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INKOTA-Aktionszeitung Make Chocolate Fair! Dezember 2014 I Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich gegen die Missstände im Kakaosektor Als Kind hat Fortin Bley mit angesehen, wie seine Eltern von Zwischenhändlern ausgenom- men wurden. Im Interview berichtet er, was sich durch Fairen Handel verändert. Seite II Durchblick behalten: Mit gutem Gewissen Schokolade genießen Drei Siegel wollen VerbraucherInnen bei der fairen Schoko-Auswahl beraten. Der Königsweg des fairen Einkaufs führt am Supermarkt vorbei. Seite III Kampagne unterstützen: Rechte von Kakabauern stärken Make Chocolate Fair! ist die größte europäische Kampagne für faire Schokolade, die es je gegeben hat. Werden Sie mit uns aktiv! Seite IV Make Chocolate Fair! Schlechte Bezahlung, Leben in absoluter Armut, ausbeuterische Kinderarbeit. Die Missstände im Kakaoanbau sind seit langem be- kannt. Doch die Schokoladenin- dustrie reagiert nur zögerlich. Die INKOTA-Kampagne Make Choco- late Fair! mobilisiert für Schokola- de, die alle glücklich macht. Kakao wird auch als Gold der Az- teken bezeichnet und diente Urein- wohnern Mittelamerikas sogar als Zahlungsmittel. In Europa war Scho- kolade lange Zeit ein Luxusgut. In- zwischen gibt es Schokolade in allen Variationen für wenige Cents in jedem Supermarkt. Doch wie lange noch? Die Deutschen gehören zur Weltspit- ze im Essen von Schokolade. Durch- schnittlich zehn Kilo isst jeder Mensch in Deutschland im Jahr. Der Kakao da- für kommt zum größten Teil aus West- afrika. Produziert wird er dort vor allem von Kleinbauern: 90 Prozent von ihnen bewirtschaften weniger als fünf Hektar Land. Doch immer mehr Bauern wen- den sich vom Kakaoanbau ab, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht. Nachwuchsprobleme im Kakaoanbau Die ghanaische Kakaoexpertin Afia Owusu verfolgt die Entwicklung seit vielen Jahren. „In meiner Kindheit waren Kakaobauern wohlhabende Leute“, erinnert sie sich. Heute müs- sen die Bauernfamilien mit weniger als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56 Jahre alt und das in einem Land, in dem die Lebens- erwartung bei 61 Jahren liegt. „Junge Menschen in Ghana wollen keine Ka- kaobauern werden“, so Owusu. „In der Hoffnung auf ein besseres Leben ziehen sie lieber in die Städte oder nehmen den langen und gefährlichen Weg nach Europa auf sich.“ Der Grund dafür sind der stark schwankende und langfristig sinkende Kakaopreis und unfaire Handelsstruk- turen. In den 1980er Jahren erhielt ein Kakaobauer inflationsbereinigt 5.000 US-Dollar je Tonne Rohkakao. Im zungen zufolge sind über 1,8 Millionen Kinder auf Kakaoplantagen in Ghana und der Elfenbeinküste im Einsatz. Hunderttausende von ihnen arbeiten unter ausbeuterischen Bedingungen. Sie sind starken körperlichen Belas- tungen und massiven Gesundheitsrisi- ken ausgesetzt. Ein Teil dieser Kinder stammt aus Mali und Burkina Faso und wurde als „Kindersklaven“ an Bauern der Elfenbeinküste verkauft. Leere Versprechen der Schokoladenindustrie Die Schokoladenindustrie hat die- se Probleme zu lange ignoriert. Nach den schockierenden Berichten über Kinderarbeit auf Kakaoplantagen stan- den die Hersteller 2001 massiv unter Druck. Es drohten Importverbote und Boykottaufrufe. Daraufhin unterzeich- neten Mars, Nestlé und weitere füh- rende Schokoladenunternehmen das Harkin-Engel-Protokoll, benannt nach zwei US-amerikanischen Politikern. Die Unternehmen verpflichteten sich freiwillig bis 2005, „die schlimmsten Formen von Kinderarbeit im Kakao- sektor der Elfenbeinküste und Ghanas abzuschaffen“. Das Ziel wurde mehr- mals verschoben, nennenswerte Fort- schritte blieben aus. Erst seitdem die wichtigste Zu- tat für Schokolade knapp zu werden droht, reagiert die Branche. Schließ- Jahr 2000 waren es nur noch 1.200 US- Dollar. Heute sind es rund 2.900 US- Dollar. Der Preisverfall führte zur Ver- armung von Millionen von Bäuerinnen und Bauern. Viele konnten nicht mehr in ihre Plantagen investieren. Der über- alterte Baumbestand und Einsparungen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln führten zu geringeren Erträgen und da- mit zu weiter sinkenden Einkommen. Armut fördert Kinderarbeit Auch der Anstieg der Kinderarbeit ist eine direkte Folge dieser Entwick- lung. Da viele Bauern keine erwach- senen Arbeitskräfte mehr bezahlen können, müssen sie ihre Kinder als Erntehelfer einsetzen. Jüngsten Schät- lich geht es um etwas: Der Schoko- markt boomt, die Umsätze steigen. In der Saison 2012/13 wurden weltweit 109,3 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Schokoladensüßwaren gemacht. Nach Angaben der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) gingen davon zuletzt nur noch fünf Prozent an die Bauern. Viele Unternehmen setzen auf Pro- jekte, die durch Verbesserung der Anbaupraktiken die Erntemengen er- höhen, um damit die Einkommen der Kakaobauern zu verbessern. Solche Ausbildungsprogramme sind wichtig, doch besteht die Gefahr, dass mit stei- genden Produktionsmengen ein Über- angebot entsteht, wodurch Preise und Einkommen erneut fallen. ICCO-Direktor Jean-Marc Anga for- derte daher auf der World Cocoa Confe- rence im Juni eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus dem Kakaogeschäft und höhere Preise für die Bauern. Auch Verbraucher werden einen moderaten Preisanstieg akzeptieren, wenn die Preiserhöhung den Kakaobauern zu Gute kommt, meint Anga. Die Kampagne Make Chocolate Fair! sieht die Schokoladenindustrie in der Verantwortung. Ein fairer Preis muss Kakaobauern und Plantagenar- beitern ein existenzsicherndes Ein- kommen garantieren, das ein Leben in Würde ermöglicht (siehe Seite II). Bessere Bezahlung ist auch das wir- kungsvollste Mittel gegen Kinderar- beit.Weiterhin fordert die Kampagne die Unterstützung von Kakaobauern und -bäuerinnen bei der Umsetzung einer nachhaltigen und diversifizierten Landwirtschaft, um die Abhängigkeit vom Exportprodukt Kakao zu redu- zieren. Die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards muss durch unabhängige Zertifizierungs- und Kontrollsysteme nachgewiesen werden (siehe Seite III). Hierbei gibt es eine dynamische Entwicklung. Auch einige größere Unternehmen beginnen ihre Produk- tion auf nachhaltig erzeugten Kakao umzustellen. Dessen Anteil an den in Deutschland verkauften Süßwaren ist nach Angaben des Bundesverbands der Süßwarenindustrie im vergange- nen Jahr von 7 auf 17,5 Prozent ge- stiegen. Nur ein kleiner Teil davon erfüllt jedoch den Fairtrade-Standard, der als einziger einen Mindestpreis vorschreibt (siehe Seite III). Das will INKOTA gemeinsam mit bereits mehr als 50.000 Unterstützerinnen und Un- terstützern der Kampagne Make Cho- colate Fair! ändern (siehe Seite IV). Arndt Massenbach Geschäftsführer INKOTA-netzwerk Schluss mit den süßen Versprechen Klartext Warum Unternehmen und Verbraucher konsequent auf faire Schokolade setzen müssen Anke Engelke: „Wir haben viele Stimmen!“ Statement Warum ich die Petition von Make Chocolate Fair! un- terzeichnet habe Kakaoanbau ist Handarbeit: Ein Bauer bereitet Kakaobohnen zur Fermentierung vor. Wer bekommt welchen Anteil vom Verkaufspreis einer Tafel Schokolade? Kakao- und Schoko- laden-unternehmen Kakaoverarbeitende Industrie Quelle: Südwind Agentur Die Schokoladenindus- trie hat die Probleme zu lange ignoriert. „Wir sind so gut im Nörgeln, vor allem in Sachen Ernährung, oder? Wir kritisieren fiese Ausbeuterunter- nehmen und schimpfen über deren Schandtaten genauso laut wie über unsere eigene Hilf- und Ratlosig- keit, wenn es darum geht, ‘etwas zu ändern‘. Es ist aber total leicht und wunderbar befreiend, z. B. nur noch Schokolade zu kaufen, die fair gehandelt wird. Ich möchte meine astreinen Brownies nicht mit Scho- kolade backen, die aus Kakaoboh- nen gemacht wurden, die unter men- schenunwürdigen, nicht nachhaltigen Bedingungen und ökologisch verant- wortungslos angebaut wurden. Man kann unfaire Schokoladenunterneh- men zum Umdenken bringen: Wir haben viele Stimmen.“ Unterzeichnen auch sie die Petition (siehe Seite IV)! Foto: TransFair e.V. / Selina Pfrüner Foto: Fairtrade International / Éric St-Pierre

I Make Chocolate Fair! · Dezember 2014 I Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich ... als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56

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Page 1: I Make Chocolate Fair! · Dezember 2014 I Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich ... als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56

INKOTA-AktionszeitungMake Chocolate Fair!Dezember 2014

I

Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich gegen die Missstände im KakaosektorAls Kind hat Fortin Bley mit angesehen, wie seine Eltern von Zwischenhändlern ausgenom- men wurden. Im Interview berichtet er, was sich durch Fairen Handel verändert. Seite II

Durchblick behalten: Mit gutem Gewissen Schokolade genießenDrei Siegel wollen VerbraucherInnen bei der fairen Schoko-Auswahl beraten. Der Königsweg des fairen Einkaufs führt am Supermarkt vorbei. Seite III

Kampagne unterstützen: Rechte von Kakabauern stärken

Make Chocolate Fair! ist die größte europäische Kampagne für faire

Schokolade, die es je gegeben hat. Werden Sie mit uns aktiv! Seite IV

Make Chocolate Fair!

Schlechte Bezahlung, Leben in absoluter Armut, ausbeuterische Kinderarbeit. Die Missstände im Kakaoanbau sind seit langem be-kannt. Doch die Schokoladenin-dustrie reagiert nur zögerlich. Die INKOTA-Kampagne Make Choco-late Fair! mobilisiert für Schokola-de, die alle glücklich macht.

Kakao wird auch als Gold der Az-teken bezeichnet und diente Urein-wohnern Mittelamerikas sogar als Zahlungsmittel. In Europa war Scho-kolade lange Zeit ein Luxusgut. In-zwischen gibt es Schokolade in allen Variationen für wenige Cents in jedem Supermarkt. Doch wie lange noch?

Die Deutschen gehören zur Weltspit-ze im Essen von Schokolade. Durch-schnittlich zehn Kilo isst jeder Mensch in Deutschland im Jahr. Der Kakao da-für kommt zum größten Teil aus West-afrika. Produziert wird er dort vor allem von Kleinbauern: 90 Prozent von ihnen bewirtschaften weniger als fünf Hektar Land. Doch immer mehr Bauern wen-den sich vom Kakaoanbau ab, weil das Einkommen nicht zum Leben reicht.

Nachwuchsprobleme im Kakaoanbau

Die ghanaische Kakaoexpertin Afia Owusu verfolgt die Entwicklung seit vielen Jahren. „In meiner Kindheit waren Kakaobauern wohlhabende Leute“, erinnert sie sich. Heute müs-sen die Bauernfamilien mit weniger als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56 Jahre alt und das in einem Land, in dem die Lebens-erwartung bei 61 Jahren liegt. „Junge Menschen in Ghana wollen keine Ka-kaobauern werden“, so Owusu. „In der Hoffnung auf ein besseres Leben ziehen sie lieber in die Städte oder nehmen den langen und gefährlichen Weg nach Europa auf sich.“

Der Grund dafür sind der stark schwankende und langfristig sinkende Kakaopreis und unfaire Handelsstruk-turen. In den 1980er Jahren erhielt ein Kakaobauer inflationsbereinigt 5.000 US-Dollar je Tonne Rohkakao. Im

zungen zufolge sind über 1,8 Millionen Kinder auf Kakaoplantagen in Ghana und der Elfenbeinküste im Einsatz. Hunderttausende von ihnen arbeiten

unter ausbeuterischen Bedingungen. Sie sind starken körperlichen Belas-tungen und massiven Gesundheitsrisi-ken ausgesetzt. Ein Teil dieser Kinder stammt aus Mali und Burkina Faso und wurde als „Kindersklaven“ an Bauern der Elfenbeinküste verkauft.

Leere Versprechen der Schokoladenindustrie

Die Schokoladenindustrie hat die-se Probleme zu lange ignoriert. Nach den schockierenden Berichten über Kinderarbeit auf Kakaoplantagen stan-den die Hersteller 2001 massiv unter Druck. Es drohten Importverbote und Boykottaufrufe. Daraufhin unterzeich-neten Mars, Nestlé und weitere füh-rende Schokoladenunternehmen das Harkin-Engel-Protokoll, benannt nach zwei US-amerikanischen Politikern. Die Unternehmen verpflichteten sich freiwillig bis 2005, „die schlimmsten Formen von Kinderarbeit im Kakao-sektor der Elfenbeinküste und Ghanas abzuschaffen“. Das Ziel wurde mehr-mals verschoben, nennenswerte Fort-schritte blieben aus.

Erst seitdem die wichtigste Zu-tat für Schokolade knapp zu werden droht, reagiert die Branche. Schließ-

Jahr 2000 waren es nur noch 1.200 US-Dollar. Heute sind es rund 2.900 US-Dollar. Der Preisverfall führte zur Ver-armung von Millionen von Bäuerinnen und Bauern. Viele konnten nicht mehr in ihre Plantagen investieren. Der über-alterte Baumbestand und Einsparungen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln führten zu geringeren Erträgen und da-mit zu weiter sinkenden Einkommen.

Armut fördert KinderarbeitAuch der Anstieg der Kinderarbeit

ist eine direkte Folge dieser Entwick-lung. Da viele Bauern keine erwach-senen Arbeitskräfte mehr bezahlen können, müssen sie ihre Kinder als Erntehelfer einsetzen. Jüngsten Schät-

lich geht es um etwas: Der Schoko-markt boomt, die Umsätze steigen. In der Saison 2012/13 wurden weltweit 109,3 Milliarden US-Dollar Umsatz mit Schokoladensüßwaren gemacht. Nach Angaben der Internationalen Kakao-Organisation (ICCO) gingen davon zuletzt nur noch fünf Prozent an die Bauern.

Viele Unternehmen setzen auf Pro-jekte, die durch Verbesserung der Anbaupraktiken die Erntemengen er-höhen, um damit die Einkommen der Kakaobauern zu verbessern. Solche Ausbildungsprogramme sind wichtig, doch besteht die Gefahr, dass mit stei-

genden Produktionsmengen ein Über-angebot entsteht, wodurch Preise und Einkommen erneut fallen.

ICCO-Direktor Jean-Marc Anga for-derte daher auf der World Cocoa Confe-rence im Juni eine gerechtere Verteilung der Einnahmen aus dem Kakaogeschäft und höhere Preise für die Bauern. Auch Verbraucher werden einen moderaten Preisanstieg akzeptieren, wenn die Preiserhöhung den Kakaobauern zu Gute kommt, meint Anga.

Die Kampagne Make Chocolate Fair! sieht die Schokoladenindustrie in der Verantwortung. Ein fairer Preis muss Kakaobauern und Plantagenar-beitern ein existenzsicherndes Ein-kommen garantieren, das ein Leben in Würde ermöglicht (siehe Seite II). Bessere Bezahlung ist auch das wir-kungsvollste Mittel gegen Kinderar-beit.Weiterhin fordert die Kampagne die Unterstützung von Kakaobauern und -bäuerinnen bei der Umsetzung einer nachhaltigen und diversifizierten Landwirtschaft, um die Abhängigkeit vom Exportprodukt Kakao zu redu-zieren. Die Einhaltung sozialer und ökologischer Mindeststandards muss durch unabhängige Zertifizierungs- und Kontrollsysteme nachgewiesen werden (siehe Seite III).

Hierbei gibt es eine dynamische Entwicklung. Auch einige größere Unternehmen beginnen ihre Produk-tion auf nachhaltig erzeugten Kakao umzustellen. Dessen Anteil an den in Deutschland verkauften Süßwaren ist nach Angaben des Bundesverbands der Süßwarenindustrie im vergange-nen Jahr von 7 auf 17,5 Prozent ge-stiegen. Nur ein kleiner Teil davon erfüllt jedoch den Fairtrade-Standard, der als einziger einen Mindestpreis vorschreibt (siehe Seite III). Das will INKOTA gemeinsam mit bereits mehr als 50.000 Unterstützerinnen und Un-terstützern der Kampagne Make Cho-colate Fair! ändern (siehe Seite IV).

Arndt Massenbach Geschäftsführer INKOTA-netzwerk

Schluss mit den süßen Versprechen Klartext Warum Unternehmen und Verbraucher konsequent auf faire Schokolade setzen müssen

Anke Engelke: „Wir haben viele Stimmen!“Statement Warum ich die Petition von Make Chocolate Fair! un-terzeichnet habe

Kakaoanbau ist Handarbeit: Ein Bauer bereitet Kakaobohnen zur Fermentierung vor.

Wer bekommt welchen Anteil vom Verkaufspreis einer Tafel Schokolade?

Kakao- und Schoko-laden-unternehmen Kakaoverarbeitende

Industrie

Quelle: Südwind Agentur

Die Schokoladenindus-trie hat die Probleme zu lange ignoriert.

„Wir sind so gut im Nörgeln, vor allem in Sachen Ernährung, oder? Wir kritisieren fiese Ausbeuterunter-nehmen und schimpfen über deren Schandtaten genauso laut wie über unsere eigene Hilf- und Ratlosig-

keit, wenn es darum geht, ‘etwas zu ändern‘. Es ist aber total leicht und wunderbar befreiend, z. B. nur noch Schokolade zu kaufen, die fair gehandelt wird. Ich möchte meine astreinen Brownies nicht mit Scho-kolade backen, die aus Kakaoboh-nen gemacht wurden, die unter men-schenunwürdigen, nicht nachhaltigen Bedingungen und ökologisch verant-wortungslos angebaut wurden. Man kann unfaire Schokoladenunterneh-men zum Umdenken bringen: Wir haben viele Stimmen.“

Unterzeichnen auch sie die Petition (siehe Seite IV)!

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Page 2: I Make Chocolate Fair! · Dezember 2014 I Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich ... als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56

II INKOTA-AktionszeitungMake Chocolate Fair!

Dezember 2014

Make Chocolate Fair!

der darauf, dass sie keinen Einfluss auf die Einkommen der Bauern hät-ten. Preise würden vom Weltmarkt gemacht und seien nicht zu beeinflus-sen. Zudem wird auf die Zuständigkeit von Regierungen verwiesen, da es in den beiden Hauptanbauländern Côte d‘Ivoire und Ghana Mindestpreise für Kakao gibt. Diese Mindestpreise werden jedoch immer nur für eine Saison festgelegt und orientieren sich am Weltmarktpreis; sie haben nichts damit zu tun, den Bauern ein existenz-sicherndes Einkommen zu garantieren.

Angesichts der massiven Probleme im Kakaosektor kommen Unterneh-men allerdings nicht mehr darum he-rum, sich über Einkommenshöhe und damit auch über den Preis von Kakao Gedanken zu machen. Dies ist nicht nur notwendig, um einen Maßstab zu haben, ob die derzeit laufenden Pro-jekte tatsächlich zu einer nachhaltigen Kakaoproduktion führen, sondern auch, um die Zukunft des Sektors zu sichern. Der größte Teil der Kinder von den Kakaobauern möchte die Plantagen nicht übernehmen, da ihnen die Einkommen zu niedrig und die Preise zu unsicher sind.

Das Beispiel des eingangs geschil-derten Händlers zeigt, dass Fortschrit-te in den Anbaugebieten bei sinken-den Preisen schnell wieder zunichte gemacht werden können.

Daher muss die langsam beginnende Debatte über existenzsichernde Ein-kommen im Kakaosektor vorangetrie-ben werden. Notwendig ist dabei eine enge Zusammenarbeit von Nichtre-gierungsorganisationen, Unternehmen und Regierungen.

Friedel Huetz-AdamsSüdwind-Institut

Ende 2011 steckt ein Kakaohändler im Zwiespalt. Es ist Haupterntezeit in der Côte d‘Ivoire und er will zertifizierte Kakaoplantagen besuchen. Eine der Auflagen lautet, dass es keine ausbeu-terischen Formen von Kinderarbeit auf diesen Plantagen geben darf. Doch er befürchtet, bei seinem Besuch überall Kinder bei der Arbeit zu sehen.

Wie das sein kann? Zu dieser Zeit liegt der Kakaopreis nur noch bei knapp über 2000 US-Dollar je Tonne, Anfang des Jahres waren es noch über 3700 US-Dollar. Nach Einschätzung des Kakao-händlers können es sich die Bäuerinnen und Bauern schlichtweg nicht leisten, erwachsene Arbeitskräfte einzustellen.

Dies ist ein Schlaglicht darauf, wie wichtig die Einkommen der Familien in den Anbaugebieten bei der Frage sind, ob Verbesserungen umgesetzt werden können. Doch wie ein exis-tenzsichernder Mindestlohn aussehen soll, ist umstritten: Wie viele Personen soll ein Gehalt ernähren? Müssen eine Krankenversicherung, der Zugang zu fließendem Wasser und Strom oder die Bildung von Rücklagen aus dem Lohn finanzierbar sein? Werden die für die Ernährung notwendigen Ausgaben nur am Kalorienbedarf gemessen, oder zählen noch weitere Kriterien?

Bei Bäuerinnen und Bauern im Ka-kaosektor ist die Situation besonders komplex. Sie haben Kosten für den Anbau von Kakao, etwa für Setzlinge, Dünger, Pestizide und oftmals Löhne für Saisonarbeitskräfte. Zugleich ver-fügen viele von ihnen über weitere Ein-nahmequellen, sei es indirekt durch den Anbau von Nahrungsmitteln für den eigenen Bedarf oder direkt durch den Anbau anderer Früchte zum Verkauf.

Unternehmen im Kakao- und Scho-koladensektor verweisen immer wie-

Gerechter Lohn und faire PreiseDebatte Warum die Frage eines existenzsichernden Einkommens im Kakaosektor bedeutsam ist

Jede Bohne zählt: Kakaobauer verkaufen ihre Ernte an Zwischenhändler, welche die Säcke

an Exportfirmen weiterverkaufen.

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händlern ausgenommen wurden. Die Preise, die meine Eltern für den Ka-kao verlangt haben, wurden nicht res-pektiert, häufig wurde mit Falschgeld bezahlt. Beim Vertrieb brauchten die ProduzentInnen die Hilfe ihrer Kinder, die Lesen und Schreiben konnten. So konnte es einfach nicht weitergehen. Deshalb haben wir CANN gegründet.

CANN ist seit 2010 Fairtrade-zerti-fiziert. Was hat sich dadurch geän-dert?

Wir können dadurch eine verantwor-tungsvolle und nachhaltige Land-wirtschaft umsetzen. Wir haben eine Schule gebaut und eine weitere saniert. Wir haben die ProduzentInnen dazu gebracht, ihre Kinder einzuschulen. Und unsere Entschlüsse sind demo-kratischer geworden. Fairtrade hat uns dabei unterstützt, ein Dokumentations-system einzuführen, das unsere Fähig-keiten im Hinblick auf ein transparen-tes Management enorm verbessert hat.

Und CANN hat dank Fairtrade heute ganz neue Partnerschaften mit Ent-wicklungsorganisationen.

Fairtrade steht aber immer wieder in der Kritik, die Situation von Ka-kaobauern nicht zu verbessern.

Ich teile diese Kritik nicht. Schließlich erhalten ProduzentInnen, die es schaf-fen, Ihre Produkte abzusetzen, eine Prämie von 200 Dollar pro Tonne, die sie zur Verbesserung ihrer Lebensbe-dingungen einsetzen können. Bei uns haben sich die Lebensbedingungen der Kakaobauern durch die Fairtrade-Prämie klar verbessert. Es stimmt aber, dass der Marktzugang für zertifizierte Produkte erleichtert werden muss. Die ProduzentInnen, die unter Fairtrade-Standards produzieren, müssen ihre Produkte auch absetzen können. Das funktioniert noch nicht immer.

Interview: Johannes HeegINKOTA-netzwerk

Zur Person: Als Kakaobauer in der Elfenbein-küste hat Fortin Bley die Koopera-tive CANN mitgegründet. Heute ist er Generalsekretär der Initiative, in der über 600 Bäuerinnen und Bauern organisiert sind. Bley ist außerdem Präsident des „West African Cocoa Network“, das sich für die Belange westafrikanischer Kakaoproduzen-tInnen einsetzt.

Zur Elfenbeinküste:Die westafrikanische Republik Côte d’Ivoire hat etwa 20 Millionen Ein-

wohnerInnen – für sechs Millionen von ihnen bildet der Kakaosektor die Lebensgrundlage. Auch etwa 800.000 Kinder arbeiten auf ivori-schen Kakaofarmen.

36 Prozent des weltweit angebauten Kakaos kommen aus der Elfenbein-küste. Deutschland bezieht sogar 60 Prozent seines Kakaos von dort. Die Einnahmen aus dem Kakaoexport spielen bei politischen Konflikten immer wieder eine Rolle, zuletzt bei der Finanzierung des Bürgerkriegs von 1999 bis 2011.

Herr Bley, wenn Sie morgen Chef eines europäischen Schokoladenun-ternehmens werden würden: Was wäre Ihre erste Amtshandlung?

Fortin Bley: Leider haben die meisten Unternehmenschefs nur eine wirtschaftliche Be-ziehung zu den Kakaobäue-rinnen und -bauern. Ich würde eine menschliche Beziehung zu den ProduzentInnen aufbauen, um ihre Lebensbedingungen zu verste-hen und zu verbessern. Ich würde in Programme investieren, die die Jugend unterstützen, und dazu beitragen, dass junge Menschen in den Kakaoanbau nachrücken. Denn nur so ist die lang-fristige Existenz des Sektors gesichert.

Sie selber sind Kakaobauer aus der Elfenbeinküste. Welche Probleme gibt es in der Branche?

Dabei muss man mehrere Ebenen unterscheiden. Die Hauptprobleme beim Anbau von Kakao in der Elfen-beinküste sind zum Beispiel der alte Baumbestand, die Auswirkungen des Klimawandels und die ausgelaugten Böden. Es stehen aber auch viel zu wenige Anbauflächen zur Verfügung. Obwohl die vielzitierte Kinderarbeit immer noch ein Problem darstellt, las-sen sich in diesem Bereich deutliche Fortschritte erkennen: Es gibt einen staatlichen Rahmen, der Kinderarbeit reguliert und Programme zur Ab-schaffung von Kinderarbeit, die von Fairtrade-zertifizierten Kooperativen entwickelt werden.

Trotzdem besteht das Problem fort. Was muss noch passieren?

Der Preis, den die KakaoproduzentIn-nen bekommen, ist weiterhin zu nied-rig. Alle genannten Probleme haben eines gemeinsam: Sie lassen sich nur lösen, wenn den ProduzentInnen ein fairer Preis für ihren Kakao bezahlt wird.

Haben Sie deshalb 2005 die Koope-rative CANN mitgegründet?

Schon meine Eltern waren Kakao-bauern. Ich habe von klein auf mitbe-kommen, wie sie von den Zwischen-

Foto: Éric St-Pierre

„Meine Eltern wurden von Zwi-schenhändlern ausgenommen“Interview Fortin Bley, Kakaobauer aus der Elfenbeinküste, über die Probleme im Kakaoanbau und was er dagegen tut.

Kurz notiertUnterwegs für faire Schoko-lade: Schokomobil rollt durch Europa

Drei Monate lang und über 10.000 Kilometer weit hat das Schokomo-bil von August bis Oktober 2014 die Botschaft der Kampagne Make Chocolate Fair! in 14 Ländern ver-breitet. Ob auf einem Festival in einem Prager Bahnhof oder einem Open-Air-Filmabend in Vilnius: Tour-Koordinator Sven Selbert war vom Engagement überwältigt. „In München haben Jugendliche 1.500 Unterschriften für unsere Petition an die Schokoladenindustrie gesam-melt!“ Das Ziel von 100.000 Unter-schriften ist ein großes Stück näher gerückt.

Noch in der Nische: Fairer Handel mit Kakao wächst

Die Hälfte der weltweit konsu-mierten Schokolade wird in Europa verzehrt – und die Deutschen essen kräftig mit: Mit zehn Kilogramm Schokolade pro Person und Jahr gehö-ren sie zu den europäischen Spitzen-zeitern. Bei vielen VerbraucherInnen haben Berichte über Kinderarbeit und Menschenrechtsverletzungen im Ka-kaoanbau in den vergangenen Jahren aber zu Unbehagen geführt. Die Su-che nach Alternativen schlägt sich in den Umsatzzahlen des fairen Handels nieder.

Nach Angaben des Forums Fairer Handel wurden in Deutschland im Jahr 2013 faire Produkte im Wert von

783 Mio. Euro abgesetzt, was eine Verdoppelung seit 2009 bedeutet. Dennoch bleibt faire Schokolade ein Nischenprodukt: Weniger als 1% der in Deutschland verkauften Schokolade trug 2013 das Fairtrade-Siegel.

Rechnet man Siegel wie Rainforest Alliance oder UTZ Certified und an-dere Nachhaltigkeitsprogramme hinzu, erhöht sich der Anteil: So hat der Bun-desverband der Deutschen Süßwaren-industrie (BDSI) gemeldet, dass seine Mitgliedsunternehmen im Jahr 2013 17,5% ihres Kakaos aus nachhaltigen Quellen bezogen. Doch selbst nach dieser Rechnung stecken in über 80 Prozent der Schokolade in Deutsch-land neben Kakao und Zucker auch Armut, Hunger und Kinderarbeit.

Weihnachtsmänner in ganz Europa schlagen Alarm

Der unfaire Preis für Kakao zwingt immer mehr Bauern in Westaf-rika dazu, ihre Farmen aufzugeben. Doch ohne Kakao könnte es schon bald ein Weihnach-ten ohne Schokolade geben. Deshalb haben Weihnachts-männer in ganz Europa nun Proteste angekündigt. Bereits 2013 war es in mehreren Ländern zu Demonstratio-nen gekommen. Einige Unternehmen haben zwar begonnen, auf zertifizier-ten Kakao umzustellen. „Trotzdem hat sich an der Situation der meisten west-

afrikanischen Kakaobauern noch nichts geändert“, so ein Sprecher der Weihnachtsmänner. „Die Unter-nehmen müssen für Kakao endlich einen Preis bezahlen, der ein men-schenwürdiges Leben ermöglicht. Ansonsten gibt es an Weihnachten bald keine Schokolade mehr.“

Foto: INKOTA-netzwerk e.V.

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IIIINKOTA-AktionszeitungMake Chocolate Fair!Dezember 2014

Make Chocolate Fair!

tragen zerschlissene Kleidung. In den aneinander gereihten Holzhütten unterhalb der ehemaligen Gutsherrn-häuser portugiesischer Kolonialherren wohnen Familien auf engstem Raum. In der Gemeinde Guegue zum Beispiel lebt Cristina Sanchez da Silva, 52 Jah-re alt, in zwei winzigen Zimmern – zusammen mit ihrem Mann und drei

Handelsketten auf und überprüfen, ob ökologische und soziale Standards ein-gehalten werden.

Fairtrade ist das bekannteste Siegel des Fairen Handels. Nach diesen Stan-dards erhalten die Bauern einen Min-destpreis, der ihnen ein menschenwür-

diges Einkommen sichern soll, plus eine Prämie für soziale Projekte. Der Mindestpreis wird auch bei fallenden Weltmarktpreisen gezahlt.

UTZ und RA bezeichnen sich selbst als Nachhaltigkeitssiegel. Sie zahlen keine Mindestpreise, sondern setzen darauf, dass die Bauern durch Pro-duktivitäts- und Qualitätssteigerungen

Kindern – vier weitere sind schon aus dem Haus. Es sieht ärmlich aus.

Aber die Kakaobäuerin und Genos-senschaftsmitglied von Anfang an sieht das anders: „Früher habe ich für ein Ki-logramm frischen Kakao umgerechnet 36 Cent bekommen. Von CECAQ-11 erhalte ich 40 Cent und später gibt es noch eine Nachzahlung aus dem Ver-kauf des getrockneten Kakaos. Insge-samt komme ich so auf etwa 64 Cent.“

In Guegue sind 48 Kleinbäuerinnen und -bauern in einer Teilgenossen-schaft von CECAQ-11 (= Cooperativa de Exportacao de Cacao de Qualida-de), organisiert. Cristina Sanchez ist eine von insgesamt fünf Frauen in der Genossenschaft, die vor fünf Jahren gegründet wurde. Seitdem liefert sie an einen britischen Importeur und an das deutsche Fairhandelsunternehmen GEPA besonders hochwertigen Ka-kao, für den der Inselstaat berühmt ist. Durch den direkten Verkauf an ihre lo-kale Kooperative haben sich die Prei-se für die Produzenten fast verdoppelt. Und die Leute ernten doppelt so viel – auf demselben Land.

sowie durch die Zertifizierung selbst höhere Preise für ihren Kakao auf dem Weltmarkt erzielen.

Trotz unterschiedlicher Ansätze arbeiten Fairtrade, UTZ und RA seit 2011 verstärkt zusammen. Im Kakao-bereich wurden zum Beispiel gemein-same Schulungsmaterialien entwickelt. Aus Sicht vieler Bauernorganisatio-nen lässt sich nicht eindeutig sagen, ob einer der Ansätze vorteilhafter für die Produzentinnen und Produzenten ist. Auch Studien zufolge führen alle drei Systeme zu steigenden Einkom-men durch höhere Preise und Erträge, wobei bei Fairtrade der höhere Preis stärker ins Gewicht fällt als bei UTZ

Cristina Sanchez und ihr Mann wa-ren bis vor gut 30 Jahren Arbeiter auf den staatlichen Kakaoplantagen. Von 1975 bis 1990 regierte die kommunis-tische Einheitspartei São Tomé und Príncipe. Staatliche Misswirtschaft führte dazu, dass die Produktion von Qualitätskakao drastisch zurückging. Daran änderte die Landreform in den 1990er Jahren grundsätzlich wenig,

machte aber Cristina und etwa 8.000 andere Feldarbeiter zu Kleinbauern mit eigenem Land.

Die neuen Landbesitzer waren und sind auf Unterstützung angewiesen. Wie sie als Kleinbauern ihre 1,5 bis 2 Hektar managen sollten, hatten sie nicht gelernt. Adalberto Ferreira Luis, Hauptberater von CECAQ-11, erklärt, wie die Genossenschaft die Bauern

und RA zertifizierten Bauern, die dies aber durch höhere Ertragssteigerungen kompensieren.

Die Zertifizierung bringt also in je-dem Fall eine Verbesserung der Ein-kommenssituation der Produzenten. Keines der Zertifizierungssysteme garantiert jedoch ein existenzsichern-des Einkommen. Die Diskussion, was ein existenzsicherndes Einkommen bedeutet und wie es gesichert werden kann, hat auch im Fairen Handel gera-de erst begonnen.

Allein durch Zertifizierung lassen sich die Missstände im Kakaoanbau und -handel nicht lösen. Die Siegel bieten jedoch eine wichtige Orientie-rung für Verbraucher beim Einkauf. Erschwert wird diese, wenn die Zerti-

fizierung nicht erkennbar ist. Konzer-ne wie Mars oder Ferrero haben ange-kündigt, bis 2020 nur noch nachhaltig zertifizierten Kakao einzusetzen und dabei mit allen drei Zertifizierungs-organisationen zusammenzuarbeiten. Doch auf die Siegelung von Produkten wollen sie in vielen Fällen verzichten.

Wer also sicher gehen will, macht sich am besten auf den Weg in den nächsten Weltladen. Dort gibt es aus-schließlich fair gehandelte Produkte. Und mit den Einnahmen werden Bil-dungsarbeit und politische Kampag-nen finanziert oder Entwicklungspro-jekte unterstützt.

Arndt MassenbachINKOTA-netzwerk

unterstützt: „Agrartechniker und aus-gebildete Mitglieder zeigen ihnen, wie sie den Ertrag mit einfachen Mitteln er-höhen können. Zum Beispiel durch den fachgerechten Beschnitt der Bäume. Außerdem erklären sie ihnen, wie sie die frischen Bohnen richtig fermentie-ren und trocknen müssen, um qualitativ hochwertigen Rohkakao zu erhalten.“

Das Leben hat sich in den letzten Jahren für Cristina Sanchez durch CE-CAQ-11 verbessert. Sie bekommt mehr Geld als vorher und weiß, das die Ge-nossenschaft ihren Kakao langfristig abnimmt. Sie hat genug zu essen, kann besser für ihre Kinder sorgen und sich andere Dinge wie zum Beispiel einen Fernseher leisten. Seit kurzem ist die Kooperative mit Unterstützung der GEPA zudem bio-zertifiziert, so dass sie jetzt den Mitgliedern für ihren fair gehandelten Rohkakao auch noch eine Bio-Prämie zahlt.

Besonders am Herzen liegt Cristina: „Ich wünsche mir, dass wir bald um-ziehen können, in ein Reihenhäuschen aus Stein.“ Die werden gerade in Ab-sprache mit den Kakaobauern ganz in der Nähe der Holzhütten von Guegue durch staatliche Förderung gebaut. Mit etwas Glück kann Cristinas Traum bald in Erfüllung gehen.

Anne WelsingTV-Journalistin & Filmemacherin

Raus aus der ArmutsfalleGenossenschaft Wie der Kakaohandel Armut verringern kann, wenn er vernünftig und fair organisiert ist – das Beispiel CECAQ-11 im west-afrikanischen Inselstaat São Tomé und Príncipe

Faustregeln für ethisch korrekten Schoko-GenussOrientierung Wobei welche Siegel weiterhelfen können – und wobei nicht

Wer als westlicher Besucher von der karibisch anmutenden Küste in die kleinen Ortschaften im Hinterland auf der Hauptinsel São Tomé kommt, könnte den Eindruck haben, dass der Faire Handel nichts bewegt. Auf schmalen Wegen geht es zu kleinen Siedlungen umgeben von Kakaoplan-tagen. Die Menschen am Straßenrand

Immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher achten beim Einkauf auf Produkte aus nachhaltiger Produktion und fairem Handel. Die Zahl der Siegel wächst, die Orientierung wird dadurch nicht leichter. Anders als Bio-Siegel sind Fair-Handels-Siegel nicht staat-lich reguliert. Unternehmen dürfen Produkte als „fair“ oder „nachhaltig produziert“ kennzeichnen, ohne dass Mindeststandards eingehalten werden oder eine externe Kontrolle stattfindet.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten beim Einkauf auf Siegel von un-abhängigen Zertifizierungsorganisatio-nen achten. Bei Kakao und Schokolade gibt es drei große Siegelorganisationen, die eine unabhängige Zertifizierung ga-rantieren: Fairtrade, UTZ Certified und Rainforest Alliance (RA). Diese Orga-nisationen beraten und schulen die Ka-kaobauern, um deren Anbaumethoden zu verbessern, bauen nachvollziehbare

Der Traum vom besseren Leben: Christina Sanchez kann sich mehr leisten als früher.

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Kampagnen-Flyer Make Chocolate Fair!

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Diese Publikation wurde mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union, der Stiftung Nord-Süd-Brücken, der Lan-desstelle für Entwicklungszusammenarbeit des Berliner Senates und Brot für die Welt – Evangelischer Entwicklungsdienst erstellt. Der Inhalt dieser Publikation liegt in der al-leinigen Verantwortung von INKOTA und stellt nicht die Meinung der Förderer dar.

Impressum

Herausgeber:INKOTA-netzwerk e.V.Chrysanthemenstr. 1–310407 [email protected]: 030 – 42 08 20 20

Redaktion:Arndt von Massenbach (V.i.s.d.P.),Evelyn Bahn, Johannes Heeg,Maximilian Knoblauch

Gestaltung/Reinzeichnung:www.bertramsturm.de

Der Herausgeber ist für den Inhalt allein verantwortlich.

Landesstelle für Entwicklungszusammenarbeit

Allein durch Zertifizierung lassen sich die Missstände nicht lösen.

Durch den direkten Verkauf an ihre Koope-rative haben sich die Preise für die Produ-zenten fast verdoppelt.

Unterschiedliche Ansätze: Beim Kauf von Kakao und

Schokolade haben die VerbraucherInnen die Wahl zwi-

schen drei großen Siegelorganisationen – Fairtrade, UTZ

Certified und Rainforest Alliance (RA).

Page 4: I Make Chocolate Fair! · Dezember 2014 I Ausbeutung beenden: Ein Bauer wehrt sich ... als einem US-Dollar pro Kopf am Tag auskommen. Kakaobauern in Ghana sind im Durchschnitt 56

IV INKOTA-AktionszeitungMake Chocolate Fair!

Dezember 2014

Make Chocolate Fair!

ische Kampagne für faire Schokolade, die es je gegeben hat. Make Chocolate Fair! ist die Botschaft an die Schoko-ladenunternehmen, die endlich Schrit-te zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen in den Kakao-anbauländern ergreifen müssen. Da-mit Konzerne wie Mars, Nestlé oder Lindt sich bewegen, hat die Kampagne eine Petition aufgesetzt: Mindestens 100.000 Unterschriften sollen bis Ende 2015 gesammelt und der Schokoladen-industrie überreicht werden.

Und der Ruf Make Chocolate Fair! wird immer lauter: Gemeinsam mit Partnern aus 15 europäischen Län-dern wurde diskutiert, konzipiert und

geplant. Herausgekommen ist eine Vielfalt an nationalen und europawei-ten Kampagnenaktivitäten. Um den Druck auf die Schokoladenunterneh-

men zu erhöhen, müssen viele Köpfe und Hände mobilisiert werden. Info-material wurde gedruckt, eine Web-seite und ein Blog erstellt, Mitmach-Angebote ausgeschrieben und jede Menge persönliche Kontakte aufge-baut. Und tatsächlich: Die Missstände

im Kakaogeschäft liegen immer mehr Menschen in Deutschland und Euro-pa am Herzen. Zivilgesellschaftliche Organisationen, Weltläden, Hoch-schulgruppen, Kirchengemeinden und Einzelpersonen schließen sich der Kampagne an und zeigen sich von ihrer fairsten Schokoladenseite. Mehr als 100 Organisationen sind inzwischen Mitträger der Kampagne geworden. Unterschriebene Petitions-listen flattern stapelweise ins Kampa-gnenbüro, empörte Weihnachtsmänner und Osterhasen protestieren, Studen-tInnen führen Workshops durch, Welt-läden organisieren Aktionstage und Kirchengemeinden laden zum scho-kofairen Gottesdienst ein. Spätestens mit der europäischen Schokomobil-Tour sollte es der Schokoladenindust-rie schwerfallen, die Forderungen der Kampagne zu ignorieren: Drei Monate lang tourte das Schokomobil durch 14 Länder, um die Menschen mit einer Ausstellung, einer interaktiven Fo-toaktion und viel fairer Schokolade über die menschenverachtenden Le-bens- und Arbeitsbedingungen von Kakaobauern und -bäuerinnen zu in-formieren und Unterschriften für die Petition zu sammeln.

Und das zeigt Wirkung: Die Scho-koladenindustrie reagiert. Regelmä-ßig tauchen Unternehmensvertreter bei Kampagnenevents auf, schreiben mehrseitige Briefe an die Campaig-nerInnen oder laden zu persönlichen Treffen ein, um auf ihre Nachhaltig-keitsinitiativen hinzuweisen. Und es gibt erste Zusagen von Schokoladen-

Der Ruf wird immer lauter: Make Chocolate Fair!Kampagne Wie Menschen in ganz Europa die Schokoladenindustrie unter Druck setzen

Alles begann mit einem Gefühl: Em-pörung. Darüber, dass trotz der hohen Einnahmen der Schokoladenindustrie immer noch Millionen Kakaobauern und -bäuerinnen in bitterer Armut le-ben. Darüber, dass entgegen der Un-ternehmensversprechen immer noch Kinder auf Kakaofeldern ausgebeutet werden. Darüber, dass Profitstreben weiterhin einer nachhaltigen und di-versifizierten Landwirtschaft im Wege stehen. Und darüber, dass der faire Handel mit Kakao in Deutschland im-mer noch in der Nische steckt.

Um dieser anhaltenden Ungerech-tigkeit entgegenzutreten, startete IN-KOTA im Jahr 2013 die größte europä-

Kreuz und fair durch Europa: Das Schokomobil beim Tour-Auftakt in Berlin

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Äußern Sie Ihren Unmut über die un-haltbaren Zustände im Kakaoanbau! Fordern Sie gemeinsam mit uns von den Schokoladenunternehmen, verant-wortliche Schritte für die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen im Kakaoanbau zu unternehmen und eine nachhaltige und diversifizierte Landwirtschaft zu fördern.

Je mehr Menschen hinter Make Chocolate Fair! stehen, desto weni-

ger können die Unternehmen unsere Botschaft ignorieren. Bis Ende 2015 wollen wir 100.000 Unterschriften sammeln, die wir den Schokoladen-unternehmen in einer öffentlichkeits-wirksamen Aktion überreichen. Darü-ber hinaus werden personenbezogene Daten ausschließlich zur Versendung von Informationen des INKOTA-netzwerks verwendet und in keinem Fall an Dritte weitergegeben.

Weitere Informationen zur Petition finden Sie unter www.de.makechocolatefair.org.

INKOTA – Hunger auf VeränderungWer hinter der Kampagne Make Chocolate Fair! steckt

Europäische Petition für faire Schokolade: Jetzt unterschreiben!

Ich fordere von den Schokoladenunternehmen:

eine faire Bezahlung von Kakaobauern und -bäuerin-nen und ihren ArbeiterInnen

die Einhaltung der Menschen- und Arbeitsrechte sowie die Ablehnung ausbeuterischer Kinderarbeit

die Unterstützung von Kakaobauern und -bäuerinnen bei der Umsetzung einer nachhaltigen und diversifi-zierten Landwirtschaft

die Anwendung eines unabhängigen Zertifizierungs- und Kontrollsystems

Vor- und Nachname

Unterschrift

E-Mail (falls Newsletter erwünscht)

INKOTA-netzwerkChrysanthemenstraße 1-310407 Berlin

Fax: 030 – 42 08 20 210

Bitte

frei-

machen

Hunger besiegen, Armut bekämpfen, Globalisierung gerecht gestalten – seit über 40 Jahren setzt sich INKO-TA dafür ein. Deshalb haben wir mit Partnern in ganz Europa die Kampa-gne Make Chocolate Fair! ins Leben gerufen. Denn die Bedingungen, unter denen die Kakaobäuerinnen und -bau-ern in Westafrika den Kakao für unsere Schokolade produzieren, können wir nicht akzeptieren.

Mit anderen Kampagnen und Akti-onen prangert INKOTA Missstände in der globalen Textilproduktion an oder

warnt vor Gefahren einer agroindust-riellen Landwirtschaft. Zudem unter-stützt INKOTA Partnerorganisationen in El Salvador, Guatemala, Nicaragua, Mosambik und Vietnam bei ihrem Weg zu einer selbstbestimmten Entwicklung.

Jeder und jede, die im Kontext von Nord-Süd-Fragen den dringlichen HUNGER AUF VERÄNDERUNG spürt, ist eingeladen, sich mit uns für eine gerechte Welt ohne Hunger und Armut zu engagieren.

Mehr erfahren Sie auf unserer Web-site www.inkota.de.

�Unterschreiben Sie die Petition – entweder mit dem Formular auf dieser Seite oder online unter www.makechocolatefair.org. �Verlinken Sie auf die Website von Make Chocolate Fair! und posten Sie Kampagnen-News bei Facebook. � Informieren Sie sich und andere – zum Beispiel mit dem Kampagnen-material, das Sie mit dem Formular auf Seite III bestellen können. �Werden Sie Mitträger! Wenn Sie in einem Verein oder einer Initiative organisiert sind, können Sie Mitträ-ger werden und mit Ihrem Namen die Forderungen der Kampagne unterstützen. Mehr Informationen unter www.de.makechocolatefair.org/mittraeger.

�Laden Sie uns ein! Unsere Refe-rentInnen kommen gerne zu Ihnen, informieren über das Thema und stellen die Kampagne vor. �Kaufen Sie zertifizierte Schokola-de oder fragen Sie bei Unternehmen und im Supermarkt nach, wann Ihre Lieblingsschokolade endlich zertifi-ziert wird. �Spenden Sie für unsere Kampag-nenarbeit: Informationsmaterialien, Plakate, Ausstellungen, Aktionen – unsere Bildungs- und Öffentlich-keitsarbeit kostet Geld. Auch bei geförderten Aktionen müssen wir immer einen Eigenanteil aufbringen. Und wirklich unabhängig können wir sowieso nur mit einer unabhän-gigen Finanzierung sein.

Was können Sie tun?

Eine unabhängige Stimme braucht eine unabhängige Finanzierung: Unterstützen Sie unsere Kampagnenar-beit mit Ihrer Spende!

Im November 2015 wollen wir die Unterschriften unserer Make Cho-colate Fair!-Petition in Brüssel der Schokoladenindustrie überreichen. Bis dahin benötigen wir mindestens 5.000 Euro an Eigenmitteln.

Jede Spende hilft!INKOTA-netzwerk e.V.Konto 155 500 0010,BLZ 350 601 90 (KD-Bank)IBAN: DE06 3506 0190 1555 0000 10BIC: GENODED1DKDSpendenstichwort: Faire Schokolade

Online-Spende: www.inkota.de/spenden

Geprüft + Empfohlen

herstellern, die Produktion auf fair ge-handelten oder zumindest nachhaltig zertifizierten Kakao umzustellen.

Lina GrossINKOTA-netzwerk

Die Kampagne zeigt Wirkung, die Schokola-denindustrie reagiert.