst von ihm selbst geforderten GoÜ (Grundsätzeordnungsgemäßer Überwachung), die im DCGK (Deut-scher Corporate Governance Kodex) in Ziff. 3.4. aufge-nommen wurden, kurz und knapp mit folgender Maxime:„Die ausreichende Informationsversorgung des Auf-sichtsrats ist eine gemeinsame Aufgabe von Vorstandund Aufsichtsrat“. Wer sich mit Corporate Governancebeschäftigt hat, weiß, daß das in der Theorie gut undeinfach klingt, in der Praxis merkwürdigerweise schwerumzusetzen ist. Der Autor versucht daher zunächst, all-gemeine und nachprüfbare Kriterien zu entwickeln, diezur Bestimmung überwachungsrelevanter Informationengeeignet sind. Als Betriebswirt gelingt es ihm besser als(fast) allen Juristen, indem er Form, Struktur und Inhaltder Überwachungsinformationen präzise beschreibt.

Doch der Autor belässt es nicht bei Definitionen: Eruntersucht die Informationsbeziehungen in einer Unter-nehmung, die gesetzlichen Rahmenbedingungen und dieEmpfehlungen des DCGK. Ergänzt werden die Aus-führungen durch Überlegungen, die die Rolle desAbschlußprüfers im Gefüge der unternehmensinternenInformationen beschreibt und diese abschließend auf dieProblematik in Konzernen überträgt.

Vom eingangs beschriebenen Prinzip ließ sich der Autordennoch ein wenig inspirieren: Er gibt zu, daß selbst dieoptimale Umsetzung der hier festgehaltenen Informati-onskriterien lediglich eine wichtige Voraussetzung füreine ordnungsmäßige Überwachung schafft. Die tatsäch-liche Durchführung ist immer noch „unverändert undunabänderbar“ vor allem die individuelle Aufgabe desjeweils zur Überwachung gewählten Organs und seinerVertreter. Nicht umsonst hat der Autor diese Personen alsFabelwesen bezeichnet.

PREIßER (HRSG.), STEUERBERATERPRÜFUNG,SCHÄFFER-POESCHEL VERLAG, STUTTGART, 3BÄNDE, CA. 1.900 SEITEN

Da müssen angehende Steuerberater durch.

KLAGE, WETTER MACHT GESCHICHTE, FAZ-INSTITUT, FRANKFURT, 2002, 236 SEITEN

„Wetter macht Geschichte“ – der Untertitel läßt an dieberühmte Postkarte denken, auf der Marx, Engels undLenin abgebildet sind und auf der zu lesen ist „Alle redenvom Wetter – wir nicht.“ Nein, das (übrigens wunder-

schön aufgemachte) Büchlein bricht gleich mit mehrerenTabus der Historiker. Zum einen mit der ansonsten ver-botenen Überlegung „wäs wäre gewesen, wenn...“, zumanderen mit „an den Haaren herbeigezogenen Erklär-ungsversuchen“. Hätte die Erstürmung der Bastille aneinem anderen Tag stattgefunden, wenn es ein Sommer-gewitter gegeben hätte? Und warum ist das alles so ge-kommen – weil es ein schöner Tag war?

Einer kleinen Wetterkunde folgt die Betrachtung überpolitische Folgen der Wetterereignisse, vom TeutoburgerWald im 9. Jahrhundert, über die Revolution in Frank-reich 1794 bis hin zum D-day 1944 und zur Kuba-Krise1962. Wer das Wetter beherrscht, beherrscht die Welt, soder Autor. Wetter sei jedoch nicht planbar, so Uwe Wesp(„Die Fliege“) in seinem Vorwort. Der Autor denkt dabereits weiter: Über die „militärische Nutzung der Ionos-phäre“ lässt er sich genauso aus, wie über das Thema„virtuelles Wetter“. Etwas martialisch, nix für Sensibel-chen, die immer nur vom Frühling träumen.

Redaktion

http://www.finanzamt.de/

Finanzamt.de ist die Portalseite der Finanzverwaltungender Länder und des Bundes. Von hier aus gelangt man inalle steuerrelevanten Behördenseiten der Bundesländer,findet Steuervordrucke, Informationen zurElektronischen Steuererklärung ELSTER nebst Formular,Steuerberechnungsprogramme, Steuertermine, steuerre-levante Gesetze im Volltext (juris), dasBundessteuerblatt online und eine ganze Bandbreitenützlicher Informationen und Links mehr.

OBERFINANZDIREKTIONEN IM NETZ

Oberfinanzdirektionen im Internet finden sich mit zumTeil sehr umfangreichen, weiterführendenInformationen unter:

http://www.berlin.de/senfin/index.html (Berlin)

http://www.sachsen.de/de/bf/staatsregierung/ministeri-en/smf/ofd/index.html (Chemnitz)

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In der nächsten Ausgabe u.a Memento Gesellschafts-recht für die Praxis; Preißer (Hrsg.), Steuerberaterprü-fung (ausführlich); Thannheiser, InformationsserviceGesellschaftsrecht (Handbuch und CD-ROM, Haufe-Verlag).

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http://www.brandenburg.de/land/mdf/ofd/index.htm(Cottbus)

http://www.fm.nrw.de/amt/100 (Düsseldorf)

http://www.ofd.niedersachsen.de/home/ (Hannover)

http://www.ofd-kiel.de/1024/index.htm (Kiel)

http://www.fin-rlp.de/ (Koblenz)

http://www.ofd.bayern.de/ofdmuenchen/index.html(München)

http://www.ofd.bayern.de/ofdnuernberg/index.html(Nürnberg)

http://www.steuerrat24.de/

Der Steuerratgeber für Angestellte, Beamte, Lehrer,Rentner, Pensionäre, Kapitalanleger, Vermieter undEigenheimbesitzer will die kommerzielle Seite steuer-rat24.de sein. Außerhalb des entgeltpflichtigen Angebots(€ 29,– p.a.) finden sich für den steuerinteressierten Sur-fer unter der Rubrik „Steuerservice“ und Unterrubrik„Urteile“ Entscheidungen des BFH im Volltext, sortiertwahlweise nach Datum der Veröffentlichung (Verweisauf die Seite http://www.bundesfinanzhof.de/www/ent-liste.html), nach der Sortierung im Bundessteuerblattoder nach Paragraphen (Verweis auf die Seitehttp://www.bfh.simons-moll.de/bfhsms_index.html vonMoll und Moll-Simons) und ferner eine Liste der beimBFH anhängigen Verfahren (Verweis auf die Seitehttp://www.stollfuss.de/aktuell/anh_verf.htm des Stoll-fuß-Verlages). Vorhanden ist auch ein Link auf die veröf-fentlichten BGH-Entscheidungen seit 1998 (Verweis aufhttp://www.caselaw.de/), BAG-Urteile seit 2001 und dieBSG-Entscheidungen seit 2002.

http://www.beamte4u.de/frame.htm

Mit Beamte4u wollen die Betreiber der Seite – ein Leip-ziger Internet-Start-up – „Insiderinformationen“ aus denverschiedensten Behörden jedem Interessierten verfüg-bar machen. So findet sich unter der Rubrik „Finanzamt“praxisnahe, wenn auch nicht allzu verwissenschaftlichteInformationen und kurzen Fachbeiträgen zu Steuerrecht,hauptsächlich aus dem Gebiet der Einkommensteuer.Nützlich sind Steuerformulare zum Herunterladen imPDF-Formate, ein „Finanzamtfinder“, Checklisten zuSteuerfahndung, Kfz-Kosten oder Arbeitszimmer undnicht zuletzt eine Rubrik über öffentliche Fördermittel.Für Kurzweil sorgen Kleinigkeiten wie „Pranger“, „Kurio-ses“, „Chat“ und „Quiz“.

http://www.taxadmin.org/

U.S. amerikanisches Steuerrecht findet sich zuhauf aufder Internetseite der Federation of Tax Administrators,Washington D.C./USA. Neben Angaben zum Bundesrechtenthält die Linkliste Verweise auf die Steuerbehördenaller Bundesstaaten mit weiterführenden Informationen„State by State“.

Wir am Bodensee sind schnell zu begeistern, aber schwerzu überzeugen. Schnell war die Begeisterung entfacht,als es um die badische Revolution ging, die von Konstanzaus ihren Lauf nahm. Das ist aber schon eine Weile her.Schwer zu überzeugen sind wir davon, daß ausgerechnetunsere kriegerischen Nachbarn in der Schweiz unserSystem untergraben wollen. Na ja, zugegeben, die krie-gerischen Auseinandersetzungen sind nun auch schongut 500 Jahre her. Hier vergißt man aber nix, so eng ander Grenze. Weder daß die Schweizer nicht nur Löcher imKäse, sondern auch in den Bergen haben, sondern daßauch das Bankgeheimnis löchrig geworden ist. Da wurdevor einigen Jahren das „Formular B“ abgeschafft, wonaches einer Bank genügen sollte, daß ein Berufsgeheimni-sträger den „Endkunden“ zu kennen behauptete. Das wardas Ende des echten Bankgeheimnisses. Und dazu nochin freiwilliger Selbstbeschränkung, ganz ohne „staatlicheErpressung“ von außen.

Schon deshalb verstehen die Schweizer die derzeitigeAufregung nicht: Die FAZ schreibt, die Schweiz „beharre“auf dem Bankgeheimnis. Sicher, Sturheit gehört zu denwesentlichen Charaktermerkmalen der Völker am Randeder Alpen. Aber etwas, was man Jahrhunderte heran-züchtet und nicht gleich dem großen Kanton im Nordenin den Rachen wirft, soll nun „beharren“ sein? Da habenwir mal wieder im Deutsch-Unterricht gefehlt. Wie so oft-“wir können alles außer Hochdeutsch“ (diese Behaup-tung haben uns allerdings die Schwaben eingebrockt,und das ist ein ganz anderes Thema).

Da beschimpft doch tatsächlich der eine Politiker (ausder FDP) den anderen (aus Münster) mit dem Ausdruck„Quartalsirrer“. Ist doch nicht zu fassen! In der Schweizist und bleibt die FDP eine staatstragende Partei, alsokann´s nur die deutsche FDP gewesen sein. Gleichzeitigliest man vernünftige Vorschläge, daß man nämlich demStaat Geld geben soll, damit der seine Aufgaben erfüllenkann. Die Entlastung des Einzelnen sei da nicht so wich-tig. Jawohl! Sieht das jemand anders? Das befreit unsdoch von allen Depressionen.

„Tatort Finanzministerium“? Diesen Film will sich heutzu-tage keiner mehr anschauen. Sondern den fröhlichen„Tatort“: Aus Münster.

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